Ecke - Wedding-Müllerstraße
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ecke nr. 1 – märz 2021 müllerstraße Zeitung für das »lebendige Zentrum« und Sanierungsgebiet Müllerstraße. Erscheint sechsmal im Jahr kostenlos. Herausgeber: Bezirksamt Mitte von Berlin, Stadtentwicklungsamt, Fachbereich Stadtplanung Ch. Eckelt Bitte bringen Sie diese Zeitung auch Ihren nachbarinnen und Nachbarn mit!
2 —— E CKE M Ü LLERSTRASSE E CKE MÜLLE R STR A SSE —— 3 W E LC H E E C K E ? ————— ———————————————————— I N H A LT Läden – Leerstand – Sehr viel konkreter sind derzeit die öffentlich zugängli- chen Informationen zu dem Projekt leider noch nicht. In- spirierend könnte jedoch die Broschüre »Perspektive Erd- Seite 3 Leere Läden – was tun? Management? geschoss« sein, die die Stadt Wien schon vor zehn Jahren herausgebracht hat. Berlin und Wien kooperieren intensiv Seite 4 Haushaltsbefragung im Sanierungsgebiet Berlin gewinnt ein Projekt zum in der Stadtentwicklung, Gäste aus Wien sind häufig auf Seite 5 Obdachlose am Leopoldplatz »Erdgeschoss-Management in dem Berliner Stadtforum zu sehen. Deshalb muss man da- von ausgehen, dass man in der Senatsverwaltung diese Seite 6 Städtebündnis gegen Airbnb Zentren und Geschäftsstraßen« Broschüre gut kennt. In dem rund 300 Seiten umfassenden Werkstattbericht wird an mehreren Stellen ganz konkret Seite 7 Grünbereich Ruheplatzstraße eine »Erdgeschoss-Agentur« eingefordert, »deren Aufgabe Seite 8 Edinburger 55 Das Bundesministerium für Inneres, Bauen und Heimat es wäre, die unterschiedlichen Akteure zu vernetzen und (BMI) hat im vergangenen Sommer den Wettbewerb »Post- zu beraten.« Auch von »Zwischennutzungen« ist die Rede, Seite 9 mensch.müller spendet an Kiezprojekte Corona-Stadt« gestartet. Es suchte innovative Lösungen ein Begriff, der in Berlin Erinnerungen an die 1990er Jahre Seite 10 Rezension: Geschichte der und Maßnahmen, die städtische Strukturen und Quartiere weckt. Sozialdemokratie im Wedding-Bücher stärken. Jetzt wurden unter 222 Konzepten 13 Projekte aus- Damals waren nämlich die meisten Ladenlokale in den öst- Ch. Eckelt gewählt. Auch ein Berliner Projekt ist dabei. Der Bund un- lichen Gründerzeitvierteln wie Mitte (alt), Prenzlauer terstützt es mit 250.000 Euro, das Land Berlin will zusätz- Berg oder Friedrichshain »rückübertragungsbefangen«. Aus dem Bezirk Mitte: liche Mittel zuschießen. Die Wohnungsbaugesellschaften galten bis zur Klärung der • Seite 11 Holz – Baustoff mit Zukunft Eigentumsansprüche nur als vorübergehende Verwalter Wo hat unser Fotograf Christoph Eckelt dieses Foto aufgenommen? Wenn Sie »Das Pilotprojekt ist auch für uns ein anspruchsvolles Vor- und durften deshalb auch nur kurzfristig laufende Gewer- • Seite 12 Corona aktuell: Impfen den Ort wissen, schreiben Sie uns die Lösung und vergessen bitte auch nicht haben und somit ein spannendes Experiment«, meint dazu bemietverträge abschließen. Für normale Handelsgeschäf- Ihre Post-Adresse! Denn unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir einen • Seite 13 Kleine Geschichte des Impfens der Senator für Stadtentwicklung und Wohnen Sebastian te oder Filialen großer Ketten war das keine Option. Denn Gutschein über 20 Euro für das Kino Alhambra. Schicken Sie uns Ihre Antwort Scheel. »Wir wissen um die schwierige Lage vieler Men- sie mussten in die oft baufälligen Läden auch noch große • Seite 14 100 Jahre Groß-Berlin: Die versäumte bitte per Post an: Ulrike Steglich c/o ecke müllerstraße, Elisabethkirchstraße 21, schen, die in Berlin Einzelhandel, Gastronomie, Laden- Summen investieren, um den im Westen marktüblichen Verwaltungsreform, Teil 2 10115 Berlin oder per Mail an: ecke.mueller@gmx. net. Einsendeschluss ist handwerk oder anderes betreiben. Weil die Geschäftsstra- Ausstattungsstandard zu erreichen. Es war die Stunde der Montag, der 12. April. Das Bilderrätsel in der ecke müllerstraße 6/2020 zeigte ßen und Zentren das Rückgrat der Kieze und Berlins sind, »Kreativen«, die auf diese Weise günstig zu Räumen in der ein Spielgerät auf dem »Aktionsband« des Leopoldplatzes vor dem Spielplatz Seite 15 Adressen + Gebietskarte ist es wichtig, hier lebendige öffentliche Räume, vielfältige Berliner Innenstadt kamen: Neue Kneipen behielten oft des mittleren Platzbereichs. Wir danken allen Einsenderinnen und Einsendern. Angebote, soziale und kulturelle Nutzungen zu finden.« die alten Schilder der Vorgänger und den Charme einer un- Seite 16 Eckensteher Dazu brauche es kreative Netzwerke, die vertrauensvoll zu- gewöhnlichen Räume und hießen fortan »Obst und Gemü- sammenarbeiten. se« oder »Buchhandlung«. Aber auch soziale Projekte oder die Möglichkeit, kostenlos ihren nicht innovative Unternehmen siedelten in den leeren Läden an: Sperrmüllaktionstage 2021 mehr benötigten Hausrat abzugeben. Ziel des Berliner Ansatzes sei, mehr Multifunktionalität in Berlin zehrt heute stark von dem Image, das es sich damals Matratzen, Kühlschränke, Sofas – ille- Vor Ort wird ein BSR-Sammelfahr- ——————————————————— I M P R E S S U M —— Zentren und Geschäftsstraßen zu bringen, insbesondere weltweit aufbauen konnte. gal auf dem Gehweg abgestellter zeug zur Verfügung stehen, bitte brin- durch ein koordiniertes Vorgehen zur Nutzungsmischung. Sperrmüll gehören seit Jahren zum gen Sie Ihren Sperrmüll zu diesem Herausgeber: Bezirksamt Mitte von Berlin, Das umfasse ein neuartiges, kuratiertes Nutzungsmanage- Corona könnte jetzt eine ähnliche Wirkung haben. Denn Alltag in der Stadt. Im vergangenen Fahrzeug, stellen Sie ihn nicht auf die Stadtentwicklungsamt ment, um u.a. Leerstand abzubauen. In den Geschäftsstra- viele, vor allem kleine Unternehmen werden die Lock- Jahr hat die Menge noch einmal deut- Straße! Zur Kategorie Sperrmüll ge- Redaktion: Christof Schaffelder, ßen seien nicht nur Geschäfte und Gastronomie, sondern downs der Pandemie leider nicht überleben. In Geschäfts- lich zugenommen. Fast 40.000 Ku- hören Möbel, Teppiche, Matratzen, Ulrike Steglich auch andere Nutzungen nötig, um Berlins vielfältige Stadt- straßen wie der Müllerstraße werden sich Lücken auftun, bikmeter mussten entsorgt werden. Schrott, Kunststoffteile, Elektrogeräte Redaktionsadresse: »Ecke