Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod

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Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
April 2019
Das VPOD-Magazin erscheint 10-mal pro Jahr

Die Gewerkschaft
Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste

Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage
Warum STAF eine Mogelpackung und ein Weg in die Sackgasse ist
Kampflustige VPOD-Gesundheitskonferenz mit Mathias Binswanger und Franco Cavalli
Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
©paul prescott / Shutterstock.com

      100 Jahre Erfolgsgeschichte für Arbeitnehmende
      Die International Labour Organisation (ILO)
      Tagung am Dienstag, 25. Juni 2019 in Bern

1919 Die enormen Probleme der Arbeitenden werden durch den Ersten Weltkrieg verschärft.
Stichworte sind: Arbeitslosigkeit, Armut, Abbau von Arbeitsschutz. Die ILO wurde 1919 auf Druck
der Gewerkschaften gegründet, um diese haltlosen Zustände zu bekämpfen.

2019 Die Durchsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen ist aktueller denn je!
Die fortschreitende Globalisierung der Märkte braucht internationale Spielregeln, um die Rechte
der Arbeitnehmenden zu schützen. Die Tagung gibt Einblick in brisante Debatten und zeigt auf,
wie die Gewerkschaften die Interessen von Arbeitnehmenden im globalen Powerplay durchsetzen.

       Datum und Zeit: Dienstag, 25. Juni 2019, 09.30–16.30 Uhr
       Ort:            Bern, Hotel Kreuz
       Tagungsgebühr: gratis für Mitglieder von Garanto, Nautilus, SEV, syndicom, Unia und VPOD
                       Nichtmitglieder: CHF 250.–
       Programm:
       Info/Anmeldung: info@movendo.ch,
                       siehe Rückseite www.movendo.ch

                                                                                                                                       ©Adam Jan Figel / Shutterstock.com

     Referierende: Corinne Schärer, Präsidentin Movendo, Leiterin Abteilung Politik Unia | Jean-Jacques Elmiger, Botschafter, Präsident der
     Konferenz 2019 der ILO | Anna Biondi, Vizedirektorin Büro für Arbeitnehmendenfragen (ACTRAV), ILO | Eva Maria Belser, Professorin für Staats- und
     Verwaltungsrecht Universität Freiburg | Yvonne Zimmermann, Koordinatorin Solifonds | Luca Cirigliano, Zentralsekretär SGB, Delegierter Arbeit-
     nehmende Schweiz bei der ILO | Blaise Matthey, Geschäftsführer FER Genf, Delegierter Arbeitgebende Schweiz bei der ILO | Bernard Thibault,
     Mitglied des Verwaltungsrats der ILO | Katharina Prelicz-Huber, Präsidentin VPOD, Delegationsmitglied Arbeitnehmende Schweiz | Stefan Giger,
     Generalsekretär VPOD | Bernhard Herold, Programmleiter Asien, Solidar Suisse | Anne Meier, Anwältin
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Editorial und Inhalt     |   VPOD

        Themen des Monats

5       Vom Liken zum Streiken
        Der VPOD organisiert den Frauenstreik online und offline

6       Löchrige Leitung
        Wissenschaft: Je höher die Stufe, desto weniger Frauen

7       Ganz in Weiss
        Umkleidezeit wird Arbeitszeit – die VPOD-Kampagne                               Christoph Schlatter
                                                                         ist Redaktor des VPOD-Magazins
        gewinnt an Fahrt

8–10    Bin i gopfridstutz e Bank?
        Kämpferische Verbandskonferenz Gesundheit                  Sind so hohle Hände
        in Solothurn                                               «Sind so kleine Hände», sang Liedermacherin Bettina Wegener 1976.
                                                                   Rotkäppchen dagegen stellte bei der bettlägerigen Grossmutter über-
11–15   Dossier: Nein zur AHV-Steuervorlage                        mässig grosse Greifer fest, aber das war dann ja auch gar nicht die Gross-
        Regula Rytz und Katharina Prelicz-Huber erläutern,         mutter. In erster Linie teuer sind die Hände auf der neuen Tausenderno-
        warum STAF in die Sackgasse führt                          te. Die rechte dürfte einer Frau, die von links ins Bild greifende einem
                                                                   Mann gehören. Was will uns der Händedruck sagen? Die Entschlüsse-
17      Wackelrente wäre Vertrauensbruch                           lung der Handzeichen ist auch bei den anderen Werten der neuen Serie
        Die Senkung laufender Renten kommt nicht in Frage          nicht leicht. Auf der Zehnernote geht’s angeblich um die Zeit, auf dem
                                                                   Zwanziger ums Licht. 50 Franken kostet der Wind, 200 die Materie.
18      Die Weggesperrten                                          Und die Tausendernote widmet sich der Kommunikation.
        Neuerscheinungen zur Versorgungspraxis bis 1981            Warum eigentlich dieses seltsam bodenlose, ätherische Programm?
                                                                   Weil die Promis langsam ausgehen, die anständigen sowieso: Jacob
22–23 1. Mai                                                       Burckhardt, des Handschlags Vorläufer; ein eingefleischter Antise-
        Termine, Rednerinnen, Kulinarisches und Musikalisches      mit und Antidemokrat. Auguste Forel (1000 Franken, 6. Notenserie):
                                                                   Grossvater der Rassenhygiene. Le Corbusier (10 Franken, 8. Serie): ein
                                                                   Sympathisant des Vichy-Regimes. Und Alberto Giacometti (100 Fran-
                                                                   ken, 8. Serie, noch im Umlauf ) war ein Mann mit entsprechend viel-
        Rubriken                                                   schichtigen Bedürfnissen (Frau + Geliebte + Prostituierte).
                                                                   Trotz Entfernung solcher Angriffsflächen stösst auch der jüngste
4       Gewerkschaftsnachrichten                                   Schein auf Kritik. Während im Euroland der 500er abgeschafft ist,
                                                                   schickt die Schweiz weiterhin teures Papiergeld in die Welt hinaus,
16      Aus den Regionen und Sektionen                             obwohl dieses zum Bezahlen gänzlich ungeeignet ist. Zweckmässig

19      Sunil Mann: Trendfutter
                                                                   ist das Format hingegen, wenn jemand möglichst grosse Summen
                                                                   in einem unauffälligen Köfferchen verstauen will. Die Nettoumlauf-
20      Wirtschaftslektion: «It’s the ideology, stupid»            Statistik der Tausendernote ergibt – bei insgesamt steigender Tendenz
                                                                   – einen regelmässigen Wellenschlag. Jedes Jahr im Dezember zuckt
21      Wettbewerb: Frauenarbeit                                   die Kurve nach oben, im neuen Jahr schwappt sie zurück. Der Göttibat-
                                                                   zen zu Weihnachten? Selbst die NZZ mutmasst, dass die Auffälligkeit
24      VPOD aktuell                                               einem Steuertrick geschuldet ist: Vermögen wird Ende Jahr in Bares

25      Hier half der VPOD: Kein Automatismus
                                                                   umgewandelt, damit es im Steuerausweis nicht erscheint.
                                                                   Zurück zum Handschlag. Noch heute ist er Besiegelung von Vertrag
26      Solidar Suisse: Mit Whatsapp in den Arbeitskampf           und Wette. Als Begrüssung der Lehrerin war er zu meiner Zeit nicht
                                                                   üblich. Es scheint, dass man den Brauch erst angesichts misogyner
27      Menschen im VPOD: Maya Weber Hadorn, Ostermundigen         Muslime zur Leitkultur erhoben hat. Berühmt ist der Handshake im
                                                                   Logo der einstigen SED. Im Original 1946 streckt Wilhelm Pieck seine
                                                                   KPD-Hand von links, Otto Grotewohl die SPD-Kelle von rechts. Muss ja
                                                                   auch so sein. Das Fussvolk sprach von «abgehackten Händen».
        Redaktion /Administration:
        Postfach 8279, 8036 Zürich                                 Was kommt auf der noch fehlenden Hunderternote? Ghettofaust?
        Telefon 044 266 52 52, Telefax 044 266 52 53               High Five? Gekreuzte Finger? Nein, es sind die hohlen Hände; sie
        Nr. 3, April 2019                                          sollen das Thema Wasser illustrieren und die «humanitäre Seite der
        E-Mail: redaktion@vpod-ssp.ch | www.vpod.ch                Schweiz». Hohle Hand, humane Schweiz? Hier scheint ein Missver-
        Erscheint 10-mal pro Jahr                                  ständnis vorzuliegen. Oder ein bösartiger Kommentar.

                                                                                                                                April 2019 3
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                                                                          Kontrolliert geschwänzt: Klimastreik.

                                                                          Kontrolliert frisiert: Coiffeur-GAV.

