Rundschau - Bemerkenswertes Münster - DKV-Residenz am Tibusplatz ...

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Rundschau - Bemerkenswertes Münster - DKV-Residenz am Tibusplatz ...
140. AUSGAbE > RESiDENZiNFo 2/2019

Rundschau
JUNi biS AUGUSt 2019

  Einblick
  > Was ist nur in all den
    Taschen?

  Ausblick
  > „Ich steh’ auf hohem
     Balkone … “

  Rückblick
  > Es war einmal …

                                     Bemerkenswertes
                                        Münster
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2   RUNDSCHAU 2/2019 > Editorial

                               Vorwort

                                   Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

                                   Offensein für Neues! Das ist es, was Entwicklung, Wachstum und
                                   letztendlich auch Veränderung herbeiführt. Gilt es nicht, sich täg-
                                   lich den neuen Anforderungen zu stellen? Anforderungen, die
                                   sich aus den Interessen Aller ergeben, die – am Beispiel unserer
                                   Residenz – in irgendeiner Weise mit uns zu tun haben, und die
                                   einem stetigen Wandel unterliegen. Unsere einzelnen Interessen
                                   und Bedürfnisse waren vor Jahren sicherlich auch andere als heu-
                                   te und ändern sich ständig.

                                   Offensein für das, was kommt; genau hinschauen in den Alltag
                                   aber auch dahinter. Das geht meines Erachtens nur, indem wir
                                   unsere Erfahrungen und Organisationsabläufe reflektieren, uns
                                   inspirieren lassen, dabei immer wieder Fragen stellen und dabei
                                   auch das Selbstverständliche hinterfragen. So kommt Verborgenes
                                   ans Tageslicht und kann überdacht werden. Was läuft gut? Was
                                   kann verbessert werden? Jeder Einzelne bewertet das aus fach-
                                   lichen und aus persönlichen Gesichtspunkten heraus anders und
                                   im vertrauensvollen Austausch miteinander entstehen großartige
                                   Dinge. Teamgeist und Verbundenheit sind in meinen Augen die
                                   treibenden Kräfte hinter allem, der Wert unserer „Tibus-Kultur“.

                                   So gesehen befinden wir uns ständig - mal mehr und mal weni-
                                   ger – in einer Umbruchphase. Umbruch kommt von Aufbrechen
                                   und hat immer auch etwas Befreiendes; schafft daher stets Platz
                                   für Neues. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir täglich (!) zu guten
                                   Gesprächen anregen. Und das alles mit nur einem Ziel: Die Tibus
                                   Residenz soll etwas Besonderes bleiben und Sie, liebe Bewohne-
                                   rinnen und Bewohner, sollen die in der Residenz verbrachten Jah-
                                   re als geschenkte Lebenszeit empfinden. Genau dann machen wir
                                   (fast) alles richtig.

                                   Herzlichst Ihr
                                   Frank Jansing
                                   Residenz-Direktor
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3

Inhalt

12
 Parkour
                              16
                               Winterswijk
                                                                       20
                                                                       lambertikirche

Einblick                      Ausblick                       Rückblick
Bemerkenswertes               „Ich steh’ auf hohem           Einmal rund um die
Münster                  4    Balkone am Turm …“        14   Lambertikirche             20
Was ist nur in all den        Winterswijk, eine Perle        Es war einmal …            24
Taschen?                 7    im Lande unseres
                                                             Spaß mit Limericks         26
Wachsam sein!            10   westlichen Nachbarn       16
                                                             Fast vergessene Wörter:
Sich selbst vertrauen    12                                  „Anmut“                    27
                                                             Rätsel                     28
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4   RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick

    Bemerkenswertes Münster
    Im Oktober 2004 errang Münster im internationalen Städte-Wettbewerb
    „International Award for Liveable Communities“ (kurz Liv-Com-Award) den
    Titel „Lebenswerteste Stadt der Welt“ und zwar in der Kategorie der Städte
    zwischen 200.000 und 750.000 Einwohnern.

    D
           ie Jury, bei der sich Münster zunächst      Stadt um hohe Lebensqualität erneut mit einer
           schriftlich beworben hatte, bestand aus     Goldmedaille belohnt. Auch diesmal würdig-
           Landschaftsplanern und Landschafts-         te man das Grünflächensystem der Promenade,
    Architekten. Konkurrenten waren u. a. Seattle,     das Rad- und Fußwegenetz, die Rieselfelder als
    Coventry und einige Städte in Asien. Münster ge-   Vogelschutzgebiet, die Anlagen rund um den Aa-
    wann in den Kriterien:                             see sowie das Engagement der Bürger unter dem
                                                       Motto „Münster bekennt Farbe“. Langfristig wur-
    1. Verbesserung der Landschaft                     de die Stadt auch im Rahmen des internationa-
    2. Gestaltung des historischen Erbes               len Wettbewerbs „Entente Florale“ noch lebens-
    3. Umweltbewusstes Leben                           werter.
    4. Bürgerbeteiligung
    5. Zukunftsplanung                                 Aber das ist noch nicht alles! Müns-
    Die anschließende mündliche Präsentation ver-
                                                       ter ist außerdem Fahrrad-Metropole
    tiefte diese Inhalte teils mit Videos, z. B. bei   Und bleibt Fahrradstadt, auch wenn wir seit April
    Fahrradtouren aufgenommen. Die Münsteraner         2019 nur noch auf Platz 2 stehen! Die Münste-
    sind verständlicherweise stolz auf diese Aus-      raner selbst sind allerdings durchaus nicht ohne
    zeichnung, aber auch national und international    Einschränkungen glücklich über diesen Titel. Die
    brachte sie große Aufmerksamkeit. Münsteraner      „Leezen“ nehmen seit langem Überhand, führen
    Unternehmen druckten den Wettbewerbsgewinn         trotz spezieller, riesiger Park-Stationen vielfach
    umgehend auf ihr Briefpapier; Motive zu den 5      zu chaotischen Situationen, fahruntüchtige, seit
    Kategorien erschienen auf Postkarten und Pla-      Jahren vergessene Räder verschandeln zu Hun-
    katen; die Medien berichteten ausführlich, der     derten das Stadtbild und behindern Passanten
    Tourismus und das Interesse auch ausländischer     auf Fußwegen oder vor Hauseingängen. Viele
    Journalisten stieg an, und die Anfragen nach       ihrer Besitzer sind außerdem rücksichtslose Ver-
    Messestandorten waren zeitweise kaum zu be-        kehrsteilnehmer, fahren auf der falschen Stra-
    friedigen. 2007 wurden die Bemühungen der          ßenseite, bei Dunkelheit ohne Licht, oder, beson-
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RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick        5

ders mit Pedelecs, viel zu schnell. Autofahrer sind    Der arrogante, exzentrische Gerichtsmediziner
genervt von den oft auch in Rudeln herankom-           Professor Boerne (gespielt von Jan Josef Liefers)
menden Radlern und berichten regelmäßig in             ist Opernliebhaber und – Kenner, mischt sich
der lokalen Presse von ihrem Unmut. Umgekehrt          ungefragt in die Ermittlungen ein, nennt seine
entrüsten sich die Bescholtenen ihrerseits mit wü-     pfiffige Pathologin Heike Haller (dargestellt von
tenden Leserbriefen über ihre Benachteiligungen.       Christine Urspruch) wegen fehlender Größe „Al-
Aber: trotz aller Abstriche ist es schon ein kleines   berich“ und tut im übrigen alles, um seinen Mit-
Glücksgefühl, besonders bei schönem Wetter, mit        streiter Thiel zur Verzweiflung zu bringen. Der
dem „Drahtesel“ durch die Promenade zu flitzen         von Axel Prahl gespielte, äußerst kompetente
oder den Aasee zu umrunden. Diese attraktiven          Kommissar, der immer irgendwie vernachlässigt
Strecken gibt es wohl wirklich nur in Münster!         wirkt, liegt im ständigen verbalen Clinch mit
                                                       dem Herrn Professor, dessen Allüren ihm kei-
Eine wohl einmalige Attraktion hat der Aasee           neswegs Respekt einflössen. Er ist Hamburger,
leider verloren. Vor einigen Jahren erschien dort      glühender FC St. Pauli-Anhänger und eigentlich
plötzlich eine schwarze „Schwänin“, die einem          nur wegen „Vaddern“ nach Münster gezogen,
überlebensgroßen Plastik-Schwan in Form eines          was aber der langbezopfte, weißhaarige Taxifah-
Tretbootes nicht von der Seite wich, auch wenn         rer nicht unbedingt als Liebesbeweis honoriert-
es „im Einsatz“ war, d.h. wenn Passagiere darin
saßen. Eine fast unglaubliche Liebesgeschichte,
die drei Sommer lang weltweit verzauberte.

