WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute

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WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
WOHNENPLUS
P.b.b. GZ 02Z032231 M, Wohnen Plus, Singerstraße 8/10, 1010 Wien

                                                                      FA C H M A G A Z I N F Ü R D I E Z U K U N F T D E S W O H N E N S                            2|2019

                                                                                                                                   Aufbau-
                                                                   STANDPUNKT
                                                                   Voller Energien in die Zukunft                              Umbau-Zubau
                                                                   MEIN WOHNEN PLUS
                                                                   „Ich brauche die Schönheit                                   Mit Verdichtung Qualität steigern
                                                                   um mich herum“                                                       Together sind wir smarter
                                                                   POSITIONEN                                                               Ein Stück Neues dazu
                                                                   Win-Win statt Wehklagen                                             Gemischte Gefühle in Tirol
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WOHNENPLUS
      FACHMAGAZIN FÜR DIE
      ZUKUNFT DES WOHNENS
      2|2019

           STANDPUNKT
      2    Voller Energien in die Zukunft | Karl Wurm | Übergabe GBV-Führung

2     4
           PLUSPUNKTE
           Kurzmeldungen aus der Wohnbaubranche in Österreich
           IBA_WIEN
      6    Sharing und Caring | Nachhaltige Quartiersentwicklung
           WOHNSYMPOSIUM
       8   Alte Konflikte und sanfte „Kümmerer“ | Plus Beilage „Wohnen“
      12   Die Mischung macht´s aus | Rundgang im Seeparkquartier
           MEIN WOHNEN PLUS
      14   „Ich brauche die Schönheit um mich herum“ | Josef Klemen
           THEMA
      15   Aufbau – Umbau – Zubau
      16   Mit Verdichtung Qualität steigern | Konzept für die Zukunft

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      20
      22
           „Wir müssen weg von der grünen Wiese“ | Interview mit Gerlind Weber
           Together sind wir smarter | Sanierung und Aufbau
           Ein Stück Neues dazu | Alternative Zubauten
      24   Gemischte Gefühle in den Südtiroler Siedlungen
           POSITIONEN
      27   Win-Win statt Wehklagen | Positionen von
           Thomas Ritt versus Winfried Kallinger
           INTERNATIONAL
      28   Gute Fassadenräume fördern die Akzeptanz | Angelika Juppien,
           Richard Zemp, Hochschule Luzern
           FORSCHUNG
      30   Mehrwert für Bewohner schaffen | Ausstellung und Studie
           PROFIL

24    32
      34
           Standard für das ganze Wohnhausleben | Sozialbau AG
           Wohnbau neu denken | Zentralverband industrieller Bauprodukte-
           hersteller und WKO-Fachverband Steine-Keramik
           WOHNEN PLUS TRENDS
      36   Planen | Bauen | Wohnen | Innovationen aus Österreich
           RÜCKBLICK
      38   Gemeinnützige Kostenbremser | Symposium in Krems
           AUSBLICK
      39   Kann Kampf gegen AirBnB erfolgreich sein?
           AVISO
      40   Veranstaltungen: Praxis-Check und 65. Wohnsymposium im Herbst
           | Medienpartner 2019 | Impressum

32         Coverfoto: Best-Practice-Beispiel für Nachverdichtung: Am Neubaugürtel in Wien wurde ein Altbaublock saniert
           und sensibel in die Höhe erweitert. Das innovative Projekt wurde vom wohnfonds_wien begleitet.
           Visualisierung: Imagina-VisualCollaboration

                                                                                               WOHNENPLUS . 2|2019        1
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                                    Voller Energien
                                    in die Zukunft
    Karl Wurm, langjähriger
    Verbandsobmann der GBV,
    blickt mit Stolz auf seine Zeit
    als „Chef“ der Gemeinnützigen
    zurück – vieles konnte erledigt
    werden, doch es gibt für
    seinen Nachfolger noch mehr
    als genug zu tun. Ein Thema
    wird die neue GBV-Führungs-
    mannschaft garantiert noch
    viele Jahre begleiten: Leistbaren
    Wohnraum auf Jahrzehnte zu
    schaffen – wie er im Interview
    erklärt.

    GISELA GARY

M
                it rund 15.500 Wohnungüber-
                gaben im Jahr 2018 haben die
                gemeinnützigen Bauvereini-
                gungen die Nase vorn. Wie-
    der erwiesen sich die 185 Unternehmen
    der GBV als aktiver Motor für leistbares
    Wohnen. Allein das Neubauvolumen be-
    trug rund 2,8 Milliarden Euro. Spitzenrei-
    ter ist Wien mit 3.900 Wohnungen, dicht
    gefolgt von Niederösterreich mit 3.520
    Einheiten – Oberösterreich holte auf, mit
                                                                                                                                          Foto: privat

    2.240 Fertigstellungen. Die Hochkon-
    junktur in der Bauwirtschaft führt aber
    zu Verzögerungen und exorbitanten Prei-
    sen. Auch die Komplexität des Bauens         Ende mit unseren Kräften, denn niemand    Millionen pro Jahr, ist beachtlich, parallel
    zieht die Abwicklung von Bauvorhaben         will für diese Zusatzleistungen zahlen,   dazu ebenso die Reduktion von Energie-
    in die Länge, dazu zählen die Vielzahl an    das übernehmen wie selbstverständlich     verbrauch und Treibhausgasemissionen.
    „Zusatzaufgaben“, die Gemeinnnützige         die GBV“, meint Karl Wurm.                Doch trotz aller Bemühungen: Leistbarer
    zu leisten haben. Die Palette reicht hier        Nichts desto trotz, die Zahl der in   Wohnraum bleibt ein Dauerthema.
    von Options-, Bestands- und Koopera-         Bau befindlichen Wohnungen erreicht
    tionsverträgen, Verträgen zur Herstellung    einen Rekordwert: Anfang 2019 waren       Zufrieden mit der WGG-Novelle?
    von Infrastruktur, für das Besiedlungs-      33.600 Wohnungen in Bau, diese Zahl       Wurm: „Die Eckpfeiler in der WGG-No-
    management oder auch für Mobilität.          wurde zuletzt in den 1990er Jahren er-    velle sind die Absicherung des gemein-
    Die GBV als All-in-Dienstleister? „Das       reicht. 2019 und 2020 werden mehr als     nützigen Vermögens vor Abfluss, die
    sind alles wichtiges Aspekte rund um das     16.500 Wohnungen übergeben werden.        erweiterte Eigentumsbildung, eine adap-
    Thema Wohnen, doch wir sind bald am          Auch die Sanierungsleistung, rund 950     tierte Regelung zur Wohnungsvergabe

2    WOHNENPLUS . 2|2019
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STANDPUNKT

und Maßnahmen gegen AirBnB-Vermie-            damit können wir im Neubau den frei-                               Und was macht Karl Wurm jetzt?
tung gemeinnütziger Wohnungen.“               finanzierten Wohnbau abdecken. Ein                                 Wurm: „Ich werde weiter interessiert
                                              Teil muss oft freifinanziert mit höheren                           an der Wohnungswirtschaft sein, keine
Niederösterreich zeigt, dass es auch ohne     Grundkostenanteil gebaut werden, damit                             Sorge! Vielleicht mache ich einen Blogg
Wohnbauinvestitionsbank geht, mit den         der andere Teil gefördert, zu niedrigeren                          – oder melde mich sonst zu Wort. Aber
soeben geholten 125 Millionen Euro von        Grundkosten, halbwegs leistbar bleibt.                             verbandspolitisch mische ich mich sicher
der Europäischen Investitionsbank, zu         Das war ja auch bei der Bauordnungs-                               nicht mehr ein, das habe ich lange genug
einem tollem Zinssatz von 0,43 Prozent.       novelle in Wien die Intention. Die ande-                           gemacht. Und natürlich werde ich wan-
Ein Beispiel für alle Bundesländer?           ren Geschäftsbereiche, die die Töchter                             dern gehen, lesen, nachdenken, meine
Wurm: „Ja, das ist großartig – nur, es war    abdecken – also die Dienstleistungen                               Sprachkenntnisse weiter vertiefen – itali-
schon ein gewaltiger Aufwand. Aber klar,      wie Facility Management etc – sind als                             enisch, spanisch und französisch – reisen
das von Niederösterreich entwickelte          Service ganz wichtig.“                                             und ins Theater gehen.“
Fördermodell kann als Vorzeigebeispiel
bezeichnet werden.“

Damit kann Niederösterreich auf Jahre
leistbaren Wohnraum garantieren. Wie
sehen Sie die Entwicklungen in Deutsch-
land? Es gibt keine Gemeinnützigkeit
mehr, die Mieten sind explodiert, jetzt
wird an Enteignung aller Unternehmen
gedacht, die mehr als 3.000 Wohnungen
besitzen.
Wurm: „Das ist für mich eine katastro-
phale Entwicklung! Man braucht eine so-
ziale Manövriermasse und einen geregel-
ten Wohnungsbestand. Die Theorie, dass
der Markt es schon richtet, ist im Fall des
Wohnbaus gefährlich. Genau das ist jetzt
in Deutschland passiert: sozialer Wohn-
bau durch Investoren funktioniert nicht.“       Der neue Verbandsvorstand mit einer Frau (v.l.): Michaela Steinacker, Bernd Rießland, Herwig Pernsteiner, Frank Schneider.

