DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
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DVR REPORT FA C H M A G A Z I N F Ü R V E R K E H R S S I C H E R H E I T 1/2023 Top-Thema Vorrang für barrierefreie Mobilität Jetzt den DVR REPORT digital abonnieren: AKTUELLES PANORAMA WISSEN DVR: Neuwahlen von Verkehrserziehung für Barrierefreie Mobilität Präsidium und Vorstand ukrainische Kinder im Verkehrsrecht
EDITORIAL iebe Leserin, L Inhalt lieber Leser, EDITORIAL 2 die stetige Verbesserung der Ver- kehrssicherheit ist mir ein großes AKTUELLES Anliegen – daher freue ich mich Neuer stellvertretender Geschäftsführer beim DVR 3 sehr, nun das Amt des Präsidenten Juristische Fachkonferenz 3 des DVR bekleiden zu dürfen. Was „Sicher mobil im Alter“: Fahrkompetenzen bei einer mich auch schon in meinem bis- Rückmeldefahrt testen lassen 3 herigen Engagement für den DVR Manfred Wirsch ist neuer DVR-Präsident 4 geleitet hat und jetzt im Präsiden- Interview mit Christiane Leonard-Tiemann, tenamt leiten wird, ist die Vision neugewähltes Mitglied im DVR-Präsidium 5 Zero. Sicherer Fußverkehr: So kann es gehen 6 Bereits seit mehreren Jahrzehnten TOP-THEMA Foto: Wolfgang Bellwinkel - DGUV arbeiten die Unfallversicherungs- Vorrang für barrierefreie Mobilität 8 träger und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Neue Barrieren auf Gehwegen 10 im Bereich der Prävention von Verkehrsunfällen eng und vertrau- ensvoll mit dem DVR zusammen. Doch nicht nur die gesetzliche MITGLIEDER Unfallversicherung, sondern wir alle haben einen hohen Mehrwert EKRA: Fitte Lkw-Fahrende sind das Ziel D 12 von einer guten Zusammenarbeit. Dies spiegelt sich in den Zah- ACE: Rastplatz-Check – Nur ausgeruhte len der Verkehrsunfallopfer wider, die in den letzten Jahren und Autofahrende sind sicher unterwegs 13 Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen sind. Der Blick auf UDV: Unfälle zwischen Pkw- und Radfahrenden an die Zahlen aus rein menschlicher Perspektive spornt uns alle zum Grundstückszufahrten 14 gemeinsamen Engagement für die Vision Zero und für die Ver- TÜV-Report 2023: Jeder fünfte Pkw fällt durch 14 kehrssicherheit an. ADFC: Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten15 Kompromissorientiert, aber auch zielstrebig und in guter Zusam- DVR zu Besuch beim ADAC in Landsberg und Penzing 15 menarbeit mit dem Vorstand möchte ich dazu beitragen, dass wir einer Welt ohne schwere und tödliche Unfälle im Straßenverkehr PA N O R A M A ein Stück weit näherkommen. Dabei müssen wir neue Entwicklun- „Excellence in Road Safety Awards“: Auszeichnung gen, zum Beispiel die Fortschritte bei den Fahrassistenzsystemen, für ein deutsches Projekt 16 verstärkt in den Blick nehmen, bekannte Risiken wie Alkohol, EU Road Safety Results Conference 16 Müdigkeit, Ablenkung etc. nicht aus dem Blick verlieren und Ver- Digitalisierung der Straße – wie schaffen wir den kehrsteilnehmende jeden Alters weiter beharrlich auf diese hinwei- sicheren ländlichen Verkehrsraum? 17 sen. Plakate für die Nutzung des Sicherheitsgurtes brauchen wir Wie können deutsche Verkehrsregeln am besten schon lange nicht mehr. Doch es werden neue Herausforderungen gelernt werden? 18 auf uns zukommen, auf die wir reagieren müssen und werden. Ich Interview mit Christoph Becker, Geschäftsführer bin fest davon überzeugt, dass der DVR, mit seinen rund 200 Mit- der Verkehrswacht Münster 19 gliedern und Partnern, zeitgemäße Antworten darauf finden wird. WISSEN Ich wünsche Ihnen spannende Erkenntnisse und viel Freude bei der Autonomes Fahren: Neue Mini-3D-Kamera überwacht Lektüre dieser Ausgabe. den Innenraum 21 Mehr Sicherheit an Tagesbaustellen 21 Ihr Barrierefreie Mobilität im Verkehrsrecht 22 IMPRESSUM 23 Manfred Wirsch Präsident DVR 2 DVR REPORT 1/2023
AKTUELLES N euer stellvertre- uristische J tender Geschäfts- Fachkonferenz führer beim DVR Die Juristische Fachkonferenz 2022 des DVR hat wieder ein breites Spektrum verkehrsrechtlicher Fragestellungen geboten. Gemäß § 14 der Satzung hat das Präsidium Neben polizeilicher Überwachung von Rotlichtverstößen, dem Torsten Buchmann zum 1. Dezember 2022 Änderungsbedarf des Straßenverkehrsrechts aus Sicht des Fuß- zum stellvertretenden Geschäftsführer des DVR verkehrs und Fahrten unter Cannabiseinfluss ging es auch um die berufen. Buchmann ist bereits seit 2017 für Vision Zero im Bereich von Baustellen sowie die Anhängerhaftung den DVR tätig. Zunächst leitete er das Referat mit europäischer Perspektive. „Ältere Verkehrsteilnehmer“, später kam das Thema „Kinder und Jugendliche“ hinzu. Als Sämtliche Vorträge können auf der Webseite des DVR herunter- Leiter der Abteilung Presse und Kommunika- geladen werden. Wer die Veranstaltung verpasst hat, kann sie tion verantwortet er seit Juni 2022 die Öffent- sich nachträglich noch einmal im Stream auf dem YouTube-Kanal lichkeitsarbeit des DVR. Bei Abwesenheiten des DVR ansehen. des Hauptgeschäftsführers vertritt Buchmann diesen nun als sein Stellvertreter: „Ich danke Hier finden Sie die Hier geht es zur Aufzeichnung dem Präsidium und dem Hauptgeschäftsführer Präsentationen: auf YouTube: Stefan Grieger für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich freue mich, ein Teil des DVR zu sein, mehr Verantwortung übernehmen zu kön- nen und so einen Beitrag für die Sicherheit im Foto: Martin Lukas Kim - DVR Straßenverkehr zu leisten.“ „ Sicher mobil im Alter“: Fahrkompetenzen bei einer Rückmeldefahrt testen lassen Im Jahr 2021 sind 868 Menschen, die 65 Jahre und älter waren, einer Expertin oder einem Experten beobachten und beurteilen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Das entspricht einem zu lassen, um daraus Empfehlungen abzuleiten. Sie wird von Drittel (33,9 Prozent) aller Verkehrstoten. Zudem waren rund ortsansässigen Fahrschulen sowie dem ADAC, TÜV, DEKRA und 25 Prozent der getöteten in Pkw sitzenden Personen in dieser den Landesverkehrswachten Altersgruppe. angeboten. Die meisten älteren Menschen wünschen sich, bis ins hohe Alter Weitere Informationen zu den mobil zu sein. Dabei schenkt ihnen das Auto Unabhängigkeit Rückmeldefahrten gibt es hier: und ermöglicht über viele Jahre ein selbstbestimmtes Leben sowie den Erhalt sozialer Kontakte. Gleichwohl machen sich aber mit zunehmendem Alter gesundheitliche und körperliche Veränderungen bemerkbar, die Einfluss auf die Fahrkompeten- zen haben können. Mit einer Plakatkampagne sensibilisiert der DVR, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), für die altersbedingten Herausforderungen beim Autofahren. Dabei empfiehlt der DVR älteren Kraftfahrzeugfahrenden, an einer Rückmeldefahrt teilzunehmen. Eine Rückmeldefahrt ist ein freiwilliges Angebot, das dazu dient, die Fahrfähigkeiten von 1/2023 DVR REPORT 3
