Tatort Umwelt - Natürliche Ressourcen in der Schweiz - Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht - Bundesamt für Umwelt
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1 | 2018 Natürliche Ressourcen in der Schweiz Tatort Umwelt Wie die Polizei ermittelt, und wo es schärfere Gesetze braucht
2 EDITORIAL Kein Kavaliersdelikt Beim Thema Umweltkriminalität denkt kaum jemand an die Schweiz. Man verortet sie vielmehr in fernen Ländern, wo Wälder illegal abgeholzt, geschützte Tiere eingefangen oder Elektrogeräte illegal entsorgt werden. Schwache Staatsstrukturen, geringe Strafen und knapp dotierte Strafverfolgungsbehörden ermöglichen dort ein hochprofitables Geschäft mit geringem Risiko. Bis zu 258 Milliarden US-Dollar pro Jahr werden gemäss Schätzungen in diesem Bereich umgesetzt. Aber auch die Schweiz ist in die internationale Umweltkriminalität verwickelt, beispielsweise als Importeurin von verbotenen Tier- und Pflanzenprodukten und illegal geschlagenem Holz. Oder als Transit- und Ursprungsland von Abfalltourismus und illegaler Abfallentsorgung. Hinzu kommen zahlreiche «Inland-Delikte». Dem BAFU werden jedes Jahr rund 900 Verurteilungen wegen Umweltstraftaten gemeldet. Oft stecken handfeste finanzielle Interessen dahinter, beispielsweise wenn ein Unternehmen die Kosten für die korrekte Bild: Janosch Hugi | BAFU Abfallentsorgung oder Abwasserreinigung einsparen will. In den meisten Fällen handeln die Täter jedoch nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig. Sie bedenken die Folgen ihrer Hand- lung nicht, obschon sie zur Vorsicht verpflichtet sind – oder sie nehmen keine Rücksicht darauf. Verstösse gegen die Umweltgesetze gelten in Teilen der Gesellschaft immer noch als Kavaliersdelikt. Die daraus resultierenden Schäden an der Umwelt werden ignoriert oder heruntergespielt, die Bussen in Kauf genommen. Müssten also die Strafen härter ausfallen? Das BAFU liess in einer Studie die strafrechtli- chen Sanktionsmöglichkeiten in den Umweltgesetzen überprüfen und kam zum Schluss, dass die Strafrahmen – mit wenigen Ausnahmen – hoch genug sind. Gleichzeitig stellt das BAFU fest, dass die Staatsanwaltschaften und Gerichte diese Rahmen in ihren Strafanträ- gen und -entscheiden nur selten ausschöpfen. Beim Vollzug des Umweltstrafrechts sind viele Akteure beteiligt: die Polizei, der Zoll, das BAFU, das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), die kantonalen Umweltbehörden, Gemeindebehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Wenn eines dieser Räder nicht ins nächste greift, gerät der Vollzug ins Stocken. Das BAFU setzt sich deshalb dafür ein, dass die Koordination zwischen den Akteuren verbessert und die Sensibilität für die Umwelt sowohl bei den Behörden wie in der Bevölkerung geschärft wird. Christine Hofmann | Vizedirektorin BAFU die umwelt 1 | 18
INHALTSVERZEICHNIS 3 Dossier 360° UMWELTKRIMINALITÄT 8 Scharfe Gesetze, milde Strafen 44 Landschaft Wo die Schweiz am schönsten ist 12 Was taugt das Schweizer Umweltstrafrecht? 48 Landschaft Vögel: Kampf gegen tödliche Stromfallen 16 Jagd auf verbotene Schals 52 Lärm 22 Genf: illegalem Abfall auf der Spur Güterzüge: leiser, leichter, effizienter 26 St. Gallen: Anwälte der Umwelt 56 International Wie die Schweiz das Quecksilber- 28 Bern: die «Umweltpolizisten» Abkommen prägt 32 Zürich: Wie der Staatsanwalt ermittelt 59 Naturgefahren Damit die Dämme nicht brechen 36 Tatort Regenwald RENDEZ-VOUS 4 Tipps 6 Bildung 7 Unterwegs 40 Vor Ort 42 International 43 Recht 62 Aus dem BAFU 63 Meine Natur 64 Vorschau GRATIS ABONNIEREN FACEBOOK-FANPAGE www.bafu.admin.ch/ facebook.com/UmweltMag leserservice TITELBILD KONTAKT Umweltpolizistin der magazin@bafu.admin.ch Kantonspolizei Bern nimmt Verendeter Fisch im Mülibach (SG): Bild: Kantonspolizei St. Gallen eine Wasserprobe. Von einer Baustelle war verschmutztes IM INTERNET Wasser in den Bach geraten. www.bafu.admin.ch/ Bertschinger | Ex-Press | BAFU magazin die umwelt 1 | 18
4 360° RENDEZ-VOUS Tipps Welche Farbe hat dein Pelz? Unsere einheimischen Eichhörnchen kommen in unterschiedlichen Farbtypen vor. Das Fell auf der Oberseite variiert von Fuchsrot bis fast Schwarz, die Unterseite bleibt dabei immer Weiss. Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Fellfarbe und der Höhenlage. Um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, wo es welche Farb- variationen in der Schweiz gibt, ruft «Wilde Nachbarn» dazu auf, alle Beobachtungen von Eichhörnchen inklusive Fellfarbe zu melden. Die Informationen fliessen in den neuen Säugetieratlas der Schweiz und Liechtensteins ein, welcher zurzeit von der Schweizerischen Ge- sellschaft für Wildtierbiologie (SGW) erarbeitet wird. säugetieratlas.wildenachbarn.ch Bild: Cornelia Hürzeler Gletscher beobachten «Eat Smart» Die Pflanzenfreunde Der World Glacier Monito- Profi- und Hobbyköche, Zu welchem Baum gehört ring Service (WGMS) am die sich bei der App «Eat dieses Laub? Sind diese Geografischen Institut Smart» registriert haben, Beeren giftig? Oder: Was der Universität Zürich präsentieren ihr selbst blüht da Schönes auf der erfasst die Daten von 8766 Gletschern kreiertes Menü per Foto und legen Wiese? Mit der App «Andy Green» auf der ganzen der Welt und wertet fest, wie viele Portionen verfügbar lassen sich Fragen und Fotos in die sie aus. Diese Daten sind über die App sind und was sie kosten. Registrier- «Green Community» hochladen, wo «wgms Glacier» zugänglich. Nun gibt te Kunden können via App suchen, andere Pflanzenfreunde sowie Profis es davon eine erweiterte Version: Sie welche Gerichte in ihrer Nähe gerade darauf antworten können. bietet nebst Satellitenbildern und angeboten werden. Bei einem Volltref- Daneben bietet die App ein Pflanzen- Kennzahlen der Gletscher auch einen fer gibt der Kunde seine Bestellung lexikon, mit dem sich die Pflanzenar- Überblick über deren Veränderungen. ein und bezahlt per Kreditkarte. ten anhand verschiedener Merkmale Ferner sind Infos zu Naturgefahren Zum festgelegten Zeitpunkt kann er (Verwendung, Standort, Blüte, Blatt, (z. B. Seeausbrüche) abrufbar. Ausser- oder sie das bestellte Gericht beim Fruchtform u.a.) bestimmen lassen. dem können eigene Fotos eingereicht Koch abholen. Auch lernen kann man sie mit der App. werden. Gratis, für Android und iPhone Gratis, für Android und iPhone CHF 10.–, für Android und iPhone www.wgms.ch/glacierapp www.eatsmart.community www.andygreen.com Naturkrimis Der Maulwurf entführt Regenwürmer in seine Vorratskammer und lähmt sie mit einem gezielten Biss in den Kopf. Die Regenwürmer sind dann Teil seines Vorrats. Im Paarungsgetümmel klam- mern sich viele Erdkrötenmännchen an ein Weibchen und ertränken es schon mal. Tiere können ziemlich unzimperlich vorgehen: Insgesamt 60 haarsträubende Fälle aus der heimischen Tierwelt werden im Buch «Tatort Natur» mit einem Augenzwinkern erzählt. Hinter- grundwissen, Quizfragen, Experimente und Detektivaufgaben machen aus dem Buch eine Bild: Haupt Verlag spannende Lektüre für Kinder ab 7 Jahren. «Tatort Natur: Betrug, Mord & Täuschung im Tierreich – und was dahintersteckt» Haupt Verlag, 128 Seiten, durchgehend farbige Abbildungen, CHF 29.90, ISBN: 978-3-258-07912-7 die umwelt 1 | 18