Und jetzt das: Münster ist „Hoch-
burg des Verbrechens“ …
… lese ich im Stadtlexikon. Wie bitte? Es wird
doch stets berichtet, dass man hier besonders
sicher lebt. Noch im März erschien der Artikel
„deutlich weniger Straftäter“ in den Westfäli-         Münsters Aasee mit Segelhafen
schen Nachrichten. Was steckt also hinter der
furchterregenden Behauptung, Münster sei die
Krimi-Hauptstadt? Mit Erleichterung lese ich
die Begründung: es geht um die Einschaltquo-
ten bei den Filmen, die hier regelmäßig gedreht
werden, und die Morde, die angeblich hier ge-
schehen. Millionen von Menschen verfolgen am
Bildschirm die Verbrecherjagd des skurrilen Tat-
ort-Duos Boerne/Thiel.                                 Wilsbergs Antiquariat
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6   RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick

    und sich seinem Sohn gegenüber entsprechend         ger (Rita Russek), der Chefin der Kripo, ist al-
    kratzbürstig verhält. Eigentlich sind die beiden    lerdings etwas undurchsichtig. Man weiß nicht
    wie Hund und Katze.                                 so recht, trifft hier das Sprichwort zu: was sich
                                                        liebt, das neckt sich, oder ist der Eigenbrödler
    In der Rolle der Kette rauchenden Staatsanwäl-      schlicht ungeeignet für eine Beziehung mit der
    tin mit der Reibeisenstimme erleben wir übri-       patenten, attraktiven Frau.
    gens die Münsteranerin Mechthild Grossmann.
    Der Münster-Tatort hält die Spitzenposition aller   Das kleine nostalgische Antiquariat in der Frau-
    anderen in Deutschland gedrehten Tatorte, und       enstraße, in dem Wilsberg sich ab und zu tatsäch-
    das, obwohl in manchen Folgen der Klamauk           lich den Büchern widmet, ist jedem Münsteraner
    eindeutig über die seriöse Ermittlungsarbeit tri-   bekannt, im Film trägt es zum Lokal-Kolorit bei
    umphiert.                                           und macht gleichzeitig unbezahlbare Werbung.
                                                        Wie überhaupt das Privileg, dass die Schauspie-
    Und dann gibt es auch noch den kauzigen, meist      ler ungestraft mit dem Auto durch die Altstadt
    schlecht gelaunten „Wilsberg“ im gleichnami-        und über den Prinzipalmarkt fahren dürfen, den
    gen Film. Eigentlich ist er Antiquar, spielt aber   Zuschauern beeindruckende Bilder von Müns-
    viel lieber den Privat-Detektiv und ist in dieser   ters Innenstadt ermöglicht.
    Eigenschaft recht erfolgreich. Die Rolle wurde
    dem Schauspieler Leonard Lansing vom Müns-          Ich bin äußerst erleichtert über die Auflösung
    teraner Krimi-Autor Jürgen Kehrer buchstäblich      der Behauptung, Münster sei „die Stadt des Ver-
    auf den Leib geschrieben. Dem Schnüffler Wils-      brechens“. Es ist doch viel eher – siehe oben –
    berg stehen der leicht unterbelichtete „Ekki“ als   noch immer „die lebenswerteste Stadt der Welt“,
    Ermittler und seine Nichte Alex als Rechtsan-       bestimmt für alle, die hier leben.
    wältin zur Seite. Das Verhältnis zu Anna Sprin-     >> Ingeborg Ollmann
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RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick        7

Was ist nur in all den Taschen?
Diese Frage stellen sich viele, wenn sie Monika Pfützenreuter jahraus, jahr-
ein so beladen in die Tibus Residenz eilen sehen.
Ich habe es für Sie liebe Leserinnen und Leser,
in Erfahrung gebracht! Aber bevor ich das ver-
rate, möchte ich meine langjährige Kollegin
ein wenig vorstellen. Wie denkt diese hoch-
gebildete Frau, die unermüdlich seit nunmehr
über 26 Jahren das Leben in der Residenz mit
ihrem Wissen und ihrer Energie bereichert?

Liebe Frau Pfützenreuter, was treibt Sie an,
jahrelang so viele unterschiedliche Veranstal-
tungen durchzuführen?

„Ich verstehe mich als Kulturvermittlerin, als
jemand, der die Lebensgestaltung älterer Men-
schen positiv beeinflussen möchte, ohne den Fo-
kus auf mögliche Defizite zu lenken und ohne
dieses durchaus wertvolle, karitative Betreuen.
Für mich ist Lebensgestaltung etwas anders; es
hat mit Leben zu tun, mit Teilhabe und Ausein-
andersetzung. Ich versuche lebendig zu halten,       Frau Pfützenreuter wie immer schwer beladen
was da ist. Und deshalb bringe ich den Besuchern
meiner Vorträge und Veranstaltungen ja nichts        denen dies wichtig ist, nicht ausschließlich in
Neues bei. Ich vermittele lediglich Dinge, die mit   Mainstream-Entertainment verfallen, wenn es
ihrem bisherigen Leben zu tun gehabt haben,          nicht ihres ist. Damit meine ich Dinge, mit de-
und biete Gelegenheit zur Auseinandersetzung         nen man einfach nur Zeit verbringt, die einen
mit Themen, zu denen in der Regel bereits eine       aber nicht mehr herausfordern. Mainstream hat
besondere Beziehung als wichtiger Teil ihres Da-     durchaus auch seine Berechtigung; nur dafür
seins besteht. Ich unterstütze eine bestimmte Art    bin ich nicht die Richtige. Das können andere
zu leben, bei der kulturelle Interessen integraler   besser. Ich biete eine Alternative dazu an.“
Bestandteil sind.
                                                     Ist es das, was die Tibus Residenz für Sie be-
Es ist wie bei einem Instrument. Wenn man es         sonders macht?
nicht spielt, weil man es schonend bewahren
möchte, dann geht es kaputt. Man kann ein Ins-       „Die meisten Einrichtungen für Senioren sind für
trument zu Tode schonen. Und man kann auch           mich irgendwie gleichartig. Sie haben zwar ihren
Menschen zumindest geistig zu Tode schonen.          Hauscharakter und ihren Trägercharakter und
Hier greift der Satz des Philosophen Robert          sind sich dennoch sehr ähnlich. In der Tibus Re-
Spähmann: „In einer Welt der ewigen Harmonie         sidenz aber wohnen viele Menschen mit lebens-
würden wir veröden und verblöden“. Ich arbeite       langen intellektuellen Ansprüchen an sich und
dafür, dass das nicht geschieht, dass diejenigen,    an ihre Umwelt, Menschen, die sich ihr Leben
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8   RUNDSCHAU 2/2019 > EiNbliCK

    lang mit vielfältigen Themen auseinander gesetzt   Ihnen wird nachgesagt, dass Sie wie ein wan-
    haben, die sich geistig beschäftigen. Ihnen wird   delndes Lexikon sind, es gäbe nichts, was Sie
    hier ein Forum geboten. Und genau das macht in     nicht wissen.
    meinen Augen eine Residenz zu einer Residenz;
    nämlich zu einer Lebensform, die stärker an das    „Mein Wissen ist nicht „angehäuft“, sondern ist
    bisherige anknüpft, trotz möglicher Einschrän-     mit dem, was man so Leben nennt, vernetzt.
    kungen. Andere Seniorenheime integrieren eben      Im Laufe der Jahre lassen sich für mich immer
    etwas anderes in den Alltag ihrer Bewohnerinnen    schneller Strukturen erkennen, in die ich Neu-
    und Bewohner. Wenn ich durch nur einen Satz        es in bereits Vorhandenes integrieren kann. Ich
    in einem meiner Vorträge, Spaziergänge etc. Ge-    kann leichter Dinge miteinander verbinden. Und
    dankenflüsse in Gang bringe, dann hat die Ver-     wissen Sie was? Letztendlich ist es wenig Neues,
    anstaltung in meinen Augen ihren Zweck erfüllt.    es ist oft nur Altes in neuen Gewändern!“
    Deshalb stehe ich auch grundsätzlich nach jeder
    Veranstaltung für weitere Gespräche zur Verfü-     Gibt es einen Tag in ihrem Leben, an dem sie
    gung. Ich treffe die Menschen da, wo sie derzeit   nicht lesen?
    stehen und gehe dann mit ihnen ein Stückchen
    des Weges gemeinsam und freue mich, wenn sie       „Nein, das gibt es nicht. Das könnte ich gar nicht.
    sich sogar mit dem Thema weiter beschäftigen.      Wenn ich zum Beispiel die Zeitung lese, dann tue
                                                       ich das grundsätzlich nur mit Stift. Dann markie-
    Vielleicht prägt mich hier auch meine DDR-Ver-     re ich Dinge, über die ich in der Regel Sonntag
    gangenheit. Ich bin in Leipzig aufgewachsen,       vormittags weitere Recherchen betreibe.“
    und mir ist erst Jahre später klar geworden, was
    mein Vater durch unsere Flucht bewirkt hat. Für    War die Kulturvermittlung Ihr ursprünglicher
    mich ist die Freiheit des Menschen höchstes Gut    Berufswunsch?
    – auch die geistige – und die Gleichförmigkeit
    des Hamsterrads bedeutet Einengung.“               „Oh nein, ich hatte eine völlig andere Vorstel-
                                                       lung meiner Karriere. Ich wollte als Sängerin
                                                       zur Bühne. Das ist mir sogar von einer recht
                                                       berühmten deutschen Sopranistin empfohlen
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RUNDSCHAU 2/2019 > EiNbliCK          9