AKTUELLES Manfred Wirsch ist neuer DVR-Präsident Er ist am 13. Dezember 2022 von den knapp 200 Mitgliedern des DVR gewählt worden. Unterstützung bekommt er durch das neu aufgestellte Präsidium, das wir hier vorstellen möchten, und den ebenfalls neu gewählten Vorstand. Manfred Wirsch löst Prof. Dr. Walter Eichendorf ab, der über 13 Jahre in dieser Position die Vision Zero vorangetrieben hat – hin zu einem Straßenverkehr ohne Getötete und Schwerverletzte. Manfred Wirsch, Jahrgang 1959, war 2012 bis 2014 fungierte er als Vorsitzender mit möglichem Gefährdungspotenzial nach dem Abitur 1977 und der Ausbildung der Mitgliederversammlung der Deutschen für den Menschen sehen. Forschung bei- zum Stahlhandelskaufmann bis 2015 als Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). spielsweise fokussiert sich häufig auf Sicherheitsfachkraft bei ArcelorMittal in Seit 2014 ist Wirsch Vorstandsvorsitzen- Technik. Meines Erachtens muss der Fak- Essen beschäftigt. Von 2001 bis 2015 der der DGUV und Vorstandsmitglied im tor Mensch immer mitgedacht werden. war er Mitglied im ver.di-Gewerkschaftsrat DVR, seit 2018 DVR-Vizepräsident und Mit- Und bei allen neuen dürfen wir die alten, und zudem von 2002 bis 2008 Vorsitzen- glied im Hauptausschuss der BG-Kliniken. bekannten Risiken nicht aus dem Blick der des ver.di-Bezirks Essen. Seit 2016 ist verlieren. Den DVR in diesen und allen wei- er Bundesfachgruppenleiter Groß- und Meine Vision für die kommenden vier teren Themen der Verkehrssicherheit als Außenhandel beim ver.di-Bundesvorstand. Jahre als DVR-Präsident: die Institution in Öffentlichkeit und Politik „Es gilt weiterhin, das ehrgeizige Ziel einer zu verankern, die neue Herausforderungen Seit 2017 ist Wirsch Mitglied im Aufsichts- Vision Zero zu verfolgen – eine Welt ohne frühzeitig erkennt, Antworten findet und rat der Metro AG und seit 2008 Vorstands- tödliche und schwere Unfälle. Dabei soll- damit einen wertvollen Beitrag für die Ver- vorsitzender der Berufsgenossenschaft ten wir jede technologische Weiterent- kehrssicherheit in Deutschland liefert, ist Handel und Warenlogistik (BGHW). Von wicklung auch immer im Zusammenhang eine lohnenswerte Aufgabe.“ Prof. Kurt Bodewig, Jahrgang 1955, ist seit 2014 Europäischer Koordinator für die transeuropäischen Verkehrsnetze und seit 2009 Vizepräsident des DVR. Als Präsident der Deutschen Verkehrswacht (DVW) fungiert er seit 2007. Von 2000 bis 2002 war Bodewig Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Das neue Präsidium (v.l.n.r.): Siegfried Brockmann, Christiane Leonard-Tiemann, Manfred Wirsch und Meine Vision für die kommenden vier Prof. Kurt Bodewig Foto: Martin Lukas Kim - DVR Jahre im DVR-Präsidium: Siegfried Brockmann, ebenfalls Jahrgang „Natürlich wünsche ich mir, dass wir vor „Es ist uns erfolgreich gelungen, die 1959, hat den Beruf des Kraftfahrzeugme- allem beim Schutz der schwächeren Ver- Vision Zero als gemeinsames Ziel der chanikers erlernt und Politische Wissen- kehrsteilnehmenden schneller vorankom- Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland schaften in Berlin studiert. Er war seit 1986 men. Das gilt beispielsweise für die erleich- zu verankern, auch im Koalitionsvertrag in Verwaltungsfunktionen unter anderem terte Anordnung von Tempo 30, für die der Bundesregierung. Nun müssen wir für die Senatskanzlei und den Verkehrsse- Entschärfung gefährlicher Kreuzungs- und noch stärker darauf drängen, dass die nator des Landes Berlin tätig. Von 1993 bis Einmündungsbereiche und für die Schaf- Vision auf allen Ebenen mit Inhalten und 1997 leitete er das Ministerbüro und die fung sicherer Querungsanlagen für zu Fuß Maßnahmen gefüllt wird. Besonders Kommunikation des Verkehrs- und Bau Gehende. Sorgen mache ich mir um das wichtig ist mir auch die Fortsetzung der ministeriums des Landes Brandenburg. Im Verkehrsklima. Das wird ja nicht automa- guten Zusammenarbeit von DVR und Jahr 1998 übernahm Brockmann die Kom- tisch besser, schon gar nicht, wenn jetzt DVW sowie mit allen weiteren Partnern. munikation für den Bereich Schaden- und Fußgängerinnen und Fußgänger auf ihren Entschieden will ich meine Erfahrung Unfallversicherung des Gesamtverbandes Wegen von Scootern bedrängt werden und und meine Expertise weiterhin in den der Deutschen Versicherungswirtschaft immer mehr und immer schnellere Fahr- DVR-Vorstand einbringen. Neue Mobili- (GDV). Seit 2006 ist er dort Leiter der räder, Pedelecs und Lastenräder sich die tätsformen in unsere Arbeit integrieren Unfallforschung der Versicherer (UDV). Radinfrastruktur teilen müssen. Wenn wir und unsere gewohnten Instrumente wei- da den Schalter umlegen könnten, wäre terzuentwickeln – das sehe ich als zen Meine Vision für die kommenden vier viel für die Verkehrssicherheit gewonnen. trale Aufgabe der nächsten Jahre.“ Jahre im DVR-Präsidium: Das Patentrezept hat aber leider keiner.“ 4 DVR REPORT 1/2023
AKTUELLES „Den DVR als Koordinator in die europäische Verkehrssicherheitsarbeit einbinden“ Christiane Leonard-Tiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmen (bdo), ist die erste Frau im Präsidium des DVR seit seines Beste- hens. Wir haben sie zu ihren Zielen, einer Zwischenbilanz der Verkehrssicherheitsarbeit und zur Frauenförderung in DVR-Mitgliedsorganisationen befragt. Frau Leonard-Tiemann, Sie sind das neue Mitglied im Präsidium bereitet. Obwohl immer mehr Frauen gut ausgebildet und berufs- des DVR. Wie sieht Ihre Vision für die kommenden vier Jahre aus? tätig sind, gibt es aber nach wie vor Hürden, die gerade jungen Europa wächst immer mehr zusammen und damit auch der Frauen den Einstieg und Aufstieg in den Job erschweren. Aber grenzüberschreitende Verkehr innerhalb der EU. Deshalb ist es die berufliche Selbstverwirklichung verbunden mit Kompetenz, meine Vision, den DVR mit seiner ganzen Kompetenz und Erfah- Verantwortung sowie Führungseignung steigt und gehört bereits rung als Koordinator in die europäische Verkehrssicherheitsar- zum Selbstverständnis vor allem jüngerer Frauen. Es hat sich beit einzubinden und diese durch gezielte Präventionsarbeit aktiv schon viel geändert und es wird sich noch viel verändern. Und mitzugestalten. das ist gut so. Mein Ratschlag: Nimm als Frau nicht alle The- men, die weiblich sind oder so scheinen, automatisch an. Auch Vor vier Jahren wurden Sie in den Vorstand des DVR Männer können sich um vermeintliche Frauenthemen gewählt. Welche Schlüsselmomente sind Ihnen in kümmern und Verantwortung dafür übernehmen. Erinnerung