Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt

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Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
1 | 2018

Natürliche Ressourcen in der Schweiz

Tatort Umwelt
Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht
Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
2   EDITORIAL

    Kein Kavaliersdelikt
                                    Beim Thema Umweltkriminalität denkt kaum jemand an die Schweiz. Man verortet sie
                                    vielmehr in fernen Ländern, wo Wälder illegal abgeholzt, geschützte Tiere eingefangen
                                    oder Elektrogeräte illegal entsorgt werden. Schwache Staatsstrukturen, geringe Strafen
                                    und knapp dotierte Strafverfolgungsbehörden ermöglichen dort ein hochprofitables
                                    Geschäft mit geringem Risiko. Bis zu 258 Milliarden US-Dollar pro Jahr werden gemäss
                                    Schätzungen in diesem Bereich umgesetzt. Aber auch die Schweiz ist in die internationale
                                    Umweltkriminalität verwickelt, beispielsweise als Importeurin von verbotenen Tier- und
                                    Pflanzenprodukten und illegal geschlagenem Holz. Oder als Transit- und Ursprungsland
                                    von Abfalltourismus und illegaler Abfallentsorgung.

                                    Hinzu kommen zahlreiche «Inland-Delikte». Dem BAFU werden jedes Jahr rund 900
                                    Verurteilungen wegen Umweltstraftaten gemeldet. Oft stecken handfeste finanzielle
                                    Interessen dahinter, beispielsweise wenn ein Unternehmen die Kosten für die korrekte
        Bild: Janosch Hugi | BAFU   Abfallentsorgung oder Abwasserreinigung einsparen will. In den meisten Fällen handeln
                                    die Täter jedoch nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig. Sie bedenken die Folgen ihrer Hand-
                                    lung nicht, obschon sie zur Vorsicht verpflichtet sind – oder sie nehmen keine Rücksicht
                                    darauf. Verstösse gegen die Umweltgesetze gelten in Teilen der Gesellschaft immer noch
                                    als Kavaliersdelikt. Die daraus resultierenden Schäden an der Umwelt werden ignoriert
                                    oder heruntergespielt, die Bussen in Kauf genommen.

                                    Müssten also die Strafen härter ausfallen? Das BAFU liess in einer Studie die strafrechtli-
                                    chen Sanktionsmöglichkeiten in den Umweltgesetzen überprüfen und kam zum Schluss,
                                    dass die Strafrahmen – mit wenigen Ausnahmen – hoch genug sind. Gleichzeitig stellt das
                                    BAFU fest, dass die Staatsanwaltschaften und Gerichte diese Rahmen in ihren Strafanträ-
                                    gen und -entscheiden nur selten ausschöpfen.

                                    Beim Vollzug des Umweltstrafrechts sind viele Akteure beteiligt: die Polizei, der Zoll,
                                    das BAFU, das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV),
                                    die kantonalen Umweltbehörden, Gemeindebehörden, Staatsanwaltschaften und
                                    Gerichte. Wenn eines dieser Räder nicht ins nächste greift, gerät der Vollzug ins
                                    Stocken. Das BAFU setzt sich deshalb dafür ein, dass die Koordination zwischen
                                    den Akteuren verbessert und die Sensibilität für die Umwelt sowohl bei den Behörden
                                    wie in der Bevölkerung geschärft wird.

                                    Christine Hofmann | Vizedirektorin BAFU

    die umwelt 1 | 18
Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
INHALTSVERZEICHNIS                                                                                                     3

            Dossier                                                            360°
       UMWELTKRIMINALITÄT

       8           Scharfe Gesetze, milde Strafen                         44        Landschaft
                                                                                    Wo die Schweiz am schönsten ist
       12          Was taugt das Schweizer
                   Umweltstrafrecht?                                      48        Landschaft
                                                                                    Vögel: Kampf gegen tödliche Stromfallen
       16          Jagd auf verbotene Schals
                                                                          52        Lärm
       22          Genf: illegalem Abfall auf der Spur                              Güterzüge: leiser, leichter, effizienter
       26          St. Gallen: Anwälte der Umwelt                         56        International
                                                                                    Wie die Schweiz das Quecksilber-
       28          Bern: die «Umweltpolizisten»                                     Abkommen prägt
       32          Zürich: Wie der Staatsanwalt ermittelt                 59        Naturgefahren
                                                                                    Damit die Dämme nicht brechen
       36          Tatort Regenwald

                                                                          RENDEZ-VOUS

                                                                          4         Tipps
                                                                          6         Bildung
                                                                          7         Unterwegs
                                                                          40        Vor Ort
                                                                          42        International
                                                                          43        Recht
                                                                          62        Aus dem BAFU
                                                                          63        Meine Natur
                                                                          64        Vorschau

                                                                          GRATIS ABONNIEREN            FACEBOOK-FANPAGE
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                                                                          KONTAKT                      Umweltpolizistin der
                                                                          magazin@bafu.admin.ch        Kantonspolizei Bern nimmt
Verendeter Fisch im Mülibach (SG):      Bild: Kantonspolizei St. Gallen                                eine Wasserprobe.
Von einer Baustelle war verschmutztes                                     IM INTERNET
Wasser in den Bach geraten.                                               www.bafu.admin.ch/           Bertschinger | Ex-Press | BAFU
                                                                          magazin

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Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
4             360° RENDEZ-VOUS

            Tipps
    Welche Farbe hat dein Pelz?
    Unsere einheimischen Eichhörnchen kommen in unterschiedlichen
    Farbtypen vor. Das Fell auf der Oberseite variiert von Fuchsrot bis fast
    Schwarz, die Unterseite bleibt dabei immer Weiss. Es gibt Hinweise auf
    einen Zusammenhang zwischen der Fellfarbe und der Höhenlage.
    Um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, wo es welche Farb-
    variationen in der Schweiz gibt, ruft «Wilde Nachbarn» dazu auf, alle
    Beobachtungen von Eichhörnchen inklusive Fellfarbe zu melden.
    Die Informationen fliessen in den neuen Säugetieratlas der Schweiz
    und Liechtensteins ein, welcher zurzeit von der Schweizerischen Ge-
    sellschaft für Wildtierbiologie (SGW) erarbeitet wird.

    säugetieratlas.wildenachbarn.ch
                                                                                                                                              Bild: Cornelia Hürzeler

    Gletscher beobachten                                           «Eat Smart»                                           Die Pflanzenfreunde
                 Der World Glacier Monito-                                      Profi- und Hobbyköche,                                Zu welchem Baum gehört
                 ring Service (WGMS) am                                         die sich bei der App «Eat                             dieses Laub? Sind diese
                 Geografischen Institut                                         Smart» registriert haben,                             Beeren giftig? Oder: Was
                 der Universität Zürich                                         präsentieren ihr selbst                               blüht da Schönes auf der
    erfasst die Daten von 8766 Gletschern                          kreiertes Menü per Foto und legen                     Wiese? Mit der App «Andy Green»
    auf der ganzen der Welt und wertet                             fest, wie viele Portionen verfügbar                   lassen sich Fragen und Fotos in die
    sie aus. Diese Daten sind über die App                         sind und was sie kosten. Registrier-                  «Green Community» hochladen, wo
    «wgms Glacier» zugänglich. Nun gibt                            te Kunden können via App suchen,                      andere Pflanzenfreunde sowie Profis
    es davon eine erweiterte Version: Sie                          welche Gerichte in ihrer Nähe gerade                  darauf antworten können.
    bietet nebst Satellitenbildern und                             angeboten werden. Bei einem Volltref-                 Daneben bietet die App ein Pflanzen-
    Kennzahlen der Gletscher auch einen                            fer gibt der Kunde seine Bestellung                   lexikon, mit dem sich die Pflanzenar-
    Überblick über deren Veränderungen.                            ein und bezahlt per Kreditkarte.                      ten anhand verschiedener Merkmale
    Ferner sind Infos zu Naturgefahren                             Zum festgelegten Zeitpunkt kann er                    (Verwendung, Standort, Blüte, Blatt,
    (z. B. Seeausbrüche) abrufbar. Ausser-                         oder sie das bestellte Gericht beim                   Fruchtform u.a.) bestimmen lassen.
    dem können eigene Fotos eingereicht                            Koch abholen.                                         Auch lernen kann man sie mit der App.
    werden.

