Ein leiser Klimabaustein - Die Zukunft der Elektromobilität - Öko-Institut
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März 2022 Nachhaltiges aus dem Öko-Institut Ein leiser Klimabaustein Die Zukunft der Elektromobilität Ein elektrisches Bürgerauto Mobil auf dem Land Mythen widerlegen Interview mit Drs. Auke Hoekstra Gute Klimazertifikate Eine Kolumne von Dr. Lambert Schneider
2 IM FOKUS I OBERREICHENBACH Inzwischen kommt sogar Besuch aus Verkehr – das hat die Umsetzung sehr viel Tunesien. Aber auch aus Aachen und einfacher gemacht“, so Kistner. Zwischen Pforzheim sind Menschen nach Oberrei- 8 und 20 Uhr kann das E-Bürgerauto in chenbach gereist, um sich anzuschauen, Oberreichenbach genutzt werden, eine wie das funktioniert – Elektromobilität im Fahrt innerhalb eines Ortsteils kostet ei- ländlichen Raum. Denn schon seit 2012 nen Euro, für zwei Euro geht es in einen betreibt die 3.000-Einwohner-Kommune anderen Ortsteil und für drei Euro in die im Nordschwarzwald das so genannte Nachbargemeinde. „Die Fahrten werden Elektro-Bürgerauto. „Wir waren die ersten, telefonisch bei den Fahrerinnen und die so etwas in Deutschland umgesetzt Fahrern gebucht – sie zu finden, war die haben“, sagt der Bürgermeister Karlheinz größte Herausforderung“, erklärt der Bür- Kistner, „Ziel war es, die Mobilität in Ober- germeister. „Sie tun dies ehrenamtlich, reichenbach zu verbessern, denn hier bekommen aber eine Aufwandsentschä- gibt es keine Apotheke, keinen Zahnarzt, digung von 20 Euro am Tag.“ Rund 2.000 keinen Klamottenladen.“ Personen nutzen das Elektro-Bürgerauto im Jahr, die meisten davon Seniorinnen Am Anfang standen viel Organisation und Senioren, die sich damit vor allem und Bürokratie, die Gemeinde musste ins Krankenhaus sowie zu Ärztinnen und sich mit der Fahrerlaubnis-Verordnung Ärzten bringen lassen. Zwei Partner – die ebenso auseinandersetzen wie mit dem Energie Calw (ENCW) sowie das Renault Personenbeförderungsgesetz. „Da Ober- Autohaus Lohre aus dem nahe gelege- reichenbach damit kein Geld verdient, nen Ostelsheim – begleiten das Projekt sondern über 10.000 Euro jährlich dafür von Anfang an. „Die ENCW hätte das Auto ausgibt, gilt es als genehmigungsfreier nach dem ersten Jahr übernommen, Das Elektro-Bürgerauto von Oberreichenbach
3 wenn die Nachfrage zu gering gewesen nach der Nutzung an einer beliebigen wäre, das hat unser finanzielles Risiko Station von deer zurückgegeben werden. deutlich reduziert.“ Elektromobilität im ländlichen Raum – in Zusätzlich rief Oberreichenbach das Pro- Oberreichenbach beweisen Kistner sowie jekt Elektro-mobile Schule ins Leben. Ein seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter, weiteres Elektrofahrzeug wird an der Be- dass sie funktioniert. „Weil es einfach ist, rufsschule für die Lehre eingesetzt, etwa es gibt keine großen Hürden für die Nut- für Fahrsicherheitstrainings oder kleinere zung“, so der Bürgermeister, „das Wich- Wartungen, aber auch als Dienstfahrzeug tigste sind außerdem die Menschen, für für die Verwaltung der Stadt Calw sowie die es gedacht ist. Nicht das Geld oder als zweites Elektro-Bürgerauto. Doch da- die Autos.“ Dass die Gemeinde bereits mit war es der Gemeinde nicht genug. mehrere Preise bekommen hat – etwa Seit 2018 gibt es in Oberreichenbach beim Bundeswettbewerb „Kommunaler auch Carsharing mit Elektroautos, durch- Klimaschutz 2012“ – liegt sicher nicht nur geführt in Kooperation mit dem ENCW- an der Idee. Sondern auch an dieser Ein- Tochterunternehmen deer Carsharing. stellung. „Seit 2020 gibt es in allen vier Ortsteilen ein Fahrzeug“, sagt Karlheinz Kistner, „es Christiane Weihe steht an einer Mobilitätsstation, an der eine Ladesäule, die Bushaltestelle, ein k.kistner@oberreichenbach.de Parkplatz und Fahrradständer zusam- https://www.oberreichenbach.de/ menkommen.“ Das Carsharing-Auto kann https://bit.ly/3smEH0v Elektromobilität im ländlichen Raum
4 INHALT 10 Mehr Elektrofahrzeuge! Der gewerbliche Bereich IM FOKUS: ELEKTROMOBILITÄT 2 Das Elektro-Bürgerauto von Oberreichenbach Elektromobilität im ländlichen Raum 6 Von Rohstoff bis Recycling Ressourcenbedarf der Elektromobilität 10 Neun Jahre für 14 Millionen Elektromobilität in Unternehmen 12 „Die meisten Menschen, die gegen Elektrofahr- zeuge sind, haben wahrscheinlich noch nie in einem gesessen“ Interview mit Drs. Auke Hoekstra (Technische Universität Eindhoven) 6 13 Porträts Moritz Mottschall (Öko-Institut) Alle Möglichkeiten ausschöpfen Pia Marchegiani (FARN) Eine langfristig nachhaltige Rohstoffversorgung Martin Kyburz (KYBURZ AG) ARBEIT Freiwillige Klimakompensation 14 Von der Elektrifizierung bis zur Plastikabgabe Die Qualität von Klimaschutzzertifikaten Aktuelle Projekte, neue Ideen Eine Kolumne von Dr. Lambert Schneider 16 Von Wasserstoff bis zur Endlagerung 18 Kurze Rückblicke, abgeschlossene Studien PERSPEKTIVE 18 Freiwillige Klimakompensation Die Qualität von Klimaschutzzertifikaten EINBLICK 19 Vom Mobilitätsteam bis zum Jahresbericht Neuigkeiten aus dem Öko-Institut VORSCHAU 20 Der Fitness-Check Sind wir bereit für 2030?
