Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...

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Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
ES IST
UNSER
LAND,
ES SIND
UNSERE
WERTE.
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
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         10. JULI 2017 | ARTIKEL 3                                     24. JANUAR 2017 | ARTIKEL 1

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                          20. NOVEMBER 2019 | ARTIKEL 20               1. OKTOBER 2020 | ARTIKEL 8

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Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
LIEBE
                                                        Ich bin stolz, den Landtag von Baden-Württemberg und meine Heimat in
                                                        diesem hohen Staatsamt repräsentieren zu können. Ich bin dankbar, dass
                                                        ich hier aus meinen Talenten und Interessen etwas machen kann. Und zwar
                                                        ohne Restriktionen, wie ich sie in meinem Herkunftsland als Kind erlebt hatte.

     LESERIN,
                                                        Mit den Jahren ist mir immer deutlicher bewusst geworden, wie viel das
                                                        Grund­gesetz mit meinem Leben zu tun hat – dass diese Verfassung aus dem
                                                        Jahr 1949 der eigentliche Garant meines freien Lebens ist. Sie garantiert
                                                        grundlegende Rechte, ja selbst die Würde eines jeden Individuums schreibt
                                                        sie fest. Ich bezeichne mich seit langem als Verfassungspatriotin. Mich be-

     LIEBER
                                                        geistert die Mischung aus Rechtsstaatlichkeit und Freiheitsgarantie, aus
                                                        Offenheit und Ordnung, aus Humanität und Wertekatalog.

                                                        Daraus entsprang die Idee für eine Debattenreihe, um die Werte des

     LESER,
                                                        Grundgesetzes stärker ins gesellschaftliche Gespräch zu bringen: wech-
                                                        selnde Orte, wechselnde Grundrechtsartikel, wechselnde Adressaten. Was
                                                        mir wichtig ist und worum es gehen soll in der Veranstaltungsreihe: Jenem
                                                        wunderbaren Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland den Platz
                                                        geben, den es verdient; es in all seinen Teilen und mit all seiner Intention
                                                        hochhalten, für seine zeitlose Klugheit werben, die Festlegungen aus seinen
                                                        Artikeln analysieren, diskutieren – und manchmal auch einem Wirklichkeits­
                                                        check unterziehen. Die Gesprächsreihe sollte einen Titel bekommen, der
                                                        meine Überzeugungen, ja meine Wertschätzung auf den Punkt bringt.
                                                        Deshalb: „WERTSACHEN – Was uns zusammenhält.“

                                                        Viel Freude bei der Lektüre der Bilanz unserer Gesprächsreihe.

        „WERTSACHEN – Was uns zusammenhält.“
       Am Titel für diese Gesprächsreihe haben wir
        eine Zeit lang getüftelt. Das war Mitte 2016,
       kurz nach meiner Wahl zur ersten Landtags-       Muhterem Aras MdL
                präsidentin in Baden-Württemberg.       Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg

02          EDITORIAL                                                                                  EDITORIAL                         03
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
BEGRIFFLICH GESEHEN

     WERTSACHEN
     Der Begriff Wertsachen wird im gängigen Sprachgebrauch zumeist verwendet im
     Zusammenhang mit materiellen Gegenständen: Geld, Schmuck, eine teure Uhr.
     Wertsachen versichert man gegen Diebstahl, man schließt sie in einen Tresor, um sie
     vor Zugriff zu schützen. Wertsachen sollen die Zukunft absichern und möglichst wertig
     bleiben. Einige Schülerinnen und Schüler aus Singen am Hohentwiel, nach ihrem
     Verständnis von Wertsachen befragt, antworteten zunächst das Naheliegende:
     Smartphone, Ketten, Armbänder. Andere sahen Familie, Freundschaften oder Schule
     als Wertsachen an. Eine Jugendliche definierte umfassend: „Dinge, die mir am Herzen
     liegen und von denen man will, dass sie nicht verloren gehen.“ Bildung als Wertsache
     bejahten einige nach längerem Nachdenken. Was eine Sache von Wert ist, kann also
     höchst unterschiedlich sein. Sicher ist nur: In diesem Begriff scheint die Ursprungs-
     bedeutung mächtig durch, man assoziiert Diamanten und Gold. Grundrechte, also
     etwas trockene Materie wie die Rechtsnormen aus der Verfassung, als Wertsachen
     zu bezeichnen, erhöht deren gefühlte Wertigkeit. Die Artikel des Grundgesetzes als
     „Wertsachen“ zu bezeichnen, beinhaltet folgerichtig, ihnen auch größtmöglichen
     Schutz angedeihen zu lassen, weil sonst – zumindest denkbar – der Verlust von
     Grundwerten und Grundrechten droht. Die Wertsachen Meinungsfreiheit, Religions-
     freiheit oder Diskriminierungsfreiheit sind die Mosaiksteine, aus denen sich unsere
     offene, freiheitliche Demokratie zusammensetzt. Eine aktive Demokratie ist in der
     Lage, drohende Angriffe abzuwehren. Aber, wie der Schriftsteller Günter Grass 1964
     in einem Essay schrieb, „man muss auf sie aufpassen“.