worden. Da ich aber seit                                         Jahrhundert aus gebildeten
meinem neunten Lebens-                                           Frauen geworden ist, die
jahr 47 Jahre lang in die                                        nicht aus höheren Schichten
Pflege meiner Mutter einge-                                      stammten. Darüber werde
spannt war, konnte ich die-                                      ich eine Abhandlung schrei-
sen Karrierewunsch nicht                                         ben.“
verfolgen. Weil ich aber
nicht ausschließlich in der                                      Woher nehmen Sie die
Pflege meiner Mutter auf-                                        Energie für Ihre vielen Pro-
gehen wollte, habe ich Er-                                       jekte?
ziehungswissenschaft und
Geisteswissenschaften auf                                        „ Zum einen ist es genetisch
„Lehramt am Gymnasium“                                           bedingt; mir reichen nachts
studiert. Parallel dazu habe Eiligen Schrittes in die Residenz   fünf bis sechs Stunden
ich Musik am Landeskonser-                                       Schlaf. Und zum anderen ist
vatorium und etwas später noch Musikwissen- meine Arbeit immer auch eine Kraftquelle für
schaft studiert. Für mich waren Schule und Stu- mich. Wenn meine Investition nicht immer wie-
dium immer Entdeckung – ein großes Angebot der auch als Kraft auf mich zurückfallen würde,
an Möglichkeiten; die man später so nie wieder dann könnte ich das, glaube ich, alles gar nicht
geboten bekommt.“                                      machen.“

Sie sind seit einiger Zeit im Rentenalter. Wie     Last but not least: Was befindet sich denn nun
lange werden Sie der Residenz noch erhalten        in all Ihren Taschen?
bleiben?
                                                   „So viele sind es gar nicht – nur drei! In meinem
„Solange ich das Gefühl habe, dass bei einigen     Rucksack, der meiner Umhängetasche vor eini-
Bewohnern noch Interesse an meinen Angeboten       gen Jahren weichen musste, befinden sich per-
besteht, solange ich noch das Leuchten in den      sönliche Dinge. In meiner blauen Tasche sind die
Augen sehe, wenn ich Dinge vermittele, solange     Dinge, die ich im Laufe des Tages benutze; wie
komme ich gerne weiter in die Residenz.“           zum Beispiel Arbeitsblätter, Bücher und Kopien
                                                   für einzelne Kurse, die ich gebe. Ich habe ja auch
Sicherlich haben Sie noch weitere Pläne für        noch die VHS, die Ostdeutsche Heimatstube,
die kommenden Jahre. Mögen Sie uns diese           „Frau und Kultur“, den Kulturkreis Wolbeck etc.
verraten?                                          mit Vorträgen und Kursen. Ja, und in der dritten
                                                   Tasche sind alle Originalmaterialien, also CDs
„Ich arbeite an einem interdisziplinären Pro-      und sonstige Medien, aus denen ich gelegentlich
jekt, das mit Musik und Frauenbildung zu tun       spontan kopieren muss. Sie sehen, jede Tasche
hat. Die Frauenprofessionalisierung ist ein sehr   hat ihren ganz bestimmten Zweck!“
junges Thema; gerade mal einhundert Jahre alt.
Die oftmals falsch eingeschätzte Queen Anne        Bleibt zu hoffen, dass meiner Kollegin Moni-
(1665 – 1714) hatte ein privates Interesse dar-    ka Pfützenreuter ihre innere Kraft noch lange
an, junge Mädchen zu fördern. Sie hatte damals     erhalten bleibt, um auch in Zukunft die Welt
fünf jungen Frauen die Ausbildung in den „Fran-    um sie herum ein kleines bisschen besser zu
keschen Stiftungen“ in Halle privat finanziert.    machen.
Darüber gibt es noch Dokumente. Ich möchte         > Ulrike Wünnemann
recherchieren und forschen, was im 18. und 19.
Rundschau - Bemerkenswertes Münster - DKV-Residenz am Tibusplatz ...
10   RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick

     Wachsam sein!
     „In meinem Zuhause fühle ich mich geborgen und sicher!“, so die Worte
     von Günter Kassebeer, Bewohner der Tibus Residenz. Was genau versteht
     er unter Sicherheit?

     I
          st es das beruhigende Gefühl, zu wissen,          Frau Mayer gab Verhaltenshinweise für den Um-
          dass immer jemand da ist, wenn er in drin-        gang an der eigenen Wohnungstür im Gebäude
          genden Fällen Hilfe braucht? Und dass hier-       der Residenz. „Öffnen Sie Ihre Tür am besten
     für ein Anruf an der Rezeption, die rund um die        nur dann, wenn Sie Besuch erwarten und halten
     Uhr besetzt ist, reicht? Oder ist es das Wissen,       sie diese bitte bei Verunsicherung geschlossen.
     dass er bei Bedarf schnell und problemlos Be-          Rufen Sie im Zweifelsfall sofort bei der Rezep-
     treuung und Pflege erfahren kann? Ganz be-             tion des Hauses an.“ Ebenso berichtete sie, wie
     stimmt beides. Aber Sicherheit beinhaltet noch         sinnvoll es sein kann, Türen und Fenster nach-
     mehr; nämlich auch eine technische Seite. Ge-          rüsten zu lassen, um potentiellen Einbrechern
     nau darum ging es beim letzten Tibus Talk, zu          im wahrsten Sinne des Wortes „einen Riegel
     dem Frank Jansing und Ulrike Wünnemann in-             vorzuschieben“. Allein dadurch sei die Ein-
     teressante Gäste eingeladen hatten. Da wurden          bruchsrate in den letzten Jahren gesunken. Herr
     zum einen Cordula Mayer, Kriminalbeamtin               Heinrichs ergänzte dies, indem er die Funktion
     vom Polizeipräsidium Münster, Abteilung Krimi-         von Türzusatzschlössern, die durchaus auch an
     nalschutz/Opferschutz und zum anderen Sven             den Wohnungstüren der Residenz Sinn machen
     Heinrichs, Projektleiter für Sicherheitssysteme        könnten, beschrieb. Bei nicht zweimaligem Um-
     von der Firma „Rütü“ interviewt.                       drehen des Wohnungsschlüssels ist mit diesen

     Angeregte Gespräche mit unseren Gästen: Frank Jansing, Cordula Mayer, Sven Heinrichs, Ulrike Wünnemann
RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick         11

Schlössern trotzdem Einbruchschutz gegeben           Darauf hatte dann zum Glück unser „Einbre-
und Versicherungen würden entsprechend zah-          cher“ des Nachmittags die passende Antwort. In
len. Ebenso hatte „Rütü“ ein Tresorbeispiel mit      seinen Memoiren nämlich stand geschrieben:
im Gepäck, das für die Aufbewahrung von Wert-
gegenständen – zu denen auch Erinnerungswer-         „Vielleicht kann ich ja von meinen bösen Taten,
te – gehören, durchaus seine Berechtigung hat.       die ich im Laufe meines Lebens begangen habe, am
                                                     Ende etwas gut machen, wenn ich Euch zurufe:
Das Publikum hörte interessiert und kritisch zu.     Habt Vertrauen! Sorget nicht ängstlich, denn Angst
Es wurde unter anderem die Dynamik von Grup-         ist der schlechteste Ratgeber. Wenn Ihr das Glück
penschlüsseln thematisiert, die einzelne Mitar-      habt, dort zu wohnen, wo ihr euch wohl fühlt, wo
beitergruppen im Hause tragen müssen. Zum ei-        Menschen sind, die ein Interesse an euch haben,
nen ermöglichen sie bei Notfällen ein sofortiges     die euch wohlgesonnen sind, dann dürft ihr euch
Eintreten in die Wohnungen ohne Zeitverlust,         auch sicher fühlen. Und aus diesem Gefühl der Si-
zum anderen bergen sie die Möglichkeit, dass         cherheit lasse deine Wachsamkeit erwachsen.“
ein Zugang in die Wohnungen von diesen Mitar-
beitern theoretisch jederzeit machbar ist.           Markus von Hagen hat mit seinen „Memoiren ei-
                                                     nes Einbrechers“ wieder einmal seine Fähigkeit
                                                     bewiesen, einfach immer und überall die „richti-
                                                     gen Worte zu finden“.
                                                     >> Ulrike Wünnemann

Herr Jansing im Gespräch

                                                     Der Autor dieses „Buches“ ist Markus von Hagen.
                                                     Das erklärt, warum eine Bewohnerin vergeblich bei
                                                     Amazon und im Buchhandel nach den „Memoiren
                                                     eines Einbrechers“ gesucht hat.