                                                                          Hinnehmbare EL-Revision
                                                                          Die EL-Allianz, der auch der VPOD angehört, sieht die vom Parla-
                                                                          ment verabschiedete EL-Revision zwar mit gemischten Gefühlen,
                                                                          betrachtet sie aber unter dem Strich als hinnehmbar. Schmerzhaft
                                                                          sind die Senkung der Vermögensbeiträge, die Kürzung der Beiträge
                                                                          für Kinder und die Herabsetzung des EL-Mindestbetrags. Sie werden
                                                                          durch soziale Fortschritte kompensiert: Die seit 2001 nicht mehr an-
                                                                          gepassten Beiträge für Mieten werden endlich erhöht. Wertvoll ist die
                                                                          Möglichkeit für Arbeitnehmende ab 58, auch bei Stellenverlust in der
                                                                          Pensionskasse zu verbleiben. | elal

                                                                          Kontrolliert frisieren
                                                                          Die Sozialpartner ziehen für das erste Jahr des Coiffeur-GAV eine po-
                                                                          sitive Bilanz. Der allgemeinverbindlich erklärte Vertrag gilt für rund
                                                                          4200 Salons mit 10 700 Beschäftigten (zu 95 Prozent Frauen). Die
                                                                          Mindestlöhne und die Förderung der Weiterbildung sorgten für ei-
                                                                          ne Aufwertung des Branchen-Images und für bessere Perspektiven
                                                                          der Berufsleute, stellt die Unia fest. Der Kampf gegen Lohndumping
                                                                          bleibt dringlich. | unia/slt (Foto: megaflopp/iStock)

                                                                          CH-Media baut ab
VPOD grüsst Klimastreik                                                   Der fusionierte Grossverlag CH-Media (AZ-Zeitungen, Luzerner Zei-
Die VPOD-Verbandskommission Bildung Erziehung Wissenschaft                tung, St.Galler Tagblatt, Radio- und TV-Sender) baut scheibchenweise
und die VPOD-Delegiertenversammlung begrüssen die Mobilisierung           ab. Im Wochenabstand kommunizierte er eine Massenentlassung auf
der Jugendlichen für das Klima. Die Lehrpersonen freuen sich, dass        den Redaktionen seiner Sonntagszeitungen, dann Kündigungen im
die Jugend unter dem Motto «Wozu lernen, wenn wir keine Zukunft           Radio- und Fernsehbereich. In den Augen der Syndicom ist das «Sala-
haben?» die Dringlichkeit ihres Anliegens unterstreicht. Schulleitun-     mitaktik»; ein publizistisches Konzept sei nicht ersichtlich. In einigen
gen werden gebeten, auf Sanktionen für klimaaktive Schülerinnen           Regionen hat CH-Media faktisch ein Monopol. | syndicom
und Schüler zu verzichten. | vpod (Foto: Leonhard Lenz/Wikimedia CC)
                                                                          Strommarkt: Übung abbrechen!
Fahrvergünstigung für öV-Personal: Kein Neid!                             In der Vernehmlassung zur Revision des Stromversorgungsgesetzes
Wieder einmal ein «Skandal» in der Sonntagspresse: die Fahrvergüns-       spricht sich der VPOD vehement gegen die vollständige Öffnung des
tigung für das Personal des öffentlichen Verkehrs. Das Gratis-GA sei      Strommarkts aus. Die Übung sollte ersatzlos abgebrochen werden.
ein Geschenk, ein Privileg? Der VPOD stellt klar, dass die Vergünsti-     Sie brächte vor allem die Arbeitsbedingungen unter Druck, und die
gung schlicht ein steuerbarer Lohnbestandteil ist, dass ihm also nichts   Betriebe müssten Marketingausgaben erhöhen. Den Konsumentin-
Unrechtes anhaftet. Auch von einem «streng gehüteten Geheimnis»           nen und Konsumenten dient das am Ende des Tages nicht – das konn-
kann keine Rede sein: Die Regelung ist absolut transparent. | vpod/slt    te an ausländischen Beispielen zur Genüge studiert werden. | vpod

Bus-Auschreibung im Jura: Gefahr erkannt                                  Bundespersonal will 200 Franken mehr für alle
Die Regierung des Kantons Jura hat aus Sicht der Gewerkschaften die       Den vollen Teuerungsausgleich sowie 200 Franken pro Monat mehr
Dumpinggefahr bei der Ausschreibung von Buslinien erkannt – und           für alle – das fordert die Verhandlungsgemeinschaft Bundespersonal
richtig reagiert. Syndicom und SEV begrüssen die Zusicherung des          VGB, der auch der VPOD angehört, vorsorglich für 2020. Davon wür-
jurassischen Verkehrsdirektors David Eray, dass sich die Zuschlagskri-    den die Mitarbeitenden in den tieferen Lohnklassen vergleichsweise
terien an den beiden GAV Chemins de fer du Jura (CJ) und PostAuto         stärker profitieren als das Kader. Die VGB fordert den Bund weiter zu
orientieren werden. Das setze auch ein Zeichen auf nationaler Ebene,      konkreten Massnahmen für die bessere Vereinbarkeit von Erwerbsar-
betonen die beiden Gewerkschaften. | vpod                                 beit und Familie auf. | vgb/slt

4 April 2019
Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
Frauenstreik      |   VPOD

Der VPOD organisiert den Frauenstreik am 14. Juni online und offline

Vom Liken zum Streiken
Die Mobilisierung für den Frauenstreik nimmt Fahrt auf. Kollektive haben sich gebildet, Manifeste werden
geschrieben, Streikideen vorbereitet. Auch der VPOD ist an der Organisation des 14. Juni an vorderster Front dabei.
| Text: Natascha Wey (Foto: Annette Boutellier)

Das Interesse am geplanten Frauenstreik                   Noch schickere
(oder: «Frauen*streik», siehe Kasten) ist rie-      Streikkleidung gibt’s
                                                       im VPOD-Shop.
sig. Am 14. Februar haben wir vom VPOD
unseren Aufruf www.frauenstreik19.ch lan-
ciert. Seither haben sich gegen 4000 Inter-
essierte eingetragen; sie möchten Infos, sie
wollen sich engagieren, sie haben Geld ge-
spendet – oder alles zusammen. Erfreulich:
Es sind auch viele Noch-nicht-Mitglieder aus
VPOD-Branchen dabei, die sich einbringen
möchten. Willkommen im Club!
Das VPOD-Frauenstreikteam ist daran, die
Streikwilligen in Absprache mit den Regi-
onen zu kontaktieren und sie zu unterstüt-
zen, damit der 14. Juni ein grosser Erfolg
wird. Parallel dazu liefern wir Grundlagen-
informationen. Zum Ablauf am fraglichen
Freitag sind bereits einige Elemente fix: Um
11 Uhr soll es in der gesamten Schweiz ei-
nen gemeinsamen Moment geben, an dem                Natürlich müssen einige Dinge berücksich-        zen, Fahnen, Besen oder Transparente aus
Aktionen, Flashmobs oder sonstige Proteste          tigt werden: Berufsgruppen mit Betreuungs-       dem Fenster gehängt werden. Frau kann
laut werden. Um 15.30 Uhr ist dann für alle         und Fürsorgeaufgaben müssen zum Beispiel         sich Streik-T-Shirts und Bandanas anziehen,
Frauen Arbeitsschluss. Dieser Zeitpunkt gilt,       sicherstellen, dass Klienten oder Patientinnen   Buttons anstecken oder sich ganz in Violett
weil Frauen immer noch 20 Prozent weniger           oder Kinder betreut sind. Bei Fragen hilft das   kleiden. Auch diesbezüglich waren wir nicht
verdienen und daher, auf einen 8-Stunden-           VPOD-Sekretariat gerne weiter. Für Mitglie-      untätig: Geeignete Streikgarderobe bieten wir
Tag gerechnet, ab 15.24 Uhr gratis arbeiten.        der, die nicht den ganzen Tag streiken wollen    in unserem Online-Shop (www.vpod.ch) an,
Gegen Abend wird es dann an vielen Orten            oder können, gibt es andere Aktionsformen,       selbstverständlich im schicken VPOD-Design
Demos und Feste geben.                              von der Protestpause über den Bleistift- und     und in allen Grössen und Formen. Schickt
                                                    den Bummelstreik bis zum Tragen eines An-        uns Fotos eurer Streikaktionen, damit wir
Ist der Streik erlaubt?                             steckknopfs. Weitere Aktionsideen gibt ein       vielfältig darüber berichten können!
«Dürfen wir überhaupt streiken?», möchten           Merkblatt (ebenfalls unter www.vpod.ch).
viele wissen. Dazu haben VPOD-Gleichstel-           Wichtig ist, dass an diesem Tag sichtbar ist:
lungssekretärin Christine Flitner und VPOD-         Eine Gesellschaft und eine Arbeitswelt ohne      Frauen, Frauen* und Männer
Generalsekretär Stefan Giger ein Merkblatt          die Arbeit von Frauen sind nicht denkbar.        Der Stern in der of fiziellen Schreibweise
ausgearbeitet (zu finden unter www.vpod.ch).        Neben den unterschiedlichen Protestformen        «Frauen*streik» soll zeigen, dass alle Arten von
Um es vorwegzunehmen: Ja, der Frauenstreik          ist natürlich das Ausarbeiten von konkreten      Frauen angesprochen sind, etwa auch Trans-
ist legal! Das Streikrecht steht seit 1999 in der   Forderungen ein wichtiger Bestandteil. Dies      sexuelle – kurz: «alle ausser Cis-Männer» («ein
Bundesverfassung. Auch die Gleichstellung           geschieht idealerweise bereits im Vorfeld,       Cis-Mann ist ein Mann, der sich in dem sozialen
der Geschlechter wäre seit 1981 ein Verfas-         damit Forderungen am Streiktag selber ent-       Geschlecht wiedererkennt, das ihm bei der Ge-
sungsgrundsatz, seit 1996 im Gleichstel-            weder der Geschäftsleitung oder den politisch    burt zugewiesen worden ist»). Aber auch diese
lungsgesetz konkretisiert. Trotzdem bewegt          Verantwortlichen übergeben werden können.        Spezies ist am Frauenstreik gefragt, denn so ein
sich an dieser Front wenig. Der Frauenstreik                                                         Tag macht viel Arbeit. Aufbau, Abbau, Demoor-
ist also eine politische Aktionsform und ein        Schickt Fotos!                                   ganisation, Restauration – helfende Hände sind
Mittel, Arbeitsrechte zu verteidigen und Ver-       Weiter werden bereits jetzt vielerorts Work-     überall willkommen. Solidarische Männer kön-
besserungen einzufordern. Der VPOD ruft             shops zur Gleichstellung und zur Vereinbar-      nen sich auf www.vpod.ch/frauenstreik melden.
aktiv dazu auf! Mieux d’un rêve, une grève!         keit organisiert. Es können Plakate, Schür-      | vpod

