WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
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WOHNENPLUS P.b.b. GZ 02Z032231 M, Wohnen Plus, Singerstraße 8/10, 1010 Wien FA C H M A G A Z I N F Ü R D I E Z U K U N F T D E S W O H N E N S 2|2019 Aufbau- STANDPUNKT Voller Energien in die Zukunft Umbau-Zubau MEIN WOHNEN PLUS „Ich brauche die Schönheit Mit Verdichtung Qualität steigern um mich herum“ Together sind wir smarter POSITIONEN Ein Stück Neues dazu Win-Win statt Wehklagen Gemischte Gefühle in Tirol
WOHNENPLUS FACHMAGAZIN FÜR DIE ZUKUNFT DES WOHNENS 2|2019 STANDPUNKT 2 Voller Energien in die Zukunft | Karl Wurm | Übergabe GBV-Führung 2 4 PLUSPUNKTE Kurzmeldungen aus der Wohnbaubranche in Österreich IBA_WIEN 6 Sharing und Caring | Nachhaltige Quartiersentwicklung WOHNSYMPOSIUM 8 Alte Konflikte und sanfte „Kümmerer“ | Plus Beilage „Wohnen“ 12 Die Mischung macht´s aus | Rundgang im Seeparkquartier MEIN WOHNEN PLUS 14 „Ich brauche die Schönheit um mich herum“ | Josef Klemen THEMA 15 Aufbau – Umbau – Zubau 16 Mit Verdichtung Qualität steigern | Konzept für die Zukunft 14 19 20 22 „Wir müssen weg von der grünen Wiese“ | Interview mit Gerlind Weber Together sind wir smarter | Sanierung und Aufbau Ein Stück Neues dazu | Alternative Zubauten 24 Gemischte Gefühle in den Südtiroler Siedlungen POSITIONEN 27 Win-Win statt Wehklagen | Positionen von Thomas Ritt versus Winfried Kallinger INTERNATIONAL 28 Gute Fassadenräume fördern die Akzeptanz | Angelika Juppien, Richard Zemp, Hochschule Luzern FORSCHUNG 30 Mehrwert für Bewohner schaffen | Ausstellung und Studie PROFIL 24 32 34 Standard für das ganze Wohnhausleben | Sozialbau AG Wohnbau neu denken | Zentralverband industrieller Bauprodukte- hersteller und WKO-Fachverband Steine-Keramik WOHNEN PLUS TRENDS 36 Planen | Bauen | Wohnen | Innovationen aus Österreich RÜCKBLICK 38 Gemeinnützige Kostenbremser | Symposium in Krems AUSBLICK 39 Kann Kampf gegen AirBnB erfolgreich sein? AVISO 40 Veranstaltungen: Praxis-Check und 65. Wohnsymposium im Herbst | Medienpartner 2019 | Impressum 32 Coverfoto: Best-Practice-Beispiel für Nachverdichtung: Am Neubaugürtel in Wien wurde ein Altbaublock saniert und sensibel in die Höhe erweitert. Das innovative Projekt wurde vom wohnfonds_wien begleitet. Visualisierung: Imagina-VisualCollaboration WOHNENPLUS . 2|2019 1
STANDPUNKT Voller Energien in die Zukunft Karl Wurm, langjähriger Verbandsobmann der GBV, blickt mit Stolz auf seine Zeit als „Chef“ der Gemeinnützigen zurück – vieles konnte erledigt werden, doch es gibt für seinen Nachfolger noch mehr als genug zu tun. Ein Thema wird die neue GBV-Führungs- mannschaft garantiert noch viele Jahre begleiten: Leistbaren Wohnraum auf Jahrzehnte zu schaffen – wie er im Interview erklärt. GISELA GARY M it rund 15.500 Wohnungüber- gaben im Jahr 2018 haben die gemeinnützigen Bauvereini- gungen die Nase vorn. Wie- der erwiesen sich die 185 Unternehmen der GBV als aktiver Motor für leistbares Wohnen. Allein das Neubauvolumen be- trug rund 2,8 Milliarden Euro. Spitzenrei- ter ist Wien mit 3.900 Wohnungen, dicht gefolgt von Niederösterreich mit 3.520 Einheiten – Oberösterreich holte auf, mit Foto: privat 2.240 Fertigstellungen. Die Hochkon- junktur in der Bauwirtschaft führt aber zu Verzögerungen und exorbitanten Prei- sen. Auch die Komplexität des Bauens Ende mit unseren Kräften, denn niemand Millionen pro Jahr, ist beachtlich, parallel zieht die Abwicklung von Bauvorhaben will für diese Zusatzleistungen zahlen, dazu ebenso die Reduktion von Energie- in die Länge, dazu zählen die Vielzahl an das übernehmen wie selbstverständlich verbrauch und Treibhausgasemissionen. „Zusatzaufgaben“, die Gemeinnnützige die GBV“, meint Karl Wurm. Doch trotz aller Bemühungen: Leistbarer zu leisten haben. Die Palette reicht hier Nichts desto trotz, die Zahl der in Wohnraum bleibt ein Dauerthema. von Options-, Bestands- und Koopera- Bau befindlichen Wohnungen erreicht tionsverträgen, Verträgen zur Herstellung einen Rekordwert: Anfang 2019 waren Zufrieden mit der WGG-Novelle? von Infrastruktur, für das Besiedlungs- 33.600 Wohnungen in Bau, diese Zahl Wurm: „Die Eckpfeiler in der WGG-No- management oder auch für Mobilität. wurde zuletzt in den 1990er Jahren er- velle sind die Absicherung des gemein- Die GBV als All-in-Dienstleister? „Das reicht. 2019 und 2020 werden mehr als nützigen Vermögens vor Abfluss, die sind alles wichtiges Aspekte rund um das 16.500 Wohnungen übergeben werden. erweiterte Eigentumsbildung, eine adap- Thema Wohnen, doch wir sind bald am Auch die Sanierungsleistung, rund 950 tierte Regelung zur Wohnungsvergabe 2 WOHNENPLUS . 2|2019
STANDPUNKT und Maßnahmen gegen AirBnB-Vermie- damit können wir im Neubau den frei- Und was macht Karl Wurm jetzt? tung gemeinnütziger Wohnungen.“ finanzierten Wohnbau abdecken. Ein Wurm: „Ich werde weiter interessiert Teil muss oft freifinanziert mit höheren an der Wohnungswirtschaft sein, keine Niederösterreich zeigt, dass es auch ohne Grundkostenanteil gebaut werden, damit Sorge! Vielleicht mache ich einen Blogg Wohnbauinvestitionsbank geht, mit den der andere Teil gefördert, zu niedrigeren – oder melde mich sonst zu Wort. Aber soeben geholten 125 Millionen Euro von Grundkosten, halbwegs leistbar bleibt. verbandspolitisch mische ich mich sicher der Europäischen Investitionsbank, zu Das war ja auch bei der Bauordnungs- nicht mehr ein, das habe ich lange genug einem tollem Zinssatz von 0,43 Prozent. novelle in Wien die Intention. Die ande- gemacht. Und natürlich werde ich wan- Ein Beispiel für alle Bundesländer? ren Geschäftsbereiche, die die Töchter dern gehen, lesen, nachdenken, meine Wurm: „Ja, das ist großartig – nur, es war abdecken – also die Dienstleistungen Sprachkenntnisse weiter vertiefen – itali- schon ein gewaltiger Aufwand. Aber klar, wie Facility Management etc – sind als enisch, spanisch und französisch – reisen das von Niederösterreich entwickelte Service ganz wichtig.“ und ins Theater gehen.“ Fördermodell kann als Vorzeigebeispiel bezeichnet werden.“ Damit kann Niederösterreich auf Jahre leistbaren Wohnraum garantieren. Wie sehen Sie die Entwicklungen in Deutsch- land? Es gibt keine Gemeinnützigkeit mehr, die Mieten sind explodiert, jetzt wird an Enteignung aller Unternehmen gedacht, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Wurm: „Das ist für mich eine katastro- phale Entwicklung! Man braucht eine so- ziale Manövriermasse und einen geregel- ten Wohnungsbestand. Die Theorie, dass der Markt es schon richtet, ist im Fall des Wohnbaus gefährlich. Genau das ist jetzt in Deutschland passiert: sozialer Wohn- bau durch Investoren funktioniert nicht.