geblieben? Kaffeekochen ist nur der erste Schritt. Für mich ist die Verleihung des DVR-Förder- preises immer ein besonderes Ereignis. Die Wie lautet Ihre Botschaft insbesondere Vielzahl an herausragenden Abschlussar- für junge Frauen, die sich für Verkehrs- beiten, die sich mit der Sicherheit im Stra- sicherheit, Verkehrstechnik oder -politik ßenverkehr auseinandersetzen, ist jedes interessieren und sich beruflich an die- Jahr aufs Neue beeindruckend. sen Bereichen orientieren möchten? Mehr drin als Du denkst! Viele junge Im Vergleich zu 2018: Wie schätzen Sie den Frauen verbinden kreative Berufe nur mit Stand der Verkehrssicherheit heute ein? künstlerischen Berufen. Doch auch der Deutschland hat in den vergangenen vier Jah- Foto: bdo Bereich Verkehr bietet viel Kreativität und ren auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit gestalterische Möglichkeiten. Teamarbeit und beachtliche Erfolge erzielt. Die umfassende Verkehrssi- Kommunikation sind gefragt. Frauen können dabei durch cherheitsarbeit des DVR, die ich als langfristigen und dynami- ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Intuition die Arbeit schen Prozess verstehe, hat dazu beigetragen, dass Unfälle mit und den Umgang miteinander unterstützen und fördern. Personenschaden trotz gestiegener Verkehrsleistung weiter rückläufig sind. 2021 wurde der tiefste Stand bei Verkehrstoten Interview: Seema Mehta und Verletzten seit mehr als 60 Jahren erreicht. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Trotzdem erinnern uns meist nur die spek- takulären Unfälle daran, dass der Verkehr noch immer zu viele Zur Person Opfer fordert. Deshalb muss die Arbeit der Verkehrssicherheits- Die Rechtsanwältin Christiane Leonard-Tiemann ist programme intensiv weitergeführt werden. Damit können wir die bereits seit 2004 für den Bundesverband Deutscher Verkehrssicherheit weiter verbessern und die Zahl der Opfer im Omnibusunternehmen (bdo) tätig, ab 2011 als Hauptge- Straßenverkehr weiter reduzieren. schäftsführerin. Von 2016 bis 2019 war sie zudem Vize- präsidentin Personenverkehr bei der International Road Wie ergeht es Ihnen als Frau in einer Branche, die bislang von Union (IRU) sowie 2018 bis 2021 Mitglied im Präsidium Männern dominiert wird – DVR eingeschlossen? Haben Sie der IRU (Straßengüter- und Personenverkehr). Darüber einen Ratschlag für DVR-Mitgliedsorganisationen, wie sie hinaus ist Leonard seit 2017 ehrenamtlich als Mitglied Frauen fördern können? der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft Ich bin in meiner Branche oft allein unter Männern und das Verkehrswirtschaft, Post-Logistik und Telekommunika- hat auch viele Vorteile: Ich kann als Frau elegant die Ordnung tion (BG Verkehr) aktiv. durchbrechen, die Männern so oft die meisten Kopfschmerzen 1/2023 DVR REPORT 5
AKTUELLES Sicherer Fußverkehr: So kann es gehen Zu Fuß gehen ist die natürlichste Form der Mobilität. Bei so gut wie jedem Weg von A nach B legen wir mindestens eine Teilstrecke zu Fuß zurück, und sei es nur von der Haustür bis zum Parkplatz, zur Haltestelle oder zum Fahrrad. Die Anforderungen an einen sicheren Fußverkehr sind vielfältig. Foto: Christian Müller - stock.adobe.com F ußgängerinnen und Fußgänger jeden Alters sind überall unterwegs, auf jedem Weg und jeder Straße, innerorts, aber auch außerorts. Sie zählen zudem zur Gruppe der ungeschützten für die Anlage von Landstraßen (RAL), den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt), den Empfehlungen für Fuß- verkehrsanlagen (EFA) und den Hinweisen für barrierefreie Verkehrsteilnehmenden, sind also im Straßenverkehr besonders Verkehrsanlagen (HBVA) der Forschungsgesellschaft für gefährdet. 2021 wurden nach Zahlen des Statistischen Bundes- Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). amtes 343 Fußgängerinnen und Fußgänger getötet, davon 64 auf Landstraßen und 20 auf Autobahnen; 23.790 wurden verletzt, Zur Sicherung von Querungen sind je nach Örtlichkeit Ampeln, davon 4.950 schwer. Ein besonders hohes Risiko, im Straßen- Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), Mittelinseln oder vorge- verkehr zu verunglücken, tragen Kinder und ältere sowie mobili- zogene Fahrbahnränder vorzusehen; wo immer die Möglich- tätseingeschränkte Menschen. Deren Anforderungen zu erfüllen, keit besteht, sind Mittelinseln mit Fußgängerüberwegen zu erhöht die Verkehrssicherheit für alle zu Fuß Gehenden. kombinieren. Infrastruktur anpassen Querungsmöglichkeiten sind so zu gestalten, dass auch Der DVR empfiehlt deshalb konkrete Maßnahmen, um die Sicher- mobilitätseingeschränkte Personen sicher die Straßenseite heit im Fußverkehr zu verbessern. Hier eine Auswahl: wechseln können; hierzu gehören insbesondere der Einbau von taktilen Elementen, Bordsteinabsenkungen und eine kon Die Gestaltung der Fußverkehrsanlagen muss sich am techni- trastreiche Verkehrsraumgestaltung. schen Regelwerk orientieren, hier vor allem an den Richtlinien 6 DVR REPORT 1/2023
AKTUELLES Um die Sicht auf zu Fuß Gehende an Kreuzungen und Einmün- schaffen, und die Kommunen können vor Ort durch eine sichere dungen zu verbessern, ist das in § 12 Straßenverkehrs-Ord- und komfortable Fußverkehrsinfrastruktur die Sicherheit und nung (StVO) geregelte Halt- und Parkverbot auf je zehn Meter Attraktivität der Städte verbessern. von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten zu erweitern. Zudem müssen an definierten Querungsstellen Sichthinder- Manfred Wirsch nisse entfernt und das Halten von Fahrzeugen verboten und Präsident DVR entsprechend konsequent überwacht werden. Um Fußgängerinnen und Fußgänger bei Dunkelheit besser erkennen zu können, sollten Querungsstellen und Gehweg- bereiche angemessen beleuchtet werden. Sie sollten durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit und Maßnahmen für alle Alters- gruppen verstärkt dazu motiviert werden, ihre eigene Sicht- Eine nationale Fußverkehrsstrategie ist gefragt barkeit bei Dunkelheit durch retroreflektierende Materialien Hundert Jahre lang war das Gehen buchstäblich Neben- (z.B. an Taschen, Rucksäcken, Kinderwagen oder Gehhilfen sache in der Verkehrspolitik, der Planung und dem Bau etc.) und helle Kleidung zu erhöhen. von Wegen. Eine nationale Fußverkehrsstrategie kann Entscheidendes beitragen, um die meistverbreitete Nicht nur für den sicheren Fußweg zur Schule ist die Mobi- Mobilitätsform wieder mehr ins Zentrum zu rücken. litäts- und Verkehrserziehung in Einrichtungen der Kinderbe- Dafür ist vielfältiger Bedarf: Das Verkehrsrecht und viele treuung, Vorschulen und in den Klassen eins und zwei von Regelwerke müssen den Anforderungen des Fußver- elementarer