DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit

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DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
DVR REPORT
FA C H M A G A Z I N F Ü R V E R K E H R S S I C H E R H E I T
                                                                      1/2023

 Top-Thema
     Vorrang für
     barrierefreie
      Mobilität

                                           Jetzt den
                                           DVR REPORT
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   AKTUELLES                PANORAMA                     WISSEN
    DVR: Neuwahlen von      Verkehrserziehung für   Barrierefreie Mobilität
   Präsidium und Vorstand    ukrainische Kinder       im Verkehrsrecht
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
EDITORIAL

       iebe Leserin,
      L
                                                                         Inhalt
      lieber Leser,
                                                                             EDITORIAL                                        2
                                   die stetige Verbesserung der Ver-
                                   kehrssicherheit ist mir ein großes        AKTUELLES
                                   Anliegen – daher freue ich mich       Neuer stellvertretender Geschäftsführer beim DVR     3
                                   sehr, nun das Amt des Präsidenten     Juristische Fachkonferenz                            3
                                   des DVR bekleiden zu dürfen. Was      „Sicher mobil im Alter“: Fahrkompetenzen bei einer
                                   mich auch schon in meinem bis-        Rückmeldefahrt testen lassen                         3
                                   herigen Engagement für den DVR        Manfred Wirsch ist neuer DVR-Präsident               4
                                   geleitet hat und jetzt im Präsiden-   Interview mit Christiane Leonard-Tiemann,
                                   tenamt leiten wird, ist die Vision    neugewähltes Mitglied im DVR-Präsidium               5
                                   Zero.                                 Sicherer Fußverkehr: So kann es gehen                6

                                Bereits seit mehreren Jahrzehnten            TOP-THEMA
Foto: Wolfgang Bellwinkel - DGUV
                                arbeiten die Unfallversicherungs-        Vorrang für barrierefreie Mobilität                  8
träger und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)            Neue Barrieren auf Gehwegen                         10
im Bereich der Prävention von Verkehrsunfällen eng und vertrau-
ensvoll mit dem DVR zusammen. Doch nicht nur die gesetzliche                 MITGLIEDER
Unfallversicherung, sondern wir alle haben einen hohen Mehrwert           EKRA: Fitte Lkw-Fahrende sind das Ziel 
                                                                         D                                                 12
von einer guten Zusammenarbeit. Dies spiegelt sich in den Zah-           ACE: Rastplatz-Check – Nur ausgeruhte
len der Verkehrsunfallopfer wider, die in den letzten Jahren und         Autofahrende sind sicher unterwegs               13
Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen sind. Der Blick auf            UDV: Unfälle zwischen Pkw- und Radfahrenden an
die Zahlen aus rein menschlicher Perspektive spornt uns alle zum         Grundstückszufahrten                             14
gemeinsamen Engagement für die Vision Zero und für die Ver-              TÜV-Report 2023: Jeder fünfte Pkw fällt durch    14
kehrssicherheit an.                                                      ADFC: Lebenswerte Städte durch angemessene
                                                                         Geschwindigkeiten15
Kompromissorientiert, aber auch zielstrebig und in guter Zusam-          DVR zu Besuch beim ADAC in Landsberg und Penzing 15
menarbeit mit dem Vorstand möchte ich dazu beitragen, dass wir
einer Welt ohne schwere und tödliche Unfälle im Straßenverkehr               PA N O R A M A 
ein Stück weit näherkommen. Dabei müssen wir neue Entwicklun-            „Excellence in Road Safety Awards“: Auszeichnung
gen, zum Beispiel die Fortschritte bei den Fahrassistenzsystemen,        für ein deutsches Projekt                           16
verstärkt in den Blick nehmen, bekannte Risiken wie Alkohol,             EU Road Safety Results Conference                   16
Müdigkeit, Ablenkung etc. nicht aus dem Blick verlieren und Ver-         Digitalisierung der Straße – wie schaffen wir den
kehrsteilnehmende jeden Alters weiter beharrlich auf diese hinwei-       sicheren ländlichen Verkehrsraum?                   17
sen. Plakate für die Nutzung des Sicherheitsgurtes brauchen wir          Wie können deutsche Verkehrsregeln am besten
schon lange nicht mehr. Doch es werden neue Herausforderungen            gelernt werden?                                     18
auf uns zukommen, auf die wir reagieren müssen und werden. Ich           Interview mit Christoph Becker, Geschäftsführer
bin fest davon überzeugt, dass der DVR, mit seinen rund 200 Mit-         der Verkehrswacht Münster                           19
gliedern und Partnern, zeitgemäße Antworten darauf finden wird.
                                                                             WISSEN
Ich wünsche Ihnen spannende Erkenntnisse und viel Freude bei der         Autonomes Fahren: Neue Mini-3D-Kamera überwacht
Lektüre dieser Ausgabe.                                                  den Innenraum                                       21
                                                                         Mehr Sicherheit an Tagesbaustellen                  21
Ihr                                                                      Barrierefreie Mobilität im Verkehrsrecht            22

                                                                             IMPRESSUM                                       23

Manfred Wirsch
Präsident DVR

2 DVR REPORT 1/2023
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
AKTUELLES

                        N
                         euer stellvertre-                                            uristische
                                                                                      J
                        tender Geschäfts-                                             Fachkonferenz
                        führer beim DVR                                          Die Juristische Fachkonferenz 2022 des DVR hat wieder ein
                                                                                 breites Spektrum verkehrsrechtlicher Fragestellungen geboten.
                               Gemäß § 14 der Satzung hat das Präsidium          Neben polizeilicher Überwachung von Rotlichtverstößen, dem
                               Torsten Buchmann zum 1. Dezember 2022             Änderungsbedarf des Straßenverkehrsrechts aus Sicht des Fuß-
                               zum stellvertretenden Geschäftsführer des DVR     verkehrs und Fahrten unter Cannabiseinfluss ging es auch um die
                               berufen. Buchmann ist bereits seit 2017 für       Vision Zero im Bereich von Baustellen sowie die Anhängerhaftung
                               den DVR tätig. Zunächst leitete er das Referat    mit europäischer Perspektive.
                               „Ältere Verkehrsteilnehmer“, später kam das
                               Thema „Kinder und Jugendliche“ hinzu. Als         Sämtliche Vorträge können auf der Webseite des DVR herunter-
                               Leiter der Abteilung Presse und Kommunika-        geladen werden. Wer die Veranstaltung verpasst hat, kann sie
                               tion verantwortet er seit Juni 2022 die Öffent-   sich nachträglich noch einmal im Stream auf dem YouTube-Kanal
                               lichkeitsarbeit des DVR. Bei Abwesenheiten        des DVR ansehen.
                               des Hauptgeschäftsführers vertritt Buchmann
                               diesen nun als sein Stellvertreter: „Ich danke    Hier finden Sie die              Hier geht es zur Aufzeichnung
                               dem Präsidium und dem Hauptgeschäftsführer        Präsentationen:                  auf YouTube:
                               Stefan Grieger für das mir entgegengebrachte
                               Vertrauen. Ich freue mich, ein Teil des DVR zu
                               sein, mehr Verantwortung übernehmen zu kön-
                               nen und so einen Beitrag für die Sicherheit im
Foto: Martin Lukas Kim - DVR
                               Straßenverkehr zu leisten.“

                   „ Sicher mobil im Alter“: Fahrkompetenzen
                    bei einer Rückmeldefahrt testen lassen
             Im Jahr 2021 sind 868 Menschen, die 65 Jahre und älter waren,       einer Expertin oder einem Experten beobachten und beurteilen
             im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Das entspricht einem          zu lassen, um daraus Empfehlungen abzuleiten. Sie wird von
             Drittel (33,9 Prozent) aller Verkehrstoten. Zudem waren rund        ortsansässigen Fahrschulen sowie dem ADAC, TÜV, DEKRA und
             25 Prozent der getöteten in Pkw sitzenden Personen in dieser        den Landesverkehrswachten
             Altersgruppe.                                                       angeboten.

             Die meisten älteren Menschen wünschen sich, bis ins hohe Alter      Weitere Informationen zu den
             mobil zu sein. Dabei schenkt ihnen das Auto Unabhängigkeit          Rückmeldefahrten gibt es hier:
             und ermöglicht über viele Jahre ein selbstbestimmtes Leben
             sowie den Erhalt sozialer Kontakte. Gleichwohl machen sich
             aber mit zunehmendem Alter gesundheitliche und körperliche
             Veränderungen bemerkbar, die Einfluss auf die Fahrkompeten-
             zen haben können.