Müllerstraße«, struktur zu erhalten. die sich nicht so ohne weiteres von selber wieder schlie- Rund fünf Millionen Euro kostete das. und Alttextilien. Nicht abgeholt wer- c /o Ulrike Steglich, Elisabethkirchstraße 21, ßen. Denn in den betroffenen Branchen fehlt kleinen, Um dieser negativen Entwicklung den Bauabfälle, Gussbadewannen, 10115 Berlin, Tel (030) 283 31 27, eigentümergeführten Unternehmen meist schlicht das entgegenzuwirken, hat der Bezirk im Autoreifen und -batterien sowie eckemueller@gmx.net Kapital für einen neuen Anlauf. Kurzfristige Zwischennut- Jahr 2019 zum ersten Mal dieser »Ent- Schadstoffe wie Farben oder Lacke. Fotoredaktion: zungen könnten Lösungen bieten, mit denen die Haus sorgung« den Kampf angesagt. Im Christoph Eckelt, eckelt@bildmitte.de eigentümer wenigstens die ständig weiterlaufenden Ne- vergangenen Jahr sind 1.253 Bürgerin- Im Verbreitungsgebiet dieser Zeitung Entwurf und Gestaltung: benkosten der Gewerberäume decken könnten. Eine vom nen und Bürger dem Aufruf gefolgt. sind die nächsten Termine: capa, Anke Fesel, www.capadesign.de Senat geförderte »Zwischennutzungs-Agentur« könnte Sie haben über 1.000 Kubikmeter – 24.04. 2021 Brunnenplatz (Brunnen- Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH, solche zeitlichen Brücken schaffen. Und, wer weiß, viel- Sperrmüll und etwa 1.500 Elektroalt- platz 9 / Thurneysserstraße) www.berliner-zeitungsdruck.de leicht entwickelt sich in diesen Räumen auch die ein oder geräte wohnungsnah entsorgen kön- – 08.05. 2021 Revierhaus (Plantagen- V.i.S.d.P.: Ulrike Steglich andere neue Geschäftsidee zu einem Erfolgsmodell? cs nen. Auch in diesem Jahr führt das straße / Ruheplatzstraße) Für den Inhalt der Zeitung zeichnet nicht der Bezirksamt die Aktion in Zusammen- – 12.06.2021 Utrechter Straße / Herausgeber, sondern die Redaktion verant- Die Broschüre »Perspektive Erdgeschoss« findet man arbeit mit der BSR fort. In Mitte ha- Malplaquetstraße wortlich. im Netz unter: ben Bürgerinnen und Bürger erneut www.wien.gv.at /stadtentwicklung /studien /pdf / b008355.pdf Die nächste Ausgabe Ecke im Web Elektronischer Versand Schon länger leer steht der Flachbau Müllerstraße 150 direkt neben der Schiller-Bibliothek. Die »Isbank« ist auf die gegen- Ch. Eckelt der Ecke Müllerstraße erscheint Mitte Sämtliche Ausgaben der »Ecke Sie möchten auf elektronischem Weg die aktuelle überliegende Seite der Müllerstraße gezogen. Die Pandemie April 2021 Müllerstraße« sind abrufbar unter: Zeitung als PDF erhalten? Schreiben Sie uns ist nicht Ursache des Leerstands, erschwert aber die Wieder- www.muellerstrasse-aktiv.de eine kurze E-Mail, und wir nehmen Sie in unseren vermietung erheblich. Mail-Verteiler auf: eckemueller@gmx.net
4 —— E CKE M Ü LLERSTRASSE E CKE MÜLLE R STR A SSE —— 5 »Milieuschutz«, sondern machte auch die Setzung sozialer dem Leopoldplatz reagieren könnten. Dafür sind eigent- Ziele in Sanierungsgebieten wieder erstrebenswert. Diese beziehen sich nun vor allem auf die Wohnraumentwick- Brennpunkt Leopoldplatz lich die Streetworker von »Fixpunkt e.V.« zuständig, der mit seinen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern auf lung, die Erhaltung der sozialen Mischung und die bedarfs- dem Leo regelmäßig Präsenz zeigt. Aber leider hat der Trä- gerechte Versorgung auch von Haushalten mit kleinen und Bezirk sucht dringend Räume für Obdach gerverein Ende Januar seine örtliche Verankerung am Platz mittleren Einkommen. Durch recht umfangreiche Vorun- losen-Sozialarbeit verloren: Die Räumlichkeiten der Anlauf- und Beratungs- tersuchungen muss festgestellt und nachgewiesen werden, stelle im Hinterhaus der Nazarethkirchstraße 50 benötigt welche konkreten Defizite es vor Ort gibt. deren Eigentümer, die evangelische Nazarethkirchgemein- Gefühlt werden es immer mehr in Berlin – und vor allem de, jetzt dringend selbst für ihre Kita. In den Sanierungsgebieten von Mitte existiert u.a. auf- im Wedding. Aber niemand weiß genau, wie viele Obdach- grund der zentralen Innenstadtlage eine große Nachfrage lose tatsächlich auf der Straße leben. Eine Zählung im Ja- Das war lange bekannt und kam keinesfalls überraschend. nach gut ausgestatteten Miet- und Eigentumswohnungen. nuar vergangenen Jahres kam auf etwa 2000 Personen, Der Bezirk sucht schon länger rund um den Leopoldplatz Und wegen der baulich-städtebaulichen Mängel und Defi- davon wurden die meisten in Einrichtungen der Kältehilfe nach alternativen Räumlichkeiten. So zynisch es klingen zite gibt es sowohl Erneuerungspotenziale im Bestand als angetroffen und nur rund 800 auf der Straße. Aber keiner mag: Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, weil im auch Neubau- bzw. Nachverdichtungsmöglichkeiten, wenn weiß, wie viele die ehrenamtlichen Zählerinnen und Zäh- Zuge des Lockdowns etliche Ladenlokale frei werden. Ein Ch. Eckelt auch in geringerem Maß. ler dabei nicht bemerkten. Raum für eine befristete Zwischennutzung scheint auch Im Sinn einer sozial verträglichen Gebietsentwicklung sol- schon gefunden, freilich nur für wenige Monate. Längerfris len nun »Vorgaben für einen am Bedarf der Bevölkerung Die Größenordnung von wenigen tausend könnte jedoch tig ist es eine Frage des Preises, denn natürlich sind von orientierten Wohnungsbau« entwickelt werden. Hierbei stimmen. Im Sommer werden es mehr sein, weil viele es einem sozialen Projekt nicht so hohen Mieten zu erzielen Soziale Sanierungs steht die »Schaffung von leistbaren, von breiten Schichten der Bevölkerung nachgefragten Wohnungen« im Vorder- dann in Gemeinschaftsunterkünften für Wohnungslose nicht mehr aushalten und andere von außerhalb Berlins in wie von einer eingeführten Handelskette oder gar einer Bankfiliale. grund. Mit anderen Worten: Welche Wohnungen braucht die Stadt strömen, weil sie hoffen, sich hier besser über Die räumlich orientierte Sozialarbeit am Leopoldplatz be- ziele für das Gebiet das Gebiet am dringendsten, und wie viele? Eher größere oder kleinere, welche Miethöhen sind leistbar – gemessen Wasser halten zu können als in ihren Heimatorten und -ländern. nötigt aber dringend eine Anlaufstelle für die »Szene« vor Ort. Am Leo arbeiten ressortübergreifend verschiedene In- Müllerstraße am Einkommen