Was war Ihr größter Erfolg?
Wurm: „Dass wir einen kompletten                 Wechsel in der GBV-Führung
Imagewandel der GBV geschafft haben!             Am Verbandstag der GBV wurde                                    gesamt gedämpft. Die Gemeinnützi-
Wie ich in diese Branche eingestiegen            Bernd Rießland, Sozialbau AG, zum                               gen schaffen leistbaren Wohnraum
bin, hatten die gemeinnützigen Bauträ-           neuem Verbandsobmann und Herwig                                 für alle Einkommensschichten, was
ger ein schlechtes Image – heute ist ein         Pernsteiner, ISG, zu seinem Stellvertre-                        zu einer sozialen Durchmischung der
GBV-Mieter stolz! Aber auch bei Nicht-           ter gewählt. Frank Schneider, Lawog,                            Wohnquartiere beiträgt.“
GBV-Mietern ist unser Ansehen top, un-           und Michaela Steinacker, Alpenland,                                 Der diesjährige Verbandstag fand
sere Wohnungen stehen ausstattungsmä-            sind Mitglieder des Verbandsvorstan-                            im Beisein von rund 400 Teilnehmern
ßig oft über jenen des freifinanzierten          des. Ebenso wurde der Verbandsauf-                              in der Gösserhalle in Wien statt. Einen
Marktes. Stolz bin ich auch, dass wir            sichtsrat mit den Stimmen aller Dele-                           kleinen Überblick über aktuelle Pro-
beim staatlich verordneten Privatisie-           gierten gewählt.                                                jekte gab die Rundfahrt zu Highlights
rungsfall rund um die Buwog alle Länder               Rießlands Anspruch schließt an                             in der Hauptstadt.
überzeugen konnten, ihre Gesellschaften          Karl Wurms Philosophie an: Men-                                     Den Abschluss des öffentlichen
in der Gemeinnützigkeit zu belassen.“            schen orientiert bauen ist das Ziel der                         Verbandstages bildete eine lebhafte
                                                 GBV. Für den bisherigen Verbandsob-                             Diskussion. Für Herwig Pernsteiner
Und ihre größte Niederlage?                      mann gab es ein Abschiedsgeschenk:                              zeigten die Debatten, wie komplex
Wurm: „Es uns noch nicht genug gelun-            Eine Festschrift mit dem Titel „Woh-                            und vielfältig die Themen bei der
gen, die Politik zu überzeugen, dass es          nungsgemeinnützigkeit in Recht, Wirt-                           Schaffung von leistbarem Wohnraum
eine Schiene geben muss, die einfach             schaft und Gesellschaft“.                                       heute sind: „Es geht um Fragen der
und günstig ist. Es besteht die Gefahr,               Leistbarer Wohnraum bleibt das                             Baulandmobilisierung, genauso wie
dass immer mehr Auflagen kommen                  Dauerthema auch für das neue GBV-                               um Baunormen und Wohnbauförde-
und wir die günstigen Mieten nicht mehr          Team. Rießland betonte die Rolle der                            rungsmodelle. Als größter Teilnehmer
schaffen. Außerdem sollten die Besteller         GBV und ihren Einfluss auf den gesam-                           am Wohnungsmarkt mit etwa 900.000
z. B. ökologischer Zusatzmaßnahmen aus           ten Wohnungsmarkt: „Durch den gro-                              Wohneinheiten werden wir als Ge-
Umweltförderungen mitzahlen.“                    ßen Wohnungsbestand und die deut-                               meinnützige unsere Expertise immer
                                                 lich unter dem Marktniveau liegenden                            gerne zur Verfügung stellen, um wei-
Wie gehen Sie mit der Kritik an den ge-          Mieten der Gemeinnützigen wird das                              terhin leistbaren Wohnraum in Öster-
werblichen Töchtern der GBV um?                  Mietniveau am Wohnungsmarkt ins-                                reich schaffen zu können.“
Wurm: „Die sind ein sehr wichtiger Teil,

                                                                                                                                                    WOHNENPLUS . 2|2019      3
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          PLUS
                              MARIETTA
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          PUNKTE

                                                                                                                                              Foto: C. Fürthner
    Erste europaweit aktive
    Wohnbaugenossenschaft                          Das Ziel: Die Sammlung einer Million         Nachbarschaftliches Wohnen
    Europas Städte wachsen schnell und zie-        Unterschriften bis März 2020 bzw. die Er-    Ab 2021 ist in Floridsdorf ein neuer Stadt-
    hen immer mehr Menschen an. Den Trend          reichung einer Mindestanzahl an Unter-       teil mit leistbaren Wohnungen geplant.
    bestätigen auch demografische Progno-          stützungserklärungen in mindestens sie-      Das Areal „An der Schanze“ soll auf zehn
    sen. Am Wohnungsmarkt äußert sich das          ben Staaten (14.250 in Österreich). Dann     Bauplätzen Wohnraum für rund 3.300
    mit steigendem Bedarf an Wohnraum.             müssen die Anliegen von der EU-Kom-          Menschen bieten, inklusive moderner In-
    Der soll aber auch bezahlbar sein. Vor         mission und vom Europäischen Parla-          frastruktur-Konzepte und einem angren-
    diesem Hintergrund wurde vergangenes           ment behandelt werden. In Österreich         zenden Bildungscampus. Geplant ist ein
    Jahr die erste europäische Wohnbauge-          ist der gemeinnützige Verein „Europeans      Schwerpunkt für Alleinerziehende: Zur
    nossenschaft gegründet: Living in Metro-       for affordable housing – Für bezahlbares     Förderung der sozialen Teilhabe wer-
    polises, LIM, mit über 30 Gründungsmit-        Wohnen in Europa“ Träger der Initiative.     den konkrete Vorschläge entwickelt, die
    gliedern aus Österreich, Deutschland,          housingforall.eu                             zu einem Aufbau sozialer Netze und zur
    Frankreich und den Niederlanden. Das                                                        Förderung nachbarschaftlicher Kontakte
    Ziel ist nicht nur leistbare Mieten in Euro-
    pas Städten, sondern auch unkomplizierte
                                                   Lebenszyklen von                             beitragen. Eine funktionierende Erdge-
                                                                                                schoßzone soll dabei helfen. Im Rahmen
    Wohnungswechsel. Der Fokus liegt vor           Baustoffen optimieren                        der IBA_Wien (Internationale Bauausstel-
    allem auf jungen Menschen, aber auch           Der Fachverband der Stein- und kerami-       lung) sollen für die rund 1.500 Wohnun-
    der Verbindung von Generationen. Das           schen Industrie zog neben der Veröffent-     gen unter dem Titel „Neues soziales Woh-
    erste LIM-Projekt wird im Berliner Bezirk      lichung eines Umsatzplus von 4,6 Prozent     nen“ neue Modelle des Wohnens erprobt
    Treptow-Köpenick realisiert: Bis 2020/21       und steigender Personal-, Transport- und     werden. Der dafür kürzlich gestartete
    sollen rund 30 flächen- und ressourcen-        Energiekosten heuer auch Öko-Bilanz.         Bauträgerwettbewerb ist Teil der Wiener
    schonend gebaute Wohnungen mit funk-           „Es ist bekannt, dass die Stein- und kera-   Wohnbau-Offensive 2018 bis 2020.
    tionalen Grundrissen entstehen.                mische Industrie energieintensiv ist und
                                                   die Prozessemissionen unserer Produkte
                                                   nicht völlig verhindert werden können”,      „Wiener Modell“ in Dublin
    Initiative für Leistbarkeit                    so Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des      Das „Wiener Modell“ im Wohnbau wurde
    Steigende Wohnkosten bringen immer             Fachverbands Steine-Keramik. Man zähle       im Rahmen einer Ausstellung in Dublin
    mehr EU-Bürger unter Druck. Die Platt-         aber auch zu den effizientesten energie-     präsentiert. In Dublin wendet jeder zehn-
    form „Housing for all“ hat nun eine Kam-       intensiven Branchen in Europa und ar-        te Haushalt mehr als 60 Prozent des Ein-
    pagne mit Unterstützern aus 15 Ländern         beite weiter an Optimierung. Laut der In-    kommens für die Miete auf, zudem gibt es
    gestartet. Hauptelement ist eine Euro-         stitute der Austrian Cooperative Research    10.000 Obdachlose. Allerdings habe die
    päische Bürgerinitiative, EBI. Initiatorin     (ACR) gebe es keine ökologischen Vor-        Stadt nur wenig Geld und vor allem auch
    ist die Österreicherin Karin Zauner-Loh-       teile einer Bauweise, hieß es. Oft werde     wenige Grundstücke. Der irische Wohn-
    meyer, Organisatorin der internationa-         eine bewusste Besserstellung von bioba-      bauforscher David Silke ortet drei große
    len Tagung „Housing for all“ in Wien.          sierten Produkten wie Holz forciert. Im      Unterschiede zwischen Wien und Dublin:
    Konkrete Forderungen: Die Bereitstel-          Rahmen eines Projektes mit dem Wege-         Die Langfristigkeit des „Wiener Modells”
    lung günstiger Finanzmittel für leistbares     ner Center für Klima und Globalen Wan-       mit sehr präsenter öffentlicher Hand; den
    Wohnen, ein unkomplizierter Zugang             del an der Karl-Franzens-Universität Graz    hohen Mietwohnungsanteil im Gesamtbe-
    zum geförderten Wohnbau, keine Be-             wird daher erforscht, wie einzelne Schrit-   stand, von denen die Mehrheit der Stadt
    schränkungen öffentlicher Investitionen        te im Lebenszyklus eines Baustoffs op-       oder gemeinnützigen Bauträgern gehört
    in bezahlbaren und sozialen Wohnraum           timiert und Wechselwirkungen zwischen        wie auch die Finanzierungsformen. Bei
    sowie keine Steuervorteile für Kurzzeit-       Produktion, Transport und Verwendung         der Eröffnung der Ausstellung zeigte sich
    vermietungen über Online-Plattformen.          besser aufeinander abgestimmt werden         der Vizechef des Stadtrats, Brendan Ken-
    Der Wohnbedarf und die Wohnkosten in           können. Auch die Politik sei gefordert,      ny, sehr beeindruckt und kündigte an, zu-
    europäischen Städten und Regionen sol-         umfassende Ökobilanz bei Baustoffen zu       mindest einige zentrale Punkte des „Wie-
    len zudem statistisch erfasst werden.          ziehen.                                      ner Modells” übernehmen zu wollen.

