Die Umsetzung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die bevorstehende Änderung der InsO - SFZ Mainz

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Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000                     3

                            Die Umsetzung
   des Verbraucherinsolvenzverfahrens
                                          und
  die bevorstehende Änderung der InsO

Ein Beitrag von:
Rechtsanwältin Helga Springeneer, Institut Für Finanzdienstleistungen e.V.,
Hamburg

SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000                                                       4

1. Überblick: Umsetzungsprobleme mit der InsO
2. Stand der Reformdiskussion
3. Erfahrungen aus der Praxis der Schuldnerberatung
4. Wünschenswerte Ansätze für eine Reformdiskussion

Zu 1. Überblick: Umsetzungsprobleme mit der InsO
Das       am    1.1.1999    in     Kraft     getretene         und      mit      Spannung            erwartete
Verbraucherinsolvenzverfahren      hat     sich    in    der    kurzen        Zeit   seiner     Praxis     als
unübersichtliches, bürokratisches und langwieriges Verfahren herausgestellt, das die
Überschuldung als zentrales soziales Problem unserer Gesellschaft nicht bewältigen kann.
Hinzu kommt, dass das Zusammenspiel zwischen vorrangigem außergerichtlichem
Einigungsversuch und subsidiärem gerichtlichen Insolvenzverfahren bislang nicht funktioniert.
Dies hat seine wesentliche Ursache darin, dass die InsO den außergerichtlichen
Einigungsversuch noch nicht hinreichend stützt und schützt. Zum anderen lassen sich aber
auch Schuldnerberater, die Justiz und ihr Folgepersonal zu stark von der Verrechtlichung der
Verbraucherinsolvenz leiten. Dies führt zu der jetzt erkennbaren Tendenz, dass der
außergerichtliche Einigungsversuch häufig nur als formale Vorstufe für das gerichtliche
Verfahren angesehen wird. Das gerichtliche Verfahren wird damit in der Praxis zur
Standardoption, obwohl der Gesetzgeber – zu Recht – dieses Verfahren nur als letzten
Ausweg angedacht hat.

In der öffentlichen Diskussion finden sich derzeit folgende Problembeschreibungen immer
wieder:

      Persönlicher Anwendungsbereich (§304 InsO):
      Die Praxis der Schuldnerberatung beklagt teilweise den hohen Arbeitsaufwand für
      überschuldete Kleingewerbetreibende im Vergleich zu den geringen Erfolgsquoten
      außergerichtlicher   Vergleiche       bzw.        gerichtlicher     Schuldenbereinigungspläne.
      Gläubigerzahl und Verschuldungshöhe würden in den meisten Fällen die Zustimmung
      der Gläubiger verhindern.
      Die Rechtsprechung der Insolvenzgerichte hat sich seit 1.1.1999 vornehmlich mit der
      Rechtsfrage   beschäftigt,   nach     welchen       Kriterien     zu     beurteilen     ist,    ob   ein
      Kleinunternehmer §304 InsO zuzuordnen ist. Es entbrannte eine Diskussion, die uns
      noch zu gut aus den Zeiten bekannt ist, wo es die umstrittene Rechtsfigur des
      „Minderkaufmanns“ gab. Der aktuelle Wortlaut von §304 Abs.2 InsO – „Eine
      selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ist insbesondere dann geringfügig ..., wenn sie
      nach Art oder Umfang einem in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb

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    nicht erfordert.“ – knüpft unnötigerweise an die frühere Definition des Minderkaufmanns
    an. Diese hat seinerzeit dieselben

    Auslegungsschwierigkeiten bereitet, wie sie jetzt die Insolvenzgerichte wieder
    beschäftigen. Damit hat der Gesetzgeber „sehenden Auges“ das aus dem alten
    Handelsgesetzbuch bekannte Problem „Wer ist Minderkaufmann?“ in die InsO getragen.
    Bei all diesen formalen Diskussionen um den persönlichen Anwendungsbereich der
    §§304 ff. InsO wird aber die essenzielle Frage übersehen: Wann gehört ein
    Kleinunternehmer in das Verbraucherinsolvenzverfahren und wann ist er besser im
    Regelinsolvenzverfahren aufgehoben? Kein formales Abgrenzungskriterium – wie das
    der Gläubigerzahl – wird dieser Frage gerecht werden können. Das Ziel des
    Kleingewerbetreibenden         sollte   vielmehr     den     Maßstab     bilden:    Will   er   sein
    Kleinunternehmen fortführen, ist das Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen. Will er sich
    dagegen     von       seinen    gewerblichen       Schulden       befreien,    um     künftig    ein
    unternehmensfreies Leben zu ermöglichen, ist er im Verbraucherinsolvenzverfahren zu
    belassen. In diesem Fall ist der Kleinunternehmer nämlich einer überschuldeten
    Privatperson vergleichbar und bedarf des sozialen Schutzes dieses Verfahrens.

    Außergerichtlicher Einigungsversuch:
    Obwohl Schuldnerberater seit Jahren außergerichtliche Entschuldungsvergleiche
    vorbereiten und begleiten, hat sich die Zahl außergerichtlicher Einigungsquoten seit dem
    1.1.1999 kaum verändert. Die Praxis berichtet von unkooperativem Verhalten der
    Gläubiger, die Pläne zum Teil ohne nähere Prüfung per se ablehnen. Die mangelnde
    Kenntnis     gerade       der      kleinen     und         mittleren   Gläubiger       über     das
    Verbraucherinsolvenzverfahren fördere zudem irrige Vorstellungen über das, was
    Gläubiger im Verlauf der „Wohlverhaltensperiode“ an Zahlungen zu erwarten haben.
    Insbesondere der bislang fehlende Vollstreckungsschutz für den außergerichtlichen
    Einigungsversuch behindere die Verhandlungen, weil Gläubiger das Erstanschreiben
    häufig für Vollstreckungshandlungen nutzen.
    Die Problembeschreibungen der Praxis machen aber deutlich, dass neben sinnvollen
    Gesetzesänderungen,        insbesondere      was     einen      sinnvollen    Vollstreckungsschutz
    anbelangt, auch die Verfahrensbeteiligten selbst dazu beitragen können, dass in
    größerer Anzahl Vergleiche zustande kommen:
    •   Nicht die InsO, sondern der Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt die
        außergerichtlichen Verhandlungen. Auch Schuldnerberater müssen sich davon
        lösen, außergerichtliche Pläne wie eine Kopie des gerichtlichen Verfahrens zu
        gestalten.

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    •   Schuldnerberater    und    Gläubiger    müssen     die   Kooperation    suchen,    um
        Rahmenbedingungen für Vergleiche abzustimmen.

    Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren:
    Auch wenn die Beteiligten diesen Verfahrensabschnitt bislang eher als Wiederholung
    des gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuchs und wegen der gerichtlichen
    Zustellpflichten als Papierumwälzungsverfahren empfinden, wird der grundsätzliche
    Vorteil verkannt: Ein Entschuldungsplan kann mittels gerichtlicher Autorität gegen den
    Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden. Nur: Auch Insolvenzrichter tun sich mit
    diesem Verfahrensabschnitt schwer. Das Zustimmungsersetzungsverfahren löst bei
    ihnen keine Jubelrufe aus. Unbehagen bereitet ihnen, wie der voraussichtliche Verlauf
    des Restschuldbefreiungsverfahrens und der Schuldenbereinigungsplan miteinander zu
    vergleichen sind. In den wenigen Fällen, die die Rechtsprechung bislang entschieden
    hat, wurde der Vergleich rein mathematisch gezogen, nämlich durch Vergleich der
    prognostizierten Summe für das Restschuldbefreiungsverfahren mit der Gesamtsumme
    des Plans. Da die Unterschiede nur wenige DM bzw. weniger als 1% ausmachten,
    konnte das Gericht in diesen Fällen problemlos die fehlende Zustimmung des
    Gläubigers ersetzen. Interessant wird es aber, wenn der rein mathematische (nominelle)
    Vergleich zwar größere Unterschiede ergibt, der Schuldenbereinigungsplan gleichwohl
    aber ein wirtschaftlich sinnvoller Plan ist. Es ist zu befürchten, dass Insolvenzrichter in
    solchen Fällen eine Zustimmungsersetzung verweigern werden. Es fehlt den Richtern an
    sachlichen Kriterien, wie der Vergleich vorzunehmen ist. Obwohl viele Richter die
    Barwertmethode z.B. aus dem Leasingrecht und anderen Rechtsgebieten kennen oder
    kennen sollten, wird diese Methode bislang kaum verwendet.