Bedeutung. An alle Eltern richtet sich der Appell, kehrs angepasst werden, etwa für sicheres und verzöge- gemeinsam mit den Kindern die sichere Teilnahme am Ver- rungsfreies Queren von Fahrbahnen sowie für Gehwege, kehr zu Fuß zu üben und möglichst auf das Elterntaxi zu die ihre Funktion stets erfüllen. Die Kommunen brau- verzichten. chen hierfür mehr Handlungsspielräume und rechtliche Autonomie. Eine niedrige Fahrgeschwindigkeit kann helfen, Verkehrsun- fälle zu vermeiden oder zumindest die Verletzungsschwere In Verwaltungen und ihren Abläufen muss Fußverkehr zu reduzieren. In Bereichen, in denen sich Fußgängerinnen ein eigenständiger, respektierter Bestandteil sein – auch und Fußgänger aufhalten, sollten deshalb Maßnahmen zur mit entsprechendem Personal. Es braucht Förderpro- Verkehrsberuhigung ergriffen werden. gramme für die kommunale Planung, die Sanierung und den Bau von Fußverkehrsinfrastruktur. Auch in Wissen- Zur Erhöhung der Sicherheit des Fußverkehrs sollte in allen schaft, Ausbildung und Forschung ist der Nachholbedarf Städten mit einer Einwohnerzahl über 100.000 eine aus- groß. schließlich für den Fußverkehr verantwortliche Stelle einge- richtet werden. Mit einer erfolgreichen nationalen Fußverkehrsstrategie sind die Menschen öfter, länger, lieber und sicherer zu Besonderes Unfallrisiko an Querungsstellen Fuß unterwegs als heute. Mit ihr ist Gehen noch häufi- Zu vielen Unfällen mit Pkw kommt es vor allem dort, wo Fuß- ger ein selbstverständlicher und angenehmer Bestand- gängerinnen und Fußgänger Straßen überqueren. Dabei zeigen teil des Alltags. Das fördert nicht nur Nahmobilität und sich zwei immer wieder auftretende Problembereiche: Dies sind Gesundheit, sondern belebt auch Städte und Dörfer, einerseits Stellen, an denen ein Querungsbedarf besteht, die- Handel und Gastronomie. Nicht zuletzt schont Gehen sem aber nicht durch eine gesicherte Querungsstelle Rechnung die Umwelt und benötigt weniger Flächen als alle ande- getragen wird. Zum anderen geschieht rund ein Drittel aller Fuß- ren Bewegungsformen. Die nationale Fußverkehrsstrate- verkehrsunfälle an Kreuzungen und Einmündungen. Besonders gie sollte das Gehen nicht als Kostenfaktor, sondern als auffällig ist dabei, dass davon wiederum rund ein Drittel an Stel- besonders effiziente Form der Mobilität begreifen. len geschieht, die mit Ampeln gesichert sind. Roland Stimpel Fußverkehr stärker berücksichtigen FUSS e.V. Festzuhalten bleibt, der Sicherheit des Fußverkehrs muss zukünf- tig eine größere Bedeutung zukommen. Um die Anzahl der getö- Weitere Informationen teten, aber auch der schwer verletzten Fußgängerinnen und Fuß- zum sicheren Fußverkehr gänger zu reduzieren, sind viele Maßnahmen erforderlich. Der gibt es hier: Bund kann hier den erforderlichen Rechts- und Förderrahmen 1/2023 DVR REPORT 7
TOP-THEMA Vorrang für barrierefreie Mobilität Mobilität heißt Beweglichkeit, Lebendigkeit, Wandel und hat einen hohen Stellenwert. Sie wird als Symbol unserer heutigen Zeit betrachtet: mobil sein, mobil kommunizieren, mobil arbeiten, mobil denken. Mobilität führt zur Erweiterung unseres Aktionsradius und zur akti- ven Auseinandersetzung mit der Umwelt. Sie eröffnet immer neue Wahlmöglichkeiten, bei- spielsweise bei der Freizeitgestaltung, und dient der Aufnahme und Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten. Das sollte auch für mobilitätseingeschränkte Menschen gelten. Umfrage der „Aktion Mensch“ Die alltäglichen Einschränkungen in der Mobilität von Menschen mit Behinderung belegen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage der „Aktion Mensch“ aus dem Jahr 2022: Jeweils 26 Prozent der Befragten mit Beeinträchtigung gaben an, häufig auf nicht barrierefreie Bahnhöfe oder Haltestellen sowie öffentliche Verkehrs- mittel zu stoßen. Fast ein Drittel der befragten Menschen mit Beein- trächtigung fühlt sich im Alltag häufiger durch zu kurze Fußgänger- und Ampelschaltungen eingeschränkt. Per- sonen mit einer körperlichen Beeinträchtigung sind mit 40 Prozent besonders häufig davon betroffen. Im Ver- gleich dazu sind es bei Menschen ohne Beeinträchti- gung nur 17 Prozent. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Menschen ohne Beeinträchtigung erledigt alltägliche Wege, wie zum Beispiel Arztbesuche oder Behördengänge, in bis zu 20 Minuten. Bei den Befragten mit starker Beeinträchti- gung schafft es hingegen nur ein Drittel (34 Prozent) in dieser Zeit. Fast zehn Prozent, die sich im Alltag stark Barrierefreie Mobilität leistet auch einen wichtigen Beitrag, um soziale beeinträchtigt fühlen, benötigen für solche Wege sogar Kontakte aufrechtzuerhalten. Foto: Aktion Mensch länger als eine Stunde. I n Deutschland hat etwa jeder zehnte Mensch eine schwere Behinderung, fast ein Drittel der Betroffenen ist über 75 Jahre alt. Und mit dem demografischen Wandel wird der Anteil der Mehr als ein Drittel der Menschen mit Beeinträchtigung traut es sich zudem nicht zu, selbstständig unterwegs zu sein und zu reisen (34 Prozent). Unter denjenigen Menschen mit Behinderung weiter ansteigen. Beim Thema bar- mit einer sichtbaren Beeinträchtigung ist dieses feh- rierefreie Mobilität muss es also nicht nur um eine sichere und lende Vertrauen mit 57 Prozent besonders ausgeprägt. komfortable Fortbewegung gehen, sondern auch um gesell- Fast ein Drittel der Befragten mit Beeinträchtigung fühlt schaftliche Teilhabe und die Möglichkeit, das Leben aktiv zu sich unterwegs unsicher und alleingelassen. Bei Men- gestalten. schen mit einer starken Beeinträchtigung sind es sogar 40 Prozent. Recht auf barrierefreie Mobilität Zudem ist barrierefreie Mobilität keine freiwillige Willensbekundung, sondern ein Recht, das in vielen Gesetzen verankert ist. Dazu zählen seit dem 1. Januar 2022 vor. Vor dem Hintergrund der UN-BRK, die die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die Fahrgastrech- 2009 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wurde, teverordnung der EU, das Behindertengleichstellungsgesetz und kommt der barrierefreien Mobilität eine besondere Schlüsselrolle das Personenbeförderungsgesetz. Letzteres schreibt die vollstän- zu. Das Ziel der Konvention stellt die gleichberechtigte Teilhabe von dige Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) allen Menschen an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens 8 DVR REPORT 1/2023