4    WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
PLUSPUNKTE

                      Architektur für den Planeten
                      Starkregen, Hitzeperioden und Schnee-
                      massen: Klimaextreme sind weltweit The-
                      ma. Parallel nehmen ökonomische und
                      soziale Ungleichheiten zu. Dem positiven
                      Beitrag von Architektur in diesem Zu-
                      sammenhang widmet sich seit April die
                      Ausstellung „Critical Care. Architektur für
                      einen Planeten in der Krise“ im Architek-
                      turzentrum Wien. Die Ausstellung ver-
                      sammelt Projekte wie die Weiterentwick-
                      lung lokaler Bauweisen in Pakistan und
                      China, den Umbau modernistischer Mega-
                      strukturen in Europa, neue Konzepte für
                      öffentliche Räume in Brasilien und Kenia,

                                                                                                                                                                                                          Foto: Sergio Gómez/Az W
                      aber auch Beispiele aus Wien. Im Sommer
                      2017 untersuchten die Kuratoren etwa am
                      Wiener Nordbahnhofgelände wie Archi-
                      tektur und Urbanismus bei der Wiederbe-
                      lebung des Planeten helfen können. Ent-
                      wickelt wurden lokale Prototypen für die
                      Zukunft, die nun um internationale Bei-
                      spiele des urbanen Sorgetragens erweitert
                      werden. Ihr Anspruch: Zu beweisen, dass
                      Architektur und Stadtentwicklung sich
                      nicht dem Diktat des Kapitals und der
                      Ausbeutung von Ressourcen und Arbeit                                                                                                                       Michael Gehbauer,
                      unterwerfen müssen. Die Ausstellung ist                                                                                                                    WBV-GPA,
                      bis 9. September im Az W zu sehen.                                                                                                                         Karl Dürtscher,
                                                                                                                                                                                 WBV-GPA / GPA-djp,
                                                                                                                                                                                 Bezirksvorsteher
                      St. Pölten wirbt um Wiener                                                                                                                                 Georg Papai,
                                                                    Foto: Anna Rauchenberger

                      Die niederösterreichische Landeshaupt-                                                                                                                     Stadtrat Peter Hacker,
                      stadt hat auf der Wiener Immobilien-                                                                                                                       Anita Bauer, FSW und
                      messe (WIM) um zukünftige Bewohner                                                                                                                         Franz Sedlak,
                      aus Wien geworben. Die sogenannte St.                                                                                                                      Arge Wien.
                      Pöltner Wohnstraße brachte dem Zielpu-
                      blikum das Angebot und die Wohnquali-                                    Haus für Obdachlose                                    Gemeinschaftsraum mit Hofzugang. Peter
                      tät in der Stadt näher. Urban, gleichzeitig                              Obdachlose oder in Not geratene Men-                   Hacker, Stadtrat für Soziales, Gesundheit
                      aber landverbunden wohnen, lautete ei-                                   schen haben seit März ein mögliches                    und Sport, und der Floridsdorfer Bezirks-
                      ner der Slogans. Die gute Lebensqualität,                                Dach mehr über dem Kopf. Die WBV-                      vorsteher Georg Papai eröffneten das Pro-
                      das Bildungs- und Jobangebot, optimale                                   GPA hat für das gemeinnützige Unterneh-                jekt in der Brünner Straße 116 feierlich.
                      Verkehrsverbindungen, sowie Natur und                                    men ARGE Wien ein Wohnheim mit 50                      Auch für Menschen in Not entstehen in
                      Kultur sollen künftig noch mehr Bewoh-                                   Wohneinheiten fertig gestellt. Die leistba-            Kooperation mit dem Verein neunerhaus
                      ner anlocken. Eine Podiumsdiskussion                                     ren Einheiten verteilen sich auf fünf Ge-              Wohnangebote.
                      zum Thema Wohnstandort St. Pölten und                                    schosse. Im Erdgeschoss befinden sich
                      Informationen über aktuelle Bauprojekte                                  Allgemeinräume wie etwa ein Büro für
                      rundeten das Programm ab.                                                Sozialarbeiter, eine Waschküche oder ein               Niederösterreich Darlehen
                                                                                                                                                      Das Land Niederösterreich hat eine Mög-
                                                                                                                       Bürgermeister Matthias         lichkeit geschaffen, sich Darlehen der
                                                                                                                       Stadler, Alfred Janecek        Europäischen Investitionsbank (EIB) zu
                                                                                                                       von der Alpenland,             holen. So habe man 125 Millionen Euro
                                                                                                                       Karin Zipperer, BWSG,          für die günstige Refinanzierung laufender
                                                                                                                       Michael Pisecky von der        Wohnbaudarlehen erhalten, teilte Wohn-
                                                                                                                       s REAL Immobilienvermitt-      baulandesrat Martin Eichtinger kürzlich
                                                                                                                       lung GmbH und                  mit. In dem Bundesland seien derzeit fast
                                                                                                                       Helge Haslinger,               900 geförderte Wohnungen verfügbar. Im
                                                                                                                       Vorstandsdirektor der          vergangenen Jahr hat das Land NÖ ins-
                                                                                                                       Sparkasse Niederösterreich     gesamt 397 Millionen an Förderungen im
Foto: Martin Koutny

                                                                                                                       präsentierten die St.Pöltner   Wohnbau ausgeschüttet und Haftungen
                                                                                                                       Wohnstraße auf der             über 380 Millionen Euro übernommen.
                                                                                                                       Wiener Immobilienmesse.        www.noe-wohnbau.at

                                                                                                                                                                            WOHNENPLUS . 2|2019                  5
WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
IBA WIEN

                           Sharing und Caring

                                                                                                                                                                   Visualisierung: ZoomVP
    Die IBA_Wien 2022 richtet                     Im Entwicklungsgebiet Berresgasse im 22.Bezirk entstehen bis zum Jahr 2022 rund 3.000 geförderte Wohnungen.
                                                  Das Projekt ist geprägt von aktiver Beteiligung, Mitgestaltung und eigenverantwortlicher Quartiersentwicklung.
    bei der Quartiersentwicklung
    den Blick aufs Große Ganze.                   mischung einher. Wenn wir in einer Zeit                            die Gebäude an. Die einzelnen Bauteile
                                                  zunehmender Ungleichverteilung von                                 mutieren so zu einem Teil- und Tausch-
    Innovative Projekte entwickeln                Arbeit, Einkommen und Vermögen fest-                               geschäft, ein kontinuierliches Geben und
    dabei neuen Formen des Teilens                stellen müssen, dass die wirtschaftliche                           Nehmen, bei dem das Geben durch be-
    und der Nutzungsmischung.                     Bewältigbarkeit des Alltags einen im-                              sondere Anreize belohnt wird.
                                                  mer größer werdenden Belastungsfaktor
                                                  für viele Menschen unserer Gesellschaft                            Tauschen und teilen
    MAIK NOVOTNY                                  darstellt, dann gilt es dafür auf verschie-                        Was wird hier geteilt? Ziemlich viel. Zwei
                                                  denen Handlungsebenen Gegenmodelle                                 oder mehr Parzellen bilden einen „Clus-
                                                  und Lösungen zu entwickeln.“                                       ter“, der als Akteur im Spiel fungiert. Die
                                                       Das bedeutet: Lösungen für das Zu-                            Regeln dieses Spiels werden in einem
                                                  sammenleben können sich nicht nur auf                              Baukasten-System festgelegt. Über die