der Anwohnerschaft? Im Rahmen der Un- tersuchungen ist es notwendig, Informationen zu den sozi- Man bemerkt sie vor allem in der Innenstadt, und beson- ders an Orten wie dem Leopoldplatz. Der wird auch gern stitutionen zusammen. Die Bereiche Soziales, Jugend, Stadtentwicklung und das Ordnungsamt des Bezirks Mitte al-strukturellen Verhältnissen und zur Wohnsituation zu als Treffpunkt von ganz spezifischen Untergruppen der Ob- zum Beispiel, sowie der lokale Abschnitt der Polizei und Haushaltsbefragung in den Sanierungs- erheben. So wurde im Fragebogen u.a. nach der derzeiti- dachlosenszene gewählt, die sich von Jahr zu Jahr ändern wichtige lokale Akteure wie die Kirchengemeinde koordi- gebieten abgeschlossen gen Wohnsituation und eventuellen Veränderungswün- können. Im vergangenen Jahr zum Beispiel wirkte hier nieren sich regelmäßig in der nichtöffentlichen »Prakti- schen, aber auch nach der Nutzung und Bewertung der sehr auffällig eine Gruppe obdachloser und drogenabhän- kerrunde«. Daneben tagt öffentlich der »Runde Tisch Leo- Infrastruktur im Gebiet gefragt. giger Menschen aus Ländern des Nahen und Mittleren poldplatz«. Ähnliche pragmatische und problemorientier- Anfang des Jahres bekamen viele Haushalte ungewöhnliche Ostens. Entlang der Routen, die die harten Drogen von Af- te Kooperationen wünschte man sich häufiger in der Stadt. Post: Fragebögen zur sozialen und zur Wohnsituation der Im Sanierungsgebiet Nördliche Luisenstadt, für das die So- ghanistan nach Europa nehmen, hat sich nämlich in den cs Adressaten. Absender waren die Berliner Planungsbüros zialstudie bereits vorliegt, ergab sich beispielsweise, dass es vergangenen Jahrzehnten der Heroinkonsum stark verbrei- S.T.E.R.N. GmbH und argus gmbh. Sie sind vom Bezirksamt generell an kleinen bezahlbaren Wohnungen mangelt. Aus tet, mit den Flüchtlingen aus diesen Regionen sind deshalb Mitte damit beauftragt, für jedes der drei Sanierungsgebie- solchen Sachverhalten resultierte ein spezifischer Woh- auch viele Drogenabhängige bei uns gelandet. Aus den te in Mitte eine Sozialstudie zu erarbeiten. Aus den Er- nungsgrößen-Schlüssel, der künftig als Empfehlung bei Flüchtlingsunterkünften flogen sie oftmals hinaus oder kenntnissen sollen anschließend rechtssicher soziale Sanie- Genehmigungen für Wohnungsneubau berücksichtigt wer- gingen freiwillig, weil es dort ständig Stress um sie gab. rungsziele abgeleitet werden. Die Fragebögen bilden die den soll. Ferner wurde für die Nördliche Luisenstadt emp- Jetzt leben sie auf der Straße. Dass sie sich ausgerechnet Datengrundlage für die Studie. Derzeit läuft das Verfahren fohlen, im privatfinanzierten Wohnungsbau durch vertrag- auf dem Leopoldplatz sammeln, mag Zufall sein. Der zen- in den Gebieten Müllerstraße und Turmstraße. Für die liche Verpflichtungen einen Anteil »leistbaren Wohn- trale und verkehrsgünstig gelegene Platz mit seiner U- Nördliche Luisenstadt konnte die Studie schon im letzten raums« für Haushalte mit WBS anzustreben, wobei ein Bahn-Kreuzung bietet wohl gute Gelegenheiten zum Dea- Jahr abgeschlossen werden. Belegrecht des Bezirks vertraglich vereinbart werden len. In der Berliner Innenstadt gibt es mehrere Orte sol- sollte. cher Art: der Kotti zum Beispiel, der Alexanderplatz oder Doch was hat es eigentlich mit den »sozialen Sanierungs- der Platz vor dem Bahnhof Gesundbrunnen. zielen« auf sich? Bis Ende der 1990er Jahre gab es in Berli- In den Sanierungsgebieten Turm- und Müllerstraße wer- ner Sanierungsgebieten noch Städtebaufördermittel für den die Planungsbüros S.T.E.R.N. GmbH und argus gmbh Aber längst nicht alle Obdachlose am Leopoldplatz sind Gebäudesanierungen privater Investoren, die im Gegenzug nun die zurückgesendeten anonymisierten Fragebögen drogenabhängig – und wenn doch, dann zumeist von der mietpreisgebundenen Wohnraum bereitstellen und dessen auswerten und eine Studie erarbeiten, die dann die Basis »Volksdroge« Alkohol. Fast alle jedoch benötigten Hilfe, Belegungsrecht an den Bezirk abtreten mussten. Soziale für die Formulierung sozialer Sanierungsziele bildet. Diese denn ein Leben auf der Straße führt man oft erst dann, Sanierungsziele waren in den Sanierungssatzungen der je- werden für jedes Gebiet in Mitte spezifisch entwickelt, je wenn man mit den normalen Alltagsregeln nicht mehr zu- weiligen Gebiete festgeschrieben – in der Regel ging es da- nach den dortigen Erfordernissen. Nachdem die Studie rechtkommt. Um den Platz herum gibt es zwar diverse An- bei eine sozialverträgliche Erneuerung und die Verhinde- durch entsprechende Beschlüsse von BVV und Bezirksamt lauf- und Beratungsstellen, den ambulanten Dienst der rung von Verdrängung. Doch als sich die Prämissen der bestätigt wurde, wird sie zum festen Bestandteil des »Inte- GEWEBO zum Beispiel, der aufsuchende Sozialarbeit bei Städtebauförderung änderten und die öffentlichen Förder- grierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts« (ISEK) drohendem Wohnungsverlust bietet (Müllerstraße 157 b), mittel fast ausschließlich auf den öffentlichen Raum oder für das Gebiet. Die sozialen Sanierungsziele haben damit die Tagesstätte für wohnungslose Frauen »Evas Haltestel- öffentliche Gebäude konzentriert wurden, fielen diese so- zwar keinen Gesetzescharakter, finden aber in der sanie- le« (Müllerstraße 126) oder den soziokulturellen Treff- zialen Ziele weg. rungsrechtlichen Beurteilung und Genehmigung von Vor- punkt für Wohnungslose »Unter Druck« (Oudenarder Ch. Eckelt Inzwischen hat auch in der Berliner Politik ein Umdenken haben praktische Anwendung. us Straße 26). Diese haben aber schon ihre eigenen Aufgaben eingesetzt. Der anhaltende Gentrifizierungs- und Verdrän- im Gefüge der Obdachlosenhilfe und sind auch nicht so gut gungsdruck führte nicht nur zum Revival des Instruments ausgestattet, dass sie ständig auf die aktuellen Vorgänge auf