04                                           BEGRIFFLICH GESEHEN
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
ZU ART. 4 (1) GG
      ZU ART. 1 GG                                                                                                   RELIGIONS- UND
                                                                                                                     GLAUBENSFREIHEIT
      „Menschenwürde bedeutet für mich
      den letzten Schimmer Hoffnung für                                                                              „Religionsfreiheit gehört
      die Menschen heutzutage …“                                                                                     für mich einfach dazu …“

                                                            ZU ART. 1 GG
                                                            „Menschenwürde
                                                            ist letztlich nicht
                                                                                   ZU ART. 5 (1) GG
                                                            greifbar und das ist
                                                                                   MEINUNGS- UND INFORMATIONSFREIHEIT
                                                            es, was das Mensch-
                                                                                   „Wenn man sich rassistisch äußert
                                                            sein letztlich auch
                                                                                   und das dann als Meinung darstellt,
                                                            ausmacht …“
                                                                                   das finde ich falsch.“                                        ZU ART. 5 (1) GG
ZU ART. 4 (1) GG
RELIGIONS- UND GLAUBENSFREIHEIT                                                                                                                  MEINUNGS- UND
„Religion ist Privatsache.“                                                                                                                      INFORMATIONSFREIHEIT
                                                                                                                                                 „… dass ich die Meinung,
                                                                                                                                                 die ich habe, sagen darf,
                                                                                                                                                 ohne dass ich dafür bestraft
                                                                                                                                                 werde.“

Ein (filmischer) Beitrag von
Alexandra Krämer, Elelta Tzegai,
David Büttner und Angelina Beresowski
(Hochschule der Medien)

06                                        1. WERTSACHEN-DIALOG                                      STUTTGART, 24.01.2017                                               07
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
DUNJA HAYALI, JOURNALISTIN
                                                                                                                                                                                              UND MODERATORIN
                                                                                                                                                                                              „Es ist keine Selbstverständ­
                                                                                                                                                                                              lichkeit, in einer Demokratie
                                                                                                                                                                                              zu leben. Wir müssen sie
                                                                                                                                                                                              verteidigen.“

                                                                                                                                                                                              „Die Würde des Menschen ist
                                                                                                                                                                                              unantastbar? Hassbotschaften im
                                                                                                                                                                                              Internet, Verunglimpfungen von
                                                                                                                                                                                              Zeitungen als ‚Lügenpresse‘: Die
                                                                                                                                                                                              Würde von zu vielen Menschen
                                                                                                                                                                                              wird ganz offensichtlich schon
                                                                                                                                                                                              lange nicht mehr geachtet.“