    I
       nternationale Bauausstellungen wa-         das rein Bauliche beschränken. Einige                              Parzellen- und Clustergrenzen hinweg
       ren schon immer weit mehr als eine         der IBA-Kandidaten, die zurzeit entwi-                             können Grünflächen, Stellplätze oder
       Ansammlung von Häusern. Bei einer          ckelt werden, fokussieren daher auf ganz-                          der Zugang zu Gemeinschaftsräumen ge-
       Bauausstellung wie der IBA_Wien            heitliche Ansätze, die die Wohnraumver-                            tauscht werden, Energie und Haustechnik
    2022, die unter dem Motto „Neues Sozi-        sorgung nicht nur als Bereitstellung von                           vernetzt werden. Zugänge zu Gebäuden
    ales Wohnen“ steht, ist das mehr denn         Raum, sondern als Rahmen der Existenz                              können gebündelt werden, etwa um die
    je der Fall. Denn wenn es um zukunfts-        sehen. Einer der innovativen Ansätze                               barrierefreie Erschließung zu vereinfa-
    fähige Wohnformen und Wohntypologi-           trägt den Titel „Pocket Mannerhatten“,                             chen. Dachterrassen werden für alle nutz-
    en geht, gilt es, das Umfeld im Blick zu      passend zu seinem Standort nahe der                                bar. Eventuell können sogar Baumassen
    haben: Die Stadt und das Quartier. „Die       Manner-Fabrik im 16. Wiener Gemein-                                umgeschichtet werden, etwa, wenn dies
    IBA_Wien hat ´Neue soziale Quartiere´         debezirk. Es basiert auf einer Idee, die                           für die Belichtung von Vorteil ist. Abhän-
    als eines ihrer drei Leitthemen definiert“,   Architekt Florian Niedworok an der Uni-                            gig von den räumlichen Gegebenheiten
    erklärt IBA-Koordinator Kurt Hofstet-         versität Innsbruck entwickelte. Im We-                             und den Wünschen der handelnden Per-
    ter. „Damit gehen natürlich untrennbar        sentlichen wendet Pocket Mannerhatten                              sonen kann sich jedes Cluster auf unter-
    auch die Fragestellungen der Nutzungs-        das Prinzip der „Sharing Economy“ auf                              schiedliche Weise organisieren.

6    WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
IBA WIEN

Die Eigentümer benachbarter Grundstü-          Süd und Neu Leopoldau aufzugreifen
cke schließen dafür rechtlich bindende         und weiterzuentwickeln. In der Koope-
Vereinbarungen, in denen die Nutzung           rationsphase, die dem eigentlichen Bau-
und Erhaltung der Flächen sowie Haf-           trägerwettbewerb nachgeschaltet ist, wer-
tungsfragen klar geregelt werden.              den sowohl die Angebote im Bereich der
     Ein Bonus-System belohnt jene, die        Nicht-Wohnnutzungen als auch die Ge-
ihre Gebäudeteile tauschen und teilen.         meinschaftsräume und -flächen aufeinan-
Je mehr Beteiligte und je mehr gewählte        der abgestimmt“, erklärt Kurt Hofstetter.
Tauschoptionen, desto mehr Bonus erhält             Radikal dem Thema Nutzungsmi-
das jeweilige Cluster. Man kann es eine        schung verschrieben hat sich ein weiterer                                                    Auszeichnung:
Art Staat im Kleinen als gesellschaftliche     IBA-Kandidat, das Projekt „OPENhaus-                                       Der IBA-Stempel kennzeichnet den Kandidatenstatus
Versuchsanordnung nennen, oder eine            wirtschaft“ am Nordbahnhof. Genossen-                                                 auf dem Weg zum IBA-Projekt.
konsequente Erweiterung der erprobten          schaftlich organisiert, werden auf diesem
Modelle sozialer Nachhaltigkeit auf das        Baufeld unter einem Dach Wohnen und                                  mischung mit den Regelungen der Wohn-
ganze Quartier, mit Anreizen zur Eigenini-     Arbeiten in gleichem Anteil entstehen.                               bauförderung vereinbar ist. Das Projekt
tiative. In jedem Fall ist Pocket Mannerhat-   Hier wird es Platz für Kleinunternehmen                              wird unter anderem durch das Programm

                                                     ”
ten ein sehr interessanter und experimen-                                                                           „Smart Cities Demo – Living Urban Inno-
teller Ansätze unter den IBA-Kandidaten,                                                                            vation 2019“ gefördert.
die mit dem Baubestand arbeiten. Das                     Eine nachhaltige und                                            Fazit: Nicht nur im Spannungsfeld
bisher erarbeitete Instrumentarium wird                                                                             zwischen Haus und Quartier wirft die
jetzt am Pilot-Stadtblock „Block 61“ in Wi-      umfassende Quartiersentwicklung                                    IBA den Blick auf die größeren Zusam-
en-Ottakring erprobt.                               stellt auf der Handlungsebene                                   menhänge, sondern auch dort, wo es um

                                                                                             „
     Für Kurt Hofstetter ist dieser Fokus                                                                           das städtische Leben an sich geht. „Häufig
aufs Soziale kein Randphänomen, sondern        der Stadtentwicklung einen wirksamen                                 wird von der ´Leistbarkeit des Wohnens´
essenzieller Bestandteil des Zusammenle-                                                                            gesprochen“, resümiert Kurt Hofstetter.
bens: „Eine nachhaltige und umfassende
                                                           Lösungsansatz dar.                                       „Meist ist damit die allgemeine Leistbarkeit
Quartiersentwicklung stellt auf der Hand-                            Kurt Hofstetter                                des Lebens gemeint – vor allem in Wien,
lungsebene der Stadtentwicklung einen                                                                               wo mehr als 60 Prozent der Bevölkerung
wirksamen Lösungsansatz dar. Durch ein         und temporäres Co-Working geben, das                                 in Wohnverhältnissen leben, in denen sie
reichhaltiges, in Ergänzung zu den übli-       Ziel der Leistbarkeit erstreckt sich nicht                           langfristig und dauerhaft vor Spekulation
chen und erforderlichen Handelseinrich-        nur auf den Wohnraum, sondern auch                                   und unangemessenen Preissteigerungen
tungen auch kleinteiliges zusätzliches An-     auf den Arbeits-Raum. Ein Pionierprojekt,                            geschützt sind, sind es sehr häufig nicht
gebot an Gewerbe- und Dienstleistungen,        das im Rahmen dieser experimentellen                                 die alleinigen Wohnkosten, die die Haupt-
wird ein Umfeld geschaffen, in dem tägli-      Entwicklung auch der Frage nachgeht, in                              belastung darstellen, sondern die Summe
che Wege verkürzt werden können. Dazu          welcher Form eine intensivere Nutzungs-                              aller Faktoren.“
werden lokale Synergien durch Netzwerke
ermöglicht, die sich wiederum auf persön-
liche Kontakte und Nachbarschaften stüt-
zen können, und natürlich gute öffentliche
Verkehrsanbindungen, die die Familien fi-
nanziell entlasten können.“

Neue Wege der Nutzung
Nicht nur im Um- und Zubau bestehender
Stadtquartiere können solche Programme
realisiert und ausprobiert werden, son-
dern auch auf der „grünen Wiese“, sprich,
in den Stadtentwicklungsgebieten. Im
Entwicklungsgebiet Berresgasse im 22.Be-
zirk, wo auf 19 Hektar bis zum Jahr 2022
rund 3.000 geförderte Wohnungen entste-
hen, soll eine in Gründung befindliche
„Grätzelgenossenschaft“ neue Wege der
aktiven Beteiligung, Mitgestaltung und
                                                                                                                                                                                Foto: Florian Niedworok-Studio Mannerhatten

eigenverantwortlichen Quartiersentwick-
lung aufzeigen, etwa im Bereich konkret
angewandter Sharing-Konzepte, die über
Mobilität weit hinausgehen.
     „In der Berresgasse wird versucht,
konkrete Erfahrungen zum Thema bau-
platzübergreifende Gemeinschaftsange-
bote aus den Gebieten In der Wiesen            Die Entwicklung des „Block 61“ in Wien 16 läuft zurzeit unter dem Titel „Pocket Mannerhatten“ – Teilen steht dabei im Zentrum.