360° RENDEZ-VOUS 5 Anleitung zum Moore verstehen Auf dem Velo lernen Naturschutz In die Pedale treten, durch schöne Auf dem Firmengelände Wildbienen Landschaften fahren und dabei erst fördern? Mehr über Pilze, Flechten und noch etwas über die Natur lernen; Moose erfahren? Informationen und möglich macht das der Verein Um- praxisbezogene Tipps zur Umsetzung weltvelowege, indem er offizielle Velo- von Naturschutzprojekten bietet die routen mit Erlebnisstationen zum neue Plattform Naturförderung des Bild: zVg Thema Umwelt aufwertet. Familien, Vereins biodivers. Hier können auch Genussradler, Vereine, Firmen und eigene Projekte vorgestellt werden. Schulen können sich so unterwegs praktisches Umweltwissen aneignen. www.biodivers.ch Die Routen befinden sich zwischen Zürich, St. Gallen und Chur. Es werden auch Gruppenführungen angeboten. So geht der Pedibus www.abfall.zh.ch > Formulare & Merkblätter +41 43 259 32 46 Gemeinsam mit einer erwachsenen Begleitperson per Pedibus, also zu Fuss, in die Schule gehen, anstatt mit dem Auto chauffiert zu werden: Was Bild: Sörenberg-Tourismus in der Romandie schon ziemlich ver- Natur-TV breitet ist, ist in der Deutschschweiz Das Entlebuch ist das Haupttal der noch eher selten. Eigentlich schade, Kleinen Emme zwischen Bern und denn der Pedibus ist eine einfache und Luzern. Dort liegt die UNESCO Bio- umweltbewusste Lösung, den Schul- sphäre Entlebuch. Auf einer Fläche weg von jüngeren Kindern sicher zu von rund 400 Quadratkilometern be- gestalten. herbergt sie ganz oder teilweise 44 www.pedibus.ch Hoch- und 61 Flachmoore. www.schulwege.ch Vier Moorlandschaften sind dabei national geschützt, ein Moor, das Laubersmad, steht im Rahmen der in- Bild: Cornelia Hürzeler ternationalen Ramsar-Konvention auf der Liste der bedeutendsten Feucht- Seine Bilder zeigen gebiete der Welt. Oberhalb von Sö- renberg (LU) befindet sich das Moora- Das Naturhistorische Museum Basel culum, ein Wassererlebnispark für zeigt im Rahmen des Wettbewerbs Familien, der spielerisch Hintergrund- «Wildlife Photographer of the Year» wissen zum Thema Moorlandschaf- Wer sich einen Film anschauen will, noch bis zum 3. Juni 2018 die besten ten vermittelt und in dem Gross und kauft sich ein Ticket fürs Kino. Naturfotografien des Jahres 2017. Klein für einen sorgsamen Umgang Immer mehr Menschen leisten sich Gleichzeitig können Amateurfoto- mit der Natur sensibilisiert werden heutzutage allerdings ein Abo für einen grafen und -fotografinnen bis zum sollen. Der Park befindet sich auf der Pay-TV-Kanal. Für «tschiep tv» 30. März ihre Fotos beim Wettbewerb Rossweid und ist nach einem knapp braucht es keinen Strom und kein Abo. «Schnappschuss» einreichen. In drei einstündigen Aufstieg ab Sörenberg Unterhaltung ist trotzdem garantiert: Kategorien werden die drei besten erreichbar. Wer abkürzen möchte, einfach am Fenster befestigen, Futter Naturbilder prämiert, die ab Mitte Mai nimmt die Luftseilbahn. streuen – und schon spielt sich bestes in einer kleinen Ausstellung im Muse- Naturkino ab. um zu sehen sind. www.soerenberg.ch CHF 49.– www.nmbs.ch Freizeit-Erlebnisse > Wasser > Mooraculum www.mth-moebelbau.ch > Info&Angebote > Schnappschuss > Eigenprodukte > tschiep tv die umwelt 1 | 18
6 360° RENDEZ-VOUS Bildung A discrétion Das Institut für Wissen, Energie und Rohstoffe in Zug (Werz) bietet acht dreitägige, einzeln besuchbare Wei- terbildungsmodule in Energie und Ressourceneffizienz an. Dazu ge- hören «Ökobilanzierung verstehen und anwenden» oder «Geschäfts- modelle und Industrie 4.0». Info und Anmeldung: www.werz.hsr.ch Bild: Franca Pedrazzetti Die Schweiz forscht Den Wald erklären Citizen Science, also die «Bürger- Vielen Menschen fehlt heute ein direkter Bezug zum Wald und damit auch das Ver- Wissenschaft», wird heute als Sam- ständnis, warum forstliche Eingriffe nötig und nützlich sind. Forstliche Waldpädagogik melbegriff für Projekte verwendet, kann ihnen den Wald mithilfe von Erlebnissen wieder näherbringen und damit auch das in denen Freiwillige an wissenschaft- Verständnis für Forstarbeiten und die gesamte Forstbranche stärken. Im Zertifikats- lichen Untersuchungen beteiligt lehrgang «Forstliche Waldpädagogik» lernen die Teilnehmenden, wie solche waldpä- sind. Das Phänomen ist sehr alt: dagogischen Anlässe geplant und umgesetzt werden. Sie erwerben auch Kompetenzen Forschung gab es bereits lange vor im Projektmanagement und erfahren, wie sie forstliche Waldpädagogik in ihrer Region der Entstehung von Universitäten, wie fördern können. Die Weiterbildung richtet sich an Interessierte mit forstlicher Ausbildung wir sie kennen. Als im Mittelalter die (u. a. Forstwarte, Försterinnen, Personen mit Bachelor in Forstwirtschaft oder mit ersten europäischen Universitäten Master in Umweltnaturwissenschaften). Der Lehrgang besteht aus 2 Kursen à 3 Tagen gegründet wurden, gab es schon und einem Zertifikatskurs à 2 Tagen. Hinzu kommen selbstständige Arbeiten. hochschulunabhängige Expeditionen und Entdecker. Citizen Science ist also Nächster Kurs: 5./6. April, 6. Juli 2018 in Lyss (BE), sozusagen die Urform der Forschung, Kosten (ganzer Kurs) CHF 2400.