EDITORIAL I IMPRESSUM 5 Endlich auf Erfolgsspur Elektromobilität war lange der Außenseiter, selbst noch vor wenigen Jahren. Bei neu zugelas- senen Autos lag der Anteil von solchen mit Elektroantrieb 2016 noch bei unter einem Prozent. 2020 schnellte dieser Wert auf 13 Prozent. Die Zahl der verfügbaren Modelle hat sich zwischen 2015 und 2020 fast vervierfacht. Und auch bei der zweirädrigen Mobilität haben elektrische Antriebe eine beachtliche Aufwärtskurve hingelegt. Elektrofahrzeuge sind auf dem Weg. End- lich. Denn sie sind ein wesentlicher Baustein für die dringende Transformation des Verkehrs- sektors und der Automobilwirtschaft. Der weitere Weg der Elektromobilität braucht Planungssicherheit und die richtigen Rahmen- bedingungen. Richtung und Geschwindigkeit sind dabei zunehmend klar: Die EU plant, dass in Europa in 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Und der Koalitions- vertrag sieht 15 Millionen vollelektrische Pkw und eine Million öffentliche Ladepunkte bis Ende 2030 vor. Doch noch fehlt es in den Plänen der Ampel an wirksamen Instrumenten, mit denen die anspruchsvollen Ziele erreicht werden können. Nötig sind viele unterschiedliche Maßnahmen. Hierbei geht es neben dem Ausbau und der Förderung der Infrastruktur auch Jan Peter Schemmel um die weitere Anschärfung der Emissionsgrenzwerte sowie um finanzielle Anreize und pas- Sprecher der Geschäftsführung sende Förderungen. Was an dieser Stelle aber auch nicht vergessen werden sollte: Unsere Mo- des Öko-Instituts bilität muss sich grundlegend ändern. Bei aller Sympathie für Elektrofahrzeuge: Ein Kilometer, j.schemmel@oeko.de der statt mit dem Pkw zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem elektrisch betriebenen Bus zurück- gelegt wird, ist natürlich immer noch der umweltfreundlichere. Apropos Umweltfreundlichkeit: Ein Kritikpunkt ist immer wieder der Ressourcenverbrauch von Elektromobilität, auf den wir auf den folgenden Seiten ausführlich eingehen. Wer sich über den Rohstoffbedarf von Elektroautos beschwert, muss diesen aber auch mit der Alterna- tive, mit fossilen Energieträgern betriebenen Fahrzeugen, vergleichen – bezüglich der Menge wie auch der Bedingungen und Implikationen der jeweiligen Rohstoffgewinnung. Die Bilanz fällt deutlich pro Elektroantrieb aus. Aber natürlich müssen wir uns auch bei diesem um Bat- terierecycling und nachhaltige Rohstoffgewinnung kümmern. Die Elektromobilität ist auf dem Weg, auch am Öko-Institut. Wir bieten unseren Mitarbeiten- den seit 2020 ein so genanntes Job-Rad als Teil der Vergütung an. Hierzu gehören auch Elek- trofahrräder, die gerade von Beschäftigten mit langen Arbeitswegen gerne genutzt werden. Für sie, für uns ist die Elektromobilität eine überzeugende Technologie. Und dabei können wir mit immer mehr Fahrzeugherstellern, die auf Elektromobilität setzen, sicher noch von Techno- logiesprüngen in den kommenden Jahren ausgehen. Welche erwarten Sie? Ihr Jan Peter Schemmel Weitere Informationen zu unseren Themen finden Sie im Internet unter www.oeko.de/epaper eco@work – März 2022 – ISSN 1863-2009 – Herausgeber: Öko-Institut e.V. Redaktion: Mandy Schoßig (mas), Christiane Weihe (cw) – Verantwortlich: Jan Peter Schemmel Weitere Autorinnen und Autoren: Hauke Hermann, Anette Nickels (ani), Jan Peter Schemmel, Dr. Lambert Schneider Druckauflage: 1.900. Im Internet verfügbar unter: www.oeko.de/epaper Gestaltung/Layout: Tobias Binnig, www.gestalter.de – Technische Umsetzung: Markus Werz – Gedruckt auf 100-Prozent-Recyclingpapier Redaktionsanschrift: Borkumstraße 2, 13189 Berlin, Tel.: 030/4050 85-0, Fax: 030/4050 85-388, redaktion@oeko.de, www.oeko.de Bankverbindung für Spenden: GLS Bank, BLZ 430 609 67, Konto-Nr. 792 200 990 0, IBAN: DE50 4306 0967 7922 0099 00, BIC: GENODEM1GLS Spenden sind steuerlich abzugsfähig. Bildnachweis: Titel © Harald Schindler – stock.adobe.com; S.2/3 © Iakov Kalinin – stock.adobe.com; S.4 links © RHJ – stock.adobe.com, rechts © Petair – stock.adobe.com; S.6/7 © Henri Koskinen – stock.adobe.com; S.12 © mmphoto – stock.adobe.com; S.13, rechts: © KYBURZ Switzerland AG; S.14 © grafikplusfoto – stock.adobe.com; S.15 oben © demarco – stock.adobe.com, unten © rdnzl – stock.adobe. com; S.16 © SmirkDingo – stock.adobe.com; S.18 © nblxer – stock.adobe.com; S.19 unten © DianaH – stock.adobe.com; andere © Privat oder © Öko-Institut, Ilja C. Hendel
7 Die Elektromobilität ist Kritik gewöhnt. Egal, ob es lich müssen wir aus sozialer und ökologischer Sicht um Reichweiten, die Ladeinfrastruktur oder die auch bei der Elektromobilität genau hinschauen. CO2-Emissionen bei der Herstellung der Autos geht. Ihren Ressourcenbedarf analysieren und so nach- Aber auch der Ressourcenbedarf von Elektrofahr- haltig wie möglich gestalten, Recyclingmöglichkei- zeugen sowie die damit verbundenen Folgewir- ten ausschöpfen und weiterentwickeln. Dabei darf kungen stehen immer wieder im Fokus – so etwa jedoch nicht vergessen werden, dass auch das mit Blick auf die Wassernutzung in Lateinamerika. „Konkurrenzprodukt“, der Verbrenner, einen im- In den Batterien von Elektrofahrzeugen sind hohe mensen Ressourcenbedarf hat. Wie die Elektromo- Mengen wertvoller Metalle verbaut. Sie können – je bilität im Vergleich dazu abschneidet und welche nach Batterietyp – zwischen 5 und 12 Kilogramm Möglichkeiten einer langfristig nachhaltigen Roh- Kobalt sowie zwischen 4 und 15 Kilogramm Lithi- stoffversorgung es gibt, damit beschäftigen sich um enthalten. Manche Batterien kommen aber auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch bereits ganz ohne Kobalt aus. Klar ist: Natür- des Öko-Instituts.
8 IM FOKUS Wer den Ressourcenbedarf der Elek- tromobilität betrachtet, sollte dies ELEKTRO VS. VERBRENNER ganzheitlich tun: Von der Gewinnung der Rohstoffe über die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien bis hin zum Re- Beim Blick auf den Ressourcenbedarf cycling. Im aktuellen, von der EU geför- der Elektromobilität wird zudem oft aus derten Projekt „RE-SOURCING“ arbeitet dem Blick verloren, dass auch die Mo- das Öko-Institut genau daran. Gemein- bilität mit Verbrennungsmotoren viele sam mit elf Partnern betrachten die Wis- Ressourcen benötigt. Vor allem: Erdöl. senschaftlerinnen und Wissenschaftler In der Studie „Resource comsumption koordiniert von der Wirtschaftsuniversi- of the passenger vehicle sector in Ger- Erreicht die Elektro- tät Wien den Bereich der Erneuerbaren many until 2035 – the impact of diffe- mobilität bis 2035 in Energien, den Elektronik- sowie den rent drive systems“ hat das Öko-Institut Deutschland einen 100 Mobilitätssektor. „Wir entwickeln eine gemeinsam mit ifeu und T&E den deut- Anteil von Roadmap, die zeigt, wie bis 2050 die schen Pkw-Sektor bis 2035 im Auftrag Wertschöpfungskette von Lithium-Io- des Bundesumweltministeriums erst- nen-Batterien nachhaltig gestaltet wer- mals aus Ressourcenperspektive bewer- den kann. Dabei widmen wir uns mit tet. In einem Szenario, das bis 2035 eine Blick auf Lithium, Kobalt, Nickel und Gra- Umstellung auf 100 Prozent Elektromo- phit dem Abbau der Rohstoffe, der Bat- bilität annimmt, zeigt sich dabei etwa, Prozent, sinkt der terieproduktion sowie dem Recycling“, wie viel Erdöl eingespart werden könn- Erdölbedarf auf sagt Dr. Johannes Betz, Wissenschaftler te. „Darin reduziert sich der Erdölbedarf etwa die Hälfte. im Bereich Ressourcen & Mobilität. „In auf etwa die Hälfte“, sagt Johannes Betz, einem ersten Schritt haben wir den Ist- „so können auch die zahlreichen sozia- Zustand abgebildet, nun analysieren len und ökologischen Probleme verrin- wir besonders positive Beispiele aus gert werden, die mit der Gewinnung der Praxis.