                                                                                                                                                      WOHNENPLUS . 2|2019               7
WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
WOHNSYMPOSIUM

                           Alte Konflikte und
                           sanfte „Kümmerer“

                                                                                                                                  Fotos Robert Newald
    Ob die traditionsreiche soziale

                                       G
                                                 änzlich neu entwickelte Groß-        wort Migration). „Viele Aspekte von Kon-
                                                 quartiere wie die Seestadt Aspern    flikten und Spannungen“ würden erst bei
    Durchmischung in Wohnan-                     verfügen heute über den Vorteil      detaillierter Analyse des jetzt Gegebenen
    lagen und Quartieren tatsächlich             früher und umsichtig geplanter       sichtbar, meint der Soziologe Kenan Gün-
                                       Aufgabenteilung und Begegnungsberei-           gör. Geht es um Differenzen zwischen
    Chancen für friedliches Mit-       che, wie ein Rundgang sichtbar machte          Unter- und Oberschicht im selben Haus?
    einander oder auch die Gefahr      (siehe den anschließenden Bericht): Stadt-     Zwischen „Eingesessenen“ und Neuan-
    neuer Konflikte fördere, stand     teil-Management, Nachbarschaftszentrum,        kömmlingen? Zwischen den „Etablierten“
                                       Kindergarten, Treffzonen innen und im          und den „anderen“? Oder doch um einen
    beim 64. Symposium zur Zu-         Freien. Vor allen aber einen gezielten Mix     Grundkonflikt der Generationen „Jung
    kunft das Wohnens in Debatte.      aus Wohnen, Büros und Gewerbe, Woh-            und Alt“? Verschwimmt der Begriff „sozi-
                                       nen plus arbeiten, Studentenhäuser, Ge-        al“ angesichts stark beweglicher Bewoh-
    Definitive Antworten scheiter-     meinschaftsprojekte uvm.                       nergruppen und Seinsgrenzen? Güngör
    ten an der Vielzahl von Struk-          Vor der Realisierung steht eine weite-    empfiehlt jedenfalls bei Lösungsansätzen:
                                       re multifunktionale Ausbauetappe für ca.       „Es muss sich immer um verhandelbare
    turen, neuen Entwicklungen,        7.000 Einwohner, verkündete Gastgeber          Konflikte drehen“.
    Vorgangsweisen. Es einte der       Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender
    Apell an mehr Ressourcen für       der Wien 3420 Development AG, im Ta-           Bollwerk des Systems
                                       gungsort Technologiezentrum. Ziel sei es,      Auf ähnliche Resultate kam Sozialforscher
    Sozialpolitik. Details dazu auch   so Schuster in Anspielung auf den Sym-         Daniel Karasz (Uni Wien) nach zwei im
    in unserer Beilage „Wohnen“ aus    posiumstitel, Konflikte „möglichst als letz-   Abstand etlicher Jahre durchgeführten
                                       ten Ausweg“ zu sehen.                          Tiefenbefragungen bei weitgehend den
    “Der Standard”.                         In den seit Beginn des „Roten Wien“       gleichen Bewohnergruppen. Danach
                                       vor 100 Jahren entstandenen Wohnhaus-          habe sich die Stimmung des Miteinan-
    ERNST KOCH                         anlagen und Grätzln sind inzwischen            der einigermaßen verändert, man sehe in
                                       ganz andere Entwicklungen erkennbar.           der massiv wachsenden Stadt ordentliche
                                       Zur „sozialen Durchmischung“ gesellte          Grenzverschiebungen. Eine Hauptrolle
                                       sich eine zunehmende ethnische, in sich        spiele dabei, welche Personen in welcher
                                       wieder divergierende Komponente (Stich-        Position die thematische Kommunikation

8    WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
WOHNSYMPOSIUM

Gerhard Schuster, Wien 3420 Aspern Development:   Soziologe Kenan Güngör: Viele Aspekte von neu entstandenen        Andrea Reven-Holzmann/ Mitglied im Grundstücksbeirat:
Konflikt nur der letzte Ausweg                    Spannungen in Grätzeln                                            Gleichwertige Aufteilung von Smart-Wohnungen

tragen. Wenn, wie es ab 2011 deutlich zu-
nimmt, agressiv-negative Zeitungs- und                                                                                  Probleme sind die selben,
Medienberichte die Runde machen, dre-
hen sich Einstellungsmuster in raschem                                                                                  doch andere Dimension
Tempo – ein stark applaudiertes und auch                                                                                Der politische Dialog zum Sympo-
mehrfach bestätigtes Statement.                                                                                         siumsende verlief sachlich diffe-
     Als Bollwerk des Systems soziale                                                                                   renziert. Peter Kraus, Gemeinderat
Durchmischung hat die Stadt Wien längst                                                                                 in Wien und neuer Stadtplanungs-
mehrschichtige Konsequenzen gezo-                                                                                       sprecher der Grünen, traf auf Wer-
gen. Aus stadtplanerischer Sicht erläuter-                                                                              ner Krammer (ÖVP), Bürgermeis-
te Andrea Reven-Holzmann als Mitglied                                                                                   ter in Waidhofen a.d. Ybbs. Die
des Grundstückbeirats aktuelle Leitinien                                                                                NÖ-Stadt liegt in einer Abwan-
des Versehens neuer Wohnbau-Bereiche                                                                                    derungsregion und hat dennoch
(Wettbewerbsprojekte) mit thematischen                                                                                  beachtliche Integrationsleistungen
Aufgabenstellungen – etwa junges Woh-                                                                                   verwirklicht: Rasche Unterkünf-
nen, gemeinschaftliches Zusammenleben,                                                                                  te für Asylwerber, Strategien für
interkulturelle Schwerpunkte und ähnli-                                                                                 Arbeit und Wohnen, Forcierung
ches – die auch für die Zuerkennung von                                                                                 von Qualifizierungsmaßnahmen
Wohnbauförderungsmitteln maßgebend                                                                                      für (fehlende) Facharbeiter. „Man
sind. Bereits traditionell wird beim Wohn-                                                                              erkennt die Probleme und wir ler-
anlagen-internen Mix auf einen struktu-           Verena Mörkl, Architektin Superblock: Herausforderung Identität       nen, damit umzugehen“, erläutert
rierten Ausgleich von Miete, Eigentum,            mit dem Haus                                                          Krammer das Waidhofener Klima.
Vorgarten, Maisonetten, variierenden Grö-                                                                               Die angesprochenen Probleme
ßen und Lagen innerhalb der Gebäude               ware fürs Zusammenleben“. Die Institu-                                seien im Prinzip die selben wie
bestanden. Als Novität bereichert die Ein-        tion kann mittlerweile auf 150 KollegIn-                              in der Großstadt, mit dem gro-
bindung von „Smart-Wohnungen“ – also              nen zurückgreifen und versteht sich auch                              ßen Unterschied in ihrer Dimensi-
kleinen, kostengünstigen Einheiten – die          als „die weiche Vermittlungsagentur“. Die                             on. „Wir packen die Dinge etwas
bestehende Angebotsvielfalt. Das noch             besten Erfolgschancen sieht Huemer in                                 hemdsärmeliger an, eher von un-
junge Konzept, versichert Reven-Holz-             der raschen Präsenz der Betreuungsteams                               ten nach oben, weniger zentral
mann, würde nicht in Hausteilen zusam-            direkt vor Ort im persönlichen Gespräch                               organisiert wie in einer Stadt mit
mengepfercht, sondern „gleichwertig in            und mit Querverbindung zu allfälligen                                 bald zwei Millionen Einwohnern.“
der Wohnanlage verteilt“.                         Konfliktkontrahenten. Regeln – und dies                               Peter Kraus erwies sich als klarer
                                                  verkompliziere viele Lösungsstrategien –                              Verfechter des sozialen Wiener
Software fürs Zusammenleben                       bestünden natürlich (Stichwort Hausord-                               Wohnbaus und dessen Absiche-
Auf der Ebene direkt-persönlicher Be-             nung), doch gäbe es eben „geschriebene                                rung gegenüber allen Tendenzen
wohnerkontakte hat das Wohnservice                und ungeschriebene“. Inhaltlich bewegen                               in Richtung Privatisierung: „Man
Wien seit einigen Jahren das Konzept              sich hausinterne Differenzen in höchst                                muss nicht alles über Besitz und
„Wohnpartner“ etabliert, für Teamma-              traditionellen Mustern: An oberster Stelle                            Eigentum definieren.“ (Bild S. 10)
nagerin Claudia Huemer eine Art „Soft-            steht mit über 40 Prozent das Thema von

                                                                                                                                                   WOHNENPLUS . 2|2019      9
WOHNSYMPOSIUM

                                                   Claudia Huemer, Wohnpartner Wien: Beste Erfolge durch Teams
                                                   vor Ort

                                                   An das Merkmal „Identität“ mit dem bezo-
     Nadja Shah, WBV-GPA: Rechtliche Grenzen für   genen Wohnhaus erinnerte Verena Mörkl,                              Peter Berchthold, BUWOG: Infrastruktur im Wohnumfeld
     Hausverwaltungen                              Architektin bei Superblock ZT. Positives                            von Beginn an in der Bauplanung
                                                   Wohngefühl sei auch mit dem optischen
     subjektiv empfundener Lärmbelästigung,        Zugang zur architektonischen Ästhetik ver-                          chen Widerstand, der sich auf einige Be-
     etwa durch Kinder, laute Musik, jugend-       knüpft, was nicht immer konfliktfrei verlau-                        wohner niederschlagen sollte. Ausführliche
     liche Fußballspieler. Nadja Shah, von der     fe. Vielpubliziertes Beispiel: Der in Kom-                          Kommunikation und schließlich die posi-
     Mietervertretung in die Geschäftsführung      bination mit einem Wohngruppen-Projekt                              tive Stellungnahme eines renommierten
     der Wohnbauvereinigung für Privatan-          gestaltete Neubau auf dem Nordbahn-                                 Architektenkollegen planierten die Sache
     gestellte umgesiedelt, äußert ähnliche        hof-Areal, der durch ein rosa gefärbtes Stie-                       letztlich. Nachbarschaftliches Kennenlernen
     Erfahrungen: Als Hausverwaltung seien         genhaus hohe Erkennbarkeit sichern sollte.                          ist auch in auffälligen, statt anonym grauen
     die rechtlichen Eingriffsmöglichkeiten be-    Die Exklusivät erntete hingegen öffentli-                           Stiegenhäusern erlebbar …
     schränkt und Interventionen konzentrie-
     ren sich auf bekannte „Klassiker“ – Lärm,
     Ruhestörung, Geruchsbelästigung. Shah
     registriert auch eine deutliche Präsenz
     von Generationskonflikten zwischen Jung
     und Alt.
         In der Fachwelt werden solche Per-
     sönlichkeiten der Direktbetreuung in-
     zwischen „Kümmerer“ genannt – ein
     Ausdruck, der sich unter anderem in
     Forderungen nach mehr Ressourcen wie-
     derfindet. Selbst der Bürgermeister von
     Waidhofen an der Ybbs, Werner Kram-
     mer, deponierte im politischen Schlussge-
     spräch: „Wir brauchen Kümmerer – Leute,
     die sich auskennen und Verantwortung
     übernehmen“.