GRUSSWORT
MUHTEREM ARAS, PRÄSIDENTIN DES LANDTAGS                     Werte wie: Würde, Gleichberechtigung, Pluralität, Solida-      öffentliche Debattenkultur verroht, im Internet grassieren   Ich bin froh und dankbar, in diesem wunderbaren Land zu
VON BADEN-WÜRTTEMBERG                                       rität, Freiheit und streitbare Demokratie.                     Hassbotschaften, die Medienlandschaft wird als „Lügen-       leben. Und ich bin der Überzeugung, dass die Mehrheit
                                                                                                                           presse“ bezeichnet. Betroffen sind das Grundgesetz und       der Bevölkerung, dass Sie diese Werte genau so schätzen
Liebe Gäste,                                                Seit einiger Zeit werden unsere Werte und unsere demo-         die Landesverfassung, denn sie bilden die Basis unseres      und bewahren wollen.
                                                            kratischen Institutionen teilweise angezweifelt. Von politi-   Zusammenlebens. Sie zu beleuchten, lebendig werden zu
bereits in meiner Antrittsrede habe ich angekündigt, mich   schen Bewegungen im In- und Ausland, aber auch von             lassen und damit eine Wertediskussion anzustoßen – das       Deshalb werde ich alles dafür tun, die demokratischen
als Landtagspräsidentin mit aller Kraft und Leidenschaft    Bürgerinnen und Bürgern. Was bis vor wenigen Jahren            ist Ziel unserer Gesprächsreihe „WERTSACHEN.“                Kräfte in unserem Land zu stärken.
für den Erhalt unserer Grundwerte und den Zusammenhalt      noch als unangefochten gegolten hat, steht plötzlich im
unserer Gesellschaft einzusetzen. Wir haben mit unserem     Zentrum der öffentlichen Diskussion: Grundrechte werden        Denn genau diese Werte sind es, die dieses Land in vielen    Mit dieser Gesprächsreihe möchte ich eine Rückbesinnung
Grundgesetz eine der besten, vielleicht sogar die beste     angezweifelt, Grundwerte unserer Demokratie skeptisch          Jahrzehnten zu dem gemacht haben, was seine Stärke           auf unsere Verfassung, auf unsere Werte leisten und mit
Verfassung der Welt. Hier sind unsere Werte verankert.      hinterfragt, demokratische Institutionen angezweifelt. Die     ausmacht. Darauf bin ich stolz.                              Ihnen darüber ins Gespräch kommen.

08                                                          1. WERTSACHEN-DIALOG                                                                           STUTTGART, 24.01.2017                                                            09
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
ALBRECHT SCHERR, PROFESSOR
     FÜR SOZIOLOGIE, FREIBURG
                                                                   GRUNDGESETZ FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
     „Wir müssen nicht nur die politische
     Debatte, sondern die Menschen mit
     einem Mehr an Bildung über, durch
     und für Menschenrechte stärken.“

                                                                   (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
                                                                   schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

                                                                   (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und un-
                                                                   veräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
                                                                   Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

                                                                   (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollzie-
                                                                   hende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

10                                          1. WERTSACHEN-DIALOG                 STUTTGART, 24.01.2017                                   11
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
„Die Würde des Menschen
ist unantastbar.“ So steht es
nicht nur im ersten Artikel des
Grundgesetzes, sondern auch
im Landtag von Baden-
Württemberg über einem
Gedenkbuch. Es erinnert
an Parlamentarier aus dem
Südwesten, die aus politi-
schen oder rassistischen
Gründen vom NS-Regime
schikaniert wurden, deren
Würde durch die Verfassung
eben nicht unantastbar war.
Der 1961 eingeweihte,
denkmalgeschützte Landtag
in Stuttgart ist in doppelter
Hinsicht ein symbolträchtiger
Ort: Als erster Parlaments-
neubau nach dem Zweiten
Weltkrieg stand der impo-
sante Kubus für „Demokratie
als Bauherr“ – ein passender
Auftakt für die Gesprächs­                               NIKITA GORBUNOV,
reihe „WERTSACHEN“. Dieser                               POETRY-SLAMMER
wird moderiert von Silke                                 „Nicht provozieren lassen.
Gmeiner.
                                                         Antworten Sie in sozialen
                                                         Medien mit Katzenbildern.“

12                                1. WERTSACHEN-DIALOG                    STUTTGART, 24.01.2017   13
Eine Gesprächsreihe des Landtags in der 16. Wahlperiode - Landtag Baden ...
LINK AUF DIE VERANSTALTUNG   PUBLIKUMSFRAGEN
     https://bit.ly/2FxuEvg       https://bit.ly/2UXgev8

     IMPRESSIONEN AUS STUTTGART   VIDEOZUSAMMENSCHNITT
     https://bit.ly/2OsEu5V       https://bit.ly/2JQn70m
     https://bit.ly/2TYxBiH