–, Module können auch einzeln besucht werden, deren Wiederentdeckung und Aner- Info und Anmeldung: www.silviva.ch/forst, christian.stocker@silviva.ch kennung sich das Citizen Science Netzwerk Schweiz auf die Fahne ge- schrieben hat. Die Geschäftsstelle dieses Netzwerks ist die Stiftung Evolution für Anfänger Die Technikdamen Science et Cité, die im Juni 2018 die Eine Galápagos-Riesenschildkröte Kinder, Jugendliche und Erwachsene zweite internationale Konferenz zum führt durch das Sachbilderbuch können ab 1. März 2018 in einer Online- Thema in Genf organisiert. Sie richtet «Tortuga erforscht die Evolution». Challenge erleben, wie spannend sich an Anbieter von Citizen-Science- Sie erklärt Kindern, wie es zur Viel- Technik ist. Die Fragen drehen sich um Projekten, von denen viele auch län- falt der Pflanzen und Tiere gekom- die Auswirkungen von Technik auf die derübergreifend angelegt sind, und men ist. Sie lernen, dass eine Libelle, Umwelt und um ökologisches Verhal- bietet ihnen eine Plattform für Aus- die zufällig schärfere Augen hat als ten. Das von der Schweizerischen tausch und Weiterbildung. ihre Geschwister, bessere Überle- Akademie der Technischen Wissen- Zudem sollen auch interessierte Lai- benschancen hat – und mehr schaften (SATW) initiierte Programm en angesprochen werden. Teil des Nachkommen mit der gleichen Ei- will insbesondere junge Frauen zur öffentlichen Programms ist eine For- genschaft zeugt. Das Buch richtet Teilnahme ermuntern, da diese sich schungsexpedition, bei der Kinder sich an Kinder zwischen 4 und 8 technische Berufe oft nicht zutrauen. und Erwachsene – begleitet von For- Jahren. Die besten Mädchen der Jahrgänge schenden – so viele unterschiedliche 2002 bis 2005 werden in ein einjähri- Tier- und Pflanzenarten wie möglich ges Förderprogramm aufgenommen. entdecken sollen. Susanne Leumann, Eigenverlag, 2017, 48 Seiten, erhältlich im Zoologischen Museum Zürich, CHF 34.90, oder unter www.schweiz-forscht.ch www.lernmedien-shop.ch, CHF 39.90 www.tecladies.ch www.ecsa-conference.eu die umwelt 1 | 18
360° RENDEZ-VOUS 7 Unterwegs Die Chemins de fer du Jura verbinden die Ebene des Haupttals von Glovelier (JU) mit den Freibergen. Bild: Beat Jordi Entlang der roten Schmalspurbahn Die rund 14 Kilometer lange Wanderung von mühlen betrieben. Mittlerweile hat man diese Nutzun- Pré-Petitjean nach Glovelier ist ein Streifzug gen aufgegeben, und die Weiher beherbergen nun eine durch üppige Biodiversität. Text: Beat Jordi vielfältige Biodiversität. Die Jura-Wanderung beginnt beim kleinen Bahnhof Frösche, Enten, Libellen Pré-Petitjean der Schmalspurbahn Chemins de fer du Jura (CJ). Der rote Zug verbindet die Ebene des Haupttals So blühen in der feuchten Combe Tabeillon im Frühling von Glovelier (JU) mit der Weite der Freiberge. unzählige Märzenglöckchen, und die Teiche in der Zwischen Mai und Spätherbst grasen hier die regional Umgebung des gleichnamigen Bauernhofs und Restau- gezüchteten Pferde in Halbfreiheit auf den Matten und rants sind im Inventar der Amphibienlaichgebiete von ortstypischen Wytweiden – oft im Herdenverbund mit nationaler Bedeutung des BAFU aufgelistet. Hier leben Kühen. Der Anstieg durch die gut 10 Kilometer lange grosse Populationen von roten Fröschen, Erdkröten und Tabeillon-Schlucht mit ihren Kalksteinformationen Bergmolchen, aber auch Enten, Taucher und Libellen. ist so steil, dass die Bahn den Höhenunterschied von Je nach Frühlingsmilde ist der Etang de Bollement ent- 400 Metern auf engem Raum nur mit einer Spitzkehre weder noch gefroren, zugeschneit, oder auf trockenem überwinden kann. Durch das ausgedehnte und sich Laub lässt die wärmende Sonne den ersten Froschlaich dann zunehmend verengende bewaldete Tal führen reifen, der wiederum erste Reiher anlockt. lediglich ein Wanderweg und das Trassee der CJ-Züge. Der im Frühjahr manchmal noch vereiste Pfad in der Anfänglich säumen riedbestandene, versumpfte Wei- Schlucht führt uns Richtung Glovelier über einen schat- her die Strecke und zeugen von der Nutzbarmachung tig–feuchten Talboden. Hie und da begleiten mächtige des spärlichen Wassers. In Plain de Saigne, einem Felstürme den Weg, geben den Blick auf einzelne Höfe Naturparadies inmitten von Erikastauden, rund um das am Hang frei und ermöglichen Eindrücke der frühen heutige Restaurant de la Combe und schliesslich beim Eisenbahn-Baukunst, als die Ingenieure nur über einfa- Moorweiher Bollement wurden einst Säge- und Getreide- che technische Hilfsmittel verfügten. Info und Höhenprofil: www.juratourisme.ch > Aktiv > Wanderland > Die Combe Tabeillon www.aubergedelagare.ch | www.combetabeillon.ch die umwelt 1 | 18
8 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT Umweltdelikte in der Schweiz Scharfe Gesetze, milde Strafen Um die Umwelt besser zu schützen, wurden im Umweltrecht auch Strafbestimmungen erlassen. Die Auswertung der kantonalen Strafentscheide aus den Jahren 2013 bis 2016 durch das BAFU zeigt, dass Umweltdelikte in der Schweiz kein Nischenphänomen sind und dass das Strafmass in den aller- meisten Fällen bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Text: Lucienne Rey Mitunter kam das Gericht nicht umhin, das Gebiet Wachsende Umweltgesetzgebung der Jurisprudenz zu verlassen und in jenes der Verhaltensforschung vorzudringen. Nur so war die Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich die Frage zu beantworten, ob ein Appenzeller Sennen- Umweltgesetzgebung und die mit ihr verbundenen hund und ein Labradormischling tatsächlich Wild strafrechtlichen Sanktionen stetig erweitert. gejagt hatten oder ob sie nicht, wie die Verteidigung Das 1967 in Kraft getretene Bundesgesetz über den argumentierte, vielmehr «höchstens spielerisch oder Natur- und Heimatschutz (NHG) wie auch das Bun- in Verfolgung eines Hirteninstinkts kurze Zeit desgesetz über den Umweltschutz (USG) von 1983 einem Wildtier nachgesetzt» haben. bezeugen die wachsende Sensibilität für ökologische Zusammenhänge. Ergänzend gelten weitere juris- Bei der Beurteilung von Umwelt- tische Regelwerke wie das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG), das Bundesgesetz über delikten ist Expertenwissen den Wald (WaG) oder das CO2-Gesetz als Umwelt- gefragt – und zwar im Straf- wie auch erlasse. Dazu kommen Gesetze, die auf den ersten Blick wenig mit der Umwelt verbindet, die aber die- im Umweltrecht. selben Rechtsgüter schützen wie das Umweltrecht. Dazu zählt etwa das Chemikaliengesetz (ChemG): Bereits das erste eidgenössische Jagdgesetz von 1875 Dieses soll nach Artikel 1 zwar «das Leben und die enthielt Strafbestimmungen für verschiedene Arten Gesundheit des Menschen» schützen, es bewahrt da- von Jagdfrevel. Es befand allerdings auch, die Kan- mit aber auch die Umwelt vor toxischen Substanzen. tone seien befugt, «angemessene Prämien zu ver- Wenn es also darum geht, Umweltdelikte zu beur- abfolgen» für die Erlegung «besonders schädlicher teilen, ist Expertenwissen gefragt – und zwar im Thiere», darunter insbesondere «grosse Raubthiere», Straf- wie auch im Umweltrecht. Allerdings verfü- aber auch Wildschweine, Adler, Sperber und der- gen die beteiligten Behörden selten über fundiertes gleichen. Das zeigt: Bestimmungen zum Schutz von Wissen in beiden Bereichen. Die Strafverfolger sind Tieren, Pflanzen und anderen natürlichen Ressour- Strafrechtsspezialisten, und die Umweltbehörden cen wurden lange Zeit vornehmlich dann erlassen, kennen sich vornehmlich im Verwaltungsrecht wenn menschliche Interessen auf dem Spiel standen. aus, das sie zu vollziehen haben (siehe Grafik auf Und die Strafen bemassen sich in erster Linie am S. 9). Diese Aufgabenteilung ist vom Gesetzgeber so Schaden, den die Gesellschaft erwartete. gewollt, sie erweist sich beim Vollzug aber als grosse die umwelt 1 | 18