Die Türzusatzschlösser stießen auf reges Interesse
12   RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick

     Sich selbst vertrauen …
     Seit einiger Zeit haben wir regelmäßig
     Besuch bei uns auf dem Gelände
     – genauer gesagt im Eingangsbereich
     des Bewohnerparkdecks der Residenz
     nahe bei Haus 5.

     D
            ort passieren auf den ersten Blick recht
            ungewöhnliche Dinge. Junge Menschen
            nutzen die vorhandenen architektoni-
     schen Gegebenheiten des Treppenaufgangs, er-
     klimmen im Sprung Wände und Mauern, fliegen
     durch die Luft. Wir wollten diesem Treiben ein-
     mal auf den Grund gehen und haben in einem
     Gespräch mit Fabian Schubert, dem Gründer von
     „ParkourONE“ in Münster, spannende Hinter-
     gründe erfahren.

     „ParkourONE“ ist eine Schule, in der man – wen
     wundert es - Parkour lernen kann.
     Was aber versteht man darunter? Beim Parkour
     wird in der Regel eine Strecke mit unterschied-
     lichen Hindernissen, die in Anzahl, Höhe, Weite
     und Distanz variieren können, zurückgelegt.         Tic - tac ...
     „ParkourONE“ versteht unter Parkour alle For-
     men von Bewegung, die in irgendeiner Weise          Jeder orientiert sich an dem, was er kann und
     mit Hindernissen umgehen. Wobei Hindernisse         was er sich zutraut, und passt sich an die jeweili-
     – zum Beispiel eine Mauer im Treppenaufgang-        ge Umgebung an.
     nicht als solche wahrgenommen werden, son-          Parkour ist von daher kein Wettkampf mit Be-
     dern als eine Möglichkeit. Es geht also darum,      wertungen, sondern viel mehr als ein rein sport-
     sich mit der Möglichkeit „Mauer erklimmen“          lich orientiertes Training: Hier steht die Förde-
     auseinanderzusetzen, sich mit diesem selbst ge-     rung der physischen, psychischen und sozialen
     setzten Ziel zu konfrontieren, eigenständig nach    Gesundheit im Mittelpunkt, die essentiell für
     Lösungsmöglichkeiten zu suchen, zu lernen,          Entwicklung und Wohlbefinden eines Menschen
     eine Entscheidung zu treffen und mit den sich       ist. „ParkourONE“ schafft einen Raum für Per-
     daraus ergebenden Konsequenzen umzugehen.           sönlichkeitsentwicklung und regt durch Vorle-
     Ja oder nein, springen oder nicht springen; da-     ben von Werten zur Entwicklung der eigenen
     zwischen gibt es nichts. Jeder entscheidet dabei    Wertehaltung an.
     selbst, wie schwierig oder auch gefährlich er die
     einzelnen Bewegungen ausführt. Jeder spielt mit     Parkour ist in den 90iger Jahren in einem der Vor-
     Risiko und Konsequenzen und ist sich in jedem       ortviertel von Paris entstanden.
     Moment sehr bewusst darüber. Deshalb gibt es        Dort, wo viele Auswanderer aus den französi-
     auch keine festgelegten Bewegungsabläufe.           schen Kolonien wohnten. Sie hatten ganz einfach
RUNDSCHAU 2/2019 > Einblick          13

... zum Präzisionssprung                                                    Reaktionstrainung und
                                                                            Durchbruch

angefangen, die vorhandene, vorgegebene Archi-       Inzwischen ist Parkour ganz offiziell in Münster
tektur für einzelne Bewegungsabläufe zu nutzen.      angekommen.
Aus einfachem Spielen ist später eine Trainings-     Die Parkour-Schule gibt es seit 2016. „Sie bie-
form, eine Disziplin, entstanden. Der Vater eines    tet angeleitete Trainings für Kinder, Jugendliche
der Jugendlichen war Feuerwehrmann und lehr-         und Erwachsene in verschiedenen Klassen; es
te die Kids folgende Wertehaltung: „Seid stark,      gibt die Kids-Klasse für die 8 – 12-Jährigen und
um nützlich zu sein! Es geht nicht darum, spekta-    eine Klasse für die ab 13-Jährigen, eine 30plus-
kuläre Bewegungen auszuführen, um eure Mus-          Klasse ist in Planung.
keln zur Show zu stellen. Es geht darum, mit eu-
rer Stärke was Gutes zu tun und wirksam für die      Sonntags gibt es ein freies Treffen zum gemein-
Gesellschaft zu sein. Macht euch also bewusst,       samen Trainieren an unterschiedlichen Orten.
warum ihr das tut, was ihr tut.“                     Und einmal im Monat besteht im Hafengelände
                                                     eine Schnuppermöglichkeit für all die, die Lust
Verbreitet wurde Parkour dann durch ausge-           auf Bewegung und persönliche Weiterentwick-
strahlte Interviews im französischen Fernsehen.      lung haben. Weitere Infos unter:
Die BBC in England hat darüber sogar mehrere         www.parkourone.com
Reportagen gesendet. Sie zeigten Jugendliche,
die an verschiedenen Architekturdenkmälern           Jeder Mensch ist einzigartig und hat besonde-
übten. Später hat besonders das Internet für eine    re Talente, die möchte er lernen einzubringen.
schnelle Verbreitung der Idee gesorgt. So ist auch   Auch wenn es dabei mal ein wenig laut sein
Fabian Schubert darauf aufmerksam geworden.          kann …
„Ich war damals der Einzige, der Interesse daran     >> Ulrike Wünnemann
hatte; in Münster gab es niemanden sonst. Ich
habe mich durch Filme auf Youtube inspirieren
                                                      Am 14.6. 2019 findet um 16:30 Uhr eine
lassen und fing beim Joggen am Kanal zunächst
                                                      Parkour-Vorstellung im Eingangsbereich des
ganz harmlos damit an, Bänke und Geländer für
                                                      Bewohnerparkdecks bei Haus 5 statt.
meine Bewegungen mit zu nutzen.“
14   RUNDSCHAU 2/2019 > Ausblick

     „Ich steh’ auf hohem Balkone
              am Turm … “
     „Ich steh’ auf hohem
     Balkone am Turm,
     umstrichen vom
     schreienden Stare.“

     Wer erinnert sich nicht                                                  In der Höhe angekom-
     an die Verse, mit denen                                                  men, öffnet eine Tür
     Annette von Droste                                                       den Zugang zu einem
     Hülshoff das Gedicht                                                     erstaunlich      großen
     „Am Turme“ einleitet.                                                    Halbrund. Ein hohes
     In den Versen ist in vie-                                                Gewölbe aus locke-
     len Bildern die Sehn-                                                    rem Metallgeflecht, im
     sucht der Sprecherin                                                     Sommer durch Grün
     nach berauschendem,                                                      in verschiedenen Tö-
     erfülltem Leben ge-                                                      nungen berankt, bildet
     staltet, die aber nicht                                                  das Dach, das schützt,
     gestillt wird. Diese                                                     wenn man es sich im
     Sehnsucht ist uns nicht                                                  Sonnenschein auf ei-
     fremd. Wir erinnern                                                      ner der aufgestell-
     uns an Zeiten in unse-                                                   ten Sitzgruppen wohl
     rem Leben, in denen sie                                                  sein lässt. Die über die
     gestillt worden ist, sind                                                Fläche verteilten ver-
     dankbar für Orte, die                                                    schiedenartigen Grün-
     unser Erinnern nähren.                                                   pflanzen wecken die
                                                                              Vorstellung eines wer-
     Könnte nicht vielleicht                                                  denden Dachgartens.
     die Terrasse auf dem
     „Turm“ unserer Resi-                Unser Turm im Innenhof
     denz, wo die Häuser 3
     und 4 aneinander stoßen, ein solcher Platz sein? Wer die Wand des Hauses, die Ostseite hinter
     Man erreicht ihn, wenn man vom Eingang zum sich gelassen hat, dem bietet sich nun ein überra-
     Haus 4 auf den Aufzug E zusteuert und sich von schendes Panorama vom Süden über den Westen
     ihm zur fünften Etage fahren lässt. Oder, wenn bis zum Norden. Senkt man zunächst den Blick,
     man den mehr Zeit und Kraft erfordernden Auf- trifft er auf die Häuser unserer Residenz, die den
     stieg durch das nahe Treppenhaus wählt.            Innenhof umschließen, sieht nun aus ungewohn-
RUNDSCHAU 2/2019 > Ausblick         15