14                                      1. WERTSACHEN-DIALOG
BEGRIFFLICH GESEHEN

     WERTEWANDEL
      Der Begriff Wertewandel meint zunächst, ganz neutral, eine Veränderung gesell-
      schaftlicher und individueller Normen und Wertvorstellungen. Das heißt, er bietet
      sich als rhetorische Allzweckwaffe an – je nach Intention: Wertewandel kann will-
      kommene Modernisierungsprozesse beschreiben, aber auch den Verlust „alter
      Werte“, die meist weniger im Grundrechtekatalog zu finden sind, sondern eher (Se-
      kundär-)Tugenden darstellen wie Verlässlichkeit oder Pünktlichkeit. Wertewandel
      gestaltet sich entlang von Konjunkturen, Moden oder moralischen Standards. Die
      um die Jahrtausendwende volljährig gewordene Generation Y, so die Demoskopie,
      gewichte Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance höher als Vermögen und
      Besitz, auch sei eine Auffächerung der sozialen Milieus und Lebensstile festzustellen
      und Entfremdung von Politik. Doch Menschen gewichten so individuell, wie es Ge-
      sellschaften insgesamt tun. Es gibt Grundrechte auf freie Entfaltung, auf Gleichheit
      vor dem Gesetz, auf Glaubens- und Meinungsfreiheit, auf eine Demo oder häusli-
      che Privatheit. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari hält Grundrechte und
      Grundwerte zusammengenommen für „eine Fiktion“ des bestmöglichen Zusam-
      menlebens. Nur: Es ist keinesfalls gesichert, dass jede und jeder die Grundrechte
      und die daraus abgeleiteten Werte für unser Leben als wichtig oder gar hand-              GRUSSWORT                                                    Sie suchen eine neue Wohnung. Sie lesen die Inserate in
      lungsleitend empfinden, dass Bürgerinnen und Bürger den Zusammenhalt des Ge-              MUHTEREM ARAS, PRÄSIDENTIN DES LANDTAGS                      der Zeitung, recherchieren im Internet, nutzen Portale. Es
      meinwesens im Auge haben. Ein Vorurteil im Zusammenhang mit Wertewandel hält              VON BADEN-WÜRTTEMBERG                                        gibt viele Angebote in Mannheim und anderswo, aber
      sich indes hartnäckig, und zwar in jeder Generation: die These, dass die Jugend                                                                        auch viel Konkurrenz. Stellen Sie sich die Geschichte in
      politisch desinteressiert sei und sich, in der aktuellen Variante, nur mehr in medialen   Liebe Gäste,                                                 zwei Varianten vor:
      Bubbles aufhalte. Greta Thunbergs Bewegung „Fridays for Future“ beweist das
      Gegenteil, nämlich ein sehr reges, aktives, werte- und verantwortungsbetontes             mit unserer Reihe „WERTSACHEN – Was uns zusammen-            Sie haben einen ausländischen Namen: zum Beispiel Ma-
      Staatsbürgerverständnis. Die Schülerdemos halten uns den Spiegel vor: Grund-              hält.“ wollen wir keine akademischen Diskurse über unsere    ryam Abedini oder Ismail Hamed. Oder Sie haben einen
      rechte wirken nicht durch pures Vorhandensein. Sie müssen immer wieder neu                Grundrechte führen. Vielmehr wollen wir zeigen, was die      deutschen Namen wie Hanna Berg oder Stephan Braun.
     ­belebt werden.                                                                            Werte des Grundgesetzes ganz konkret mit unserem All-        Ansonsten ist alles gleich: Alter, Anschreiben, Lebenslauf,
                                                                                                tag zu tun haben. Heute geht es um Artikel 3 des Grund-      Abschlüsse, finanzielle Verhältnisse. Wird Maryam genauso
                                                                                                gesetzes. Artikel 3 GG verbietet pauschale Benachteiligung   oft zur Besichtigung eingeladen wie Hanna? Ismail genauso
                                                                                                oder Bevorzugung. Wird die Realität dem immer gerecht?       oft wie Stephan? Gibt es Unterschiede? Wenn ja, wie groß
                                                                                                Dazu habe ich folgende Bitte an Sie: Stellen Sie sich vor,   sind diese? Was meinen Sie?