“ Der neue Verbandsvorstand mit einer Frau (v.l.): Michaela Steinacker, Bernd Rießland, Herwig Pernsteiner, Frank Schneider. Was war Ihr größter Erfolg? Wurm: „Dass wir einen kompletten Wechsel in der GBV-Führung Imagewandel der GBV geschafft haben! Am Verbandstag der GBV wurde gesamt gedämpft. Die Gemeinnützi- Wie ich in diese Branche eingestiegen Bernd Rießland, Sozialbau AG, zum gen schaffen leistbaren Wohnraum bin, hatten die gemeinnützigen Bauträ- neuem Verbandsobmann und Herwig für alle Einkommensschichten, was ger ein schlechtes Image – heute ist ein Pernsteiner, ISG, zu seinem Stellvertre- zu einer sozialen Durchmischung der GBV-Mieter stolz! Aber auch bei Nicht- ter gewählt. Frank Schneider, Lawog, Wohnquartiere beiträgt.“ GBV-Mietern ist unser Ansehen top, un- und Michaela Steinacker, Alpenland, Der diesjährige Verbandstag fand sere Wohnungen stehen ausstattungsmä- sind Mitglieder des Verbandsvorstan- im Beisein von rund 400 Teilnehmern ßig oft über jenen des freifinanzierten des. Ebenso wurde der Verbandsauf- in der Gösserhalle in Wien statt. Einen Marktes. Stolz bin ich auch, dass wir sichtsrat mit den Stimmen aller Dele- kleinen Überblick über aktuelle Pro- beim staatlich verordneten Privatisie- gierten gewählt. jekte gab die Rundfahrt zu Highlights rungsfall rund um die Buwog alle Länder Rießlands Anspruch schließt an in der Hauptstadt. überzeugen konnten, ihre Gesellschaften Karl Wurms Philosophie an: Men- Den Abschluss des öffentlichen in der Gemeinnützigkeit zu belassen.“ schen orientiert bauen ist das Ziel der Verbandstages bildete eine lebhafte GBV. Für den bisherigen Verbandsob- Diskussion. Für Herwig Pernsteiner Und ihre größte Niederlage? mann gab es ein Abschiedsgeschenk: zeigten die Debatten, wie komplex Wurm: „Es uns noch nicht genug gelun- Eine Festschrift mit dem Titel „Woh- und vielfältig die Themen bei der gen, die Politik zu überzeugen, dass es nungsgemeinnützigkeit in Recht, Wirt- Schaffung von leistbarem Wohnraum eine Schiene geben muss, die einfach schaft und Gesellschaft“. heute sind: „Es geht um Fragen der und günstig ist. Es besteht die Gefahr, Leistbarer Wohnraum bleibt das Baulandmobilisierung, genauso wie dass immer mehr Auflagen kommen Dauerthema auch für das neue GBV- um Baunormen und Wohnbauförde- und wir die günstigen Mieten nicht mehr Team. Rießland betonte die Rolle der rungsmodelle. Als größter Teilnehmer schaffen. Außerdem sollten die Besteller GBV und ihren Einfluss auf den gesam- am Wohnungsmarkt mit etwa 900.000 z. B. ökologischer Zusatzmaßnahmen aus ten Wohnungsmarkt: „Durch den gro- Wohneinheiten werden wir als Ge- Umweltförderungen mitzahlen.“ ßen Wohnungsbestand und die deut- meinnützige unsere Expertise immer lich unter dem Marktniveau liegenden gerne zur Verfügung stellen, um wei- Wie gehen Sie mit der Kritik an den ge- Mieten der Gemeinnützigen wird das terhin leistbaren Wohnraum in Öster- werblichen Töchtern der GBV um? Mietniveau am Wohnungsmarkt ins- reich schaffen zu können.“ Wurm: „Die sind ein sehr wichtiger Teil, WOHNENPLUS . 2|2019 3
PLUSPUNKTE PLUS MARIETTA ADENBERGER PUNKTE Foto: C. Fürthner Erste europaweit aktive Wohnbaugenossenschaft Das Ziel: Die Sammlung einer Million Nachbarschaftliches Wohnen Europas Städte wachsen schnell und zie- Unterschriften bis März 2020 bzw. die Er- Ab 2021 ist in Floridsdorf ein neuer Stadt- hen immer mehr Menschen an. Den Trend reichung einer Mindestanzahl an Unter- teil mit leistbaren Wohnungen geplant. bestätigen auch demografische Progno- stützungserklärungen in mindestens sie- Das Areal „An der Schanze“ soll auf zehn sen. Am Wohnungsmarkt äußert sich das ben Staaten (14.250 in Österreich). Dann Bauplätzen Wohnraum für rund 3.300 mit steigendem Bedarf an Wohnraum. müssen die Anliegen von der EU-Kom- Menschen bieten, inklusive moderner In- Der soll aber auch bezahlbar sein. Vor mission und vom Europäischen Parla- frastruktur-Konzepte und einem angren- diesem Hintergrund wurde vergangenes ment behandelt werden. In Österreich zenden Bildungscampus. Geplant ist ein Jahr die erste europäische Wohnbauge- ist der gemeinnützige Verein „Europeans Schwerpunkt für Alleinerziehende: Zur nossenschaft gegründet: Living in Metro- for affordable housing – Für bezahlbares Förderung der sozialen Teilhabe wer- polises, LIM, mit über 30 Gründungsmit- Wohnen in Europa“ Träger der Initiative. den konkrete Vorschläge entwickelt, die gliedern aus Österreich, Deutschland, housingforall.eu zu einem Aufbau sozialer Netze und zur Frankreich und den Niederlanden. Das Förderung nachbarschaftlicher Kontakte Ziel ist nicht nur leistbare Mieten in Euro- pas Städten, sondern auch unkomplizierte Lebenszyklen von beitragen. Eine funktionierende Erdge- schoßzone soll dabei helfen. Im Rahmen Wohnungswechsel. Der Fokus liegt vor Baustoffen optimieren der IBA_Wien (Internationale Bauausstel- allem auf jungen Menschen, aber auch Der Fachverband der Stein- und kerami- lung) sollen für die rund 1.500 Wohnun- der Verbindung von Generationen. Das schen Industrie zog neben der Veröffent- gen unter dem Titel „Neues soziales Woh- erste LIM-Projekt wird im Berliner Bezirk lichung eines Umsatzplus von 4,6 Prozent nen“ neue Modelle des Wohnens erprobt Treptow-Köpenick realisiert: Bis 2020/21 und steigender Personal-, Transport- und werden. Der dafür kürzlich gestartete sollen rund 30 flächen- und ressourcen- Energiekosten heuer auch Öko-Bilanz. Bauträgerwettbewerb ist Teil der Wiener schonend gebaute Wohnungen mit funk- „Es ist bekannt, dass die Stein- und kera- Wohnbau-Offensive 2018 bis 2020. tionalen Grundrissen entstehen. mische Industrie energieintensiv ist und die Prozessemissionen unserer Produkte nicht völlig verhindert werden können”, „Wiener Modell“ in Dublin Initiative für Leistbarkeit so Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Das „Wiener Modell“ im Wohnbau wurde Steigende Wohnkosten bringen immer Fachverbands Steine-Keramik. Man zähle im Rahmen einer Ausstellung in Dublin mehr EU-Bürger unter Druck. Die Platt- aber auch zu den effizientesten energie- präsentiert. In Dublin wendet jeder zehn- form „Housing for all“ hat nun eine Kam- intensiven Branchen in Europa und ar- te Haushalt mehr als 60 Prozent des Ein- pagne mit Unterstützern aus 15 Ländern beite weiter an Optimierung. Laut der In- kommens für die Miete auf, zudem gibt es gestartet. Hauptelement ist eine Euro- stitute der Austrian Cooperative Research 10.000 Obdachlose. Allerdings habe die päische Bürgerinitiative, EBI. Initiatorin (ACR) gebe es keine ökologischen Vor- Stadt nur wenig Geld und vor allem auch ist die Österreicherin Karin Zauner-Loh- teile einer Bauweise, hieß es. Oft werde wenige Grundstücke. Der irische Wohn- meyer, Organisatorin der internationa- eine bewusste Besserstellung von bioba- bauforscher David Silke ortet drei große len Tagung „Housing for all“ in Wien. sierten