             Mit einer Plakatkampagne sensibilisiert der DVR, gemeinsam
             mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)
             und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV),
             für die altersbedingten Herausforderungen beim Autofahren.
             Dabei empfiehlt der DVR älteren Kraftfahrzeugfahrenden, an
             einer Rückmeldefahrt teilzunehmen. Eine Rückmeldefahrt ist
             ein freiwilliges Angebot, das dazu dient, die Fahrfähigkeiten von

                                                                                                                             1/2023 DVR REPORT 3
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
AKTUELLES

     Manfred Wirsch ist neuer DVR-Präsident
Er ist am 13. Dezember 2022 von den knapp 200 Mitgliedern des DVR gewählt worden.
Unterstützung bekommt er durch das neu aufgestellte Präsidium, das wir hier vorstellen
möchten, und den ebenfalls neu gewählten Vorstand. Manfred Wirsch löst Prof. Dr. Walter
Eichendorf ab, der über 13 Jahre in dieser Position die Vision Zero vorangetrieben hat – hin
zu einem Straßenverkehr ohne Getötete und Schwerverletzte.

Manfred Wirsch, Jahrgang 1959, war                  2012 bis 2014 fungierte er als Vorsitzender      mit möglichem Gefährdungspotenzial
nach dem Abitur 1977 und der Ausbildung             der Mitgliederversammlung der Deutschen          für den Menschen sehen. Forschung bei-
zum Stahlhandelskaufmann bis 2015 als               Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).          spielsweise fokussiert sich häufig auf
Sicherheitsfachkraft bei ArcelorMittal in           Seit 2014 ist Wirsch Vorstandsvorsitzen-         Technik. Meines Erachtens muss der Fak-
Essen beschäftigt. Von 2001 bis 2015                der der DGUV und Vorstandsmitglied im            tor Mensch immer mitgedacht werden.
war er Mitglied im ver.di-Gewerkschaftsrat          DVR, seit 2018 DVR-Vizepräsident und Mit-        Und bei allen neuen dürfen wir die alten,
und zudem von 2002 bis 2008 Vorsitzen-              glied im Hauptausschuss der BG-Kliniken.         bekannten Risiken nicht aus dem Blick
der des ver.di-Bezirks Essen. Seit 2016 ist                                                          verlieren. Den DVR in diesen und allen wei-
er Bundesfachgruppenleiter Groß- und                Meine Vision für die kommenden vier              teren Themen der Verkehrssicherheit als
Außenhandel beim ver.di-Bundesvorstand.             Jahre als DVR-Präsident:                         die Institution in Öffentlichkeit und Politik
                                            „Es gilt weiterhin, das ehrgeizige Ziel einer            zu verankern, die neue Herausforderungen
Seit 2017 ist Wirsch Mitglied im Aufsichts- Vision Zero zu verfolgen – eine Welt ohne                frühzeitig erkennt, Antworten findet und
rat der Metro AG und seit 2008 Vorstands- tödliche und schwere Unfälle. Dabei soll-                  damit einen wertvollen Beitrag für die Ver-
vorsitzender der Berufsgenossenschaft ten wir jede technologische Weiterent-                         kehrssicherheit in Deutschland liefert, ist
Handel und Warenlogistik (BGHW). Von wicklung auch immer im Zusammenhang                             eine lohnenswerte Aufgabe.“

                                                                                                     Prof. Kurt Bodewig, Jahrgang 1955, ist
                                                                                                     seit 2014 Europäischer Koordinator für
                                                                                                     die transeuropäischen Verkehrsnetze
                                                                                                     und seit 2009 Vizepräsident des DVR. Als
                                                                                                     Präsident der Deutschen Verkehrswacht
                                                                                                     (DVW) fungiert er seit 2007. Von 2000 bis
                                                                                                     2002 war Bodewig Bundesminister für
                                                                                                     Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

Das neue Präsidium (v.l.n.r.): Siegfried Brockmann, Christiane Leonard-Tiemann, Manfred Wirsch und   Meine Vision für die kommenden vier
Prof. Kurt Bodewig Foto: Martin Lukas Kim - DVR
                                                                                                     Jahre im DVR-Präsidium:
Siegfried Brockmann, ebenfalls Jahrgang             „Natürlich wünsche ich mir, dass wir vor         „Es ist uns erfolgreich gelungen, die
1959, hat den Beruf des Kraftfahrzeugme-            allem beim Schutz der schwächeren Ver-           Vision Zero als gemeinsames Ziel der
chanikers erlernt und Politische Wissen-            kehrsteilnehmenden schneller vorankom-           Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland
schaften in Berlin studiert. Er war seit 1986       men. Das gilt beispielsweise für die erleich-    zu verankern, auch im Koalitionsvertrag
in Verwaltungsfunktionen unter anderem              terte Anordnung von Tempo 30, für die            der Bundesregierung. Nun müssen wir
für die Senatskanzlei und den Verkehrsse-           Entschärfung gefährlicher Kreuzungs- und         noch stärker darauf drängen, dass die
nator des Landes Berlin tätig. Von 1993 bis         Einmündungsbereiche und für die Schaf-           Vision auf allen Ebenen mit Inhalten und
1997 leitete er das Ministerbüro und die            fung sicherer Querungsanlagen für zu Fuß         Maßnahmen gefüllt wird. Besonders
Kommunikation des Verkehrs- und Bau­                Gehende. Sorgen mache ich mir um das             wichtig ist mir auch die Fortsetzung der
ministeriums des Landes Brandenburg. Im             Verkehrsklima. Das wird ja nicht automa-         guten Zusammenarbeit von DVR und
Jahr 1998 übernahm Brockmann die Kom-               tisch besser, schon gar nicht, wenn jetzt        DVW sowie mit allen weiteren Partnern.
munikation für den Bereich Schaden- und             Fußgängerinnen und Fußgänger auf ihren           Entschieden will ich meine Erfahrung
Unfallversicherung des Gesamtverbandes              Wegen von Scootern bedrängt werden und           und meine Expertise weiterhin in den
der Deutschen Versicherungswirtschaft               immer mehr und immer schnellere Fahr-            DVR-Vorstand einbringen. Neue Mobili-
(GDV). Seit 2006 ist er dort Leiter der             räder, Pedelecs und Lastenräder sich die         tätsformen in unsere Arbeit integrieren
Unfallforschung der Versicherer (UDV).              Radinfrastruktur teilen müssen. Wenn wir         und unsere gewohnten Instrumente wei-
                                                    da den Schalter umlegen könnten, wäre            terzuentwickeln – das sehe ich als zen­
Meine Vision für die kommenden vier                 viel für die Verkehrssicherheit gewonnen.        trale Aufgabe der nächsten Jahre.“
Jahre im DVR-Präsidium:                             Das Patentrezept hat aber leider keiner.“

4 DVR REPORT 1/2023
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
AKTUELLES

 „Den DVR als Koordinator in die europä­ische
Verkehrssicherheitsarbeit einbinden“
Christiane Leonard-Tiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher
Omnibusunternehmen (bdo), ist die erste Frau im Präsidium des DVR seit seines Beste-
hens. Wir haben sie zu ihren Zielen, einer Zwischenbilanz der Verkehrssicherheitsarbeit
und zur Frauenförderung in DVR-Mitgliedsorganisationen befragt.