    Gratis, für Android und iPhone                                 Gratis, für Android und iPhone                        CHF 10.–, für Android und iPhone
    www.wgms.ch/glacierapp                                         www.eatsmart.community                                www.andygreen.com

                                                           Naturkrimis
                                                           Der Maulwurf entführt Regenwürmer in seine Vorratskammer und lähmt sie mit einem gezielten
                                                           Biss in den Kopf. Die Regenwürmer sind dann Teil seines Vorrats. Im Paarungsgetümmel klam-
                                                           mern sich viele Erdkrötenmännchen an ein Weibchen und ertränken es schon mal.
                                                           Tiere können ziemlich unzimperlich vorgehen: Insgesamt 60 haarsträubende Fälle aus der
                                                           heimischen Tierwelt werden im Buch «Tatort Natur» mit einem Augenzwinkern erzählt. Hinter-
                                                           grundwissen, Quizfragen, Experimente und Detektivaufgaben machen aus dem Buch eine
                                      Bild: Haupt Verlag

                                                           spannende Lektüre für Kinder ab 7 Jahren.

                                                           «Tatort Natur: Betrug, Mord & Täuschung im Tierreich – und was dahintersteckt»
                                                           Haupt Verlag, 128 Seiten, durchgehend farbige Abbildungen, CHF 29.90, ISBN: 978-3-258-07912-7

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Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
360° RENDEZ-VOUS                                                                                                      5

Anleitung zum                            Moore verstehen                             Auf dem Velo lernen
Naturschutz                                                                          In die Pedale treten, durch schöne
Auf dem Firmengelände Wildbienen                                                     Landschaften fahren und dabei erst
fördern? Mehr über Pilze, Flechten und                                               noch etwas über die Natur lernen;
Moose erfahren? Informationen und                                                    möglich macht das der Verein Um-
praxisbezogene Tipps zur Umsetzung                                                   weltvelowege, indem er offizielle Velo-
von Naturschutzprojekten bietet die                                                  routen mit Erlebnisstationen zum
neue Plattform Naturförderung des                                       Bild: zVg    Thema Umwelt aufwertet. Familien,
Vereins biodivers. Hier können auch                                                  Genussradler, Vereine, Firmen und
eigene Projekte vorgestellt werden.                                                  Schulen können sich so unterwegs
                                                                                     praktisches Umweltwissen aneignen.
www.biodivers.ch                                                                     Die Routen befinden sich zwischen
                                                                                     Zürich, St. Gallen und Chur. Es werden
                                                                                     auch Gruppenführungen angeboten.

So geht der Pedibus                                                                  www.abfall.zh.ch
                                                                                     > Formulare & Merkblätter
                                                                                     +41 43 259 32 46
Gemeinsam mit einer erwachsenen
Begleitperson per Pedibus, also zu
Fuss, in die Schule gehen, anstatt mit
dem Auto chauffiert zu werden: Was                     Bild: Sörenberg-Tourismus
in der Romandie schon ziemlich ver-                                                  Natur-TV
breitet ist, ist in der Deutschschweiz
                                         Das Entlebuch ist das Haupttal der
noch eher selten. Eigentlich schade,
                                         Kleinen Emme zwischen Bern und
denn der Pedibus ist eine einfache und
                                         Luzern. Dort liegt die UNESCO Bio-
umweltbewusste Lösung, den Schul-
                                         sphäre Entlebuch. Auf einer Fläche
weg von jüngeren Kindern sicher zu
                                         von rund 400 Quadratkilometern be-
gestalten.
                                         herbergt sie ganz oder teilweise 44
www.pedibus.ch                           Hoch- und 61 Flachmoore.
www.schulwege.ch                         Vier Moorlandschaften sind dabei
                                         national geschützt, ein Moor, das
                                         Laubersmad, steht im Rahmen der in-

                                                                                                                                   Bild: Cornelia Hürzeler
                                         ternationalen Ramsar-Konvention auf
                                         der Liste der bedeutendsten Feucht-
Seine Bilder zeigen                      gebiete der Welt. Oberhalb von Sö-
                                         renberg (LU) befindet sich das Moora-
Das Naturhistorische Museum Basel        culum, ein Wassererlebnispark für
zeigt im Rahmen des Wettbewerbs          Familien, der spielerisch Hintergrund-
«Wildlife Photographer of the Year»      wissen zum Thema Moorlandschaf-             Wer sich einen Film anschauen will,
noch bis zum 3. Juni 2018 die besten     ten vermittelt und in dem Gross und         kauft sich ein Ticket fürs Kino.
Naturfotografien des Jahres 2017.        Klein für einen sorgsamen Umgang            Immer mehr Menschen leisten sich
Gleichzeitig können Amateurfoto-         mit der Natur sensibilisiert werden         heutzutage allerdings ein Abo für einen
grafen und -fotografinnen bis zum        sollen. Der Park befindet sich auf der      Pay-TV-Kanal. Für «tschiep tv»
30. März ihre Fotos beim Wettbewerb      Rossweid und ist nach einem knapp           braucht es keinen Strom und kein Abo.
«Schnappschuss» einreichen. In drei      einstündigen Aufstieg ab Sörenberg          Unterhaltung ist trotzdem garantiert:
Kategorien werden die drei besten        erreichbar. Wer abkürzen möchte,            einfach am Fenster befestigen, Futter
Naturbilder prämiert, die ab Mitte Mai   nimmt die Luftseilbahn.                     streuen – und schon spielt sich bestes
in einer kleinen Ausstellung im Muse-                                                Naturkino ab.
um zu sehen sind.
                                         www.soerenberg.ch                           CHF 49.–
www.nmbs.ch                              Freizeit-Erlebnisse > Wasser > Mooraculum   www.mth-moebelbau.ch
> Info&Angebote > Schnappschuss                                                      > Eigenprodukte > tschiep tv

         die umwelt 1 | 18
Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
6            360° RENDEZ-VOUS

             Bildung
                                                                                                        A discrétion
                                                                                                        Das Institut für Wissen, Energie und
                                                                                                        Rohstoffe in Zug (Werz) bietet acht
                                                                                                        dreitägige, einzeln besuchbare Wei-
                                                                                                        terbildungsmodule in Energie und
                                                                                                        Ressourceneffizienz an. Dazu ge-
                                                                                                        hören «Ökobilanzierung verstehen
                                                                                                        und anwenden» oder «Geschäfts-
                                                                                                        modelle und Industrie 4.0».

                                                                                                        Info und Anmeldung: www.werz.hsr.ch

                                                                             Bild: Franca Pedrazzetti
                                                                                                        Die Schweiz forscht
    Den Wald erklären                                                                                   Citizen Science, also die «Bürger-
    Vielen Menschen fehlt heute ein direkter Bezug zum Wald und damit auch das Ver-                     Wissenschaft», wird heute als Sam-
    ständnis, warum forstliche Eingriffe nötig und nützlich sind. Forstliche Waldpädagogik              melbegriff für Projekte verwendet,
    kann ihnen den Wald mithilfe von Erlebnissen wieder näherbringen und damit auch das                 in denen Freiwillige an wissenschaft-
    Verständnis für Forstarbeiten und die gesamte Forstbranche stärken. Im Zertifikats-                 lichen Untersuchungen beteiligt
    lehrgang «Forstliche Waldpädagogik» lernen die Teilnehmenden, wie solche waldpä-                    sind. Das Phänomen ist sehr alt:
    dagogischen Anlässe geplant und umgesetzt werden. Sie erwerben auch Kompetenzen                     Forschung gab es bereits lange vor
    im Projektmanagement und erfahren, wie sie forstliche Waldpädagogik in ihrer Region                 der Entstehung von Universitäten, wie
    fördern können. Die Weiterbildung richtet sich an Interessierte mit forstlicher Ausbildung          wir sie kennen. Als im Mittelalter die
    (u. a. Forstwarte, Försterinnen, Personen mit Bachelor in Forstwirtschaft oder mit                  ersten europäischen Universitäten
    Master in Umweltnaturwissenschaften). Der Lehrgang besteht aus 2 Kursen à 3 Tagen                   gegründet wurden, gab es schon
    und einem Zertifikatskurs à 2 Tagen. Hinzu kommen selbstständige Arbeiten.                          hochschulunabhängige Expeditionen
                                                                                                        und Entdecker. Citizen Science ist also
    Nächster Kurs: 5./6. April, 6. Juli 2018 in Lyss (BE),                                              sozusagen die Urform der Forschung,
    Kosten (ganzer Kurs) CHF 2400.–,
    Module können auch einzeln besucht werden,
                                                                                                        deren Wiederentdeckung und Aner-
    Info und Anmeldung: www.silviva.ch/forst, christian.stocker@silviva.ch                              kennung sich das Citizen Science
                                                                                                        Netzwerk Schweiz auf die Fahne ge-
                                                                                                        schrieben hat. Die Geschäftsstelle
                                                                                                        dieses Netzwerks ist die Stiftung
       Evolution für Anfänger                            Die Technikdamen                               Science et Cité, die im Juni 2018 die
       Eine Galápagos-Riesenschildkröte                  Kinder, Jugendliche und Erwachsene             zweite internationale Konferenz zum
       führt durch das Sachbilderbuch                    können ab 1. März 2018 in einer Online-        Thema in Genf organisiert. Sie richtet
       «Tortuga erforscht die Evolution».                Challenge erleben, wie spannend                sich an Anbieter von Citizen-Science-
       Sie erklärt Kindern, wie es zur Viel-             Technik ist. Die Fragen drehen sich um         Projekten, von denen viele auch län-
       falt der Pflanzen und Tiere gekom-                die Auswirkungen von Technik auf die           derübergreifend angelegt sind, und
       men ist. Sie lernen, dass eine Libelle,           Umwelt und um ökologisches Verhal-             bietet ihnen eine Plattform für Aus-
       die zufällig schärfere Augen hat als              ten. Das von der Schweizerischen               tausch und Weiterbildung.
       ihre Geschwister, bessere Überle-                 Akademie der Technischen Wissen-               Zudem sollen auch interessierte Lai-
       benschancen hat – und mehr                        schaften (SATW) initiierte Programm            en angesprochen werden. Teil des
       Nachkommen mit der gleichen Ei-                   will insbesondere junge Frauen zur             öffentlichen Programms ist eine For-
       genschaft zeugt. Das Buch richtet                 Teilnahme ermuntern, da diese sich             schungsexpedition, bei der Kinder
       sich an Kinder zwischen 4 und 8                   technische Berufe oft nicht zutrauen.          und Erwachsene – begleitet von For-
       Jahren.                                           Die besten Mädchen der Jahrgänge               schenden – so viele unterschiedliche
                                                         2002 bis 2005 werden in ein einjähri-          Tier- und Pflanzenarten wie möglich
                                                         ges Förderprogramm aufgenommen.                entdecken sollen.
       Susanne Leumann, Eigenverlag, 2017,
       48 Seiten, erhältlich im Zoologischen
       Museum Zürich, CHF 34.90, oder unter                                                             www.schweiz-forscht.ch
       www.lernmedien-shop.ch, CHF 39.90                 www.tecladies.ch                               www.ecsa-conference.eu