    Eröffnung des Insolvenzverfahrens:
    Eine Problematik, die uns bereits seit Dezember 1998, nämlich seit der Entscheidung
    des Amtsgerichts München, begleitet, heißt Prozesskostenhilfe. Der Zugang in das
    gerichtliche Verfahren ist zur Zeit für ca. 50% - wahrscheinlich sogar mehr – der
    mittellosen Schuldner in der Bundesrepublik faktisch durch zu hohe Verfahrenskosten
    und ablehnende PKH-Beschlüsse versperrt. Damit steht gerade dem Personenkreis, der
    am dringendsten auf eine Entschuldung angewiesen ist, in den außergerichtlichen
    Verhandlungen nicht das Druckmittel eines etwaig drohenden gerichtlichen Verfahrens
    zur Verfügung. Überraschend war die restriktive Haltung vieler Insolvenzgerichte letztlich
    nicht. Erstaunen löste aber doch manche wirre juristisch-formalistische Argumentation
    aus, wenn es darum ging, Prozesskostenhilfe nur deshalb abzulehnen, um die

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    Justizkassen (vermeintlich) zu schonen. Manches Insolvenzgericht hat dabei das
    Gesellschaftsproblem der Überschuldung in den Hintergrund gedrängt.

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    Vereinfachtes Insolvenzverfahren:
    Über den Verlauf des weiteren gerichtlichen Insolvenzverfahrens gibt es mangels
    entsprechender Fallzahlen natürlich noch wenige empirische Werte. Da die Mehrheit der
    Überschuldeten aber über kein verwertbares Vermögen verfügen dürfte, stellt sich schon
    die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit eines eigenen Verfahrensabschnitts
    „vereinfachtes Insolvenzverfahren“, das der Liquidation des Schuldnervermögens dient.
    Verfahrensabschnitte, die das Verfahren ohne nennenswertes Ergebnis in die Länge
    ziehen und zusätzliche Kosten für einen Treuhänder verursachen, sollte man bei einer
    Reform des Verfahrens überdenken.
    Wenige Einzelfälle haben darüber hinaus in den letzten Wochen zwei weitere Probleme
    dieses Verfahrensabschnitts aufgezeigt: Zum einen die Möglichkeit des Treuhänders,
    das Wohnraummietverhältnis des Schuldners zu kündigen, um die Mietkaution für die
    Insolvenzmasse zu sichern. Zum anderen die Unklarheit, ob laufendes pfändbares
    Einkommen die Anberaumung des Schlusstermins hinauszögern darf. Dazu später aber
    noch mehr.

    „Wohlverhaltensperiode“:
    Auch wenn kaum Erfahrungswerte für das Restschuldbefreiungsverfahren vorliegen, ist
    anhand      der   bisherigen    Erfahrungen     der   Schuldnerberatung       mit   dem
    Durchhaltevermögen der Schuldner und Berichten aus anderen europäischen Staaten
    und den USA zum Scheitern von Zahlungsplänen mit sogar nur 5jähriger Dauer klar,
    dass die Dauer der „Wohlverhaltensperiode“ zu lang angesetzt ist. Der mit diesem
    Verfahrensabschnitt für alle Beteiligten verbundene Aufwand und das wahrscheinlich
    magere wirtschaftliche Ergebnis für die Gläubiger stehen in keinem ausgewogenen
    Verhältnis zueinander. Der Schuldner wird für die Dauer von 5 bzw. 7 Jahren unter die
    Vormundschaft eines Treuhänders gestellt, der         eher dem Typus          klassischer
    Unternehmensinsolvenzverwalter zuzuordnen ist, als dass ihm die soziale Problematik
    überschuldeter Privathaushalte nahe sein dürfte. Ein echtes aktives Mitwirken des
    Schuldners an der Reorganisation seiner wirtschaftlichen Verhältnisse wird damit nicht
    gefördert. Auch der als Motivationsrabatt getaufte §292 Abs.1 S.3 InsO setzt mit Beginn
    des 5. Jahres der „Wohlverhaltensperiode“ viel zu spät ein. Schuldner, die sich seit
    Jahren in der Überschuldungsspirale bewegen und lediglich vom pfändungsfreien
    Einkommen leben, brauchen einen früher einsetzenden Anreiz, der letztlich auch den
    Gläubigern zugute kommen würde. Als problematisch gilt natürlich auch, dass die
    Restschuldbefreiung nicht zugunsten mithaftender Familienangehöriger wirkt.

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Zu 2. Stand der Reformdiskussion
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat soeben einen Diskussionsentwurf zur Änderung
der Insolvenzordnung erarbeitet, der im wesentlichen die von der Bund-Länder-Arbeits-
gruppe „Insolvenzrecht“ zusammengestellten Vorschläge aufgreift. Um gleich einem
Missverständnis    vorzubeugen:      Es     handelt        sich    nicht    um     eine   Reform      des
Verbraucherinsolvenzverfahrens, sondern um eine Reparatur der dringendsten Probleme.
Dies ist auch die Sichtweise des BMJ. Vor zu viel Optimismus sei daher gewarnt. Die
Änderungsvorschläge fallen moderat aus. Dies war aber auch klar. Die Vorschläge sind der
Kompromiss zwischen Bundesregierung und Bundesländern, wobei sich letztere als die
Bremse herausstellen. Ihre Angst, auf zu hohen Kosten sitzen zu bleiben, dominiert daher
das Thema Verbraucherinsolvenz. Nur: Hat irgend jemand wirklich betriebswirtschaftlich
nachvollziehbar verschiedene Modelle einer Insolvenzkostenhilfe durchgerechnet und
miteinander verglichen? Die vor Einführung der InsO und auch jetzt in die Diskussion
geworfenen Zahlen scheinen eher Zu-Fuß-Berechnungen zu sein, die wenig verlässlich sind.
Der Diskussionsentwurf befindet sich zur Zeit bei den Landesjustizministerien, die bis Ende
der 1. Oktoberwoche Stellung nehmen sollen. Mit einem Inkrafttreten der Änderungen ist
frühestens zum 2. Quartal, wahrscheinlicher wohl aber erst zum 3. Quartal 2001 zu rechnen.
Die Änderungsvorschläge betreffen im einzelnen folgende Aspekte:

    Umgang mit Kleingewerbetreibenden
    Kleingewerbetreibende         sollen         künftig          nur       dann      Zugang          zum
    Verbraucherinsolvenzverfahren haben, wenn sie weniger als 20 Gläubiger haben, bei
    Antragstellung nicht mehr gewerblich tätig sind und keine Verbindlichkeiten aus
    Arbeitsverhältnissen von (früheren) Mitarbeitern haben. Ist das ein sinnvolles
    Abgrenzungskriterium?
    Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in ihrem Bericht ausführlich die Schwierigkeiten
    dargestellt,      die    Fälle         von        Kleingewerbetreibenden              kennzeichnen.
    Entschuldungsvergleiche kämen wegen der Gläubigerzahl und der Gesamtverschuldung
    kaum      zustande.     Außergerichtlicher         Einigungsversuch             und    gerichtliches
    Schuldenbereinigungsverfahren          seien    daher         überflüssig.     Auch   die   übrigen
    Verfahrensabschnitte träfen nicht die Bedürfnisse von Kleingewerbetreibenden. Die
    Argumente lesen sich zum Teil wunderschön – nur: sie treffen letztlich genau so für
    überschuldete Privatpersonen zu wie für Kleingewerbetreibende. Eigentlich hat hier die
    Bund-Länder-Arbeitsgruppe in nicht zu beanstandender Weise Pro und Contra des
    Verbraucherinsolvenzverfahrens zusammen gestellt. Nur: Sichtbare Konsequenzen für
    den    privaten   Überschuldeten       wurden     daraus        nicht   abgeleitet.   Die   für   die
    Kleingewerbetreibenden abgeleitete Konsequenz, sie nämlich bei Erfüllen der o.g.