     Infrastruktur und Identität
     Aus anderer Sicht betrachten Wohn-
     bau-Realisatoren die Forcierung von sozi-
     alem Zusammleben. Für das Immobilien-
     management der BUWOG betonte Peter
     Berchthold, dass bei sämtlichen Neupro-
     jekten infrastrukturelle Rundum-Versor-
     gung im voraus mitgeplant würden, etwa
     auch Kindergärten, Schulen, gut angeleg-
     te Außenflächen, in der Seestadt zudem
     Werkstätten für Textilreinigung und Digi-
     tal Media (gemeinsam mit Wien Work).          Die politische Debatte zwischen Peter Kraus und Werner Krammer moderierte Eric Frey (links) „Der Standard“.

10    WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNSYMPOSIUM

                                                     Politik budgetär gefordert
                                                     Die Empfehlungen aller
                                                     Teilnehmer-Tischrunden
                                                     zu politisch wirksamen
                                                     Maßnahmen lassen sich die-
                                                     ses Mal zu grundlegender
                                                     Gleichgesinnung resümie-
                                                     ren: Ob im Grätzl, in neuen
                                                     Quartieren oder in Um-
                                                     landgemeinden benötigen
                                                     Kommunikationspartner
                                                     und „Kümmerer“ zusätzliche
                                                     Motivation, Unterstützung
                                                     und Ressourcen. Auch die
                                                     Sozialpolitik insgesamt soll
                                                     auf offensichtliche Problem-
                                                     felder abgestimmt werden.

Tisch 4| 17 Punkte      Tisch 2 | 10 Punkte                   Tisch 8 | 6 Punkte
Platz 1                 Platz 2                               Platz 3
Siegerslogan:           Slogan:                               Slogan:
Mehr Ressourcen für     Gutes Miteinander                     Motivation für mehr
Sozialpolitik           braucht entspanntes                   Verantwortung
                        Nebeneinander

Präsentation:           Präsentation:                         Präsentation:
Claudia Huemer,         Michaela Mischek-Lainer,              Katrin Kraus, Servicebüro
Wohnservice Wien        6B47 Real Estate Investors            Zusammen wohnen, Graz

Tisch 3 | 3 Punkte      Tisch 6 | 4 Punkte                    Tisch 7 | 3 Punkte
Slogan:                 Slogan:                               Slogan:
Frühes Change-          Ausschließliches                      Räume und Kümmerer
Management in Grätzln   Wahlrecht für Frauen
und Quartieren

                        Präsentation:
Präsentation:           Bernhard Jarolim,                     Präsentation:
Raimund Gutmann,        Stadtbaudirektion,                    Fritz Oettl,
wohnbund:consult        mit Verena Mörkl, Arch.               Architekt/Cofabrik

Tisch 1 | 1 Punkt       Tisch 5 | 5 Punkte                    Tisch 9 | 5 Punkte
Slogan:                 Slogan:                               Slogan:
Ressourcen für          Paylife                               Wohnpartner
qualifizierte                                                 für Alle
Wohnbegleiter

Präsentation:           Präsentation:                         Präsentation:
Margarete Czerny,       Christoph Mörkl,                      Nadja Shah,
Wohnexpertin            Architekt                             WBV-GPA

                                                              WOHNENPLUS . 2|2019         11
WOHNSYMPOSIUM

           Die Mischung macht´s aus
     Bei einem Besichtigungsrund-
     gang im Seeparkquartier, als
     exklusives Vorprogramm zum
     64. Wohnsymposium, erkunde-
     ten die Teilnehmer ausgewählte
     Projekte, bei denen die soziale
     Mischung im Vordergrund steht.

     GISELA GARY

     W
                 ährend beim Wohnsymposi-

                                                                                                                                                                                                      Fotos: Robert Newald
                 um am Nachmittag die Frage
                 „Soziale Mischung – Problem
                 oder Chance“ intensiv dis-
     kutiert wurde, war beim Vorprogramm
     bei einem mittäglichen Besichtigungs-
     rundgang die Antwort rasch gefunden:                              Der vom Stadtteilmanagement initiierte „Raum für Nachbarschaft“ forciert die soziale Seestadt-Mischung.
     Die soziale Durchmischung ist nicht nur
     in neuen Stadtquartieren, sondern eben-                           ativen und aktiven Miteinander wohnen,                              von den Bewohnern selbst kommen“, so
     so in Wohnbauten eine Chance für alle                             leben und arbeiten. Bernhard Siquans                                Siquans. Der Rundgang führte über die
     Bewohner. Gerhard Schuster, Vorstand                              vom Stadtteilmanagement begleitete die                              Sonnenallee zum Wohnhaus Mischa von
     der Wien 3420 Aspern Development,                                 Exkursion. Er liefert seit Anbeginn der                             der EGW Heimstätte. Hier standen das
     betonte in seiner Begrüßung, dass der                             Besiedlung mit seinem Team eine Viel-                               gemeinschaftliche Wohnen und Arbeiten
     soziale Aspekt bei der Entwicklung der                            zahl von Anreizen für soziale Aktivitäten                           im Zentrum, auch ein Pflegeheim sollte
     Seestadt Aspern selbstverständlich im                             – bzw. greift diese von Bewohnern auf                               im Erdgeschoß errichtet werden. Doch
     Vordergrund steht – immerhin wohnen                               und unterstützt diese, bis sie von allein                           der Bauherr musste kurzfristig umdispo-
     bis zum Jahr 2030 mehr als 20.000 Men-                            funktionieren. „Es ist eine spannende                               nieren, aufgrund der flexiblen Grundrisse
     schen hier und diese sollen in einem kre-                         Aufgabe und beachtlich, wie viele Ideen                             der von Koka nonconform geplanten Flä-

     Michael Gehbauer, WBV-GPA, hat allen Grund stolz zu sein – die Pop Up dorms erhielten soeben        Schlicht, in Modulbau- und Niedrigstenergiebauweise: Das Atrium mit der Gemeinschaftsküche
     die Auszeichnung der FIABCI für innovatives Bauen.                                                  der Pop up dorms in einem alten Container.

12    WOHNENPLUS . 2|2019
WOHNSYMPOSIUM

chen kein Problem: „Dennoch waren wir
ein wenig überrascht, dass das Zuhause
arbeiten doch noch nicht so gefragt ist.
Dadurch dass wir keine Förderzusage
für das Pflegeheim erhielten, ließen wir
auch diesen Plan fallen“, erläuterte Karin
Kieslinger, Projektleiterin der EGW. Nun
gibt es 47 Wohnungen, Geschäftsflächen
und Büros. Realitylab verantwortet die
Bewohnerbetreuung.
    Begeisterung gab es für die Nutzung
des Erdgeschoßbereichs eines Parkdecks
im Seeparkquartier. Der „Raum für Nach-
barschaft“ steht allen Seestädtern kosten-
los zur Verfügung, für Geburtstagsfeiern,
Aktivitäten wie jene der Werkgruppe
oder andere Treffen. Das Angebot des
Stadtteilmanagements wird sehr gut an-
genommen.                                     Bernhard Siquans vom Stadtteilmanagement (Bildmitte, mit Plan) begleitete die Besichtigungstour fachkundig.