Produkten wie Holz forciert. Im Unterschiede zwischen Wien und Dublin: Konkrete Forderungen: Die Bereitstel- Rahmen eines Projektes mit dem Wege- Die Langfristigkeit des „Wiener Modells” lung günstiger Finanzmittel für leistbares ner Center für Klima und Globalen Wan- mit sehr präsenter öffentlicher Hand; den Wohnen, ein unkomplizierter Zugang del an der Karl-Franzens-Universität Graz hohen Mietwohnungsanteil im Gesamtbe- zum geförderten Wohnbau, keine Be- wird daher erforscht, wie einzelne Schrit- stand, von denen die Mehrheit der Stadt schränkungen öffentlicher Investitionen te im Lebenszyklus eines Baustoffs op- oder gemeinnützigen Bauträgern gehört in bezahlbaren und sozialen Wohnraum timiert und Wechselwirkungen zwischen wie auch die Finanzierungsformen. Bei sowie keine Steuervorteile für Kurzzeit- Produktion, Transport und Verwendung der Eröffnung der Ausstellung zeigte sich vermietungen über Online-Plattformen. besser aufeinander abgestimmt werden der Vizechef des Stadtrats, Brendan Ken- Der Wohnbedarf und die Wohnkosten in können. Auch die Politik sei gefordert, ny, sehr beeindruckt und kündigte an, zu- europäischen Städten und Regionen sol- umfassende Ökobilanz bei Baustoffen zu mindest einige zentrale Punkte des „Wie- len zudem statistisch erfasst werden. ziehen. ner Modells” übernehmen zu wollen. 4 WOHNENPLUS . 2|2019
PLUSPUNKTE Architektur für den Planeten Starkregen, Hitzeperioden und Schnee- massen: Klimaextreme sind weltweit The- ma. Parallel nehmen ökonomische und soziale Ungleichheiten zu. Dem positiven Beitrag von Architektur in diesem Zu- sammenhang widmet sich seit April die Ausstellung „Critical Care. Architektur für einen Planeten in der Krise“ im Architek- turzentrum Wien. Die Ausstellung ver- sammelt Projekte wie die Weiterentwick- lung lokaler Bauweisen in Pakistan und China, den Umbau modernistischer Mega- strukturen in Europa, neue Konzepte für öffentliche Räume in Brasilien und Kenia, Foto: Sergio Gómez/Az W aber auch Beispiele aus Wien. Im Sommer 2017 untersuchten die Kuratoren etwa am Wiener Nordbahnhofgelände wie Archi- tektur und Urbanismus bei der Wiederbe- lebung des Planeten helfen können. Ent- wickelt wurden lokale Prototypen für die Zukunft, die nun um internationale Bei- spiele des urbanen Sorgetragens erweitert werden. Ihr Anspruch: Zu beweisen, dass Architektur und Stadtentwicklung sich nicht dem Diktat des Kapitals und der Ausbeutung von Ressourcen und Arbeit Michael Gehbauer, unterwerfen müssen. Die Ausstellung ist WBV-GPA, bis 9. September im Az W zu sehen. Karl Dürtscher, WBV-GPA / GPA-djp, Bezirksvorsteher St. Pölten wirbt um Wiener Georg Papai, Foto: Anna Rauchenberger Die niederösterreichische Landeshaupt- Stadtrat Peter Hacker, stadt hat auf der Wiener Immobilien- Anita Bauer, FSW und messe (WIM) um zukünftige Bewohner Franz Sedlak, aus Wien geworben. Die sogenannte St. Arge Wien. Pöltner Wohnstraße brachte dem Zielpu- blikum das Angebot und die Wohnquali- Haus für Obdachlose Gemeinschaftsraum mit Hofzugang. Peter tät in der Stadt näher. Urban, gleichzeitig Obdachlose oder in Not geratene Men- Hacker, Stadtrat für Soziales, Gesundheit aber landverbunden wohnen, lautete ei- schen haben seit März ein mögliches und Sport, und der Floridsdorfer Bezirks- ner der Slogans. Die gute Lebensqualität, Dach mehr über dem Kopf. Die WBV- vorsteher Georg Papai eröffneten das Pro- das Bildungs- und Jobangebot, optimale GPA hat für das gemeinnützige Unterneh- jekt in der Brünner Straße 116 feierlich. Verkehrsverbindungen, sowie Natur und men ARGE Wien ein Wohnheim mit 50 Auch für Menschen in Not entstehen in Kultur sollen künftig noch mehr Bewoh- Wohneinheiten fertig gestellt. Die leistba- Kooperation mit dem Verein neunerhaus ner anlocken. Eine Podiumsdiskussion ren Einheiten verteilen sich auf fünf Ge- Wohnangebote. zum Thema Wohnstandort St. Pölten und schosse. Im Erdgeschoss befinden sich Informationen über aktuelle Bauprojekte Allgemeinräume wie etwa ein Büro für rundeten das Programm ab. Sozialarbeiter, eine Waschküche oder ein Niederösterreich Darlehen Das Land Niederösterreich hat eine Mög- Bürgermeister Matthias lichkeit geschaffen, sich Darlehen der Stadler, Alfred Janecek Europäischen Investitionsbank (EIB) zu von der Alpenland, holen. So habe man 125 Millionen Euro Karin Zipperer, BWSG, für die günstige Refinanzierung laufender Michael Pisecky von der Wohnbaudarlehen erhalten, teilte Wohn- s REAL Immobilienvermitt- baulandesrat Martin Eichtinger kürzlich lung GmbH und mit. In dem Bundesland seien derzeit fast Helge Haslinger, 900 geförderte Wohnungen verfügbar. Im Vorstandsdirektor der vergangenen Jahr hat das Land NÖ ins- Sparkasse Niederösterreich gesamt 397 Millionen an Förderungen im Foto: Martin Koutny präsentierten die St.Pöltner Wohnbau ausgeschüttet und Haftungen Wohnstraße auf der über 380 Millionen Euro übernommen. Wiener Immobilienmesse. www.noe-wohnbau.at WOHNENPLUS . 2|2019 5
IBA WIEN Sharing und Caring Visualisierung: ZoomVP Die IBA_Wien 2022 richtet Im Entwicklungsgebiet Berresgasse im 22.Bezirk entstehen bis zum Jahr 2022 rund 3.000 geförderte Wohnungen. Das Projekt ist geprägt von aktiver Beteiligung, Mitgestaltung und eigenverantwortlicher Quartiersentwicklung. bei der Quartiersentwicklung den Blick aufs Große Ganze. mischung einher. Wenn wir in einer Zeit die Gebäude an. Die einzelnen Bauteile zunehmender Ungleichverteilung von mutieren so zu einem Teil- und Tausch- Innovative Projekte entwickeln Arbeit, Einkommen und Vermögen fest- geschäft, ein kontinuierliches Geben und dabei neuen Formen des Teilens stellen müssen, dass die wirtschaftliche Nehmen, bei dem das Geben durch be- und der Nutzungsmischung. Bewältigbarkeit des Alltags einen im- sondere Anreize belohnt wird. mer größer werdenden Belastungsfaktor für viele Menschen unserer Gesellschaft Tauschen und teilen MAIK NOVOTNY darstellt, dann gilt es dafür auf verschie- Was wird hier geteilt? Ziemlich viel. Zwei denen Handlungsebenen Gegenmodelle oder mehr Parzellen bilden einen „Clus- und Lösungen zu entwickeln.