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT 9 DAS NEBENEINANDER VON STRAF- & VERWALTUNGSRECHT A rodet ein Stück Wald auf dem Grundstück von B, damit die A fährt mit einer Ladung Abfall (z. B. Elektroschrott) über die Wohnungen seiner (A’s) Überbauung bessere Sicht haben. Grenze. Er hat keine Exportbewilligung. Er wird am Zoll gestoppt. STRAFRECHT: B erstattet Strafanzeige gegen Unbekannt VERWALTUNGSRECHT: Das BAFU weist die Abfälle in wegen Rodens ohne Berechtigung. Die Polizei ermittelt A die Schweiz zurück und verpflichtet A, sie auf eigene Kosten als Schuldigen. A muss eine Busse bezahlen. umweltgerecht zu entsorgen. VERWALTUNGSRECHT: Das kantonale Forstamt hört STRAFRECHT: Die kantonale Staatsanwaltschaft erlässt von der Geschichte. Es verfügt, dass A die gerodete einen Strafbefehl wegen illegalem Abfallexport. A muss eine Fläche auf eigene Kosten wieder aufforsten muss. Busse bezahlen. UMWELTRECHT Strafbestimmungen Verhaltensvorschriften (Strafrecht) GESETZLICHE BESTIMMUNGEN (Verwaltungsrecht) UMWELTRECHT Verwaltungsbehörden Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften, ZUSTÄNDIGE BEHÖRDEN StrafbestimmungenPolizei) (Umweltämter) Verhaltensvorschriften (Strafrecht) GESETZLICHE BESTIMMUNGEN (Verwaltungsrecht) Strafgerichte ZUSTÄNDIGE GERICHTE Verwaltungsgerichte Strafverfolgungsbehörden Verwaltungsbehörden (Staatsanwaltschaften, Polizei) ZUSTÄNDIGE BEHÖRDEN (Umweltämter) Bussen, Geldstrafen & Freiheits- Gebote & Verbote strafen | Weitere Massnahmen Bewilligungen | Abgaben (z.B.Strafgerichte Einziehung von INSTRUMENTE ZUSTÄNDIGE GERICHTE Subventionen | Information Verwaltungsgerichte Vermögenswerten) Bussen, Geldstrafen & Freiheits- Gebote & Verbote strafen | Weitere Massnahmen Bewilligungen | Abgaben (z.B. Einziehung von INSTRUMENTE Subventionen | Information Vermögenswerten) KANTONALE STRAFENTSCHEIDE 2013-2016 VERURTEILUNGEN VERURTEILUNGEN WASSER 39 % ÜBRIGE 6 % WASSER 39 % WALD 4 % ÜBRIGE 6 % WALD 4 % FISCHEREI & JAGD 13 % WICHTIGSTE TATBESTÄNDE Einbringen von wasserverunreinigenden Stoffen in Gewässer und ähnliche Gewässergefährdungen 29 % FISCHEREI ABFÄLLE 38 % & JAGD 13 % WICHTIGSTE TATBESTÄNDE Illegales Verbrennen von Abfällen 21 % Illegales Ablagern Einbringen | Entsorgen von Abfällen Stoffen von wasserverunreinigenden 13 % in Gewässer und ähnliche Gewässergefährdungen 29 % ABFÄLLE 38 % Illegales Jagen oder Fischen 4% Illegales Verbrennen von Abfällen 21 % Wildernlassen von Hunden 3% Illegales Ablagern | Entsorgen von Abfällen 13 % Übrige 30 % Illegales Jagen oder Fischen 4% Wildernlassen von Hunden 3% Übrige 30 % die umwelt 1 | 18 Quelle: BAFU
10 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT Gewusst? Nicht jeder, der gegen Umweltvorschriften verstösst, tut dies mit krimineller Absicht. Oft steckt Unwissen dahinter. Ein paar knifflige Fälle aus dem Alltag. Die Entsorgung von Gartenmaterialien ist zu- Auch bei der Beseitigung von Siedlungsabfällen weilen juristisch knifflig. Zwar dürfen gemäss gilt es, dem Wasser Sorge zu tragen: Luftreinhalte-Verordnung (LRV) Grünabfälle ver- Artikel 10 der Gewässerschutzverordnung brannt werden, wenn sie so trocken sind, dass (GSchV) verbietet es, feste und flüssige Abfälle dabei wenig Rauch entsteht – allerdings sind hier mit dem Abwasser zu entsorgen. Altöl gehört also auch noch kantonale und kommunale Vorschrif- keinesfalls in die Kanalisation. ten zu beachten. Und für die Entsorgung von Batterien auferlegt Grundsätzlich wird empfohlen, Grünabfälle Anhang 2.15 der ChemRRV den Verbrauchern nicht zu verbrennen, sondern zu kompos- eine Rückgabepflicht und den Herstellern und tieren oder als Strukturmaterial zu verwen- Händlern eine Rücknahmepflicht; die Entsorgung den. Die mit einem Witterungsschutz behan- im Müllsack ist also nicht statthaft. delten Zaunpfähle oder andere chemisch be- Anhang 2 der Freisetzungsverordnung (FrSV) handelte Hölzer gelten als Abfälle und dürfen listet invasive gebietsfremde Tiere und Pflan- nicht durch Verbrennung im Freien oder im zen auf, mit denen grundsätzlich nicht in der Cheminée entsorgt werden. Durch die Behand- Umwelt umgegangen werden darf – darunter bei- lung könnten Stoffe ins Holz gelangt sein, die bei spielsweise die hoch allergene Ambrosiapflanze einer Verbrennung zu problematischen Schad- oder die aus Nordamerika stammende Rotwan- stoffemissionen führen. gen-Schmuckschildkröte. In der Liste nicht zu Wer bei der Gartenpflege gelegentlich zum zu- finden ist hingegen der Goldfisch. gelassenen Unkrautvertilgungsmittel greift, Daraus darf aber nicht geschlossen werden, es sei sollte sich ebenfalls vorsehen. Dieses darf zwar gestattet, einen solchen im nächsten Waldteich auf dem Rasen oder im Blumenbeet angewendet in die Freiheit zu entlassen. Vielmehr zählt ihn werden – nicht aber auf Dächern und Terrassen, Anhang 2 der Verordnung zum Bundesgesetz Lagerplätzen sowie auf und an Strassen, We- über die Fischerei (BGF) zu denjenigen Fischen, gen und Plätzen (Anhang 2.5 der Chemikalien- deren «Einsatzbereich» sich auf Fischzuchtan- Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV). lagen und kleine künstliche stehende Gewässer Es ist also verboten, auf einem mit Platten aus- ohne Zu- oder Abfluss zu beschränken habe. gelegten Sitzplatz den Bewuchs zwischen den Goldfische, aber auch Kois dürfen demnach nicht Fugen mittels Herbizid zu beseitigen, denn es in Teiche und Seen freigesetzt werden, die mit besteht die Gefahr, dass das Mittel beim nächsten natürlichen Wasserläufen verbunden sind. Regenguss in die Kanalisation gespült wird und in ein natürliches Fliessgewässer gelangt. die umwelt 1 | 18