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    Kriterien automatisch ins Regelinsolvenzverfahren zu überstellen, ist dagegen falsch. Es
    gibt – völlig unabhängig von der Gläubigerzahl – Kleingewer-

    betreibende, deren Situation mit der überschuldeter Privatpersonen identisch ist. Sie
    haben seit Jahren ihre gewerbliche Tätigkeit eingestellt, arbeiten, wenn überhaupt,
    wieder abhängig und wollen ihre gewerblichen Schulden abtragen, um künftig ein
    unternehmensfreies Leben führen zu können. Diese Kleingewerbetreibenden haben
    nichts im Regelinsolvenzverfahren zu suchen. Dort sollten die Kleingewerbetreibenden
    sich wiederfinden, die ihren Betrieb sanieren und fortführen wollen. Ein formales
    Abgrenzungskriterium wie das der Gläubigerzahl wird diesem Erfordernis nicht gerecht.
    Was haben wir davon, wenn künftig zwar Insolvenzrichter schnell entscheiden können,
    ob jemand ins Verbraucher – oder ins Regelinsolvenzverfahren gehört, wenn sich die
    Probleme mit den Kleingewerbetreibenden hinterher im Regelinsolvenzverfahren
    wiederfinden?     Dann      doch     lieber    gleich   ein    vernünftiges   materielles
    Abgrenzungskriterium, auch wenn dies zunächst zeitaufwendigere Prüfungen mit sich
    bringt.

    Vollstreckungsschutz im außergerichtlichen Verfahren
    Der Diskussionsentwurf hat, was grundsätzlich zu begrüßen ist, Vorschläge für einen
    außergerichtlich wirkenden Vollstreckungsschutz aufgenommen. Dieser soll aus 3
    Bausteinen bestehen: Die in §88 InsO geregelte Rückschlagsperre soll von einem auf
    drei Monate verlängert werden. Entgegen der Empfehlung der Bund-Länder-
    Arbeitsgruppe greift die Bundesregierung auch den Vorschlag auf, über eine Ergänzung
    des §765a ZPO in Einzelfällen Vollstreckungsmaßnahmen einstellen zu lassen.
    Schließlich soll das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs gesetzlich
    fingiert werden, wenn ein Gläubiger nach Beginn der Vergleichsgespräche eine
    Vollstreckungshandlung initiiert oder fortsetzt.
    Diese Vorschläge gewähren keinen hinreichenden Schutz. Der Wirkungsbereich der
    Rückschlagsperre erfasst nur Sicherungen, die ein Gläubiger im Wege der Vollstreckung
    erlangt hat, also insbesondere das Pfändungspfandrecht, nicht aber den bereits
    erlangten Vollstreckungserlös. Da Vergleichsgespräche auch regelmäßig mehr als 3
    Monate in Anspruch nehmen, müsste die Option bestehen, den Vollstreckungsschutz
    einmalig verlängern zu können. Schließlich berichten viele Schuldnerberater selbst, dass
    Vollstreckungshandlungen die Vergleichsgespräche zwar erschweren, nicht aber
    zwingend ihr Ende bedeuten. Die angedachte gesetzliche Fiktion fördert daher vielmehr
    wieder die - unerwünschte - Folge, dass das gerichtliche Insolvenzverfahren zur
    Standardoption statt zur Ausnahme wird.

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    Abbau des Beratungsstaus bei den Schuldnerberatungsstellen
    Weder dem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe noch dem Diskussionsentwurf ist zu
    entnehmen, dass über eine ausgedehntere finanzielle Förderung von Insolvenzberatung

    nachgedacht wird. Den Warteschleifen in den Schuldnerberatungsstellen will man im
    Ansatz dadurch Herr werden, dass man Rechtsanwälten die Vertretung von Schuldnern
    im Verbraucherinsolvenzverfahren schmackhafter machen will. Die Anwaltsgebühren für
    eine Unterstützung im außergerichtlichen Einigungsversuch sollen von bislang 220 DM
    auf 400 bis 1.000 DM angehoben werden. Letztlich ist auch dieser Rahmen für einen
    Anwalt nicht kostendeckend, so dass abzuwarten bleibt, ob sich von dieser
    Gebührenänderung mehr Anwälte zu einem Engagement bewegen lassen.

    Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
    Das z.T. zu Recht, zum Teil aber auch zu Unrecht gescholtene gerichtliche
    Schuldenbereinigungsverfahren soll künftig zwar der Regelfall bleiben. Es steht
    allerdings im Ermessen des Insolvenzgerichts, diesen Verfahrensabschnitt zu
    überspringen,    wenn     die    Wahrscheinlichkeit         höher   ist,     dass     die   erforderliche
    Gläubigermehrheit nicht zustande kommt.
    Woran aber orientiert sich das Insolvenzgericht, um sein Ermessen sachgerecht
    ausüben zu können? Der Schuldner soll künftig verpflichtet sein, den außergerichtlichen
    Plan    bei   Gericht    einzureichen     und        die     Gründe     für     das     Scheitern    der
    Vergleichsgespräche mitzuteilen. Wenn das Gericht somit auf Informationen aus der
    Hand des Schuldners angewiesen ist, hätte es auch die Entscheidung, ob dieser
    Verfahrensabschnitt durchzuführen ist, gleich dem Schuldner bzw. der ihn vertretenden
    Schuldnerberatungsstelle überlassen können.
    Es ist auch nicht auszuschließen, dass künftig Insolvenzgerichte verstärkt von der
    Möglichkeit Gebrauch machen werden,                   das    Schuldenbereinigungsverfahren zu
    überspringen,    um     nicht    mit    dem    von     der    Justiz       bislang    wenig    geliebten
    Zustimmungsersetzungsverfahren konfrontiert zu sein.

    Verfahrenskosten
    Das     BMJ     hat     ein     Paket    von     potenziellen          Kostensenkungsmaßnahmen
    zusammengestellt, die im Ergebnis alle zu begrüßen sind, wenn sie denn auch zügig
    umgesetzt werden. Ähnlich wie in Österreich soll künftig auch hier das Internet
    zumindest als alternatives Publikationsmedium eingesetzt werden. Damit würden sich
    die zur Zeit immens hohen Kosten für Veröffentlichungen in der Tagespresse erledigen.
    Da die Bundesländer aber in der Bereitstellung der entsprechenden Hardware etc. völlig

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    unterschiedlich weit sind, ist mit einer kurzfristigen Umsetzung dieses Vorschlages nicht
    zu rechnen.
    Des weiteren wird im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren der Umfang der
    Zustellpflichten dadurch reduziert, dass statt der umfangreichen Verzeichnisse nur noch
    eine Vermögensübersicht zuzustellen ist. Kumulativ sollen die Gläubiger ein Einsichts-

    recht in die Schuldnerakte beim Insolvenzgericht erhalten. Der Schuldner soll im übrigen
    verpflichtet werden, für die nötige Anzahl der erforderlichen Abschriften selbst zu
    sorgen. Diese Änderungen werden den Verzicht auf einen Gerichtskostenvorschuss
    nach sich ziehen.