“ ter“, der als Akteur im Spiel fungiert. Die Das bedeutet: Lösungen für das Zu- Regeln dieses Spiels werden in einem sammenleben können sich nicht nur auf Baukasten-System festgelegt. Über die I nternationale Bauausstellungen wa- das rein Bauliche beschränken. Einige Parzellen- und Clustergrenzen hinweg ren schon immer weit mehr als eine der IBA-Kandidaten, die zurzeit entwi- können Grünflächen, Stellplätze oder Ansammlung von Häusern. Bei einer ckelt werden, fokussieren daher auf ganz- der Zugang zu Gemeinschaftsräumen ge- Bauausstellung wie der IBA_Wien heitliche Ansätze, die die Wohnraumver- tauscht werden, Energie und Haustechnik 2022, die unter dem Motto „Neues Sozi- sorgung nicht nur als Bereitstellung von vernetzt werden. Zugänge zu Gebäuden ales Wohnen“ steht, ist das mehr denn Raum, sondern als Rahmen der Existenz können gebündelt werden, etwa um die je der Fall. Denn wenn es um zukunfts- sehen. Einer der innovativen Ansätze barrierefreie Erschließung zu vereinfa- fähige Wohnformen und Wohntypologi- trägt den Titel „Pocket Mannerhatten“, chen. Dachterrassen werden für alle nutz- en geht, gilt es, das Umfeld im Blick zu passend zu seinem Standort nahe der bar. Eventuell können sogar Baumassen haben: Die Stadt und das Quartier. „Die Manner-Fabrik im 16. Wiener Gemein- umgeschichtet werden, etwa, wenn dies IBA_Wien hat ´Neue soziale Quartiere´ debezirk. Es basiert auf einer Idee, die für die Belichtung von Vorteil ist. Abhän- als eines ihrer drei Leitthemen definiert“, Architekt Florian Niedworok an der Uni- gig von den räumlichen Gegebenheiten erklärt IBA-Koordinator Kurt Hofstet- versität Innsbruck entwickelte. Im We- und den Wünschen der handelnden Per- ter. „Damit gehen natürlich untrennbar sentlichen wendet Pocket Mannerhatten sonen kann sich jedes Cluster auf unter- auch die Fragestellungen der Nutzungs- das Prinzip der „Sharing Economy“ auf schiedliche Weise organisieren. 6 WOHNENPLUS . 2|2019
IBA WIEN Die Eigentümer benachbarter Grundstü- Süd und Neu Leopoldau aufzugreifen cke schließen dafür rechtlich bindende und weiterzuentwickeln. In der Koope- Vereinbarungen, in denen die Nutzung rationsphase, die dem eigentlichen Bau- und Erhaltung der Flächen sowie Haf- trägerwettbewerb nachgeschaltet ist, wer- tungsfragen klar geregelt werden. den sowohl die Angebote im Bereich der Ein Bonus-System belohnt jene, die Nicht-Wohnnutzungen als auch die Ge- ihre Gebäudeteile tauschen und teilen. meinschaftsräume und -flächen aufeinan- Je mehr Beteiligte und je mehr gewählte der abgestimmt“, erklärt Kurt Hofstetter. Tauschoptionen, desto mehr Bonus erhält Radikal dem Thema Nutzungsmi- das jeweilige Cluster. Man kann es eine schung verschrieben hat sich ein weiterer Auszeichnung: Art Staat im Kleinen als gesellschaftliche IBA-Kandidat, das Projekt „OPENhaus- Der IBA-Stempel kennzeichnet den Kandidatenstatus Versuchsanordnung nennen, oder eine wirtschaft“ am Nordbahnhof. Genossen- auf dem Weg zum IBA-Projekt. konsequente Erweiterung der erprobten schaftlich organisiert, werden auf diesem Modelle sozialer Nachhaltigkeit auf das Baufeld unter einem Dach Wohnen und mischung mit den Regelungen der Wohn- ganze Quartier, mit Anreizen zur Eigenini- Arbeiten in gleichem Anteil entstehen. bauförderung vereinbar ist. Das Projekt tiative. In jedem Fall ist Pocket Mannerhat- Hier wird es Platz für Kleinunternehmen wird unter anderem durch das Programm ” ten ein sehr interessanter und experimen- „Smart Cities Demo – Living Urban Inno- teller Ansätze unter den IBA-Kandidaten, vation 2019“ gefördert. die mit dem Baubestand arbeiten. Das Eine nachhaltige und Fazit: Nicht nur im Spannungsfeld bisher erarbeitete Instrumentarium wird zwischen Haus und Quartier wirft die jetzt am Pilot-Stadtblock „Block 61“ in Wi- umfassende Quartiersentwicklung IBA den Blick auf die größeren Zusam- en-Ottakring erprobt. stellt auf der Handlungsebene menhänge, sondern auch dort, wo es um „ Für Kurt Hofstetter ist dieser Fokus das städtische Leben an sich geht. „Häufig aufs Soziale kein Randphänomen, sondern der Stadtentwicklung einen wirksamen wird von der ´Leistbarkeit des Wohnens´ essenzieller Bestandteil des Zusammenle- gesprochen“, resümiert Kurt Hofstetter. bens: „Eine nachhaltige und umfassende Lösungsansatz dar. „Meist ist damit die allgemeine Leistbarkeit Quartiersentwicklung stellt auf der Hand- Kurt Hofstetter des Lebens gemeint – vor allem in Wien, lungsebene der Stadtentwicklung einen wo mehr als 60 Prozent der Bevölkerung wirksamen Lösungsansatz dar. Durch ein und temporäres Co-Working geben, das in Wohnverhältnissen leben, in denen sie reichhaltiges, in Ergänzung zu den übli- Ziel der Leistbarkeit erstreckt sich nicht langfristig und dauerhaft vor Spekulation chen und erforderlichen Handelseinrich- nur auf den Wohnraum, sondern auch und unangemessenen Preissteigerungen tungen auch kleinteiliges zusätzliches An- auf den Arbeits-Raum. Ein Pionierprojekt, geschützt sind, sind es sehr häufig nicht gebot an Gewerbe- und Dienstleistungen, das im Rahmen dieser experimentellen die alleinigen Wohnkosten, die die Haupt- wird ein Umfeld geschaffen, in dem tägli- Entwicklung auch der Frage nachgeht, in belastung darstellen, sondern die Summe che Wege verkürzt werden können. Dazu welcher Form eine intensivere Nutzungs- aller Faktoren.“ werden lokale Synergien durch Netzwerke ermöglicht, die sich wiederum auf persön- liche Kontakte und Nachbarschaften stüt- zen können, und natürlich gute öffentliche Verkehrsanbindungen, die die Familien fi- nanziell entlasten können.“ Neue Wege der Nutzung Nicht nur im Um- und Zubau bestehender Stadtquartiere können solche Programme realisiert und ausprobiert werden, son- dern auch auf der „grünen Wiese“, sprich, in den Stadtentwicklungsgebieten. Im Entwicklungsgebiet Berresgasse im 22.Be- zirk, wo auf 19 Hektar bis zum Jahr 2022 rund 3.000 geförderte Wohnungen entste- hen, soll eine in Gründung befindliche „Grätzelgenossenschaft“ neue Wege der aktiven Beteiligung, Mitgestaltung und Foto: Florian Niedworok-Studio Mannerhatten eigenverantwortlichen Quartiersentwick- lung aufzeigen, etwa im Bereich konkret angewandter Sharing-Konzepte, die über Mobilität weit hinausgehen. „In der Berresgasse wird versucht, konkrete Erfahrungen zum Thema bau- platzübergreifende Gemeinschaftsange- bote aus den Gebieten In der Wiesen Die Entwicklung des „Block 61“ in Wien 16 läuft zurzeit unter dem Titel „Pocket Mannerhatten“ – Teilen steht dabei im Zentrum. WOHNENPLUS . 2|2019 7