Frau Leonard-Tiemann, Sie sind das neue Mitglied im Präsidium         bereitet. Obwohl immer mehr Frauen gut ausgebildet und berufs-
des DVR. Wie sieht Ihre Vision für die kommenden vier Jahre aus?      tätig sind, gibt es aber nach wie vor Hürden, die gerade jungen
Europa wächst immer mehr zusammen und damit auch der                  Frauen den Einstieg und Aufstieg in den Job erschweren. Aber
grenzüberschreitende Verkehr innerhalb der EU. Deshalb ist es         die berufliche Selbstverwirklichung verbunden mit Kompetenz,
meine Vision, den DVR mit seiner ganzen Kompetenz und Erfah-          Verantwortung sowie Führungseignung steigt und gehört bereits
rung als Koordinator in die europäische Verkehrssicherheitsar-        zum Selbstverständnis vor allem jüngerer Frauen. Es hat sich
beit einzubinden und diese durch gezielte Präventionsarbeit aktiv     schon viel geändert und es wird sich noch viel verändern. Und
mitzugestalten.                                                       das ist gut so. Mein Ratschlag: Nimm als Frau nicht alle The-
                                                                      men, die weiblich sind oder so scheinen, automatisch an. Auch
Vor vier Jahren wurden Sie in den Vorstand des DVR                               Männer können sich um vermeintliche Frauen­themen
gewählt. Welche Schlüsselmomente sind Ihnen in                                        kümmern und Verantwortung dafür übernehmen.
Erinnerung geblieben?                                                                    Kaffee­kochen ist nur der erste Schritt.
Für mich ist die Verleihung des DVR-Förder-
preises immer ein besonderes Ereignis. Die                                                    Wie lautet Ihre Botschaft insbesondere
Vielzahl an herausragenden Abschlussar-                                                        für junge Frauen, die sich für Verkehrs-
beiten, die sich mit der Sicherheit im Stra-                                                    sicherheit, Verkehrstechnik oder -politik
ßenverkehr auseinandersetzen, ist jedes                                                         interessieren und sich beruflich an die-
Jahr aufs Neue beeindruckend.                                                                   sen Bereichen orientieren möchten?
                                                                                               Mehr drin als Du denkst! Viele junge
Im Vergleich zu 2018: Wie schätzen Sie den                                                    Frauen verbinden kreative Berufe nur mit
Stand der Verkehrssicherheit heute ein?                                                     künstlerischen Berufen. Doch auch der
Deutschland hat in den vergangenen vier Jah-                     Foto: bdo               Bereich Verkehr bietet viel Kreativität und
ren auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit                                      gestalterische Möglichkeiten. Teamarbeit und
beachtliche Erfolge erzielt. Die umfassende Verkehrssi-                         Kommunikation sind gefragt. Frauen können dabei durch
cherheitsarbeit des DVR, die ich als langfristigen und dynami-          ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Intuition die Arbeit
schen Prozess verstehe, hat dazu beigetragen, dass Unfälle mit          und den Umgang miteinander unterstützen und fördern.
Personenschaden trotz gestiegener Verkehrsleistung weiter
rückläufig sind. 2021 wurde der tiefste Stand bei Verkehrstoten         Interview: Seema Mehta
und Verletzten seit mehr als 60 Jahren erreicht. Das ist eine sehr
positive Entwicklung. Trotzdem erinnern uns meist nur die spek-
takulären Unfälle daran, dass der Verkehr noch immer zu viele               Zur Person
Opfer fordert. Deshalb muss die Arbeit der Verkehrssicherheits-             Die Rechtsanwältin Christiane Leonard-Tiemann ist
programme intensiv weitergeführt werden. Damit können wir die               bereits seit 2004 für den Bundesverband Deutscher
Verkehrssicherheit weiter verbessern und die Zahl der Opfer im              Omnibusunternehmen (bdo) tätig, ab 2011 als Hauptge-
Straßenverkehr weiter reduzieren.                                           schäftsführerin. Von 2016 bis 2019 war sie zudem Vize-
                                                                            präsidentin Personenverkehr bei der International Road
Wie ergeht es Ihnen als Frau in einer Branche, die bislang von              Union (IRU) sowie 2018 bis 2021 Mitglied im Präsidium
Männern dominiert wird – DVR eingeschlossen? Haben Sie                      der IRU (Straßengüter- und Personenverkehr). Darüber
einen Ratschlag für DVR-Mitgliedsorganisationen, wie sie                    hinaus ist Leonard seit 2017 ehrenamtlich als Mitglied
Frauen fördern können?                                                      der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft
Ich bin in meiner Branche oft allein unter Männern und das                  Verkehrswirtschaft, Post-Logistik und Telekommunika-
hat auch viele Vorteile: Ich kann als Frau elegant die Ordnung              tion (BG Verkehr) aktiv.
durchbrechen, die Männern so oft die meisten Kopfschmerzen

                                                                                                                    1/2023 DVR REPORT 5
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
AKTUELLES

     Sicherer Fußverkehr: So kann es gehen
Zu Fuß gehen ist die natürlichste Form der Mobilität. Bei so gut wie jedem Weg von A nach
B legen wir mindestens eine Teilstrecke zu Fuß zurück, und sei es nur von der Haustür bis
zum Parkplatz, zur Haltestelle oder zum Fahrrad.

Die Anforderungen an einen sicheren Fußverkehr sind vielfältig. Foto: Christian Müller - stock.adobe.com

F   ußgängerinnen und Fußgänger jeden Alters sind überall
    unterwegs, auf jedem Weg und jeder Straße, innerorts, aber
auch außerorts. Sie zählen zudem zur Gruppe der ungeschützten
                                                                                       für die Anlage von Landstraßen (RAL), den Richtlinien für die
                                                                                       Anlage von Stadtstraßen (RASt), den Empfehlungen für Fuß-
                                                                                       verkehrsanlagen (EFA) und den Hinweisen für barrierefreie
Verkehrsteilnehmenden, sind also im Straßenverkehr besonders                           Verkehrsanlagen (HBVA) der Forschungsgesellschaft für
gefährdet. 2021 wurden nach Zahlen des Statistischen Bundes-                           Straßen- und Verkehrswesen (FGSV).
amtes 343 Fußgängerinnen und Fußgänger getötet, davon 64
auf Landstraßen und 20 auf Autobahnen; 23.790 wurden verletzt,                       	Zur Sicherung von Querungen sind je nach Örtlichkeit Ampeln,
davon 4.950 schwer. Ein besonders hohes Risiko, im Straßen-                            Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), Mittelinseln oder vorge-
verkehr zu verunglücken, tragen Kinder und ältere sowie mobili-                        zogene Fahrbahnränder vorzusehen; wo immer die Möglich-
tätseingeschränkte Menschen. Deren Anforderungen zu erfüllen,                          keit besteht, sind Mittelinseln mit Fußgängerüberwegen zu
erhöht die Verkehrs­sicherheit für alle zu Fuß Gehenden.                               kombinieren.

Infrastruktur anpassen                                                                 Querungsmöglichkeiten sind so zu gestalten, dass auch
Der DVR empfiehlt deshalb konkrete Maßnahmen, um die Sicher-                           mobilitätseingeschränkte Personen sicher die Straßenseite
heit im Fußverkehr zu verbessern. Hier eine Auswahl:                                   wechseln können; hierzu gehören insbesondere der Einbau
                                                                                       von taktilen Elementen, Bordsteinabsenkungen und eine kon­
   Die Gestaltung der Fußverkehrsanlagen muss sich am techni-                          trastreiche Verkehrsraumgestaltung.
   schen Regelwerk orientieren, hier vor allem an den Richtlinien

6 DVR REPORT 1/2023
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
AKTUELLES

   Um die Sicht auf zu Fuß Gehende an Kreuzungen und Einmün-         schaffen, und die Kommunen können vor Ort durch eine sichere
   dungen zu verbessern, ist das in § 12 Straßenverkehrs-Ord-        und komfortable Fußverkehrsinfrastruktur die Sicherheit und
   nung (StVO) geregelte Halt- und Parkverbot auf je zehn Meter      Attraktivität der Städte verbessern.
   von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten zu erweitern.
   Zudem müssen an definierten Querungsstellen Sichthinder-          Manfred Wirsch
   nisse entfernt und das Halten von Fahrzeugen verboten und         Präsident DVR
   entsprechend konsequent überwacht werden.