Innovativ und temporär
Michael Gehbauer, WBV-GPA, führte zu
den Pop Up dorms, die soeben mit dem
international renommierten FIABCI-Preis
für vorbildliche und innovative Wohnbau-
ten ausgezeichnet wurden. Das Studen-
tenheim besteht aus Holzcontainern, vier
Studenten teilen sich einen Container um
360 Euro monatlich, jeder verfügt über
ein eigenes Zimmer. Es gibt pro Einheit
eine kleine Küche und zwei Badezim-
mer. Das temporäre Wohnprojekt wird
gemeinsam mit dem OeAD die nächsten
fünf Jahre geführt. Dann werden die Pop
Up dorms an einen neuen Standort über-
siedeln. Das Grundstück darf frühestens
in fünf Jahren bebaut werden, deshalb
ergab sich die Gelegenheit für das inno-
vative Studentenheim.
     Die Buwog errichtete in unmittelba-
rer Nähe die Wohnanlage SeeSee mit 286
Wohneinheiten, die aus drei Gebäuden          Die Buwog errichtete im Seeparkquartier „SeeSee“, eine aus drei Gebäuden bestehende Wohnhausanlage mit geförderten und
mit einem Kindergarten besteht. Die so-       freifinanzierten Wohnungen, plus Kindergarten. Noch im Bau ist der Seepark-Platz.
ziale Durchmischung ergibt sich bereits
durch den Mix an geförderten Mietwoh-
nungen und Eigentumswohnungen. Ro-
man Grandits von der Projektentwicklung
der Buwog erläuterte das Gesamtkon-
zept, das sich gut in das Seeparkquartier
einfügt.
     Andrea Angermann von Wien Work
zeigte das breite Betätigungsfeld der Ini-
tiative für beeinträchtigte Menschen. Erst
vor kurzem eröffnet wurde das Restau-
rant „Speiseamt“, das von Lehrlingen ge-
führt wird. Rund 20 Jugendliche kochen
hier und sorgen für einen weiteren Mei-
lenstein in der Kulinarik der Seestadt As-
pern. Fazit des Rundgangs: Die soziale
Mischung macht´s aus – und führt zu ei-
ner Win-win-Situation für alle Beteiligten,   Andrea Angermann (Bildmitte) präsentierte die vielfältigen Angebote und Aktivitäten von Wien Work, die einen wesentlichen Beitrag
wenn diese ein wenig gesteuert wird.          zur Integration und Beschäftigung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen leisten.

                                                                                                                                                   WOHNENPLUS . 2|2019            13
MEIN WOHNEN PLUS

     „Ich brauche
     die Schönheit
     um mich
     herum“
     Josef Klemen war einst Obmann
     des gemeinnützigen Bauträgers
     Neues Leben. Sein heutiges
     Leben fokussiert sich auf den
     Genuss der Kunst und der
     proportional klein gewordenen,
     aber gemütlichen Zukunft.

     WOJCIECH CZAJA

     D
               ie Südstadt galt einst als eines der
               innovativsten Stadterweiterungs-
               gebiete Österreichs. Hier hat die

                                                                                                                                                  Foto: Czaja
               Gemeinde Maria Enzersdorf in
     Zusammenarbeit mit dem Bauträger Aus-
     tria AG in den Sechziger- und Siebzigerjah-      Wohnzimmer. Der steinerne Zimmerbrun-         radius ist kleiner geworden, konzentriert
     ren mehr als 2.000 Wohnungen errichtet.          nen sorgt für ein angenehmes Plätschern.      sich heute auf die Familie und auf mein
     Im Gewerbedickicht zwischen Mödling,             „Mir waren die Bilder und Gemälde im-         Stammcafé in der Südstadt, wo ich meine
     Vösendorf und Brunn am Gebirge finden            mer schon wichtiger als die Einrichtung“,     Freunde treffe. Man könnte sagen, dass
     sich Flachbauten, Bungalows, Reihenhäu-          sagt Klemen. „Manche davon sind Origi-        die Perspektive nach vorne proportional
     ser, Stelzenhäuser und dreistöckige Mehr-        nale, aber bei Pablo Picasso, Marc Cha-       deutlich kleiner geworden ist als der Blick

                                                                                                      ”
     familienwohnblöcke. Dazwischen immer             gall und Brueghel dem Jüngeren handelt
     wieder Dschungel aus Grün.                       es sich, wie man sich unschwer vorstel-
                                                                                                            Die Kunst hilft mir dabei,

                                                                                                                                         „
          Josef Klemen wohnt bereits seit 1966        len kann, um Kopien, die eine Freundin
     in der Südstadt. Der 85-Jährige, ein span-       von mir nachgemalt hat. Ich brauche die
     nender Gesprächspartner, der in der Ge-          Schönheit um mich herum, denn wir le-                    den Schwerpunkt
     mütlichkeit des Lebens angekommen ist,
     wie er selbst meint, war einst Obmann der
                                                      ben in einem zauberhaft schönen Land
                                                      in ziemlich guten Verhältnissen, aber die
                                                                                                            wieder zurechtzurücken.
     Arge Eigenheim, Obmann des gemeinnüt-            Nachrichten und Zeitungen schaffen es
     zigen Bauträgers Neues Leben sowie Auf-          immer wieder, die Minderheit des Nega-        zurück. Und ich merke, dass das, wofür
     sichtsratsvorsitzender im GBV-Verband.           tiven in den Vordergrund zu rücken. Die       man sich nie Zeit genommen hat, heute
     Doch die vielleicht wichtigste Funktion          Kunst hilft mir dabei, den Schwerpunkt        immer mehr davon in Anspruch nimmt.“
     seiner beruflichen Laufbahn, so Klemen,          wieder zurechtzurücken.“                      In seinem Lächeln ist viel Lebensweisheit
     waren die 18 Jahre im Unterausschuss des                                                       zu lesen.
     Bauausschusses: „Ich war Expertenbera-           Visuelle Tagebucheinträge                          Gibt es noch Wünsche für die Zu-
     ter für die Abgeordneten. Damals haben           Zudem seien die Motive, so Klemen, als        kunft? „Nein. Ich hatte ein schönes Leben
     wir jene Gesetze mitgestaltet, die bis heu-      visuelle Tagesbucheinträge zu verstehen.      und koste nun die letzten Jahre davon
     te die Grundlage des sozialen Wohnbaus           Viele davon bilden private und berufliche     aus. Für meine Kinder, Enkelkinder und
     bilden. Darauf bin ich sehr stolz.“              Reisen ab, stammen aus der Provence, aus      Urenkel jedoch wünsche ich mir, dass sie
          Die 87 Quadratmeter große Eigen-            der Türkei, aus dem tiefsten Sibirien. „Je-   sich den Blick auf das Schöne und Po-
     tumswohnung ist ein Sammelsurium aus             des Kunstwerk hat seine Geschichte, und       sitive bewahren. Angesichts der Politik,
     Kunst und in die Jahre gekommenen Lack-          indem ich es betrachte, lese ich diese, oft   des Klimas und der globalwirtschaftlichen
     möbeln. Ein zentraler Esstisch und lange         Jahrzehnte lang zurückliegende Anek-          Entwicklung wird diese eigentlich einfa-
     Kommoden an den Wänden prägen das                dote. Aber das ist vorbei. Mein Lebens-       che Sache immer schwieriger.“

14    WOHNENPLUS . 2|2019
THEMA

                                                                              Visualisierung: Imagina-VisualCollaboration
    Nachverdichtung ist eine unverzichtbare Strategie für die wachsende
    Stadt von heute. Einige Architekten, Bauträger und öffentliche
    Verbände gehen mit hochqualitativen Beispielen voran – und zeigen
    auf wie wir mit Hirn und Kommunikation etwas näher und dichter
    zusammenrücken können. Gerade bei Blockrandsanierungen gibt es

Aufbau – Umbau – Zubau
    noch viel Potential. In der Forschung beschäftigen sich Experten mit
    zukunftsweisenden Ideen, nicht selten orientiert an internationalen
    Großstädten, die ebenso mit Bauland kämpfen und sich stärker auf
    das Thema Verdichtung, Aufbau und Umbau konzentrieren oder auch
    für mutige Zubauten entscheiden. Es gibt eine Vielzahl an Erweite-
    rungsmöglichkeiten, die dennoch kostenmäßig im leistbaren Rahmen
    bleiben können. Dass dabei die technischen Herausforderungen ein
    besonderes Augenmerk verlangen, erweist sich bei dem Griff in alte
    Bausubstanz als selbstverständlich.

                                                                           WOHNENPLUS . 2|2019                              15
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                                Mit Verdichtung
                                Qualität steigern
     Vor allem in Großstädten ist das
     Potential für Auf-, Um- und Zu-
     bauten groß. Die Bauordnungen
     erlauben neun verschiedene
     Zugänge – dennoch, Planer sind
     gefordert, gute Ideen einzubrin-
     gen, die weder Budgets über-
     strapazieren noch massiv ins
     Stadtbild eingreifen. Konzepte
     für die Zukunft sind gefragt.