WOHNSYMPOSIUM Alte Konflikte und sanfte „Kümmerer“ Fotos Robert Newald Ob die traditionsreiche soziale G änzlich neu entwickelte Groß- wort Migration). „Viele Aspekte von Kon- quartiere wie die Seestadt Aspern flikten und Spannungen“ würden erst bei Durchmischung in Wohnan- verfügen heute über den Vorteil detaillierter Analyse des jetzt Gegebenen lagen und Quartieren tatsächlich früher und umsichtig geplanter sichtbar, meint der Soziologe Kenan Gün- Aufgabenteilung und Begegnungsberei- gör. Geht es um Differenzen zwischen Chancen für friedliches Mit- che, wie ein Rundgang sichtbar machte Unter- und Oberschicht im selben Haus? einander oder auch die Gefahr (siehe den anschließenden Bericht): Stadt- Zwischen „Eingesessenen“ und Neuan- neuer Konflikte fördere, stand teil-Management, Nachbarschaftszentrum, kömmlingen? Zwischen den „Etablierten“ Kindergarten, Treffzonen innen und im und den „anderen“? Oder doch um einen beim 64. Symposium zur Zu- Freien. Vor allen aber einen gezielten Mix Grundkonflikt der Generationen „Jung kunft das Wohnens in Debatte. aus Wohnen, Büros und Gewerbe, Woh- und Alt“? Verschwimmt der Begriff „sozi- nen plus arbeiten, Studentenhäuser, Ge- al“ angesichts stark beweglicher Bewoh- Definitive Antworten scheiter- meinschaftsprojekte uvm. nergruppen und Seinsgrenzen? Güngör ten an der Vielzahl von Struk- Vor der Realisierung steht eine weite- empfiehlt jedenfalls bei Lösungsansätzen: re multifunktionale Ausbauetappe für ca. „Es muss sich immer um verhandelbare turen, neuen Entwicklungen, 7.000 Einwohner, verkündete Gastgeber Konflikte drehen“. Vorgangsweisen. Es einte der Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender Apell an mehr Ressourcen für der Wien 3420 Development AG, im Ta- Bollwerk des Systems gungsort Technologiezentrum. Ziel sei es, Auf ähnliche Resultate kam Sozialforscher Sozialpolitik. Details dazu auch so Schuster in Anspielung auf den Sym- Daniel Karasz (Uni Wien) nach zwei im in unserer Beilage „Wohnen“ aus posiumstitel, Konflikte „möglichst als letz- Abstand etlicher Jahre durchgeführten ten Ausweg“ zu sehen. Tiefenbefragungen bei weitgehend den “Der Standard”. In den seit Beginn des „Roten Wien“ gleichen Bewohnergruppen. Danach vor 100 Jahren entstandenen Wohnhaus- habe sich die Stimmung des Miteinan- ERNST KOCH anlagen und Grätzln sind inzwischen der einigermaßen verändert, man sehe in ganz andere Entwicklungen erkennbar. der massiv wachsenden Stadt ordentliche Zur „sozialen Durchmischung“ gesellte Grenzverschiebungen. Eine Hauptrolle sich eine zunehmende ethnische, in sich spiele dabei, welche Personen in welcher wieder divergierende Komponente (Stich- Position die thematische Kommunikation 8 WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNSYMPOSIUM Gerhard Schuster, Wien 3420 Aspern Development: Soziologe Kenan Güngör: Viele Aspekte von neu entstandenen Andrea Reven-Holzmann/ Mitglied im Grundstücksbeirat: Konflikt nur der letzte Ausweg Spannungen in Grätzeln Gleichwertige Aufteilung von Smart-Wohnungen tragen. Wenn, wie es ab 2011 deutlich zu- nimmt, agressiv-negative Zeitungs- und Probleme sind die selben, Medienberichte die Runde machen, dre- hen sich Einstellungsmuster in raschem doch andere Dimension Tempo – ein stark applaudiertes und auch Der politische Dialog zum Sympo- mehrfach bestätigtes Statement. siumsende verlief sachlich diffe- Als Bollwerk des Systems soziale renziert. Peter Kraus, Gemeinderat Durchmischung hat die Stadt Wien längst in Wien und neuer Stadtplanungs- mehrschichtige Konsequenzen gezo- sprecher der Grünen, traf auf Wer- gen. Aus stadtplanerischer Sicht erläuter- ner Krammer (ÖVP), Bürgermeis- te Andrea Reven-Holzmann als Mitglied ter in Waidhofen a.d. Ybbs. Die des Grundstückbeirats aktuelle Leitinien NÖ-Stadt liegt in einer Abwan- des Versehens neuer Wohnbau-Bereiche derungsregion und hat dennoch (Wettbewerbsprojekte) mit thematischen beachtliche Integrationsleistungen Aufgabenstellungen – etwa junges Woh- verwirklicht: Rasche Unterkünf- nen, gemeinschaftliches Zusammenleben, te für Asylwerber, Strategien für interkulturelle Schwerpunkte und ähnli- Arbeit und Wohnen, Forcierung ches – die auch für die Zuerkennung von von Qualifizierungsmaßnahmen Wohnbauförderungsmitteln maßgebend für (fehlende) Facharbeiter. „Man sind. Bereits traditionell wird beim Wohn- erkennt die Probleme und wir ler- anlagen-internen Mix auf einen struktu- Verena Mörkl, Architektin Superblock: Herausforderung Identität nen, damit umzugehen“, erläutert rierten Ausgleich von Miete, Eigentum, mit dem Haus Krammer das Waidhofener Klima. Vorgarten, Maisonetten, variierenden Grö- Die angesprochenen Probleme ßen und Lagen innerhalb der Gebäude ware fürs Zusammenleben“. Die Institu- seien im Prinzip die selben wie bestanden. Als Novität bereichert die Ein- tion kann mittlerweile auf 150 KollegIn- in der Großstadt, mit dem gro- bindung von „Smart-Wohnungen“ – also nen zurückgreifen und versteht sich auch ßen Unterschied in ihrer Dimensi- kleinen, kostengünstigen Einheiten – die als „die weiche Vermittlungsagentur“. Die on. „Wir packen die Dinge etwas bestehende Angebotsvielfalt. Das noch besten Erfolgschancen sieht Huemer in hemdsärmeliger an, eher von un- junge Konzept, versichert Reven-Holz- der raschen Präsenz der Betreuungsteams ten nach oben, weniger zentral mann, würde nicht in Hausteilen zusam- direkt vor Ort im persönlichen Gespräch organisiert wie in einer Stadt mit mengepfercht, sondern „gleichwertig in und mit Querverbindung zu allfälligen bald zwei Millionen Einwohnern.“ der Wohnanlage verteilt“. Konfliktkontrahenten. Regeln – und dies Peter Kraus erwies sich als klarer verkompliziere viele Lösungsstrategien – Verfechter des sozialen Wiener Software fürs Zusammenleben bestünden natürlich (Stichwort Hausord- Wohnbaus und dessen Absiche- Auf der Ebene direkt-persönlicher Be- nung), doch gäbe es eben „geschriebene rung gegenüber allen Tendenzen wohnerkontakte hat das Wohnservice und ungeschriebene“. Inhaltlich bewegen in Richtung Privatisierung: „Man Wien seit einigen Jahren das Konzept sich hausinterne Differenzen in höchst muss nicht alles über Besitz und „Wohnpartner“ etabliert, für Teamma- traditionellen Mustern: An oberster Stelle Eigentum definieren.“ (Bild S. 10) nagerin Claudia Huemer eine Art „Soft- steht mit über 40 Prozent das Thema von WOHNENPLUS . 2|2019 9
WOHNSYMPOSIUM Claudia Huemer, Wohnpartner Wien: Beste Erfolge durch Teams vor Ort An das Merkmal „Identität“ mit dem bezo- Nadja Shah, WBV-GPA: Rechtliche Grenzen für genen Wohnhaus erinnerte Verena Mörkl, Peter Berchthold, BUWOG: Infrastruktur im Wohnumfeld Hausverwaltungen Architektin bei Superblock ZT. Positives von Beginn an in der Bauplanung Wohngefühl sei auch mit dem optischen subjektiv empfundener Lärmbelästigung, Zugang zur architektonischen Ästhetik ver- chen Widerstand, der sich auf einige Be- etwa durch Kinder, laute Musik, jugend- knüpft, was nicht immer konfliktfrei verlau- wohner niederschlagen sollte. Ausführliche liche Fußballspieler. Nadja Shah, von der fe. Vielpubliziertes Beispiel: Der in Kom- Kommunikation und schließlich die posi- Mietervertretung in die Geschäftsführung bination mit einem Wohngruppen-Projekt tive Stellungnahme eines renommierten der Wohnbauvereinigung für Privatan- gestaltete Neubau auf dem Nordbahn- Architektenkollegen planierten die Sache gestellte umgesiedelt, äußert ähnliche hof-Areal, der durch ein rosa gefärbtes Stie- letztlich. Nachbarschaftliches Kennenlernen Erfahrungen: Als Hausverwaltung seien genhaus hohe Erkennbarkeit sichern sollte. ist auch in auffälligen, statt anonym grauen die rechtlichen Eingriffsmöglichkeiten be- Die Exklusivät erntete hingegen öffentli- Stiegenhäusern erlebbar … schränkt und Interventionen konzentrie- ren sich auf bekannte „Klassiker“ – Lärm, Ruhestörung, Geruchsbelästigung. Shah registriert auch eine deutliche Präsenz von Generationskonflikten zwischen Jung und Alt. In der Fachwelt werden solche Per- sönlichkeiten der Direktbetreuung in- zwischen „Kümmerer“ genannt – ein Ausdruck, der sich unter anderem in Forderungen nach mehr Ressourcen wie- derfindet. Selbst der Bürgermeister von Waidhofen an der Ybbs, Werner Kram- mer, deponierte im politischen Schlussge- spräch: „Wir brauchen Kümmerer – Leute, die sich auskennen und Verantwortung übernehmen“. Infrastruktur und Identität Aus anderer Sicht betrachten Wohn- bau-Realisatoren die Forcierung von sozi- alem Zusammleben. Für das Immobilien- management der BUWOG betonte Peter Berchthold, dass bei sämtlichen Neupro- jekten infrastrukturelle Rundum-Versor- gung im voraus mitgeplant würden, etwa auch Kindergärten, Schulen, gut angeleg- te Außenflächen, in der Seestadt zudem Werkstätten für Textilreinigung und Digi- tal Media (gemeinsam mit Wien Work). Die politische Debatte zwischen Peter Kraus und Werner Krammer moderierte Eric Frey (links) „Der Standard“. 10 WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNSYMPOSIUM Politik budgetär gefordert Die Empfehlungen aller Teilnehmer-Tischrunden zu politisch wirksamen Maßnahmen lassen sich die- ses Mal zu grundlegender Gleichgesinnung resümie- ren: Ob im Grätzl, in neuen Quartieren oder in Um- landgemeinden benötigen Kommunikationspartner und „Kümmerer“ zusätzliche Motivation, Unterstützung und Ressourcen. Auch die Sozialpolitik insgesamt soll auf offensichtliche Problem- felder abgestimmt werden. Tisch 4| 17 Punkte Tisch 2 | 10 Punkte Tisch 8 | 6 Punkte Platz 1 Platz 2 Platz 3 Siegerslogan: Slogan: Slogan: Mehr Ressourcen für Gutes Miteinander Motivation für mehr Sozialpolitik braucht entspanntes Verantwortung Nebeneinander Präsentation: Präsentation: Präsentation: Claudia Huemer, Michaela Mischek-Lainer, Katrin Kraus, Servicebüro Wohnservice Wien 6B47 Real Estate Investors Zusammen wohnen, Graz Tisch 3 | 3 Punkte Tisch 6 | 4 Punkte Tisch 7 | 3 Punkte Slogan: Slogan: Slogan: Frühes Change- Ausschließliches Räume und Kümmerer Management in Grätzln Wahlrecht für Frauen und Quartieren Präsentation: Präsentation: Bernhard Jarolim, Präsentation: Raimund Gutmann, Stadtbaudirektion, Fritz Oettl, wohnbund:consult mit Verena Mörkl, Arch. Architekt/Cofabrik Tisch 1 | 1 Punkt Tisch 5 | 5 Punkte Tisch 9 | 5 Punkte Slogan: Slogan: Slogan: Ressourcen für Paylife Wohnpartner qualifizierte für Alle Wohnbegleiter Präsentation: Präsentation: Präsentation: Margarete Czerny, Christoph Mörkl, Nadja Shah, Wohnexpertin Architekt WBV-GPA WOHNENPLUS . 2|2019 11
WOHNSYMPOSIUM Die Mischung macht´s aus Bei einem Besichtigungsrund- gang im Seeparkquartier, als exklusives Vorprogramm zum 64. Wohnsymposium, erkunde- ten die Teilnehmer ausgewählte Projekte, bei denen die soziale Mischung im Vordergrund steht. GISELA GARY W ährend beim Wohnsymposi- Fotos: Robert Newald um am Nachmittag die Frage „Soziale Mischung – Problem oder Chance“ intensiv dis- kutiert wurde, war beim Vorprogramm bei einem mittäglichen Besichtigungs- rundgang die Antwort rasch gefunden: Der vom Stadtteilmanagement initiierte „Raum für Nachbarschaft“ forciert die soziale Seestadt-Mischung. Die soziale Durchmischung ist nicht nur in neuen Stadtquartieren, sondern eben- ativen und aktiven Miteinander wohnen, von den Bewohnern selbst kommen“, so so in Wohnbauten eine Chance für alle leben und arbeiten. Bernhard Siquans Siquans. Der Rundgang führte über die Bewohner. Gerhard Schuster, Vorstand vom Stadtteilmanagement begleitete die Sonnenallee zum Wohnhaus Mischa von der Wien 3420 Aspern Development, Exkursion. Er liefert seit Anbeginn der der EGW Heimstätte. Hier standen das betonte in seiner Begrüßung, dass der Besiedlung mit seinem Team eine Viel- gemeinschaftliche Wohnen und Arbeiten soziale Aspekt bei der Entwicklung der zahl von Anreizen für soziale Aktivitäten im Zentrum, auch ein Pflegeheim sollte Seestadt Aspern selbstverständlich im – bzw. greift diese von Bewohnern auf im Erdgeschoß errichtet werden. Doch Vordergrund steht – immerhin wohnen und unterstützt diese, bis sie von allein der Bauherr musste kurzfristig umdispo- bis zum Jahr 2030 mehr als 20.000 Men- funktionieren. „Es ist eine spannende nieren, aufgrund der flexiblen Grundrisse schen hier und diese sollen in einem kre- Aufgabe und beachtlich, wie viele Ideen der von Koka nonconform geplanten Flä- Michael Gehbauer, WBV-GPA, hat allen Grund stolz zu sein – die Pop Up dorms erhielten soeben Schlicht, in Modulbau- und Niedrigstenergiebauweise: Das Atrium mit der Gemeinschaftsküche die Auszeichnung der FIABCI für innovatives Bauen. der Pop up dorms in einem alten Container. 12 WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNSYMPOSIUM chen kein Problem: „Dennoch waren wir ein wenig überrascht, dass das Zuhause arbeiten doch noch nicht so gefragt ist. Dadurch dass wir keine Förderzusage für das Pflegeheim erhielten, ließen wir auch diesen Plan fallen“, erläuterte Karin Kieslinger, Projektleiterin der EGW. Nun gibt es 47 Wohnungen, Geschäftsflächen und Büros. Realitylab verantwortet die Bewohnerbetreuung. Begeisterung gab es für die Nutzung des Erdgeschoßbereichs eines Parkdecks im Seeparkquartier. Der „Raum für Nach- barschaft“ steht allen Seestädtern kosten- los zur Verfügung, für Geburtstagsfeiern, Aktivitäten wie jene der Werkgruppe oder andere Treffen. Das Angebot des Stadtteilmanagements wird sehr gut an- genommen. Bernhard Siquans vom Stadtteilmanagement (Bildmitte, mit Plan) begleitete die Besichtigungstour fachkundig. Innovativ und temporär Michael Gehbauer, WBV-GPA, führte zu den Pop Up dorms, die soeben mit dem international renommierten FIABCI-Preis für vorbildliche und innovative Wohnbau- ten ausgezeichnet wurden. Das Studen- tenheim besteht aus Holzcontainern, vier Studenten teilen sich einen Container um 360 Euro monatlich, jeder verfügt über ein eigenes Zimmer. Es gibt pro Einheit eine kleine Küche und zwei Badezim- mer. Das temporäre Wohnprojekt wird gemeinsam mit dem OeAD die nächsten fünf Jahre geführt. Dann werden die Pop Up dorms an einen neuen Standort über- siedeln. Das Grundstück darf frühestens in fünf Jahren bebaut werden, deshalb ergab sich die Gelegenheit für das inno- vative Studentenheim. Die Buwog errichtete in unmittelba- rer Nähe die Wohnanlage SeeSee mit 286 Wohneinheiten, die aus drei Gebäuden Die Buwog errichtete im Seeparkquartier „SeeSee“, eine aus drei Gebäuden bestehende Wohnhausanlage mit geförderten und mit einem Kindergarten besteht. Die so- freifinanzierten Wohnungen, plus Kindergarten. Noch im Bau ist der Seepark-Platz. ziale Durchmischung ergibt sich bereits durch den Mix an geförderten Mietwoh- nungen und Eigentumswohnungen. Ro- man Grandits von der Projektentwicklung der Buwog erläuterte das Gesamtkon- zept, das sich gut in das Seeparkquartier einfügt. Andrea Angermann von Wien Work zeigte das breite Betätigungsfeld der Ini- tiative für beeinträchtigte Menschen. Erst vor kurzem eröffnet wurde das Restau- rant „Speiseamt“, das von Lehrlingen ge- führt wird. Rund 20 Jugendliche kochen hier und sorgen für einen weiteren Mei- lenstein in der Kulinarik der Seestadt As- pern. Fazit des Rundgangs: Die soziale Mischung macht´s aus – und führt zu ei- ner Win-win-Situation für alle Beteiligten, Andrea Angermann (Bildmitte) präsentierte die vielfältigen Angebote und Aktivitäten von Wien Work, die einen wesentlichen Beitrag wenn diese ein wenig gesteuert wird. zur Integration und Beschäftigung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen leisten. WOHNENPLUS . 2|2019 13