             die umwelt 1 | 18
Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
360° RENDEZ-VOUS                                                                                                                       7

            Unterwegs

Die Chemins de fer du Jura verbinden die Ebene des Haupttals von Glovelier (JU) mit den Freibergen.                                  Bild: Beat Jordi

            Entlang der roten Schmalspurbahn
            Die rund 14 Kilometer lange Wanderung von                      mühlen betrieben. Mittlerweile hat man diese Nutzun-
            Pré-Petitjean nach Glovelier ist ein Streifzug                 gen aufgegeben, und die Weiher beherbergen nun eine
            durch üppige Biodiversität. Text: Beat Jordi                   vielfältige Biodiversität.

            Die Jura-Wanderung beginnt beim kleinen Bahnhof                Frösche, Enten, Libellen
            Pré-Petitjean der Schmalspurbahn Chemins de fer du
            Jura (CJ). Der rote Zug verbindet die Ebene des Haupttals      So blühen in der feuchten Combe Tabeillon im Frühling
            von Glovelier (JU) mit der Weite der Freiberge.                unzählige Märzenglöckchen, und die Teiche in der
            Zwischen Mai und Spätherbst grasen hier die regional           Umgebung des gleichnamigen Bauernhofs und Restau-
            gezüchteten Pferde in Halbfreiheit auf den Matten und          rants sind im Inventar der Amphibienlaichgebiete von
            ortstypischen Wytweiden – oft im Herdenverbund mit             nationaler Bedeutung des BAFU aufgelistet. Hier leben
            Kühen. Der Anstieg durch die gut 10 Kilometer lange            grosse Populationen von roten Fröschen, Erdkröten und
            Tabeillon-Schlucht mit ihren Kalksteinformationen              Bergmolchen, aber auch Enten, Taucher und Libellen.
            ist so steil, dass die Bahn den Höhenunterschied von           Je nach Frühlingsmilde ist der Etang de Bollement ent-
            400 Metern auf engem Raum nur mit einer Spitzkehre             weder noch gefroren, zugeschneit, oder auf trockenem
            überwinden kann. Durch das ausgedehnte und sich                Laub lässt die wärmende Sonne den ersten Froschlaich
            dann zunehmend verengende bewaldete Tal führen                 reifen, der wiederum erste Reiher anlockt.
            lediglich ein Wanderweg und das Trassee der CJ-Züge.           Der im Frühjahr manchmal noch vereiste Pfad in der
            Anfänglich säumen riedbestandene, versumpfte Wei-              Schlucht führt uns Richtung Glovelier über einen schat-
            her die Strecke und zeugen von der Nutzbarmachung              tig–feuchten Talboden. Hie und da begleiten mächtige
            des spärlichen Wassers. In Plain de Saigne, einem              Felstürme den Weg, geben den Blick auf einzelne Höfe
            Naturparadies inmitten von Erikastauden, rund um das           am Hang frei und ermöglichen Eindrücke der frühen
            heutige Restaurant de la Combe und schliesslich beim           Eisenbahn-Baukunst, als die Ingenieure nur über einfa-
            Moorweiher Bollement wurden einst Säge- und Getreide-          che technische Hilfsmittel verfügten.

            Info und Höhenprofil: www.juratourisme.ch > Aktiv > Wanderland > Die Combe Tabeillon
            www.aubergedelagare.ch | www.combetabeillon.ch

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Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
8        DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

Umweltdelikte in der Schweiz

Scharfe Gesetze, milde Strafen
Um die Umwelt besser zu schützen, wurden im Umweltrecht auch Strafbestimmungen erlassen.
Die Auswertung der kantonalen Strafentscheide aus den Jahren 2013 bis 2016 durch das BAFU zeigt,
dass Umweltdelikte in der Schweiz kein Nischenphänomen sind und dass das Strafmass in den aller-
meisten Fällen bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Text: Lucienne Rey

         Mitunter kam das Gericht nicht umhin, das Gebiet        Wachsende Umweltgesetzgebung
         der Jurisprudenz zu verlassen und in jenes der
         Verhaltensforschung vorzudringen. Nur so war die        Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich die
         Frage zu beantworten, ob ein Appenzeller Sennen-        Umweltgesetzgebung und die mit ihr verbundenen
         hund und ein Labradormischling tatsächlich Wild         strafrechtlichen Sanktionen stetig erweitert.
         gejagt hatten oder ob sie nicht, wie die Verteidigung   Das 1967 in Kraft getretene Bundesgesetz über den
         argumentierte, vielmehr «höchstens spielerisch oder     Natur- und Heimatschutz (NHG) wie auch das Bun-
         in Verfolgung eines Hirteninstinkts kurze Zeit          desgesetz über den Umweltschutz (USG) von 1983
         einem Wildtier nachgesetzt» haben.                      bezeugen die wachsende Sensibilität für ökologische
                                                                 Zusammenhänge. Ergänzend gelten weitere juris-
Bei der Beurteilung von Umwelt-                                  tische Regelwerke wie das Bundesgesetz über den
                                                                 Schutz der Gewässer (GSchG), das Bundesgesetz über
delikten ist Expertenwissen                                      den Wald (WaG) oder das CO2-Gesetz als Umwelt-
gefragt – und zwar im Straf- wie auch                            erlasse. Dazu kommen Gesetze, die auf den ersten
                                                                 Blick wenig mit der Umwelt verbindet, die aber die-
im Umweltrecht.                                                  selben Rechtsgüter schützen wie das Umweltrecht.
                                                                 Dazu zählt etwa das Chemikaliengesetz (ChemG):
         Bereits das erste eidgenössische Jagdgesetz von 1875    Dieses soll nach Artikel 1 zwar «das Leben und die
         enthielt Strafbestimmungen für verschiedene Arten       Gesundheit des Menschen» schützen, es bewahrt da-
         von Jagdfrevel. Es befand allerdings auch, die Kan-     mit aber auch die Umwelt vor toxischen Substanzen.
         tone seien befugt, «angemessene Prämien zu ver-         Wenn es also darum geht, Umweltdelikte zu beur-
         abfolgen» für die Erlegung «besonders schädlicher       teilen, ist Expertenwissen gefragt – und zwar im
         Thiere», darunter insbesondere «grosse Raubthiere»,     Straf- wie auch im Umweltrecht. Allerdings verfü-
         aber auch Wildschweine, Adler, Sperber und der-         gen die beteiligten Behörden selten über fundiertes
         gleichen. Das zeigt: Bestimmungen zum Schutz von        Wissen in beiden Bereichen. Die Strafverfolger sind
         Tieren, Pflanzen und anderen natürlichen Ressour-       Strafrechtsspezialisten, und die Umweltbehörden
         cen wurden lange Zeit vornehmlich dann erlassen,        kennen sich vornehmlich im Verwaltungsrecht
         wenn menschliche Interessen auf dem Spiel standen.      aus, das sie zu vollziehen haben (siehe Grafik auf
         Und die Strafen bemassen sich in erster Linie am        S. 9). Diese Aufgabenteilung ist vom Gesetzgeber so
         Schaden, den die Gesellschaft erwartete.                gewollt, sie erweist sich beim Vollzug aber als grosse