16                                            BEGRIFFLICH GESEHEN                                                                MANNHEIM, 10.07.2017                                                                17
„No place for sexism,
antisemitism, racism,                                                                                       CACAU, INTEGRATIONS­
fascism, hate, homophobia                                                                                   BEAUFTRAGTER DES DFB
and any kind of discrimina-                                                                                 „Migranten müssen viele Ent­
tion“ – so steht es auf der
                                                                                                            täuschungen ertragen, aber
Startseite der Website des
Jugend­kulturzentrums                                                                                       es ist wichtig, seine eigenen
FORUM in Mannheim.                                                                                          Talente herauszustellen und
                                                                                                            selbstbewusst mit der
Mannheim, die bunte Stadt.
                                                                                                            Gesellschaft umzugehen.“
Mannheim, die Stadt, in der
180 Nationalitäten leben und
Heimat finden. Mannheim                                                                                     „Wer gut spielt, ist akzeptiert –
als Ort also, prädestiniert für                                                                             egal, welche Hautfarbe er hat.“
einen Abend zu Artikel 3 des
Grundgesetzes und einen
Realitätscheck im Jugend-
kulturzentrum. Die WERT­
SACHEN-Diskussion an
diesem Abend moderiert
Silke Gmeiner. Der Stadt­
jugendring Mannheim, der                                                                           ben sind. Das ist eine notwendige Voraussetzung, aber         wieder gemeinsam unseres Wertefundaments versichern.
hinter dem FORUM steht,                                                                            noch keine ausreichende.                                      Zum Beispiel in einem Rahmen wie im Jugendkulturzen­
beschreibt dieses als eine        Eine entsprechende aktuelle Studie kam zu folgendem                                                                            trum FORUM in Mannheim.
Einrichtung für Kinder,           Ergebnis: Maryam und Ismail werden in einem von vier             Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben
Jugendliche und Erwachsene        Fällen aussortiert – allein aufgrund ihres Namens. Auch          ­ ervorragende Ausgangsbedingungen geschaffen. Das
                                                                                                   h                                                             Darum soll es an diesem Abend gehen: Was kann die Politik,
mit unterschiedlichen             auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gibt es – bewusst          Grund­gesetz legt die Basis für unser Zusammenleben. Der      die Gesellschaft, was können wir tun? Für Chancengleich-
sozialen wie ethnischen           oder unbewusst – teils erhebliche Ungleichbehandlung             Staat schützt unsere Grundwerte. Die Verantwortung, die       heit und gegen Diskriminierung.
Bezügen. Dort ist es ganz         und damit Diskriminierung.                                       Werte der Verfassung zu leben, liegt jedoch bei uns. Bei
egal, wo ein Mensch                                                                                Ihnen, bei euch, bei mir, bei uns allen.                       Ich halte es für wichtig, dass wir dabei auch Erfolgs­
herkommt.                         Artikel 3 unseres Grundgesetzes verbietet Diskriminierung                                                                       geschichten betrachten und daraus lernen. Ich freue mich
                                  aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, der Religion.            Diese Verantwortung wächst. In den nächsten Jahren             daher auf die Gäste unserer WERTSACHEN-Veranstaltung
                                  Aber ich bin sicher, allen in diesem Raum fallen Beispiele       wird es eine große Herausforderung sein, eine hohe Zahl        zu Artikel 3 Grundgesetz: Cacau, Jagoda Marinić und
                                  aus dem persönlichen Umfeld ein, dass Diskriminierung im         von Neuankömmlingen zu integrieren. Wir können unsere         ­Fatih Çevikkollu.
                                  Alltag de facto durchaus stattfindet. Werte entfalten ihre       Werte aber nur dann vermitteln und andere für sie be-
                                  Kraft nicht allein dadurch, dass sie offiziell niedergeschrie-   geistern, wenn wir sie selbst leben. Und wenn wir uns immer   Herzlichen Dank!

18                                2. WERTSACHEN-DIALOG                                                                              MANNHEIM, 10.07.2017                                                                19
GRUNDGESETZ FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

                                            (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

                                            (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die
                                            tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
                                            Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
          JAGODA MARINIĆ, AUTORIN
          „Obwohl immer mehr Menschen       (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,
          nach Deutschland passen, ist es   seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines
          noch ein weiter Weg, um die       Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen be-
          Gesellschaft für Integration zu   nachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner
          sensibilisieren.“                 Behinderung benachteiligt werden.

20   2. WERTSACHEN-DIALOG                                  MANNHEIM, 10.07.2017                                  21
FATIH ÇEVIKKOLLU,
                                                           KABARETTIST
                                                           „Der größte Irrtum
                                                           ist die Arroganz der
                                                           Helfenden. Nichts ist
                                                           schlimmer, als wenn
                                                           man vor allem von
                                                           Ämtern nicht ernst-
                                                           genommen wird.“

                                                           „Du lebst Normalität,
                                                           aber dein Umfeld
                                                           spiegelt dir ständig
                                                           Anderssein.“