MEIN WOHNEN PLUS „Ich brauche die Schönheit um mich herum“ Josef Klemen war einst Obmann des gemeinnützigen Bauträgers Neues Leben. Sein heutiges Leben fokussiert sich auf den Genuss der Kunst und der proportional klein gewordenen, aber gemütlichen Zukunft. WOJCIECH CZAJA D ie Südstadt galt einst als eines der innovativsten Stadterweiterungs- gebiete Österreichs. Hier hat die Foto: Czaja Gemeinde Maria Enzersdorf in Zusammenarbeit mit dem Bauträger Aus- tria AG in den Sechziger- und Siebzigerjah- Wohnzimmer. Der steinerne Zimmerbrun- radius ist kleiner geworden, konzentriert ren mehr als 2.000 Wohnungen errichtet. nen sorgt für ein angenehmes Plätschern. sich heute auf die Familie und auf mein Im Gewerbedickicht zwischen Mödling, „Mir waren die Bilder und Gemälde im- Stammcafé in der Südstadt, wo ich meine Vösendorf und Brunn am Gebirge finden mer schon wichtiger als die Einrichtung“, Freunde treffe. Man könnte sagen, dass sich Flachbauten, Bungalows, Reihenhäu- sagt Klemen. „Manche davon sind Origi- die Perspektive nach vorne proportional ser, Stelzenhäuser und dreistöckige Mehr- nale, aber bei Pablo Picasso, Marc Cha- deutlich kleiner geworden ist als der Blick ” familienwohnblöcke. Dazwischen immer gall und Brueghel dem Jüngeren handelt wieder Dschungel aus Grün. es sich, wie man sich unschwer vorstel- Die Kunst hilft mir dabei, „ Josef Klemen wohnt bereits seit 1966 len kann, um Kopien, die eine Freundin in der Südstadt. Der 85-Jährige, ein span- von mir nachgemalt hat. Ich brauche die nender Gesprächspartner, der in der Ge- Schönheit um mich herum, denn wir le- den Schwerpunkt mütlichkeit des Lebens angekommen ist, wie er selbst meint, war einst Obmann der ben in einem zauberhaft schönen Land in ziemlich guten Verhältnissen, aber die wieder zurechtzurücken. Arge Eigenheim, Obmann des gemeinnüt- Nachrichten und Zeitungen schaffen es zigen Bauträgers Neues Leben sowie Auf- immer wieder, die Minderheit des Nega- zurück. Und ich merke, dass das, wofür sichtsratsvorsitzender im GBV-Verband. tiven in den Vordergrund zu rücken. Die man sich nie Zeit genommen hat, heute Doch die vielleicht wichtigste Funktion Kunst hilft mir dabei, den Schwerpunkt immer mehr davon in Anspruch nimmt.“ seiner beruflichen Laufbahn, so Klemen, wieder zurechtzurücken.“ In seinem Lächeln ist viel Lebensweisheit waren die 18 Jahre im Unterausschuss des zu lesen. Bauausschusses: „Ich war Expertenbera- Visuelle Tagebucheinträge Gibt es noch Wünsche für die Zu- ter für die Abgeordneten. Damals haben Zudem seien die Motive, so Klemen, als kunft? „Nein. Ich hatte ein schönes Leben wir jene Gesetze mitgestaltet, die bis heu- visuelle Tagesbucheinträge zu verstehen. und koste nun die letzten Jahre davon te die Grundlage des sozialen Wohnbaus Viele davon bilden private und berufliche aus. Für meine Kinder, Enkelkinder und bilden. Darauf bin ich sehr stolz.“ Reisen ab, stammen aus der Provence, aus Urenkel jedoch wünsche ich mir, dass sie Die 87 Quadratmeter große Eigen- der Türkei, aus dem tiefsten Sibirien. „Je- sich den Blick auf das Schöne und Po- tumswohnung ist ein Sammelsurium aus des Kunstwerk hat seine Geschichte, und sitive bewahren. Angesichts der Politik, Kunst und in die Jahre gekommenen Lack- indem ich es betrachte, lese ich diese, oft des Klimas und der globalwirtschaftlichen möbeln. Ein zentraler Esstisch und lange Jahrzehnte lang zurückliegende Anek- Entwicklung wird diese eigentlich einfa- Kommoden an den Wänden prägen das dote. Aber das ist vorbei. Mein Lebens- che Sache immer schwieriger.“ 14 WOHNENPLUS . 2|2019
THEMA Visualisierung: Imagina-VisualCollaboration Nachverdichtung ist eine unverzichtbare Strategie für die wachsende Stadt von heute. Einige Architekten, Bauträger und öffentliche Verbände gehen mit hochqualitativen Beispielen voran – und zeigen auf wie wir mit Hirn und Kommunikation etwas näher und dichter zusammenrücken können. Gerade bei Blockrandsanierungen gibt es Aufbau – Umbau – Zubau noch viel Potential. In der Forschung beschäftigen sich Experten mit zukunftsweisenden Ideen, nicht selten orientiert an internationalen Großstädten, die ebenso mit Bauland kämpfen und sich stärker auf das Thema Verdichtung, Aufbau und Umbau konzentrieren oder auch für mutige Zubauten entscheiden. Es gibt eine Vielzahl an Erweite- rungsmöglichkeiten, die dennoch kostenmäßig im leistbaren Rahmen bleiben können. Dass dabei die technischen Herausforderungen ein besonderes Augenmerk verlangen, erweist sich bei dem Griff in alte Bausubstanz als selbstverständlich. WOHNENPLUS . 2|2019 15
THEMA Mit Verdichtung Qualität steigern Vor allem in Großstädten ist das Potential für Auf-, Um- und Zu- bauten groß. Die Bauordnungen erlauben neun verschiedene Zugänge – dennoch, Planer sind gefordert, gute Ideen einzubrin- gen, die weder Budgets über- strapazieren noch massiv ins Stadtbild eingreifen. Konzepte für die Zukunft sind gefragt. WOJCIECH CZAJA, GISELA GARY D Foto: San_Imagina er Großraum Wien gehört mitt- lerweile zu den am stärksten wachsenden Städte Europas. Bei dem von der Österreichi- Wohnbebauung Neubaugürtel vor der Sanierung: Die Visualisierung zeigt das Potential am Dach. schen Raumordnungskonferenz prog- nostizierten Bevölkerungswachstum um von p.good architects. „Da merkt man wie schlagstraße und Löhrgasse wurde nicht 35 Prozent auf 2,4 Millionen Einwohner dicht die Stadt früher bebaut wurde. Aus nur einer klassischen Blockrandsanie- im Jahr 2050, entsteht ein riesiger Bedarf der Geschichte Wiens können wir noch rung unterzogen, sondern im Zuge der an Neubauten und Flächenentwicklung. viel lernen.