   Um Fußgängerinnen und Fußgänger bei Dunkelheit besser
   erkennen zu können, sollten Querungsstellen und Gehweg-
   bereiche angemessen beleuchtet werden. Sie sollten durch
   gezielte Öffentlichkeitsarbeit und Maßnahmen für alle Alters-
   gruppen verstärkt dazu motiviert werden, ihre eigene Sicht-          Eine nationale Fußverkehrsstrategie ist gefragt
   barkeit bei Dunkelheit durch retroreflektierende Materialien         Hundert Jahre lang war das Gehen buchstäblich Neben-
   (z.B. an Taschen, Rucksäcken, Kinderwagen oder Gehhilfen             sache in der Verkehrspolitik, der Planung und dem Bau
   etc.) und helle Kleidung zu erhöhen.                                 von Wegen. Eine nationale Fußverkehrsstrategie kann
                                                                        Entscheidendes beitragen, um die meistverbreitete
   Nicht nur für den sicheren Fußweg zur Schule ist die Mobi-           Mobilitätsform wieder mehr ins Zentrum zu rücken.
   litäts- und Verkehrserziehung in Einrichtungen der Kinderbe-         Dafür ist vielfältiger Bedarf: Das Verkehrsrecht und viele
   treuung, Vorschulen und in den Klassen eins und zwei von             Regelwerke müssen den Anforderungen des Fußver-
   elementarer Bedeutung. An alle Eltern richtet sich der Appell,       kehrs angepasst werden, etwa für sicheres und verzöge-
   gemeinsam mit den Kindern die sichere Teilnahme am Ver-              rungsfreies Queren von Fahrbahnen sowie für Gehwege,
   kehr zu Fuß zu üben und möglichst auf das Elterntaxi zu              die ihre Funktion stets erfüllen. Die Kommunen brau-
   verzichten.                                                          chen hierfür mehr Handlungsspielräume und rechtliche
                                                                        Autonomie.
   Eine niedrige Fahrgeschwindigkeit kann helfen, Verkehrsun-
   fälle zu vermeiden oder zumindest die Verletzungsschwere             In Verwaltungen und ihren Abläufen muss Fußverkehr
   zu reduzieren. In Bereichen, in denen sich Fußgängerinnen            ein eigenständiger, respektierter Bestandteil sein – auch
   und Fußgänger aufhalten, sollten deshalb Maßnahmen zur               mit entsprechendem Personal. Es braucht Förderpro-
   Verkehrsberuhigung ergriffen werden.                                 gramme für die kommunale Planung, die Sanierung und
                                                                        den Bau von Fußverkehrsinfrastruktur. Auch in Wissen-
   Zur Erhöhung der Sicherheit des Fußverkehrs sollte in allen          schaft, Ausbildung und Forschung ist der Nachholbedarf
   Städten mit einer Einwohnerzahl über 100.000 eine aus-               groß.
   schließlich für den Fußverkehr verantwortliche Stelle einge-
   richtet werden.                                                      Mit einer erfolgreichen nationalen Fußverkehrsstrategie
                                                                        sind die Menschen öfter, länger, lieber und sicherer zu
Besonderes Unfallrisiko an Querungsstellen                              Fuß unterwegs als heute. Mit ihr ist Gehen noch häufi-
Zu vielen Unfällen mit Pkw kommt es vor allem dort, wo Fuß-             ger ein selbstverständlicher und angenehmer Bestand-
gängerinnen und Fußgänger Straßen überqueren. Dabei zeigen              teil des Alltags. Das fördert nicht nur Nahmobilität und
sich zwei immer wieder auftretende Problembereiche: Dies sind           Gesundheit, sondern belebt auch Städte und Dörfer,
einerseits Stellen, an denen ein Querungsbedarf besteht, die-           Handel und Gastronomie. Nicht zuletzt schont Gehen
sem aber nicht durch eine gesicherte Querungsstelle Rechnung            die Umwelt und benötigt weniger Flächen als alle ande-
getragen wird. Zum anderen geschieht rund ein Drittel aller Fuß-        ren Bewegungsformen. Die nationale Fußverkehrsstrate-
verkehrsunfälle an Kreuzungen und Einmündungen. Besonders               gie sollte das Gehen nicht als Kostenfaktor, sondern als
auffällig ist dabei, dass davon wiederum rund ein Drittel an Stel-      besonders effiziente Form der Mobilität begreifen.
len geschieht, die mit Ampeln gesichert sind.
                                                                        Roland Stimpel
Fußverkehr stärker berücksichtigen                                      FUSS e.V.
Festzuhalten bleibt, der Sicherheit des Fußverkehrs muss zukünf-
tig eine größere Bedeutung zukommen. Um die Anzahl der getö-            Weitere Informationen
teten, aber auch der schwer verletzten Fußgängerinnen und Fuß-          zum sicheren Fußverkehr
gänger zu reduzieren, sind viele Maßnahmen erforderlich. Der            gibt es hier:
Bund kann hier den erforderlichen Rechts- und Förderrahmen

                                                                                                                 1/2023 DVR REPORT 7
DVR REPORT - Fachmagazin für Verkehrssicherheit
TOP-THEMA

        Vorrang für barrierefreie Mobilität
Mobilität heißt Beweglichkeit, Lebendigkeit, Wandel und hat einen hohen Stellenwert. Sie
wird als Symbol unserer heutigen Zeit betrachtet: mobil sein, mobil kommunizieren, mobil
arbeiten, mobil denken. Mobilität führt zur Erweiterung unseres Aktionsradius und zur akti-
ven Auseinandersetzung mit der Umwelt. Sie eröffnet immer neue Wahlmöglichkeiten, bei-
spielsweise bei der Freizeitgestaltung, und dient der Aufnahme und Aufrechterhaltung von
sozialen Kontakten. Das sollte auch für mobilitätseingeschränkte Menschen gelten.

                                                                               Umfrage der „Aktion Mensch“
                                                                               Die alltäglichen Einschränkungen in der Mobilität von
                                                                               Menschen mit Behinderung belegen die Ergebnisse
                                                                               einer repräsentativen Umfrage der „Aktion Mensch“ aus
                                                                               dem Jahr 2022: Jeweils 26 Prozent der Befragten mit
                                                                               Beeinträchtigung gaben an, häufig auf nicht barrierefreie
                                                                               Bahnhöfe oder Haltestellen sowie öffentliche Verkehrs-
                                                                               mittel zu stoßen.

                                                                               Fast ein Drittel der befragten Menschen mit Beein-
                                                                               trächtigung fühlt sich im Alltag häufiger durch zu kurze
                                                                               Fußgänger- und Ampelschaltungen eingeschränkt. Per-
                                                                               sonen mit einer körperlichen Beeinträchtigung sind mit
                                                                               40 Prozent besonders häufig davon betroffen. Im Ver-
                                                                               gleich dazu sind es bei Menschen ohne Beeinträchti-
                                                                               gung nur 17 Prozent.

                                                                               Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Menschen
                                                                               ohne Beeinträchtigung erledigt alltägliche Wege, wie
                                                                               zum Beispiel Arztbesuche oder Behördengänge, in bis zu
                                                                               20 Minuten. Bei den Befragten mit starker Beeinträchti-
                                                                               gung schafft es hingegen nur ein Drittel (34 Prozent) in
                                                                               dieser Zeit. Fast zehn Prozent, die sich im Alltag stark
Barrierefreie Mobilität leistet auch einen wichtigen Beitrag, um soziale       beeinträchtigt fühlen, benötigen für solche Wege sogar
­Kontakte aufrechtzuerhalten. Foto: Aktion Mensch                              länger als eine Stunde.

I  n Deutschland hat etwa jeder zehnte Mensch eine schwere
   Behinderung, fast ein Drittel der Betroffenen ist über 75 Jahre
alt. Und mit dem demografischen Wandel wird der Anteil der
                                                                               Mehr als ein Drittel der Menschen mit Beeinträchtigung
                                                                               traut es sich zudem nicht zu, selbstständig unterwegs
                                                                               zu sein und zu reisen (34 Prozent). Unter denjenigen
Menschen mit Behinderung weiter ansteigen. Beim Thema bar-                     mit einer sichtbaren Beeinträchtigung ist dieses feh-
rierefreie Mobilität muss es also nicht nur um eine sichere und                lende Vertrauen mit 57 Prozent besonders ausgeprägt.
komfortable Fortbewegung gehen, sondern auch um gesell-                        Fast ein Drittel der Befragten mit Beeinträchtigung fühlt
schaftliche Teilhabe und die Möglichkeit, das Leben aktiv zu                   sich unterwegs unsicher und alleingelassen. Bei Men-
gestalten.                                                                     schen mit einer starken Beeinträchtigung sind es sogar
                                                                               40 Prozent.
Recht auf barrierefreie Mobilität
Zudem ist barrierefreie Mobilität keine freiwillige Willensbekundung,
sondern ein Recht, das in vielen Gesetzen verankert ist. Dazu zählen       seit dem 1. Januar 2022 vor. Vor dem Hintergrund der UN-BRK, die
die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die Fahrgastrech-             2009 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wurde,
teverordnung der EU, das Behindertengleichstellungsgesetz und              kommt der barrierefreien Mobilität eine besondere Schlüsselrolle
das Personenbeförderungsgesetz. Letzteres schreibt die vollstän-           zu. Das Ziel der Konvention stellt die gleichberechtigte Teilhabe von
dige Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)            allen Menschen an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens

8 DVR REPORT 1/2023
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dar. Die Mobilität von Menschen mit Behinderungen gehört zu den     Perspektive darum, Menschen durch eine adäquate Mobilitäts-
zentralen Voraussetzungen einer selbstbestimmten und gleichbe-      bildung auf die Teilnahme am Straßenverkehr vorzubereiten.
rechtigten Teilhabe (Artikel 9 und Artikel 20 der UN-BRK).
                                                                    Hinzu kommt, dass barrierefreie Mobilitätsangebote auch Vor-
In diesem Zusammenhang rücken nicht nur das Recht auf Bil-          teile für Menschen ohne Behinderung bieten, die zum Beispiel
dung und inklusive Schule, sondern auch die Lebensbereiche          durch eine Operation oder eine Verletzung vorübergehend ein-
Arbeit, Wohnen und Freizeit von Kindern, Jugendlichen und           geschränkt sind. Oder die mit Rollator, sperrigem Gepäck oder
erwachsenen Menschen mit Behinderung in den Fokus. Ziel ist         Kinderwagen unterwegs sind. Wir alle können sehr schnell vor-
zum Beispiel, Menschen mit Behinderung und mobilitätsbehin-         übergehend oder dauerhaft mobilitätsbehindert werden. Nach
derten Personen einen gleichberechtigten Zugang zu Arbeits-,        Angaben der „Aktion Mensch“ sind nur rund drei Prozent der
Kultur- und Freizeitangeboten bereitzustellen. Im Bestreben, Par-   Behinderungen angeboren. Meist sind Krankheiten, seltener
tizipation, Selbstbestimmung, Wahlmöglichkeiten und Inklusion       auch Unfälle die Auslöser.
für jeden Menschen zu erreichen, muss Mobilität als fundamen-
tale Voraussetzung ermöglicht werden.                               Ziel muss also sein, mobilitätseinschränkende Barrieren, die
                                                                    für Menschen mit Behinderung oftmals unüberwindbare Hür-
Barrierefreie Strukturen schaffen                                   den darstellen, abzubauen. Die Lebensqualität aller steigt mit
Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund. Zum einen geht es         einem inklusiven und barrierefreien Mobilitätsangebot deutlich,
aus verkehrstechnischer Perspektive darum, Strukturen zu ver-       weil dieses auf Komfort und leichten Zugang setzt. Viele Men-
ändern, den Straßenverkehr barrierefreier und kommunikations-       schen wünschen sich zum Beispiel ein lückenloses, übersichtli-
freundlicher zu gestalten. Wer heute ein barrierefreies Mobili-     ches, günstiges und großzügig aufgebautes ÖPNV-Netz. Zudem
tätsangebot plant und aufbaut, spart in Zukunft Kosten für den      fördert die Begegnung im öffentlichen Raum und Verkehr die
deutlich teureren Umbau. Die Digitalisierung erleichtert zudem      gegenseitige Rücksichtnahme. Eine inklusive Gesellschaft ist
die Umstellung auf inklusive Mobilität und deren Angebote.          eine hilfsbereitere Gesellschaft.
Smartphone-Apps können möglichst barrierefreie Routen durch
den öffentlichen Raum aufzeigen (siehe Kasten „Barrieren an Hal-    Sven Rademacher
testellen“). Zum anderen geht es aus mobilitätspädagogischer

   Barrieren an Haltestellen
   Um die Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr          Haltestellen schnell und einfach zu erfassen, etwa beim War-
   (ÖPV) weiter voranzubringen, hat die TU Chemnitz gemein-         ten auf den nächsten Bus“, ergänzt René Apitzsch, Wissen-
   sam mit zehn Projektpartnerinnen und -partnern eine App          schaftlicher Mitarbeiter im Projekt.
   zur Erfassung von Barrieren an Haltestellen entwickelt.
                                                                    Die Daten werden mithilfe der App standardisiert erfasst und
   Das Verbundprojekt „OPENER next“ unter der Leitung von           zu OpenStreetMap, einer weltweiten gemeinsamen offenen
   Prof. Dr. Ulrich Heinkel an der TU Chemnitz wurde vom Bun-       Datenbasis, übertragen. Durch den freien Zugang zum ste-
   desministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit dem          tig zunehmenden Datenbestand können bereits jetzt auch
   Deutschen Mobilitätspreis 2022 in der Kategorie „Daten und       andere Projekte darauf aufbauen und eigene Lösungen ent-
   Innovationen“ ausgezeichnet.                                     wickeln. Im Projekt „OPENER next“ sollen die Daten dazu ver-
                                                                    wendet werden, die Routenauskünfte im ÖPV zu verbessern.
   Die Vision von „OPENER next“ ist es, den ÖPV in Deutschland      „So können alle Menschen und insbesondere jene mit Mobi-
   attraktiver zu gestalten. „Der Ansatz des Projektes basiert      litäts-, Seh- oder Höreinschränkungen schon vor Reiseantritt
   dabei auf einem gesellschaftlichen Füreinander, was bedeu-       erfahren, ob eine geplante Route barrierefrei ist und welche
   tet, dass Bürgerinnen und Bürger dazu beitragen können,          Alternativen es gegebenenfalls gibt“, erläutert Apitzsch. Dar-
   Haltestellen und deren Eigenschaften bundesweit flächende-       über hinaus sollen die Daten dazu dienen, eine barrierefreie
   ckend mittels einer von uns entwickelten App zur Datener-        Indoor-Navigation an Bahnhöfen umzusetzen und den Aus-
   hebung zu erfassen und aktuell zu halten“, berichtet Heinkel.    bau von Bus- und Bahnhaltestellen inklusiver und bedarfsge-
   Das Besondere dabei sei, dass nicht nur der Erfassungsauf-       rechter zu planen.
   wand auf mehrere Schultern verteilt wird, sondern auch, dass
   die Erfassung kontinuierlich und bedarfsgerecht stattfinde.      Weitere Informationen
   „Die eigens dafür entwickelte App namens ‚OpenStop‘ soll es      zum Verbundprojekt sind
   interessierten Bürgerinnen und Bürgern durch Beantworten         hier zu finden:
   kurzer Fragen ermöglichen, Barrieren und Eigenschaften von

                                                                                                                 1/2023 DVR REPORT 9
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       Neue Barrieren auf Gehwegen
Wenn man blind oder stark sehbehindert ist, wirkt sich das massiv auf die Orientierung und
eigenständige Mobilität aus. „Es gibt doch Blindenstöcke und Blindenführhunde“, denken
Sie vielleicht. Um sich jedoch mit diesen Hilfsmitteln eigenständig und gefahrlos fortbewe-
gen zu können, ist zusätzlich eine barrierefreie Gestaltung der Umwelt erforderlich. Dafür
setzt sich der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) ein.

Kreuz und quer abgestellte und umgestürzte E-Roller behindern die sichere und eigenständige Fortbewegung blinder und sehbehinderter Menschen.
Foto: Oliver Ziebe - DBSV

B    arrierefrei“ kann man für den Verkehrsbereich so definieren,
     dass Straßen, Plätze, Wege und Verkehrsmittel für Menschen
mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne beson-
                                                                             unvermittelt und unberechenbar auf und werden dadurch zu
                                                                             einer Stolpergefahr. In der Folge kam es auch schon zu zahlrei-
                                                                             chen Unfällen. Diese sind aufgrund der bisher fehlenden Gefähr-
dere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar,             dungshaftung der Halter oft nur schwer regulierbar. Übrigens
zugänglich und nutzbar sind. Gesetzlich ist das im Behinderten-              sind auch Menschen, die Rollstühle oder Rollatoren nutzen,
gleichstellungsrecht des Bundes und der Länder sowie in weite-               gefährdet, wenn sie herumliegenden E-Rollern ausweichen müs-
ren Fachgesetzen und technischen Normen näher ausgestaltet.                  sen und dadurch auf die Fahrbahn geraten.