6 —— E CKE MÜ LLERSTR ASSE E CKE MÜLLE R STR A SSE —— 7 Städtebündnis Luftreinigungsgeräte für Schulen Neugestaltung Auch in Mitte werden seit kurzem Luftreinigungsgeräte an Weddingplatz gegen Airbnb allgemeinbildende Schulen ausgeliefert. Das Land Berlin hat dem Bezirk dafür 258.000 € zur Verfügung gestellt. Nach der Ausschreibung konnten mit dem wirtschaftlich- Grobplanung ist abgeschlossen Berlin verschärft sten Angebot insgesamt 75 Geräte beschafft werden – also ein Gerät pro Schule in Mitte. Sie ergänzen bereits vorhan- Zweckentfremdungsgesetz dene Geräte, die auf Initiative von Eltern und Förderverei- Bis Ende Februar wurden auf dem Weddingplatz noch kei- ne Bäume gefällt. Daran kann man erkennen: In diesem nen aufgestellt wurden. Jahr sind hier noch keine größeren Bauarbeiten geplant. Andere Städte in der EU sind im Kampf gegen die Zweckentfremdung Die Auswahl der bestgeeigneten Geräte erfolgte in Abstim- Denn weil im März die Wachstumsperiode einsetzt und von Wohnraum durch die Vermietung als Ferienwohnung schon wei- mung mit der Charité. Die Verteilung der Geräte wurde u.a. Vögel damit beginnen, ihre Nester zu bauen, gilt ab 1. ter. Doch Berlin will jetzt nachziehen: Der Senat will das »Zweckent- zwischen Bezirksamt, der Schulaufsicht und dem Bezirks- März ein weitgehendes Fällverbot. Erst im nächsten Win- fremdungsverbots-Gesetz« in dieser Hinsicht verschärfen. schulbeirat anhand der von den Schulen ermittelten Be- ter wird es auch auf den Grünflächen rund um den Beton- darfe erarbeitet. Ch. Eckelt bau der Dankeskirche soweit sein. Zwar wollen die Planer Seit dem 1. Mai 2014 ist in Berlin die Umwandlung von Wohnungen Regelmäßiges Lüften bleibt auch in Räumen mit Luftreini- den bereits vorhandenen Baumbestand deutlich ausbauen zu Ferienwohnungen untersagt. Laut einer Studie des Deutschen Ins gungsgeräten weiterhin erforderlich, da nur so ein Aus- und keinesfalls auslichten. Nach einer näheren Prüfung tituts für Wirtschaftsforschung vom vergangenen August durchaus tausch der Raumluft sichergestellt ist. Die Geräte tragen werden jedoch in der Regel immer einige Bestandsbäume mit Wirkung: um etwa ein Viertel gingen danach die Angebote für jedoch zur Reduzierung virushaltiger Aerosole in der vom Straßen- und Grünflächenamt als Sicherheitsrisiko Berlin in der größten Online-Plattform für Ferienwohnungen Airbnb Atemluft bei. »Der Einsatz von mobilen Luftreinigern er- eingestuft und zur Fällung freigegeben. zurück. Allerdings fehlte bei einem Großteil der verbleibenden Ange- setzt ausdrücklich keine der anderen Hygienemaßnah- Derzeit werden die Bauplanungsunterlagen für die Neuge- bote die vom Zweckentfremdungsverbotsgesetz eigentlich vorge- men«, so Schulstadtrat Carsten Spallek. Derzeit gibt es schriebene Registriernummer. Durch eine Änderung des Gesetzes will Berlin jetzt erzwingen, diese Nummer online jedem Angebot öf- noch keine Informationen darüber, wann Luftreiniger der zweiten Tranche, die über die Berliner Immobilienma- staltung des Platzes am südlichen Ende des Sanierungs gebietes Müllerstraße ausgearbeitet – also die feineren Details geplant. Eigentlich ist vorgesehen, diese Planung Grünbereich Ruheplatzstraße fentlich sichtbar beizufügen. Nur dann können die Wohnungsämter nagement GmbH (BIM) beschafft werden, in den Bezirken noch vor den Sommerferien öffentlich vorzustellen. Oft nämlich ermitteln, um welche Wohnung es sich exakt handelt und ankommen. geben dabei die Anwohner und Anwohnerinnen dabei vor allem, wer sie vermietet. Darüber hinaus soll die Auskunftspflicht noch wertvolle Hinweise für kleine, aber wichtige Details auch von Beschäftigten und Beauftragten der betroffenen Unterneh- wie die Ausrichtungen von Bänken oder die genauen Intensive Planungsphase nach den men verschärft werden. Berlin kooperiert im Kampf gegen die ausufernde Zweckentfremdung Standorte von Papierkörben etc., die die spätere Nutzung Sommerferien Mehr Rücksicht auf Parkanlagen! des Platzes positiv beeinflussen. Dazu veranstaltet der Be- von Wohnraum als Ferienwohnung intensiv mit anderen europä- zirk in der Regel Bürgerversammlungen im näheren Um- Der Grünbereich entlang der Ruheplatzstraße soll aus Mitteln des Le- ischen Städten wie Paris, Amsterdam, Barcelona und Lissabon. Mit In der aktuellen Pandemie sind die Parks und Grünanlagen feld der Maßnahme. Ob das noch vor den Ferien wieder bendigen Zentrums Müllerstraße aufgewertet werden. Er liegt direkt denen hat es sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, das auf besonders wertvoll. Da viele Aktivitäten nicht möglich sind, möglich sein wird, war bei Redaktionsschluss Anfang März angrenzend an den Urnenfriedhof am ehemaligen Krematorium EU-Ebene ein Gegengewicht zur gut organisierten (und finanzierten) finden die Menschen vor allem in den Parks Erholung und noch nicht abzusehen. Wedding, zwischen Anton- und Gerichtstraße und ist geprägt durch Lobby der Online-Portale bilden kann. Die wehren sich nämlich en- Bewegung an der frischen Luft. Hier genießen sie Natur in einen alten und sehr wertvollen Baumbestand. Im Norden wird die ergisch gegen alle Versuche, die Betreiber der Portale für die einge- der Stadt. Grünfläche von einem Stützpunkt des Straßen- und Grünflächenam- stellten Inhalte ihrer User zur Verantwortung zu ziehen – nicht nur Leider war in den vergangenen Monaten verstärkt zu beob- tes begrenzt, den dieses dringend benötigt und keinesfalls aufgeben in sozialen Netzwerken wie Facebook, sondern auch bei Airbnb. cs achten, dass auch Vegetations- und Gehölzbereiche betre- Baumfällungen auf dem Leopoldplatz will. Möglicherweise könnte aber am Rand dieses Grundstücks ein ten werden. Die Trampelpfade verdichten aber den Boden Weg zum Grünzug geschaffen werden, der es den Schülerinnen und und zerstören empfindliche Frühblüher wie Blausterne, In Vorbereitung der Umgestaltung des nordöstlichen Be- Schülern der Wedding-Grundschule ermöglicht, ihn zu erreichen Buschwindröschen und Krokusse. Das Resultat sind ver- reichs des Leopoldplatzes (Maxplatz) wurden Ende Febru- und für ihren Schulweg zu nutzen. armte Areale. An den Uferrändern führt unerlaubtes Betre- ar sieben Bäume gefällt. Ein Fachgutachten hatte ergeben, Derzeit wird das Planungsverfahren vorbereitet: Nach den Sommer- ten dazu, dass Böschungen abrutschen und dort brütende dass die Standsicherheit von sechs Bäumen gefährdet ist. ferien soll ein Büro von Landschaftsarchitekten im Dialog mit dem Wasservögel keinen Platz mehr finden. Totholz, das ab- Nur ein Baum wurde aus