“ Goodarzi blättert in den Sanierungsarbeiten auch aufgestockt und Rund 2.000 Wohnungen pro Jahr können Plänen hin und her, auf der Suche nach verdichtet. Insgesamt wurden rund 80 laut wohnbund:consult allein in Wien auf einem der vielen Schnitte und Grundriss- Bestandswohnungen saniert, umgebaut, bestehenden Gemeindewohnbauten und pläne: „Und dann erst die Raumhöhe! zusammenlegt und auf Kategorie A an- GBV-Projekten errichtet werden. Heraus- Hier, sehen Sie das? Nachdem der Zubau gehoben, während in den Annexbauten ragende Einzelbeispiele zeigen, wie der im Innenhof eine Art Rucksack, eine Art und in den beiden Dachgeschoß-Etagen Wohnraumbedarf aus dem Bestand her- Erweiterung des gründerzeitlichen Hau- weitere 60 geförderte Mietwohnungen aus gedeckt werden kann. ses ist, in dem sich die Wohnungen zur geschaffen wurden. Der Großteil der Ganz schön dicht: Der erste Hof ist Hälfte im Altbau und zur anderen Hälfte Wohneinheiten liegt zwischen 40 und 65 noch luftig und hell, doch wenn man sich im Neubau befinden, mussten wir uns in Quadratmetern Nutzfläche, einige wenige plötzlich im zweiten Innenhof wiederfin- den Geschoßhöhen an den Bestand an- Ausreißer nach oben (bis zu 98 Quadrat- det, dann sind die Fassadenmauern, so passen. Aus diesem Grund haben wir hier meter) und unten (bis zu 40 Quadratme- scheint es, ungewöhnlich nah zueinander eine Raumhöhe von 3,20 Metern. Das ist ter) runden das Angebot ab. gerückt. Mit sieben Metern Breite ist der ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Wo „Wir haben hier einen halben Stra- Freiraum inmitten des 15. Wiener Ge- findet man heute so etwas noch im zeit- ßenblock umgebaut, und das ist eine exo- meindebezirks knapp. „Ja, der kleine, be- genössischen Wohnbau?“ tische Seltenheit“, erläutert Martin Pober, stehende Innenhof ist wirklich sehr kom- Das ungewöhnliche Projekt im Stra- Geschäftsführer der auf Blocksanierung pakt“, sagt Architektin Azita Goodarzi, ßenblock zwischen Neubaugürtel, Gold- spezialisierten Premium Bauträger GmbH, 16 WOHNENPLUS . 2|2019
THEMA Foto: San_Imagina Foto: Klomfar So sah der Wohnbau am Neubaugürtel vor der Sanierung aus. Klare Aufwertung und Qualitätsgewinn – durch den Auf- und Zubau. die die ursprünglich sechs Grundstücke terogene Ensemble aus sechs Objekten zu mehr nach Synergieeffekten zu suchen. zu einer Liegenschaft zusammengelegt einer ruhigen Einheit zusammen.“ Über Servitutsrechte, die im Grund- hat. „Wir haben die Objekte einem Im- Begleitet und betreut wurde das Pro- buch festgehalten werden, könnte man mobilienentwickler abgekauft, der 20 Jah- jekt vom wohnfonds_wien. „Der Bauträ- sich darauf einigen, gewisse Räume und re lang vergeblich versucht hat, hier ein ger ist hier sehr behutsam vorgegangen Freiräume eines Hauses im Kollektiv zu Shoppingcenter zu entwickeln. Die meis- und hat auf die bestehenden Mieter gro- nutzen. Das spart Geld und Fläche und ten Mieter waren im Laufe der Zeit schon ße Rücksicht genommen“, erklärt Werner macht auf diese Weise neue Ressourcen ” Auer, Bereichsleiter Sanierung im wohn- frei – für Wohnungen oder etwa für eine fonds_wien, „unterm Strich ist hier ein gemeinsame, straßenblockübergreifende Wir haben einen halben „ schönes Best-Practice-Beispiel für Nach- Gartenlandschaft über den Dächern der verdichtung gelungen.“ Finanziert wurde Stadt. Dichtmachen auf intelligentestem Straßenblock umgebaut, das ist das Projekt (Gesamtbaukosten 16,8 Mil- Niveau eben. Dass wir im Alltag davon eine exotische Seltenheit. lionen Euro) über Fördermittel aus dem weit entfernt sind, beweist ein Nachver- Topf der Sockelsanierung, über ein nied- dichtungsprojekt am Johann-Orth-Platz Martin Pober, rigverzinstes Landesdarlehen sowie über in Wien-Stammersdorf, wo gerner gerner Premium Bauträger GmbH Annuitätenzuschüsse über einen Zeitraum plus für die Donau-City-Wohnbau AG ei- von 15 Jahren. Während die Altbauwoh- nen kompakten Wohnbau mit 42 Woh- ausgezogen, bis auf 25 Familien stand der nungen bei rund sechs Euro Nettomiete nungen geplant hat. halbe Straßenblock bereits leer.“ Daher liegen, belaufen sich die Mietkosten im „Das war ein komplexes Grundstück war so eine umfassende Sanierungsmaß- Neubau auf rund acht Euro netto. mit einer eigenwilligen Form und zwei nahme überhaupt erst möglich. Während unterschiedlichen Bauklassen, die hier fünf Bestandsobjekte in einem mittelmä- Geld und Fläche sparen auf engstem Raum aufeinanderknallen“, ßig guten Zustand waren, musste ein Alt- Ein Projekt, das sich auf Forschungsebe- erklärt Architekt Andreas Gerner, „Eigent- bau, in dessen Erdgeschoß sich einst ein ne damit befasst wie Nachverdichtung in lich eine spannende Bauaufgabe, eine für Bordell befand und dessen Obergescho- der bestehenden Stadt aussehen kann, einen Architekten schöne Herausforde- ße leer standen und über viele Jahrzehnte hört auf den Namen „Pocket Mannerhat- rung. Doch so gut wir auch gearbeitet ha- mit Taubenkot verunreinigt wurden, aus ten“. Anstatt jedes Haus mit dem üblichen, ben, so gut der Dialog mit dem Bauträger hygienischen Gründen abgerissen wer- von Bauordnung und Förderrichtlinien auch war, so schlecht war die Kommuni- den. An seiner Stelle errichteten die p. verlangten Ausstattungskonvolut doppelt kation mit der Umgebung. Parallel zu uns good architects einen siebengeschossigen und dreifach zu bestücken, untersucht haben auch andere Architekten und Bau- Neubau. Um die Wohnungen gegen den das Projekt, das im Rahmen der Interna- träger an der Verdichtung dieses Areals Verkehrslärm des Gürtels abzuschotten, tionalen Bauausstellung Wien, IBA 2022, gearbeitet. Allerdings war es kaum mög- wurde eine straßenseitige Laubenganger- realisiert werden soll, wie man geschickte, lich, zu den Akteuren auf den benachbar- schließung gewählt. auch finanziell interessante Reduktionen ten Grundstücken eine funktionierende „Im Gegensatz zu den gründerzeit- vornehmen könnte. Siehe dazu auch den Kommunikation aufzubauen.“ Wenn sei- lichen Häusern, die ihre eigenständige Artikel über die Aktivitäten der IBA auf tens der Stadt keine Synergien und Kom- Charakteristik behalten haben, strahlt die Seite 6. munikationsplattformen geschaffen wür- Formen- und Materialsprache des Neu- „Warum muss jedes Haus eine Tief- den, so Gerner, dann bleibe das Thema baus jedoch über das gesamte Projekt garage, ein Stiegenhaus, einen Lift und Nachverdichtung eine reine Glückssache: aus“, sagt Architektin Goodarzi. „Die be- einen ohnehin fast nie genutzten Ge- „Das ist nicht wirklich konstruktiv, oder?“ wusst moderne, reduzierte Architektur in meinschaftsraum haben“, fragt Architekt Genau deshalb setzen vor allem ge- silbergrauem Blech erstreckt sich über die Florian Niedworok vom Pocket-Manner- meinnützige Bauträger auf Dialog. Die gesamte Dachlandschaft und fasst das he- hatten-Team und schlägt vor, gemeinsam Schwarzatal stieß beispielsweise bei ei- WOHNENPLUS . 2|2019 17
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