    Insolvenzkostenhilfe: Stundung der Verfahrenskosten statt Prozesskostenhilfe
    Wegen angeblich zu hoher Kostenbelastung fiel das Votum gegen eine entsprechende
    Anwendbarkeit der Prozesskostenhilfe-Vorschriften aus. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe
    hat stattdessen das sogenannte Stundungsmodell entwickelt. Danach kann das
    Insolvenzgericht – für jeden Verfahrensabschnitt gesondert – die Verfahrenskosten bis
    zur Erteilung der Restschuldbefreiung stunden. Zu den Verfahrenskosten gehört z.B.
    auch die Treuhändermindestvergütung. Voraussetzung ist unter anderem, dass das
    Vermögen des Schuldners und sein absehbarer Einkommenserwerb voraussichtlich
    nicht ausreichen werden, um die Kosten zu decken. Das Gericht kann die Stundung
    widerrufen, wenn der Schuldner Versagungsgründe im Sinne von §295 InsO verwirklicht
    hat.
    Wie und bis wann sind die gestundeten Verfahrenskosten zu begleichen? Das eventuell
    im vereinfachten Insolvenzverfahren verwertete Schuldnervermögen und der Neuerwerb
    dienen vorrangig dazu, die gestundeten Verfahrenskosten zu tilgen. Das bedeutet, dass
    die Gläubiger – allerdings mit Ausnahme der Lohnvorausabtretungsgläubiger – auf
    Zahlungen des Treuhänders so lange zu warten haben, bis die gestundeten
    Verfahrenskosten beglichen sind. Die Idee der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, auch die
    Lohnvorausabtretungsgläubiger warten zu lassen, hat der Diskussionsentwurf der
    Bundesregierung nicht aufgegriffen. Sind bis zum Beginn des 5. Jahres der
    „Wohlverhaltensperiode“ immer noch Verfahrenskosten offen, kommt der Schuldner so
    lange nicht in den Genuss des Motivationsrabatts, bis die Kosten beglichen sind. Bis zu
    48 Monate nach Restschuldbefreiung bleibt der Schuldner weiterhin verpflichtet, offene
    Verfahrenskosten mittels Ratenzahlung auszugleichen. In besonderen Härtefällen sind
    Ausnahmen in Anlehnung an die PKH-Vorschriften möglich.
    Das Positive am Stundungsmodell ist, dass künftig kein Antrag auf Eröffnung des
    Insolvenzverfahrens abgelehnt werden kann oder das Verfahren nachträglich eingestellt
    wird, weil keine kostendeckende Masse zur Verfügung steht. Negativ fällt aber auf, dass

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    das Modell das eindimensionale Bild vom Schuldner fortschreibt: Das gesetzliche
    Leitbild   vom     Schuldner     ist    von   Misstrauen       gegen       ihn    geprägt.     Auch      das
    Stundungsmodell soll als Test dafür dienen, ob der Schuldner ernsthaft um eine
    Schuldenregulierung bemüht ist. Nur der Schuldner, der auch für die Verfahrenskosten
    aufkommen wolle, sei ein Kandidat für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Auch wenn
    die vom BMJ vorgeschlagenen Kostensenkungsmaßnahmen künftig greifen werden,
    und                   hoffentlich                      die                       Fälle,                   in

     denen der Schuldner auch noch 48 Monate nach Restschuldbefreiung seine
    Verfahrenskosten abzutragen hat, nur Einzelfälle bleiben, hätten wir es mit einer
    weiteren erheblichen Verfahrensverlängerung zu tun, die letztlich den „befreiten
    Schuldner mit Schulden“ kreiert. Und: wie eingangs schon erwähnt, ist zu bezweifeln, ob
    die Umsetzung des Stundungsmodells wirklich die Landeshaushalte weniger belasten
    wird.      Wenn     der      Bund      bzw.    die      Bundesländer             die      vorgeschlagenen
    Kostensenkungsmaßnahmen umsetzen würden, würde sich auch die Belastung
    reduzieren, die mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbunden wäre. Auch das
    Stundungsmodell wird den Flaschenhals in den Schuldnerberatungsstellen öffnen und
    die Verfahrenszahlen voraussichtlich in die Höhe schnellen lassen, so dass die Justiz
    noch nicht vorhandenes bzw. im Laufe des letzten Jahres schon wieder abgezogenes
    Personal wieder zur Verfügung stellen muss. Unklar ist auch, in welcher Höhe die
    Landesjustizkassen letztlich auch nach Ablauf der zusätzlichen 48 Monate nicht
    geleistete Rückzahlungen ausbuchen dürfen, also der Staat auch bei diesem Modell auf
    Kosten sitzen bleiben wird. So weit bekannt, gibt es hier keine betriebswirtschaftlichen
    Vergleichsrechnungen.

    Treuhänderbefugnisse
    Die      bekannt    gewordenen          Einzelfälle,     in        denen    ein         Treuhänder       das
    Wohnraummietverhältnis des Schuldners gekündigt hatte, um die Mietkaution – genauer
    gesagt     der    Anspruch     auf     Rückerstattung        der    geleisteten        Mietkaution   -   der
    Insolvenzmasse zukommen zu lassen, haben die Risiken der zur Zeit umfassenden
    Treuhänderkompetenzen aufgezeigt. Die Risiken potenzieren sich in der Praxis, wenn
    es sich um Treuhänder handelt, die vornehmlich mit der Unternehmensinsolvenz, nicht
    aber den komplexen sozialen Problemen überschuldeter Verbraucher vertraut sind. Der
    Diskussionsentwurf hat diese Problematik aufgegriffen und beschränkt die Kompetenz
    des Treuhänders auf das Recht, die Wohnung des Schuldners lediglich freizugeben.
    Dies hat zur Folge, dass die Insolvenzmasse nicht mit künftigen Mietzinsforderungen
    belastet wird.

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    Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Schlussverteilung
    Bislang mehr theoretischer Natur ist das mögliche Problem, dass das vereinfachte
    Insolvenzverfahren nicht beendet werden kann, wenn der Schuldner über laufend
    pfändbares Einkommen verfügt. Hier schlägt der Diskussionsentwurf eine gesetzliche
    Klarstellung vor, wonach die Schlussverteilung dann vorzunehmen ist, sobald der
    Treuhänder     etwaig    vorhandenes      Schuldnervermögen      verwertet   hat.   Der
    Vermögensbegriff des §35 InsO soll künftig ausdrücklich nicht das laufende
    Schuldnereinkommen umfassen.

Nach diesem Überblick ist auch ein kurzer Blick auf solche Punkte interessant, wo der
Gesetzgeber zur Zeit noch keinen Handlungsbedarf sieht. Dies betrifft z.B.

    die Frage der analogen Anwendbarkeit des §850f ZPO in der Verbraucherinsolvenz.
    Hier verweist der Diskussionsentwurf auf die vom Gesetzgeber für 2001 angestrebte
    Anhebung der Pfändungsfreigrenzen, die damit das Problem des Existenzminimums in
    der Insolvenz alleine löse. Im übrigen könne eine nachträgliche Anhebung des dem
    Schuldner verbleibenden Einkommens infolge eines Beschlusses analog §850f ZPO den
    Inhalt eines Schuldenbereinigungsplans bzw. die für die „Wohlverhaltensperiode“
    abgegebene Abtretungserklärung unterlaufen.
    Die „Wohlverhaltensperiode“ soll ohne Erfahrungswerte, die bislang noch fehlen, nicht
    abgekürzt werden.
    Bei einer Verkürzung der Wirkungsdauer des §114 Abs.1 InsO befürchtet der
    Gesetzgeber, dass die Kreditwirtschaft – wie von dieser bereits angekündigt – bei der
    Kreditvergabe an Privatverbraucher künftig restriktiver agiere, weil damit die
    Kreditsicherheit „Lohnvorausabtretung“ nahezu wertlos werde.
    Der Diskussionsentwurf sieht vorläufig davon ab, die Gläubiger dazu zu verpflichten,
    frühzeitig kundzutun, dass ihre Forderung von der Restschuldbefreiung auszunehmen
    sei (§302 InsO).