“ Zusätzlich untersucht das und Nutzung verbunden sind.“ Der Projektteam die Standards und gesetz- Experte vom Öko-Institut meint damit lichen Rahmenbedingungen in diesen etwa die Verseuchung riesiger Landstri- Bereichen. „RE-SOURCING soll die Politik che in Russland, dem größten Erdöllie- lität ausgehen. „Selbst wenn sich etwa dabei unterstützen, die richtigen Strate- feranten für Deutschland, oder auch die der Bedarf an Lithium bis 2035 weltweit gien und effektive Maßnahmen zu ent- großen Umweltprobleme in den USA. verzehnfacht, liegt er jährlich immer wickeln. Aber auch Unternehmen und „Auch für Nigeria bringt die Erdölge- noch bei weniger als einem Prozent der Zivilgesellschaft sind gefragt – etwa mit winnung massive Probleme mit sich: Ressourcen, die heute bekannt sind.“ Blick auf nachhaltiges Wirtschaften oder Das reicht von Unglücken und Bränden Das vorhandene Lithium könne den ein höheres Bewusstsein für eine nach- durch angezapfte Ölleitungen über die Bedarf decken, auch wenn temporäre haltigere Ressourcengewinnung.“ Verseuchung des Nigerdeltas bis hin zu Engpässe etwa aufgrund von zu we- der Tatsache, dass vor allem eine kleine nigen Anbietern nicht auszuschließen Auch der Betrieb selbst spielt natürlich Elite davon profitiert.“ sind. für die Nachhaltigkeitsbilanz von Elek- trofahrzeugen eine wichtige Rolle. In Zusätzlich widmete sich das Projekt- Eine zentrale Rolle für die Nachhaltig- Sachen CO2-Einsparung, so der Experte team auch Metallen wie Lithium, Kobalt keit von Elektrofahrzeugen spielt ihr vom Öko-Institut, haben sie die Nase oder Kupfer. „Wir gehen in unserem Sze- Herzstück – die Batterie – und damit im Vergleich zu Verbrennern vorn. „Jede nario davon aus, dass der höchste Be- auch die Frage, was mit ihr passiert, wissenschaftlich korrekte Studie, die ak- darf an Primärrohstoffen 2035 erreicht wenn das Auto entsorgt werden soll. tuelle Werte verwendet, zeigt, dass die sein wird“, so Betz, „der Anteil von recy- „In Europa werden alle gesammelten E-Autos hier unterm Strich besser ab- celten Metallen aus Antriebsbatterien Batterien recycelt und Rohstoffe wie schneiden. Zwar verursacht die Herstel- wird kontinuierlich steigen und damit Kobalt, Nickel oder Kupfer zurückge- lung eines E-Autos mehr Treibhausgase, die Nachfrage nach Primärrohstoffen wonnen“, sagt Betz, „bei Lithium ist das im Betrieb macht es dies aber wieder senken. Es braucht hierfür aber auch technisch bislang leider relativ schwie- wett. Wer elektrisch mobil ist, trägt au- ehrgeizige Recyclingziele.“ Der Wissen- rig, deswegen wird es in den meisten ßerdem zu einer besseren Luftqualität schaftler sieht keine Grundlage für die Fällen noch nicht recycelt.“ Aus Sicht bei, weil lokal deutlich weniger Luft- Befürchtung, dass uns in Zukunft die des Wissenschaftlers fehlen derzeit schadstoffe entstehen.“ Schlüsselmaterialien der Elektromobi- auch die regulativen Rahmenbedin-
9 gungen hierfür. „Die bisherigen Vor- wendet werden.“ Wichtig sei darüber gaben schauen nur auf die Masse und hinaus, schon heute an ein umfassen- legen ein Recyclingziel von 50 Prozent des Recycling zu denken. „Derzeit gibt fest. Das wurde jedoch in der Vergan- es noch keine großen Batterieströme, genheit teils schon erreicht, wenn man auch weil die Fahrzeuge recht lange nur das Batteriegehäuse zum Recycling halten. Aber wenn die Zahl der Elektro- gegeben hat.“ Daher braucht es Ziele, fahrzeuge nun deutlich steigt, wird sich die dafür sorgen, dass alles zurückge- das natürlich ändern.“ wonnen wird, das technisch unter den 64 besten Bedingungen möglich ist. Einen Zu einer ganzheitlichen Betrachtung wichtigen Impuls hierfür kann die neue des Ressourcenbedarfs der Elektromo- Batterieverordnung der Europäischen bilität gehört auch, eine Zweitnutzung Kommission geben, deren Verabschie- zu betrachten. Denn schon heute wer- dung für Mitte 2022 erwartet wird. „Die den Gedanken laut, ausgediente Elek- EU-Kommission schlägt vor, die Ziele für trofahrzeuge und Batterien in Länder die Gesamtmenge der recycelten Masse des globalen Südens zu exportieren. zu erhöhen und gleichzeitig spezifische „Wenn das umgesetzt wird, muss es Prozent der Lithium-Ionen- Recyclingziele für Nickel, Kobalt, Kupfer aber Mindestkriterien geben. Für die Batterien wurden 2018 in der und auch Lithium festzulegen.“ Zusätz- Qualität der Batterien ebenso wie für Elektromobilität eingesetzt. lich soll es Vorgaben für den Einsatz von die Frage, wer später das Recycling Recyclingmaterial in neuen Batterien übernimmt. Es darf nicht passieren, geben. Wichtig sei zudem die Definiti- dass minderwertige Ware exportiert on, was tatsächlich als Recycling zählt. wird und die Lithium-Ionen-Batterien Doch egal, ob es um Bergbau, Produkti- „Derzeit gilt es in vielen europäischen dann vor Ort für große Probleme sor- on, Nutzung, Zweitnutzung oder Recy- Ländern schon als Recycling, wenn die gen – so etwa für Brände auf Deponien.“ cling geht – grundsätzlich, schließt der Rohstoffe später im Straßenbau ver- Wissenschaftler vom Öko-Institut, sei es auch aus Ressourcensicht natürlich am besten, ganz auf ein Auto zu verzich- ten. „Auch dann kann man natürlich die AUF ZWEI BIS ZWÖLF RÄDERN Vorteile der Elektromobilität genießen – etwa mit einem E-Bike oder dem E- Wer mit Strom unterwegs sein will, kann dies heute sehr vielfältig tun. Denn Bus der örtlichen Verkehrsgesellschaft.“ Elektrofahrzeuge gibt es in zahlreichen Facetten: E-Fahrrad, E-Scooter, E-Motor- roller, E-Autos in unterschiedlichen Fahrzeugklassen, E-Busse und sogar E-Lkw Christiane Weihe (siehe hierzu Neun Jahre für 14 Millionen auf Seite 10). Gerade die zweirädrige E-Mobilität erfreut sich hierzulande einer schnell stei- genden Beliebtheit. So wurden 2020 fast zwei Millionen E-Bikes verkauft, 2015 waren es noch gut eine halbe Million. Die so genannten E-Scooter haben vor allem in den Städten einen hohen Zuwachs erfahren: Allein in Berlin waren im Jahr 2019 etwa 11.000 von ihnen unterwegs. Da sie jedoch oft nur für kurze Strecken genutzt werden, die sonst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, haben sie in Sachen Nachhaltigkeit nicht den besten Ruf. Dies liegt auch an der bislang meist geringen Lebensdauer der E-Scooter. Sie könnten Mobilität aber nachhaltiger machen, wenn sie länger genutzt werden und Au- tofahrten ersetzen. Auch E-Motorroller sind inzwischen in einer großen Band- breite zu haben – und auch hier wächst der Markt. Der Chemiker Dr. Johannes Betz promovierte 2020 am MEET-Batterie-Forschungszentrum der Neben den zweirädrigen E-Fahrzeugen gewinnen auch größere Fortbewe- Universität Münster. Im selben Jahr begann er gungsmittel mit elektrischem Antrieb an Boden. So etwa die E-Busse: Ihre Zahl seine Tätigkeit im Bereich Ressourcen & Mobilität des Öko-Instituts, wo er nun zu Elektromobilität, hat sich zwischen 2019 und 2020 mehr als verdoppelt. Derzeit ist ihr Gesamt- Ressourcenverbrauch und Kreislaufwirtschaft, anteil am ÖPNV zwar immer noch sehr gering – er liegt bei rund 1,4 Prozent aber auch Kunststoffrecycling sowie Bergbau – doch ein weiteres Wachstum wird erwartet. und Rohstoffverarbeitung arbeitet. j.betz@oeko.de