TOP-THEMA dar. Die Mobilität von Menschen mit Behinderungen gehört zu den Perspektive darum, Menschen durch eine adäquate Mobilitäts- zentralen Voraussetzungen einer selbstbestimmten und gleichbe- bildung auf die Teilnahme am Straßenverkehr vorzubereiten. rechtigten Teilhabe (Artikel 9 und Artikel 20 der UN-BRK). Hinzu kommt, dass barrierefreie Mobilitätsangebote auch Vor- In diesem Zusammenhang rücken nicht nur das Recht auf Bil- teile für Menschen ohne Behinderung bieten, die zum Beispiel dung und inklusive Schule, sondern auch die Lebensbereiche durch eine Operation oder eine Verletzung vorübergehend ein- Arbeit, Wohnen und Freizeit von Kindern, Jugendlichen und geschränkt sind. Oder die mit Rollator, sperrigem Gepäck oder erwachsenen Menschen mit Behinderung in den Fokus. Ziel ist Kinderwagen unterwegs sind. Wir alle können sehr schnell vor- zum Beispiel, Menschen mit Behinderung und mobilitätsbehin- übergehend oder dauerhaft mobilitätsbehindert werden. Nach derten Personen einen gleichberechtigten Zugang zu Arbeits-, Angaben der „Aktion Mensch“ sind nur rund drei Prozent der Kultur- und Freizeitangeboten bereitzustellen. Im Bestreben, Par- Behinderungen angeboren. Meist sind Krankheiten, seltener tizipation, Selbstbestimmung, Wahlmöglichkeiten und Inklusion auch Unfälle die Auslöser. für jeden Menschen zu erreichen, muss Mobilität als fundamen- tale Voraussetzung ermöglicht werden. Ziel muss also sein, mobilitätseinschränkende Barrieren, die für Menschen mit Behinderung oftmals unüberwindbare Hür- Barrierefreie Strukturen schaffen den darstellen, abzubauen. Die Lebensqualität aller steigt mit Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund. Zum einen geht es einem inklusiven und barrierefreien Mobilitätsangebot deutlich, aus verkehrstechnischer Perspektive darum, Strukturen zu ver- weil dieses auf Komfort und leichten Zugang setzt. Viele Men- ändern, den Straßenverkehr barrierefreier und kommunikations- schen wünschen sich zum Beispiel ein lückenloses, übersichtli- freundlicher zu gestalten. Wer heute ein barrierefreies Mobili- ches, günstiges und großzügig aufgebautes ÖPNV-Netz. Zudem tätsangebot plant und aufbaut, spart in Zukunft Kosten für den fördert die Begegnung im öffentlichen Raum und Verkehr die deutlich teureren Umbau. Die Digitalisierung erleichtert zudem gegenseitige Rücksichtnahme. Eine inklusive Gesellschaft ist die Umstellung auf inklusive Mobilität und deren Angebote. eine hilfsbereitere Gesellschaft. Smartphone-Apps können möglichst barrierefreie Routen durch den öffentlichen Raum aufzeigen (siehe Kasten „Barrieren an Hal- Sven Rademacher testellen“). Zum anderen geht es aus mobilitätspädagogischer Barrieren an Haltestellen Um die Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr Haltestellen schnell und einfach zu erfassen, etwa beim War- (ÖPV) weiter voranzubringen, hat die TU Chemnitz gemein- ten auf den nächsten Bus“, ergänzt René Apitzsch, Wissen- sam mit zehn Projektpartnerinnen und -partnern eine App schaftlicher Mitarbeiter im Projekt. zur Erfassung von Barrieren an Haltestellen entwickelt. Die Daten werden mithilfe der App standardisiert erfasst und Das Verbundprojekt „OPENER next“ unter der Leitung von zu OpenStreetMap, einer weltweiten gemeinsamen offenen Prof. Dr. Ulrich Heinkel an der TU Chemnitz wurde vom Bun- Datenbasis, übertragen. Durch den freien Zugang zum ste- desministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit dem tig zunehmenden Datenbestand können bereits jetzt auch Deutschen Mobilitätspreis 2022 in der Kategorie „Daten und andere Projekte darauf aufbauen und eigene Lösungen ent- Innovationen“ ausgezeichnet. wickeln. Im Projekt „OPENER next“ sollen die Daten dazu ver- wendet werden, die Routenauskünfte im ÖPV zu verbessern. Die Vision von „OPENER next“ ist es, den ÖPV in Deutschland „So können alle Menschen und insbesondere jene mit Mobi- attraktiver zu gestalten. „Der Ansatz des Projektes basiert litäts-, Seh- oder Höreinschränkungen schon vor Reiseantritt dabei auf einem gesellschaftlichen Füreinander, was bedeu- erfahren, ob eine geplante Route barrierefrei ist und welche tet, dass Bürgerinnen und Bürger dazu beitragen können, Alternativen es gegebenenfalls gibt“, erläutert Apitzsch. Dar- Haltestellen und deren Eigenschaften bundesweit flächende- über hinaus sollen die Daten dazu dienen, eine barrierefreie ckend mittels einer von uns entwickelten App zur Datener- Indoor-Navigation an Bahnhöfen umzusetzen und den Aus- hebung zu erfassen und aktuell zu halten“, berichtet Heinkel. bau von Bus- und Bahnhaltestellen inklusiver und bedarfsge- Das Besondere dabei sei, dass nicht nur der Erfassungsauf- rechter zu planen. wand auf mehrere Schultern verteilt wird, sondern auch, dass die Erfassung kontinuierlich und bedarfsgerecht stattfinde. Weitere Informationen „Die eigens dafür entwickelte App namens ‚OpenStop‘ soll es zum Verbundprojekt sind interessierten Bürgerinnen und Bürgern durch Beantworten hier zu finden: kurzer Fragen ermöglichen, Barrieren und Eigenschaften von 1/2023 DVR REPORT 9
TOP-THEMA Neue Barrieren auf Gehwegen Wenn man blind oder stark sehbehindert ist, wirkt sich das massiv auf die Orientierung und eigenständige Mobilität aus. „Es gibt doch Blindenstöcke und Blindenführhunde“, denken Sie vielleicht. Um sich jedoch mit diesen Hilfsmitteln eigenständig und gefahrlos fortbewe- gen zu können, ist zusätzlich eine barrierefreie Gestaltung der Umwelt erforderlich. Dafür setzt sich der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) ein. Kreuz und quer abgestellte und umgestürzte E-Roller behindern die sichere und eigenständige Fortbewegung blinder und sehbehinderter Menschen. Foto: Oliver Ziebe - DBSV B arrierefrei“ kann man für den Verkehrsbereich so definieren, dass Straßen, Plätze, Wege und Verkehrsmittel für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne beson- unvermittelt und unberechenbar auf und werden dadurch zu einer Stolpergefahr. In der Folge kam es auch schon zu zahlrei- chen Unfällen. Diese sind aufgrund der bisher fehlenden Gefähr- dere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, dungshaftung der Halter oft nur schwer regulierbar. Übrigens zugänglich und nutzbar sind. Gesetzlich ist das im Behinderten- sind auch Menschen, die Rollstühle oder Rollatoren nutzen, gleichstellungsrecht des Bundes und der Länder sowie in weite- gefährdet, wenn sie herumliegenden E-Rollern ausweichen müs- ren Fachgesetzen und technischen Normen näher ausgestaltet. sen und dadurch auf die Fahrbahn geraten. Wenngleich der Weg zu einer zugänglichen und damit inklusi- Stand der Rechtsprechung ven Verkehrsgestaltung für alle Menschen noch weit ist, hat sich Mit Blick auf den aktuellen Stand der Rechtsprechung der Ver- doch in den letzten Jahren einiges getan. Beispielsweise verfü- waltungsgerichte ist bei der massenhaften stationslosen Ver- gen inzwischen