Bei den vorgenannten Punkten ist aber darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber hier
primär empirische Daten abwarten möchte, um gegebenenfalls einen interessenwahrenden
Gegenvorschlag vorzulegen.
Als erstes Fazit ist gleichwohl festzuhalten, dass die Vorschläge des Diskussionsentwurfs
weniger von der Sorge um den möglichst raschen und kontinuierlichen Abbau des modernen
Schuldturms geprägt sind, als von der Überlegung, wie die Landesjustizkassen und die
Insolvenzgerichte vor Mehrbelastungen zu bewahren sind. Dieses gesetzgeberische Motiv –

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übrigens prägend für nahezu alle aktuellen Gesetzesvorhaben – sollte trotz knapper
Haushaltsmittel nicht das vorrangige Leitmotiv sein. Im übrigen fehlt es bislang an einer
nachvollziehbaren Kostenkalkulation und einem nachvollziehbaren Vergleich zwischen den
vermeintlichen

Kosten einer umfassenden PKH-Bewilligung und dem jetzt angedachten Stundungsmodell
für die Bundesländer.

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Zu 3. Erfahrungen aus der Praxis der Schuldnerberatung
Das IFF begutachtet zur Zeit im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände
die Praxis des Verbraucherinsolvenzverfahrens, insbesondere des außergerichtlichen
Entschuldungsversuchs. Im Rahmen dieses Gutachtens haben wir auch eine Umfrage unter
12 bundesweit verteilten Schuldnerberatungsstellen bzw. Verbraucherzentralen durchgeführt,
die ebenfalls schwerpunktmäßig das außergerichtliche Verfahren betraf. Ohne zu sehr ins
Detail zu gehen, hat die Umfrage neben vielen anderen folgende empirische Daten erbracht,
die die Vorschläge des Diskussionsentwurfes betreffen:

a. Schuldnerberatungsstellen und ihre Auslastung mit Insolvenzberatung
    Die   Wartezeiten         in   der     Schuldnerberatung    für    Insolvenzberatung       betragen
    durchschnittlich 5,2 Monate. Nach Sichtung der Daten gibt es unter den Befragten
    allerdings keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der personellen Ausstattung
    einer Beratungseinrichtung, der Anzahl ihrer Beratungsfälle und der Wartezeit.
    (Ehemalige) Kleingewerbetreibende machen bei den Befragten durchschnittlich 1/3 der
    Ratsuchenden aus. Ihre durchschnittliche Gläubigerzahl liegt bei 20, wobei sich die
    Streubreite zwischen 12 und 40 bewegte.

b. Strukturelles Verhandlungsungleichgewicht zwischen Schuldnern und Gläubigern
    2/3   der    Befragten         gaben    an,   dass     Gläubiger    die   Bitte,   ein     aktuelles
    Forderungsverzeichnis zu übersenden, für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nutzen.
    Als Gläubigergruppen, die am häufigsten die Zustimmung zum außergerichtlichen
    Vergleich ablehnen, wurden öffentlich-rechtliche Gläubiger genannt, nur vereinzelt
    hingegen Lohnvorausabtretungsgläubiger.

c. Außergerichtlicher Plan als Vorwegnahme des Restschuldbefreiungsverfahrens?
    Die Umfrage hat ergeben, dass sich die Konzeption der außergerichtlichen Pläne an den
    engen gesetzlichen Vorgaben der InsO orientiert. Die Pläne werden also nach der
    Formel „Dauer der „Wohlverhaltensperiode“ x pfändbares Schuldnereinkommen“
    gestaltet.   Dies   ist    einerseits    nachvollziehbar,   wenn     Gläubiger     immer     wieder
    argumentieren, sie würden nur dann einem Plan zustimmen, wenn dieser ihnen nicht
    weniger verspricht, als sie im gerichtlichen Verfahren zu erwarten haben. Gleichwohl
    wird bei dieser Vorgehensweise übersehen, dass das außergerichtliche Verfahren nicht
    von der InsO, sondern vom Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt wird. Problematisch
    ist                                           zudem,                                          wenn

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    bei dieser Form der außergerichtlichen Plangestaltung der Motivationsrabatt zugunsten
    des Schuldners unberücksichtigt bleibt und die Mindestvergütung des Treuhänders nicht
    herausgerechnet       wird.   Im   übrigen   zeigen   die   geringen   außergerichtlichen
    Einigungsquoten, dass Gläubiger überwiegend selbst die Pläne ablehnen, die sich an
    den Vorgaben der InsO orientieren. Die häufigsten Ablehnungsgründe der Gläubiger
    sind nach den Antworten der Umfrageteilnehmer zu geringe Regulierungsquoten.
    Gläubiger behaupten weiter, ihre Forderungen seien nicht richtig wiedergegeben und für
    sie sei die Lebens- und Einkommenssituation des Schuldners nicht hinreichend offen
    gelegt.
    Auffälliges Umfrageergebnis ist auch, dass häufig von der als problematisch
    einzustufenden Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, Zahlungen aus dem unpfändbaren
    Einkommen anzubieten. Um hier aber eine endgültige Bewertung abzugeben, hätte es
    einer genaueren Fallkenntnis bedurft.
    Als sonstige Klausel eines außergerichtlichen Planvorschlags wird regelmäßig der
    sinngemäße Wortlaut des §295 InsO (Obliegenheiten des Schuldners) aufgenommen.
    Problematisch ist hierbei, dass damit bereits außergerichtlich das der InsO
    innewohnende negative gesetzliche Leitbild vom Schuldner (der „redliche“ Schuldner;
    Schuldner, der vom Treuhänder zu beaufsichtigen ist) übernommen wird. Die
    Umfrageteilnehmer achten hingegen darauf, dass die Wirkungen des Plans auch
    Mithaftenden zugute kommen und nehmen entsprechende Vertragsklauseln auf. Ebenso
    wird der Plan regelmäßig so flexibel gestaltet, dass Einkommensschwankungen oder
    sonstige Veränderungen in den Lebensverhältnissen des Schuldners berücksichtigt
    werden.

d. Gerichtliches Insolvenzverfahren
Die Umfrageergebnisse zu den gerichtlichen Verfahrensabschnitten waren, wie nicht anders
zu erwarten, sehr dünn. Die geringe Zahl eröffneter Verfahren lässt zur Zeit nur bedingt
aussagekräftige Daten zu. Einige Umfrageteilnehmer gaben auch an, dass sie mit Eröffnung
des Verfahrens den Schuldner auch nicht mehr vertreten. Die Umfrageteilnehmer gaben an,
dass durchschnittlich mehr als 50% ihrer Ratsuchenden für Prozesskostenhilfe in Betracht
kämen. Nur einzelne Umfrageteilnehmer gehören zu Landgerichtsbezirken, in denen (noch)
Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes ist aber
damit zu rechnen, dass sich auch diese Insolvenzgerichte die Ansicht des BGH zu eigen
machen und künftig entsprechende Gesuche der Schuldner ablehnen werden.