10 IM FOKUS Neun Jahre für 14 Millionen Elektromobilität in Unternehmen Sie sind bereits ein gewohnter Anblick im Straßenbild: Fahrräder, Roller, Au- tos oder Busse, die mit einer Batterie statt mit Benzin im Tank unterwegs sind. Und ihre Zahl steigt: Im Jahr 2021 lag etwa der Anteil rein elektrischer Pkw an den Neuzulassungen laut Kraftfahrtbundesamt bei 13,6 Prozent – im Vorjahreszeitraum lag dieser Wert noch bei 6,7 Prozent. Im August 2021 15 waren auf deutschen Straßen erst- mals eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs, davon fuhren 54 Prozent Mindestens rein elektrisch. Ein Erfolg – und doch noch weit entfernt von dem, was die neue Bundesregierung im Koalitions- vertrag plant: Bis 2030 soll es hierzu- Millionen reine Elektrofahrzeuge soll lande mindestens 15 Millionen reine es laut dem Koalitionsvertrag bis Elektroautos geben. Für dieses Ziel 2030 in Deutschland geben. braucht es nicht nur die positive Ent- wicklung eines dynamischen Marktes, sondern passende Rahmenbedingun- gen und wirksame Instrumente. Ein Elektrofahrzeuge haben viele Vorteile wagen zu benutzen als einen privaten wesentlicher Hebel liegt im gewerbli- für Unternehmen. Dennoch liegt ihr An- Pkw. „Von den Vorteilen der Dienstwa- chen Bereich, in dem über 60 Prozent teil an gewerblichen Flotten hierzulan- gen profitieren zudem vor allem Men- der Neuzulassungen stattfinden. Wie de im Durchschnitt nur bei 3,3 Prozent. schen, die finanziell sowieso besserge- sich der Anteil an Elektrofahrzeugen Woran liegt das? „Es gibt leider keine stellt sind.“ hier erhöhen lässt, dazu arbeitet das ausreichenden Anreize, den Flottenbe- Öko-Institut in unterschiedlichen Pro- trieb ökologischer zu gestalten – ganz jekten. im Gegenteil“, sagt der Senior Resear- cher, „aufgrund der aktuellen steuerli- DIE ELEKTRISCHE Es gibt viele Gründe, warum sich ein chen Regelungen sind emissionsinten- UNTERNEHMENSFLOTTE detaillierter Blick auf den gewerblichen sive Fahrzeuge sogar finanziell attraktiv Bereich lohnt. So werden hierzulande und es gibt kaum finanzielle Anreize, 38 Prozent der Personenkilometer auf die private Nutzung von Dienstwagen Im Projekt „compan-e – Wege zur elek- Arbeitswegen oder dienstlichen Fahr- zu begrenzen oder sie verbrauchsär- trischen und nachhaltigen Unterneh- ten zurückgelegt. „Dienstautos werden mer zu nutzen.“ Zurückzuführen sei mensmobilität“ analysiert das Öko-In- aber oft nur kurz genutzt und landen dies etwa auf Regelungen mit Blick auf stitut seit 2019 gemeinsam mit unter- dann auf dem Gebrauchtwagenmarkt die Absetzbarkeit der Fahrzeugkosten schiedlichen Projektpartnern wie Agora – sie könnten einen Anschub für die sowie die nur geringere einkommen- Verkehrswende, der Deutschen Bahn Elektromobilität leisten, da hier über steuerliche Bemessung des Nutzungs- oder der R+V Versicherung, wie der 80 Prozent der privaten Fahrzeugkäu- wertes, wenn ein Dienstwagen privat Anteil von Elektrofahrzeugen in Unter- fe stattfinden“, sagt Moritz Mottschall genutzt wird. „Oft wird auch überhaupt nehmen erhöht werden kann. „Ein sehr vom Öko-Institut. „Zusätzlich können nicht erfasst, wie viel das Auto privat spannendes Projekt, denn es sind viele über Dienstwagen viele Menschen von oder dienstlich gefahren wird.“ Für ei- Praxispartner beteiligt, die wir bei der den Vorteilen der Elektromobilität über- nen nachhaltigeren Flottenbetrieb dür- Elektrifizierung ihrer Unternehmens- zeugt werden.“ fe es nicht günstiger sein, einen Dienst- flotte begleiten und mit denen wir in
11 regem Austausch stehen. So lernen wir zum Beispiel viel über die Grundlagen der jeweiligen Car Policy, also die Regeln für die Anschaffung von Dienstfahrzeu- gen, oder auch über die Hemmnisse für Im Bundesdurchschnitt die Anschaffung von Elektroautos.“ So liegt der Anteil elektrischer gibt es häufig lange Lieferzeiten und Pkw an gewerblichen 3,3 es fehlen Fahrzeugmodelle im Ange- Fahrzeugflotten bot der Hersteller, die für Unternehmen bei besonders relevant sind – etwa Klein- wagen für den Fahrzeugpool, leichte Nutzfahrzeuge für den Service und Kombis für Dienstwagennutzerinnen und -nutzer. Stattdessen beherrschen Prozent. SUVs auch bei den E-Fahrzeugen das Angebot. „Oftmals wissen Nutzerinnen und Nutzer sowie Verantwortliche nicht genug über das tatsächliche Potenzial einer elektrischen Flotte oder auch den Aufwand für den Aufbau einer Ladein- von der Elektromobilität könnte aber zung ist zudem sehr viel effizienter frastruktur – hier müssen noch viele auch für mehr Nachhaltigkeit in der Un- als die Nutzung von strombasiertem Informationsdefizite behoben werden. ternehmensmobilität gesorgt werden, Wasserstoff in Brennstoffzellen.“ Be- Auch das ist ein Ziel von compan-e.“ indem etwa Mobilitätsbudgets als Al- reits in einem Vorgängerprojekt haben ternative zum Dienstwagen attraktiver die Wissenschaftlerinnen und Wissen- Dass mehr bedarfsgerechte und effi- gemacht werden.“ schaftler die Vorteile von E-Lkw für das ziente Fahrzeuge angeboten werden, Klima verdeutlicht: Egal, ob batterieelek- kann politisch durchaus gesteuert wer- trisch oder oberleitungsgebunden, sie den. Das Projektteam plädiert etwa für STROM UND LKW schneiden mit einem Gesamtwirkungs- ein Bonus-Malus-System, bei dem die grad von 73 Prozent deutlich besser Anschaffungskosten bei Pkw mit hohen ab als Brennstoffzellen- oder E-Diesel- Treibhausgasemissionen höher sind als Elektromobilität im gewerblichen Lkw – also die Nutzung strombasierter bei jenen mit einem niedrigen CO2-Aus- Bereich, das sind natürlich nicht nur synthetischer Kraftstoffe – mit 31 und stoß und hoher Effizienz. Ein zentraler Fahrzeugflotten und Pkw. Ein relevan- 21 Prozent. „Diese Vorteile gilt es nun Hebel liegt zudem bei der Dienstwa- ter Baustein liegt auch im Straßengü- einzusetzen und gleichzeitig auch den genbesteuerung, die sich stärker nach terverkehr. Hier werden derzeit etwa Speditionsbetrieben Sicherheit für eine ökologischen Kriterien richten sollte. Oberleitungs-Lkw erforscht, aber auch langfristige Planung zu geben – und die Denn bislang sind die Steuern hierzu- batterieelektrische Lkw spielen eine sollte sich aus unserer Sicht nicht pri- lande niedrig, auch für emissionsinten- wichtige Rolle. Welche Potenziale al- mär auf Wasserstoff richten, der in an- sive Fahrzeuge. „Andere Länder bemes- ternative Antriebe haben können, un- deren Bereichen wie der Stahlindustrie sen zum Beispiel die Absetzbarkeit der tersucht das Öko-Institut derzeit im oder als Rohstoff für synthetische Kraft- Fahrzeugkosten oder den Nutzungs- Projekt „Strategie für die Elektrifizierung stoffe für den Luftverkehr dringender wert gestaffelt nach den CO2-Emissio- des Straßengüterverkehrs“ gemeinsam benötigt wird.