                                                                                                                                        April 2019 5
Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
VPOD       | Gleichstellung

Wissenschaft: Bei den Studierenden sind die Frauen in der Mehrheit – aber ihr Anteil sinkt mit jeder Hierarchiestufe

Löchrige Leitung
Die Gleichstellung von Frau und Mann in der Forschung ist nicht erreicht – weder in Europa noch in der Schweiz.
Die Daten des Bundesamts für Statistik, die in einem Bericht der Europäischen Kommission publiziert wurden,
zeigen deutlich die «Leaky Pipeline» nach oben. | Text: BFS/slt (Foto: gilaxia/iStockphoto)

Seit mehreren Jahren besteht unter den Stu-             Tierärztin ist zu einem
dierenden an Schweizer Hochschulen ein                 Frauenberuf geworden –
                                                      Ingenieurin (noch) nicht.
ausgewogenes Verhältnis zwischen den Ge-
schlechtern. 2016 machten die Frauen 51 Pro-
zent der Immatrikulierten und sogar 54 Pro-
zent der Bachelor- und Master-Diplomierten
aus. Aber je höher man die akademische
Karriereleiter hinaufsteigt, desto geringer
ist der Frauenanteil. Dieses Phänomen wird
auch «Leaky Pipeline» («löchrige Leitung»)
genannt (siehe Kasten). Die Studie «She Fi-
gures» der Europäischen Kommission, in de-
ren Rahmen auch die Schweizer Daten veröf-
fentlicht worden sind, unterscheidet 6 Stufen
der akademischen Laufbahn: Studium, erster
Abschluss, Doktortitel, unterer akademischer
Mittelbau, oberer akademischer Mittelbau
und Professur.

EU leicht besser als die Schweiz
Ob in der Schweiz oder in der EU: Die ge-           zent). Dann werden die Frauen immer sel-          närmedizin, wo Frauen unter den Dozieren-
schlechterspezifischen Unterschiede in der          tener: Im unteren akademischen Mittelbau          den mit Führungsverantwortung 29 Prozent
akademischen Laufbahn lassen sich ab Stu-           sind sie noch zu 41 Prozent, im oberen zu         ausmachen.
fe 3 (Doktorat) beobachten. 2016 betrug der         34 Prozent vertreten. Auf der Ebene Profes-       Noch weniger sind es, weil dort bereits weni-
Frauenanteil bei den frisch Doktorierten in         sur stellen die Frauen 23 Prozent. In der EU      ger Frauen nachkommen, in den Naturwis-
der Schweiz 44 Prozent (in der EU: 48 Pro-          gibt es mit 46, 40, 24 Prozent Frauen auf den     senschaften (14 Prozent) und im Ingenieurs-
                                                    oberen Stufen eine etwas höhere Frauenver-        wesen (13 Prozent). Ebenso fehlen Frauen in
                                                    tretung, aber die gleiche Tendenz.                strategischen Funktionen der Wissenschaft:
Wer ist schuld am Graben?                           Die Unterschiede nach Fachgebiet sind al-         Ein gutes Viertel (27 Prozent) der Mitglieder
Zu den Gründen für den Gender-Gap lässt sich        lerdings enorm. Von den Doktoraten in den         von Forschungsräten und ein knappes Drittel
das Bundesamt für Statistik in seiner Medien-       Informations- und Kommunikationstechno-           (30 Prozent) der Hochschuldirektorate sind
mitteilung nicht aus. Zwei Mutmassungen drän-       logien stammen nur 15 Prozent von Frau-           weiblich.
gen sich auf: Das Leck in der «Pipeline» dürfte     en, im Ingenieurswesen sind es 27 Prozent.
sich zu einem guten Teil mit der schwierigen        Dagegen sind die Bereiche Landwirtschaft/         Langsame Veränderung
Vereinbarkeit erklären lassen. Eine wissen-         Tiermedizin (76 Prozent Frauen), Pädago-          Bei der Betrachtung über einen längeren
schaftliche Karriere und die Verantwortung für      gik (61 Prozent) und Sozialwissenschaften         Zeitraum zeigt sich, dass die Unterschiede
Kinder gehen nicht leicht zusammen; besonders       (58 Prozent) inzwischen stark weiblich ge-        zwischen Männern und Frauen tendenziell
die heute geforderte internationale Mobili-         prägt. Auch in der Humanmedizin (57 Pro-          geringer werden, allerdings ziemlich lang-
tät dürfte hemmend wirken. Mit Kindern zieht        zent) und den Geisteswissenschaften (53 Pro-      sam. Von 2009 bis 2016 ist in der Schweiz
sich’s nicht so leicht von Bern nach Berkeley und   zent) stammen die frischen Doktorarbeiten         der Frauenanteil bei den Doktoraten nur um
dann nach Berlin. Was aber ist der Grund für        mehrheitlich aus Frauenhand.                      2 Prozentpunkte gestiegen (von 42 auf 44
die hartnäckigen Unterschiede nach Fächern?         Untervertreten sind die Frauen unter den Do-      Prozent). «Es ist davon auszugehen, dass es
Verdienst- und Karriereaussichten? Fehlende         zierenden mit Führungsverantwortung, und          noch einige Zeit dauern wird, bis in diesem
Vorbilder? Vorübergehende Trends? Oder doch         zwar auch in jenen Domänen, wo sie noch           Bereich die Gleichstellung von Frau und
eher innere Neigungen, die einer gezielten Be-      beim Doktorat in der Überzahl waren. Etwa         Mann erreicht wird», kommentiert das Bun-
einflussung schwer zugänglich sind? | slt           in der heute stark weiblich geprägten Veteri-     desamt für Statistik.

6 April 2019
Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
Gesundheit      |   VPOD

Umkleidezeit wird Arbeitszeit – die VPOD-Kampagne gewinnt an Fahrt

Ganz in Weiss
Die Forderung des VPOD, dass Umkleiden bezahlte Arbeitszeit ist, wird inzwischen nicht mehr bestritten.
Einige Betriebe haben bereits mit der Umsetzung begonnen. | Text: Elvira Wiegers et al./VPOD (Foto: Gaëtan Bally/Keystone)