viele Ampeln über akustische Signale. Zuneh- mietung von E-Rollern von einer Sondernutzung auszugehen. mend werden auch taktil und optisch gut erkennbare Bodenleit- Leider werden in den bisher erteilten Sondernutzungserlaubnis- systeme verlegt, etwa an Querungsstellen von Straßen oder zum sen die Belange von Menschen mit Behinderungen nur unzurei- Anzeigen einer Treppe. chend oder gar nicht berücksichtigt. Sie verstoßen damit gegen geltendes Recht zum Schutz vor Benachteiligungen. E-Scooter als Barrieren Seit 2019 sind jedoch in größeren Städten neue Barrieren hinzu- In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bei dem gekommen. Kreuz und quer abgestellte und umgestürzte E-Rol- gewerbsmäßigen Anbieten von E-Rollern ein Abstellen auf dem ler behindern die sichere und eigenständige Fortbewegung blin- Gehweg rechtlich unzulässig sein dürfte. Nach § 11 Abs. 5 Elek- der und sehbehinderter Menschen. E-Roller sind aufgrund ihrer trokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) sollen E-Roller wie Fahr- Bauweise schwer mit dem Blindenlangstock zu ertasten. Weil räder behandelt werden. Das „Abstellen“ der stationslos vermie- sie in den meisten Städten an jeder beliebigen Stelle des Geh- teten E-Roller entsprechend den „Parkvorschriften für Fahrräder“ wegs einfach abgestellt werden können („Free-Floating-Modell“), auf Gehwegen kann jedoch nach der Entstehungsgeschichte tauchen sie für Menschen mit Seheinschränkung immer wieder der eKFV nur für privat genutzte Fahrzeuge gelten. Der Wortlaut, 10 DVR REPORT 1/2023
TOP-THEMA die systematische Stellung der Norm und deren Schutzbereich Abstellflächen zu erlauben und diese Regelung auch durchzuset- erfassen nicht die momentane Situation: Zigtausende von sta- zen. Die Abstellflächen müssen kontrastreich markiert und mit tions- und damit völlig „beziehungslosen“ Mietfahrzeugen auf einem Blindenstock ertastbar sein. Gehwegen. Die Verweisung in § 11 Abs. 5 eKFV dürfte allenfalls gemäß § 17 Abs. 4 Satz 4 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) das Der DBSV nutzt inzwischen in mehreren Städten das Mittel der Abstellen auf Fahrbahnen rechtfertigen. Verbandsklage, um die Herstellung bzw. Wiederherstellung der Barrierefreiheit auf Gehwegen gerichtlich einzufordern. Der Ver- Beteiligung von Betroffenen wird oftmals vergessen band hat dafür eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Vergessen wird von den Städten häufig auch, dass Menschen mit Behinderungen bei der Aushandlung von Sondernutzungs- Weitere Informationen unter: erlaubnissen und deren Auflagen zu beteiligen sind, damit ihre Belange berücksichtigt werden können. Barrierefreiheit als Vor- aussetzung für die gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbe- reichen wird in dem 2009 in Kraft getretenen Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) besonders betont. Dies ist bei der gebotenen Rechtsauslegung rechtlicher Regelungen zur Regulierung der Mikromobilität zu Gastbeitrag von Christiane Möller beachten. Stellvertretende Geschäftsführerin und Justiziarin Da technische Lösungen bislang nicht erfolgversprechend sind, Deutscher Blinden- und Seh ist es aus Sicht des DBSV unabdingbar, das „Abstellen“ der Leih- behindertenverband e.V. (DBSV) E-Roller ausschließlich auf ausgewiesenen und abgegrenzten Foto: Friese - DBSV Konfliktthema E-Scooter auf Geh- und Radwegen hoch. Insbesondere aufgrund von Beeinträchtigungen durch Ausdruck von Bewegungsfreiheit für die einen, ärgerliche geparkte E-Tretroller sind Fußgängerinnen und Fußgänger Stolperfalle für die anderen: Die vor mehr als drei Jahren stärker betroffen als Radfahrende. So gab jeder sechste zu erfolgte Zulassung der E-Tretroller in deutschen Städten Fuß Gehende an, bereits über geparkte E-Tretroller gestol- sollte ein innovativer Beitrag zur Verkehrswende sein. Doch pert oder gefallen zu sein. Radfahrende erleben dagegen die oft unsachgemäß abgestellten oder im Weg liegenden meist leichtere Konflikte, zum Beispiel, wenn sie wegen eines Roller sorgen häufig für Ärger. Daher stehen viele Kommu- E-Tretrollers ausweichen oder langsamer fahren müssen. nen vor der Herausforderung, E-Scooter in das städtische Verkehrssystem zu integrieren und deren Einsatz wirksam zu Das Forschungsteam hat für die Studie Fachleute u.a. aus steuern. Berlin, Köln, Stuttgart, Basel, Paris und Warschau interviewt, Fahrerinnen und Fahrer von E-Scootern und Menschen, die Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) sowie das Deut- diese Gefährte nicht nutzen – darunter auch blinde und seh- sche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben unter- behinderte Personen –, befragt, Unfall- und Nutzungsdaten sucht, wie die bisher typische Nutzung der Roller aussieht analysiert sowie Videos im Straßenraum aufgezeichnet und und welche Konflikte mit dem Fuß- und Radverkehr auftre- ausgewertet. ten. Im Fokus der im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) erarbeiteten und mit Mitteln Aus den gesammelten Daten hat das Forschungsteam des Nationalen Radverkehrsplans geförderten Studie stan- Empfehlungen für die Kommunen abgeleitet, darüber hin- den auch Fragen der Gestaltungsspielräume und Steue- aus wurden zahlreiche Einschätzungen und Erfahrungs- rungsmöglichkeiten für Kommunen, insbesondere mit Blick werte in Form von Städtesteckbriefen aufbereitet. Damit die auf den aktuellen Rechtsrahmen. Ergebnisse auch für andere Kommunen in Deutschland als hilfreiches Werkzeug bei der Integration von E-Tretroller-Ver- Die Untersuchung zeigt, dass die Wirkungen der E-Roller leihsystemen in das bestehende Verkehrssystem dienen auf den Verkehr unterschätzt werden. Die Kleinstfahrzeuge können, wurden sie als Praxisleitfaden veröffentlicht. werden nicht nur für Freizeitfahrten, sondern auch zur Arbeit, zum Einkaufen oder für private Erledigungen einge- Zusätzliche Hintergründe setzt. Dagegen werden sie in Verleihsystemen besonders und den Leitfaden gibt es hier: häufig – auf fast einem Viertel der Fahrten – in Verbindung mit dem ÖPNV genutzt. Gleichzeitig ist das Konfliktpoten- zial von E-Tretrollern mit anderen Verkehrsteilnehmenden 1/2023 DVR REPORT 11