“ nen“, sagt der Senior Researcher. mit der Hochschule Heilbronn. „Das Projekt ist sehr praxisorientiert und soll Christiane Weihe Bis auf Weiteres braucht es aus Sicht zeigen, wie alternative Antriebe einge- des Wissenschaftlers vom Öko-Institut setzt werden könnten und welche Rah- also weiterhin eine aktive Förderung menbedingungen es hierfür braucht“, von Elektroautos – und zwar solchen, so Mottschall. die rein elektrisch unterwegs sind. Denn viele Unternehmen setzen auf Gefördert vom Bundesumweltministe- so genannte Plug-in-Hybride, die elek- rium hat das Projektteam bereits den trischen und konventionellen Antrieb Status quo und die Perspektiven von kombinieren. „Ihr Klimavorteil wird stark Oberleitungen, Batteriesystemen, alter- überschätzt, da sie im täglichen Betrieb nativen Kraftstoffen und Wasserstoff- Die Energieeffizienz im Verkehr sowie alternative meist den Verbrennungsmotor nutzen Brennstoffzellen betrachtet. „Dabei Antriebskonzepte sind zentrale Themen der und sehr niedrige elektrische Fahran- zeigt sich unter anderem, dass batte- Arbeit von Moritz Mottschall. Darüber hinaus teile haben. Sie sollten nur von Steu- rieelektrische Lkw derzeit am weitesten befasst sich der Diplom-Ingenieur Technischer ervergünstigungen profitieren, wenn entwickelt sind, wir erwarten in den Umweltschutz unter anderem mit Emissionsbe- rechnungen für Güter- und Personenverkehre nachgewiesen wird, dass sie einen fest- nächsten Jahren einen Markthochlauf sowie der Beurteilung von Umweltauswirkungen gelegten Anteil der Wegstrecken elek- mit Serienmodellen im Nah- und Re- der Verkehrsinfrastruktur. trisch zurückgelegt haben. Abgesehen gionalverkehr. Die direkte Stromnut- m.mottschall@oeko.de
12 IM FOKUS I INTERVIEW “Die meisten Menschen, die gegen Elektrofahrzeuge sind, haben wahrscheinlich noch nie in einem gesessen.“ Die Batterien halten nicht allzu lange, deren Treibstoffverbrauch oft viel op- CO2 ausstößt und die Batterieprodukti- recycelt werden können sie auch nicht timistischer eingeschätzt als er in der on immer besser wird. Das müssen wir und die Emissionen sind viel zu hoch. Realität ist, die Emissionen bei der Pro- auch auf eine Art und Weise erklären, Es gibt zahlreiche Mythen rund um die duktion von Benzin und Diesel werden die die Menschen verstehen. Gleich- Elektromobilität. Drs. Auke Hoekstra zudem oft nicht mit eingerechnet. zeitig sollte man ihnen die zahlreichen kennt sie alle – und klärt seine mehr Vorteile der Elektromobilität vor Augen als 25.000 Followerinnen und Follo- Oft wird auch die Lebensdauer von führen: Die Autos sind schnell und leise, wer auf Twitter immer wieder über Batterien unterschätzt. es macht einfach Spaß, damit zu fahren. irreführende oder sogar falsche Aus- Das stimmt. Dabei halten sie inzwi- Das ist auch eine Geschichte, die man sagen rund um E-Fahrzeuge auf. Der schen länger als die Autos selbst. In der erzählen muss. Die meisten Menschen, Programmdirektor von der Techni- Regel sagt man, dass eine Batterie aus- die gegen Elektrofahrzeuge sind, haben schen Universität Eindhoven arbeitet getauscht werden sollte, wenn sie noch wahrscheinlich noch nie in einem ge- zu der Frage, wie Energiesystem und 80 Prozent ihrer Kapazität hat. Die neu- sessen. Mobilität treibhausgasneutral werden en Elektroautos müssten hierfür weit können. Im Gespräch mit eco@work über 500.000 Kilometer fahren. Und mit Sie selbst sitzen sehr oft in einem Elek- erklärt er, wie solche Mythen entste- der Zeit wird sich auch dieser Wert wei- troauto. hen, warum sie falsch sind und wie ter erhöhen. Oh ja! Sobald ich es mir leisten konnte, man sie am besten ausräumen kann. habe ich mir ein Elektroauto gekauft – Was entgegnen Sie der Behauptung, das ist jetzt sieben Jahre her. Mein ers- Drs. Auke Hoekstra, welcher Mythos in die Batterien könnten nicht recycelt tes Elektroauto schaffte 140 Kilometer Sachen Elektromobilität hat Sie bisher werden? im Sommer und 100 im Winter. Da ich am meisten geärgert? Dass es schlicht nicht stimmt. Schon gerne meine Grenzen austeste, bin ich Dass Elektroautos extrem weite Stre- heute können wir mehr als 95 Prozent damit oft irgendwo gestrandet. Einmal cken zurücklegen müssen, um die der Grundmaterialien recyceln. In der zum Beispiel, weil ich nicht einkalkuliert Mehremissionen bei der Produktion Praxis wird das noch kaum gemacht, hatte, dass sich die Reichweite wegen auszugleichen. Hier standen ja auch aus einem einfachen Grund: Es werden eines starken Windes verringert. Das schon mal 100.000 Kilometer und mehr derzeit kaum Elektroautos verschrot- passiert mir heute aber nicht mehr. im Raum. Der reale Wert liegt bei den tet, dafür gibt es sie noch nicht lang Mein aktuelles Elektroauto hat eine meisten Autos aber eher bei 30.000 Ki- genug – und damit gibt es auch kaum Reichweite von 350 bis 400 Kilometern. lometern. Batterien, die recycelt werden müssen. Es lohnt sich natürlich nicht, eine Recy- Vielen Dank für das Gespräch. Wie sind die falschen Zahlen entstan- clinganlage für Batterien aufzuziehen, Das Interview führte Christiane Weihe. den? die noch gar nicht da sind. Ich bin mir Zum einen werden die Emissionen aus aber sicher, dass dies rechtzeitig kom- der Batterieproduktion oft übertrieben men wird. Auch, weil man durch das Re- beziehungsweise es werden veraltete cycling die Batterieproduktion billiger Daten genutzt. Es macht natürlich einen machen kann. großen Unterschied, ob eine moderne Gigafactory die Batterien herstellt oder Wie kann man Mythen rund um die eine kleine, alte Fabrik – von denen Elektromobilität am besten ausräu- gibt es allerdings kaum noch welche. men? Die Emissionen werden außerdem oft Es gibt dieses schöne Zitat: Nature can- auf Grundlage des aktuellen Strommix not be fooled. Man kann die Natur nicht berechnet – dabei wird unterschlagen, täuschen. Ich bin der festen Überzeu- dass unser Strom ja immer grüner wird gung, dass Wissenschaft funktioniert Im Interview mit eco@work: und die Emissionsbilanz mit der Zeit und die Tatsachen durch sie immer Drs. Auke Hoekstra, Programmdirektor an der Technischen Universität Eindhoven und Gründer immer besser wird. Und übrigens wird klarer werden. Und die sind eben, dass von Zenmo Simulations beim Vergleich mit Verbrennern auch die Stromproduktion immer weniger auke@zenmo.com
IM FOKUS I PORTRÄTS 13 Pia Marchegiani Bereichsleiterin Umweltpolitik (FARN) Martin Kyburz Moritz Mottschall Gründer und CEO von Senior Researcher am Öko-Institut Gemeinden haben durchaus Rechte. KYBURZ Switzerland Doch diese werden oft nicht gewahrt. Das Taxifahren finanzierte nicht nur „Projekte zur Lithiumförderung finden Das erste Elektrofahrzeug, das er 1991 sein Studium. Es brachte ihm auch ei- in Argentinien vielerorts auf dem Ge- gebaut hat, sah aus wie ein Segelflug- nen entscheidenden Vorteil im Vorstel- biet von indigenen Gemeinden statt“, zeug ohne Flügel. „Der Cheetah war lungsgespräch beim Öko-Institut. „Ich sagt Pia Marchegiani, „das Umweltrecht mein erstes Projekt“, sagt Martin Kyburz. konnte damit punkten, dass ich recht oder auch Instrumente zum Schutz in- „Die Mobilität der Zukunft war für mich gut über die so genannten Umweltta- digener Völker wie die Konvention 169 schon immer elektrisch.“ Die Leiden- xen Bescheid wusste – und darüber, der Internationalen Arbeitsorganisation schaft des Elektroingenieurs für den dass diese oft gar nicht so umweltge- ILO müssten ihnen eigentlich helfen.