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e. Vorläufiges Fazit der Umfrageergebnisse
Vorweg ist eines klar zu stellen: Die Umfrage, die das IFF der Arbeitsgemeinschaft für
Verbraucherverbände als Auftraggeber nur ergänzend vorgeschlagen hat, ist nicht
Schwerpunkt des Gutachtenauftrages. Aus Zeit- und Budgetgründen konnte nur eine
beschränkte Zahl von Umfrageteilnehmern ausgewählt werden. Die Ergebnisse können somit
keinen repräsentativen Charakter haben. Für einen ersten Eindruck bzw. einen Eindruck aus
der Praxis waren aber die Antworten gleichwohl sehr hilfreich. Entscheidend sind nämlich die
Qualität der Fragen und die Qualität der Antworten, nicht zwingend hingegen die Zahl der
Umfrageteilnehmer. Die Daten haben ein nahezu einheitliches Bild ergeben. Dort, wo
Umfrageteilnehmer zu stark abweichenden Antworten bzw. Werturteilen gekommen sind,
wurde hinreichend transparent erläutert, dass dieser Umfrageteilnehmer unter speziellen
Bedingungen arbeitet. Bis auf wenige Ausnahmen spiegeln die gewonnenen Daten die
Problembeschreibungen wider, die die Fachliteratur seit Inkrafttreten der InsO in Aufsätzen
etc. diskutiert.
Auffällig war allerdings, wie eng derzeit Insolvenzberatung an den Buchstaben des Gesetzes
ausgerichtet ist. Hier besteht die latente Gefahr, dass Schuldnerberatung zur bloßen
Insolvenzabwicklung       wird.     Diese    Umfrageergebnisse     zeigen   einen   dringenden
Aufklärungsbedarf bei den Gläubigern auf, um Missverständnissen vorzubeugen, was im
gerichtlichen Verfahren zu erwarten ist bzw. welche Risiken dort auf sie warten, um sie
offener für außergerichtliche Planvorschläge zu machen.

Zu 4: Wünschenswerte Ansätze für eine Reformdiskussion
Wie eingangs bereits erwähnt: Die jetzige Diskussion über Änderungen der InsO orientiert
sich kaum an den ursprünglichen Gesetzesmotiven für das Verbraucherinsolvenzverfahren.
Bei allem Verständnis für angespannte Haushaltskassen sollten Änderungsdiskussionen
nach wie vor inhaltlich bestimmt und legitimiert sein. Solange nicht eine detaillierte
ökonomische Kostenanalyse des Stundungsmodells einerseits und der PKH-Gewährung
andererseits vorliegt, überzeugen auch die derzeit vorgebrachten Kostenargumente der
Landesjustizministerien bzw. Landesregierungen wenig. Politisch ist aber klar: die
Bundesregierung hat den Kompromiss mit den Bundesländern zu suchen. Letztlich
entscheidet diese Kompromissfähigkeit – leider – über die inhaltliche Qualität einer an sich
notwendigen Gesetzesreform.
Vergegenwärtigen      wir     uns     noch     einmal   den      wünschenswerten    Sinn   des
Verbraucherinsolvenzverfahrens: Die Bekämpfung des modernen Schuldturms ist nur ein,
natürlich wichtiger, Aspekt. Aber: ein Schuldner, der das gerichtliche Insolvenzverfahren
durchlaufen hat, hat wenig von seiner Restschuldbefreiung, wenn ihm anschließend nach wie
vor die Eröffnung eines Girokontos verweigert wird oder der Kreditmarkt versperrt bleibt. Die

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Insolvenzordnung als isoliert angewendetes Instrument reicht nicht aus, um das soziale
Problem der Überschuldung in den Griff zu bekommen. Nach der Entschuldung muss die
wirtschaftliche                                                                                   Rein-

tegration des ehemals Überschuldeten gewährleistet sein. Er darf nicht weiter stigmatisiert
und von der wirtschaftlichen Grundversorgung ausgeschlossen sein. Und dazu zählt in einer
Gesellschaft wie der unsrigen nun einmal die Kreditwürdigkeit. Außerdem hat eine
Entschuldung nur einen Halbwert, wenn der Schuldner nicht zugleich Fähigkeiten erlernt,
finanzielle Konflikte zu bewältigen und für die Zukunft möglichst zu vermeiden. Die
Insolvenzordnung muss also von weiteren Instrumenten flankiert werden.
Was das Verbraucherinsolvenzverfahren selbst anbelangt: Hier muss die – richtige –
gesetzgeberische Vorgabe, dass das gerichtliche Insolvenzverfahren nur ausnahmsweise in
Betracht kommt, wenn ein außergerichtlicher Vergleich nicht möglich ist, konsequent
umgesetzt werden. Das große Problem, aus dem zur Zeit nahezu alle Einzelprobleme mit
dem Verfahren resultieren, ist, dass die InsO bzw. die ZPO den außergerichtlichen
Entschuldungsversuch nicht hinreichend schützt und stützt. Es fehlt zur Zeit an einem
außergerichtlich wirkenden sinnvollen Vollstreckungsschutz und der Zugang in das als
Alternative angedachte gerichtliche Verfahren ist nicht gesichert. Damit kann die
gesetzgeberische    Vorgabe        nicht   funktionieren,   dass    die    Entschuldung     vorrangig
außergerichtlich zu suchen ist. Wir haben derzeit die kuriose Situation, dass das als letzte
Möglichkeit angedachte gerichtliche Insolvenzverfahren zum Standardfall wird. Die
außergerichtliche Einigung hat dagegen Ausnahmecharakter. Dieses Verhältnis muss
umgekehrt werden.

Wo kann der Gesetzgeber ansetzen?
     Es muss einen Vollstreckungsschutz geben, der außergerichtlich temporär wirkt. Es
     geht nicht darum, die materiellrechtliche Gläubigerposition zu beschneiden, sondern
     darum, alle Gläubiger mit den dem Schuldner zur Verfügung stehenden finanziellen
     Mitteln   gleichmäßig    zu     befriedigen.   Gläubiger,     die    einfach   nur    mit   ihrem
     Zwangsvollstreckungsantrag schnell sind, sollen nicht bevorzugt werden. Außerdem
     muss dem Schuldner derzeit auch ein Ansparen der Verfahrenskosten möglich sein, um
     die Alternative „gerichtliches Insolvenzverfahren“ nicht zu verspielen.
     Der   außergerichtlichen      Einigungsquote     wäre    es    auch     förderlich,   wenn     die
     „Wohlverhaltensperiode“ auf ein solches Maß gekürzt wird, dass das durchschnittliche
     Durchhaltevermögen von Schuldnern beachtet wird. 7 Jahre mit weiteren Vor- und
     Nachlaufzeiten sind eindeutig zu lang, betrachtet man gerade die international geltenden
     Verfahrenszeiten im Insolvenzrecht. Die Schuldner befinden sich in der Regel seit vielen
     Jahren in der Überschuldungsspirale. Weitere 10-12 Jahre realer Verfahrensdauer