planerischen Gründen gefällt. Als Bezirk und der Öffentlichkeit Varianten entwickeln. Bereits vor den sichtlich liegen gelassen wird, um Insekten, Vögeln und Ersatz werden innerhalb der Grünanlage mindestens neun Sommerferien soll eine öffentliche Veranstaltung mit Platzbegehung Igeln Lebens- und Rückzugsräume zu bieten, wird entnom- Bäume nachgepflanzt. durchgeführt werden. Denn in dieser ersten Phase geht es um die men, um daraus Hütten zu bauen oder Lagerfeuer zu entfa- Definition der Planungsziele, die den Büros anschließend vorgegeben chen. Den Tieren geht damit ihr Unterschlupf verloren. werden. Dabei sollten die Vorstellungen der Anwohnerinnen und An- Die Beschäftigten des Straßen- und Grünflächenamtes wohner genauso einfließen können wie die der betroffenen Fachäm- müssen mit viel Aufwand die Hinterlassenschaften und Neues Faltblatt Hofbegrünung ter der Bezirksverwaltung oder der Kinder- und Jugendlichen aus der Schäden beseitigen. Der Bezirk bittet daher um verstärkte Umgebung, für die über das Jugendamt ein gesondertes Beteiligungs- Rücksichtnahme auf die Natur. cs Private Hauseigentümer im Sanierungsgebiet können eine verfahren organisiert wird. öffentliche Förderung von Maßnahmen zur Hofbegrünung Es war bei Redaktionsschluss noch nicht abzusehen, in welchem Rah- beantragen. Dabei hilft es sehr, wenn sie dabei von Miete- men die Anwohnerinnen und Anwohner genau beteiligt werden kön- rinnen und Mietern unterstützt werden oder die Maßnah- nen. Sicherlich wird es ein Online-Verfahren geben, auf das sie dann »Indoor« geht nicht, also »bouldert« man draußen wo es me sogar von ihnen initiiert worden ist. Eine neue, aktuali- gezielt mit Flyern, Plakaten und natürlich über diese Zeitung auf- nur geht. Zum Beispiel im Schillerpark. Andere versuchen, Ch. Eckelt sierte Broschüre informiert über die Programmbedingun- merksam gemacht werden. Möglicherweise sind auch Platzbegehun- dem Trubel ihrer überfüllten Wohnungen zu entkommen, gen und Möglichkeiten. Sie ist u.a. im Internet auf der gen im Freien bald wieder möglich: Ein Termin ist schon ins Auge indem sie sich in Parks in Gebüsche zurückziehen. Das Stra- Seite www.müllerstrasse-aktiv.de herunterzuladen. gefasst, der »Tag der Städtebauförderung« am 8. Mai. ßen- und Grünflächenamt schlägt schon Alarm …
8 —— E CKE MÜ LLERSTR ASSE E CKE MÜLLE R STR A SSE —— 9 Zurück auf LOS Stadtteilvertretung Ch. Eckelt Sanierung statt Abriss des spendet Aufwands Jugendhauses Edinburger 55 entschädigung Das bezirkseigene Gebäude Edinburger Straße 55 ist bau- Unterstützung für vier Vereine rund lich in einem desolaten Zustand. Es beherbergt die Jugend- um die Müllerstraße freizeiteinrichtung »Jugendetage 55« der Casablanca gGmbH und das Jugendberatungshaus »compass.mitte« der Zunkunftsbau GmbH. Schon seit vielen Jahren wird im Ehrenamt zahlt sich aus. Wenn Menschen Zeit und Herz- Bezirk darüber debattiert, ob man das Gebäude nicht bes- blut in ein gutes Projekt stecken, schaffen sie Gemeinschaft ser vollständig abreißen und dafür einen Neubau errichten und gestalten ihr Umfeld aktiv mit. Auch die Mitglieder Ch. Eckelt sollte. Dafür standen über das Programm »Sondervermö- der Stadtteilvertretung mensch.müller engagieren sich gen wachsende Stadt« (SIWA) des Senats sogar schon Mit- ehrenamtlich. Sie streiten für die Interessen der Anwoh tel in Höhe von 3,7 Millionen Euro bereit. ner:innen rund um die Müllerstraße. Für ihre Sitzungen Im Mai vergangenen Jahres wurden Vorplanungsunterla- im Jahr 2020 haben sie vom Bezirk eine Aufwandsentschä- gen für den Neubau erstellt, sie kamen jedoch auf eine Ge- die auch die Herstellung der Barrierefreiheit umfasst. Da- digung erhalten: 20 Euro pro Teilnehmer:in pro Sitzung – samtsumme vom etwa 8,3 Mio. Euro, also mehr als das für müssen allerdings neue Planungsunterlagen erstellt eine schöne Überraschung. Da Ehrenamt für die Stadt ren. Evas Haltestelle wird vom Bezirk gefördert, aber ist Doppelte der zugesagten Mittel. Im letzten November werden und das Gebäude noch einmal gründlich unter- teilvertreter:innen Ehrensache ist, haben sie sich darauf- auch auf die Mitarbeit vieler Ehrenamtlicher und weitere brachte der Bezirk Mitte im SIWA-Lenkungsgremium die sucht werden – der Planungsprozess muss also praktisch hin entschieden, die Summe fast vollständig zu spenden. Spenden angewiesen. Bitte vor, auch den Fehlbetrag zu finanzieren. Dem wurde ganz von vorn beginnen. Ein Zeitplan für die Sanierung Insgesamt 1.800,– Euro gingen an vier Vereine im Kiez! leider nicht zugestimmt. Stattdessen stehen jetzt knapp 4,9 steht somit noch nicht fest. Die Spenden kamen gerade in Corona-Zeiten sehr gut an KBS e.V. Mio. Euro für die Sanierung des Gebäudes zur Verfügung, und lenken etwas Aufmerksamkeit auf die wichtige Arbeit der Vereine bei uns im Wedding. »Depression kann jeden treffen« ist der Leitspruch des Übrigens wird die Stadtteilvertretung voraussichtlich im Berliner Bündnisses gegen Depression. Als Träger der am- Mai neu gewählt. Informationen dazu gibt’s demnächst auf bulanten psychiatrischen Versorgung ist die Kontakt- und der Website www.stadtteilvertretung.de. Beratungsstelle in der Malplaquetstraße Teil des Bündnis- ses und betreibt gleich mehrere Einrichtungen im Kiez, NARUD e.V. zum Beispiel die therapeutische Tagesstätte ANODE. Hier- »Interessenbekun Das Café wird als Konstante auf dem Platz gesehen Positiv wurden in der Online-Debatte des Runden Tisches auch Der Verein im Brüsseler Kiez hat zum Ziel den interkultu- her kommen seelisch erkrankte Menschen mit Depressio- nen und Angsterkrankungen, um in Gruppengesprächen dungsverfahren« die niedrigen Preise und die soziale Mischung gesehen. Hier träfen sich Menschen unterschiedlicher Altersklas- rellen Dialog zu fördern, Menschen in afrikanisch-migran- tischen Communities zu ermächtigen, kulturelle Werte Perspektiven zu entwickeln und zu lernen, Verantwortung zu übernehmen. Häufig wurden sie durch einen Schick- Cafe Leo wieder mal auf dem Prüfstand sen, sozialen Schichten sowie unterschiedlicher Migrati- afrikanischer Gesellschaften zu vermitteln und die koloni- salsschlag von traumatischen Erfahrungen in ihrer Vergan- onsgeschichten. Das erneute