Das Geschäft mit der Gesundheit brummt.          Lösung möglicherweise in einer nationalen      im Zürcher Kinderspital («Kispi») dank der
Hunderte von Millionen von Franken wer-          Regelung?                                      Kampagne des Zürcher VPOD-Sekretärs Ro-
den in Neubauten mit todschicken Innenein-       H+ schreibt in einem internen Brief an die     land Brunner ab April eine entsprechende Re-
richtungen gepumpt. Hier ein neues Betten-       Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren:      gelung gelten. Der VPOD wird die konkrete
haus, dort ein Ambulatorium. Das Geld dafür      «Mehrere konsultierte Juristen und das Seco    Umsetzung und deren Auswirkungen auf die
scheint in Hülle und Fülle vorhanden zu sein.    teilen die Ansicht mit H+, dass angeordnete    übrigen Arbeitsbedingungen mit grossem In-
Fehlen tut es dann an einem anderen Ort,         Umkleidezeit Arbeitszeit sei und in geeigne-   teresse verfolgen. Die Stadt Zürich wiederum
nämlich in den Taschen des Personals. Hier       ter Form abgegolten werden müsse. Eine ge-     hat beschlossen, die Frage der Umkleidezeit
wird gespart und geschmürzelt, ungeachtet        nerelle Empfehlung an die Spitäler, Kliniken   für alle städtischen Betriebe und Angestellten
der Tatsache, dass fast 40 Prozent des Gesund-   und Pflegeinstitutionen, Umkleidezeiten als    zu überprüfen, nicht nur für die Spitäler.
heitspersonals wieder aus dem Beruf ausstei-     Arbeitszeit anzurechnen und diese auch zu      Solange die Schweizer Spitäler keine kon-
gen und dass permanenter Personalmangel          bezahlen, macht H+ jedoch nicht.» H+ ist al-   kreten Vorschläge zur Umsetzung machen,
für immer mehr Stress bei jenen sorgt, die       so gegen eine flächendeckende Anerkennung      fordert der VPOD weiterhin seine Mitglieder
den Bettel noch nicht hingeschmissen haben.      der Umkleidezeit und empfiehlt stattdessen     auf, ihm eine Vollmacht für eine Lohnnach-
                                                 eine betriebliche Umsetzung, wo sich eine      forderung für die letzten 5 Jahre zu erteilen.
Der berühmte Tropfen                             Regelung nicht vermeiden lässt.                Bei einer Vollzeitanstellung macht das pro
Das Gesundheitspersonal hat die kontinu-                                                        Kopf rund 2½ Monatslöhne aus. Bereits jetzt
ierliche Verschlechterung seiner Arbeitsbe-      Klage oder Einigung?                           hat die vom VPOD errechnete Klagesumme
dingungen in der Vergangenheit meist ohne        Als erste gab im Februar die Zürcher Schult-   die Millionengrenze überschritten. Ob diese
Murren hingenommen – bis der berühmte            hess-Klinik bekannt, dass sie rückwirkend ab   Lohnnachforderungen vor Gericht durchge-
Tropfen das Fass zum Überlaufen brachte.         Anfang 2019 eine tägliche Umkleidezeit von     setzt werden, hängt schliesslich stark davon
Im Fall des Universitätsspitals Zürich (USZ)     15 Minuten als Arbeitszeit anrechnet. Auch     ab, wie grosszügig die Angebote der Spitäler
war es die Ankündigung eines neuen Garde-        andere Spitäler haben sich inzwischen be-      ausfallen, die Umkleidezeit anzurechnen.
robensystems, das zu noch längeren Umklei-       wegt und mit dem VPOD Gespräche geführt        Der VPOD ist jedenfalls bereit und wird die
de- und Wegzeiten führen wird. Im USZ hat        oder die Einführung der bezahlten Umklei-      Kampagne bis dahin auf weitere Regionen
denn auch im vergangenen September die           dezeit bereits in Angriff genommen. So soll    ausdehnen.
Kampagne «Umkleidezeit ist Arbeitszeit» ih-
ren Anfang genommen. Das grosse und an-
haltende Medienecho hat dazu beigetragen,              Ganz einfach:
dass die Kampagne relativ schnell auch in an-      Wo Arbeitskleidung
                                                    Pflicht ist, gehört
deren Regionen lanciert werden konnte: Noch
                                                   das Umziehen zur
im Dezember des vergangenen Jahres startete               ­Arbeitszeit.
sie in den Kantonen Solothurn und St. Gallen,
im Februar folgte der Kanton Freiburg.
Nachdem die Rechtmässigkeit der VPOD-
Forderung anfänglich von Organisationen
wie dem Verband der Zürcher Krankenhäu-
ser bestritten worden war, anerkennen heute
sowohl Spitäler als auch der nationale Dach-
verband der Schweizer Spitäler H+, aber et-
wa auch die Regierung des Kantons Zürich
Handlungsbedarf. Konkret geht es um die
Umsetzung des nationalen Arbeitsgesetzes.
Die Frage lautet nun: Muss der VPOD mit
jedem einzelnen Schweizer Spital eine eige-
ne Vereinbarung erkämpfen? Oder liegt die

                                                                                                                                  April 2019 7
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VPOD       | Verbandskonferenzen

Verbandskonferenz Gesundheit, 14./15. März im Alten Spital Solothurn, mit Franco Cavalli und Mathias Binswanger als Hauptrednern

Bin i gopfridstutz e Bank?
Das Schweizer Gesundheitswesen krankt. Der Arzt Franco Cavalli und der Ökonom Mathias Binswanger kamen an
der VPOD-Verbandskonferenz Gesundheit in Solothurn zu ähnlichen Diagnosen: Fehlanreize durch falsche
Finanzierung. Namentlich die Teilnehmerinnen sind kampf- und streiklustig. | Text und Fotos: Christoph Schlatter

Kämpferisch aufgestellt: VPOD-Verbandskonferenz Gesundheit.

Zwei Freiburger Kolleginnen gerieten zuerst          Gesundheitswesen funktioniert, auch wenn zwei grossen (und bürgerlicherseits gewoll-
ins Bürgerspital, also ins akut-aktuelle statt       das noch so oft behauptet wird, nicht als ten) Schwächen zum heutigen Übelstand
ins Alte Spital. Aber sie wurden dort sofort         wettbewerbsgesteuerter Markt. Franco Caval- beigetragen. Das sind erstens die einkom-
wieder entlassen und fanden letztlich eben-          li hat über Jahrzehnte als Onkologe gewirkt. mensunabhängigen Krankenkassenprämien,
so den Weg zur Verbandskonferenz wie jene            12 Jahre sass er für die SP im Nationalrat; die das Gesundheitswesen auf den Weg einer
Kolleginnen aus dem Tessin, die zum ersten           als der Wechsel in den Ständerat misslang, Zweiklassengesellschaft eingespurt haben.
Mal in ihrem Leben nördlich des Gotthards            zog er sich aus der Politik zurück. Aus der Bereits heute hängt es auch in der Schweiz
weilten (was die germanischen Götter aller-          Tagespolitik, muss man präzisieren: Sein Re- vom Geldbeutel ab, wie lange man beispiels-
dings mit Dauerregen quittierten). Im Innern         ferat beim VPOD nannte die Profiteure des weise mit Prostatakrebs noch zu leben hat.
war die Stimmung in Solothurn durchaus               heutigen Systems beim Namen: «Heute gilt Neue und wirksame, aber teure Medikamen-
heiter. Heiter, aber kämpferisch, um genau           nicht mehr, dass die Banken in der Schweiz te werden mit künstlicher Verzögerung in
zu sein. Kritisch kann man allerdings sehen,         die stärkste Lobby haben.                                           die Grundversicherung
dass jetzt auch beim VPOD die Grenzen zwi-           Die Krankenkassen und Fehlanreize durch falsche Finanzie- aufgenommen. In der
schen Arbeit und Freizeit verschwimmen.              die Pharmaindustrie ha- rungssysteme: Sie sorgen laut Wolfgang Zwischenzeit überleben
Das Signal zum Umtrunk verband die Konfe-            ben diese Position über- Müller, Präsident der VPOD-Verbands- die Reichen, die Armen
renzleitung mit dem Appell, beim Weisswein           nommen.» Mehr noch: kommission Gesundheit, dafür, dass sterben.
Streikmöglichkeiten für alle Bereiche des Ge-        Höchstens noch im Dro- die Patientin nicht mehr im Mittelpunkt Der zweite grosse Fehler
sundheitswesens zu erörtern, die anderntags          genhandel und in der steht. Katharina Prelicz-Huber, VPOD- ist die unterschiedliche
abgefragt würden . . .                               Prostitution werde so viel Präsidentin, betonte in ihrem Gruss- Finanzierung von ambu-
                                                     Geld verdient wie bei der wort, dass durch diese Verschiebung lantem und stationärem
Fehlanreize aller Art                                Pharma, sagte Cavalli.      besonders die Pflege in eine schwierige Bereich. Bekanntlich wer-
Auch wenn die beiden Hauptreferenten aus             Weiter: Das Krankenver- Position geraten ist, weil sie «kein Geld den ambulante Leistun-
verschiedenen Disziplinen stammen – der              sicherungsgesetz KVG bringt». Was schafft Abhilfe? Das kurz- gen (abzüglich Franchise
eine Arzt, der andere Ökonom –, kamen sie            – obwohl seinerzeit ein und mittelfristig zu erörtern, war eine und Selbstbehalt) voll von
doch zu ähnlichen Schlüssen. Nämlich: Das            Fortschritt – habe mit der Aufgaben der Konferenz. | slt            der Kasse bezahlt, statio-

8 April 2019
Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
Verbandskonferenzen            |   VPOD

näre aber zu 55 Prozent durch die Kantone.          ben in mehreren Versuchen bis dato ohne Er-        zielt auf den genau gleichen wunden Punkt:
Weil immer weniger stationär und immer              folg war. (Per Resolution zeigte die Verbands-     die Unfähigkeit zur Korrektur infolge fehlen-
mehr ambulant gemacht wird, steigen die             konferenz der «Einführung des Monismus»            der oder falscher Analyse.
Krankenkassenprämien überproportional.              unter Ägide der Kassen die rote Karte; eine        Volkswirtschaftler Binswanger sprach von den
Namentlich die teuren Vor- und Nachunter-           zweite Resolution warnt vor der weiteren De-       drei grossen Illusionen, die sich im Schweizer
suchungen werden heute meist ambulant               regulierung der Arbeitszeiten – im Gegenteil       Gesundheitswesen türmen. Es ist a) ein Irr-
gemacht. Eine Finanzierung aus einer Hand           müsse das Arbeitsgesetz geschärft werden.)         tum zu glauben, dass künstlicher Wettbewerb
hält Cavalli daher theoretisch für erstrebens-                                                         dort für Effizienz sorgt, wo gar kein Markt be-
wert – aber natürlich nicht so, wie sich das        Verzögert, aber akribisch                          steht. Der Gedanke, dass sich qualitative Leis-
die Krankenkassenlobby vorstellt, «sondern          «Dinge, die sich im Ausland nicht bewährt          tung mit zwei, drei Kennzahlen messen lässt,
nur dann, wenn Macht und Daten in den               haben, werden in der Schweiz mit Verzöge-          ist b) ebenfalls falsch. Und eine Fehlannah-
Händen des Volkes liegen». Es gälte also, eine      rung eingeführt, dafür mit besonderer Ak-          me liegt c) auch der Vorstellung zugrunde,
Art Einheitskasse nach Art der Suva oder der        ribie . . .» Das Zitat von Mathias Binswanger,     nur mit Zuckerbrot und Peitsche lasse sich
AHV zu errichten – auch wenn dieses Vorha-          dem zweiten Hauptredner der Konferenz,             Höchstleistung aus ansonsten trägen Men-