Wenngleich der Weg zu einer zugänglichen und damit inklusi-                  Stand der Rechtsprechung
ven Verkehrsgestaltung für alle Menschen noch weit ist, hat sich             Mit Blick auf den aktuellen Stand der Rechtsprechung der Ver-
doch in den letzten Jahren einiges getan. Beispielsweise verfü-              waltungsgerichte ist bei der massenhaften stationslosen Ver-
gen inzwischen viele Ampeln über akustische Signale. Zuneh-                  mietung von E-Rollern von einer Sondernutzung auszugehen.
mend werden auch taktil und optisch gut erkennbare Bodenleit-                Leider werden in den bisher erteilten Sondernutzungserlaubnis-
systeme verlegt, etwa an Querungsstellen von Straßen oder zum                sen die Belange von Menschen mit Behinderungen nur unzurei-
Anzeigen einer Treppe.                                                       chend oder gar nicht berücksichtigt. Sie verstoßen damit gegen
                                                                             geltendes Recht zum Schutz vor Benachteiligungen.
E-Scooter als Barrieren
Seit 2019 sind jedoch in größeren Städten neue Barrieren hinzu-              In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bei dem
gekommen. Kreuz und quer abgestellte und umgestürzte E-Rol-                  gewerbsmäßigen Anbieten von E-Rollern ein Abstellen auf dem
ler behindern die sichere und eigenständige Fortbewegung blin-               Gehweg rechtlich unzulässig sein dürfte. Nach § 11 Abs. 5 Elek-
der und sehbehinderter Menschen. E-Roller sind aufgrund ihrer                trokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) sollen E-Roller wie Fahr-
Bauweise schwer mit dem Blindenlangstock zu ertasten. Weil                   räder behandelt werden. Das „Abstellen“ der stationslos vermie-
sie in den meisten Städten an jeder beliebigen Stelle des Geh-               teten E-Roller entsprechend den „Parkvorschriften für Fahrräder“
wegs einfach abgestellt werden können („Free-Floating-Modell“),              auf Gehwegen kann jedoch nach der Entstehungsgeschichte
tauchen sie für Menschen mit Seheinschränkung immer wieder                   der eKFV nur für privat genutzte Fahrzeuge gelten. Der Wortlaut,

10 DVR REPORT 1/2023
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die systematische Stellung der Norm und deren Schutzbereich        Abstellflächen zu erlauben und diese Regelung auch durchzuset-
erfassen nicht die momentane Situation: Zigtausende von sta-       zen. Die Abstellflächen müssen kontrastreich markiert und mit
tions- und damit völlig „beziehungslosen“ Mietfahrzeugen auf       einem Blindenstock ertastbar sein.
Gehwegen. Die Verweisung in § 11 Abs. 5 eKFV dürfte allenfalls
gemäß § 17 Abs. 4 Satz 4 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) das        Der DBSV nutzt inzwischen in mehreren Städten das Mittel der
Abstellen auf Fahrbahnen rechtfertigen.                            Verbandsklage, um die Herstellung bzw. Wiederherstellung der
                                                                   Barrierefreiheit auf Gehwegen gerichtlich einzufordern. Der Ver-
Beteiligung von Betroffenen wird oftmals vergessen                 band hat dafür eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Vergessen wird von den Städten häufig auch, dass Menschen
mit Behinderungen bei der Aushandlung von Sondernutzungs-          Weitere Informationen unter:
erlaubnissen und deren Auflagen zu beteiligen sind, damit ihre
Belange berücksichtigt werden können. Barrierefreiheit als Vor-
aussetzung für die gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbe-
reichen wird in dem 2009 in Kraft getretenen Übereinkommen
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK)
besonders betont. Dies ist bei der gebotenen Rechtsauslegung
rechtlicher Regelungen zur Regulierung der Mikromobilität zu                                         Gastbeitrag von Christiane Möller
beachten.                                                                                            Stellvertretende Geschäftsführerin
                                                                                                     und Justiziarin
Da technische Lösungen bislang nicht erfolgversprechend sind,                                        Deutscher Blinden- und Seh­
ist es aus Sicht des DBSV unabdingbar, das „Abstellen“ der Leih-                                     behindertenverband e.V. (DBSV)
E-Roller ausschließlich auf ausgewiesenen und abgegrenzten         Foto: Friese - DBSV

   Konfliktthema E-Scooter auf Geh- und Radwegen                   hoch. Insbesondere aufgrund von Beeinträchtigungen durch
   Ausdruck von Bewegungsfreiheit für die einen, ärgerliche        geparkte E-Tretroller sind Fußgängerinnen und Fußgänger
   Stolperfalle für die anderen: Die vor mehr als drei Jahren      stärker betroffen als Radfahrende. So gab jeder sechste zu
   erfolgte Zulassung der E-Tretroller in deutschen Städten        Fuß Gehende an, bereits über geparkte E-Tretroller gestol-
   sollte ein innovativer Beitrag zur Verkehrswende sein. Doch     pert oder gefallen zu sein. Radfahrende erleben dagegen
   die oft unsachgemäß abgestellten oder im Weg liegenden          meist leichtere Konflikte, zum Beispiel, wenn sie wegen eines
   Roller sorgen häufig für Ärger. Daher stehen viele Kommu-       E-Tret­rollers ausweichen oder langsamer fahren müssen.
   nen vor der Herausforderung, E-Scooter in das städtische
   Verkehrssystem zu integrieren und deren Einsatz wirksam zu      Das Forschungsteam hat für die Studie Fachleute u.a. aus
   steuern.                                                        Berlin, Köln, Stuttgart, Basel, Paris und Warschau interviewt,
                                                                   Fahrerinnen und Fahrer von E-Scootern und Menschen, die
   Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) sowie das Deut-     diese Gefährte nicht nutzen – darunter auch blinde und seh-
   sche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben unter-         behinderte Personen –, befragt, Unfall- und Nutzungsdaten
   sucht, wie die bisher typische Nutzung der Roller aussieht      analysiert sowie Videos im Straßenraum aufgezeichnet und
   und welche Konflikte mit dem Fuß- und Radverkehr auftre-        ausgewertet.
   ten. Im Fokus der im Auftrag des Bundesministeriums für
   Digitales und Verkehr (BMDV) erarbeiteten und mit Mitteln       Aus den gesammelten Daten hat das Forschungsteam
   des Nationalen Radverkehrsplans geförderten Studie stan-        Empfehlungen für die Kommunen abgeleitet, darüber hin-
   den auch Fragen der Gestaltungsspielräume und Steue-            aus wurden zahlreiche Einschätzungen und Erfahrungs-
   rungsmöglichkeiten für Kommunen, insbesondere mit Blick         werte in Form von Städtesteckbriefen aufbereitet. Damit die
   auf den aktuellen Rechtsrahmen.                                 Ergebnisse auch für andere Kommunen in Deutschland als
                                                                   hilfreiches Werkzeug bei der Integration von E-Tretroller-Ver-
   Die Untersuchung zeigt, dass die Wirkungen der E-Roller         leihsystemen in das bestehende Verkehrssystem dienen
   auf den Verkehr unterschätzt werden. Die Kleinstfahrzeuge       können, wurden sie als Praxisleitfaden veröffentlicht.
   werden nicht nur für Freizeitfahrten, sondern auch zur
   Arbeit, zum Einkaufen oder für private Erledigungen einge-      Zusätzliche Hintergründe
   setzt. Dagegen werden sie in Verleihsystemen besonders          und den Leitfaden gibt es hier:
   häufig – auf fast einem Viertel der Fahrten – in Verbindung
   mit dem ÖPNV genutzt. Gleichzeitig ist das Konfliktpoten-
   zial von E-Tretrollern mit anderen Verkehrsteilnehmenden

                                                                                                                  1/2023 DVR REPORT 11
MITGLIEDER

     DEKRA: Fitte Lkw-Fahrende sind das Ziel
Geringere gesundheitliche Risiken für Fahrende im Güterkraftverkehr und mehr Verkehrs­
sicherheit: Das sind die Ziele von DEKRA Fit & Safe, einem Programm für betriebliche
Gesundheitsförderung. Fachleute von DEKRA haben den Service speziell für die Erforder-
nisse von Truckerinnen und Truckern sowie Speditionen entwickelt.