“ 80 Bau eigener Fahrzeuge war geweckt. Er recht waren, wie ihr Name verspricht“, Prozent der weltweiten Lithiumreserven entschied sich dann, ein Fahrzeug für sagt Moritz Mottschall. „Ein reines Elek- befinden sich in Bolivien, Argentinien Seniorinnen und Senioren zu bauen, troauto könnte heute jedoch ein echtes und Chile. Alleine in Argentinien laufen die sich nicht mehr in ein Auto setzen Umwelttaxi sein. Und auch in Sachen derzeit 62 Projekte zum Lithiumabbau. wollen. „Sie bekommen damit viel Mo- Reichweite wäre es mittlerweile pra- „Die Rechte von Gemeinden werden bilität zurück.“ xistauglich.“ Für den Senior Researcher etwa verletzt, wenn nicht alle relevanten aus dem Bereich Ressourcen & Mobili- Informationen zu möglichen Umwelt- „Wir haben unser Verfahren tät sind Elektrofahrzeuge ein wichtiger belastungen oder weiteren Risikofakto- Baustein der Verkehrswende – aber bei ren zugänglich gemacht werden.“ zum Batterierecycling nicht Weitem nicht der einzige. „Zu ihr ge- patentieren lassen, denn wir hören vor allem auch der Ausbau des „Viele Unternehmen wollen in wollen dazu beitragen, die ÖPNV und die Vermeidung von unnüt- Argentinien Lithium fördern, weil es Umweltproblematik zu lösen.“ zen Wegen.“ hier billig ist, die Umweltstandards „Für eine wirksame Transformation niedrig und manche Gemeinden Großen Erfolg hat die KYBURZ Switzer- land AG heute mit Nutzfahrzeugen zur des Verkehrssektors brauchen nicht gut organisiert sind.“ Postzustellung, die das Unternehmen wir vielfältige Maßnahmen – unter anderem in der Schweiz, nach darunter auch den Ausbau der Die Stiftung FARN unterstützt die Ge- Finnland und Australien verkauft. Doch meinden auf unterschiedliche Weise, Kyburz tüftelt weiter, er strebt einen Elektromobilität.“ steht ihnen juristisch zur Seite und echten Kreislauf an, in dem Rohstof- deckt Fehlstellen auf. „So bringen sich fe wiederverwendet werden können. Ein eigenes Auto besitzt Moritz Mott- die staatlichen Stellen nicht genug in „Deshalb haben wir ein Verfahren zum schall nicht. „Für fast alle meine Wege die Ein- und Durchführung von An- Recycling von Batterien entwickelt – kann ich gut ein Fahrrad, E-Scooter und hörungsverfahren ein, obwohl es ihre ein Student, der bei uns seine Diplom- die schon lange etablierten Elektrofahr- Aufgabe wäre“, sagt Marchegiani. „Die arbeit geschrieben hat, hatte hierfür zeuge bei der S- und U-Bahn nutzen.“ Verantwortlichen sollten sich mit den eine revolutionäre Idee.“ Sie sorgt da- Wenn er heute dennoch mit dem Auto jeweiligen Ökosystemen und der indi- für, dass für das Recycling keine Che- fährt, ist es deutlich nachhaltiger als in genen Kultur angemessen auseinan- mikalien eingesetzt werden müssen seiner Studentenzeit. „Ich nutze Car- dersetzen“, fordert Pia Marchegiani. „Es und dennoch 91 Prozent der Rohstoffe sharing, meist mit Elektroantrieb. Wenn ist doch absurd, wenn die Bekämpfung zurückgewonnen werden können. Der man sich einmal an das leise Fahren des Klimawandels auf der einen Seite Cheetah war übrigens schon 1992 auf und die Beschleunigung gewöhnt hat, für massive ökologische und soziale dem Autosalon in Genf zu sehen. 2019 kommt einem ein Verbrenner mitunter Probleme auf der anderen Seite sorgt.“ hatte das Unternehmen dort dann zum vor wie eine Dampflok.“ cw cw ersten Mal einen eigenen Stand. cw m.mottschall@oeko.de pmarchegiani@farn.org.ar martin.kyburz@kyburz-switzerland.ch
14 ARBEIT I AKTUELL Milch und Biodiversität Wie kann die Milchproduktion sich ökonomisch lohnen und gleichzeitig Biodiversität fördern? Dieser Frage geht das Öko-Institut im Projekt „Gestaltungsoptionen für ökonomisch tragfähi- ge biodiversitätsfördernde Milchproduktionssys- teme in den Bio-Musterregionen Freiburg und Ravensburg“ (GOBIOM) nach, das vom Bundes- ministerium für Bildung und Forschung geför- dert und gemeinsam mit Grünweg Projektma- nagement und Beratung sowie dem Institut für Ländliche Strukturforschung an der Goethe-Uni- versität Frankfurt am Main durchgeführt wird. „Zu unseren Aufgaben gehört dabei unter ande- rem, methodische Ansätze weiterzuentwickeln, die eine Integration von biodiversitätsrelevanten Aspekten in die Ökobilanzierung ermöglichen und in der Praxis zu erproben“, sagt Dr. Dietlinde Quack, Senior Researcher im Bereich Produkte und Stoffströme. Neben der Koordination des Projektes, das bis September 2024 läuft, entwi- ckelt das Öko-Institut zudem Gestaltungsansätze und Zukunftsbilder für eine biodiversitätsför- dernde Milchproduktion. „Hierfür arbeiten wir mit regionalen Akteurinnen und Akteuren zu- sammen, etwa aus Milchviehbetrieben und Mol- kereien.“ Zur Absicherung der Projektergebnisse sollen diese zudem mit Expertinnen und Exper- ten aus Wissenschaft und Praxis rückgespiegelt werden. cw Industrie unter grünem Strom Große Industrieunternehmen können steigt und wie sich das auf den nötigen Das Projektteam tritt auch in den Dialog ihre Treibhausgasemissionen reduzie- Zubau an regenerativen Energien aus- mit Unternehmen und Verbänden, um ren, wenn sie erneuerbare Energien wirkt“, erklärt Vogel. „Anschließend un- herauszufinden, welche Treiber und statt Erdgas oder Kohle nutzen. „Für das tersuchen wir das elektrische Lastprofil. Hemmnisse der Elektrifizierung der In- Stromnetz und den Markt bringen ein Wir möchten herausfinden, wie sich dustrie es gibt. „Das können Gesetze zusätzlicher Strombedarf und die zu- dessen Verlauf und Spitzen verändern oder Verordnungen sein, die den Strom- sätzliche Energiegewinnung aus erneu- würden, wenn etwa Prozesse elektrifi- verbrauch verteuern und einer flexiblen erbaren Quellen aber durchaus Heraus- ziert oder Flexibilisierungsmöglichkei- Nachfrage im Weg stehen“, so Vogel. forderungen mit sich“, sagt Moritz Vo- ten erschlossen werden.“ Hierzu nutzen „Denn ohne die richtigen Rahmenbe- gel, Wissenschaftler am Öko-Institut. Im die Wissenschaftlerinnen und Wissen- dingungen können Unternehmen er- Projekt „Dekarbonisierungs- und Elek- schaftler das vom Öko-Institut entwi- neuerbaren Strom nicht optimal nut- trifizierungspotentiale in der deutschen ckelte Strommarktmodell PowerFlex zen. Wir machen Vorschläge, wie dies Industrie – Daten, Akteure und Model- und erweitern seine Funktionalitäten. gelingen kann.“ Das vom Bundeswirt- le“ analysieren die Expertinnen und Ex- „Wichtig ist außerdem die Frage, wie schaftsministerium geförderte Projekt perten aus dem Bereich Energie & Kli- eine Elektrifizierung und Flexibilisie- läuft bis August 2023 und wird gemein- maschutz nun, wie die Industrieunter- rung bestimmter Industrieprozesse die sam mit dem Fraunhofer ISE, der Uni- nehmen dabei helfen können, diese zu Börsenstrompreise, die CO2-Emissionen versität Freiburg und der Hochschule überwinden. „Wir analysieren zunächst, oder die Abregelung von erneuerbaren Offenburg durchgeführt. cw wie stark der Stromverbrauch durch Energien beeinflussen.“ eine Elektrifizierung in der Industrie
