Die Umsetzung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die bevorstehende Änderung der InsO - SFZ Mainz
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Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 3 Die Umsetzung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die bevorstehende Änderung der InsO Ein Beitrag von: Rechtsanwältin Helga Springeneer, Institut Für Finanzdienstleistungen e.V., Hamburg SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 4 1. Überblick: Umsetzungsprobleme mit der InsO 2. Stand der Reformdiskussion 3. Erfahrungen aus der Praxis der Schuldnerberatung 4. Wünschenswerte Ansätze für eine Reformdiskussion Zu 1. Überblick: Umsetzungsprobleme mit der InsO Das am 1.1.1999 in Kraft getretene und mit Spannung erwartete Verbraucherinsolvenzverfahren hat sich in der kurzen Zeit seiner Praxis als unübersichtliches, bürokratisches und langwieriges Verfahren herausgestellt, das die Überschuldung als zentrales soziales Problem unserer Gesellschaft nicht bewältigen kann. Hinzu kommt, dass das Zusammenspiel zwischen vorrangigem außergerichtlichem Einigungsversuch und subsidiärem gerichtlichen Insolvenzverfahren bislang nicht funktioniert. Dies hat seine wesentliche Ursache darin, dass die InsO den außergerichtlichen Einigungsversuch noch nicht hinreichend stützt und schützt. Zum anderen lassen sich aber auch Schuldnerberater, die Justiz und ihr Folgepersonal zu stark von der Verrechtlichung der Verbraucherinsolvenz leiten. Dies führt zu der jetzt erkennbaren Tendenz, dass der außergerichtliche Einigungsversuch häufig nur als formale Vorstufe für das gerichtliche Verfahren angesehen wird. Das gerichtliche Verfahren wird damit in der Praxis zur Standardoption, obwohl der Gesetzgeber – zu Recht – dieses Verfahren nur als letzten Ausweg angedacht hat. In der öffentlichen Diskussion finden sich derzeit folgende Problembeschreibungen immer wieder: Persönlicher Anwendungsbereich (§304 InsO): Die Praxis der Schuldnerberatung beklagt teilweise den hohen Arbeitsaufwand für überschuldete Kleingewerbetreibende im Vergleich zu den geringen Erfolgsquoten außergerichtlicher Vergleiche bzw. gerichtlicher Schuldenbereinigungspläne. Gläubigerzahl und Verschuldungshöhe würden in den meisten Fällen die Zustimmung der Gläubiger verhindern. Die Rechtsprechung der Insolvenzgerichte hat sich seit 1.1.1999 vornehmlich mit der Rechtsfrage beschäftigt, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob ein Kleinunternehmer §304 InsO zuzuordnen ist. Es entbrannte eine Diskussion, die uns noch zu gut aus den Zeiten bekannt ist, wo es die umstrittene Rechtsfigur des „Minderkaufmanns“ gab. Der aktuelle Wortlaut von §304 Abs.2 InsO – „Eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ist insbesondere dann geringfügig ..., wenn sie nach Art oder Umfang einem in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 5 nicht erfordert.“ – knüpft unnötigerweise an die frühere Definition des Minderkaufmanns an. Diese hat seinerzeit dieselben Auslegungsschwierigkeiten bereitet, wie sie jetzt die Insolvenzgerichte wieder beschäftigen. Damit hat der Gesetzgeber „sehenden Auges“ das aus dem alten Handelsgesetzbuch bekannte Problem „Wer ist Minderkaufmann?“ in die InsO getragen. Bei all diesen formalen Diskussionen um den persönlichen Anwendungsbereich der §§304 ff. InsO wird aber die essenzielle Frage übersehen: Wann gehört ein Kleinunternehmer in das Verbraucherinsolvenzverfahren und wann ist er besser im Regelinsolvenzverfahren aufgehoben? Kein formales Abgrenzungskriterium – wie das der Gläubigerzahl – wird dieser Frage gerecht werden können. Das Ziel des Kleingewerbetreibenden sollte vielmehr den Maßstab bilden: Will er sein Kleinunternehmen fortführen, ist das Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen. Will er sich dagegen von seinen gewerblichen Schulden befreien, um künftig ein unternehmensfreies Leben zu ermöglichen, ist er im Verbraucherinsolvenzverfahren zu belassen. In diesem Fall ist der Kleinunternehmer nämlich einer überschuldeten Privatperson vergleichbar und bedarf des sozialen Schutzes dieses Verfahrens. Außergerichtlicher Einigungsversuch: Obwohl Schuldnerberater seit Jahren außergerichtliche Entschuldungsvergleiche vorbereiten und begleiten, hat sich die Zahl außergerichtlicher Einigungsquoten seit dem 1.1.1999 kaum verändert. Die Praxis berichtet von unkooperativem Verhalten der Gläubiger, die Pläne zum Teil ohne nähere Prüfung per se ablehnen. Die mangelnde Kenntnis gerade der kleinen und mittleren Gläubiger über das Verbraucherinsolvenzverfahren fördere zudem irrige Vorstellungen über das, was Gläubiger im Verlauf der „Wohlverhaltensperiode“ an Zahlungen zu erwarten haben. Insbesondere der bislang fehlende Vollstreckungsschutz für den außergerichtlichen Einigungsversuch behindere die Verhandlungen, weil Gläubiger das Erstanschreiben häufig für Vollstreckungshandlungen nutzen. Die Problembeschreibungen der Praxis machen aber deutlich, dass neben sinnvollen Gesetzesänderungen, insbesondere was einen sinnvollen Vollstreckungsschutz anbelangt, auch die Verfahrensbeteiligten selbst dazu beitragen können, dass in größerer Anzahl Vergleiche zustande kommen: • Nicht die InsO, sondern der Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt die außergerichtlichen Verhandlungen. Auch Schuldnerberater müssen sich davon lösen, außergerichtliche Pläne wie eine Kopie des gerichtlichen Verfahrens zu gestalten. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 6 • Schuldnerberater und Gläubiger müssen die Kooperation suchen, um Rahmenbedingungen für Vergleiche abzustimmen. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren: Auch wenn die Beteiligten diesen Verfahrensabschnitt bislang eher als Wiederholung des gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuchs und wegen der gerichtlichen Zustellpflichten als Papierumwälzungsverfahren empfinden, wird der grundsätzliche Vorteil verkannt: Ein Entschuldungsplan kann mittels gerichtlicher Autorität gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden. Nur: Auch Insolvenzrichter tun sich mit diesem Verfahrensabschnitt schwer. Das Zustimmungsersetzungsverfahren löst bei ihnen keine Jubelrufe aus. Unbehagen bereitet ihnen, wie der voraussichtliche Verlauf des Restschuldbefreiungsverfahrens und der Schuldenbereinigungsplan miteinander zu vergleichen sind. In den wenigen Fällen, die die Rechtsprechung bislang entschieden hat, wurde der Vergleich rein mathematisch gezogen, nämlich durch Vergleich der prognostizierten Summe für das Restschuldbefreiungsverfahren mit der Gesamtsumme des Plans. Da die Unterschiede nur wenige DM bzw. weniger als 1% ausmachten, konnte das Gericht in diesen Fällen problemlos die fehlende Zustimmung des Gläubigers ersetzen. Interessant wird es aber, wenn der rein mathematische (nominelle) Vergleich zwar größere Unterschiede ergibt, der Schuldenbereinigungsplan gleichwohl aber ein wirtschaftlich sinnvoller Plan ist. Es ist zu befürchten, dass Insolvenzrichter in solchen Fällen eine Zustimmungsersetzung verweigern werden. Es fehlt den Richtern an sachlichen Kriterien, wie der Vergleich vorzunehmen ist. Obwohl viele Richter die Barwertmethode z.B. aus dem Leasingrecht und anderen Rechtsgebieten kennen oder kennen sollten, wird diese Methode bislang kaum verwendet. Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Eine Problematik, die uns bereits seit Dezember 1998, nämlich seit der Entscheidung des Amtsgerichts München, begleitet, heißt Prozesskostenhilfe. Der Zugang in das gerichtliche Verfahren ist zur Zeit für ca. 50% - wahrscheinlich sogar mehr – der mittellosen Schuldner in der Bundesrepublik faktisch durch zu hohe Verfahrenskosten und ablehnende PKH-Beschlüsse versperrt. Damit steht gerade dem Personenkreis, der am dringendsten auf eine Entschuldung angewiesen ist, in den außergerichtlichen Verhandlungen nicht das Druckmittel eines etwaig drohenden gerichtlichen Verfahrens zur Verfügung. Überraschend war die restriktive Haltung vieler Insolvenzgerichte letztlich nicht. Erstaunen löste aber doch manche wirre juristisch-formalistische Argumentation aus, wenn es darum ging, Prozesskostenhilfe nur deshalb abzulehnen, um die SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 7 Justizkassen (vermeintlich) zu schonen. Manches Insolvenzgericht hat dabei das Gesellschaftsproblem der Überschuldung in den Hintergrund gedrängt. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 8 Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Über den Verlauf des weiteren gerichtlichen Insolvenzverfahrens gibt es mangels entsprechender Fallzahlen natürlich noch wenige empirische Werte. Da die Mehrheit der Überschuldeten aber über kein verwertbares Vermögen verfügen dürfte, stellt sich schon die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit eines eigenen Verfahrensabschnitts „vereinfachtes Insolvenzverfahren“, das der Liquidation des Schuldnervermögens dient. Verfahrensabschnitte, die das Verfahren ohne nennenswertes Ergebnis in die Länge ziehen und zusätzliche Kosten für einen Treuhänder verursachen, sollte man bei einer Reform des Verfahrens überdenken. Wenige Einzelfälle haben darüber hinaus in den letzten Wochen zwei weitere Probleme dieses Verfahrensabschnitts aufgezeigt: Zum einen die Möglichkeit des Treuhänders, das Wohnraummietverhältnis des Schuldners zu kündigen, um die Mietkaution für die Insolvenzmasse zu sichern. Zum anderen die Unklarheit, ob laufendes pfändbares Einkommen die Anberaumung des Schlusstermins hinauszögern darf. Dazu später aber noch mehr. „Wohlverhaltensperiode“: Auch wenn kaum Erfahrungswerte für das Restschuldbefreiungsverfahren vorliegen, ist anhand der bisherigen Erfahrungen der Schuldnerberatung mit dem Durchhaltevermögen der Schuldner und Berichten aus anderen europäischen Staaten und den USA zum Scheitern von Zahlungsplänen mit sogar nur 5jähriger Dauer klar, dass die Dauer der „Wohlverhaltensperiode“ zu lang angesetzt ist. Der mit diesem Verfahrensabschnitt für alle Beteiligten verbundene Aufwand und das wahrscheinlich magere wirtschaftliche Ergebnis für die Gläubiger stehen in keinem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Der Schuldner wird für die Dauer von 5 bzw. 7 Jahren unter die Vormundschaft eines Treuhänders gestellt, der eher dem Typus klassischer Unternehmensinsolvenzverwalter zuzuordnen ist, als dass ihm die soziale Problematik überschuldeter Privathaushalte nahe sein dürfte. Ein echtes aktives Mitwirken des Schuldners an der Reorganisation seiner wirtschaftlichen Verhältnisse wird damit nicht gefördert. Auch der als Motivationsrabatt getaufte §292 Abs.1 S.3 InsO setzt mit Beginn des 5. Jahres der „Wohlverhaltensperiode“ viel zu spät ein. Schuldner, die sich seit Jahren in der Überschuldungsspirale bewegen und lediglich vom pfändungsfreien Einkommen leben, brauchen einen früher einsetzenden Anreiz, der letztlich auch den Gläubigern zugute kommen würde. Als problematisch gilt natürlich auch, dass die Restschuldbefreiung nicht zugunsten mithaftender Familienangehöriger wirkt. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 9 Zu 2. Stand der Reformdiskussion Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat soeben einen Diskussionsentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung erarbeitet, der im wesentlichen die von der Bund-Länder-Arbeits- gruppe „Insolvenzrecht“ zusammengestellten Vorschläge aufgreift. Um gleich einem Missverständnis vorzubeugen: Es handelt sich nicht um eine Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens, sondern um eine Reparatur der dringendsten Probleme. Dies ist auch die Sichtweise des BMJ. Vor zu viel Optimismus sei daher gewarnt. Die Änderungsvorschläge fallen moderat aus. Dies war aber auch klar. Die Vorschläge sind der Kompromiss zwischen Bundesregierung und Bundesländern, wobei sich letztere als die Bremse herausstellen. Ihre Angst, auf zu hohen Kosten sitzen zu bleiben, dominiert daher das Thema Verbraucherinsolvenz. Nur: Hat irgend jemand wirklich betriebswirtschaftlich nachvollziehbar verschiedene Modelle einer Insolvenzkostenhilfe durchgerechnet und miteinander verglichen? Die vor Einführung der InsO und auch jetzt in die Diskussion geworfenen Zahlen scheinen eher Zu-Fuß-Berechnungen zu sein, die wenig verlässlich sind. Der Diskussionsentwurf befindet sich zur Zeit bei den Landesjustizministerien, die bis Ende der 1. Oktoberwoche Stellung nehmen sollen. Mit einem Inkrafttreten der Änderungen ist frühestens zum 2. Quartal, wahrscheinlicher wohl aber erst zum 3. Quartal 2001 zu rechnen. Die Änderungsvorschläge betreffen im einzelnen folgende Aspekte: Umgang mit Kleingewerbetreibenden Kleingewerbetreibende sollen künftig nur dann Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfahren haben, wenn sie weniger als 20 Gläubiger haben, bei Antragstellung nicht mehr gewerblich tätig sind und keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen von (früheren) Mitarbeitern haben. Ist das ein sinnvolles Abgrenzungskriterium? Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in ihrem Bericht ausführlich die Schwierigkeiten dargestellt, die Fälle von Kleingewerbetreibenden kennzeichnen. Entschuldungsvergleiche kämen wegen der Gläubigerzahl und der Gesamtverschuldung kaum zustande. Außergerichtlicher Einigungsversuch und gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren seien daher überflüssig. Auch die übrigen Verfahrensabschnitte träfen nicht die Bedürfnisse von Kleingewerbetreibenden. Die Argumente lesen sich zum Teil wunderschön – nur: sie treffen letztlich genau so für überschuldete Privatpersonen zu wie für Kleingewerbetreibende. Eigentlich hat hier die Bund-Länder-Arbeitsgruppe in nicht zu beanstandender Weise Pro und Contra des Verbraucherinsolvenzverfahrens zusammen gestellt. Nur: Sichtbare Konsequenzen für den privaten Überschuldeten wurden daraus nicht abgeleitet. Die für die Kleingewerbetreibenden abgeleitete Konsequenz, sie nämlich bei Erfüllen der o.g. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 10 Kriterien automatisch ins Regelinsolvenzverfahren zu überstellen, ist dagegen falsch. Es gibt – völlig unabhängig von der Gläubigerzahl – Kleingewer- betreibende, deren Situation mit der überschuldeter Privatpersonen identisch ist. Sie haben seit Jahren ihre gewerbliche Tätigkeit eingestellt, arbeiten, wenn überhaupt, wieder abhängig und wollen ihre gewerblichen Schulden abtragen, um künftig ein unternehmensfreies Leben führen zu können. Diese Kleingewerbetreibenden haben nichts im Regelinsolvenzverfahren zu suchen. Dort sollten die Kleingewerbetreibenden sich wiederfinden, die ihren Betrieb sanieren und fortführen wollen. Ein formales Abgrenzungskriterium wie das der Gläubigerzahl wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Was haben wir davon, wenn künftig zwar Insolvenzrichter schnell entscheiden können, ob jemand ins Verbraucher – oder ins Regelinsolvenzverfahren gehört, wenn sich die Probleme mit den Kleingewerbetreibenden hinterher im Regelinsolvenzverfahren wiederfinden? Dann doch lieber gleich ein vernünftiges materielles Abgrenzungskriterium, auch wenn dies zunächst zeitaufwendigere Prüfungen mit sich bringt. Vollstreckungsschutz im außergerichtlichen Verfahren Der Diskussionsentwurf hat, was grundsätzlich zu begrüßen ist, Vorschläge für einen außergerichtlich wirkenden Vollstreckungsschutz aufgenommen. Dieser soll aus 3 Bausteinen bestehen: Die in §88 InsO geregelte Rückschlagsperre soll von einem auf drei Monate verlängert werden. Entgegen der Empfehlung der Bund-Länder- Arbeitsgruppe greift die Bundesregierung auch den Vorschlag auf, über eine Ergänzung des §765a ZPO in Einzelfällen Vollstreckungsmaßnahmen einstellen zu lassen. Schließlich soll das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs gesetzlich fingiert werden, wenn ein Gläubiger nach Beginn der Vergleichsgespräche eine Vollstreckungshandlung initiiert oder fortsetzt. Diese Vorschläge gewähren keinen hinreichenden Schutz. Der Wirkungsbereich der Rückschlagsperre erfasst nur Sicherungen, die ein Gläubiger im Wege der Vollstreckung erlangt hat, also insbesondere das Pfändungspfandrecht, nicht aber den bereits erlangten Vollstreckungserlös. Da Vergleichsgespräche auch regelmäßig mehr als 3 Monate in Anspruch nehmen, müsste die Option bestehen, den Vollstreckungsschutz einmalig verlängern zu können. Schließlich berichten viele Schuldnerberater selbst, dass Vollstreckungshandlungen die Vergleichsgespräche zwar erschweren, nicht aber zwingend ihr Ende bedeuten. Die angedachte gesetzliche Fiktion fördert daher vielmehr wieder die - unerwünschte - Folge, dass das gerichtliche Insolvenzverfahren zur Standardoption statt zur Ausnahme wird. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 11 Abbau des Beratungsstaus bei den Schuldnerberatungsstellen Weder dem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe noch dem Diskussionsentwurf ist zu entnehmen, dass über eine ausgedehntere finanzielle Förderung von Insolvenzberatung nachgedacht wird. Den Warteschleifen in den Schuldnerberatungsstellen will man im Ansatz dadurch Herr werden, dass man Rechtsanwälten die Vertretung von Schuldnern im Verbraucherinsolvenzverfahren schmackhafter machen will. Die Anwaltsgebühren für eine Unterstützung im außergerichtlichen Einigungsversuch sollen von bislang 220 DM auf 400 bis 1.000 DM angehoben werden. Letztlich ist auch dieser Rahmen für einen Anwalt nicht kostendeckend, so dass abzuwarten bleibt, ob sich von dieser Gebührenänderung mehr Anwälte zu einem Engagement bewegen lassen. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren Das z.T. zu Recht, zum Teil aber auch zu Unrecht gescholtene gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren soll künftig zwar der Regelfall bleiben. Es steht allerdings im Ermessen des Insolvenzgerichts, diesen Verfahrensabschnitt zu überspringen, wenn die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass die erforderliche Gläubigermehrheit nicht zustande kommt. Woran aber orientiert sich das Insolvenzgericht, um sein Ermessen sachgerecht ausüben zu können? Der Schuldner soll künftig verpflichtet sein, den außergerichtlichen Plan bei Gericht einzureichen und die Gründe für das Scheitern der Vergleichsgespräche mitzuteilen. Wenn das Gericht somit auf Informationen aus der Hand des Schuldners angewiesen ist, hätte es auch die Entscheidung, ob dieser Verfahrensabschnitt durchzuführen ist, gleich dem Schuldner bzw. der ihn vertretenden Schuldnerberatungsstelle überlassen können. Es ist auch nicht auszuschließen, dass künftig Insolvenzgerichte verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, das Schuldenbereinigungsverfahren zu überspringen, um nicht mit dem von der Justiz bislang wenig geliebten Zustimmungsersetzungsverfahren konfrontiert zu sein. Verfahrenskosten Das BMJ hat ein Paket von potenziellen Kostensenkungsmaßnahmen zusammengestellt, die im Ergebnis alle zu begrüßen sind, wenn sie denn auch zügig umgesetzt werden. Ähnlich wie in Österreich soll künftig auch hier das Internet zumindest als alternatives Publikationsmedium eingesetzt werden. Damit würden sich die zur Zeit immens hohen Kosten für Veröffentlichungen in der Tagespresse erledigen. Da die Bundesländer aber in der Bereitstellung der entsprechenden Hardware etc. völlig SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 12 unterschiedlich weit sind, ist mit einer kurzfristigen Umsetzung dieses Vorschlages nicht zu rechnen. Des weiteren wird im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren der Umfang der Zustellpflichten dadurch reduziert, dass statt der umfangreichen Verzeichnisse nur noch eine Vermögensübersicht zuzustellen ist. Kumulativ sollen die Gläubiger ein Einsichts- recht in die Schuldnerakte beim Insolvenzgericht erhalten. Der Schuldner soll im übrigen verpflichtet werden, für die nötige Anzahl der erforderlichen Abschriften selbst zu sorgen. Diese Änderungen werden den Verzicht auf einen Gerichtskostenvorschuss nach sich ziehen. Insolvenzkostenhilfe: Stundung der Verfahrenskosten statt Prozesskostenhilfe Wegen angeblich zu hoher Kostenbelastung fiel das Votum gegen eine entsprechende Anwendbarkeit der Prozesskostenhilfe-Vorschriften aus. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat stattdessen das sogenannte Stundungsmodell entwickelt. Danach kann das Insolvenzgericht – für jeden Verfahrensabschnitt gesondert – die Verfahrenskosten bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung stunden. Zu den Verfahrenskosten gehört z.B. auch die Treuhändermindestvergütung. Voraussetzung ist unter anderem, dass das Vermögen des Schuldners und sein absehbarer Einkommenserwerb voraussichtlich nicht ausreichen werden, um die Kosten zu decken. Das Gericht kann die Stundung widerrufen, wenn der Schuldner Versagungsgründe im Sinne von §295 InsO verwirklicht hat. Wie und bis wann sind die gestundeten Verfahrenskosten zu begleichen? Das eventuell im vereinfachten Insolvenzverfahren verwertete Schuldnervermögen und der Neuerwerb dienen vorrangig dazu, die gestundeten Verfahrenskosten zu tilgen. Das bedeutet, dass die Gläubiger – allerdings mit Ausnahme der Lohnvorausabtretungsgläubiger – auf Zahlungen des Treuhänders so lange zu warten haben, bis die gestundeten Verfahrenskosten beglichen sind. Die Idee der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, auch die Lohnvorausabtretungsgläubiger warten zu lassen, hat der Diskussionsentwurf der Bundesregierung nicht aufgegriffen. Sind bis zum Beginn des 5. Jahres der „Wohlverhaltensperiode“ immer noch Verfahrenskosten offen, kommt der Schuldner so lange nicht in den Genuss des Motivationsrabatts, bis die Kosten beglichen sind. Bis zu 48 Monate nach Restschuldbefreiung bleibt der Schuldner weiterhin verpflichtet, offene Verfahrenskosten mittels Ratenzahlung auszugleichen. In besonderen Härtefällen sind Ausnahmen in Anlehnung an die PKH-Vorschriften möglich. Das Positive am Stundungsmodell ist, dass künftig kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt werden kann oder das Verfahren nachträglich eingestellt wird, weil keine kostendeckende Masse zur Verfügung steht. Negativ fällt aber auf, dass SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 13 das Modell das eindimensionale Bild vom Schuldner fortschreibt: Das gesetzliche Leitbild vom Schuldner ist von Misstrauen gegen ihn geprägt. Auch das Stundungsmodell soll als Test dafür dienen, ob der Schuldner ernsthaft um eine Schuldenregulierung bemüht ist. Nur der Schuldner, der auch für die Verfahrenskosten aufkommen wolle, sei ein Kandidat für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Auch wenn die vom BMJ vorgeschlagenen Kostensenkungsmaßnahmen künftig greifen werden, und hoffentlich die Fälle, in denen der Schuldner auch noch 48 Monate nach Restschuldbefreiung seine Verfahrenskosten abzutragen hat, nur Einzelfälle bleiben, hätten wir es mit einer weiteren erheblichen Verfahrensverlängerung zu tun, die letztlich den „befreiten Schuldner mit Schulden“ kreiert. Und: wie eingangs schon erwähnt, ist zu bezweifeln, ob die Umsetzung des Stundungsmodells wirklich die Landeshaushalte weniger belasten wird. Wenn der Bund bzw. die Bundesländer die vorgeschlagenen Kostensenkungsmaßnahmen umsetzen würden, würde sich auch die Belastung reduzieren, die mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbunden wäre. Auch das Stundungsmodell wird den Flaschenhals in den Schuldnerberatungsstellen öffnen und die Verfahrenszahlen voraussichtlich in die Höhe schnellen lassen, so dass die Justiz noch nicht vorhandenes bzw. im Laufe des letzten Jahres schon wieder abgezogenes Personal wieder zur Verfügung stellen muss. Unklar ist auch, in welcher Höhe die Landesjustizkassen letztlich auch nach Ablauf der zusätzlichen 48 Monate nicht geleistete Rückzahlungen ausbuchen dürfen, also der Staat auch bei diesem Modell auf Kosten sitzen bleiben wird. So weit bekannt, gibt es hier keine betriebswirtschaftlichen Vergleichsrechnungen. Treuhänderbefugnisse Die bekannt gewordenen Einzelfälle, in denen ein Treuhänder das Wohnraummietverhältnis des Schuldners gekündigt hatte, um die Mietkaution – genauer gesagt der Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Mietkaution - der Insolvenzmasse zukommen zu lassen, haben die Risiken der zur Zeit umfassenden Treuhänderkompetenzen aufgezeigt. Die Risiken potenzieren sich in der Praxis, wenn es sich um Treuhänder handelt, die vornehmlich mit der Unternehmensinsolvenz, nicht aber den komplexen sozialen Problemen überschuldeter Verbraucher vertraut sind. Der Diskussionsentwurf hat diese Problematik aufgegriffen und beschränkt die Kompetenz des Treuhänders auf das Recht, die Wohnung des Schuldners lediglich freizugeben. Dies hat zur Folge, dass die Insolvenzmasse nicht mit künftigen Mietzinsforderungen belastet wird. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 14 Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Schlussverteilung Bislang mehr theoretischer Natur ist das mögliche Problem, dass das vereinfachte Insolvenzverfahren nicht beendet werden kann, wenn der Schuldner über laufend pfändbares Einkommen verfügt. Hier schlägt der Diskussionsentwurf eine gesetzliche Klarstellung vor, wonach die Schlussverteilung dann vorzunehmen ist, sobald der Treuhänder etwaig vorhandenes Schuldnervermögen verwertet hat. Der Vermögensbegriff des §35 InsO soll künftig ausdrücklich nicht das laufende Schuldnereinkommen umfassen. Nach diesem Überblick ist auch ein kurzer Blick auf solche Punkte interessant, wo der Gesetzgeber zur Zeit noch keinen Handlungsbedarf sieht. Dies betrifft z.B. die Frage der analogen Anwendbarkeit des §850f ZPO in der Verbraucherinsolvenz. Hier verweist der Diskussionsentwurf auf die vom Gesetzgeber für 2001 angestrebte Anhebung der Pfändungsfreigrenzen, die damit das Problem des Existenzminimums in der Insolvenz alleine löse. Im übrigen könne eine nachträgliche Anhebung des dem Schuldner verbleibenden Einkommens infolge eines Beschlusses analog §850f ZPO den Inhalt eines Schuldenbereinigungsplans bzw. die für die „Wohlverhaltensperiode“ abgegebene Abtretungserklärung unterlaufen. Die „Wohlverhaltensperiode“ soll ohne Erfahrungswerte, die bislang noch fehlen, nicht abgekürzt werden. Bei einer Verkürzung der Wirkungsdauer des §114 Abs.1 InsO