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Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT                                                                                                                   9

 DAS NEBENEINANDER VON STRAF- & VERWALTUNGSRECHT
 A rodet ein Stück Wald auf dem Grundstück von B, damit die                                   A fährt mit einer Ladung Abfall (z. B. Elektroschrott) über die
 Wohnungen seiner (A’s) Überbauung bessere Sicht haben.                                       Grenze. Er hat keine Exportbewilligung. Er wird am Zoll gestoppt.
     STRAFRECHT: B erstattet Strafanzeige gegen Unbekannt                                         VERWALTUNGSRECHT: Das BAFU weist die Abfälle in
 wegen Rodens ohne Berechtigung. Die Polizei ermittelt A                                      die Schweiz zurück und verpflichtet A, sie auf eigene Kosten
 als Schuldigen. A muss eine Busse bezahlen.                                                  umweltgerecht zu entsorgen.
    VERWALTUNGSRECHT: Das kantonale Forstamt hört                                                STRAFRECHT: Die kantonale Staatsanwaltschaft erlässt
 von der Geschichte. Es verfügt, dass A die gerodete                                          einen Strafbefehl wegen illegalem Abfallexport. A muss eine
 Fläche auf eigene Kosten wieder aufforsten muss.                                             Busse bezahlen.

                                                                    UMWELTRECHT
                         Strafbestimmungen                                                             Verhaltensvorschriften
                         (Strafrecht)                            GESETZLICHE BESTIMMUNGEN
                                                                                                          (Verwaltungsrecht)
                                                                      UMWELTRECHT                      Verwaltungsbehörden
                         Strafverfolgungsbehörden
                         (Staatsanwaltschaften,                    ZUSTÄNDIGE BEHÖRDEN
                             StrafbestimmungenPolizei)                                                          (Umweltämter)
                                                                                                          Verhaltensvorschriften
                             (Strafrecht)                          GESETZLICHE BESTIMMUNGEN
                                                                                                               (Verwaltungsrecht)
                         Strafgerichte                              ZUSTÄNDIGE GERICHTE                 Verwaltungsgerichte
                             Strafverfolgungsbehörden                                                     Verwaltungsbehörden
                             (Staatsanwaltschaften,   Polizei)       ZUSTÄNDIGE BEHÖRDEN                           (Umweltämter)
                         Bussen,   Geldstrafen & Freiheits-                                                   Gebote  & Verbote
                         strafen | Weitere Massnahmen                                                 Bewilligungen | Abgaben
                         (z.B.Strafgerichte
                               Einziehung von                          INSTRUMENTE
                                                                      ZUSTÄNDIGE GERICHTE           Subventionen  | Information
                                                                                                            Verwaltungsgerichte
                         Vermögenswerten)
                             Bussen, Geldstrafen & Freiheits-                                                    Gebote & Verbote
                             strafen | Weitere Massnahmen                                                Bewilligungen | Abgaben
                             (z.B. Einziehung von                        INSTRUMENTE
                                                                                                       Subventionen | Information
                             Vermögenswerten)

 KANTONALE STRAFENTSCHEIDE 2013-2016                                                   VERURTEILUNGEN

                                                                                            VERURTEILUNGEN

                                                                                                                        WASSER 39 %

                                                                                                                             ÜBRIGE 6 %
                                                                                                                           WASSER 39 %
                                                                                                                                      WALD 4 %
                                                                                                                                     ÜBRIGE 6 %

                                                                                                                                        WALD 4 %
                                                                                                                                       FISCHEREI & JAGD 13 %
WICHTIGSTE TATBESTÄNDE

   Einbringen von wasserverunreinigenden Stoffen
   in Gewässer und ähnliche Gewässergefährdungen                     29 %                                                                FISCHEREI
                                                                                                                                    ABFÄLLE 38 %   & JAGD 13 %
  WICHTIGSTE  TATBESTÄNDE
   Illegales Verbrennen   von Abfällen                               21 %
   Illegales Ablagern
      Einbringen       | Entsorgen von Abfällen Stoffen
                   von wasserverunreinigenden                        13 %
      in Gewässer und ähnliche Gewässergefährdungen                    29 %                                                           ABFÄLLE 38 %
   Illegales Jagen oder Fischen                                       4%
      Illegales Verbrennen von Abfällen                                21 %
   Wildernlassen von Hunden                                           3%
      Illegales Ablagern | Entsorgen von Abfällen                      13 %
   Übrige                                                            30 %
      Illegales Jagen oder Fischen                                      4%
      Wildernlassen von Hunden                                          3%
      Übrige                                                           30 %

             die umwelt 1 | 18                                                                                                                       Quelle: BAFU
Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
10   DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

        Gewusst?
        Nicht jeder, der gegen Umweltvorschriften verstösst, tut dies mit krimineller Absicht.
        Oft steckt Unwissen dahinter. Ein paar knifflige Fälle aus dem Alltag.

        Die Entsorgung von Gartenmaterialien ist zu-         Auch bei der Beseitigung von Siedlungsabfällen
        weilen juristisch knifflig. Zwar dürfen gemäss       gilt es, dem Wasser Sorge zu tragen:
        Luftreinhalte-Verordnung (LRV) Grünabfälle ver-      Artikel 10 der Gewässerschutzverordnung
        brannt werden, wenn sie so trocken sind, dass        (GSchV) verbietet es, feste und flüssige Abfälle
        dabei wenig Rauch entsteht – allerdings sind hier    mit dem Abwasser zu entsorgen. Altöl gehört also
        auch noch kantonale und kommunale Vorschrif-         keinesfalls in die Kanalisation.
        ten zu beachten.                                     Und für die Entsorgung von Batterien auferlegt
        Grundsätzlich wird empfohlen, Grünabfälle            Anhang 2.15 der ChemRRV den Verbrauchern
        nicht zu verbrennen, sondern zu kompos-              eine Rückgabepflicht und den Herstellern und
        tieren oder als Strukturmaterial zu verwen-          Händlern eine Rücknahmepflicht; die Entsorgung
        den. Die mit einem Witterungsschutz behan-           im Müllsack ist also nicht statthaft.
        delten Zaunpfähle oder andere chemisch be-           Anhang 2 der Freisetzungsverordnung (FrSV)
        handelte Hölzer gelten als Abfälle und dürfen        listet invasive gebietsfremde Tiere und Pflan-
        nicht durch Verbrennung im Freien oder im            zen auf, mit denen grundsätzlich nicht in der
        Cheminée entsorgt werden. Durch die Behand-          Umwelt umgegangen werden darf – darunter bei-
        lung könnten Stoffe ins Holz gelangt sein, die bei   spielsweise die hoch allergene Ambrosiapflanze
        einer Verbrennung zu problematischen Schad-          oder die aus Nordamerika stammende Rotwan-
        stoffemissionen führen.                              gen-Schmuckschildkröte. In der Liste nicht zu
        Wer bei der Gartenpflege gelegentlich zum zu-        finden ist hingegen der Goldfisch.
        gelassenen Unkrautvertilgungsmittel greift,          Daraus darf aber nicht geschlossen werden, es sei
        sollte sich ebenfalls vorsehen. Dieses darf zwar     gestattet, einen solchen im nächsten Waldteich
        auf dem Rasen oder im Blumenbeet angewendet          in die Freiheit zu entlassen. Vielmehr zählt ihn
        werden – nicht aber auf Dächern und Terrassen,       Anhang 2 der Verordnung zum Bundesgesetz
        Lagerplätzen sowie auf und an Strassen, We-          über die Fischerei (BGF) zu denjenigen Fischen,
        gen und Plätzen (Anhang 2.5 der Chemikalien-         deren «Einsatzbereich» sich auf Fischzuchtan-
        Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV).               lagen und kleine künstliche stehende Gewässer
        Es ist also verboten, auf einem mit Platten aus-     ohne Zu- oder Abfluss zu beschränken habe.
        gelegten Sitzplatz den Bewuchs zwischen den          Goldfische, aber auch Kois dürfen demnach nicht
        Fugen mittels Herbizid zu beseitigen, denn es        in Teiche und Seen freigesetzt werden, die mit
        besteht die Gefahr, dass das Mittel beim nächsten    natürlichen Wasserläufen verbunden sind.
        Regenguss in die Kanalisation gespült wird und
        in ein natürliches Fliessgewässer gelangt.