15 Culture4Climate Egal, ob im Kinosessel oder im Ausstel- Wissenschaftler gemeinsam mit dem lungsraum: Auch für Kunst und Kultur Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und stellt sich die Frage, wie mehr Klima- Kultur (2N2K, Projektleitung) und der schutz und Nachhaltigkeit umgesetzt Kulturpolitischen Gesellschaft (KuPoGe) werden können. Eine neue Initiative un- unter anderem ein Kompetenz- und terstützt Kultureinrichtungen nun da- Netzwerkportal sowie Schulungsange- bei. „Ziel des Projektes Culture4Climate bote um. „Ein wichtiges Element ist da- ist es, die Treibhausgasemissionen zu bei die kontinuierliche Einbeziehung reduzieren und gleichzeitig den Wandel von Kultureinrichtungen und Kultur- hin zu einer Nachhaltigkeitskultur über schaffenden, aber auch Verbänden und Kultureinrichtungen zu fördern“, sagt Kommunen.“ Das vom Bundesumwelt- Jürgen Sutter vom Öko-Institut. Hierfür ministerium geförderte Projekt läuft bis setzen die Wissenschaftlerinnen und Ende 2024. mas Klimaschutz, Weniger Verpackung, aber bezahlbar mehr Recycling Den Klimaschutz voranzubringen und Rund 3,2 Millionen Tonnen Kunststoff- so Betz, „das könnte zum Beispiel eine bezahlbares Wohnen zu gewährleisten verpackungen fielen hierzulande Abgabe auf Einwegverpackungen sind zwei wichtige Aufgaben – die je- 2019 an – ein Wert, der sich seit 1991 sein.“ Darüber hinaus formuliert das doch auch in Konflikt miteinander kom- fast verdoppelt hat. „Für Umwelt und Projektteam unter anderem einen men können. Denn werden Gebäude Klima ist es notwendig, diesen Wert Vorschlag für ein gesetzliches Kon- energetisch saniert, können die Kosten wieder deutlich zu senken und die Re- zept zur Gegenfinanzierung der „Plas- für Mieterinnen und Mieter steigen. cyclingquoten für Kunststoffe allge- tikabgabe“ der EU. „Hierfür prüfen wir „Gerade für Haushalte mit einem gerin- mein stark zu erhöhen. Sie liegen etwa, wie der rechtliche Rahmen an- gen und mittleren Einkommen kann noch immer im niedrigen zweistelli- gepasst werden muss und welche das zu einer hohen Belastung werden“, gen Prozentbereich“, sagt Dr. Johan- ökologischen und ökonomischen sagt Dr. Katja Schumacher vom Öko-In- nes Betz. Wie dies gelingen kann, die- Auswirkungen dies hätte“, sagt der Ex- stitut. In einem Projekt für das Bundes- ser Frage widmet sich der Wissen- perte aus dem Bereich Ressourcen & institut für Bau-, Stadt- und Raumfor- schaftler vom Öko-Institut im Projekt Mobilität. schung untersucht das Öko-Institut, wie „Untersuchung ökonomischer Instru- sich Klimaschutz und bezahlbares Woh- mente zur Verringerung des Verpa- Das Projekt im Auftrag des Umwelt- nen vereinbaren lassen. „Wir analysie- ckungsverbrauches sowie zur Stär- bundesamtes wird gemeinsam mit ren zunächst, welche Auswirkungen kung des Kunststoffrecyclings und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirt- klimapolitische Maßnahmen im Gebäu- des Rezyklateinsatzes“. „Wir identifi- schaftsforschung, der Gesellschaft für debereich haben“, sagt Schumacher, zieren zunächst relevante Akteurin- Verpackungsmarktforschung (GVM), „auf dieser Grundlage entwickeln wir nen und Akteure sowie mögliche In- der cyclos GmbH sowie Prof. Dr. Ste- sinnvolle Maßnahmen, die auch ziel- strumente, die Verpackungsvermei- fan Klinski durchgeführt und läuft gruppenspezifische Fragen berücksich- dung und Kreislaufwirtschaft fördern“, noch bis Juli 2024. cw tigen, sowie konkrete Handlungsemp- fehlungen.“ Das Projekt wird gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsfor- schung und Prof. Dr. Viktor Steiner durchgeführt und läuft noch bis Okto- ber 2023. mas
16 ARBEIT I RÜCKBLICK Mehr Sorgfalt in Lieferketten Im Juni 2021 hat der Bundestag ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ver- abschiedet. Und auch auf europäischer Ebene soll es bald ein Lieferkettenge- Nachhaltiger setz geben, um Menschenrechte und Umwelt mit Blick auf die internationale Wirtschaft besser zu schützen. „Bislang Wasserstoffimport sind die Instrumente, um dies zu tun, nicht ausreichend. Selbst, wenn es ent- sprechende Regeln gibt, fehlt es oft an Will Deutschland bis 2045 klimaneu- verträglichkeitsprüfungen, der Aus- der Bereitschaft, diese umzusetzen“, tral sein, kann es auf grünen Wasser- schluss der Nutzung von Schutzge- sagt Dr. Peter Gailhofer vom Öko-Insti- stoff, der auf Basis erneuerbarer Ener- bieten für die Wasserstoffproduktion tut. „Das Umwelthaftungsrecht könnte gien erzeugt wird, nicht verzichten. Er sowie von Menschenrechtsverlet- helfen, Lücken in der Regulierung der kann überall dort eingesetzt werden, zungen. „Zentral ist, dass der Strom globalen Wirtschaft zu schließen.“ wo eine Elektrifizierung kaum oder für die Erzeugung von Wasserstoff nur schwer möglich ist – so etwa im ausschließlich aus zusätzlichen Er- Im Projekt „Internationale Haftung von Flug- und Schiffsverkehr. „Die Potenzi- zeugungsanlagen stammt, und das Unternehmen für Umweltschäden“ für ale für erneuerbare Energien in Euro- benötigte Wasser entweder durch das Umweltbundesamt hat das Öko-In- pa werden den Wasserstoffbedarf je- zusätzliche Meerwasserentsalzungs- stitut gemeinsam mit Geulen & Klinger doch wahrscheinlich nicht abdecken anlagen bereitgestellt wird oder die Rechtsanwälte, Rechtsanwälte Günther können. Daher werden voraussicht- Produktion in Gebieten stattfindet, in sowie Prof. Dr. Kirsten Schmalenbach lich große Mengen importiert werden denen ausreichend Wasser verfügbar und Prof. Dr. Alexander Proelß die be- müssen“, sagt Christoph Heinemann ist“, konkretisiert Dr. Roman Mendele- stehende Rechtslage und Möglichkei- vom Öko-Institut. „Die Wasserstoff- vitch vom Öko-Institut. ten zu deren Verbesserung analysiert. produktion im Ausland kann jedoch Im Fokus standen internationale Nor- negative Folgen haben – so etwa mit Wichtig ist laut der Analyse des Öko- men und Instrumente im nationalen Blick auf Wasserknappheit, Flächen- Instituts außerdem, dass die Kriterien Recht, durch die private Verursacher konkurrenzen oder die Verschmut- und entsprechende Standards zügig und Verursacherinnen für Umwelt- zung von Küstengewässern.“ definiert und möglichst internatio- schäden im Ausland haftbar gemacht nal vereinbart werden. „Sollte sich werden können. „Im nationalen Recht Im Spendenprojekt „Wasserstoff? Ja, allerdings auf internationaler Ebene gibt es schon heute Regeln, die für zu- aber nur nachhaltig!“ hat das Öko- ein Konsens zu schwachen Kriterien künftige Haftungsfälle relevant werden Institut ambitionierte Nachhaltig- abzeichnen, muss die EU hier eigene, können“, sagt Gailhofer. Und ergänzt, keitskriterien vorgeschlagen. „Solche ehrgeizige Vorgaben festlegen“, sagt dass es auch Möglichkeiten zur Weiter- Kriterien geben auch Investitionssi- Heinemann. „Darüber hinaus muss entwicklung der Rahmenbedingungen cherheit für Unternehmen und legen kontinuierlich kontrolliert werden, gibt: „Ein Lieferkettengesetz auf euro- eine Grundlage dafür, importierten ob die Nachhaltigkeitsstandards auch päischer Ebene könnte zum Beispiel Wasserstoff als Klimaschutzinstru- wirklich eingehalten werden – hierfür Hürden für Klagen ausländischer Opfer ment anzuerkennen“, so der Senior braucht es auch lokale Institutionen“, von Umweltschäden abbauen; im deut- Researcher. Zu den Kriterien gehören ergänzt Dr. Mendelevitch. cw schen Gesetz wurde das weitgehend etwa die Durchführung von Umwelt- versäumt.“ mas