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    werden sie nicht bestehen. Eine kurzfristige Entlastung, wenn der Gesetzgeber ohne
    empirische     Daten      für     das     bundesrepublikanische          Insolvenzverfahren       die
    „Wohlverhaltensperiode“         nicht   gleich   kürzen   will,   wäre    es,   den    Beginn    der
    „Wohlverhaltensperiode“ an den Antrag auf Verfahrenseröffnung zu koppeln. Damit
    wären           alle            Verfahrensbeteiligten              von           der            Unsi-

    cherheit der Dauer der Abschnitte „gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren“ sowie
    „vereinfachtes Insolvenzverfahren“ befreit und das Verfahrensende wäre klarer
    absehbar.
    Die Sonderbehandlung von Lohnvorausabtretungsgläubigern ist zu überdenken. Sie
    behindert die Möglichkeit eines außergerichtlichen Vergleichs. Im übrigen ist die
    Ungleichbehandlung zwischen dieser Gläubigergruppe und den anderweitig gesicherten
    oder ungesicherten Gläubigern fragwürdig, wenn man bedenkt, dass es sich bei der
    Lohnvorausabtretung um eine – auch international – problematische Kreditsicherheit
    handelt.
    Im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren sollte die Kopfmehrheit abgeschafft
    werden. Das derzeitige Erfordernis der Kopf- und Summenmehrheit behindert das
    Zustandekommen von Vergleichen. Außerdem haben es dann Gläubiger mit
    Kleinstforderungen in der Hand, sinnvolle Vergleiche zu verhindern. Großgläubiger sind
    in der Regel mehr als kleinere oder mittlere Gläubiger betriebswirtschaftlich
    nachvollziehbaren Argumenten zugänglich. Die Abhängigkeit der Annahme eines
    Schuldenbereinigungsplans von der Zustimmung der Summenmehrheit dürfte die
    positiven Möglichkeiten dieses Verfahrensabschnitts stärken.
    Nichts desto trotz ist das gerichtliche Insolvenzverfahren insgesamt zu straffen und
    zu komprimieren. Die Fülle verschiedener Verfahrensabschnitte, die Unsicherheit, wann
    welcher     Verfahrensabschnitt         endet    sowie    die     begrenzte     Zuständigkeit    der
    Insolvenzgerichte sind eine echte Belastung für sinnvolle Entschuldungsverfahren. Das
    Argument, dass das gerichtliche Verfahren abschrecken soll, ist hier missverstanden
    worden und bedarf der Korrektur.
    Der Zugang in das gerichtliche Insolvenzverfahren muss gesichert werden. Das
    Stundungsmodell der Bundesregierung hat Schwächen. Positiv ist, dass künftig kein
    Eröffnungsantrag abgelehnt werden dürfte. Andererseits ist zu bezweifeln, dass die
    vorgeschlagenen        Kostensenkungsmaßnahmen            alle    kurzfristig   greifen,   so   dass
    wahrscheinlich viele Schuldner mit nach wie vor relativ hohen Verfahrenskosten
    konfrontiert sind, die zunächst über ihr pfändbares Einkommen bzw. ihr verwertbares
    Vermögen zu begleichen wären. Notfalls sind sie über die lange Verfahrenszeit hinaus
    weitere zwei Jahre verpflichtet, die Kosten zu begleichen. Im übrigen ist anzuzweifeln,
    ob das Stundungsmodell für jeden Einzelfall automatisch den Anspruch auf

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    Prozesskostenhilfe      erledigt.    Legt      man        die     Rechtsprechung   des
    Bundesverfassungsgerichts      zur   Prozesskostenhilfe     und   zur   Rechtsgewährung
    zugrunde, könnte es sein, dass das Stundungsmodell nicht per se die „Bedürftigkeit“
    eines Schuldners (vgl. §114 ZPO) beseitigt.
    Um auf Gläubigerseite den Anreiz für außergerichtliche Vergleiche zu erhöhen, sollte
    noch einmal überdacht werden, ob Gläubiger nicht dann an den Verfahrenskosten be-

    teiligt werden können, wenn sich bei Ablauf des gerichtlichen Verfahrens herausstellen
    sollte, dass der Gläubiger tatsächlich nicht mehr erhalten hat, als ihm der Schuldner
    außergerichtlich bzw. im Schuldenbereinigungsverfahren angeboten hatte.
    Ebenfalls zu überdenken ist, ob der Motivationsrabatt nicht nur temporär, sondern für
    die Dauer des gerichtlichen Verfahrens gelten sollte. Kann der Schuldner einen oberhalb
    des Existenzminimums anzusiedelnden Einkommensanteil für sich und seine Familie
    behalten, wäre nicht nur sein Durchhaltevermögen gestärkt. Es würde sich auch die
    quälende Diskussion um die entsprechende Anwendbarkeit von §850f ZPO erledigen.
    Hierbei darf man nämlich nicht übersehen, dass eine analoge Anwendbarkeit dieser
    Vorschrift zwingend die Diskussion um die Anwendbarkeit der restlichen §§850 ff. ZPO
    nach sich ziehen müsste. Einzelne dieser Vorschriften würden aber den Schuldner
    belasten.
    Der Zustand, dass zur Zeit überschuldete Ehepaare, gesonderte Anträge auf Eröffnung
    des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen müssen, ist unhaltbar. Die Folgen des
    Verfahrens des Hauptschuldners, d.h. insbesondere die erteilte Restschuldbefreiung,
    müssen auch zugunsten des oder der Mithaftenden gelten.
    Die Auswahl und Rolle des Treuhänders in der Praxis ist fragwürdig. Die im
    ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren Anfang der 90er Jahre bestehende Idee, dass
    auch in der Verbraucherinsolvenz zumindest die Möglichkeit einer Eigenverwaltung mit
    begleitender Hilfestellung eines Sachwalters gegeben sein muss, sollte wieder
    aufgegriffen werden. Den Schuldnern ist für ihre Zukunft nicht gedient, wenn sie
    jahrelang unter der Vormundschaft eines Treuhänders stehen, der aufgrund seines
    eigenen beruflichen Hintergrundes keinen Bezug zu den sozialen Problemen der
    privaten Überschuldung hat.

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Umgang

mit

Kleingewerbetreibenden

Moderation: Hans Ebli (SFZ)
Beiträge:      Bernd Merling (ASS Mannheim)

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               Brunhilde Steffes (IHK Trier)
Protokoll:     Wolfgang Eck (DW Bad Kreuznach)

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                       RUNDER TISCH
               Anlaufstelle für Unternehmen
                          in wirtschaftlichen
                             Schwierigkeiten

Ein Beitrag von:

Dipl.-Kfm. Brunhilde Steffes, Industrie- und Handelskammer Trier

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Viele junge Unternehmen, aber auch Unternehmen, die schon länger am Markt sind, geraten
oft in finanzielle Schwierigkeiten, die sie aus eigener Kraft nicht mehr lösen können, obwohl
sie gute Marktchancen haben. Für diese Zielgruppe haben die Deutsche Ausgleichsbank, die
Handwerkskammer Trier und die Industrie- und Handelskammer Trier am 6. April 2000 den
sogenannten „Runden Tisch" eingerichtet. Im Rahmen dieses Projektes wird eine gründliche
Diagnose ermöglicht, die die Schwachstellen eines Betriebes aufdecken soll und auf deren
Basis eine sachgerechte und praktikable Lösung für alle Beteiligten entwickelt wird.

Das Projekt „Runder Tisch" existiert bereits seit 1995 und wurde erstmals in den neuen
Bundesländern eingerichtet. Derzeit wird dieses Projekt, das sich in den zurückliegenden fünf
Jahren sehr positiv entwickelt hat, sukzessive auch auf die alten Bundesländer ausgedehnt,
wobei die Deutsche Ausgleichsbank         immer   mit   den Wirtschaftskammern vor Ort einen
Kooperationsvertrag abschließt.

Deutschlandweit gibt es derzeit 40 „Runde Tische".

Seit 1995 haben insgesamt mehr als 11.000 Unternehmen dieses Angebot wahrgenommen
und mehr als die Hälfte dieser Unternehmen konnten sich wieder stabilisieren und sind
weiterhin im Markt tätig.

Was ist der Runde Tisch?

Der Runde Tisch ist eine Anlaufstelle für Unternehmen mit finanziellen Problemen, seien es
Finanzierungsprobleme oder aber Liquiditätsprobleme, wobei erfahrungsgemäß fast immer
beides zusammen auftritt. Voraussetzung, dass ein Unternehmen in dieses Projekt
aufgenommen werden kann ist, dass Marktchancen gegeben sein müssen, d.h. dass das
Unternehmen ein marktfähiges Produkt oder eine marktfähige Dienstleistung anbieten kann.