Interessenbekundungsverfah- ale Vergangenheit aufzuarbeiten. Wie wichtig diese Arbeit genheit eingeholt. Auch die Corona-Pandemie beeinträch- ren wurde von den Anwohnerinnen und Anwohner am ist, zeigt ein Blick auf die weltweite Black Lives Matter Be- tigt Menschen mit Depressionen. Sie ziehen sich zurück In diesem Jahr wird erneut ein »Interessenbekundungsver- Runden Tisch als unnötig eingeschätzt, vom Bezirk aber als wegung. Im Wedding kümmert sich NARUD um diskrimi- und verlassen das Haus im schlimmsten Fall nicht einmal fahren« für das Café Leo auf dem vorderen Platzteil des unbedingt notwendig dargestellt: Alle vier Jahre müsse die nierungsfreie Bildung und bestärkt Eltern afrikanischer mehr, um sich zu versorgen. Der Verein ist Teil des Berli- Leopoldplatzes durchgeführt. Der Kiosk und seine Außen- Sondernutzung an dieser Stelle erneut geprüft und geneh- Herkunft, sich an den Schulen ihrer Kinder zu engagieren. ner Krisendienstes und betreibt ebenso die Tagesstätte AT- plätze stehen auf einer Fläche, die offiziell als Grünfläche migt werden. Aus formalrechtlichen Gründen könne der Zudem ist der Verein Teil des Netzwerks der Berliner Regi- LAS für chronisch suchtkranke Menschen. gewidmet ist und daher nur ausnahmsweise in solcher Betrieb nicht »freihändig« vergeben werden. sterstellen. Sie dokumentieren Aktivitäten rechtsextremer Weise genutzt werden kann. Der Betrieb ist an viele Aufla- Das Problem bei dieser Logik: Wirtschaftlich lohnt es sich Gruppen und sie nehmen Hinweise auf Diskriminierungs- Seepferdchen e.V. gen gebunden, so darf zum Beispiel kein Alkohol ausge- nicht, auf eigene Kosten einen Kiosk zu errichten, wenn vorfälle entgegen. schenkt werden. Zudem wird die Sondergenehmigung mit man ihn anschließend nur vier Jahre betreiben darf und zu- Die Kinderkunstwerkstatt unter der Leitung von Silke einer kriminalpräventiven Funktion begründet. dem auch noch auf den Alkoholausschank verzichten muss. Evas Haltestelle Fischbeck hat ihren Sitz in der Brüsseler Straße 43. Sie ist Für die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Nach den vom Bezirk geforderten Bedingungen könnten Anlaufstelle für Kinder von 0–18 Jahren. Das Seepferdchen Runden Tisches erfüllt der gegenwärtige Betreiber Hussein im Prinzip nur mobile »Street-Food«-Stände an dieser Stel- In den Räumlichkeiten der ehemaligen Apotheke in der bietet frühmusikalische Erziehung und fördert die künstle- Ünlü diese Aufgaben. Zwar würden einige lieber von »sozi- le wirtschaftlich arbeiten, die jederzeit auch auf Märkte Müllerstraße 126 befindet sich heute die Tageseinrichtung rische Entwicklung der Kids verschiedener Nationalitäten. alpräventiven« Funktionen sprechen, gemeint ist dabei wie am Kollwitzplatz wechseln könnten: mit Café Mac- für wohnungslose und obdachlose Frauen sowie verschie- Auch Integration, Stärkung des Selbstbewusstseins und aber vermutlich das gleiche: Das Café wird als sozialer chiato und veganen Empanadas im Angebot, aber aus- dene Unterstützungsangebote für bedürftige Frauen. Dort Kriminalitätsprävention gehören zu den Zielen des Ver- Treffpunkt beschrieben, der als möglicher Rückzugsort, nahmsweise mal ohne Aperol-Spritz. Die geforderte »Wed- kann geduscht und Wäsche gewaschen werden, es gibt eins. Zudem bringt die Berliner Tafel regelmäßig Lebens- insbesondere am Abend, ein Sicherheitsgefühl bietet und dinger Mischung« wäre das nicht. cs warmes Essen und im Rahmen der Kältehilfe stehen auch mittel vorbei. Gemeinsam mit den Kindern wird dann in die Aufenthaltsqualität am Platz gesteigert hat. Die Über- in Corona-Zeiten noch zehn Schlafplätze zur Verfügung. der Küche gekocht und gegessen – eine zusätzliche kleine querung des Platzes in der dämmernden oder dunklen Ta- Bei Evas Haltestelle werden Frauen niedrigschwellig bera- Hilfe für Familien im Kiez mit niedrigem Einkommen. geszeit beispielsweise für Frauen wird durch das Café ge- ten, um ihre Situation Schritt für Schritt zu verbessern. Christoph Keller fühlt sicherer. Dazu gehört auch das Modellprojekt »Housing First«. Das hat eine hohe Nachfrage und schon heute wurden mehr Der Autor ist Sprecher der Stadtteilvertrretung Frauen vermittelt, als für die gesamte Laufzeit geplant wa- mensch.müller
10 —— EC KE M Ü LLERSTR ASSE AUS DE M BE ZI R K MI T TE —— 11 kulanten hochgetrieben. Schlechte Arbeitsbedingungen und ungesunde Wohnverhältnisse bestimmten den Alltag. Die neu entstehende Sozialdemokratie gewann hier mit Baustoff der Zukunft Wilhelm Hasenclever bei den Reichstagswahlen 1877 einen ihrer ersten Wahlkreise. Sein Nachfolger wurde 1888 einer der bekanntesten Sozialdemokraten dieser Zeit: Wilhelm Liebknecht. Berlin setzt auf Holz und Bernd Schimmler, zwanzig Jahre selbst Weddinger Bezirks- verordneter und zwischen 1986 und 2000 Stadtrat, porträ- Serienfertigung – auch im tiert Hasenclever und Liebknecht, er erzählt vom Partei Wohnungsbau leben um 1900, von der polizeilichen Überwachung der Treffen, vom Beginn der Frauenarbeit, vom sozialdemokra- tischen Milieu. Hier im Wedding gab es den blinden Pa- triotismus nicht, mit dem andernorts in den 1. Weltkrieg Holz gilt in Berlin als Baustoff der Zukunft. Nicht nur Kitas gezogen wurde. In großen Versammlungen wandten sich und Schulen sollen in Zukunft vermehrt mit dem nach- die Weddinger Sozialdemokraten gegen Krieg und Milita- wachsenden Rohstoff errichtet werden, sondern auch zu- Ch. Eckelt rismus. nehmend Wohnungen. Dabei ist nicht nur die gute Klima Die Spaltung der Arbeiterbewegung in KPD und SPD er- bilanz ausschlaggebend: Holz eignet sich auch hervorra- leichterte den Nazis die Machtübernahme, auch wenn sie gend für eine serielle Bauweise und spart beim Rohbau im Wedding keine Mehrheit bekamen. Bernd Schimmler enorm viel Zeit. erinnert an den SPD-Kreisvorsitzenden Otto Frank, der von den Nazis 1933 so schwer misshandelt wurde, dass er an »Holzbau-Rohbau in 11 Tagen fertiggestellt«, jubelte un- Geförderter Wohnungsneubau im Wedding: Der Genossen- den Folgen verstarb. Er zählt erfolgreiche Weddinger Kom- längst die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und schaftsbau in der Lynarstraße 38 /39 besteht hauptsächlich munalpolitiker auf wie Carl Leid, der von den Nazis aus Wohnen. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher kommen- aus Holz. dem Amt getrieben wurde, wie Walter Röber, Helmut Mat- tierte in einer Pressemeldung begeistert den schnellen tis oder die frühere Bezirksbürgermeisterin und »Mutter Baufortschritt eines hölzernen Erweiterungsbaues einer vom Wedding« Erika Heß. Er nennt den Weddinger Abge- Lichtenberger Grundschule: »Der Baustoff ist ökologisch, Über solche Superlative ließe sich jedoch trefflich streiten: ordneten und Bürgermeister Otto Suhr und Willy Brandt, bindet CO2 und schafft nicht nur schöne Räume, sondern In vielen Ländern wird ja traditionell mit Holz gebaut, in der seinen Weddinger Wahlkreis 5 1963 mit deutlichen auch welche mit gutem Raumklima. Schon heute errichtet Skandinavien etwa, in den USA oder in Japan. Dort gibt es 75,74 Prozent der Stimmen gewann, nicht zuletzt dank der das Land Berlin Schulen, Kitas und Sporthallen in Holz- sicherlich auch größere Quartiere aus dem Rohstoff – aller- sichtbaren Verbesserung der Lebensbedingungen im Be- bauweise, in der Zukunft wird das Material auch eine wich- dings wohl eher seltener im Geschosswohnungsbau. Und Zwischen Humboldthain zirk. Die SPD, die sich im Nachkriegs-Berlin der Zwangsvereini- tige Rolle beim Wohnungsbau spielen.« genau darum geht es dem Senat mit diesem Pilotprojekt: Den Holzbau auch im mehrgeschossigen Wohnungsbau gung mit der KPD zur SED widersetzt hatte, blieb viele Der Lichtenberger Ergänzungsbau bestand dabei aus 96 von Mietshäusern einzuführen. Das ist beileibe nicht so und den Rehbergen Jahrzehnte Garant der Freiheit. Und sie blieb in der Nach- Holzmodulen, die, in Köpenick vorgefertigt, auf der Bau- einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Holzbau hat kriegszeit trotz mancher Flügelkämpfe, so Schimmler, ein stelle nur noch zusammengesetzt werden mussten und zwar auch in Deutschland Tradition, vor allem im Süden, Ein Buch von Bernd Schimmler zur verlässlicher Ansprechpartner für die Bürgerinnen und nicht wie im klassischen Betonbau Abschnitt für Abschnitt in Bayern und Baden-Württemberg – aber vor allem bei Geschichte der SPD im Wedding Bürger. Sanierung und gesellschaftliche Umbrüche verän- zeitraubend abbinden mussten. Die Vorproduktion ist Einfamilienhäusern und niedrigen Gewerbebauten. Die derten den Bezirk, die »roten Weddinger« zogen fort ins heutzutage hochautomatisiert, sehr präzise und kann pro- meisten Bauordnungen lassen mehrgeschossige Holzbau- Märkische Viertel, die Wahlergebnisse der SPD wurden blemlos auch individuell für Einzelbauten einprogram- ten aus Brandschutzgründen noch gar nicht zu. Erst neue Das konservative Bürgertum Berlins schaute einst mit Sor- schlechter. Schimmlers Rat: Sozialdemokraten müssten miert werden, Serienfertigungen jedoch benötigen weni- wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse ermöglichen ge und wohl auch ein wenig Furcht auf den Norden der wieder stärker vor Ort präsent sein, »näher am Men- ger Aufwand für Planung und Programmierung. Und auch das, in Berlin erst seit relativ kurzer Zeit. Stadt. Der »rote Wedding« war Hochburg der Arbeiterbe- schen«. die Genehmigungen durch die bezirklichen Stadtentwick- wegung, Solidarität und Kampf gegen Ungerechtigkeiten Der Autor wertete neben Archiven auch den »Weddinger lungsämter sind bei Typenbauten einfacher und schneller. Die Bauindustrie ist deshalb bei uns noch nicht sehr gut hatten hier eine lange Tradition. Die Geschichte der Sozial- Rundblick«, das bezirkliche Informationsblatt der SPD, Für die Wirtschaftlichkeit ist es im Holzbau weniger ent- auf Großprojekte in Holzbauweise eingerichtet. Die Bran- demokratie im »roten Wedding« erzählt jetzt Bernd aus. Für sein Buch kamen ihm zudem viele früher entstan- scheidend, wie groß die Serien sind. Auch kleine Serien, che besteht in Deutschland aus vielen kleinen Unterneh- Schimmler, Vorsitzender des Weddinger Heimatvereins, in dene Aufsätze und Artikel zugute. Manches kann auf den die sich in vielen anderen industriellen Bereichen nicht men, die nur selten mehr als 100 Mitarbeiter haben. Auch seinem Buch »Zwischen Humboldthain und den Rehber- gut 160 Seiten nur angerissen werden, manche Zeitab- lohnen, weil für sie jeweils gesonderte Gussformen ange- die Preise liegen derzeit noch um etwa 15% über dem klas- gen«. schnitte könnten ausführlicher gewürdigt werden. Aber fertigt werden müssen, sind hier problemlos möglich. sischen Betonbau. Das würde sich aber wahrscheinlich än- Schon die Arbeiter jenes Beschäftigungsprogramms, mit der Band schließt eine Lücke, er liefert eine wichtige dern, wenn mehr größere Projekte aufzeigen, dass auch dessen Hilfe 1848 die Sümpfe der Rehberge trockengelegt Grundlage nicht nur zur Geschichtsschreibung der Arbei- Auch deshalb ist Holz ein idealer Rohstoff für neue Schul- langfristig eine große Nachfrage nach mehrgeschossigen wurden, hatten den Ruf, sich nichts gefallen zu lassen. So- terbewegung, sondern auch der des Bezirks. und Kitagebäude, die in Berlin zwar dringend benötigt Holzbauten besteht. cs ziale Proteste gegen Ausbeutung, Not, Armut und unge- werden, aber nur in relativ kleinen Stückzahlen – in Dut- sunde Wohnbedingungen bestimmten auch später das Bild Ulrich Horb (www.geschichten-aus.berlin) zenden, nicht Hunderten oder gar Tausenden wie beim vom Wedding. Anlässe dafür gab es mehr als genug. Wohnungsbau. Für den sieht die Senatsverwaltung aber Im 19. Jahrhundert waren nördlich von Berlin größere In- Bernd Schimmler, Zwischen Humboldthain und den Holz ebenfalls als Baustoff der Zukunft. Das künftige dustriebetriebe entstanden. Die Arbeiterinnen und Arbei- Rehbergen, Die Geschichte der Sozialdemokratie im »Schumacher-Quartier« auf dem ehemaligen Flughafen ter dieser Firmen fanden Unterkunft in den umliegenden »roten Wedding« von Berlin, 167 Seiten, 15,– €, Tegel soll deshalb komplett in Holzbauweise errichtet wer- dunklen Mietskasernen mit fünf oder sechs engen Hinter- ISBN 978-3-946327-26-4 den, laut Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel mit höfen und Toiletten auf dem Hof. Die Mieten hatten Spe- rund 5.000 Wohnungen »das größte Holzbau-Quartier weltweit«.