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT 11 Die unsachgemässe Ableitung von Bauwasser verursachte Bild: Kantonspolizei St. Gallen ein lokales Fischsterben. Das Strafmass ist abhängig davon, ob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt wurde. Herausforderung, zumal die rechtliche Basis für Die bisher zusammengestellte Liste umfasst den Datenaustausch zwischen den Umwelt- und den ungefähr 1000 Einträge pro Jahr. Auffallend ist: Strafverfolgungsbehörden eher dünn ist. Ausser- Der Grossteil der Fälle wird mit Bussen unter 1000 dem wurden bisher nur wenige Daten über Strafent- Franken sanktioniert. Damit wird das Strafmass scheide im Umweltbereich erhoben. zumeist bei Weitem nicht ausgeschöpft, sieht doch etwa das USG Bussen von bis zu 20 000 Franken vor. Bussen unter 1000 Franken «Umweltdelikte werden oft mild bestraft», bestätigt Barbara Nägeli von der BAFU-Abteilung Recht. Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat für die Auch im eingangs erwähnten Gerichtsfall mit den vergangenen zehn Jahre zwar die in den Strafre- jagdfreudigen Hunden blieb das Strafmass von gistern festgehaltenen Verbrechen und Vergehen 250 Franken unter der Maximalgrenze von 600 gegen das Gewässerschutz-, Jagd-, Umweltschutz-, Franken, die das damals noch gültige eidgenössische Chemikalien- und Waldgesetz erhoben, nicht aber Jagdgesetz vorsah. Immerhin setzte der Bundes- die Übertretungen (siehe Box S. 14). Um einen gerichtsentscheid von 1974 einen definitorischen detaillierteren Einblick in die Umweltkriminalität Standard: Als «jagen lassen» gilt seither «jede Ver- und den Strafvollzug zu bekommen, wertet das BAFU folgung von Jagdwild durch irgendeinen Hund», die Strafentscheide der Kantone seit 2013 nach ver- unabhängig von seiner Rasse. Denn es solle «das schiedenen Kriterien aus. In dieser Auswertung sind Wild in seiner Ruhe gegen streunende Hunde nicht nur die Verurteilungen ersichtlich, sondern schlechthin geschützt werden, unbekümmert darum, auch die Einstellungen und Nichtanhandnahmen, die ob der Hundehalter sein Tier aufs Wildern abgerich- Tatbestände und die ausgesprochenen Sanktionen. tet hat oder nicht». Kontakt Weiterführender Link zum Artikel www.bafu.admin.ch/magazin2018-1-01 Barbara Nägeli Koordination von Vollzug und Aufsicht | BAFU barbara.naegeli@bafu.admin.ch die umwelt 1 | 18
«Bei einigen Strafbestimmungen sind Anpassungen erforderlich»: Bild: Ephraim Bieri | Ex-Press | BAFU Florian Wild, Abteilungschef Recht beim BAFU. Umweltstrafrecht «Entscheidend sind der Wille und das Know-how der Strafverfolgenden» Genügt das Umweltstrafrecht den heutigen Ansprüchen? Werden Straftaten mit der nötigen Härte verfolgt? Wer kann Beschwerde gegen einen Strafentscheid einlegen? Florian Wild, Leiter der Abteilung Recht beim BAFU, erklärt die Stärken und Schwächen des Umweltstrafrechts und des Strafvollzugs. Interview: Nicolas Gattlen die umwelt 1 | 18
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT 13 Herr Wild, welche Bedeutung kommt dem Straf- von Schutzgebieten, Boden, Luft und Wasser, die recht beim Vollzug des Umweltrechts zu? Geht es in das Leben und die Gesundheit von Menschen ge- erster Linie um Abschreckung? fährden. Müsste die Schweiz hier nachlegen? Florian Wild: Die präventive Wirkung steht sicher im Das ist sicher prüfenswert. In der Schweiz sind nur Vordergrund. Gleichzeitig setzt das Strafrecht wich- die gemeingefährliche Trinkwasserverschmutzung tige Rahmenbedingungen für den Vollzug des Um- und die gefährdende Freisetzung von genetisch weltrechts. Es unterstützt die Arbeit der Umweltbe- veränderten oder pathogenen Organismen als Ver- hörden, indem es klare Regeln setzt. Wer diese miss- brechenstatbestände im Strafgesetzbuch aufgeführt. achtet, kann strafrechtlich belangt werden. Warum sollte die gemeingefährliche Beeinträchti- gung des Bodens, der Luft und der Schutzgebiete Die allermeisten Strafbestimmungen finden sich als völlig anders bewertet werden? Mit der vom Parla- Anhängsel in den Umweltgesetzen. Die abschre- ment gutgeheissenen Motion Barazzone steht nun die ckende Wirkung, aber auch das Engagement der Verschärfung eines Straftatbestandes an. Die Motion Strafverfolger wäre wohl höher, wenn sie im Haupt- fordert, dass der illegale Handel mit bedrohten Arten strafrecht, dem Strafgesetzbuch (StGB), unterge- neu als Verbrechen eingestuft wird. bracht wären. Ich denke nicht, dass das Umweltstrafrecht dann bes- ser angewendet würde. Entscheidend sind der Wille «Die präventive Wirkung und das Know-how der Strafverfolgenden. steht sicher im Vordergrund.» Eine vom BAFU in Auftrag gegebene Studie kommt zum Schluss, dass die Strafbestimmungen in den Das Strafgesetzbuch führt als mögliche Sanktion zehn Umweltgesetzen nicht überall kongruent auch den Gewinneinzug auf. Wenn beispielsweise sind. Das Umweltschutzgesetz (USG) etwa ahndet ein Unternehmen Kosten einspart, indem es Abfälle Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, illegal ablagert, kann ihm der daraus hervorgegan- während das Bundesgesetz über den Natur- und gene Gewinn entzogen werden. Nutzen die Strafbe- Heimatschutz (NHG) bloss eine Freiheitsstrafe hörden dieses potente Mittel? von maximal einem Jahr vorsieht. Genügen solche Ja, es wird zunehmend eingesetzt. Schwieriger anzu- Sanktionen den aktuellen Ansprüchen? wenden ist hingegen das Unternehmensstrafrecht. Die Umweltgesetzgebung ist über mehrere Jahrzehn- Dieses wurde nach dem Grossbrand von Schweizer- te gewachsen. Die Gesetze spiegeln den jeweiligen halle bei Basel eingeführt und soll die Strafverfolgung Zeitgeist. Bei einigen Strafbestimmungen, beispiels- erleichtern, indem nicht mehr nur ein einzelner, oft weise bei denen im NHG, sind aus unserer Sicht An- schwierig zu eruierender Täter, sondern eine ganze passungen erforderlich. Überhaupt setzen wir uns da- Unternehmung für ein Delikt verantwortlich gemacht für ein, dass bei Gesetzesrevisionen auch ein Update und sanktioniert werden kann. Bei Umweltdelik- der Straftatbestände erfolgt. ten muss in der Anklage jedoch bewiesen werden, dass die Unternehmung mangelhaft organisiert ist. Im internationalen Vergleich gibt sich das Schweizer Nur so lässt sich das Unternehmen mit Bussen von Umweltstrafrecht eher zahm. bis zu 5 Millionen Franken zur Rechenschaft ziehen. Deutschland, Frankreich und Österreich etwa führen In anderen Bereichen wie etwa der Geldwäscherei im Umweltbereich deutlich mehr Verbrechenstat- ist dieser schwierig zu erbringende Beweis nicht bestände auf, insbesondere bei Beeinträchtigungen nötig, es genügt der Vorwurf. die umwelt 1 | 18