befürchtet der Gesetzgeber, dass die Kreditwirtschaft – wie von dieser bereits angekündigt – bei der Kreditvergabe an Privatverbraucher künftig restriktiver agiere, weil damit die Kreditsicherheit „Lohnvorausabtretung“ nahezu wertlos werde. Der Diskussionsentwurf sieht vorläufig davon ab, die Gläubiger dazu zu verpflichten, frühzeitig kundzutun, dass ihre Forderung von der Restschuldbefreiung auszunehmen sei (§302 InsO). Bei den vorgenannten Punkten ist aber darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber hier primär empirische Daten abwarten möchte, um gegebenenfalls einen interessenwahrenden Gegenvorschlag vorzulegen. Als erstes Fazit ist gleichwohl festzuhalten, dass die Vorschläge des Diskussionsentwurfs weniger von der Sorge um den möglichst raschen und kontinuierlichen Abbau des modernen Schuldturms geprägt sind, als von der Überlegung, wie die Landesjustizkassen und die Insolvenzgerichte vor Mehrbelastungen zu bewahren sind. Dieses gesetzgeberische Motiv – SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 15 übrigens prägend für nahezu alle aktuellen Gesetzesvorhaben – sollte trotz knapper Haushaltsmittel nicht das vorrangige Leitmotiv sein. Im übrigen fehlt es bislang an einer nachvollziehbaren Kostenkalkulation und einem nachvollziehbaren Vergleich zwischen den vermeintlichen Kosten einer umfassenden PKH-Bewilligung und dem jetzt angedachten Stundungsmodell für die Bundesländer. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 16 Zu 3. Erfahrungen aus der Praxis der Schuldnerberatung Das IFF begutachtet zur Zeit im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände die Praxis des Verbraucherinsolvenzverfahrens, insbesondere des außergerichtlichen Entschuldungsversuchs. Im Rahmen dieses Gutachtens haben wir auch eine Umfrage unter 12 bundesweit verteilten Schuldnerberatungsstellen bzw. Verbraucherzentralen durchgeführt, die ebenfalls schwerpunktmäßig das außergerichtliche Verfahren betraf. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, hat die Umfrage neben vielen anderen folgende empirische Daten erbracht, die die Vorschläge des Diskussionsentwurfes betreffen: a. Schuldnerberatungsstellen und ihre Auslastung mit Insolvenzberatung Die Wartezeiten in der Schuldnerberatung für Insolvenzberatung betragen durchschnittlich 5,2 Monate. Nach Sichtung der Daten gibt es unter den Befragten allerdings keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der personellen Ausstattung einer Beratungseinrichtung, der Anzahl ihrer Beratungsfälle und der Wartezeit. (Ehemalige) Kleingewerbetreibende machen bei den Befragten durchschnittlich 1/3 der Ratsuchenden aus. Ihre durchschnittliche Gläubigerzahl liegt bei 20, wobei sich die Streubreite zwischen 12 und 40 bewegte. b. Strukturelles Verhandlungsungleichgewicht zwischen Schuldnern und Gläubigern 2/3 der Befragten gaben an, dass Gläubiger die Bitte, ein aktuelles Forderungsverzeichnis zu übersenden, für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nutzen. Als Gläubigergruppen, die am häufigsten die Zustimmung zum außergerichtlichen Vergleich ablehnen, wurden öffentlich-rechtliche Gläubiger genannt, nur vereinzelt hingegen Lohnvorausabtretungsgläubiger. c. Außergerichtlicher Plan als Vorwegnahme des Restschuldbefreiungsverfahrens? Die Umfrage hat ergeben, dass sich die Konzeption der außergerichtlichen Pläne an den engen gesetzlichen Vorgaben der InsO orientiert. Die Pläne werden also nach der Formel „Dauer der „Wohlverhaltensperiode“ x pfändbares Schuldnereinkommen“ gestaltet. Dies ist einerseits nachvollziehbar, wenn Gläubiger immer wieder argumentieren, sie würden nur dann einem Plan zustimmen, wenn dieser ihnen nicht weniger verspricht, als sie im gerichtlichen Verfahren zu erwarten haben. Gleichwohl wird bei dieser Vorgehensweise übersehen, dass das außergerichtliche Verfahren nicht von der InsO, sondern vom Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt wird. Problematisch ist zudem, wenn SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 17 SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 18 bei dieser Form der außergerichtlichen Plangestaltung der Motivationsrabatt zugunsten des Schuldners unberücksichtigt bleibt und die Mindestvergütung des Treuhänders nicht herausgerechnet wird. Im übrigen zeigen die geringen außergerichtlichen Einigungsquoten, dass Gläubiger überwiegend selbst die Pläne ablehnen, die sich an den Vorgaben der InsO orientieren. Die häufigsten Ablehnungsgründe der Gläubiger sind nach den Antworten der Umfrageteilnehmer zu geringe Regulierungsquoten. Gläubiger behaupten weiter, ihre Forderungen seien nicht richtig wiedergegeben und für sie sei die Lebens- und Einkommenssituation des Schuldners nicht hinreichend offen gelegt. Auffälliges Umfrageergebnis ist auch, dass häufig von der als problematisch einzustufenden Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, Zahlungen aus dem unpfändbaren Einkommen anzubieten. Um hier aber eine endgültige Bewertung abzugeben, hätte es einer genaueren Fallkenntnis bedurft. Als sonstige Klausel eines außergerichtlichen Planvorschlags wird regelmäßig der sinngemäße Wortlaut des §295 InsO (Obliegenheiten des Schuldners) aufgenommen. Problematisch ist hierbei, dass damit bereits außergerichtlich das der InsO innewohnende negative gesetzliche Leitbild vom Schuldner (der „redliche“ Schuldner; Schuldner, der vom Treuhänder zu beaufsichtigen ist) übernommen wird. Die Umfrageteilnehmer achten hingegen darauf, dass die Wirkungen des Plans auch Mithaftenden zugute kommen und nehmen entsprechende Vertragsklauseln auf. Ebenso wird der Plan regelmäßig so flexibel gestaltet, dass Einkommensschwankungen oder sonstige Veränderungen in den Lebensverhältnissen des Schuldners berücksichtigt werden. d. Gerichtliches Insolvenzverfahren Die Umfrageergebnisse zu den gerichtlichen Verfahrensabschnitten waren, wie nicht anders zu erwarten, sehr dünn. Die geringe Zahl eröffneter Verfahren lässt zur Zeit nur bedingt aussagekräftige Daten zu. Einige Umfrageteilnehmer gaben auch an, dass sie mit Eröffnung des Verfahrens den Schuldner auch nicht mehr vertreten. Die Umfrageteilnehmer gaben an, dass durchschnittlich mehr als 50% ihrer Ratsuchenden für Prozesskostenhilfe in Betracht kämen. Nur einzelne Umfrageteilnehmer gehören zu Landgerichtsbezirken, in denen (noch) Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes ist aber damit zu rechnen, dass sich auch diese Insolvenzgerichte die Ansicht des BGH zu eigen machen und künftig entsprechende Gesuche der Schuldner ablehnen werden. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 19 e. Vorläufiges Fazit der Umfrageergebnisse Vorweg ist eines klar zu stellen: Die Umfrage, die das IFF der Arbeitsgemeinschaft für Verbraucherverbände als Auftraggeber nur ergänzend vorgeschlagen hat, ist nicht Schwerpunkt des Gutachtenauftrages. Aus Zeit- und Budgetgründen konnte nur eine beschränkte Zahl von Umfrageteilnehmern ausgewählt werden. Die Ergebnisse können somit keinen repräsentativen Charakter haben. Für einen ersten Eindruck bzw. einen Eindruck aus der Praxis waren aber die Antworten gleichwohl sehr hilfreich. Entscheidend sind nämlich die Qualität der Fragen und die Qualität der Antworten, nicht zwingend hingegen die Zahl der Umfrageteilnehmer. Die Daten haben ein nahezu einheitliches Bild ergeben. Dort, wo Umfrageteilnehmer zu stark abweichenden Antworten bzw. Werturteilen gekommen sind, wurde hinreichend transparent erläutert, dass dieser Umfrageteilnehmer unter speziellen Bedingungen arbeitet. Bis auf wenige Ausnahmen spiegeln die gewonnenen Daten die Problembeschreibungen wider, die die Fachliteratur seit Inkrafttreten der InsO in Aufsätzen etc. diskutiert. Auffällig war allerdings, wie eng derzeit Insolvenzberatung an den Buchstaben des Gesetzes ausgerichtet ist. Hier besteht die latente Gefahr, dass Schuldnerberatung zur bloßen Insolvenzabwicklung wird. Diese Umfrageergebnisse zeigen einen dringenden Aufklärungsbedarf bei den Gläubigern auf, um Missverständnissen vorzubeugen, was im gerichtlichen Verfahren zu erwarten ist bzw. welche Risiken dort auf sie warten, um sie offener für außergerichtliche Planvorschläge zu machen. Zu 4: Wünschenswerte Ansätze für eine Reformdiskussion Wie eingangs bereits erwähnt: Die jetzige Diskussion über Änderungen der InsO orientiert sich kaum an den ursprünglichen Gesetzesmotiven für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Bei allem Verständnis für angespannte Haushaltskassen sollten Änderungsdiskussionen nach wie vor inhaltlich bestimmt und legitimiert sein. Solange nicht eine detaillierte ökonomische Kostenanalyse des Stundungsmodells einerseits und der PKH-Gewährung andererseits vorliegt, überzeugen auch die derzeit vorgebrachten Kostenargumente der Landesjustizministerien bzw. Landesregierungen wenig. Politisch ist aber klar: die Bundesregierung hat den Kompromiss mit den Bundesländern zu suchen. Letztlich entscheidet diese Kompromissfähigkeit – leider – über die inhaltliche Qualität einer an sich notwendigen Gesetzesreform. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal den wünschenswerten Sinn des Verbraucherinsolvenzverfahrens: Die Bekämpfung des modernen Schuldturms ist nur ein, natürlich wichtiger, Aspekt. Aber: ein Schuldner, der das gerichtliche Insolvenzverfahren durchlaufen hat, hat wenig von seiner Restschuldbefreiung, wenn ihm anschließend nach wie vor die Eröffnung eines Girokontos verweigert wird oder der Kreditmarkt versperrt bleibt. Die SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 20 Insolvenzordnung als isoliert angewendetes Instrument reicht nicht aus, um das soziale Problem der Überschuldung in den Griff zu bekommen. Nach der Entschuldung muss die wirtschaftliche Rein- tegration des ehemals Überschuldeten gewährleistet sein. Er darf nicht weiter stigmatisiert und von der wirtschaftlichen Grundversorgung ausgeschlossen sein. Und dazu zählt in einer Gesellschaft wie der unsrigen nun einmal die Kreditwürdigkeit. Außerdem hat eine Entschuldung nur einen Halbwert, wenn der Schuldner nicht zugleich Fähigkeiten erlernt, finanzielle Konflikte zu bewältigen und für die Zukunft möglichst zu vermeiden. Die Insolvenzordnung muss also von weiteren Instrumenten flankiert werden. Was das Verbraucherinsolvenzverfahren selbst anbelangt: Hier muss die – richtige – gesetzgeberische Vorgabe, dass das gerichtliche Insolvenzverfahren nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn ein außergerichtlicher Vergleich nicht möglich ist, konsequent umgesetzt werden. Das große Problem, aus dem zur Zeit nahezu alle Einzelprobleme mit dem Verfahren resultieren, ist, dass die InsO bzw. die ZPO den außergerichtlichen Entschuldungsversuch nicht hinreichend schützt und stützt. Es fehlt zur Zeit an einem außergerichtlich wirkenden sinnvollen Vollstreckungsschutz und der Zugang in das als Alternative angedachte gerichtliche Verfahren ist nicht gesichert. Damit kann die gesetzgeberische Vorgabe nicht funktionieren, dass die Entschuldung vorrangig außergerichtlich zu suchen ist. Wir haben derzeit die kuriose Situation, dass das als letzte Möglichkeit angedachte gerichtliche Insolvenzverfahren zum Standardfall wird. Die außergerichtliche Einigung hat dagegen Ausnahmecharakter. Dieses Verhältnis muss umgekehrt werden. Wo kann der Gesetzgeber ansetzen? Es muss einen Vollstreckungsschutz geben, der außergerichtlich temporär wirkt. Es geht nicht darum, die materiellrechtliche Gläubigerposition zu beschneiden, sondern darum, alle Gläubiger mit den dem Schuldner zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln gleichmäßig zu befriedigen. Gläubiger, die einfach nur mit ihrem Zwangsvollstreckungsantrag schnell sind, sollen nicht bevorzugt werden. Außerdem muss dem Schuldner derzeit auch ein Ansparen der Verfahrenskosten möglich sein, um die Alternative „gerichtliches Insolvenzverfahren“ nicht zu verspielen. Der außergerichtlichen Einigungsquote wäre es auch förderlich, wenn die „Wohlverhaltensperiode“ auf ein solches Maß gekürzt wird, dass das durchschnittliche Durchhaltevermögen von Schuldnern beachtet wird. 7 Jahre mit weiteren Vor- und Nachlaufzeiten sind eindeutig zu lang, betrachtet man gerade die international geltenden Verfahrenszeiten im Insolvenzrecht. Die Schuldner befinden sich in der Regel seit vielen Jahren in der Überschuldungsspirale. Weitere 10-12 Jahre realer Verfahrensdauer SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 21 werden sie nicht bestehen. Eine kurzfristige Entlastung, wenn der Gesetzgeber ohne empirische Daten für das bundesrepublikanische Insolvenzverfahren die „Wohlverhaltensperiode“ nicht gleich kürzen will, wäre es, den Beginn der „Wohlverhaltensperiode“ an den Antrag auf Verfahrenseröffnung zu koppeln. Damit wären alle Verfahrensbeteiligten von der Unsi- cherheit der Dauer der Abschnitte „gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren“ sowie „vereinfachtes Insolvenzverfahren“ befreit und das Verfahrensende wäre klarer absehbar. Die Sonderbehandlung von Lohnvorausabtretungsgläubigern ist zu überdenken. Sie behindert die Möglichkeit eines außergerichtlichen Vergleichs. Im übrigen ist die Ungleichbehandlung