Freiburg: So geht Streik
Die Freiburger Kolleginnen und Kollegen haben       Der Schlüssel zum Erfolg: Die einzelnen Abtei-     beit zu melden. Stockholm-Syndrom? Der SBK,
die Expertise: Sie haben letztes Jahr im Mai vor-   lungen entwickelten kreativ ihre eigenen Ideen.    der sich vom Streik distanzierte, weil man damit
gemacht, wie sich im Gesundheitswesen strei-        Man vernetzte sich per Whatsapp und Facebook       «Patienten als Geiseln» nehme, würde es wohl
ken lässt. Wolfgang Müller, Präsident der VPOD-     und schaute, was die anderen vorhaben. Eini-       so erklären . . . Jedenfalls waren auch die Medien
Verbandskommission Gesundheit, schilderte           ge Ideen wurden breit aufgenommen, etwa            zur Stelle, auch jene des bewegten Bildes.
den Hintergrund der Mobilisierung: Das Spital-      die schwarzen T-Shirts mit den Aufklebern «Im      «Es ist nicht das VPOD-Sekretariat, das den
personal sollte aus dem kantonalen Personal-        Streik, aber da für Sie». Für manche war ein       Streik macht – es sind die Mitarbeitenden»,
recht ausgestossen werden – Verschlechterung        Bleistiftstreik die adäquate Form. Beim Röntgen    unterstreicht VPOD-Regionalsekretärin Cathe-
der Arbeitsbedingungen aus Spargründen. Es          und im OP wurde alles vertagt, was aufschieb-      rine Friedli. Sie sieht den enormen Erfolg vor
war nur wenig Zeit, also berief man sofort eine     bar war. Die Maternité hüllte sich in Rosa. Aus    allem auch der guten Vorbereitung geschul-
Versammlung ein, zu der 140 Leute erschienen.       der Küche kam für einmal lediglich ein Einheits-   det, der Tatsache, dass im Vorfeld viel Zeit
Streik? Oder eher Aktionstag? Bewusst liess man     menü. Im Vollstreik waren vielleicht zwei Dut-     darauf verwendet worden war, mit den Leu-
diese Frage in der Schwebe. Bei manch einer         zend Beschäftigte. Viele verlängerten die Pause    ten vor Ort zu diskutieren. Ihre Forderungen
Pflegekraft stösst ja das Wort «Streik» erst ein-   zugunsten von Aktionen.                            – und auch ihre Bedenken hinsichtlich eines
mal auf Widerstand. «Wir werden doch nicht          Die Bewegung hatte offensichtlich die Sympa-       Streiks – wurden gehört; gleichzeitig wurde
unsere Patientinnen und Patienten im Stich las-     thie der Öffentlichkeit und wurde auch aus den     auch erläutert, was die Personalreform ihnen
sen», lautet oft die erste Reaktion. Das verlangt   Krankenbetten heraus mit grösstem Wohlwollen       zumuten will. Die elektronischen Plattformen
auch gar niemand.                                   bedacht. Frisch Operierte mussten im Aufwach-      vermögen die konkrete Begegnung in keiner
Um 6 Uhr morgens am fraglichen Tag wurden           saal daran gehindert werden, aus ihren Betten      Weise zu ersetzen. Aber sie verstärken sie.
an allen 6 Standorten des Spitals Freiburg ein-     zu klettern und sich am Streikposten zur Mitar-    | slt (Foto: Pierre-Yves Massot)
schliesslich Psychiatrie je zentrale Streikposten
eingerichtet, die als Café, als Biwak, als Dreh-
scheibe funktionierten; den ganzen Tag über ver-
sammelten sich dort Leute. Um 11.30 Uhr gab’s
Versammlungen mit Reden vor Ort, am Abend
war eine Gesamtdemo in der Innenstadt, auf
die allerdings der heftigste Gewitterregen nie-
derprasselte, den Freiburg seit Langem gesehen
hatte (siehe Foto). Der Wirkung tat das keinen
Abbruch. Die Motion, die dem Gesundheitsper-
sonal an den Kragen wollte, wurde im Parlament
vertagt. Als sie im November erneut angesetzt
war, drohte das Personal mit einem weiteren
Streiktag. Es folgte die Beerdigung der Idee.
Und fast gleichzeitig ein Bundesgerichtsurteil,
das ein von rechter Seite angestrebtes generel-
les Streikverbot für das Gesundheitspersonal als
unzulässig erklärt.

                                                                                                                                           April 2019 9
Schönes Ei? Faules Ei! Nein zur AHV-Steuervorlage - Die Gewerkschaft - Vpod
VPOD      | Verbandskonferenzen

                                                                                                          rung die Kosten je Fall drücken. Knie- und
                                                                                                          Hüftgelenkoperationen oder Herzkatheter
                                                                                                          beispielsweise sind einträglich. Die Vorhal-
                                                                                                          tung ausreichender Bestände von Pflegeper-
                                                                                                          sonal ist es nicht.

                                                                                                          Kämpfe intensivieren
                                                                                                          Der Abbau von Pflegepersonal in Deutsch-
                                                                                                          land, wo man die Pauschalen seit 2003
                                                                                                          kennt, war dramatisch. Selbst die (unver-
                                                                                                          dächtige) NZZ geht von Hunderten vermeid-
                                                                                                          barer Todesfälle infolge fehlender Pflege
                                                                                                          aus. Gleichzeitig ist, zulasten von ärztlichen
                                                                                                          und pflegerischen Kernaufgaben, eine Con-
     Zeigt die Fehlfunktionen: Mathias Binswanger.                Nennt die Schuldigen: Franco Cavalli.   trollingbürokratie errichtet worden. Dorthin
                                                                                                          führen Massnahmen, die zu «mehr Markt»
                                                                                                          führen sollen, in einem unechten Markt fast
                                                                                                          zwingend. Beispiel USA: Die Gesundheits-
schen herauskitzeln oder -prügeln. – Ein sehr        ter auf; britische Hausärztinnen und Haus-           ausgaben liegen bei 17 Prozent des Bruttoin-
schönes Beispiel für verfehlten künstlichen          ärzte werden inzwischen nach 149 Kriterien           landprodukts (Schweiz: 11 Prozent). Die Leute
Wettbewerb: Als die Behörden der Rattenpla-          beurteilt . . .                                      sind aber nicht gesünder und werden nicht
ge zu Hanoi durch Prämien für die Abgabe             Schliesslich lässt sich durch «methodisier-          älter, im Gegenteil.
toter Tiere Herr zu werden trachteten, fing          tes Misstrauen» – die Unterstellung, ohne            Trotz Niederlagen in der Vergangenheit führt
die Bevölkerung mit der Rattenzucht an. Es           engmaschige Überprüfung werde gefaulenzt             auch nach Meinung der Verbandskonferenz
wäre die Steuerung via Nachfrage, die einen          oder geschludert – die ursprünglich vorhan-          kein Weg daran vorbei, die bisherigen Kämp-
funktionierenden Markt kennzeichnet. Im              dene Motivation problemlos unterminieren.            fe fortzusetzen – und sie zu intensivieren. Ein
Gesundheitswesen existiert das nicht: Zu             Und gerade Pflegende sind ja von hohem En-           gutes Beispiel, wie das gemacht wird, lieferte
gross ist die Informationsasymmetrie zwi-            gagement getragen, mindestens am Anfang              am Freitag die VPOD-Region Freiburg (sie-
schen Anbietern und Nachfragenden. Rät mir           ihrer Laufbahn. Auch hierzu servierte Bins-          he vorherige Seite). Weil das Gesundheits-
der Arzt zur OP, werde ich sie machen lassen.        wanger ein Beispiel: Die Qualität des gespen-        wesen eine sehr weibliche Branche ist, ver-
Rät die Ärztin ab, schlucke ich halt Pillen.         deten Blutes sinkt, wo Blutspenden bezahlt           linkt sich das gut mit dem Frauenstreik. Der
Die Nachfrage wird so letztlich über das An-         werden. (Dann spenden nämlich diejenigen,            Forderungskatalog listet auf: höhere Löhne,
gebot gelenkt. «Und dies geht mit einer per-         die Geld dringend nötig haben, im Zweifels-          Arbeitszeitverkürzung, frühzeitig kommu-
manenten Mengenausweitung einher», so                fall nicht so gesunde Randgruppen also.)             nizierte Dienstzeiten (namentlich fixe freie
Binswanger, der dabei dieses hübsche kleine          Die aktuellen Fehlentwicklungen im Ge-               Wochentage), Frühpensionierungsmöglich-
Eugen-Roth-Poem zitierte: «Was bringt den            sundheitswesen haben mit den genannten               keiten, berufslebenslanger Zugang zu Wei-
Doktor um sein Brot? / a) die Gesundheit             Illusionen zu tun. Insbesondere Spitäler, die        terbildung. Eine kleine Debatte entstand über
b) der Tod. / Drum hält der Arzt, auf dass er        bei möglichst geringen Behandlungskosten             die Frage, ob Zeit für die Betreuung kranker
lebe / Uns zwischen beiden in der Schwebe.»          möglichst viel Geld aus den Fallpauschalen           Kinder eine spezifische Frauen(streik)forde-
                                                     herausmelken wollen: «Patienten sind zu              rung sei. Fazit: Eigentlich zwar nicht (weil
Ein Mannschaftssport                                 einer Art Portfolio geworden, das man opti-          schliesslich auch der Papa sich mal kümmern
Zudem werden Leistungen abseits des                  miert, um ein möglichst gutes Ergebnis zu            könnte), aber faktisch dann doch (weil es die
Fliessbands weitgehend im Team erbracht.             erzielen.» Also mit Diagnosen, die möglichst         Frauen sind, die die dummen Sprüche und
Wie misst man wessen Anteil? Was misst               lohnend sind, mit Operationen, die sich ter-         die Missbilligung abkriegen – und auch und
man überhaupt? Ad-absurdum-Führung                   minieren lassen und die dank Standardisie-           nur schon wegen der Alleinerziehenden).
durch Binswanger in wenigen Schritten
am Beispiel des Fussballs, wo gute Arbeit
immer die Arbeit von mehreren ist. Die                          Die neu gewählte VPOD-Verbandskommission Gesundheit: Seddik Benlahcene (Genf,
Leistung des Stürmers nach erzielten Toren                      neu), Deborah Bouyol (Genf), Gloria Castro (Genf, neu), Ghislaine Clément (Freiburg,
beurteilen? Dann werden keine Querpässe                         neu), Nadine Constantin (Zürich, neu), Barbara Dörig (Bern, neu), Herbert Eggs (Ba-
mehr gespielt, alle suchen den Abschluss.                       sel), Bernd Eiben (Basel), Jantine Engel (Zürich), Anna Gunkel (Ostschweiz), Dorina
Und wie werden Mittelfeldspieler und Ver-                       Hassler (Zürich), Thierry Humbert-Droz (Freiburg), Tabea Käser (AG/SO, neu), Sabrina
teidiger in einem solchen System honoriert?                     Khaled (Genf, neu), Heinz Lanz (Ostschweiz), ­Fabienne Lussmann (Basel), Chantal
Im Zweifel misst man eben, was sich mes-                        Mazzolini (Neuenburg), Wolfgang Müller (Präsident, Freiburg), Urs Pfister (Bern),
sen lässt – und das ist meist nicht das, was                    Patrick Portmann (Schaffhausen), Chusa Puras (Genf), Bernd Rosenkranz (AG/SO),
aussagekräftig wäre. Die Ausschaltung von                       Franziska Tschannen (AG/SO), Laurentina Vais (Genf), Irene Wittwer (Bern), Samuel
Fehlanreizen bläht Indikatorensysteme wei-                      Woodtli (Bern).