14 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT Eine Erleichterung dürfte der neue Ordnungsbus- Das BAFU hat begonnen, die mitgeteilten Strafent- senkatalog bringen. Der Bundesrat will 23 Tatbe- scheide der Kantone im Bereich Umwelt auszuwer- stände aus dem Umweltbereich in dieses Verfahren ten (siehe Grafik S. 9). Lassen sich daraus bereits aufnehmen. So wird künftig mit einer Busse von 100 erste Schlüsse ziehen? Franken bestraft, wer geschützte Pflanzen pflückt In den letzten Jahren wurden uns jeweils ungefähr oder die Leinenpflicht in einem Jagdbanngebiet 1000 Strafentscheide jährlich gemeldet. Der Grossteil missachtet. Was versprechen Sie sich davon? betrifft Übertretungen, die mit Bussen unter 1000 Weil es bei klaren und einfachen Verstössen im Ord- Franken geahndet wurden. Die höchste im Auswer- nungsbussenverfahren weder eine Anzeige noch eine tungszeitraum ausgesprochene Busse betrug 5000 Strafermittlung braucht, können die Fälle rascher und Franken. Im Durchschnitt liegt die Bussenhöhe effizienter abgewickelt werden. Dadurch dürften auch bei rund 500 Franken, was doch erstaunt, denn der mehr Übertretungen sanktioniert werden. Strafrahmen lässt beispielsweise im USG bis 20 000 Franken zu. Ausserdem stellen wir sowohl bei der Sind die BAFU-Mitarbeitenden eigentlich verpflich- Deliktrate pro Einwohner wie bei der Verurteilungs- tet, Anzeige zu erstatten, wenn sie ein Umweltdelikt rate markante Unterschiede in den Kantonen fest. feststellen? In einigen Kantonen werden vergleichsweise viele Ja, sie sind verpflichtet, Verbrechens- und Vergehens- Fälle eingestellt oder gar nicht erst behandelt. tatbestände anzuzeigen, die sie während der Arbeit feststellen. Auf Übertretungen können sie mit einer Anzeige reagieren, müssen aber nicht. Im Übrigen hat jede Person das Recht, Anzeige zu erstatten. Verbrechen, Vergehen, Übertretung Das Strafrecht unterscheidet drei verschiedene Straftaten: Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Da für jedes Delikt verschiedene Sanktionen vorgesehen sind, bestimmt die höchstmögliche Strafe eines Deliktes, ob es sich um ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Übertretung handelt. Straftat Sanktionen Beispiele Verbrechen → Höchststrafe → Freiheitsstrafe über 3 Jahre → Vorsätzliches Vergiften von Trinkwasser (Art. 234 StGB) Vergehen → Höchststrafe → Freiheitsstrafe bis 3 Jahre → Unbewilligter Export von Sonder- Weitere Strafen → Geldstrafe, Ersatzfreiheits- abfällen (Art. 60 Abs. 1 Bst. o USG) strafe, gemeinnützige Arbeit Übertretung → Höchststrafe → Busse (z. B. bis CHF 20 000.– → Pflücken von geschützten im USG, GSchG, NHG) Pflanzen wie Orchideengewächse Weitere Strafen → Ersatzfreiheitsstrafe, (Art. 24a NHG, Anhang 2 der gemeinnützige Arbeit Verordnung über den Natur- und Heimatschutz, NHV) Quelle: BAFU die umwelt 1 | 18
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT 15 «Nützlich wäre ein Datenaustausch zwischen Straf- und Fachbehörden.» Bild: Ephraim Bieri | Ex-Press | BAFU Das BAFU kann bei der Bundesstaatsanwaltschaft Wenn die Fachkompetenz der Umweltbehörden in Beschwerde gegen Strafentscheide im Bereich des die strafrechtlichen Verfahren einfliesst, kann dies Umweltrechts einreichen. Wie oft greift es zu die- die Qualität der Rechtsfindung und das Bewusstsein sem Mittel? der Strafverfolgungsbehörden für das Umweltstraf- Für das Einreichen der Beschwerde haben wir le- recht erhöhen. diglich 10 Tage Zeit, weshalb wir vornehmlich dort intervenieren, wo eine Strafverfolgungsbehörde ver- In etlichen europäischen Ländern gibt es eigene gleichsweise viele Fälle nicht an die Hand nimmt oder Umweltstaatsanwaltschaften, die über viel Know- einstellt. Das war beispielsweise bei nicht geahnde- how und Erfahrung im Umweltstrafrecht verfügen. tem Güllen auf Schnee der Fall. Es ist aber sicher nicht Wären solche Institutionen auch für die Schweiz die Aufgabe des BAFU, jeden Entscheid einer Strafbe- wünschenswert? hörde im Detail zu hinterfragen. Das Modell lässt sich kaum auf unser föderales System und die vielen kleinen Kantone übertragen. Näher am Geschehen sind die Umweltämter der Der Strafvollzug könnte aber verbessert werden, Kantone. Können sie ebenfalls Beschwerde gegen wenn die Strafverfolgenden enger mit den Umwelt- Strafentscheide einlegen? ämtern zusammenarbeiteten. Sehr nützlich wären Jeder Kanton kann selber festlegen, ob und inwie- dafür bessere rechtliche Grundlagen für den Daten- weit das Umweltamt in einem Strafverfahren mit- austausch zwischen den Straf- und den Fachbehör- wirken kann. In einigen Kantonen wird den Äm- den. Das BAFU sieht daher primären Handlungsbe- tern das volle Parteirecht zugestanden. Sie haben darf bei der verstärkten Zusammenarbeit zwischen unter anderem Akteneinsicht und können gegen den verschiedenen Beteiligten der Strafverfolgung eine Einstellung oder ein aus ihrer Sicht zu gerin- wie auch bei der Sensibilisierung von Fachleuten und ges Strafmass beim Obergericht Berufung einlegen. der Öffentlichkeit. Kontakt Weiterführender Link zum Artikel www.bafu.admin.ch/magazin2018-1-02 Florian Wild Abteilungschef Recht | BAFU florian.wild@bafu.admin.ch die umwelt 1 | 18
16 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT Artenschutz Jagd auf verbotene Schals Bis zu 27 000 Franken kostet ein Shahtoosh-Schal, der aus den Wollhaaren der Tibetantilope gefertigt ist. Die Nachfrage nach diesen Kleidungsstücken brachte die streng geschützte Art an den Rand der Ausrot- tung. Die Schweiz ist ein Hotspot des illegalen Handels mit Shahtoosh – und eine Vorreiterin bei dessen Bekämpfung. Text: Hansjakob Baumgartner Im Winter sinken die Temperaturen auf minus 40 Händen von spezialisierten Familienbetrieben in Grad, und beissende Winde fegen dann zuweilen der Stadt Srinagar im Kaschmirtal. Abnehmer der über das Land. Wer in den Steppen Tibets in Höhen- Kleidungsstücke waren begüterte Familien, die diese lagen zwischen 3700 bis 5500 Metern überleben will, über Generationen weitervererbten oder der Tochter muss sich warm anziehen. Die Tibetantilope – auch als Mitgift in die Ehe gaben. Tschiru genannt – tut das. Sie trägt das wohl bestiso- lierende Fell, das die Natur entwickelt hat. Doch was Schwieriger Kampf gegen die Wilderei dem Tier die Existenz in seinem klimatisch extremen Lebensraum ermöglicht, wäre ihm Ende des 20. Jahr- Schon früh wurden die Schals auch exportiert: Napo- hunderts beinahe zum Verhängnis geworden. Denn leon beschenkte damit seine Geliebte Joséphine, die davon sehr angetan war. Wer dies heute tut, macht sich strafbar. Im Übereinkommen über den Die gesteigerten Gewinnaussichten internationalen Handel mit gefährdeten Tier- und befeuerten die Wilderei. Deshalb Pflanzenarten (CITES) ist die Tibetantilope seit 1975 im Anhang I verzeichnet: Aus- und Einfuhr von Ex- wurde den Tieren mit Offroadern und emplaren dieser Arten – oder Teilen davon – sind Automatikgewehren nachgestellt. verboten. Auch in China, auf dessen Territorium so gut wie die gesamte Tschiru-Population lebt, ist die Art geschützt. Doch in den entlegenen Gebieten des auch den Menschen sind die einzigartigen Qualitäten tibetischen Hochlands war die chinesische Wild- des Tschirufells nicht entgangen. Das Haar ist das hut im Kampf gegen die Wilderei lange Zeit nahe- feinste aller tierischen Haare – und fünfmal feiner zu chancenlos. Bloss 150 Gramm Rohwolle liefert als ein menschliches. Shahtoosh heisst die Wolle, die eine Antilope. Für einen einzigen Schal müssen des- daraus gewonnen wird. Das persische Wort lässt sich halb 2 bis 5 Tiere erlegt werden. Solange die Nach- mit «Königswolle» übersetzen. Ihre Verarbeitung zu frage nach Königswolle im Rahmen blieb, konnten warmen und zugleich hauchzarten Schals hat eine die Bestände den Aderlass einigermassen verkraften. jahrhundertelange Tradition. Tibetische Nomaden Mitte des 20. Jahrhunderts wurden jährlich nur erbeuteten die Tiere und brachten deren Felle auf 20 bis 30 Kilogramm verarbeitet. Die Nachfrage dem Rücken von Yaks über die Pässe des Himalayas stieg jedoch massiv an, als die Königswolle in den nach Indien. Die Wolle zu Schals zu verarbeiten ist 1990er-Jahren zum Luxusgut für einen globalisierten hohe Handwerkskunst. Sie blieb traditionell in den Markt mutierte. Die Schönen und Reichen der Welt die umwelt 1 | 18