D    ie Transport- und Logistikbranche verzeichnet einen Man-
     gel an Fahrerinnen und Fahrern, der sich in den nächsten
Jahren noch weiter verschärfen wird: Der Altersdurchschnitt
                                                                         Gesund und sicher – Arbeitsplatz Lkw
                                                                         Auch die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft,
des Fahrpersonals liegt bei 50 Jahren und es gehen mehr Fach-            Post-Logistik und Telekommunikation (BG Verkehr)
kräfte in den Ruhestand als ausgebildet werden. Dazu kommen              widmet sich den Gefährdungen und Belastungen von
die großen gesundheitlichen Belastungen: lange und ungünstige            Lkw-Fahrenden. Das Moderatoren-Konzept „Gesund und
Arbeitszeiten, ständiger Zeitdruck, Schlafmangel, ein mobiler            sicher – Arbeitsplatz Lkw“ der BG Verkehr setzt auf die
Arbeitsplatz mit vielen Anforderungen, hohe Umgebungsbelas-              alltäglichen Erfahrungen der Fahrerinnen und Fahrer, die
tungen wie Lärm sowie häufig eine fehlende Anerkennung für               ihre Kenntnisse in Seminare einbringen und – unterstützt
den Berufsstand.                                                         von speziell ausgebildeten Moderatorinnen und Modera-
                                                                         toren – selbst Lösungsstrategien für Belastungen ihres
Hohe berufliche Belastungen                                              beruflichen Alltags erarbeiten. Teilnehmende sowie
„Berufskraftfahrer haben insgesamt hohe berufliche Belastun-             Moderatorinnen und Moderatoren entwickeln dabei
gen, die oft gepaart mit einem gesundheitsschädlichen Lebens-            gemeinsam Strategien zu Stressbewältigung, zum Be-
stil zu negativen körperlichen und psychischen Folgen führen             und Entladen, zu Ermüdung und weiteren Themen. Dabei
können“, erläutert Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs Mensch        kommt es zu überraschenden Erkenntnissen, immer ver-
& Gesundheit bei DEKRA. So sei zum Beispiel ein erhöhtes Risiko          bunden mit der Frage: Was heißt das für die Praxis?
für Herz-Kreislauf- und Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie
Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten bekannt. Und ein wei-            Teile des Moderatorenprogramms, die sich auf Sicherheit
terer wichtiger Aspekt: „Ein schlechter Gesundheitszustand hat           und Gesundheitsschutz beziehen, können für die Weiter-
nachweislich negative Auswirkungen auf das Fahrverhalten und             bildung von Lkw-Fahrerinnen und Fahrern im Rahmen
die Unfallgefahr“, weiß die Expertin.                                    des Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetzes (BKrFQG)
                                                                         verwendet werden. Ausgebildete Moderatorinnen und
In einer Vorstudie und in Pilotprojekten hat DEKRA gemeinsam             Moderatoren stehen bundesweit bereit.
mit Fahrerinnen und Fahrern sowie Logistikunternehmen erfasst,
welche Anforderungen an ein Gesundheitsförderprogramm für
diese Branche zu stellen sind. Auf dieser Basis wurde ein entspre-       Nähere Einzelheiten zum
chendes Programm entwickelt. Es soll die Fahrenden auf freiwilli-        Programm der BG Verkehr
ger Basis erreichen und auch dann durchführbar sein, wenn sich           sind hier zu finden:
die Beschäftigten nicht am Unternehmenssitz aufhalten.

                                                                     Der wenig erholsame Schlaf im Lkw belastet die Gesundheit der Fahrerinnen
                                                                     und Fahrer. Foto: Ronald Rampsch - stock.adobe.com

12 DVR REPORT 1/2023
MITGLIEDER

Für das Thema Gesundheit sensibilisieren                               und Podcasts. Ziel ist es, die Trainings und Maßnahmen nach-
Das Programm beginnt damit, Unternehmen, Führungskräfte                haltig in den Arbeitsalltag von allen Beteiligten zu integrieren. Auf
und Disponenten für das Thema Gesundheit zu sensibilisie-              freiwilliger Basis begleitet ein individuelles Gesundheitscoaching
ren. Dazu werden Informationsveranstaltungen, Workshops                die Fahrenden durch das gesamte Programm. Sämtliche Schu-
und Gesundheitszirkel genutzt. Zugleich wird der Ist-Zustand           lungen, Maßnahmen, Trainings und Erfolge werden laufend für
durch Interviews im Unternehmen erfasst. Dabei werden unter            alle Beteiligten in einem übersichtlichen Dashboard zusammen-
anderem Disponenten und teilnehmende Fahrende befragt,                 gefasst. Selbstverständlich bleiben die individuellen Daten der
entweder vor Ort am Unternehmenssitz oder mobil durch eine             Fahrenden dabei streng geschützt.
Gesundheits-App.
                                                                       Weitere Informationen zum
Für die Fahrerinnen und Fahrer folgen dann in einer sechswö-           Programm Fit & Safe gibt es hier:
chigen Anlaufphase Intensivprogramme: Wissensvermittlung,
Trainings- und Ernährungspläne, begleitet von der Möglichkeit
einer individuellen psychosozialen Beratung. Dabei kommt die
Gesundheits-App ebenso zum Einsatz wie Social Media, Videos

      CE: Rastplatz-Check – Nur ausgeruhte
     A
     Autofahrende sind sicher unterwegs
Der ACE Auto Club Europa hat gemein-
sam mit DVR-Präsident Prof. Dr. Walter
Eichendorf die Ergebnisse seiner 1.368
Rastplatz-Checks im Rahmen der Club­
initiative 2022 an die Autobahn GmbH
übergeben.

Rund 700 im ACE ehrenamtlich Enga-
gierte hatten unter dem Motto „Deutsch-
land, deine Rastplätze“ innerhalb von
sechs Monaten unbewirtschaftete Rast-
plätze in ganz Deutschland unter die Lupe
genommen. Im Fokus der bundesweiten
Tests standen Sicherheit, Familienfreund-
lichkeit, Barrierefreiheit und Sauberkeit.
Die 684 getesteten Rastplätze wurden
von den ACE-Ehrenamtlichen immer dop-
pelt geprüft.

Für eine bessere Vergleichbarkeit wurde
in der Auswertung zwischen Rastplätzen
                                             Bei der Abschlussveranstaltung am Rastplatz Rübholz an der Autobahn A8 in Baden-Württemberg
mit und ohne WC unterschieden, wobei         nahm Martin Friewald (l.), stellvertretend für die Autobahn GmbH, die Auswertung von ACE-Presse­
sich große Unterschiede ergaben. Wäh-        sprecher Sören Heinze und Schirmherr Prof. Dr. Walter Eichendorf (r.) entgegen. Foto: ACE
rend immerhin elf Prozent der Rastplätze
mit WC mit dem Prädikat „Exzellent“ aus-     Im Gesamtergebnis hat ein Rastplatz                 Parkplätzen und WCs. Die Rastplätze
gezeichnet wurden, schnitt keine einzige     in Schleswig-Holstein besonders beein-              Rathsburgseen Nord und Süd in Branden-
Anlage ohne WC nur annähernd so gut          druckt: Nur die Anlage „Ostseeblick“ an             burg sind die besten ohne WC.
ab. Unter den Anlagen mit WC sind ledig-     der A1 erhielt bundesweit die volle Punkt-
lich sieben Prozent durchgefallen, bei den   zahl. Überzeugt hat der Rastplatz vor               Hier geht es zu den
Rastplätzen ohne WC konnte ein Viertel       allem bei beiden Tests in Sachen Sauber-            Ergebnissen des
nicht überzeugen.                            keit und Hygiene sowie mit barrierefreien           Rastplatz-Checks: 