17 Reicht der Klimaschutz? Werden alleine die bis zum Sommer hofer ISI, der IREES GmbH und dem Preis für EU-Emissionszertifikate durch- 2020 beschlossenen Klimaschutzmaß- Thünen-Institut im Auftrag des Um- geführt – dabei zeigte sich, dass ein nahmen umgesetzt, verfehlt Deutsch- weltbundesamtes und des Bundesum- höherer Zertifikate-Preis zu deutlichen land seine selbst gesteckten Klimaziele weltministeriums erarbeitet hat. „Der Minderungen der Emissionen führt. einer Emissionssenkung um 65 Prozent Bericht beschreibt, wie sich die Treib- Dennoch wird selbst in diesem Fall das bis 2030 sowie um 88 Prozent bis 2040. hausgasemissionen ohne weitere Maß- Minderungsziel von 65 Prozent deutlich „Ohne zusätzliche Maßnahmen redu- nahmen bis 2040 entwickeln könnten“, verfehlt.“ Die Erkenntnisse des Projek- zieren sich die Treibhausgasemissionen so der Wissenschaftler. Erreicht würden tionsberichts wurden unter anderem nur um 49 beziehungsweise 67 Pro- die Minderungen etwa durch den Rück- für die Eröffnungsbilanz des Bundes- zent im Vergleich zu 1990“, sagt Senior gang der Kohleverstromung oder auch ministeriums für Wirtschaft und Klima- Researcher Dr. Ralph O. Harthan. Das die Zunahme der erneuerbaren Energi- schutz genutzt und untermauerten die zeigt der Projektionsbericht 2021, den en. „Darüber hinaus haben wir Sensiti- angekündigten Sofortmaßnahmen zur das Öko-Institut gemeinsam mit Fraun- vitätsanalysen etwa in Hinsicht auf den Schließung der Klimaschutzlücke. mas Fachwissen übersetzen Insgesamt 444 Seiten fasst der Zwi- vor Ort nicht die geologische Expertise, gerstandort kontinuierlich und kritisch schenbericht Teilgebiete. Mit allen An- die nötig wäre, um wirklich zu verste- zu begleiten. „So wurden etwa bei eini- hängen und ergänzenden Unterlagen hen, was der Zwischenbericht für die gen Teilgebieten frei verfügbare Infor- sind es sogar weit über 100.000 Seiten. Kommunen oder Kreise bedeutet“, sagt mationen nicht genutzt, die aufgrund Der Bericht zeigt, in welchen Gebie- Dr. Saleem Chaudry, Senior Researcher früherer Bohrungen vorhanden sind. ten der Bundesrepublik nach jetzigem am Öko-Institut, „es gibt einen sehr ho- Die Bundesgesellschaft für Endlage- Wissensstand ein zukünftiges Endlager hen Bedarf an wissenschaftlicher Ein- rung, die für das Verfahren zuständig für hochradioaktive Abfälle entstehen ordnung beziehungsweise einer Über- ist, argumentiert hier, dass solche Infor- kann. Eine sehr komplexe Publikation, setzungsleistung.“ mationen nicht für alle Gebiete vorlie- in der es für Laien kaum möglich ist, gen und sie daher nicht berücksichtigt sich zurechtzufinden – und damit auch Diese Übersetzungsleistung hat das wurden. Klar ist aber auch: Sie könnten für die Verantwortlichen in Gemeinden Öko-Institut bereits für viele Betroffene zu anderen Bewertungen führen.“ und Landkreisen, die sich seit der Veröf- übernommen – für die Samtgemeinde fentlichung im September 2020 damit Bevensen-Ebstorf und die Bürgeriniti- Auch in Zukunft wird es mit Blick auf befassen müssen. „In der Regel gibt es ative Umweltschutz Lüchow-Dannen- den Endlagerprozess viel Expertise berg ebenso wie für die Landkreise brauchen, um betroffene Gebiete da- Rotenburg (Wümme), Wesermarsch, bei zu unterstützen, angemessen daran Leer und Emsland. „Dabei geht es nicht teilzunehmen. „Es gibt aber nur eine darum, Argumente zu finden, warum kleine Gruppe von unabhängigen Wis- die jeweiligen Gebiete nicht für ein senschaftlerinnen und Wissenschaft- Endlager geeignet sind“, sagt der Geo- lern, die sich überhaupt mit dem The- loge aus dem Bereich Nukleartechnik ma beschäftigen“, so Saleem Chaudry, & Anlagensicherheit. „Das Verfahren „sinnvoll könnte daher etwa die Einrich- ist wichtig und richtig.“ Dennoch sei es tung eines Scientific Board sein, in dem wichtig, die Suche nach einem Endla- Fachwissen gebündelt wird und an das sich Betroffene mit ihren Fragen wen- den können.“ cw 5.1.1 Teilgebiet 001_00TG_032_01IG_T_f_jmOPT 5.1.2 Teilgebiet 002_00TG_044_00IG_T_f_tUMa 5.2.2 Teilgebiet 010_00TG_193_00IG_K_g_MKZ 5.1.3 Teilgebiet 003_00TG_046_00IG_T_f_tUMj 5.2.7 Teilgebiet 014_00TG_199_00IG_K_g_NPZ 5.2.4 Teilgebiet 012_01TG_198_01IG_K_g_RHE 5.2.3 Teilgebiet 011_00TG_200_00IG_K_g_SPZ 5.2.6 Teilgebiet 013_00TG_195_00IG_K_g_MO .3.49 Teilgebiet 063_00TG_149_00IG_S_s_z-ro .3.50 Teilgebiet 064_00TG_151_00IG_S_s_z-ro .3.51 Teilgebiet 065_00TG_153_00IG_S_s_z-ro .3.52 Teilgebiet 066_00TG_154_00IG_S_s_z-ro .3.53 Teilgebiet 067_00TG_159_00IG_S_s_z-ro .3.54 Teilgebiet 068_00TG_163_00IG_S_s_z-ro .3.55 Teilgebiet 069_00TG_168_00IG_S_s_z-ro .3.56 Teilgebiet 070_00TG_172_00IG_S_s_z-ro .3.57 Teilgebiet 071_00TG_179_00IG_S_s_z-ro .3.58 Teilgebiet 072_00TG_181_00IG_S_s_z-ro .3.60 Teilgebiet 074_00TG_185_00IG_S_s_z-ro 5.2.5 Teilgebiet 012_02TG_198_02IG_K_i_RHE 5.1 Teilgebiete im Wirtsgestein Tongestein 135 5.2.1 Teilgebiet 009_00TG_194_00IG_K_g_SO 5.1.4 Teilgebiet 004_00TG_053_00IG_T_f_tpg 5.1.7 Teilgebiet 007_00TG_202_02IG_T_f_kru .3.61 Teilgebiet 075_01TG_189_01IG_S_f_km .3.62 Teilgebiet 075_02TG_189_03IG_S_f_km 5.1.8 Teilgebiet 008_01TG_204_01IG_T_f_kro 5.1.9 Teilgebiet 008_02TG_204_02IG_T_f_kro 5.1.5 Teilgebiet 005_00TG_055_00IG_T_f_jm 5.3.10 Teilgebiet 024_00TG_029_00IG_S_s_z 5.3.11 Teilgebiet 025_00TG_030_00IG_S_s_z .3.63 Teilgebiet 076_01TG_191_01IG_S_f_so .3.64 Teilgebiet 076_02TG_191_02IG_S_f_so .3.65 Teilgebiet 076_03TG_191_05IG_S_f_so .3.66 Teilgebiet 077_00TG_192_00IG_S_f_jo 5.3.13 Teilgebiet 027_00TG_037_00IG_S_s_z 5.3.14 Teilgebiet 028_00TG_040_00IG_S_s_z 5.3.15 Teilgebiet 029_00TG_043_00IG_S_s_z 5.3.16 Teilgebiet 030_00TG_048_00IG_S_s_z 5.3.17 Teilgebiet 031_00TG_050_00IG_S_s_z 5.3.18 Teilgebiet 032_00TG_051_00IG_S_s_z 5.3.19 Teilgebiet 033_00TG_052_00IG_S_s_z 5.3.20 Teilgebiet 034_00TG_054_00IG_S_s_z 5.3.21 Teilgebiet 035_00TG_057_00IG_S_s_z 5.3.22 Teilgebiet 036_00TG_058_00IG_S_s_z 5.3.23 Teilgebiet 037_00TG_061_00IG_S_s_z 5.3.24 Teilgebiet 038_00TG_063_00IG_S_s_z 5.3.25 Teilgebiet 039_00TG_064_00IG_S_s_z 5.3.26 Teilgebiet 040_00TG_067_00IG_S_s_z 5.3.27 Teilgebiet 041_00TG_068_00IG_S_s_z 5.3.28 Teilgebiet 042_00TG_071_00IG_S_s_z 5.3.29 Teilgebiet 043_00TG_075_00IG_S_s_z 5.3.30 Teilgebiet 044_00TG_082_00IG_S_s_z 5.3.31 Teilgebiet 045_00TG_086_00IG_S_s_z 5.3.32 Teilgebiet 046_00TG_090_00IG_S_s_z 5.3.33 Teilgebiet 047_00TG_096_00IG_S_s_z 5.3.34 Teilgebiet 048_00TG_097_00IG_S_s_z 5.3.35 Teilgebiet 049_00TG_106_00IG_S_s_z 5.3.36 Teilgebiet 050_00TG_107_00IG_S_s_z 5.3.37 Teilgebiet 051_00TG_109_00IG_S_s_z 5.3.38 Teilgebiet 052_00TG_119_00IG_S_s_z 5.3.39 Teilgebiet 053_00TG_122_00IG_S_s_z 5.3.40 Teilgebiet 054_00TG_124_00IG_S_s_z 5.3.41 Teilgebiet 055_00TG_130_00IG_S_s_z 5.1.6 Teilgebiet 006_00TG_188_00IG_T_f_ju .3.44 Teilgebiet 058_00TG_136_00IG_S_s_z .3.45 Teilgebiet 059_00TG_137_00IG_S_s_z .3.46 Teilgebiet 060_00TG_144_00IG_S_s_z .3.47 Teilgebiet 061_00TG_145_00IG_S_s_z .3.48 Teilgebiet 062_00TG_146_00IG_S_s_z .3.59 Teilgebiet 073_00TG_183_00IG_S_s_z 5.3.1 Teilgebiet 015_00TG_001_00IG_S_s_z 5.3.2 Teilgebiet 016_00TG_002_00IG_S_s_z 5.3.3 Teilgebiet 017_00TG_003_00IG_S_s_z 5.3.4 Teilgebiet 018_00TG_006_00IG_S_s_z 5.3.5 Teilgebiet 019_00TG_010_00IG_S_s_z 5.3.6 Teilgebiet 020_00TG_012_00IG_S_s_z 5.3.7 Teilgebiet 021_00TG_017_00IG_S_s_z 5.3.8 Teilgebiet 022_00TG_019_00IG_S_s_z 5.3.9 Teilgebiet 023_00TG_028_00IG_S_s_z .3.67 Teilgebiet 078_01TG_197_01IG_S_f_z .3.68 Teilgebiet 078_02TG_197_02IG_S_f_z .3.69 Teilgebiet 078_03TG_197_03IG_S_f_z .3.70 Teilgebiet 078_04TG_197_04IG_S_f_z .3.71 Teilgebiet 078_05TG_197_05IG_S_f_z .3.72 Teilgebiet 078_06TG_197_06IG_S_f_z .3.73 Teilgebiet 078_07TG_197_07IG_S_f_z 5.2 Teilgebiete im kristallinen Wirtsgestein 5.3 Teilgebiete im Wirtsgestein Steinsalz
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