Der Runde Tisch setzt dabei auf Synergieeffekte, wenn das gesamte Beratungspotential in
einer Region geschlossen vorgeht. Das heißt, alle Beteiligten, die zu einer Lösung der
Probleme    beitragen       könnten   –   Hausbank,     Länderförderinstitute,   ggf.    Finanzamt,
Krankenkasse,     Deutsche      Ausgleichsbank    und     andere    Beteiligte   –      werden   als
gleichberechtigte Partner in die Hilfsaktion eingebunden.

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Den Kammern kommt dabei die Rolle des „Feuermelders" zu, d.h. sie sind erste Anlaufstellen
für Unternehmen in Schwierigkeiten.

Die wesentlichen Kriterien des „Runden Tisches" lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Es wird schnell und unbürokratisch geholfen, denn nur unter der Prämisse einer schnellen
und   kompetenten     Hilfe   sind   die   Hausbanken   bereit,   sich   an einem   freiwilligen
„Stillhalteabkommen" zu beteiligen, eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen
Runden Tisch.

Denn wenn die Banken oder generell die Gläubiger während der Zeit, in der die Analyse des
Betriebes erfolgt, Maßnahmen einleiten, die dem Unternehmen schaden, beispielsweise
Kündigung der Kredite oder ähnliches, hat das gesamte Projekt keine Chance.

Die Anfragen werden absolut vertraulich behandelt, was natürlich von großer Bedeutung ist,
denn das betroffene Unternehmen muss nicht nur alle Unterlagen offen legen, sondern auch
die Banken vom Bankgeheimnis bzw. ggf. das Finanzamt vom Steuergeheimnis entbinden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass diese Hilfe für die Unternehmen kostenlos ist. Die
Kosten der Analyse, für die maximal 10 Beratungstage angesetzt werden, übernimmt die
Deutsche Ausgleichsbank.

Wie läuft der Runde Tisch ab?

Ein Unternehmer stellt fest, häufig leider viel zu spät, dass er sich in finanziellen
Schwierigkeiten befindet. Er wendet sich an die zuständige Kammer, d.h. Handwerkskammer
oder Industrie- und Handelskammer. Dort wird in der Regel ein Vorgespräch geführt, das
Projekt erläutert und dem Unternehmer mitgeteilt, welche Unterlagen er zu erbringen hat.
Wichtige Entscheidungsträger sind Bilanzen, GuV und BWA, es muss allerdings auch ein
Liquiditätsstatus erstellt werden.

Auf der Basis dieser Unterlagen erfolgt bei der Kammer eine Prüfung, ob das Unternehmen
in dieses Programm aufgenommen werden kann. Insbesondere wird dabei geprüft, ob nicht

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bereits eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, die den Weg ins
Insolvenzverfahren zwingend vorschreiben.

Wenn eine Aufnahme in das Projekt „Runder Tisch" erfolgt ist, gibt es zwei Möglichkeiten,
entweder es erfolgt eine Beratung durch Betriebsberater der Handwerkskammer oder der
Industrie- und Handelskammer, was allerdings bedingt durch fehlende personelle
Ressourcen eher selten ist, oder es wird ein externer Berater, ein sogenannter „Pate"
eingeschaltet. Diese externen Berater müssen bei der Deutschen Ausgleichsbank gelistet
sein; Voraussetzung hierfür ist, dass sie entsprechende Referenzen nachweisen können;
ferner wird mit jedem Berater von der Beratungsagentur der Deutschen Ausgleichsbank ein
längeres Gespräch geführt.

Die „Paten" erhalten dann den Auftrag, eine Ist-Analyse im Betrieb durchzuführen; hierfür
stehen maximal 10 Beratungstage zur Verfügung, die mit einem Betrag von 160 EURO pro
Tag vergütet werden.

Im Rahmen dieser Ist-Analyse werden die Schwachstellen im Betrieb aufgedeckt und in
einem schriftlichen Bericht festgehalten. Gleichzeitig werden Vorschläge erarbeitet, auf deren
Basis eine Fortführung des Unternehmens als möglich erachtet wird. Es werden jedoch keine
Gefälligkeitsgutachten erstellt, d.h. wenn der Berater zu dem Ergebnis kommt, eine
Fortführung ist nicht möglich, dann wird dies in diesem Bericht auch deutlich gemacht.

Das Beratungsergebnis wird dann mit dem betroffenen Unternehmer, der zuständigen
Kammer und dem Unternehmensberater besprochen. Gleichzeitig wird die Frage erörtert, ob
es sinnvoll ist den „Runden Tisch" einzuberufen, bzw. ob der Unternehmer es grundsätzlich
wünscht.

Kommt der „Runde Tisch" nicht in Frage, ist die Beratung abgeschlossen.

Ansonsten werden die Hauptgläubiger zu einem Gespräch eingeladen. In diesem Gespräch
werden dann die erarbeiteten Vorschläge besprochen und es wird gemeinsam versucht
Lösungen zu finden, um dem Unternehmen aus der Notlage zu helfen.

Bei einem positiven Ausgang kann eine Fortführung des Unternehmens erfolgen, wobei ggf.
auch eine Nachbetreuung möglich ist. Die Kosten für die Nachbetreuung sind in der Regel
vom Unternehmen zu tragen; in schwierigen Fällen, bietet aber die deutsche Ausgleichsbank
auch hier finanzielle Unterstützung an.

SFZ Mainz, Februar 2001
Dokumentation der Arbeitstagung des SFZ am 06.09.2000                                    29

Bisherige Erfahrungen der Industrie- und Handelskammer Trier

Der Runde Tisch existiert in unserem Kammerbezirk seit fünf Monaten; an die Industrie- und
Handelskammer Trier wurden bisher 10 Anfragen herangetragen.

Davon musste eine abgelehnt werden, weil das Unternehmen, eine GmbH, überschuldet war
und gleichzeitig eine Zahlungsunfähigkeit vorlag. Dieses Unternehmen hat inzwischen das
Insolvenzverfahren eingeleitet.

Fünf Anfragen konnten inzwischen abgewickelt werden, bzw. stehen kurz davor. Davon
wurden in zwei Fällen im Rahmen des Runden Tisches Maßnahmen ergriffen, die eine
Fortführung ermöglichten.

In einem Fall haben die Unternehmer selbst den Entschluss gefasst, den Betrieb aufzugeben,
das heißt, hier wird eine „normale" Betriebsaufgabe erfolgen.

In einem weiteren Fall konnte zumindest für zwei Monate ein Stillhalteabkommen erreicht
werden; in dieser Zeit wird eine weitere Beratung erfolgen.

Und in einem anderen Fall war eine Fortführung des Betriebes nicht möglich, da eine
Tragfähigkeit nicht zu erwarten war; hier ist inzwischen das private Insolvenzverfahren
eingeleitet, womit dann auch die Schnittstelle zu Ihnen gegeben ist, denn sobald der Betrieb
abgemeldet ist, können wir nicht mehr aktiv sein.

Probleme

Das größte Problem, das sich uns leider immer wieder stellt ist, dass die Unternehmen leider
viel zu spät kommen, sei es, dass sie sich scheuen um Hilfe anzufragen oder, dass sie sich
oft selbst sagen, es wird schon irgendwie weitergehen.

Als Lösung sehen wir hier insbesondere die Kontakte zu Steuerberatern, Banken, Finanzamt
und den Sozialversicherungsträgern an, da diese in der Regel als erste eine Schieflage

SFZ Mainz, Februar 2001
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