Der Blick auf 4 Kirchen in Münster: Lambertikirche, Paulus Dom, Überwasserkirche und Kreuzkirche (vlnr.)

ter Perspektive die Vielfalt von Bäumen, Sträu-         Und dann fällt der Blick zunächst auf „unser“
chern und Blumen, die uns erfreut, wenn wir auf         Haus 2, auf viele Balkone mit reichem Blumen-
unseren täglichen Wegen an ihnen vorbei gehen.          schmuck, bevor ein Stück der Promenade zu se-
Hebt man die Augen und lässt sie von Süd nach           hen ist, ein kleiner Teil des prächtigen Baumbe-
Nord schweifen, geht einem auf, dass sich der Weg       standes. Auch Dächer des nahen „Breul“ werden
zum Dachgarten gelohnt hat. Im Süden zeigt sich         sichtbar. Und wenn wieder einmal eine Baulücke
das Dach von St. Lamberti. Sein Ausmaß lässt die        im nahen Wohnviertel geschlossen wird, wächst
Größe der Kirche erahnen. Der hohe, schmale, fi-        ein Kran in die Höhe. Im Norden überragt der
ligrane Turm bestätigt ihre Bedeutung. Ein wenig        markante Turm der Heilig Kreuzkirche verschie-
näher ist dem Betrachter der Dachreiter der der         dene hohe Häuser.
Residenz benachbarten Apostelkirche, die vielen
Bewohnerinnen und Bewohnern vor allem durch             Und wenn man den Panoramablick genossen
großartige Konzerte vertraut ist. Schauen wir           hat, laden Tische und bequeme Stühle zum Ver-
weiter in die Runde, sehen wir den oberen Teil          weilen ein. Vielleicht haben Sie, liebe Leserinnen
des Dom-Langhauses, überragt von den beiden             und Leser, nun Lust, den „Turm“ unserer Resi-
mächtigen Türmen, und wenig weiter im Westen            denz zu besteigen und „vom hohen Balkone“ aus
den in seiner Vierkantigkeit einzigarten Turm der       die Welt, in der wir leben, neu zu sehen.
Überwasserkirche.                                       >> Maria Hürten

Auf unserer Dachterrasse
16   RUNDSCHAU 2/2019 > Ausblick
RUNDSCHAU 2/2019 > Ausblick          17

Winterswijk, eine Perle im Lande
unseres westlichen Nachbarn
Ende April startete die Tibus Residenz zu einer Ausflugsfahrt in das kleine
Städtchen Winterswijk, gelegen im Osten Gelderlands in den Niederlanden.

Ü
         ber zwanzig Bewohnerinnen und Be-
         wohner entdeckten bei strahlender
         Frühlingssonne und angenehmen Tem-
peraturen ein interessantes, typisch niederländi-
sches Städtchen.

Zuvor machten wir in Südlohn in einem Café
mit gepflegtem Ambiente Mittagsrast. Das Café
zeichnete sich neben seinem schönen Interieur
und den selbst hergestellten Pralinen und Sü-        Die Reisegruppe hört interessiert in die Geschichte
ßigkeiten auch durch ambitionierte Kunstwerke        Winterswijk hinein
aus. Sie wurden von dem Chef einer metallver-
arbeitenden Fabrik hergestellt, wie zum Beispiel     300.000 Menschen eingesetzt, um sie vor der
ein Ofen, der als Aquarium diente, oder ein Fan-     Verfolgung zu schützen. Sie starb Ende 1944 an
tasie U-Boot, welches an der Decke hing. Auffäl-     einer Lungenentzündung – verraten in ihrem
lig war auch ein wunderschöner Leuchter aus          Versteck. Im Mai 1954 enthüllte die Königin Wil-
echtem Murano-Glas.                                  helmina ein 5 Meter hohes Denkmal in Erinne-
                                                     rung an diese Frau. Nachdem wir einem Blick auf
Winterswijk ist ein kleines Städtchen mit rund       das alte Rathaus geworfen hatten, ging es weiter
30.000 Einwohnern. Dort angekommen, erwar-           zu dem sehr weiträumigen Marktplatz, auf dem
teten uns zwei Stadtführer, die uns in zwei Klein-   man in verschiedener Gastronomie gemütlich
gruppen die Sehenswürdigkeiten näher bringen         die Stimmung genießen konnte. Beherrscht wird
wollten.                                             der Marktplatz durch die Jakobskirche.

Start der Führung war das Mahnmal für über           Das Innere der Kirche ist hell ausgeleuchtet
dreihundert vom NS-Regime deportierten und           durch die mächtigen gotischen Kirchenfenster.
getöteten jüdischen Bewohnerinnen und Be-            Die Kirche war ursprünglich farbig ausgemalt.
wohner der Stadt. Ihre Lebensdaten sind auf ver-     Im Zuge der Reformation wurden alle Bilder, so
schiedenen Schiefertafeln dokumentiert.              hoch man sie erreichen konnte, übertüncht. Der
                                                     ursprüngliche Zustand ist nicht mehr rekonstru-
Ein Denkmal ist der Widerstandskämpferin He-         ierbar. Die Kirche enthält eine Orgel von 1834
lena Kuipers-Rietberg gewidmet, die ab 1940 in       mit einem schönen Orgelprospekt.
Winterswijk und der Grenzregion eine grenz-
übergreifende Widerstandsbewegung aufbaute.          Weiter führte uns der Weg in eine urige Straße
Dem Vernehmen nach hat sie sich für mehr als         mit typisch holländischen Häuschen und dem
18   RUNDSCHAU 2/2019 > Ausblick

     Vor dem Mahnmal für die jüdische Bevölkerung       Unterwegs in malerischen Gassen

     kleinsten Haus der Stadt! Eine Einkaufsstraße
     mit kleinen Einzelhandelsgeschäften folgte. An
     deren Ende steht ein Haus, das dem bekanntes-
     ten Sohn der Stadt, Piet Mondriaan, als Muse-
                                                           Piet Mondrian
                                                           Der große Einsame der Moderne
     um gewidmet ist. Hier sind nur die frühen Bilder
     des Malers ausgestellt; sie zeigen Landschaften,      Ernst, fast düster, blickt er auf Fotos und
     Landschaftsstudien, und vereinzelt Portraits.         Selbstbildnis den Betrachter an, dem es
     Einige dieser Bilder sind an markanten Stellen        seinerseits schwerfällt, sich Piet Mondrian
     im Straßenraum von Winterswijk aufgehängt.            als sinnenfrohen Künstler und lustvollen
     Die Bilder aus seiner späteren Schaffensperio-        Jazz-Fan vorzustellen. Doch auch das war
     de, durch die er berühmt werden sollte, befin-        er, zumindest in seinen letzten Jahren in
     den sich verstreut in verschiedenen Museen der        den USA. 1872 in Amersfoort geboren, ver-
     Welt, wie zum Beispiel im Museum of Modern            brachte Pieter Cornelis Mondrian in Winters-
     Art in New York.                                      wijk seine wohl entscheidenden zwölf Kind-
                                                           heits- und Jugendjahre. Zunächst malte er
     Nach einer kleinen Kaffeepause brachte der Bus        heimische Szenen und Genre-Bilder aus dem
     uns wohlbehalten zurück zur Residenz. Wir dan-        damaligen Bauerndörfchen im Schatten der
     ken Monika Pfützenreuter und Greta Dehnhardt          wuchtig- mittelalterlichen „Jacobuskerk“. Er
     für diesen gelungenen Ausflugstag.                    bildete Menschen, ländliche Szenen und Na-
     >> Günter Kassebeer                                   turstimmungen ab, wie man sie in den Origi-
                                                           nalen im örtlichen Museum und in den Ver-
                                                           gleichsbildern der kleinen Gassen und Höfe
                                                           der Altstadt noch heute erahnt; – alles sinn-
                                                           fällig, anrührend, herb-heimelig in den war-
                                                           men Grün- und Brauntönen Gelderlands.
                                                           Der Vater erkennt die Begabung des Soh-
                                                           nes, fördert sie frühzeitig, ermöglicht ihm
                                                           ein Lehrerstudium, sogar als Zeichenlehrer,
                                                           aber doch eben im soliden Brotberuf. Und der
                                                           Sohn fügt sich. Erst die Ahnung, dass Lehrer
                                                           wohl nicht sein wahres Metier ist, wie auch
                                                           Zuspruch aus dem lokalen Umfeld, ermög-
                                                           lichten ihm ein anschließendes Studium an
                                                           der Reichsuniversität für Bildende Künste in
RUNDSCHAU 2/2019 > Ausblick         19