     WOJCIECH CZAJA, GISELA GARY

     D
                                                                                                                                                                  Foto: San_Imagina
               er Großraum Wien gehört mitt-
               lerweile zu den am stärksten
               wachsenden Städte Europas.
               Bei dem von der Österreichi-       Wohnbebauung Neubaugürtel vor der Sanierung: Die Visualisierung zeigt das Potential am Dach.
     schen Raumordnungskonferenz prog-
     nostizierten Bevölkerungswachstum um         von p.good architects. „Da merkt man wie                          schlagstraße und Löhrgasse wurde nicht
     35 Prozent auf 2,4 Millionen Einwohner       dicht die Stadt früher bebaut wurde. Aus                          nur einer klassischen Blockrandsanie-
     im Jahr 2050, entsteht ein riesiger Bedarf   der Geschichte Wiens können wir noch                              rung unterzogen, sondern im Zuge der
     an Neubauten und Flächenentwicklung.         viel lernen.“ Goodarzi blättert in den                            Sanierungsarbeiten auch aufgestockt und
     Rund 2.000 Wohnungen pro Jahr können         Plänen hin und her, auf der Suche nach                            verdichtet. Insgesamt wurden rund 80
     laut wohnbund:consult allein in Wien auf     einem der vielen Schnitte und Grundriss-                          Bestandswohnungen saniert, umgebaut,
     bestehenden Gemeindewohnbauten und           pläne: „Und dann erst die Raumhöhe!                               zusammenlegt und auf Kategorie A an-
     GBV-Projekten errichtet werden. Heraus-      Hier, sehen Sie das? Nachdem der Zubau                            gehoben, während in den Annexbauten
     ragende Einzelbeispiele zeigen, wie der      im Innenhof eine Art Rucksack, eine Art                           und in den beiden Dachgeschoß-Etagen
     Wohnraumbedarf aus dem Bestand her-          Erweiterung des gründerzeitlichen Hau-                            weitere 60 geförderte Mietwohnungen
     aus gedeckt werden kann.                     ses ist, in dem sich die Wohnungen zur                            geschaffen wurden. Der Großteil der
         Ganz schön dicht: Der erste Hof ist      Hälfte im Altbau und zur anderen Hälfte                           Wohneinheiten liegt zwischen 40 und 65
     noch luftig und hell, doch wenn man sich     im Neubau befinden, mussten wir uns in                            Quadratmetern Nutzfläche, einige wenige
     plötzlich im zweiten Innenhof wiederfin-     den Geschoßhöhen an den Bestand an-                               Ausreißer nach oben (bis zu 98 Quadrat-
     det, dann sind die Fassadenmauern, so        passen. Aus diesem Grund haben wir hier                           meter) und unten (bis zu 40 Quadratme-
     scheint es, ungewöhnlich nah zueinander      eine Raumhöhe von 3,20 Metern. Das ist                            ter) runden das Angebot ab.
     gerückt. Mit sieben Metern Breite ist der    ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Wo                               „Wir haben hier einen halben Stra-
     Freiraum inmitten des 15. Wiener Ge-         findet man heute so etwas noch im zeit-                           ßenblock umgebaut, und das ist eine exo-
     meindebezirks knapp. „Ja, der kleine, be-    genössischen Wohnbau?“                                            tische Seltenheit“, erläutert Martin Pober,
     stehende Innenhof ist wirklich sehr kom-         Das ungewöhnliche Projekt im Stra-                            Geschäftsführer der auf Blocksanierung
     pakt“, sagt Architektin Azita Goodarzi,      ßenblock zwischen Neubaugürtel, Gold-                             spezialisierten Premium Bauträger GmbH,

16    WOHNENPLUS . 2|2019
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                                                                               Foto: San_Imagina

                                                                                                                                                                                            Foto: Klomfar
So sah der Wohnbau am Neubaugürtel vor der Sanierung aus.                                          Klare Aufwertung und Qualitätsgewinn – durch den Auf- und Zubau.

die die ursprünglich sechs Grundstücke                      terogene Ensemble aus sechs Objekten zu                                mehr nach Synergieeffekten zu suchen.
zu einer Liegenschaft zusammengelegt                        einer ruhigen Einheit zusammen.“                                       Über Servitutsrechte, die im Grund-
hat. „Wir haben die Objekte einem Im-                           Begleitet und betreut wurde das Pro-                               buch festgehalten werden, könnte man
mobilienentwickler abgekauft, der 20 Jah-                   jekt vom wohnfonds_wien. „Der Bauträ-                                  sich darauf einigen, gewisse Räume und
re lang vergeblich versucht hat, hier ein                   ger ist hier sehr behutsam vorgegangen                                 Freiräume eines Hauses im Kollektiv zu
Shoppingcenter zu entwickeln. Die meis-                     und hat auf die bestehenden Mieter gro-                                nutzen. Das spart Geld und Fläche und
ten Mieter waren im Laufe der Zeit schon                    ße Rücksicht genommen“, erklärt Werner                                 macht auf diese Weise neue Ressourcen

   ”
                                                            Auer, Bereichsleiter Sanierung im wohn-                                frei – für Wohnungen oder etwa für eine
                                                            fonds_wien, „unterm Strich ist hier ein                                gemeinsame, straßenblockübergreifende
          Wir haben einen halben

                                                „
                                                            schönes Best-Practice-Beispiel für Nach-                               Gartenlandschaft über den Dächern der
                                                            verdichtung gelungen.“ Finanziert wurde                                Stadt. Dichtmachen auf intelligentestem
      Straßenblock umgebaut, das ist                        das Projekt (Gesamtbaukosten 16,8 Mil-                                 Niveau eben. Dass wir im Alltag davon
         eine exotische Seltenheit.                         lionen Euro) über Fördermittel aus dem                                 weit entfernt sind, beweist ein Nachver-
                                                            Topf der Sockelsanierung, über ein nied-                               dichtungsprojekt am Johann-Orth-Platz
                    Martin Pober,                           rigverzinstes Landesdarlehen sowie über                                in Wien-Stammersdorf, wo gerner gerner
              Premium Bauträger GmbH                        Annuitätenzuschüsse über einen Zeitraum                                plus für die Donau-City-Wohnbau AG ei-
                                                            von 15 Jahren. Während die Altbauwoh-                                  nen kompakten Wohnbau mit 42 Woh-
ausgezogen, bis auf 25 Familien stand der                   nungen bei rund sechs Euro Nettomiete                                  nungen geplant hat.
halbe Straßenblock bereits leer.“ Daher                     liegen, belaufen sich die Mietkosten im                                     „Das war ein komplexes Grundstück
war so eine umfassende Sanierungsmaß-                       Neubau auf rund acht Euro netto.                                       mit einer eigenwilligen Form und zwei
nahme überhaupt erst möglich. Während                                                                                              unterschiedlichen Bauklassen, die hier
fünf Bestandsobjekte in einem mittelmä-                     Geld und Fläche sparen                                                 auf engstem Raum aufeinanderknallen“,
ßig guten Zustand waren, musste ein Alt-                    Ein Projekt, das sich auf Forschungsebe-                               erklärt Architekt Andreas Gerner, „Eigent-
bau, in dessen Erdgeschoß sich einst ein                    ne damit befasst wie Nachverdichtung in                                lich eine spannende Bauaufgabe, eine für
Bordell befand und dessen Obergescho-                       der bestehenden Stadt aussehen kann,                                   einen Architekten schöne Herausforde-
ße leer standen und über viele Jahrzehnte                   hört auf den Namen „Pocket Mannerhat-                                  rung. Doch so gut wir auch gearbeitet ha-
mit Taubenkot verunreinigt wurden, aus                      ten“. Anstatt jedes Haus mit dem üblichen,                             ben, so gut der Dialog mit dem Bauträger
hygienischen Gründen abgerissen wer-                        von Bauordnung und Förderrichtlinien                                   auch war, so schlecht war die Kommuni-
den. An seiner Stelle errichteten die p.                    verlangten Ausstattungskonvolut doppelt                                kation mit der Umgebung. Parallel zu uns
good architects einen siebengeschossigen                    und dreifach zu bestücken, untersucht                                  haben auch andere Architekten und Bau-
Neubau. Um die Wohnungen gegen den                          das Projekt, das im Rahmen der Interna-                                träger an der Verdichtung dieses Areals
Verkehrslärm des Gürtels abzuschotten,                      tionalen Bauausstellung Wien, IBA 2022,                                gearbeitet. Allerdings war es kaum mög-
wurde eine straßenseitige Laubenganger-                     realisiert werden soll, wie man geschickte,                            lich, zu den Akteuren auf den benachbar-
schließung gewählt.                                         auch finanziell interessante Reduktionen                               ten Grundstücken eine funktionierende
     „Im Gegensatz zu den gründerzeit-                      vornehmen könnte. Siehe dazu auch den                                  Kommunikation aufzubauen.“ Wenn sei-
lichen Häusern, die ihre eigenständige                      Artikel über die Aktivitäten der IBA auf                               tens der Stadt keine Synergien und Kom-
Charakteristik behalten haben, strahlt die                  Seite 6.                                                               munikationsplattformen geschaffen wür-
Formen- und Materialsprache des Neu-                             „Warum muss jedes Haus eine Tief-                                 den, so Gerner, dann bleibe das Thema
baus jedoch über das gesamte Projekt                        garage, ein Stiegenhaus, einen Lift und                                Nachverdichtung eine reine Glückssache:
aus“, sagt Architektin Goodarzi. „Die be-                   einen ohnehin fast nie genutzten Ge-                                   „Das ist nicht wirklich konstruktiv, oder?“
wusst moderne, reduzierte Architektur in                    meinschaftsraum haben“, fragt Architekt                                     Genau deshalb setzen vor allem ge-
silbergrauem Blech erstreckt sich über die                  Florian Niedworok vom Pocket-Manner-                                   meinnützige Bauträger auf Dialog. Die
gesamte Dachlandschaft und fasst das he-                    hatten-Team und schlägt vor, gemeinsam                                 Schwarzatal stieß beispielsweise bei ei-

                                                                                                                                                                      WOHNENPLUS . 2|2019        17
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