zwischen dieser Gläubigergruppe und den anderweitig gesicherten oder ungesicherten Gläubigern fragwürdig, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Lohnvorausabtretung um eine – auch international – problematische Kreditsicherheit handelt. Im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren sollte die Kopfmehrheit abgeschafft werden. Das derzeitige Erfordernis der Kopf- und Summenmehrheit behindert das Zustandekommen von Vergleichen. Außerdem haben es dann Gläubiger mit Kleinstforderungen in der Hand, sinnvolle Vergleiche zu verhindern. Großgläubiger sind in der Regel mehr als kleinere oder mittlere Gläubiger betriebswirtschaftlich nachvollziehbaren Argumenten zugänglich. Die Abhängigkeit der Annahme eines Schuldenbereinigungsplans von der Zustimmung der Summenmehrheit dürfte die positiven Möglichkeiten dieses Verfahrensabschnitts stärken. Nichts desto trotz ist das gerichtliche Insolvenzverfahren insgesamt zu straffen und zu komprimieren. Die Fülle verschiedener Verfahrensabschnitte, die Unsicherheit, wann welcher Verfahrensabschnitt endet sowie die begrenzte Zuständigkeit der Insolvenzgerichte sind eine echte Belastung für sinnvolle Entschuldungsverfahren. Das Argument, dass das gerichtliche Verfahren abschrecken soll, ist hier missverstanden worden und bedarf der Korrektur. Der Zugang in das gerichtliche Insolvenzverfahren muss gesichert werden. Das Stundungsmodell der Bundesregierung hat Schwächen. Positiv ist, dass künftig kein Eröffnungsantrag abgelehnt werden dürfte. Andererseits ist zu bezweifeln, dass die vorgeschlagenen Kostensenkungsmaßnahmen alle kurzfristig greifen, so dass wahrscheinlich viele Schuldner mit nach wie vor relativ hohen Verfahrenskosten konfrontiert sind, die zunächst über ihr pfändbares Einkommen bzw. ihr verwertbares Vermögen zu begleichen wären. Notfalls sind sie über die lange Verfahrenszeit hinaus weitere zwei Jahre verpflichtet, die Kosten zu begleichen. Im übrigen ist anzuzweifeln, ob das Stundungsmodell für jeden Einzelfall automatisch den Anspruch auf SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 22 Prozesskostenhilfe erledigt. Legt man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Prozesskostenhilfe und zur Rechtsgewährung zugrunde, könnte es sein, dass das Stundungsmodell nicht per se die „Bedürftigkeit“ eines Schuldners (vgl. §114 ZPO) beseitigt. Um auf Gläubigerseite den Anreiz für außergerichtliche Vergleiche zu erhöhen, sollte noch einmal überdacht werden, ob Gläubiger nicht dann an den Verfahrenskosten be- teiligt werden können, wenn sich bei Ablauf des gerichtlichen Verfahrens herausstellen sollte, dass der Gläubiger tatsächlich nicht mehr erhalten hat, als ihm der Schuldner außergerichtlich bzw. im Schuldenbereinigungsverfahren angeboten hatte. Ebenfalls zu überdenken ist, ob der Motivationsrabatt nicht nur temporär, sondern für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens gelten sollte. Kann der Schuldner einen oberhalb des Existenzminimums anzusiedelnden Einkommensanteil für sich und seine Familie behalten, wäre nicht nur sein Durchhaltevermögen gestärkt. Es würde sich auch die quälende Diskussion um die entsprechende Anwendbarkeit von §850f ZPO erledigen. Hierbei darf man nämlich nicht übersehen, dass eine analoge Anwendbarkeit dieser Vorschrift zwingend die Diskussion um die Anwendbarkeit der restlichen §§850 ff. ZPO nach sich ziehen müsste. Einzelne dieser Vorschriften würden aber den Schuldner belasten. Der Zustand, dass zur Zeit überschuldete Ehepaare, gesonderte Anträge auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen müssen, ist unhaltbar. Die Folgen des Verfahrens des Hauptschuldners, d.h. insbesondere die erteilte Restschuldbefreiung, müssen auch zugunsten des oder der Mithaftenden gelten. Die Auswahl und Rolle des Treuhänders in der Praxis ist fragwürdig. Die im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren Anfang der 90er Jahre bestehende Idee, dass auch in der Verbraucherinsolvenz zumindest die Möglichkeit einer Eigenverwaltung mit begleitender Hilfestellung eines Sachwalters gegeben sein muss, sollte wieder aufgegriffen werden. Den Schuldnern ist für ihre Zukunft nicht gedient, wenn sie jahrelang unter der Vormundschaft eines Treuhänders stehen, der aufgrund seines eigenen beruflichen Hintergrundes keinen Bezug zu den sozialen Problemen der privaten Überschuldung hat. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 23 Umgang mit Kleingewerbetreibenden Moderation: Hans Ebli (SFZ) Beiträge: Bernd Merling (ASS Mannheim) SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 24 Brunhilde Steffes (IHK Trier) Protokoll: Wolfgang Eck (DW Bad Kreuznach) SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 25 RUNDER TISCH Anlaufstelle für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ein Beitrag von: Dipl.-Kfm. Brunhilde Steffes, Industrie- und Handelskammer Trier SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 26 Viele junge Unternehmen, aber auch Unternehmen, die schon länger am Markt sind, geraten oft in finanzielle Schwierigkeiten, die sie aus eigener Kraft nicht mehr lösen können, obwohl sie gute Marktchancen haben. Für diese Zielgruppe haben die Deutsche Ausgleichsbank, die Handwerkskammer Trier und die Industrie- und Handelskammer Trier am 6. April 2000 den sogenannten „Runden Tisch" eingerichtet. Im Rahmen dieses Projektes wird eine gründliche Diagnose ermöglicht, die die Schwachstellen eines Betriebes aufdecken soll und auf deren Basis eine sachgerechte und praktikable Lösung für alle Beteiligten entwickelt wird. Das Projekt „Runder Tisch" existiert bereits seit 1995 und wurde erstmals in den neuen Bundesländern eingerichtet. Derzeit wird dieses Projekt, das sich in den zurückliegenden fünf Jahren sehr positiv entwickelt hat, sukzessive auch auf die alten Bundesländer ausgedehnt, wobei die Deutsche Ausgleichsbank immer mit den Wirtschaftskammern vor Ort einen Kooperationsvertrag abschließt. Deutschlandweit gibt es derzeit 40 „Runde Tische". Seit 1995 haben insgesamt mehr als 11.000 Unternehmen dieses Angebot wahrgenommen und mehr als die Hälfte dieser Unternehmen konnten sich wieder stabilisieren und sind weiterhin im Markt tätig. Was ist der Runde Tisch? Der Runde Tisch ist eine Anlaufstelle für Unternehmen mit finanziellen Problemen, seien es Finanzierungsprobleme oder aber Liquiditätsprobleme, wobei erfahrungsgemäß fast immer beides zusammen auftritt. Voraussetzung, dass ein Unternehmen in dieses Projekt aufgenommen werden kann ist, dass Marktchancen gegeben sein müssen, d.h. dass das Unternehmen ein marktfähiges Produkt oder eine marktfähige Dienstleistung anbieten kann. Der Runde Tisch setzt dabei auf Synergieeffekte, wenn das gesamte Beratungspotential in einer Region geschlossen vorgeht. Das heißt, alle Beteiligten, die zu einer Lösung der Probleme beitragen könnten – Hausbank, Länderförderinstitute, ggf. Finanzamt, Krankenkasse, Deutsche Ausgleichsbank und andere Beteiligte – werden als gleichberechtigte Partner in die Hilfsaktion eingebunden. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 27 Den Kammern kommt dabei die Rolle des „Feuermelders" zu, d.h. sie sind erste Anlaufstellen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Die wesentlichen Kriterien des „Runden Tisches" lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es wird schnell und unbürokratisch geholfen, denn nur unter der Prämisse einer schnellen und kompetenten Hilfe sind die Hausbanken bereit, sich an einem freiwilligen „Stillhalteabkommen" zu beteiligen, eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Runden Tisch. Denn wenn die Banken oder generell die Gläubiger während der Zeit, in der die Analyse des Betriebes erfolgt, Maßnahmen einleiten, die dem Unternehmen schaden, beispielsweise Kündigung der Kredite oder ähnliches, hat das gesamte Projekt keine Chance. Die Anfragen werden absolut vertraulich behandelt, was natürlich von großer Bedeutung ist, denn das betroffene Unternehmen muss nicht nur alle Unterlagen offen legen, sondern auch die Banken vom Bankgeheimnis bzw. ggf. das Finanzamt vom Steuergeheimnis entbinden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass diese Hilfe für die Unternehmen kostenlos ist. Die Kosten der Analyse, für die maximal 10 Beratungstage angesetzt werden, übernimmt die Deutsche Ausgleichsbank. Wie läuft der Runde Tisch ab? Ein Unternehmer stellt fest, häufig leider viel zu spät, dass er sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Er wendet sich an die zuständige Kammer, d.h. Handwerkskammer oder Industrie- und Handelskammer. Dort wird in der Regel ein Vorgespräch geführt, das Projekt erläutert und dem Unternehmer mitgeteilt, welche Unterlagen er zu erbringen hat. Wichtige Entscheidungsträger sind Bilanzen, GuV und BWA, es muss allerdings auch ein Liquiditätsstatus erstellt werden. Auf der Basis dieser Unterlagen erfolgt bei der Kammer eine Prüfung, ob das Unternehmen in dieses Programm aufgenommen werden kann. Insbesondere wird dabei geprüft, ob nicht SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 28 bereits eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, die den Weg ins Insolvenzverfahren zwingend vorschreiben. Wenn eine Aufnahme in das Projekt „Runder Tisch" erfolgt ist, gibt es zwei Möglichkeiten, entweder es erfolgt eine Beratung durch Betriebsberater der Handwerkskammer oder der Industrie- und Handelskammer, was allerdings bedingt durch fehlende personelle Ressourcen eher selten ist, oder es wird ein externer Berater, ein sogenannter „Pate" eingeschaltet. Diese externen Berater müssen bei der Deutschen Ausgleichsbank gelistet sein; Voraussetzung hierfür ist, dass sie entsprechende Referenzen nachweisen können; ferner wird mit jedem Berater von der Beratungsagentur der Deutschen Ausgleichsbank ein längeres Gespräch geführt. Die „Paten" erhalten dann den Auftrag, eine Ist-Analyse im Betrieb durchzuführen; hierfür stehen maximal 10 Beratungstage zur Verfügung, die mit einem Betrag von 160 EURO pro Tag vergütet werden. Im Rahmen dieser Ist-Analyse werden die Schwachstellen im Betrieb aufgedeckt und in einem schriftlichen Bericht festgehalten. Gleichzeitig werden Vorschläge erarbeitet, auf deren Basis eine Fortführung des Unternehmens als möglich erachtet wird. Es werden jedoch keine Gefälligkeitsgutachten erstellt, d.h. wenn der Berater zu dem Ergebnis kommt, eine Fortführung ist nicht möglich, dann wird dies in diesem Bericht auch deutlich gemacht. Das Beratungsergebnis wird dann mit dem betroffenen Unternehmer, der zuständigen Kammer und dem Unternehmensberater besprochen. Gleichzeitig wird die Frage erörtert, ob es sinnvoll ist den „Runden Tisch" einzuberufen, bzw. ob der Unternehmer es grundsätzlich wünscht. Kommt der „Runde Tisch" nicht in Frage, ist die Beratung abgeschlossen. Ansonsten werden die Hauptgläubiger zu einem Gespräch eingeladen. In diesem Gespräch werden dann die erarbeiteten Vorschläge besprochen und es wird gemeinsam versucht Lösungen zu finden, um dem Unternehmen aus der Notlage zu helfen. Bei einem positiven Ausgang kann eine Fortführung des Unternehmens erfolgen, wobei ggf. auch eine Nachbetreuung möglich ist. Die Kosten für die Nachbetreuung sind in der Regel vom Unternehmen zu tragen; in schwierigen Fällen, bietet aber die deutsche Ausgleichsbank auch hier finanzielle Unterstützung an. SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000 29 Bisherige Erfahrungen der Industrie- und Handelskammer Trier Der Runde Tisch existiert in unserem Kammerbezirk seit fünf Monaten; an die Industrie- und Handelskammer Trier wurden bisher 10 Anfragen herangetragen. Davon musste eine abgelehnt werden, weil das Unternehmen, eine GmbH, überschuldet war und gleichzeitig eine Zahlungsunfähigkeit vorlag. Dieses Unternehmen hat inzwischen das Insolvenzverfahren eingeleitet. Fünf Anfragen konnten inzwischen abgewickelt werden, bzw. stehen kurz davor. Davon wurden in zwei Fällen im Rahmen des Runden Tisches Maßnahmen ergriffen, die eine Fortführung ermöglichten. In einem Fall haben die Unternehmer selbst den Entschluss gefasst, den Betrieb aufzugeben, das heißt, hier wird eine „normale" Betriebsaufgabe erfolgen. In einem weiteren Fall konnte zumindest für zwei Monate ein Stillhalteabkommen erreicht werden; in dieser Zeit wird eine weitere Beratung erfolgen. Und in einem anderen Fall war eine Fortführung des Betriebes nicht möglich, da eine Tragfähigkeit nicht zu erwarten war; hier ist inzwischen das private Insolvenzverfahren eingeleitet, womit dann auch die Schnittstelle zu Ihnen gegeben ist, denn sobald der Betrieb abgemeldet ist, können wir nicht mehr aktiv sein. Probleme Das größte Problem, das sich uns leider immer wieder stellt ist, dass die Unternehmen leider viel zu spät kommen, sei es, dass sie sich scheuen um Hilfe anzufragen oder, dass sie sich oft selbst sagen, es wird schon irgendwie weitergehen. Als Lösung sehen wir hier insbesondere die Kontakte zu Steuerberatern, Banken, Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern an, da diese in der Regel als erste eine Schieflage SFZ Mainz, Februar 2001
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