Piet Mondrian – allgegenwärtig                     Am Marktplatz

Amsterdam (1892 – 1894). Doch hier vermisst er in bestimmten Verhältnis-Maßen. Diese wie-
Mondriaan neben der Freiheit der Kunst etwas derum überträgt er selbst in sein Alltagsleben;
solide Sinnstiftendes angesichts einer komple- so ordnet er seine Wohnung streng geometrisch
xen säkularen Welt: eine für ihn unabdingbar an, dekorative Grünpflanzen ersetzt er bewusst
wichtige Spiritualität.                             durch eine weiß angemalte künstliche Blume.
Und so tritt er in die Gemeinschaft der Refor- Persönliche Verfemung und Krieg bringen dann
mierten Kirche ein. Der Glaube an das Prinzip die Dreißiger Jahre: In der berüchtigten Münch-
einer Weltordnung als harmonisches                            ner Ausstellung „Entartete Kunst“ fin-
Gleichgewicht lässt ihn lebenslang                            den sich gleich drei seiner Werke. Er
nicht mehr los. Mit calvinistisch an-                         flieht nach England (1937), und als
mutender Strenge sucht er nach die-                           dort deutsche Bomben fallen, weiter
sem „Weltprinzip“, das für ihn auch                           nach New York.Wichtige Förderer
in seiner Kunst sichtbar gemacht wer-                         wie Peggy Guggenheim nehmen ihn
den musste. Er sammelt Eindrücke in                           wahr und namhafte Galerien stellen
Spanien, dem Land des mediterranen                            ihn aus, auch das Museum Of Modern
Sonnenlichts und dann 1911 in Paris.                          Art. 1944 stirbt er in Amerika mit 72
Dort lernt er Freiluftmalerei und Im-                         Jahren an einer Lungenentzündung.
pressionismus kennen, aber auch Fau-                          Es dauert dann noch eine kleine Wei-
vismus, Picasso und Braque und die                            le, ehe man sich in der Alten Welt
ersten Abstraktionen im Cubismus.                              wieder seiner Abstrakten Kunst erin-
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg kehrt er Mondians Bildsprache nert, dann jedoch mit Hingabe!
in die Niederlande zurück, stellt sich        im Alltag        Denn was wäre die Malerei, um ein-
hier der Öffentlichkeit mit seiner immer abstrak- mal pro domo zu sprechen, eines Josef Albers mit
ter werdenden Bildgestaltung. Zwar teilt er mit seinen monochromen Quadraten oder die Pari-
den Bauhaus-Künstlern das Prinzip der geraden ser Haute Couture eines Yves Saint Laurent in
Linie und der „Neuen Einfachheit“, nur haben den 1960er Jahren ohne „Mondrian-Geometrie?
diese für ihn eine tiefere, religiöse Bedeutung, Oder wie würde wohl ein Sean Scully – ganz
eben als Abbild der kosmisch-metaphysischen aktuell hier in Münster – heute malen ohne den
Ordnung. Streng geometrische Flächen in den „Wegbereiter der Abstrakten Moderne“ Piet
Primärfarben Gelb, Rot, Blau, getrennt durch Li- Mondrian?
nien in den Nicht-Farben Schwarz, Grau, Weiß; >> Monika Pfützenreuter
das Verhältnis von Farbfläche zu Nicht-Farbflä-
che, wie auch von Farbfeld und Linie definiert
20   RUNDSCHAU 2/2019 > Rückblick

                                    Einmal rund
                                    um die
                                    Lambertikirche
RUNDSCHAU 2/2019 > Rückblick             21

Die Lambertikirche in Münster gilt als
der bedeutendste und schönste Kirchenbau
der Spätgotik in Westfalen.

E
        rrichtet wurde das prächtige Gotteshaus      gang an der zum Kirchplatz liegenden Seite be-
        auf älteren Fundamenten als Stadt- und       findet sich ein kunstvolles Steinrelief. Dargestellt
        Bürgerkirche, finanziert von der reichen     ist die „Wurzel Jesse“, Jesus in der Geschlech-
Kaufmannschaft. Der Baubeginn war um 1375;           terfolge des Alten Testaments als Erlöser und
fertig gestellt wurde die dreischiffige Halle aber   göttliches Kind auf dem Schoße Marias, umge-
erst gut siebzig Jahre später. Namensgeber der       ben von Engeln, die anbetend vor dem Messias
Kirche ist Bischof Lambert von Lüttich. Er wurde     knien. Dieses Hochrelief ist eine Kopie der Stein-
heilig gesprochen, als er im Einsatz für die Kir-    metzarbeit aus dem Mittelalter. Das Original soll
che sein Leben verlor.                               von Hermann Göring in der Nazizeit konfisziert
                                                     und in seinem Jagdhaus installiert worden sein.
Ende des 19. Jahrhunderts drohte der alte Turm       Heute ist es im Bode-Museum in Berlin unter-
einzustürzen und musste abgerissen werden. Der       gebracht. Flankiert wird dieser Eingang von den
neue Turm wurde nach dem Vorbild des Freibur-        Heiligen Ludgerus und Bonifatius, beide mit ei-
ger Münsters errichtet und entsprach damit der       nem Bischofsstab in der Hand.
Vorstellung des damaligen Dechanten Hermann
Kappen, der sich damit gegen den erheblichen         Weiter rechts, vorbei an dem Strebepfeiler mit
Widerstand der Bürger durchsetzte. 1887 wur-         der Statue der heiligen Katharina von Alexan-
de mit dem Bau begonnen und 1896 erklangen           drien, kommt direkt die nächste Pforte, die so
wieder die Glocken von St. Lamberti.                 genannte „Brautpforte“. Sie ist seit 1922 ge-
                                                     schlossen und hat ihren Namen bekommen, weil
Größte touristische Attraktion der Lambertikir-      durch sie bis dahin nur Brautpaare die Kirche
che sind die drei Eisenkörbe, die außen am Turm      betreten durften. Über dem ehemaligen Eingang
hängen. Darin wurden 1536 die Leichname der          gibt es ein weihnachtliches Relief zu sehen: das
zu Tode gefolterten Anführer der Täuferbewe-         Jesuskind, umgeben von Maria und Josef und
gung zur Abschreckung ausgestellt. Eine weitere      anbetenden Engeln. Rechts daneben auf dem
Besonderheit der Kirche ist ihre Türmerin, sie       Pfeiler steht die Skulptur der Ordensfrau Aemi-
hat ihre Dienststelle oben im Turm, nur zu er-       lia Biccheri.
reichen über 298 Stufen. Ihre Aufgabe ist es, in
den Nachtstunden halbstündlich auf dem Horn          Geht man weiter, liest man über dem Eingang
Zeitsignale zu geben und die Bürger bei drohen-      zur Sakristei in Stein gemeißelt: „BONUS INTRA
der Gefahr zu warnen. Seit dem 16. Jahrhundert       MELIOR EXI“, was übersetzt heißt: „Als Guter
werden die Türmer in Münster nachweisbar als         tritt ein – als Besserer heraus.“
städtische Beamte geführt. 2014 hat erstmals
eine Frau das Amt übernommen.                        Vorbei an Antonius, dem Eremiten, kommt man
                                                     an eine weitere Pforte. Über einigen Stufen und
Ehe man die schöne Kirche betritt, sollte man sie    einer alten Holztür befindet sich ein Relief mit
zunächst umrunden, denn es gibt dort viel zu se-     Jesus als Schmerzensmann; er steht zwischen
hen: fünf Portale, mehr als 30 Skulpturen und        Johannes dem Täufer und Johannes dem Apos-
zahlreiche Epitaphe. Schon über dem Hauptein-        tel. Seitlich von ihnen sind figürliche Darstellun-
22   RUNDSCHAU 2/2019 > Rückblick