                                                                                                                        1/2023 DVR REPORT 13
MITGLIEDER

      DV: Unfälle zwischen Pkw- und
     U
     Radfahrenden an Grundstückszufahrten
Das Unfallgeschehen zwischen Pkw- und         getöteten Radfahrenden von insgesamt            zeigten auch, dass bauliche Sichtein-
Radfahrenden an Grundstückszufahrten          615 untersuchten Unfällen fanden an             schränkungen – meist in Form von
hat die Unfallforschung der Versicherer       Grundstückszufahrten statt. Kam es zu           Hecken und Buschwerk – eine nennens-
(UDV) in einer Studie untersucht. Die         einer Kollision, wurden die Radfahrenden        werte Rolle bei diesen Unfällen spielen.
Analyse von 4.682 Unfällen mit Personen-      immer verletzt und das überwiegend
schaden aus mehreren Bundesländern                                                            Mit Blick auf mögliche Maßnahmen zur
im Jahr 2019 ergab, dass Unfälle an                                                           Vermeidung solcher Unfälle kommen
Grundstückszufahrten für vier Prozent                                                           neben infrastrukturellen und verhal-
der Getöteten, zwölf Prozent der                                                                     tensbasierten Maßnahmen in
Schwerverletzten und 15 Pro-                                                                            erster Linie Notbremssysteme
zent der Leichtverletzten bei                                                                             (AEB) mit Erkennung von Rad-
allen Pkw/Fahrrad-Unfällen                                                                                  fahrenden in Betracht. Dabei
verantwortlich sind. Dabei                                                                                   zeigte sich, dass erst durch
waren die häufigsten                                                                                         ein verbessertes AEB+, bei
Ursachen Fehler beim                                                                                         dem die Sensoren durch
Einfahren in den fließenden                                                                                  bauliche Sichthindernisse
Verkehr (32 Prozent) oder                                                                                   nicht gestört werden, ein
beim Abbiegen (neun Prozent                                                                               höheres Nutzenpotenzial in
nach links, sieben Prozent nach               An Grundstückszufahrten kann es zu brenzligen
                                                                                                        Form von 29 Prozent vermeid-
rechts).                                                   Situationen kommen.                       barer Unfälle erreicht werden kann.
                                                   Foto: lotharnahler - stock.adobe.com

Vertiefende Untersuchungen mittels der
Unfalldatenbank der Versicherer (UDB)
ergaben weitere Erkenntnisse zu diesen        schwer. In mehr als der Hälfte der rele-        Die detaillierten
Unfällen: Rund 18 Prozent der Unfälle und     vanten Fälle fuhr der Pkw vorwärts aus          Untersuchungs-
15 Prozent aller schwer verletzten und        dem Grundstück heraus. Die Analysen             ergebnisse gibt es hier:

     TÜV-Report 2023: Jeder fünfte Pkw fällt durch
Der „TÜV-Report 2023“ zeigt, dass sich        Laut den Ergebnissen sind im Unter-             Die Mängelquoten steigen naturgemäß
die technische Sicherheit der Autos auf       suchungszeitraum (Juli 2021 bis Juni            mit dem Alter der geprüften Fahrzeuge.
Deutschlands Straßen verschlechtert hat:      2022) 0,05 Prozent der geprüften Pkw            Der Anteil der Autos mit erheblichen
Bei den Hauptuntersuchungen (HU) der          als „verkehrsunsicher“ eingestuft worden        Mängeln liegt bei sechs bis sieben Jahre
TÜV-Organisationen sind 20,2 Prozent          und mussten sofort stillgelegt werden. In       alten Fahrzeugen bei 13,6 Prozent, bei
der geprüften Pkw mit „erheblichen“ oder      Relation zur Gesamtzahl aller in Deutsch-       den acht- bis neunjährigen Pkw bei
„gefährlichen Mängeln“ durchgefallen. Die-    land durchgeführten Hauptuntersuchun-           19,6 Prozent. Die zehn bis elf Jahre alten
ser Wert ist nach Angaben des TÜV-Ver-        gen (rund 9,6 Millionen) entspricht das         Autos liegen mit einer Mängelquote von
bands im Vergleich zum Vorjahresreport        rund 15.000 Fahrzeugen. Rund 160.000            24,4 Prozent deutlich über dem Durch-
um 2,3 Prozentpunkte gestiegen. Die           Fahrzeuge mussten mit „gefährlichen             schnitt aller Fahrzeuge (20,2 Prozent).
Quote der Pkw mit „geringen Mängeln“ ist      Mängeln“ direkt in die Werkstatt (0,5 Pro-
mit 1,6 Punkten auf 10,7 Prozent ebenfalls    zent). Das ist der Fall, wenn die TÜV-Sach-     Alle Mängeltabellen und weitere Informa-
angestiegen. Corona-Effekte wie weniger       verständigen beispielsweise poröse              tionen sind im
Fahrten, eine intensivere Wartung der         Bremsschläuche, stark abgefahrene               „TÜV-Report 2023“
Fahrzeuge und ein höherer Anteil jüngerer     Reifen oder den Ausfall sämtlicher Brems-       zu finden:
Fahrzeuge in der Statistik hatten zuvor für   lichter feststellen.
eine positive Entwicklung gesorgt.

14 DVR REPORT 1/2023
MITGLIEDER

      DFC: Lebenswerte Städte durch
     A
     angemessene Geschwindigkeiten
Mehr als 360 Kommunen haben sich bislang der Initiative           30 nicht umsetzen können, obwohl sie das möchten“, sagte die
„Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“          ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters. Die Bremer Verkehrs-
angeschlossen. Der politische Leitantrag des Bundesvorstands      senatorin und derzeitige Vorsitzende der Verkehrsministerkonfe-
im Rahmen der 42. Bundeshauptversammlung des Allgemei-            renz Dr. Maike Schaefer freute sich über das eindeutige Abstim-
nen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Bremen forderte, die        mungsergebnis, das die Position der Länder unterstützt.
Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) nicht weiter zu
verschleppen und wurde von den 140 Delegierten einstimmig         Zudem hat der Bundesvorstand seine Fünf-Jahres-Strategie prä-
verabschiedet. Darin wird die Forderung bekräftigt, die Belange   sentiert, mit der er die inhaltlichen Ziele der Verkehrspolitik und
des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes und der städte-       des Fahrradtourismus beschreibt, genauso wie die strukturellen
baulichen Entwicklung als gleichberechtigte Ziele in das StVG     Ziele für den Verband, die Kommunikation und finanziellen Res-
aufzunehmen. Die einseitige Ausrichtung des Straßenverkehrs       sourcen zur Digitalisierung und Verbraucherberatung. Die Bun-
am Autoverkehr müsse beendet werden. „Es kann nicht sein,         deshauptversammlung verabschiedete die Fünf-Jahres-Strate-
dass im Jahr 2022 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister            gie sowie ein umfassendes Paket an Forderungen zur besseren
immer noch am StVG und an der StVO scheitern und Tempo            Vernetzung von Rad und Bahn.

          VR zu Besuch beim ADAC in Landsberg
         D
         und Penzing
   Im vergangenen November war der DVR zu Besuch im ADAC          Technik Zentrum viele Themen, die es wert sind, durch den
   Technik Zentrum Landsberg am Lech sowie im Testzentrum         DVR in seinem Ausschuss für Fahrzeugtechnik noch weiter
   Mobilität (Penzing). Zum Besuchsprogramm gehörten eine         vorangetrieben zu werden“, erklärte Barend Wolf, Referats­
   Besichtigung der ADAC Crashanlage und der Ausrüstungs-         leiter Fahrzeugtechnik beim DVR.
   werkstatt für die Straßenwacht-Fahrzeuge. Zusätzlich zu den
   Fahrzeugen der ADAC Straßenwacht haben die Beschäftig-         Im Testzentrum Mobilität in Penzing ermöglichte Leiter
   ten auch die Möglichkeit, mit Lastenfahrrädern unterwegs       Andreas Rigling den Gästen aus Berlin, Fahrassistenzsys-
   zu sein, was in manchen urbanen Bereichen sinnvoll ist und     teme selbst auszuprobieren. DVR-Pressesprecherin Seema
   immer mehr angenommen wird.                                    Mehta war besonders fasziniert davon, ein Auto allein per
                                                                  Joystick zu lenken – und vom Kleinkind-Dummy auf dem
   Außerdem wurden die Prototypen mit Car2X-Technik vorge-        Bobbycar.
   stellt, mit denen Autofahrende beziehungsweise die Technik
   in den Fahrzeugen sich untereinander vor Gefahren warnen       Der Leiter des ADAC Technik Zentrums in Landsberg am
   können. „Von der Absicherung von Baustellen-Anhängern          Lech, Dr.-Ing. Reinhard Kolke, hat im Jahr 2022 für seine
   über die Sicherheit von Menschen unterschiedlicher Größe       langjährige Tätigkeit im DVR-Ausschuss für Fahrzeugtechnik
   und Geschlechts bis zur Rundumsicht bietet das ADAC            die silberne DVR-Ehrennadel erhalten.

Foto: Seema Mehta - DVR

                                                                                                              1/2023 DVR REPORT 15
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