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DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT                                                                                                      11

Die unsachgemässe Ableitung von Bauwasser verursachte                                         Bild: Kantonspolizei St. Gallen
ein lokales Fischsterben. Das Strafmass ist abhängig davon,
ob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt wurde.

Herausforderung, zumal die rechtliche Basis für               Die bisher zusammengestellte Liste umfasst
den Datenaustausch zwischen den Umwelt- und den               ungefähr 1000 Einträge pro Jahr. Auffallend ist:
Strafverfolgungsbehörden eher dünn ist. Ausser-               Der Grossteil der Fälle wird mit Bussen unter 1000
dem wurden bisher nur wenige Daten über Strafent-             Franken sanktioniert. Damit wird das Strafmass
scheide im Umweltbereich erhoben.                             zumeist bei Weitem nicht ausgeschöpft, sieht doch
                                                              etwa das USG Bussen von bis zu 20 000 Franken vor.
Bussen unter 1000 Franken                                     «Umweltdelikte werden oft mild bestraft», bestätigt
                                                              Barbara Nägeli von der BAFU-Abteilung Recht.
Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat für die                 Auch im eingangs erwähnten Gerichtsfall mit den
vergangenen zehn Jahre zwar die in den Strafre-               jagdfreudigen Hunden blieb das Strafmass von
gistern festgehaltenen Verbrechen und Vergehen                250 Franken unter der Maximalgrenze von 600
gegen das Gewässerschutz-, Jagd-, Umweltschutz-,              Franken, die das damals noch gültige eidgenössische
Chemikalien- und Waldgesetz erhoben, nicht aber               Jagdgesetz vorsah. Immerhin setzte der Bundes-
die Übertretungen (siehe Box S. 14). Um einen                 gerichtsentscheid von 1974 einen definitorischen
detaillierteren Einblick in die Umweltkriminalität            Standard: Als «jagen lassen» gilt seither «jede Ver-
und den Strafvollzug zu bekommen, wertet das BAFU             folgung von Jagdwild durch irgendeinen Hund»,
die Strafentscheide der Kantone seit 2013 nach ver-           unabhängig von seiner Rasse. Denn es solle «das
schiedenen Kriterien aus. In dieser Auswertung sind           Wild in seiner Ruhe gegen streunende Hunde
nicht nur die Verurteilungen ersichtlich, sondern             schlechthin geschützt werden, unbekümmert darum,
auch die Einstellungen und Nichtanhandnahmen, die             ob der Hundehalter sein Tier aufs Wildern abgerich-
Tatbestände und die ausgesprochenen Sanktionen.               tet hat oder nicht».

                                                                                 Kontakt
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                                                                                 www.bafu.admin.ch/magazin2018-1-01

                                                                                 Barbara Nägeli
                                                                                 Koordination von Vollzug und Aufsicht | BAFU
                                                                                 barbara.naegeli@bafu.admin.ch

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«Bei einigen Strafbestimmungen sind Anpassungen erforderlich»:                                      Bild: Ephraim Bieri | Ex-Press | BAFU
Florian Wild, Abteilungschef Recht beim BAFU.

            Umweltstrafrecht

            «Entscheidend sind der Wille und das
            Know-how der Strafverfolgenden»
            Genügt das Umweltstrafrecht den heutigen Ansprüchen? Werden Straftaten mit der nötigen Härte verfolgt?
            Wer kann Beschwerde gegen einen Strafentscheid einlegen? Florian Wild, Leiter der Abteilung Recht beim
            BAFU, erklärt die Stärken und Schwächen des Umweltstrafrechts und des Strafvollzugs. Interview: Nicolas Gattlen

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DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT                                                                                       13

Herr Wild, welche Bedeutung kommt dem Straf-           von Schutzgebieten, Boden, Luft und Wasser, die
recht beim Vollzug des Umweltrechts zu? Geht es in     das Leben und die Gesundheit von Menschen ge-
erster Linie um Abschreckung?                          fährden. Müsste die Schweiz hier nachlegen?
Florian Wild: Die präventive Wirkung steht sicher im   Das ist sicher prüfenswert. In der Schweiz sind nur
Vordergrund. Gleichzeitig setzt das Strafrecht wich-   die gemeingefährliche Trinkwasserverschmutzung
tige Rahmenbedingungen für den Vollzug des Um-         und die gefährdende Freisetzung von genetisch
weltrechts. Es unterstützt die Arbeit der Umweltbe-    veränderten oder pathogenen Organismen als Ver-
hörden, indem es klare Regeln setzt. Wer diese miss-   brechenstatbestände im Strafgesetzbuch aufgeführt.
achtet, kann strafrechtlich belangt werden.            Warum sollte die gemeingefährliche Beeinträchti-
                                                       gung des Bodens, der Luft und der Schutzgebiete
Die allermeisten Strafbestimmungen finden sich als     völlig anders bewertet werden? Mit der vom Parla-
Anhängsel in den Umweltgesetzen. Die abschre-          ment gutgeheissenen Motion Barazzone steht nun die
ckende Wirkung, aber auch das Engagement der           Verschärfung eines Straftatbestandes an. Die Motion
Strafverfolger wäre wohl höher, wenn sie im Haupt-     fordert, dass der illegale Handel mit bedrohten Arten
strafrecht, dem Strafgesetzbuch (StGB), unterge-       neu als Verbrechen eingestuft wird.
bracht wären.
Ich denke nicht, dass das Umweltstrafrecht dann bes-
ser angewendet würde. Entscheidend sind der Wille                      «Die präventive Wirkung
und das Know-how der Strafverfolgenden.                                steht sicher im Vordergrund.»
Eine vom BAFU in Auftrag gegebene Studie kommt
zum Schluss, dass die Strafbestimmungen in den         Das Strafgesetzbuch führt als mögliche Sanktion
zehn Umweltgesetzen nicht überall kongruent            auch den Gewinneinzug auf. Wenn beispielsweise
sind. Das Umweltschutzgesetz (USG) etwa ahndet         ein Unternehmen Kosten einspart, indem es Abfälle
Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren,       illegal ablagert, kann ihm der daraus hervorgegan-
während das Bundesgesetz über den Natur- und           gene Gewinn entzogen werden. Nutzen die Strafbe-
Heimatschutz (NHG) bloss eine Freiheitsstrafe          hörden dieses potente Mittel?
von maximal einem Jahr vorsieht. Genügen solche        Ja, es wird zunehmend eingesetzt. Schwieriger anzu-
Sanktionen den aktuellen Ansprüchen?                   wenden ist hingegen das Unternehmensstrafrecht.
Die Umweltgesetzgebung ist über mehrere Jahrzehn-      Dieses wurde nach dem Grossbrand von Schweizer-
te gewachsen. Die Gesetze spiegeln den jeweiligen      halle bei Basel eingeführt und soll die Strafverfolgung
Zeitgeist. Bei einigen Strafbestimmungen, beispiels-   erleichtern, indem nicht mehr nur ein einzelner, oft
weise bei denen im NHG, sind aus unserer Sicht An-     schwierig zu eruierender Täter, sondern eine ganze
passungen erforderlich. Überhaupt setzen wir uns da-   Unternehmung für ein Delikt verantwortlich gemacht
für ein, dass bei Gesetzesrevisionen auch ein Update   und sanktioniert werden kann. Bei Umweltdelik-
der Straftatbestände erfolgt.                          ten muss in der Anklage jedoch bewiesen werden,
                                                       dass die Unternehmung mangelhaft organisiert ist.
Im internationalen Vergleich gibt sich das Schweizer   Nur so lässt sich das Unternehmen mit Bussen von
Umweltstrafrecht eher zahm.                            bis zu 5 Millionen Franken zur Rechenschaft ziehen.
Deutschland, Frankreich und Österreich etwa führen     In anderen Bereichen wie etwa der Geldwäscherei
im Umweltbereich deutlich mehr Verbrechenstat-         ist dieser schwierig zu erbringende Beweis nicht
bestände auf, insbesondere bei Beeinträchtigungen      nötig, es genügt der Vorwurf.