     Brautpforte an der Südseite      Pforte mit Ecclesia und Synagoga   Marienpforte an der Nordseite

     gen der Ecclesia und der abgewandten Synago-       Besondere Aufmerksamkeit verdient in der Folge
     ga zu sehen, Zeichen des Neuen und des Alten       das Marienportal, das seit dem 15. Jahrhundert
     Testaments.                                        sein Aussehen nicht verändert hat. Die liebliche
                                                        Madonna mit dem Kind in dem zarten Ranken-
     Nun folgen auf den Strebepfeilern weitere Hei-     werk über dem Eingang ist aber eine Kopie. Das
     ligenfiguren: Erst Klara, dann Franziskus, die     Original wurde in das Innere der Kirche an den
     Weggefährten aus Assisi, die Brüder Ewald der      rechten Chorpfeiler versetzt.
     Schwarze und Ewald der Weiße, benannt nach
     ihrer Haarfarbe, und das kaiserliche Ehepaar       Auf den folgenden Strebepfeilern sind Johanna
     Heinrich II und Kunigunde. Noch weiter rechts      mit dem Salbentopf und Gottfried von Cappen-
     davon stehen Bischof Erpho - nie heilig gespro-    berg, als Heiliger verehrt, aber nie heilig ge-
     chen, in Münster aber als Heiliger verehrt – und   sprochen, zu sehen. Die schmale Tür dahinter
     Gertrud von Nivelles, Schutzheilige der Gärtner    übersieht man leicht. Dahinter verbirgt sich der
     und Armen, die durch ihren Stab auffällt, an       Aufgang zum Turm.
     dem zwei Mäuse laufen. Nach einer kleinen Türe
     und einem zugemauerten Eingang mit einem           Und dann steht man vor der üppig gestalteten
     Epitaph geht es vorbei an weiteren Heiligenfi-     Doppelpforte an der Westseite der Kirche. Sie
     guren: Petrus Canisius, Norbert von Xanten, Ida    ist fast immer geschlossen, denn direkt vor dem
     von Herzfeld, der ersten westfälischen Heiligen,   Eingang fließt heute reger Autoverkehr. Zwi-
     und Bernhard von Clairveaux, dem Gründer des       schen den beiden Türen steht Christus als Leh-
     Zisterzienser Ordens.                              rer der Welt. Die vier Evangelisten flankieren
RUNDSCHAU 2/2019 > Rückblick         23

                                                     und wurden von den Wiedertäufern beschädigt,
                                                     ebenso wie fast alle Skulpturen, die später res-
                                                     tauriert wurden. Auch die Wasserspeier verdie-
                                                     nen Beachtung. Verschiedene Ungeheuer an
                                                     den Köpfen sollen böse Geister abwehren. Aus-
                                                     genommen davon ist ein Doppelkopf, wohl in
                                                     Anspielung auf einen Geistlichen, der das Kar-
                                                     tenspiel liebte.

                                                     Wenn das Interesse geweckt wurde und Zeit
                                                     bleibt, dann lohnt ein Besuch im Innern der Kir-
                                                     che. Auch dort gibt es viel zu entdecken. Infor-
                                                     mationen sind am Stand links hinter dem Ein-
                                                     gang zu finden.
                                                     >> Ingeborg Schoneberg

                                                     Bedanken möchte ich mich bei Stadtführer Jörg
                                                     Göbbert und dem Architekten Rudolf Söbbeke
                                                     für ihre freundliche Unterstützung auf der Suche
Turmportal Westseite                                 nach Informationen.

die beiden Eingänge. An der linken Türe sind
es Markus und Matthäus und an der rechten
Johannes und Lukas, die deutlich die Gesichts-
züge von Schiller und Goethe tragen. Desweite-
ren stehen dort Skulpturen von verschiedenen
Kirchenlehrern und Seelsorgern. Im Tympanon
darüber befinden sich zwei Mosaiken: links ist
die Hingabe des Herrn an Petrus und Johannes
in der Eucharisti dargestellt, rechts die Berufung
von Petrus durch den Auferstandenen zum Wei-
den seiner Herde.

Der Rundgang endet an dem Strebepfeiler an der
Ecke zum Prinzipalmarkt. Dort steht Lambertus,
der Namensgeber der Kirche, und weist mit sei-
nem Bischofsstab hin auf den Prinzipalmarkt,
Münsters gute Stube.

Wegen der Fülle der Darstellungen bleiben in
der Beschreibung die zahlreichen Epitaphe aus-
gespart. Sie stammen alle aus dem Mittelalter
24   RUNDSCHAU 2/2019 > Rückblick

                                                                                    …

     Diese drei Wörter genügen,                         schleimbedeckter Frosch, nachdem ihn die Kö-
     um uns zurück zu versetzen in                      nigstochter in ihrem Schlafzimmer angeekelt an
                                                        die Wand geworfen hat, plötzlich zum schönen
     längst vergangene Kinderjahre.                     jungen Prinzen.

     E
           in bunter Reigen zieht vorbei: Rotkäpp-      Man kann sagen, die Hörer erleben Abenteuer
           chen, der Froschkönig, Dornröschen und       zusammen mit ihren Helden. Dabei ist das Wich-
           Aschenputtel, um nur einige der Kinder-      tigste, dass die Geschichten immer gut enden.
     und Hausmärchen (KHM) der Brüder Grimm zu          Das Böse wird bestraft, das Gute siegt. Die Welt
     nennen. Ursprünglich waren die Märchen münd-       wird dadurch ein kleines bisschen besser, und
     lich überlieferte Phantasie-Erzählungen, die       der Leser ist mit dem Ausgang zufrieden und
     aber zum Glück hin und wieder aufgeschrieben       nimmt ein gutes Gefühl mit in seinen Alltag.
     wurden. In ihnen geschieht wirklich Unglaubli-
     ches, doch im Märchen gehört Wunderbares zur       Wie man bei Hans Jörg Uther in seinem 2007
     Handlung. So unterhält sich der Wolf längere       erschienenen Buch nachlesen kann, sind die
     Zeit mit Rotkäppchen, denn er möchte auch die      Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm
     Großmutter fressen und erfährt nun von Rot-        neben der Luther-Bibel das bekannteste Werk
     käppchen, wo sie wohnt. In der Aschenputtel-       der deutschen Kulturgeschichte. Heute gibt
     Erzählung wirft der Haselbusch auf dem Grab        es in über einhundertsiebzig Sprachen Über-
     der Mutter drei Mal ein prächtiges Ballkleid mit   setzungen. Und im Juni 2005 wurden die Kas-
     allem Zubehör über die Tochter. Von ihrer Stief-   seler handschriftlichen Exemplare der Brüder
     mutter ist sie zur Küchenmagd gemacht worden,      Grimm aufgenommen in das Weltdokumenten-
     doch am Ende erwählt sie der Prinz zu seiner       erbe der UNESCO. So sind die Kinder-und Haus-
     Frau. Und im „Froschkönig“ wird ein kalter,        märchen auch heute noch lebendig.
RUNDSCHAU 2/2019 > Rückblick            25