MITGLIEDER DEKRA: Fitte Lkw-Fahrende sind das Ziel Geringere gesundheitliche Risiken für Fahrende im Güterkraftverkehr und mehr Verkehrs sicherheit: Das sind die Ziele von DEKRA Fit & Safe, einem Programm für betriebliche Gesundheitsförderung. Fachleute von DEKRA haben den Service speziell für die Erforder- nisse von Truckerinnen und Truckern sowie Speditionen entwickelt. D ie Transport- und Logistikbranche verzeichnet einen Man- gel an Fahrerinnen und Fahrern, der sich in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen wird: Der Altersdurchschnitt Gesund und sicher – Arbeitsplatz Lkw Auch die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft, des Fahrpersonals liegt bei 50 Jahren und es gehen mehr Fach- Post-Logistik und Telekommunikation (BG Verkehr) kräfte in den Ruhestand als ausgebildet werden. Dazu kommen widmet sich den Gefährdungen und Belastungen von die großen gesundheitlichen Belastungen: lange und ungünstige Lkw-Fahrenden. Das Moderatoren-Konzept „Gesund und Arbeitszeiten, ständiger Zeitdruck, Schlafmangel, ein mobiler sicher – Arbeitsplatz Lkw“ der BG Verkehr setzt auf die Arbeitsplatz mit vielen Anforderungen, hohe Umgebungsbelas- alltäglichen Erfahrungen der Fahrerinnen und Fahrer, die tungen wie Lärm sowie häufig eine fehlende Anerkennung für ihre Kenntnisse in Seminare einbringen und – unterstützt den Berufsstand. von speziell ausgebildeten Moderatorinnen und Modera- toren – selbst Lösungsstrategien für Belastungen ihres Hohe berufliche Belastungen beruflichen Alltags erarbeiten. Teilnehmende sowie „Berufskraftfahrer haben insgesamt hohe berufliche Belastun- Moderatorinnen und Moderatoren entwickeln dabei gen, die oft gepaart mit einem gesundheitsschädlichen Lebens- gemeinsam Strategien zu Stressbewältigung, zum Be- stil zu negativen körperlichen und psychischen Folgen führen und Entladen, zu Ermüdung und weiteren Themen. Dabei können“, erläutert Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs Mensch kommt es zu überraschenden Erkenntnissen, immer ver- & Gesundheit bei DEKRA. So sei zum Beispiel ein erhöhtes Risiko bunden mit der Frage: Was heißt das für die Praxis? für Herz-Kreislauf- und Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten bekannt. Und ein wei- Teile des Moderatorenprogramms, die sich auf Sicherheit terer wichtiger Aspekt: „Ein schlechter Gesundheitszustand hat und Gesundheitsschutz beziehen, können für die Weiter- nachweislich negative Auswirkungen auf das Fahrverhalten und bildung von Lkw-Fahrerinnen und Fahrern im Rahmen die Unfallgefahr“, weiß die Expertin. des Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetzes (BKrFQG) verwendet werden. Ausgebildete Moderatorinnen und In einer Vorstudie und in Pilotprojekten hat DEKRA gemeinsam Moderatoren stehen bundesweit bereit. mit Fahrerinnen und Fahrern sowie Logistikunternehmen erfasst, welche Anforderungen an ein Gesundheitsförderprogramm für diese Branche zu stellen sind. Auf dieser Basis wurde ein entspre- Nähere Einzelheiten zum chendes Programm entwickelt. Es soll die Fahrenden auf freiwilli- Programm der BG Verkehr ger Basis erreichen und auch dann durchführbar sein, wenn sich sind hier zu finden: die Beschäftigten nicht am Unternehmenssitz aufhalten. Der wenig erholsame Schlaf im Lkw belastet die Gesundheit der Fahrerinnen und Fahrer. Foto: Ronald Rampsch - stock.adobe.com 12 DVR REPORT 1/2023
MITGLIEDER Für das Thema Gesundheit sensibilisieren und Podcasts. Ziel ist es, die Trainings und Maßnahmen nach- Das Programm beginnt damit, Unternehmen, Führungskräfte haltig in den Arbeitsalltag von allen Beteiligten zu integrieren. Auf und Disponenten für das Thema Gesundheit zu sensibilisie- freiwilliger Basis begleitet ein individuelles Gesundheitscoaching ren. Dazu werden Informationsveranstaltungen, Workshops die Fahrenden durch das gesamte Programm. Sämtliche Schu- und Gesundheitszirkel genutzt. Zugleich wird der Ist-Zustand lungen, Maßnahmen, Trainings und Erfolge werden laufend für durch Interviews im Unternehmen erfasst. Dabei werden unter alle Beteiligten in einem übersichtlichen Dashboard zusammen- anderem Disponenten und teilnehmende Fahrende befragt, gefasst. Selbstverständlich bleiben die individuellen Daten der entweder vor Ort am Unternehmenssitz oder mobil durch eine Fahrenden dabei streng geschützt. Gesundheits-App. Weitere Informationen zum Für die Fahrerinnen und Fahrer folgen dann in einer sechswö- Programm Fit & Safe gibt es hier: chigen Anlaufphase Intensivprogramme: Wissensvermittlung, Trainings- und Ernährungspläne, begleitet von der Möglichkeit einer individuellen psychosozialen Beratung. Dabei kommt die Gesundheits-App ebenso zum Einsatz wie Social Media, Videos CE: Rastplatz-Check – Nur ausgeruhte A Autofahrende sind sicher unterwegs Der ACE Auto Club Europa hat gemein- sam mit DVR-Präsident Prof. Dr. Walter Eichendorf die Ergebnisse seiner 1.368 Rastplatz-Checks im Rahmen der Club initiative 2022 an die Autobahn GmbH übergeben. Rund 700 im ACE ehrenamtlich Enga- gierte hatten unter dem Motto „Deutsch- land, deine Rastplätze“ innerhalb von sechs Monaten unbewirtschaftete Rast- plätze in ganz Deutschland unter die Lupe genommen. Im Fokus der bundesweiten Tests standen Sicherheit, Familienfreund- lichkeit, Barrierefreiheit und Sauberkeit. Die 684 getesteten Rastplätze wurden von den ACE-Ehrenamtlichen immer dop- pelt geprüft. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurde in der Auswertung zwischen Rastplätzen Bei der Abschlussveranstaltung am Rastplatz Rübholz an der Autobahn A8 in Baden-Württemberg mit und ohne WC unterschieden, wobei nahm Martin Friewald (l.), stellvertretend für die Autobahn GmbH, die Auswertung von ACE-Presse sich große Unterschiede ergaben. Wäh- sprecher Sören Heinze und Schirmherr Prof. Dr. Walter Eichendorf (r.) entgegen. Foto: ACE rend immerhin elf Prozent der Rastplätze mit WC mit dem Prädikat „Exzellent“ aus- Im Gesamtergebnis hat ein Rastplatz Parkplätzen und WCs. Die Rastplätze gezeichnet wurden, schnitt keine einzige in Schleswig-Holstein besonders beein- Rathsburgseen Nord und Süd in Branden- Anlage ohne WC nur annähernd so gut druckt: Nur die Anlage „Ostseeblick“ an burg sind die besten ohne WC. ab. Unter den Anlagen mit WC sind ledig- der A1 erhielt bundesweit die volle Punkt- lich sieben Prozent durchgefallen, bei den zahl. Überzeugt hat der Rastplatz vor Hier geht es zu den Rastplätzen ohne WC konnte ein Viertel allem bei beiden Tests in Sachen Sauber- Ergebnissen des nicht überzeugen. keit und Hygiene sowie mit barrierefreien Rastplatz-Checks: 1/2023 DVR REPORT 13