Für einen einzigen Schal müssen 2 bis 5 Tiere erlegt werden. Bild: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
18 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT entdeckten den Shahtoosh-Schal als exquisites Acces- verschlechtern, wenn es nicht gelinge, den Schutz soire und Statussymbol. Um die Nachfrage zu decken, der Art in ihrem Verbreitungsgebiet aufrechtzuer- brauchte es 1997 bereits 3000 Kilogramm Wolle. halten und den illegalen Handel mit Shahtoosh zu Bis zu 27 000 Franken werden für einen Schal unterbinden, mahnt die Weltnaturschutzunion IUCN. bezahlt. Entsprechend explodierten die Preise Gefordert ist auch die Schweiz. Denn sie ist ein für den Rohstoff. Vor 1990 erhielt ein tibetischer wichtiger Absatzmarkt für diese Textilien: Eine Nomade 7,5 bis 9 US-Dollar für ein Tschirufell. zahlungskräftige Kundschaft dafür findet sich vor- Danach stieg der Erlös auf bis zu 50 Dollar. ab in den teuersten Tourismusorten. Regelmässig werden an den Flughäfen und in Boutiquen Schals Am Rand der Ausrottung beschlagnahmt. Der vielleicht spektakulärste Fall wurde 2003 publik. Unter dem Ladentisch eines Die gesteigerten Gewinnaussichten befeuerten die St. Moritzer Bijoutiers kamen 38 Shahtoosh-Schals Wilderei. Jetzt wurde den Tieren mit Offroadern zum Vorschein. Eine Kontrolle der Buchhaltung und Automatikgewehren nachgestellt. In der Folge ergab, dass der Besitzer in den Vorjahren bereits sank der Tschirubestand innert Kürze um 80 bis 500 Shahtoosh-Schals für insgesamt 3 Millionen 90 Prozent. Die Ausrottung schien bloss noch eine Franken verkauft hatte. Die noch vorhandenen 38 Frage der Zeit. Schals wurden konfisziert, der Täter musste 800 000 Es kam nicht so weit. Seit der Jahrtausendwende Franken Busse bezahlen. erholen sich die Bestände. Heute leben gesamt- haft wieder rund doppelt so viele Tschirus in Aufmerksame Zollbehörden Tibet wie Mitte der 1990er-Jahre. Der intensivierte Kampf der chinesischen Behörden gegen die Wil- Die Umsetzung des CITES-Übereinkommens in der derei und die internationalen Bemühungen, den Schweiz regelt das 2013 in Kraft getretene Bundes- Shahtoosh-Schmuggel einzudämmen, zeigen Erfolg. gesetz über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen Die Situation könne sich allerdings rasch wieder geschützter Arten (BGCITES). Vollzugsbehörde ist Tibetantilopen sind mit ihren hauchfeinen Fellhaaren gut gerüstet für das Leben in den kalten Bild: Heinrich Haller und windigen Steppen Tibets. die umwelt 1 | 18
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT 19 das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Vete- Handel mit bedrohten Arten und Erzeugnissen, rinärwesen (BLV). Es arbeitet eng mit der Polizei die daraus hergestellt wurden, soll künftig als Ver- und dem Zoll zusammen. 2015 wurden hierzulande brechen anstatt – wie bisher – bloss als Vergehen insgesamt 70 Shahtoosh-Schals konfisziert, 2016 geahndet werden. waren es 61. «Die Schweiz beschlagnahmt am meis- ten Shahtoosh-Schals in ganz Europa», berichtet Lisa «Wir haben viel Know-how bei Bradbury, die das Dossier «Tibetantilope» im BLV betreut. Dies habe nicht allein mit der Bedeutung der Bekämpfung des Shahtoosh- unseres Landes als Schwarzmarkt für diese Klei- Schmuggels erworben.» dungsstücke zu tun. «Unsere Zollbehörden schauen auch genauer hin und sind für das Problem sensi- Lisa Bradbury | Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bilisiert», sagt die Biologin. Shahtoosh zu identifi- zieren ist nicht leicht. Das BLV hat hierzu spezielle Hilfreich ist auch, dass der Stoff mittlerweile in mikroskopische Methoden etabliert. Seit 2013 begüterten Kreisen als anrüchig gilt. Wer etwas werden die Grenzwächter auch von Hunden unter- auf sich hält, trägt heute einen Schal aus «Eco- stützt. Das Grenzwachtkorps hat 5 Schäferhunde Shahtoosh». Dieser besteht aus artenschützerisch ausgebildet, die verbotene tierische Produkte wie unbedenklicher Wolle der Kaschmirziege und genügt Elfenbein, Reptilienhäute oder Felle erschnüffeln dank neu entwickelter Spinn- und Webverfahren können. «Wir haben in den letzten Jahren viel Know- ebenfalls höchsten Ansprüchen an Feinheit und how bei der Bekämpfung des Shahtoosh-Schmuggels Weichheit. Seine Herstellung in Handarbeit ist eine erworben», sagt Lisa Bradbury. «Diese Erfahrung Job-Alternative für die Beschäftigten in der illegalen wollen wir nun weitergeben.» 2016 fand in Lyon Shahtoosh-Produktion im Kaschmirtal. (F) unter Federführung von BLV und Interpol ein Workshop über Methoden zur Identifikation von Erhaltung der Wanderrouten Shahtoosh statt. Nebst den Ursprungsländern China und Indien waren auch mehrere europäische Staaten Neue Gefahren drohen dem Tschiru andererseits mit Expertinnen und Experten vertreten. von Wanderhindernissen. Nach der Paarungszeit ziehen die weiblichen Tschirus jeweils über meh- Gesetz wird verschärft rere Hundert Kilometer zu den Kalbungsplätzen. Dabei stossen sie zunehmend auf unüberwindbare Für Schmuggler und Schwarzhändler steigt damit Weidezäune. das Risiko, erwischt zu werden. Mittelfristig müssen Im Rahmen des Übereinkommens zur Erhaltung sie in der Schweiz auch härtere Strafen gewärtigen. wandernder Tierarten (CMS) unterstützt das BAFU National- und Ständerat haben 2016 eine Motion die Zentralasiatische Säugetierinitiative, die be- überwiesen, die eine Verschärfung des BGCITES zweckt, die Bewegungsfreiheit der Säugetiere in den fordert. Der gewerbs- oder gewohnheitsmässige asiatischen Steppen zu erhalten. Kontakt Kontakt Weiterführender Link zum Artikel www.bafu.admin.ch/magazin2018-1-03 Lisa Bradbury Bundesamt für Lebensmittelsicherheit Norbert Bärlocher und Veterinärwesen | BLV Sektionschef Rio-Konventionen | BAFU lisa.bradbury@blv.admin.ch norbert.baerlocher@bafu.admin.ch die umwelt 1 | 18