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14          DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

            Eine Erleichterung dürfte der neue Ordnungsbus-          Das BAFU hat begonnen, die mitgeteilten Strafent-
            senkatalog bringen. Der Bundesrat will 23 Tatbe-         scheide der Kantone im Bereich Umwelt auszuwer-
            stände aus dem Umweltbereich in dieses Verfahren         ten (siehe Grafik S. 9). Lassen sich daraus bereits
            aufnehmen. So wird künftig mit einer Busse von 100       erste Schlüsse ziehen?
            Franken bestraft, wer geschützte Pflanzen pflückt        In den letzten Jahren wurden uns jeweils ungefähr
            oder die Leinenpflicht in einem Jagdbanngebiet           1000 Strafentscheide jährlich gemeldet. Der Grossteil
            missachtet. Was versprechen Sie sich davon?              betrifft Übertretungen, die mit Bussen unter 1000
            Weil es bei klaren und einfachen Verstössen im Ord-      Franken geahndet wurden. Die höchste im Auswer-
            nungsbussenverfahren weder eine Anzeige noch eine        tungszeitraum ausgesprochene Busse betrug 5000
            Strafermittlung braucht, können die Fälle rascher und    Franken. Im Durchschnitt liegt die Bussenhöhe
            effizienter abgewickelt werden. Dadurch dürften auch     bei rund 500 Franken, was doch erstaunt, denn der
            mehr Übertretungen sanktioniert werden.                  Strafrahmen lässt beispielsweise im USG bis 20 000
                                                                     Franken zu. Ausserdem stellen wir sowohl bei der
            Sind die BAFU-Mitarbeitenden eigentlich verpflich-       Deliktrate pro Einwohner wie bei der Verurteilungs-
            tet, Anzeige zu erstatten, wenn sie ein Umweltdelikt     rate markante Unterschiede in den Kantonen fest.
            feststellen?                                             In einigen Kantonen werden vergleichsweise viele
            Ja, sie sind verpflichtet, Verbrechens- und Vergehens-   Fälle eingestellt oder gar nicht erst behandelt.
            tatbestände anzuzeigen, die sie während der Arbeit
            feststellen. Auf Übertretungen können sie mit einer
            Anzeige reagieren, müssen aber nicht. Im Übrigen hat
            jede Person das Recht, Anzeige zu erstatten.

     Verbrechen, Vergehen, Übertretung
     Das Strafrecht unterscheidet drei verschiedene Straftaten: Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Da für jedes
     Delikt verschiedene Sanktionen vorgesehen sind, bestimmt die höchstmögliche Strafe eines Deliktes, ob es sich
     um ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Übertretung handelt.

     Straftat              Sanktionen                                                 Beispiele
     Verbrechen →          Höchststrafe     → Freiheitsstrafe über 3 Jahre            → Vorsätzliches Vergiften von
                                                                                        Trinkwasser (Art. 234 StGB)

     Vergehen       →      Höchststrafe    → Freiheitsstrafe bis 3 Jahre              → Unbewilligter Export von Sonder-
                           Weitere Strafen → Geldstrafe, Ersatzfreiheits-               abfällen (Art. 60 Abs. 1 Bst. o USG)
                                             strafe, gemeinnützige Arbeit

     Übertretung →         Höchststrafe    → Busse (z. B. bis CHF 20 000.–            → Pflücken von geschützten
                                             im USG, GSchG, NHG)                        Pflanzen wie Orchideengewächse
                           Weitere Strafen → Ersatzfreiheitsstrafe,                     (Art. 24a NHG, Anhang 2 der
                                             gemeinnützige Arbeit                       Verordnung über den Natur-
                                                                                        und Heimatschutz, NHV)

     Quelle: BAFU

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«Nützlich wäre ein Datenaustausch zwischen Straf- und Fachbehörden.»                                          Bild: Ephraim Bieri | Ex-Press | BAFU

           Das BAFU kann bei der Bundesstaatsanwaltschaft              Wenn die Fachkompetenz der Umweltbehörden in
           Beschwerde gegen Strafentscheide im Bereich des             die strafrechtlichen Verfahren einfliesst, kann dies
           Umweltrechts einreichen. Wie oft greift es zu die-          die Qualität der Rechtsfindung und das Bewusstsein
           sem Mittel?                                                 der Strafverfolgungsbehörden für das Umweltstraf-
           Für das Einreichen der Beschwerde haben wir le-             recht erhöhen.
           diglich 10 Tage Zeit, weshalb wir vornehmlich dort
           intervenieren, wo eine Strafverfolgungsbehörde ver-         In etlichen europäischen Ländern gibt es eigene
           gleichsweise viele Fälle nicht an die Hand nimmt oder       Umweltstaatsanwaltschaften, die über viel Know-
           einstellt. Das war beispielsweise bei nicht geahnde-        how und Erfahrung im Umweltstrafrecht verfügen.
           tem Güllen auf Schnee der Fall. Es ist aber sicher nicht    Wären solche Institutionen auch für die Schweiz
           die Aufgabe des BAFU, jeden Entscheid einer Strafbe-        wünschenswert?
           hörde im Detail zu hinterfragen.                            Das Modell lässt sich kaum auf unser föderales
                                                                       System und die vielen kleinen Kantone übertragen.
           Näher am Geschehen sind die Umweltämter der                 Der Strafvollzug könnte aber verbessert werden,
           Kantone. Können sie ebenfalls Beschwerde gegen              wenn die Strafverfolgenden enger mit den Umwelt-
           Strafentscheide einlegen?                                   ämtern zusammenarbeiteten. Sehr nützlich wären
           Jeder Kanton kann selber festlegen, ob und inwie-           dafür bessere rechtliche Grundlagen für den Daten-
           weit das Umweltamt in einem Strafverfahren mit-             austausch zwischen den Straf- und den Fachbehör-
           wirken kann. In einigen Kantonen wird den Äm-               den. Das BAFU sieht daher primären Handlungsbe-
           tern das volle Parteirecht zugestanden. Sie haben           darf bei der verstärkten Zusammenarbeit zwischen
           unter anderem Akteneinsicht und können gegen                den verschiedenen Beteiligten der Strafverfolgung
           eine Einstellung oder ein aus ihrer Sicht zu gerin-         wie auch bei der Sensibilisierung von Fachleuten und
           ges Strafmass beim Obergericht Berufung einlegen.           der Öffentlichkeit.

                                                                                          Kontakt
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                                                                                          Florian Wild
                                                                                          Abteilungschef Recht | BAFU
                                                                                          florian.wild@bafu.admin.ch

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16        DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

Artenschutz

Jagd auf verbotene Schals
Bis zu 27 000 Franken kostet ein Shahtoosh-Schal, der aus den Wollhaaren der Tibetantilope gefertigt ist.
Die Nachfrage nach diesen Kleidungsstücken brachte die streng geschützte Art an den Rand der Ausrot-
tung. Die Schweiz ist ein Hotspot des illegalen Handels mit Shahtoosh – und eine Vorreiterin bei dessen
Bekämpfung. Text: Hansjakob Baumgartner