10 April 2019
Dossier: Nein zur AHV-Steuervorlage STAF

Interview mit Regula Rytz, Nationalrätin, Parteipräsidentin Grüne

«Der Deal ist ein Weg in die Sackgasse»
Der VPOD und die Grünen haben das Referendum gegen die Steuer-AHV-Vorlage STAF gestemmt und kämpfen fast
allein gegen den Rest der Welt. Regula Rytz, Nationalrätin und Präsidentin der Grünen und VPOD-Mitglied, leistet
Überzeugungsarbeit. | Interview: Christoph Schlatter (Foto: Béatrice Devènes [Porträt] und Søren/photocase.de)

VPOD-Magazin: Regula Rytz, ich weiss, dass
es trotz der Parole auch in unserem Verband
mancherorts Zweifel am Nein zu STAF gibt.
Stell dir also vor, ich wäre ein VPOD-Mitglied
aus dem Ja-Lager, das es umzustimmen gilt.
Dieses Mitglied sagt zum Beispiel: Bei einem
Nein kommen wir nicht voran mit der Ächtung
der verpönten Steuerprivilegien. Die bleiben
dann ja bestehen – und die Schweiz landet
auf der schwarzen Liste der Steuersünder.
Regula Rytz: Wir haben bis 2021 Zeit und
bleiben bis dahin, wo wir heute sind: auf
der grauen Liste. Denn die Schweiz ist –
aus OECD-Sicht – «too big to be listed», zu
wichtig, als dass man die Verbindungen zum
Finanzplatz so einfach kappen könnte. Aber
selbstverständlich müssen wir diese unge-
rechten Steuerprivilegien so rasch als mög-
lich entsorgen. Ein Nein zu STAF macht den
Weg frei für eine Vorlage, die endlich um-
setzt, was die Bevölkerung schon lange will:                                                                         Regula Rytz, Nationalrätin und
eine Korrektur der Steuerdumping-Politik,                                                                       ­Präsidentin Grüne, VPOD-Mitglied.
aber ohne Steuerausfälle. Das deutliche Nein
zur Unternehmenssteuerreform III (USR III)
wird ja mit der jetzigen Vorlage schlicht sunden Steuerwettbewerb weiter an, sowohl               die Feststellung, dass die Staatsausgaben
nicht respektiert. Niemand kann mir sagen, innerhalb der Schweiz als auch international.          nicht mehr finanzierbar sind. Man verordnet
wie Kantone und Gemeinden ein Loch von Die Senkung der Unternehmensgewinn-                        Zwangsferien an den Schulen . . .
2,1 Milliarden Franken stopfen wollen.           steuern geschieht auf der kantonalen             ... und man baut im Sozialbereich
Aber STAF ist doch besser als die                Ebene und muss auch dort bekämpft                dramatisch ab.
USR III. Die Dividendenbesteuerung auf           werden, tönt es aus dem linken Ja-Lager.         Ebenso dramatisch ist, dass man die Steuern
Bundesebene wird erhöht, zum Beispiel.           Genau. Doch nur im Kanton Bern haben             kaum mehr hochkriegt, wenn sie einmal im
Es gab einige Verbesserungen, richtig. Aber es Grüne, SP und Gewerkschaften letzten               Keller sind. Aus Konkurrenzgründen gelte
sogar Bürgerliche sprechen von «altem Wein Herbst gemeinsam geschafft, eine schädli-              es, jetzt noch diese und jene und dann noch-
in neuen Schläuchen». Auch der SGB hat die che Unternehmenssteuersenkung zu Fall zu               mals eine Durststrecke zu überwinden, flö-
neuen Vorschläge von                                                 bringen. Jetzt bleibt Bern   ten die Bürgerlichen. Dabei verfolgen sie eine
Ueli Maurer vor einem                                                bei seinen vergleichs-       knallharte Agenda: Rückbau der staatlichen
Jahr noch in die Pfanne
                                     «Das deutliche Nein             weise hohen Unterneh-        Leistungen, Rückbau der Sozialausgaben,
gehauen. Jetzt, wo man              zur USR III wird mit             menssteuern – und gerät      Rückbau des Service public. Damit waren sie
die Vorlage mit einer              der STAF-Vorlage nicht            zunehmend unter den          lange sehr erfolgreich – bis zur USR III. Die-
AHV-Finanzspritze an-                                                Druck der Nachbarkan-        se Abstimmung markiert eine Trendwende.
                                         ­respektiert.»                                           Und darum ist es umso schlimmer, dass jetzt
gereichert hat – im Wis-                                             tone. Solothurn will den
sen, dass sie sonst an der                                           Gewinnsteuersatz für         das gleiche Konzept nochmals in Geschenk-
Urne chancenlos ist –, soll das alles vergeben Unternehmen auf 13 Prozent senken – und            verpackung vorgelegt wird.
und vergessen sein? Es geht erneut um Steu- wird also in die gleiche Falle laufen, in die         Aber der Druck auf die kantonalen
erausfälle von über 2,1 Milliarden Franken. schon Obwalden oder Luzern getreten sind.             Unternehmenssteuern bleibt ja auch
Und auch diese neue Vorlage heizt den unge- Am Ende der Tiefsteuer-Fahnenstange steht             bei einem Nein zur STAF bestehen.