12 —— AU S DEM BEZIRK MIT TE AUS DE M BE ZI R K MI T TE —— 13 Impfen – wie Je nach Impfstoff erfolgt die zweite Impfung nach drei oder vier Wochen. Bei der Terminvergabe werden beide Termi- Weltwunder Impfen ne festgelegt. Ein Impftermin dauert 1 bis 1,5 Stunden: Vor funktioniert das? der eigentlichen Impfung erfolgt eine Beratung zu mögli- chen Nebenwirkungen, Hinweisen zum Ablauf und Emp- fehlungen zum richtigen Verhalten nach der Impfung. Eine Im 20. Jahrhundert hat sich die Lebenserwartung in Die Berliner Impfzentren arbeiten kurze Untersuchung, um akute Erkrankungen und Allergi- Deutschland um etwa 35 Jahre erhöht. Im Jahr 1901 ver- en auszuschließen, wird ebenfalls durchgeführt. Anschlie- starben Männer im Durchschnitt noch mit etwa 47 und wie am Schnürchen ßend wird der Impfstoff intramuskulär verabreicht – in der Frauen mit 53 Jahren. Im Jahr 2000 erreichten Männer da- Regel mittels Spritze in den Oberarm. Bevor Geimpfte wie- gegen im Schnitt ein Lebensalter von 82 Jahren und Frauen der nach Hause dürfen, ist die 30-minütige Nachbeobach- sogar von 87. tungszeit einzuhalten. Hierfür steht ein separater Raum Die erste Phase der Corona-Schutzimpfungen ist schon fast mit Sitzmöglichkeiten zur Verfügung. Diese historisch einmalige Steigerung der Lebenszeit hat abgeschlossen. Geimpft wurden in Berlin zunächst die Be- sehr viel mit Städtebau zu tun, mit sauberem Trinkwasser, wohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und ihre Be- Die allgemeinen Maßnahmen zur Eindämmung des Coro- öffentlicher Kanalisation und Kläranlagen zum Beispiel. treuer sowie das medizinische Personal, das in den Kran- navirus – etwa das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes – Rasante Fortschritte der Medizin, die Erforschung von kenhäusern direkt mit Corona-Patienten arbeitet. Derzeit gelten auch für geimpfte Personen weiter. Personen, die Krankheiten und Ursachen, neue Behandlungs- und Ope- laufen die Impfungen der Über-80-Jährigen, der Mitarbei- aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität kein Impfzen- rationsmöglichkeiten oder die Entwicklung diverser Anti- terinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten trum besuchen können, werden von mobilen Impfteams biotika taten ein Übriges. Die westliche, an der Wissen- und des medizinische Personals, das Patienten mit erhöh- aufgesucht. Dies betrifft Pflegebedürftige in betreuten schaft orientierte Medizin setzte sich weltweit durch, so- Ch. Eckelt ten Risiko auf einen schweren Verlauf der Krankheit be- Wohngemeinschaften, in Seniorenanlagen und Pflege gar in Ländern wie China, die selbst über eine über treut. einrichtungen. Die Koordinierung der Impftermine wird Jahrtausende hinweg entwickelte Medizin verfügten. Dass hierbei von den Pflegediensten oder Einrichtungen über- das westliche Denken im 20. Jahrhundert die Welt domi- Dem Vernehmen nach verlaufen diese Impfungen pro- nommen. nierte, hat viel mit den »Wundern« der modernen Medizin blemlos: Die Berliner Morgenpost veröffentlichte Mitte zu tun. In den meisten Ländern dieser Erde stieg die Le- Februar eine ganze Seite voller geradezu enthusiastischer Das Risiko von schwereren Nebenwirkungen durch die benserwartung im 20. Jahrhundert sogar noch deutlich ger wird die Impfbereitschaft in der Bevölkerung. Mit sin- Leserbriefe älterer Leserinnen und Leser, die – ganz unge- Impfung ist sehr gering. Obwohl weltweit bereits viele Mil- stärker als in Deutschland. kender Durchimpfungsquote aber besteht auch die Gefahr, wohnt in Berlin – die gute Organisation in den Impfzen- lionen Menschen geimpft wurden, sind außer allergischen dass Krankheiten, die man für schon ausgemerzt hielt, wie- tren lobten. Wenn man mal dran ist, scheint es also ganz Reaktionen noch keine schweren Nebenwirkungen be- Ein »modernes Weltwunder« ist auch die Impfung. Die der zurückkehren. gut zu laufen, kannt geworden. Bei einer an sich überstandenen Covid- Schutzimpfung gegen Pocken wurde schon im Jahr 1796 Anders als in vielen anderen Bundesländer werden die ak- Infektion dagegen kommen langfristige Folgeleiden wie von dem britischen Landarzt Edward Jenner entwickelt Hinzu kommt ein weiterer Umstand: Aus egoistischer tuell Impfberechtigten in Berlin direkt angeschrieben. Die andauernde Müdigkeit (»Fatigue«) oder Lungenprobleme und verbreitete sich danach schnell in Europa. Denn da- Sicht kann es durchaus logisch sein, sich nicht impfen zu Kassenärztliche Vereinigung in Berlin bittet deshalb drin- recht häufig vor. cs mals starb noch etwa jedes zehnte Kind an der Virusinfek- lassen: Denn wenn fast alle anderen geimpft sind, schützt gend darum, die Notfallnummer 116117 nicht mit Termin- tion, die dank weltweiter Impfkampagnen inzwischen als mich ja die Herdenimmunität, dann verschwindet die bitten zu blockieren. ausgerottet gilt. In Berlin wurden die ersten Pockenimp- Krankheit von allein aus meinem Umfeld. Was allerdings In dem Anschreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit, fungen bereits im Jahr 1800 durchgeführt. Den Impfstoff nur funktioniert, solange die anderen nicht genauso den- Ch. Eckelt Pflege und Gleichstellung ist ein Impfcode enthalten, mit stellte die Natur zur Verfügung: die Viren der für den Men- ken. Vor allem bei hochansteckenden Krankheiten wie dessen Hilfe man dann Impftermine in einem der Berliner schen harmlosen Kuhpocken konnten auch Menschen ge- etwa Masern geht diese egoistische Rechnung auf Kosten Impfzentren vereinbaren kann. gen die Krankheit immunisieren. der Schwächeren. 95 % der Bevölkerung müssen geimpft Auch im Bezirk Mitte gibt es ein Impfzentrum – in der Das war bei anderen Krankheiten nicht ganz so einfach. sein, um die Herdenimmunität zu erreichen. Wird diese Erika-Hess-Eissporthalle an der Panke (Müllerstraße 185). Am Ende des 19. Jahrhunderts jedoch wurde Paris zum nicht erreicht, sind vor allem auch Menschen in Lebensge- Verimpft wird hier das Vakzin von Moderna. Man kann Zentrum der weltweiten Impfstoffforschung. Beschleunigt fahr, die aufgrund von Krankheiten, Allergien und ähnli- aber auch in andere Impfzentren verwiesen werden. Impf- vom internationalen wissenschaftlichen Austausch vor chen Risikofaktoren nicht geimpft werden können. Des- berechtigte ab 80 Jahre mit Impftermin können unter der allem mit Paul Ehrlich in Frankfurt und Robert Koch in halb gibt es in Deutschland seit kurzem eine Impfpflicht Telefonnummer (030) 20 20 20 ein kostenfreies Taxi für Berlin, wurden hier rund um Louis Pasteur Impfstoffe ge- für Masern. die Fahrt zum Impfzentrum bestellen. Für die Rückfahrt gen Milzbrand, Tollwut, Wundstarrkrampf und Diphterie erhalten sie dort einen Taxifahrscheck. entwickelt. Wenn heute Europa und die USA eine Strategie Bei Covid-19 ist es etwas anders – denn hier überwiegen Mitbringen sollte man zur Impfung seinen Personalaus- gegen die Corona-Pandemie einschlagen, die maßgeblich auch bei rein egoistischer Sichtweise die Vorteile des Imp- weis, Reisepass oder Aufenthaltstitel, das Einladungs- aufs Impfen setzt, dann ist das vor allem von diesen histo- fens eindeutig. Denn selbst für jüngere Erkrankte gibt es schreiben sowie den dort beigelegten Anamnesebogen und rischen Erfahrungen getragen. ein Sterberisiko, vor allem aber ein hohes Risiko von die Einverständniserklärung. Ein Impfausweis ist nicht schweren und langandauernden Folgeschäden. Chinesi- notwendig, Geimpfte erhalten einen separaten Impfnach- Im 20. Jahrhundert folgten weitere Erfolge: Weltweit wur- schen Studien zufolge leiden rund zwei Drittel der im weis, der vom Hausarzt im Impfpass nachgetragen werden den viele Infektionskrankheiten zurückgedrängt. In der Krankenhaus behandelten Corona-Patienten, also der kann. DDR zum Beispiel wurden die Kinder ganz obligatorisch schweren Fälle, aber auch etliche der leichter Erkrankten gegen etwa 20 verschiedene Krankheiten geimpft – Imp- anschließend an solchen Langzeitfolgen. Dagegen sind bis- Im Impfzentrum wird kein Schnelltest auf das Coronavirus fen gehörte zur gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit. lang kaum größere Impfschäden bekannt geworden. cs durchgeführt. Gemessen. wird jedoch möglicherweise die Im Westen Deutschlands wurde dagegen deutlich weniger Körpertemperatur – Personen mit erhöhter Temperatur geimpft, obwohl es breite Impfkampagnen gab, mit denen dürfen das Impfzentrum nicht betreten und müssen einen an die Bürger appelliert wurde. Hier machte sich ein ge- neuen Termin vereinbaren. Begleitpersonen müssen grund fährliches Paradoxon bemerkbar: Je stärker eine Krankheit sätzlich vor dem Gebäude warten. aus der Alltagserfahrung zurückgedrängt ist, desto niedri-
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