Allerdings, Märchen gab es auch schon in der        träge erhielten die Brüder schriftlich aus ihrem
Antike. Und dann spannt sich der Bogen weiter       Freundeskreis. Das Märchen vom Fischer und
über Italien und Frankreich bis hin zu uns. 1550    seiner Frau erhielten die Grimms über Achim
veröffentlichte Giovan Straparola in Italien eine   von Arnim zugeschickt, nachdem es vom Maler
erste Märchensammlung, die aber wegen ihrer         Philipp Otto Runge im Pommerschen Platt fest-
Derbheit auf den Index kam. Etwa 100 Jahre          gehalten wurde. Überarbeitet wurden die Texte
später, 1634, veröffentlichte der Napolitaner       von beiden Brüdern, aber bald lag die Kleinar-
Giambattista Basile eines der bedeutendsten         beit zunehmend in Wilhelms Händen, denn alles
Märchenbücher der Welt. Das Werk ist bei uns        musste handschriftlich abgefasst werden. Ohne
unter dem Namen „Pentamerone“ bekannt, weil         das tiefe Verständnis der beiden Brüder für die
es 50 Märchen enthält. Später wies Jacob Grimm      deutsche Sprache wären Grimms Märchen nicht
bei Basile mehr als dreißig Märchen nach, die       geworden, was sie jetzt sind. Als Beispiel sei hier
sich auch in der deutschen Überlieferung finden.    der Froschkönig zitiert. Das Märchen eröffnete
                                                    von jeher die Sammlung der Brüder Grimm. Wil-
Noch wichtiger für unsere Märchentradition aber     helm Grimm öffnet dem Leser das Tor zur Mär-
sind die französischen Sammlungen, besonders        chenwelt mit dem Satz „In den alten Zeiten, wo
die von Charles Perrault. Im Jahre 1697 gab er      das Wünschen noch geholfen hat …“. Und schon
seine glänzend erzählten Prosamärchen heraus.       sind wir in einer fernen, wunderbaren Welt.
In ihnen spiegelt sich deutlich der Lebensstil
am Hofe Ludwigs XIV. Bei Perrault finden wir        Obwohl gerade in der Napoleonischen Zeit und
viele alte Freunde: Dornröschen, Rotkäppchen,       den folgenden Freiheitskriegen ein großes Be-
Aschenputtel und viele mehr. Seit 1712 kennen       dürfnis nach Zeugnissen nationalen Ursprungs
wir auch die Übersetzung von Antoine Galland        bestand, war der Zuspruch zur Grimm´schen
von 1001 Nacht aus dem Arabischen. Vor diesem       Sammlung nur zögernd. Erst die preiswertere so-
Hintergrund begann die Märchensammlung der          genannte „Kleine Ausgabe“, die erstmalig 1825
Brüder Grimm. Geboren wurden sie in Hanau in        erschien, brachte den KHM ihre große Popula-
Hessen, Jacob 1785, Wilhelm 1786. Es folgten        rität. Dieses Buch enthält nur fünfzig Märchen
noch vier jüngere Geschwister. 1796 starb der       und war sofort ein Verkaufserfolg. Bereits bis
Vater. Er war Jurist, und nach seinem Wunsch        1859 waren zehn Auflagen der „Kleinen Ausga-
studierten die beiden Ältesten ab Anfang 1800       be“ und sieben Auflagen der „Großen Auflage“
in Marburg die Rechtswissenschaften. Hier fie-      erschienen. Bis in unsere Zeit leben die Märchen
len sie dem jungen Dozenten Carl von Savigny        der Brüder Grimm und zunehmend sind sie auch
auf. Dieser lehrte Rechtsgeschichte und war         Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.
durch seinen Schwager, den Dichter Clemens
Brentano, sehr interessiert am literarischen        Denn noch heute gilt das Goethe Wort „Was Du
Erbe der deutschen Vergangenheit. Savigny ver-      ererbt von Deinen Vätern, erwirb’ es, um es zu
mittelte die Verbindung mit Brentano und von        besitzen“.
Arnim. Daher sammelten die Brüder Volkslieder       >> Dr. Ursula Feldmann
und später auch Märchen für „des Knaben Wun-
derhorn“.

So kam es, dass aus zwei zukünftigen Juristen
die „Gründungsväter der Germanistik“ wur-
den. 1812 überredet von Arnim die Brüder, die
Sammlung zu veröffentlichen. Die ersten Exem-
plare lagen zu Weihnachten vor. Die meisten Bei-
26   RUNDSCHAU 2/2019

     Spaß mit Limericks
     beim Gedächtnistraining mit Frau Waleczek wird viel gelacht.
     Das ist weit über die Kurse hinaus bekannt.
     So auch bei einer der letzten Stunden. Da hieß
     unsere Hausaufgabe: „Bitte schreiben Sie Lime-                     Karl-O
                                                                                  tto aus
     ricks!“ Limericks waren ursprünglich gesunge-                     macht               Neurup
                                                                                                    pin
                                                                                  beim L
     ne Stehgreifverse aus Limerick, einer Stadt in                                       otto ’n
                                                                      Er kau                      en Ries
                                                                                ft sich                    engewi
     Irland. Es sind kurze, in der Regel scherzhafte                                     ’ne Vill                 nn.
                                                                      und lie                     a
                                                                                 st jetzt
     Gedichte in fünf Zeilen mit dem Reimschema                      doch d               auch S
                                                                               ie Gem             chilla,
     aa, bb, a. Die fünfte Zeile sollte in der Regel mit                                ütlichk
                                                                     Peter Roß                   eit ist h
                                                                               bach                        in.
     einer Variante der ersten Zeile abschließen. Oft
     wird hier ein pointiertes Urteil über die genann-
     te Person gefällt.

     Hier nun einige Beispiele unserer dichterisch
     veranlagten Mitbewohnerinnen und -bewohner:
                                                                                                 s Bayern
                                                                                 äschen au
                                                                    Ein Osterh                       la r mit den E
                                                                                                                    iern.
                                                                                          n ic h t k
                                                                                  fach
                                                                    kommt ein
                                                                                                   ?
                                                                                   h bloß tun
                                                                    „Was soll ic
                                                                                                   hn!“
                                                                                  ch kein Hu
                                                                     Ich bin do                          em Feiern.
        Die schnö                                                            d w o h l n ichts aus d
                     de verlass                                      Es wir
                                  ’ne Frau K
        erwartet v
                     oll Sehnsu              ieling                   Peter Roßbach
                                  cht den F
       Denn da                              rühling.
                    liegt in d
                               er Luft
       ein betöre
                    nder Duft
                                ,
      der erzeu
                   gt ein beso
                                nderes fee
      Jutta Feuera                         ling.
                   bend

                                                                         Ein För
                                                                                  ster in
                                                                        Fuhr sa            grünem
                                                                                  mstags             Gewan
                                                                                            zur Ja           d
                                                                        Schoss                     g d auf d
                                                                                Hase u                       as Lan
                                                                                         nd Reh                     d.
                                                                       Und si
                                                                               ch selb
                                                                                        st in de
                                                                       dann v                    n Zeh,
                                                  Nil,                          erlor se
                                                                                         i n
                                   m  fernen                          Ingeborg               e Spur si
                                                                                                       ch im S
                              gt a                      il.                    Ollman
             o  u  g las ja             i n  K rokod                                                           and.
       Sir D                       ss e
                            Schlo                      ssen,
              f e h lt im              a n  z verge
        ihm                          g
                              at er              fresse
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                 l e i der h              h e n
         Doc h                      n s c                    iel.
                     o k o d ile Me            i c h t ans Z
         dass K
                   r                  t er n
                       r u m  komm
                    a
          Und d             mann
                   ula Feld
          Dr. Urs
RUNDSCHAU 2/2019     27

                                                     Vielleicht haben ja auch Sie, liebe Leserinnen
  Es war
           ein Jün
                      gling i
                                                     und Leser, Lust, sich der Dichtkunst zu widmen
  dem wa                      n Müns
            r es in M                   ter,         und sich an Limericks zu versuchen? Über Ihre
  Da flog              ü n ster zu
            er in ei
                      n Sonn
                                     finster.        Einsendungen freuen wir uns sehr!
 wo er se                     enland                 > Die Redaktion
           hr viele                     ,
 Schon h              Palmen
           atte er               fa nd.
Ingeborg             Sehnsu
         Schonebe            c h t nach G
                  rg                       inster.

                         FAST VERGESSENE WÖRTER

                                    „Anmut“
    A
           nmut, welch ein schönes Wort! Aus         Keines dieser Worte trifft genau das, was An-
           dem Althochdeutschen abgeleitet,          mut meint, aber fast alle diese Begriffe sind
           bedeutet das Verb „anemuoten“ so-         in unserer Vorstellung von Anmut enthalten.
    viel wie anmuten, das begehren, was den          In „Anmut und Würde“ sieht Friedrich Schil-
    Sinnen gefällt. In unserer Vorstellung ist An-   ler Anmut als „freie Bewegung in Schönheit“.
    mut immer verbunden mit Schönheit. Aber          Und weiter: „Die architektonische Schönheit
    Schönheit alleine sagt noch längst nicht das     kann Wohlgefallen, kann Bewunderung er-
    aus, was Anmut meint. Alle Anmut ist schön,      regen; nur die Anmut wird hinreißen.“
    doch längst nicht alles Schöne ist anmutig.
                                                     Das schöne Wort hat im heutigen Sprach-
    Unter dem Stichwort „Anmut“ bietet der Du-       gebrauch kaum noch eine Bedeutung. Es
    den viele Synonyme an. Neben Schönheit           scheint aus der Zeit gefallen. Anmut, wo bist
    stehen da u. a. Grazie, Harmonie, Zartheit,      du geblieben?
    Liebreiz, Leichtigkeit und Ausstrahlung.         > Ingeborg Schoneberg.

                      Haben auch Sie vielleicht das ein oder andere
                     Wort, das Sie vor dem Vergessen bewahren möch-
                             ten? teilen Sie es uns gerne mit!
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