20 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT Konfiszierte Shahtoosh-Schals: Allein 2016 Bild: Bundesamt für Shahtoosh zu identifizieren ist nicht Bild: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit Lebensmittelsicherheit wurden in der Schweiz 61 Schals sichergestellt. und Veterinärwesen einfach. Das Bundesamt für Lebens- und Veterinärwesen mittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat dazu spezielle mikroskopi- sche Methoden etabliert. Seit 2013 werden die Grenzwächter auch von Artenschutzhunden unterstützt. Im Ausbildungszentrum Bild: Peter Klaunzer | KEYSTONE in Interlaken lernen die Hunde, verbotene tierische Produkte wie Shahtoosh, Elfenbein oder Reptilien- häute aufzuspüren. die umwelt 1 | 18
DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT 21 «Shahtoosh darf nie mehr zu einem Must-have werden» Heinrich Haller, Direktor des Schweizerischen Nationalparks, über die Wilderei im chinesischen Hochland und erfolgreiche Gegenmassnahmen. Interview: Hansjakob Baumgartner Herr Haller, Sie haben 2016 ein Buch über die Wil- sind solche Schals nach wie vor beliebt, insgesamt ist derei im Dreiländereck Schweiz-Italien-Österreich man sich aber mittlerweile der blutigen Hintergrün- publiziert*. Darin findet sich auch ein Kapitel über de dieser besonderen Wolle bewusst: Das Tragen von Shahtoosh, für das Sie in den Jahren 2006 bis 2012 Shahtoosh ist heute anstössig geworden. Zu diesem während mehrerer Reisen vor Ort recherchierten. Gesinnungswandel haben auch weibliche Berühmt- Wie viele Tibetantilopen werden derzeit noch jähr- heiten wie Michelle Obama und Jennifer Aniston bei- lich illegal getötet? getragen. Im Übrigen hat in China als Ursprungsland Heinrich Haller: Das lässt sich kaum beziffern. der Tschirus das Umweltbewusstsein generell zuge- Mit Sicherheit sind es weit weniger als die rund nommen. Das Bestreben, in der Staatengemeinschaft 20 000 Tiere pro Jahr, die kurz vor der Jahrtausend- auch bezüglich Schutz der Umwelt eine wichtige wende dem damaligen Shahtoosh-Boom zum Opfer Rolle zu spielen, ist mit Verpflichtungen verbunden, fielen. Damals musste die Weltnaturschutzunion die die auch Tibet einschliessen. Tibetantilope als «stark gefährdet» einstufen, heute ist sie noch «potenziell gefährdet». Dies weist darauf Was braucht es, um die Wilderei weiter hin, dass die Wilderei den Gesamtbestand der Art einzudämmen? nicht mehr beeinflusst. Das bisherige Vorgehen muss konsequent weiter- Unter Umständen könnte sich dies allerdings rasch geführt werden. Shahtoosh darf nie mehr zu einem wieder ändern: Mit entsprechenden Mitteln können Must-have in gewissen Gesellschaftskreisen werden. in kurzer Zeit viele Tiere getötet werden, und die Die Überwachung der Tibetantilopen vor Ort ist auf- Aufsicht im entlegenen Lebensraum der Tschirus ist wendig, doch darf man entsprechende Anstreng- schwierig, lückenhaft und oft marginal. ungen vor allem in den dortigen riesigen Schutzge- bieten erwarten. Die vorbildlichen Bemühungen der Die schlimmste Zeit ist aber offenbar vorbei. Schweizer Behörden, Shahtoosh-Schmuggel zu unter- Was sind die Gründe für die positive Entwicklung? binden, sind für den Artenschutz wichtige Signale, Entscheidend war die eingeschränkte Nachfrage die international Beachtung finden und hoffentlich nach Shahtoosh. In gewissen gut betuchten Kreisen den Standard setzen. *Heinrich Haller | Wilderei im rätischen Dreiländereck | Grenzüberschreitende Recherchen mit einer Spurensuche bis nach Tibet | Haupt Verlag | 2016 (seit 2017 auch in italienischer Sprache) die umwelt 1 | 18
22 DOSSIER UMWELTKRIMINALITÄT Grenzüberschreitender Verkehr mit Abfällen Ein streng überwachtes Geschäft In der Schweiz ist die Ein- und Ausfuhr von Abfällen strengen Regeln unterworfen. Während das BAFU den Exporteuren die nötigen Bewilligungen erteilt, kontrolliert der Zoll, ob die Regeln eingehalten werden. «die umwelt» war bei einem Spezialeinsatz des Zollinspektorats Genève-Routes vor Ort. Text: Cornélia Mühlberger de Preux Donnerstag, 24. August 2017, 7.30 Uhr, Zoll von Mobiler Scanner im Einsatz Bardonnex (GE). Die rund 30 Beamten, die am heu- tigen Einsatz beteiligt sind, verteilen sich auf die Vor uns stehen drei Lastwagen: Der erste expor- verschiedenen Zonen für die Kontrolle der Aus-, tiert Bleibatterien, der zweite Bauabfälle, der dritte Ein- und Durchfuhr von Abfällen. Zuvor haben sie Papier- und Kartonbündel zum Rezyklieren. Alle die Anweisungen des Einsatzleiters Stéphane Ulrich drei Transporteure haben die formellen Kontrollen entgegengenommen. Sie sollen gezielte Kontrollen bereits erfolgreich absolviert. Jetzt werden die La- durchführen, um verbotene oder ungenau deklarier- dungen den Strahlen des mobilen Scanners ausge- te Abfälle aufzudecken. Zur Stelle sind Zollbeamte, setzt. Dank dieser Spitzentechnologie lassen sich Spezialisten der kantonalen Fachstelle für Geologie, versteckte Waren entdecken, und zwar nicht nur in Boden und Abfall (GESDEC) und zwei BAFU-Mitar- der eigentlichen Ladung, sondern auch in Struktu- beitende. ren, Kabinen und Türen. Das System hilft zudem, die Grenzkontrollzeit auf ein Minimum zu beschrän- ken. Im unteren Teil einer mit Bleibatterien geladenen «Es geht darum, zu gewährleisten, Mulde zeigt der Scanner eine kompakte, schwierig dass die Abfälle hier in der Schweiz wie zu identifizierende Form an. Die Zöllner beschlies- sen, diese Ladung näher zu untersuchen. Doch es auch im Ausland umweltverträglich handelt sich um eine korrekt deklarierte Ware. entsorgt werden.» Auch bei der zweiten Ladung ist alles in Ordnung. Der Lastwagen mit Papier und Karton hingegen Simonne Rufener | BAFU-Sektion Industrieabfälle weist ein Sicherheitsproblem auf, das der Scanner zutage gebracht hat: Die Bündel sind überhaupt nicht Rund 1000 Lastwagen passieren täglich den Zoll von gesichert. Nun muss sich der Chauffeur darum küm- Bardonnex. Ein Grossteil davon hat verschiedene mern, bevor er weiterfahren kann. Handelswaren geladen, darunter Abfälle wie Alt- reifen, Aushubmaterial, Metallschrott, elektrische Entsorgung muss bekannt sein oder elektronische Geräte. «Es gilt zu prüfen, ob die Transporteure auch über die nötigen Bewilligungen Geregelt wird der Verkehr mit Abfällen zwischen verfügen und ob die Ware tatsächlich mit dem über- Ländern durch das Basler Übereinkommen über die einstimmt, was deklariert wurde», erklärt Stéphane Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung Ulrich, Chef der Einsatzzentrale der Zollinspektion gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung und Genève-Routes. durch einen OECD-Ratsbeschluss sowie durch das die umwelt 1 | 18
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