MITGLIEDER DV: Unfälle zwischen Pkw- und U Radfahrenden an Grundstückszufahrten Das Unfallgeschehen zwischen Pkw- und getöteten Radfahrenden von insgesamt zeigten auch, dass bauliche Sichtein- Radfahrenden an Grundstückszufahrten 615 untersuchten Unfällen fanden an schränkungen – meist in Form von hat die Unfallforschung der Versicherer Grundstückszufahrten statt. Kam es zu Hecken und Buschwerk – eine nennens- (UDV) in einer Studie untersucht. Die einer Kollision, wurden die Radfahrenden werte Rolle bei diesen Unfällen spielen. Analyse von 4.682 Unfällen mit Personen- immer verletzt und das überwiegend schaden aus mehreren Bundesländern Mit Blick auf mögliche Maßnahmen zur im Jahr 2019 ergab, dass Unfälle an Vermeidung solcher Unfälle kommen Grundstückszufahrten für vier Prozent neben infrastrukturellen und verhal- der Getöteten, zwölf Prozent der tensbasierten Maßnahmen in Schwerverletzten und 15 Pro- erster Linie Notbremssysteme zent der Leichtverletzten bei (AEB) mit Erkennung von Rad- allen Pkw/Fahrrad-Unfällen fahrenden in Betracht. Dabei verantwortlich sind. Dabei zeigte sich, dass erst durch waren die häufigsten ein verbessertes AEB+, bei Ursachen Fehler beim dem die Sensoren durch Einfahren in den fließenden bauliche Sichthindernisse Verkehr (32 Prozent) oder nicht gestört werden, ein beim Abbiegen (neun Prozent höheres Nutzenpotenzial in nach links, sieben Prozent nach An Grundstückszufahrten kann es zu brenzligen Form von 29 Prozent vermeid- rechts). Situationen kommen. barer Unfälle erreicht werden kann. Foto: lotharnahler - stock.adobe.com Vertiefende Untersuchungen mittels der Unfalldatenbank der Versicherer (UDB) ergaben weitere Erkenntnisse zu diesen schwer. In mehr als der Hälfte der rele- Die detaillierten Unfällen: Rund 18 Prozent der Unfälle und vanten Fälle fuhr der Pkw vorwärts aus Untersuchungs- 15 Prozent aller schwer verletzten und dem Grundstück heraus. Die Analysen ergebnisse gibt es hier: TÜV-Report 2023: Jeder fünfte Pkw fällt durch Der „TÜV-Report 2023“ zeigt, dass sich Laut den Ergebnissen sind im Unter- Die Mängelquoten steigen naturgemäß die technische Sicherheit der Autos auf suchungszeitraum (Juli 2021 bis Juni mit dem Alter der geprüften Fahrzeuge. Deutschlands Straßen verschlechtert hat: 2022) 0,05 Prozent der geprüften Pkw Der Anteil der Autos mit erheblichen Bei den Hauptuntersuchungen (HU) der als „verkehrsunsicher“ eingestuft worden Mängeln liegt bei sechs bis sieben Jahre TÜV-Organisationen sind 20,2 Prozent und mussten sofort stillgelegt werden. In alten Fahrzeugen bei 13,6 Prozent, bei der geprüften Pkw mit „erheblichen“ oder Relation zur Gesamtzahl aller in Deutsch- den acht- bis neunjährigen Pkw bei „gefährlichen Mängeln“ durchgefallen. Die- land durchgeführten Hauptuntersuchun- 19,6 Prozent. Die zehn bis elf Jahre alten ser Wert ist nach Angaben des TÜV-Ver- gen (rund 9,6 Millionen) entspricht das Autos liegen mit einer Mängelquote von bands im Vergleich zum Vorjahresreport rund 15.000 Fahrzeugen. Rund 160.000 24,4 Prozent deutlich über dem Durch- um 2,3 Prozentpunkte gestiegen. Die Fahrzeuge mussten mit „gefährlichen schnitt aller Fahrzeuge (20,2 Prozent). Quote der Pkw mit „geringen Mängeln“ ist Mängeln“ direkt in die Werkstatt (0,5 Pro- mit 1,6 Punkten auf 10,7 Prozent ebenfalls zent). Das ist der Fall, wenn die TÜV-Sach- Alle Mängeltabellen und weitere Informa- angestiegen. Corona-Effekte wie weniger verständigen beispielsweise poröse tionen sind im Fahrten, eine intensivere Wartung der Bremsschläuche, stark abgefahrene „TÜV-Report 2023“ Fahrzeuge und ein höherer Anteil jüngerer Reifen oder den Ausfall sämtlicher Brems- zu finden: Fahrzeuge in der Statistik hatten zuvor für lichter feststellen. eine positive Entwicklung gesorgt. 14 DVR REPORT 1/2023
MITGLIEDER DFC: Lebenswerte Städte durch A angemessene Geschwindigkeiten Mehr als 360 Kommunen haben sich bislang der Initiative 30 nicht umsetzen können, obwohl sie das möchten“, sagte die „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters. Die Bremer Verkehrs- angeschlossen. Der politische Leitantrag des Bundesvorstands senatorin und derzeitige Vorsitzende der Verkehrsministerkonfe- im Rahmen der 42. Bundeshauptversammlung des Allgemei- renz Dr. Maike Schaefer freute sich über das eindeutige Abstim- nen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Bremen forderte, die mungsergebnis, das die Position der Länder unterstützt. Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) nicht weiter zu verschleppen und wurde von den 140 Delegierten einstimmig Zudem hat der Bundesvorstand seine Fünf-Jahres-Strategie prä- verabschiedet. Darin wird die Forderung bekräftigt, die Belange sentiert, mit der er die inhaltlichen Ziele der Verkehrspolitik und des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes und der städte- des Fahrradtourismus beschreibt, genauso wie die strukturellen baulichen Entwicklung als gleichberechtigte Ziele in das StVG Ziele für den Verband, die Kommunikation und finanziellen Res- aufzunehmen. Die einseitige Ausrichtung des Straßenverkehrs sourcen zur Digitalisierung und Verbraucherberatung. Die Bun- am Autoverkehr müsse beendet werden. „Es kann nicht sein, deshauptversammlung verabschiedete die Fünf-Jahres-Strate- dass im Jahr 2022 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gie sowie ein umfassendes Paket an Forderungen zur besseren immer noch am StVG und an der StVO scheitern und Tempo Vernetzung von Rad und Bahn. VR zu Besuch beim ADAC in Landsberg D und Penzing Im vergangenen November war der DVR zu Besuch im ADAC Technik Zentrum viele Themen, die es wert sind, durch den Technik Zentrum Landsberg am Lech sowie im Testzentrum DVR in seinem Ausschuss für Fahrzeugtechnik noch weiter Mobilität (Penzing). Zum Besuchsprogramm gehörten eine vorangetrieben zu werden“, erklärte Barend Wolf, Referats Besichtigung der ADAC Crashanlage und der Ausrüstungs- leiter Fahrzeugtechnik beim DVR. werkstatt für die Straßenwacht-Fahrzeuge. Zusätzlich zu den Fahrzeugen der ADAC Straßenwacht haben die Beschäftig- Im Testzentrum Mobilität in Penzing ermöglichte Leiter ten auch die Möglichkeit, mit Lastenfahrrädern unterwegs Andreas Rigling den Gästen aus Berlin, Fahrassistenzsys- zu sein, was in manchen urbanen Bereichen sinnvoll ist und teme selbst auszuprobieren. DVR-Pressesprecherin Seema immer mehr angenommen wird. Mehta war besonders fasziniert davon, ein Auto allein per Joystick zu lenken – und vom Kleinkind-Dummy auf dem Außerdem wurden die Prototypen mit Car2X-Technik vorge- Bobbycar. stellt, mit denen Autofahrende beziehungsweise die Technik in den Fahrzeugen sich untereinander vor Gefahren warnen Der Leiter des ADAC Technik Zentrums in Landsberg am können. „Von der Absicherung von Baustellen-Anhängern Lech, Dr.-Ing. Reinhard Kolke, hat im Jahr 2022 für seine über die Sicherheit von Menschen unterschiedlicher Größe langjährige Tätigkeit im DVR-Ausschuss für Fahrzeugtechnik und Geschlechts bis zur Rundumsicht bietet das ADAC die silberne DVR-Ehrennadel erhalten. Foto: Seema Mehta - DVR 1/2023 DVR REPORT 15
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