          Im Winter sinken die Temperaturen auf minus 40           Händen von spezialisierten Familienbetrieben in
          Grad, und beissende Winde fegen dann zuweilen            der Stadt Srinagar im Kaschmirtal. Abnehmer der
          über das Land. Wer in den Steppen Tibets in Höhen-       Kleidungsstücke waren begüterte Familien, die diese
          lagen zwischen 3700 bis 5500 Metern überleben will,      über Generationen weitervererbten oder der Tochter
          muss sich warm anziehen. Die Tibetantilope – auch        als Mitgift in die Ehe gaben.
          Tschiru genannt – tut das. Sie trägt das wohl bestiso-
          lierende Fell, das die Natur entwickelt hat. Doch was    Schwieriger Kampf gegen die Wilderei
          dem Tier die Existenz in seinem klimatisch extremen
          Lebensraum ermöglicht, wäre ihm Ende des 20. Jahr-       Schon früh wurden die Schals auch exportiert: Napo-
          hunderts beinahe zum Verhängnis geworden. Denn           leon beschenkte damit seine Geliebte Joséphine,
                                                                   die davon sehr angetan war. Wer dies heute tut,
                                                                   macht sich strafbar. Im Übereinkommen über den
Die gesteigerten Gewinnaussichten                                  internationalen Handel mit gefährdeten Tier- und
befeuerten die Wilderei. Deshalb                                   Pflanzenarten (CITES) ist die Tibetantilope seit 1975
                                                                   im Anhang I verzeichnet: Aus- und Einfuhr von Ex-
wurde den Tieren mit Offroadern und                                emplaren dieser Arten – oder Teilen davon – sind
Automatikgewehren nachgestellt.                                    verboten. Auch in China, auf dessen Territorium so
                                                                   gut wie die gesamte Tschiru-Population lebt, ist die
                                                                   Art geschützt. Doch in den entlegenen Gebieten des
          auch den Menschen sind die einzigartigen Qualitäten      tibetischen Hochlands war die chinesische Wild-
          des Tschirufells nicht entgangen. Das Haar ist das       hut im Kampf gegen die Wilderei lange Zeit nahe-
          feinste aller tierischen Haare – und fünfmal feiner      zu chancenlos. Bloss 150 Gramm Rohwolle liefert
          als ein menschliches. Shahtoosh heisst die Wolle, die    eine Antilope. Für einen einzigen Schal müssen des-
          daraus gewonnen wird. Das persische Wort lässt sich      halb 2 bis 5 Tiere erlegt werden. Solange die Nach-
          mit «Königswolle» übersetzen. Ihre Verarbeitung zu       frage nach Königswolle im Rahmen blieb, konnten
          warmen und zugleich hauchzarten Schals hat eine          die Bestände den Aderlass einigermassen verkraften.
          jahrhundertelange Tradition. Tibetische Nomaden          Mitte des 20. Jahrhunderts wurden jährlich nur
          erbeuteten die Tiere und brachten deren Felle auf        20 bis 30 Kilogramm verarbeitet. Die Nachfrage
          dem Rücken von Yaks über die Pässe des Himalayas         stieg jedoch massiv an, als die Königswolle in den
          nach Indien. Die Wolle zu Schals zu verarbeiten ist      1990er-Jahren zum Luxusgut für einen globalisierten
          hohe Handwerkskunst. Sie blieb traditionell in den       Markt mutierte. Die Schönen und Reichen der Welt

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Für einen einzigen Schal müssen 2 bis 5 Tiere erlegt werden.   Bild: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
18   DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

     entdeckten den Shahtoosh-Schal als exquisites Acces-            verschlechtern, wenn es nicht gelinge, den Schutz
     soire und Statussymbol. Um die Nachfrage zu decken,             der Art in ihrem Verbreitungsgebiet aufrechtzuer-
     brauchte es 1997 bereits 3000 Kilogramm Wolle.                  halten und den illegalen Handel mit Shahtoosh zu
     Bis zu 27 000 Franken werden für einen Schal                    unterbinden, mahnt die Weltnaturschutzunion IUCN.
     bezahlt. Entsprechend explodierten die Preise                   Gefordert ist auch die Schweiz. Denn sie ist ein
     für den Rohstoff. Vor 1990 erhielt ein tibetischer              wichtiger Absatzmarkt für diese Textilien: Eine
     Nomade 7,5 bis 9 US-Dollar für ein Tschirufell.                 zahlungskräftige Kundschaft dafür findet sich vor-
     Danach stieg der Erlös auf bis zu 50 Dollar.                    ab in den teuersten Tourismusorten. Regelmässig
                                                                     werden an den Flughäfen und in Boutiquen Schals
     Am Rand der Ausrottung                                          beschlagnahmt. Der vielleicht spektakulärste Fall
                                                                     wurde 2003 publik. Unter dem Ladentisch eines
     Die gesteigerten Gewinnaussichten befeuerten die                St. Moritzer Bijoutiers kamen 38 Shahtoosh-Schals
     Wilderei. Jetzt wurde den Tieren mit Offroadern                 zum Vorschein. Eine Kontrolle der Buchhaltung
     und Automatikgewehren nachgestellt. In der Folge                ergab, dass der Besitzer in den Vorjahren bereits
     sank der Tschirubestand innert Kürze um 80 bis                  500 Shahtoosh-Schals für insgesamt 3 Millionen
     90 Prozent. Die Ausrottung schien bloss noch eine               Franken verkauft hatte. Die noch vorhandenen 38
     Frage der Zeit.                                                 Schals wurden konfisziert, der Täter musste 800 000
     Es kam nicht so weit. Seit der Jahrtausendwende                 Franken Busse bezahlen.
     erholen sich die Bestände. Heute leben gesamt-
     haft wieder rund doppelt so viele Tschirus in                   Aufmerksame Zollbehörden
     Tibet wie Mitte der 1990er-Jahre. Der intensivierte
     Kampf der chinesischen Behörden gegen die Wil-                  Die Umsetzung des CITES-Übereinkommens in der
     derei und die internationalen Bemühungen, den                   Schweiz regelt das 2013 in Kraft getretene Bundes-
     Shahtoosh-Schmuggel einzudämmen, zeigen Erfolg.                 gesetz über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen
     Die Situation könne sich allerdings rasch wieder                geschützter Arten (BGCITES). Vollzugsbehörde ist

     Tibetantilopen sind mit ihren hauchfeinen Fellhaaren gut gerüstet für das Leben in den kalten       Bild: Heinrich Haller
     und windigen Steppen Tibets.

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DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT                                                                                                               19

das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Vete-      Handel mit bedrohten Arten und Erzeugnissen,
rinärwesen (BLV). Es arbeitet eng mit der Polizei       die daraus hergestellt wurden, soll künftig als Ver-
und dem Zoll zusammen. 2015 wurden hierzulande          brechen anstatt – wie bisher – bloss als Vergehen
insgesamt 70 Shahtoosh-Schals konfisziert, 2016         geahndet werden.
waren es 61. «Die Schweiz beschlagnahmt am meis-
ten Shahtoosh-Schals in ganz Europa», berichtet Lisa           «Wir haben viel Know-how bei
Bradbury, die das Dossier «Tibetantilope» im BLV
betreut. Dies habe nicht allein mit der Bedeutung              der Bekämpfung des Shahtoosh-
unseres Landes als Schwarzmarkt für diese Klei-                Schmuggels erworben.»
dungsstücke zu tun. «Unsere Zollbehörden schauen
auch genauer hin und sind für das Problem sensi-               Lisa Bradbury | Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
bilisiert», sagt die Biologin. Shahtoosh zu identifi-
zieren ist nicht leicht. Das BLV hat hierzu spezielle   Hilfreich ist auch, dass der Stoff mittlerweile in
mikroskopische Methoden etabliert. Seit 2013            begüterten Kreisen als anrüchig gilt. Wer etwas
werden die Grenzwächter auch von Hunden unter-          auf sich hält, trägt heute einen Schal aus «Eco-
stützt. Das Grenzwachtkorps hat 5 Schäferhunde          Shahtoosh». Dieser besteht aus artenschützerisch
ausgebildet, die verbotene tierische Produkte wie       unbedenklicher Wolle der Kaschmirziege und genügt
Elfenbein, Reptilienhäute oder Felle erschnüffeln       dank neu entwickelter Spinn- und Webverfahren
können. «Wir haben in den letzten Jahren viel Know-     ebenfalls höchsten Ansprüchen an Feinheit und
how bei der Bekämpfung des Shahtoosh-Schmuggels         Weichheit. Seine Herstellung in Handarbeit ist eine
erworben», sagt Lisa Bradbury. «Diese Erfahrung         Job-Alternative für die Beschäftigten in der illegalen
wollen wir nun weitergeben.» 2016 fand in Lyon          Shahtoosh-Produktion im Kaschmirtal.
(F) unter Federführung von BLV und Interpol ein
Workshop über Methoden zur Identifikation von           Erhaltung der Wanderrouten
Shahtoosh statt. Nebst den Ursprungsländern China
und Indien waren auch mehrere europäische Staaten       Neue Gefahren drohen dem Tschiru andererseits
mit Expertinnen und Experten vertreten.                 von Wanderhindernissen. Nach der Paarungszeit
                                                        ziehen die weiblichen Tschirus jeweils über meh-
Gesetz wird verschärft                                  rere Hundert Kilometer zu den Kalbungsplätzen.
                                                        Dabei stossen sie zunehmend auf unüberwindbare
Für Schmuggler und Schwarzhändler steigt damit          Weidezäune.
das Risiko, erwischt zu werden. Mittelfristig müssen    Im Rahmen des Übereinkommens zur Erhaltung
sie in der Schweiz auch härtere Strafen gewärtigen.     wandernder Tierarten (CMS) unterstützt das BAFU
National- und Ständerat haben 2016 eine Motion          die Zentralasiatische Säugetierinitiative, die be-
überwiesen, die eine Verschärfung des BGCITES           zweckt, die Bewegungsfreiheit der Säugetiere in den
fordert. Der gewerbs- oder gewohnheitsmässige           asiatischen Steppen zu erhalten.