                                                                                                                                    April 2019 11
Dossier: Nein zur AHV-Steuervorlage STAF

Bern hat gezeigt: Wir können das aufhalten, Kanton Zug, wo man es mit der Ansiedelung Immerhin ergäbe sich bei der AHV auf
wenn wir zusammenstehen. Bedenklich aber von Statusgesellschaften besonders bunt ge- diese Weise eine Verschnaufpause.
ist die neue Logik, wie sie vom Kanton Waadt trieben hat. Nochmals: Ich kritisiere die Logik Der enorme Druck von roten Zahlen
vorgelebt wurde: die Koppelung von hohen – oder besser Unlogik – hinter dieser Reform. wird mindestens verzögert.
Steuersenkungen mit sozialen «Akzeptanzför- Wenn die Unternehmensgewinne zunächst Stimmt. Ich habe deshalb im Parlament ver-
derungsmassnahmen». Dabei kann man den mit Sonderinstrumenten kleingerechnet und sucht, die Vorlagen aufzutrennen, sogar mit
gleichen Franken nur einmal ausgeben.            dann auch noch niedriger besteuert werden, einem Vorschlag, der den Deal-Befürwor-
Das geht jetzt an die Adresse des neuen SGB-     dann führt das langfristig zu einer Erosion terinnen und -Befürwortern weit entgegen-
Präsidenten, der diese Politik als Regierungsrat der Steuererträge. Und das können wir uns kam: getrennt abstimmen, aber die Vorlagen
verantwortet.                                                          einfach nicht leisten. verknüpft lassen. Dann wäre in der Abstim-
Die dahinterstehende                                                   Nochmals Solothurn als mung wenigstens klar geworden, wo die Be-
Philosophie funktioniert
                                 «Sozialstaat auf Pump? Beispiel: Dort werden völkerung steht. Aber eigentlich wissen wir es
nicht. Die Gemeinden                    Das kann auf                   heute 96 Prozent der ja auch so: Wir stimmen im Mai über ein lin-
im Kanton Waadt muss-                längere Sicht einfach             Unternehmen normal kes Referendum gegen die Steuerreform ab;
ten für 2019 die Budgets                                               besteuert. Und genau für wir haben 55 000, die AHV-feindlichen Jung-
kürzen und planen Steu-
                                       nicht aufgehen.»                sie will der Kanton jetzt bürgerlichen nur lächerliche 5000 Unter-
ererhöhungen für die                                                   den Steuersatz von 21 schriften eingereicht. Hat das Parlament auch
ganz normalen Leute. Das ist doch absurd!        auf 13 Prozent senken. Dadurch entfallen 87 nur ein Minimum an Anstand, dann wird es
Das ist ja genau die Politik der                 Millionen Franken an Steuereinnahmen – je- nach einem Scheitern der STAF umgehend
aktuellen Regierung Salvini/Di Maio              des Jahr. Nur um gegenüber dem Pharmasitz den AHV-Teil der Vorlage beschliessen. Das
in Italien. Sozialstaat auf Pump ...             Basel konkurrenzfähig zu sein?                  braucht nicht länger als ein paar Monate Zeit.
. . ., was auf Dauer einfach nicht aufgehen Kein Zweifel: Der Steuerwettbewerb ist               Du sprichst von diesem Parlament?
kann. Auch im Tessin wurde eine Steuerent- schlimm und treibt üble Blüten. Aber jetzt geht You dream, du ...
lastung für Unternehmen und Reiche mit es bei STAF ja auch um eine Finanzspritze                 Die AHV-Finanzspritze wird heute von CVP
mehr Geld für Kitas und Kinderzulagen ver- an die AHV. Da gibt es zwei Haltungen.                bis FDP über den grünen Klee gelobt. Das ist
süsst. Am Schluss stimmten nur 50,1 Prozent Man kann a) sagen: Das ist halt Politik –            ein schöner Nebeneffekt unserer Kampagne.
dem Deal zu. Opposition gegen solche Päckli ein Geben und ein Nehmen. Und diese                  Das Parlament steht beim wichtigsten Sozial-
ist ungeheuer schwer. Dabei ist die Steuerbe- 2 Milliarden für die AHV, die da auf dem           werk der Schweiz klar in der Verantwortung.
lastung als solche ja gar nicht das Problem.     Tisch  sind, lassen wir gewiss nicht liegen.    Den Verfassungsauftrag der Existenzsiche-
Wenn jetzt beispielsweise Ypsomed, eine Oder man markiert b) die heilige Jungfrau                rung erfüllt die AHV schon lang nicht mehr.
Medizintechnikfirma in Burgdorf, mit dem von Orléans, besteht auf der reinen Lehre               Wenn sie in einer Krise steckt, braucht es
Umzug nach Solothurn droht, dann begrün- und geht lieber in den Feuertod, als mal                Notmassnahmen. Dazu muss auch eine CVP
det sie das nicht damit, dass sie die Berner eine etwas gruusige Kröte zu schlucken.             bereit sein. Und wenn die sozialen Kräfte bei
Steuern nicht zahlen könnte. Sondern damit, Das hat mit Jeanne d’Arc nun wirklich gar den Wahlen im Herbst zulegen, können wir
dass es in Solothurn mit der geplanten Tief- nichts zu tun! Denn                                                       endlich wieder in die
steuerstrategie einfach billiger wird. Dabei erstens zeigt die Ver-                                                    Offensive gehen. Wir
ist doch genug Geld vorhanden – genug für knüpfung mit der AHV-
                                                                                   «Zwei Geschäfte ohne                müssen die Wahlen ge-
die Finanzierung eines Sozialstaats, der die- Finanzspritze ja deut- ­inhaltlichen Zusammenhang winnen, nicht Milliar-
sen Namen verdient, für die AHV, für eine lich, dass eine «nackte»                       zu verknüpfen,                den an Steuergeschen-
gute Bildung, für Kultur, für öffentliche Inf- Steuerreform wegen der                                                  ken verteilen!
rastruktur. Allein in diesem Frühling werden Ausfälle bei Bund und
                                                                                    halte ich für falsch.»             Du hast im Nationalrat
in der Schweiz 100 Milliarden Franken an Kantonen chancenlos                                                           grundlegende Kritik
Dividenden ausgeschüttet. 100 Milliarden! wäre. Und zweitens ist und bleibt der Deal an solchen Multipack-Vorlagen geübt:
40 davon von SMI-Firmen. Von diesem Geld ein Weg in die Sackgasse. Jetzt wird dekoriert «Wenn es wirklich die neue Philosophie
fliesst ein grosser Teil ab an Aktionärinnen und verziert und mit Schlagrahm garniert. dieses Parlamentes ist, dass man alles
und Aktionäre im Ausland. Statt den Ertrag Aber dass die AHV immer mehr in Schieflage irgendwie miteinander verknüpfen kann,
der Arbeit gerechter zu verteilen, verschärft gerät, hat den genau gleichen Grund wie der dann haben wir ein grosses Problem, dann
die STAF die Ungleichheit.                       zunehmende Finanzbedarf der öffentlichen wird unsere Arbeit vollends unplanbar und
Es gibt immerhin eine Bundesmilliarde,           Hand in den Bereichen Gesundheit und Sozia- chaotisch.» Wo verläuft denn die Grenze
die den Kantonen bzw. den Kommunen               les – nämlich die demografische Entwicklung. zwischen einem «anständigen» und
zur Kompensation der Verluste                    Wenn die Babyboomer-Generation in Rente einem «unhygienischen» Kompromiss?
zur Verfügung gestellt wird.                     geht, dann belastet das die AHV – und gleich- Zwei Geschäfte zu verknüpfen, die inhaltlich
Hier muss man zuerst festhalten, wie un- zeitig brauchen wir mehr Heimplätze, mehr keinen Zusammenhang haben, ist falsch.
gleich dieses Geld verteilt wird. Jene Kantone, Spitex, mehr Pflege, mehr Betreuung, mehr Kompromisse geht man innerhalb eines
die beim Steuerdumping an vorderster Front EL. Da kann man unmöglich gleichzeitig in Gesetzes ein oder mindestens innerhalb des
mitmachen, werden belohnt. Das einwohner- vielen Kantonen und Gemeinden die Steuern gleichen Themas. Die Verheiratung von sach-
starke Bern bekommt gerade so viel wie der senken. Genau das ist aber die Folge der STAF. fremden Geschäften ist eine Unsitte, die aus

12 April 2019
Dossier: Nein zur AHV-Steuervorlage STAF

 In die Sackgasse steuern?
         Regula Rytz zeigt
             Wege aus der
 verhängnisvollen Spirale.