         Kontakt                                                                Kontakt

         Weiterführender Link zum Artikel
         www.bafu.admin.ch/magazin2018-1-03

         Lisa Bradbury
         Bundesamt für Lebensmittelsicherheit                                   Norbert Bärlocher
         und Veterinärwesen | BLV                                               Sektionschef Rio-Konventionen | BAFU
         lisa.bradbury@blv.admin.ch                                             norbert.baerlocher@bafu.admin.ch

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20          DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

Konfiszierte Shahtoosh-Schals: Allein 2016            Bild: Bundesamt für          Shahtoosh zu identifizieren ist nicht              Bild: Bundesamt für
                                                    Lebensmittelsicherheit                                                          Lebensmittelsicherheit
wurden in der Schweiz 61 Schals sichergestellt.        und Veterinärwesen          einfach. Das Bundesamt für Lebens-                  und Veterinärwesen
                                                                                   mittelsicherheit und Veterinärwesen
                                                                                   (BLV) hat dazu spezielle mikroskopi-
                                                                                   sche Methoden etabliert.

Seit 2013 werden die Grenzwächter auch von Artenschutzhunden unterstützt. Im Ausbildungszentrum                            Bild: Peter Klaunzer | KEYSTONE
in Interlaken lernen die Hunde, verbotene tierische Produkte wie Shahtoosh, Elfenbein oder Reptilien-
häute aufzuspüren.

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DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT                                                                                        21

«Shahtoosh darf nie mehr
zu einem Must-have werden»
Heinrich Haller, Direktor des Schweizerischen Nationalparks, über die Wilderei
im chinesischen Hochland und erfolgreiche Gegenmassnahmen. Interview: Hansjakob Baumgartner

Herr Haller, Sie haben 2016 ein Buch über die Wil-       sind solche Schals nach wie vor beliebt, insgesamt ist
derei im Dreiländereck Schweiz-Italien-Österreich        man sich aber mittlerweile der blutigen Hintergrün-
publiziert*. Darin findet sich auch ein Kapitel über     de dieser besonderen Wolle bewusst: Das Tragen von
Shahtoosh, für das Sie in den Jahren 2006 bis 2012       Shahtoosh ist heute anstössig geworden. Zu diesem
während mehrerer Reisen vor Ort recherchierten.          Gesinnungswandel haben auch weibliche Berühmt-
Wie viele Tibetantilopen werden derzeit noch jähr-       heiten wie Michelle Obama und Jennifer Aniston bei-
lich illegal getötet?                                    getragen. Im Übrigen hat in China als Ursprungsland
Heinrich Haller: Das lässt sich kaum beziffern.          der Tschirus das Umweltbewusstsein generell zuge-
Mit Sicherheit sind es weit weniger als die rund         nommen. Das Bestreben, in der Staatengemeinschaft
20 000 Tiere pro Jahr, die kurz vor der Jahrtausend-     auch bezüglich Schutz der Umwelt eine wichtige
wende dem damaligen Shahtoosh-Boom zum Opfer             Rolle zu spielen, ist mit Verpflichtungen verbunden,
fielen. Damals musste die Weltnaturschutzunion die       die auch Tibet einschliessen.
Tibetantilope als «stark gefährdet» einstufen, heute
ist sie noch «potenziell gefährdet». Dies weist darauf   Was braucht es, um die Wilderei weiter
hin, dass die Wilderei den Gesamtbestand der Art         einzudämmen?
nicht mehr beeinflusst.                                  Das bisherige Vorgehen muss konsequent weiter-
Unter Umständen könnte sich dies allerdings rasch        geführt werden. Shahtoosh darf nie mehr zu einem
wieder ändern: Mit entsprechenden Mitteln können         Must-have in gewissen Gesellschaftskreisen werden.
in kurzer Zeit viele Tiere getötet werden, und die       Die Überwachung der Tibetantilopen vor Ort ist auf-
Aufsicht im entlegenen Lebensraum der Tschirus ist       wendig, doch darf man entsprechende Anstreng-
schwierig, lückenhaft und oft marginal.                  ungen vor allem in den dortigen riesigen Schutzge-
                                                         bieten erwarten. Die vorbildlichen Bemühungen der
Die schlimmste Zeit ist aber offenbar vorbei.            Schweizer Behörden, Shahtoosh-Schmuggel zu unter-
Was sind die Gründe für die positive Entwicklung?        binden, sind für den Artenschutz wichtige Signale,
Entscheidend war die eingeschränkte Nachfrage            die international Beachtung finden und hoffentlich
nach Shahtoosh. In gewissen gut betuchten Kreisen        den Standard setzen.

*Heinrich Haller | Wilderei im rätischen Dreiländereck | Grenzüberschreitende Recherchen mit einer
Spurensuche bis nach Tibet | Haupt Verlag | 2016 (seit 2017 auch in italienischer Sprache)

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22         DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT

Grenzüberschreitender Verkehr mit Abfällen

Ein streng überwachtes Geschäft
In der Schweiz ist die Ein- und Ausfuhr von Abfällen strengen Regeln unterworfen. Während das BAFU den
Exporteuren die nötigen Bewilligungen erteilt, kontrolliert der Zoll, ob die Regeln eingehalten werden. «die
umwelt» war bei einem Spezialeinsatz des Zollinspektorats Genève-Routes vor Ort. Text: Cornélia Mühlberger de Preux

          Donnerstag, 24. August 2017, 7.30 Uhr, Zoll von                       Mobiler Scanner im Einsatz
          Bardonnex (GE). Die rund 30 Beamten, die am heu-
          tigen Einsatz beteiligt sind, verteilen sich auf die                  Vor uns stehen drei Lastwagen: Der erste expor-
          verschiedenen Zonen für die Kontrolle der Aus-,                       tiert Bleibatterien, der zweite Bauabfälle, der dritte
          Ein- und Durchfuhr von Abfällen. Zuvor haben sie                      Papier- und Kartonbündel zum Rezyklieren. Alle
          die Anweisungen des Einsatzleiters Stéphane Ulrich                    drei Transporteure haben die formellen Kontrollen
          entgegengenommen. Sie sollen gezielte Kontrollen                      bereits erfolgreich absolviert. Jetzt werden die La-
          durchführen, um verbotene oder ungenau deklarier-                     dungen den Strahlen des mobilen Scanners ausge-
          te Abfälle aufzudecken. Zur Stelle sind Zollbeamte,                   setzt. Dank dieser Spitzentechnologie lassen sich
          Spezialisten der kantonalen Fachstelle für Geologie,                  versteckte Waren entdecken, und zwar nicht nur in
          Boden und Abfall (GESDEC) und zwei BAFU-Mitar-                        der eigentlichen Ladung, sondern auch in Struktu-
          beitende.                                                             ren, Kabinen und Türen. Das System hilft zudem,
                                                                                die Grenzkontrollzeit auf ein Minimum zu beschrän-
                                                                                ken. Im unteren Teil einer mit Bleibatterien geladenen
«Es geht darum, zu gewährleisten,                                               Mulde zeigt der Scanner eine kompakte, schwierig
dass die Abfälle hier in der Schweiz wie                                        zu identifizierende Form an. Die Zöllner beschlies-
                                                                                sen, diese Ladung näher zu untersuchen. Doch es
auch im Ausland umweltverträglich                                               handelt sich um eine korrekt deklarierte Ware.
entsorgt werden.»                                                               Auch bei der zweiten Ladung ist alles in Ordnung.
                                                                                Der Lastwagen mit Papier und Karton hingegen
                              Simonne Rufener | BAFU-Sektion Industrieabfälle   weist ein Sicherheitsproblem auf, das der Scanner
                                                                                zutage gebracht hat: Die Bündel sind überhaupt nicht
          Rund 1000 Lastwagen passieren täglich den Zoll von                    gesichert. Nun muss sich der Chauffeur darum küm-
          Bardonnex. Ein Grossteil davon hat verschiedene                       mern, bevor er weiterfahren kann.
          Handelswaren geladen, darunter Abfälle wie Alt-
          reifen, Aushubmaterial, Metallschrott, elektrische                    Entsorgung muss bekannt sein
          oder elektronische Geräte. «Es gilt zu prüfen, ob die
          Transporteure auch über die nötigen Bewilligungen                     Geregelt wird der Verkehr mit Abfällen zwischen
          verfügen und ob die Ware tatsächlich mit dem über-                    Ländern durch das Basler Übereinkommen über die
          einstimmt, was deklariert wurde», erklärt Stéphane                    Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung
          Ulrich, Chef der Einsatzzentrale der Zollinspektion                   gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung und
          Genève-Routes.                                                        durch einen OECD-Ratsbeschluss sowie durch das

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