der Logik der Macht geboren ist: Wer kann,         Weil: Wenn ich dem Volk die Sachen einzeln    fast nicht mehr zu stemmen – auch finanzi-
darf alles. Eine Demokratie aber braucht ver-      gebe, sagt es Ja zu allem Schönen und Nein    ell, wenn wir uns dann im Abstimmungs-
bindliche Regeln. Schliesslich wird auch von       zu den damit verbundenen Zumutungen. Es       kampf den Millionen von Economiesuisse ge-
Volksinitiativen verlangt, dass sie die Einheit    zeigt sich doch, dass so etwas Komplexes wie  genübersehen. Nur wenn wir das Parlament
der Materie respektieren.                          die Altersvorsorge in unserem Politsystem     im Herbst wieder nach links verschieben,
Wer viele Dinge in eine Vorlage verwurstet,        fast nicht zu reformieren ist. Auch bei       wird es auch unter der Bundeskuppel wie-
schafft auch grössere Angriffsflächen und          der Umweltpolitik ist man gern bei einer      der konstruktivere Arbeit geben, vernünftige
die Möglichkeit, dass sich Nein-Stimmen            2000-Watt-Gesellschaft und einer Senkung      Kompromisse, die im Volk auch ohne Deals
kumulieren. So wie bei der Altersreform 2020.      der Erderwärmung dabei, lehnt dann aber       mehrheitsfähig sind.
Genau. Nicht nur die Willensäusserung der          die schmerzhaften Massnahmen ab.              Unser VPOD-Mitglied kommt
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wird              Ich sehe das vor allem als Ausdruck der ver- zurück zur Anfangsfrage: Wie weiter
erschwert. Sondern auch die Interpretation         härteten Situation, wie sie hier im Parlament bei einem Nein zu STAF?
des Ergebnisses. Klar, es gibt in den meisten      seit den letzten Wahlen besteht. Es gelingen Die AHV-Finanzspritze kann rasch eingeführt
Vorlagen Dinge, die einem gefallen, und an-        keine guten Kompromisse mehr. Es werden werden, denn von den Grünen bis zur FDP
deres, das man eher ablehnt. Doch gerade in        Vorlagen produziert,                                               unterstützen alle die-
der Steuerpolitik war der Auftrag der Bevöl-       die überfrachtet sind.                                             se Sofortmassnahme.
kerung eindeutig: Eine soziale Gegenfinan-         Andere sind haar- und           «Nur wenn das Parlament Und dann müssen die
zierung muss über diejenigen laufen, die von       zahnlos, wenn sie aus            im Herbst deutlich nach           heutigen Steuerprivile-
den Tiefsteuern profitieren. Also über Aktio-      dem Parlament kom- links rückt, wird konstruktive gien ersatzlos entsorgt
näre und Unternehmen, die ja auch unsere           men. Solche gerupften                                              werden. Die Unterneh-
Infrastruktur benützen und es schön finden,        Hühner überzeugen
                                                                                    Politik wieder möglich.»          men brauchen Zeit für
dass sie trotz der vielen Millionen, die sie be-   dann niemanden mehr                                                die Umstellung, und
sitzen, am Zürichsee ohne Leibwächter einen        – und fallen durch. Wir brauchen also in die- natürlich kann der Bund den Kantonen und
Kaffee trinken können. Wir dürfen diese Er-        sem Wahlherbst dringend eine Korrektur.       Gemeinden auch unter die Arme greifen.
rungenschaften doch nicht zu einem Spott-          Das sehe ich genau so. Dieses Parlament       Aber neue Bundesmittel müssen mit einer
preis verkaufen. Sie werden von Bauarbeitern       macht uns ja ungeheuer viel Arbeit, auch wenn Untergrenze für den kantonalen Unterneh-
und vom Pflegepersonal, von den ganz nor-          wir nur die gröbsten Fehlentscheidungen       menssteuersatz verbunden sein – 16 oder
malen Steuerzahlenden finanziert.                  per Referendum korrigieren.                   noch besser 18 Prozent, sonst dreht die Steu-
Aber liegt in diesem Trend zur Verknüpfung         Und die nächsten Angriffe sind schon in der ersenkungsspirale einfach weiter. Ich bin
nicht auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit?         Pipeline. Nach jeder Session eines oder zwei zuversichtlich, dass ein neues Parlament mit
Sogar eine Krise der direkten Demokratie?          Referenden? Das ist für unsere Bewegungen anderen Mehrheiten diese Kurve kriegt.

                                                                                                                                 April 2019 13
Dossier: Nein zur AHV-Steuervorlage STAF

Ein Nein zu STAF macht den Weg frei für eine gerechtere Vorlage

Aufgewärmter Steuerbschiss
Steuergeschenke an internationale Grosskonzerne – beziehungsweise deren Aktionärinnen und Aktionäre im
Ausland – sind unverantwortlich, ob als Unternehmenssteuerreform III oder als STAF. Jemand muss ja den Service
public finanzieren. | Text: Katharina Prelicz-Huber, VPOD-Präsidentin (Foto: Mischa Scherrer [Porträt] und margouillatphotos/iStock)

Die Schweiz und viele ihrer Städte wie etwa          Service public die Steuern für Reiche und
Zürich sind im weltweiten Ranking top und            Grossunternehmen gesenkt werden. Der
damit ideale Orte für internationale Unter-          internationale Druck zwingt den Bund zu
nehmen, weil wir (noch) einen hochstehen-            Recht, Steuerprivilegien für global tätige Fir-
den Service public anbieten können. Die              men mit Sitz in der Schweiz abzuschaffen.
Steuerbelastung ist längst nicht der wichtigs-       Dann müssten höhere Steuern fliessen, was
te Standortfaktor; viel zentraler sind qualita-      im EU-Vergleich gerechtfertigt wäre. Nicht so
tiv gute Bildung, Forschung, Gesundheits-            bei STAF: Zwar werden die Privilegien auf
wesen, eine funktionierende Verwaltung,              der Bundesebene abgeschafft, was zu einer
Rechtssicherheit, öffentlicher Verkehr, Kin-         Erhöhung der Unternehmensbesteuerung
derkrippen, Kulturangebote. Solche Dinge             führt. Aber damit die privilegiert Besteuerten
überzeugen Firmen wie Google, ihren Sitz in          doch nicht mehr zahlen müssen, schafft man
die Hochpreis- und Hochsteuer-Stadt Zürich           ihnen neue Steuerschlupflöcher und fordert
zu verlegen. Diese Wettbewerbsfähigkeit ist          die Kantone auf, die Gewinnsteuern für alle
einzigartig und bildet die Grundlage für un-         Unternehmen drastisch zu kürzen – auch für
ser hohes Wohlstandsniveau. Die STAF greift          die heute ordentlich besteuerten.
dieses Erfolgsmodell an.                             Es wird argumentiert, sonst drohe ein Aus-
                                                     zug der internationalen Konzerne. Aber wo-
Privilegien müssen ganz weg                          hin sollen die Unternehmen denn ziehen?              Katharina Prelicz-Huber.
Was das Parlament mit STAF in rekordver-             Welches Land bietet eine so hohe Lebensqua-
dächtiger Schnelle produziert hat, ist unge-         lität und Infrastruktur zu so tiefen Steuern?
heuerlich. Die Vorlage foutiert sich um die          Trotzdem haben die Kantonsregierungen                Kantonen und die internationale Steuerflucht
Gründe, die zum Nein zur Unternehmens-               sich sofort an die Arbeit gemacht, obwohl            auf Kosten der Entwicklungsländer werden
steuerreform III (USR III) geführt haben:            nur wenige Kantone von Statusgesellschaften          somit geradezu angeheizt. Die Schweiz ge-
Das Volk wollte nicht, dass auf Kosten des           profitieren. Der Steuerwettbewerb unter den          hört schon heute international zu den Län-
                                                                                                          dern mit den tiefsten Unternehmensgewinn-
                                                                                                          steuern. Nach der Annahme von STAF wäre
                                                                                                          sie weltweit die Nummer 1. Und sie käme
An der Nase herumgeführt in 3 Akten                                                                       bald erneut auf die schwarze Liste im Rah-
Die Praxis, internationale Firmen mit Steuerrabat-   keit, mittels Ausschüttung von Kapitalreserven       men der internationalen Bemühungen gegen
ten anzulocken, begann in den Kantonen. 1998,        anstatt Dividenden die Steuerpflicht zu umgehen.     Steuervermeidung der Grosskonzerne.
mit der USR I, stieg auch der Bund in dieses «Ge-    Allein diese Umetikettierung führt zu Ausfällen
schäftsmodell» ein: Speziell die Abschaffung der     von 0,9 bis 1,2 Milliarden Franken pro Jahr. Pro-    Wer soll das bezahlen?
Kapitalsteuer auf Bundesebene sollte die Schweiz     phezeit waren bei dieser Position «ungefähr 56       Das Resultat von STAF ist ein massiver Steu-
als Steuerdomizil für Grosskonzerne attraktiv ma-    Millionen Franken». Merci, Merz!                     erausfall. In jedem Kanton muss nun das
chen.                                                Bei der USR III war der Widerstand erstmals er-      Referendum gegen die fatalen Gewinnsteuer-
Als grösster Bschiss der jüngeren Schweizer Ge-      folgreich. Perfid war 2017 in erster Linie, dass     Senkungen ergriffen werden mit sehr unter-
schichte ist die von Bundesrat Rudolf Merz ver-      der Druck zur Abschaffung verpönter Steuerpri-       schiedlichen Erfolgsaussichten. Und sind die
antwortete USR II in die Annalen eingegangen.        vilegien als Vorwand für eine noch allgemeinere      Steuern einmal gesenkt, wird das Lobbying
2008 stimmten gerade einmal 50,5 Prozent die-        Tiefsteuerpolitik missbraucht worden war. Patent-    gegen eine spätere Erhöhung riesig sein. Das
ser Reform zu. Es hätte keine Mehrheit gegeben       box, zinsbereinigte Gewinnsteuer, Überabzug auf      alles ohne Not – die Reichen darben nicht:
ohne dreistes Verschweigen zentraler Elemente        Forschung und Entwicklung? Die grossen Kantone       Allein die 300 Reichsten in der Schweiz ha-
und gigantische Fehlprognosen durch den Bund.        rechneten mit Ausfällen im mittleren dreistelligen   ben in einer Zeit der Negativzinsen seit der
Auch das Bundesgericht stellte später fest, dass     Millionenbereich. Mit 59,1 Prozent war die Ableh-    USR-III-Abstimmung (Februar 2017) bis
das Stimmvolk nicht informiert entscheiden           nung wuchtig – gegen alle bürgerlichen Parteien      Ende des vergangenen Jahres 62 Milliarden
konnte. Die Tücke lag vor allem in der Möglich-      und die Wirtschaftsverbände. | slt                   Franken mit Nichtstun dazugewonnen und

14 April 2019
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