     LINK AUF DIE VERANSTALTUNG   LINK ZUR PRESSEMITTEILUNG
     https://bit.ly/2JKfVTp       https://bit.ly/2U8LFWh

     IMPRESSIONEN AUS MANNHEIM
     https://bit.ly/2ut5CIK

22                                      2. WERTSACHEN-DIALOG
Was ist uns wichtig?
                                                          Was macht uns aus?
                                                          In der Gesellschaft,
                                                          der Familie oder bei
                                                          der Arbeit?                                                                          Materielle
                                                                                                                                               Werte
                                                                                                                                               Moralische
                                                                                                                                               Werte
               Menschen
               achten auf
               Werte.                                                                           Ein wichtiger Wert
                                                                                                für mich ist …

                                                                                                … Gerechtigkeit        … Meinungsfreiheit
                                                                                                … Frieden              … Disziplin
                                                                                                … Toleranz             … Respekt
                                                                                                … Unabhängigkeit       … Verständnis
                                                                                                … Gleichberechtigung
WERTSACHEN – EIN FILM ÜBER WERTE
Eine Jugendgruppe aus Waldkirch, die sich politischen Themen, aber auch kreativen Projekten
widmet, konzipierte eigens für die „WERTSACHEN“ in Offenburg einen Film – über Politik in
Schulen, Mitbestimmung und Wertvorstellungen. Selbst gefragt, selbst gedreht, selbst zu einem
Video geschnitten und bearbeitet. „Forest Pictures“ nennt sich das engagierte Team, das das
Miteinander hochhält. Für sich genommen selbst eine „WERTSACHE“.

24                                                     3. WERTSACHEN-DIALOG                                            OFFENBURG, 18.10.2017                25
GRUSSWORT                                                                                                                           Welch katastrophale Auswirkungen es auf Gesellschaften       Das Grundgesetz stellt an die Bürgerinnen und Bürger be-
MUHTEREM ARAS, PRÄSIDENTIN DES LANDTAGS                                                                                             hat, wenn diese Bedingungen fehlen, thematisiert der         wusst keine Ansprüche. Aber seine Werte zu leben, sie im
VON BADEN-WÜRTTEMBERG                                                                                                               langjährige SWR-Korrespondent Jörg Armbruster in seinem      permanenten gesellschaftlichen Gespräch auszuhandeln
                                                                                                                                    Vortrag. Leider muss man nicht einmal den Blick auf Länder   und zu festigen – diese Verantwortung liegt bei uns allen.
Liebe Gäste,                                                                                                                        außerhalb Europas richten, um auf existentielle Bedrohun-    Zu dieser Verfassungskultur gehört ganz elementar, dass
die Gesprächsreihe des Landtags „WERT­SACHEN – Was                                                                                  gen der Pressefreiheit zu stoßen. Am Montag wurde die        der eigenen Freiheit auch Pflichten gegenüberstehen.
uns zusammenhält.“ will fragen und zeigen, was die Werte                                                                            Journalistin Daphne Caruana auf Malta ermordet. Zuvor
des Grundgesetzes mit unserem Alltag zu tun haben.                                                                                  hatte sie einen Skandal um Briefkastenfirmen und Steuer-     An erster Stelle: der Respekt vor den anderen. Das klingt
                                                                                                                                    betrug auf der Insel aufgedeckt. Ich hoffe inständig, dass   simpel, ist aber im Alltag hochanspruchsvoll. Gerade das
Kaum ein Artikel bietet sich für eine Diskussion mit Bürgerin-                                                                      wir solche Anschläge auf das Leben von Journalistinnen       Beispiel Meinungsfreiheit zeigt das. Durch die technische
nen und Bürgern so an wie Artikel 5 des GG. Er garantiert                                                                           und Journalisten und die Pressefreiheit in Deutschland       Entwicklung haben wir heute weitaus mehr Möglichkeiten,
die Freiheit, die eigene Meinung zu äußern und zu verbrei-                                                                          nicht erleben. Doch auch wir müssen wachsam sein, wach-      uns zu informieren, uns zu vernetzen, unser Glück wie auch
ten. Und auf den Austausch von Meinungen setzen unsere                                                                              sam gegenüber schleichenden Erosionsprozessen. Eine          unseren Ärger zu äußern. Soziale ­Medien bieten die Mög-
Veranstaltungen.                                                                                                                    wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Meinungs-    lichkeit, virtuell andere Lebenswelten zu erkunden. Wir
                                                                                                                                    freiheit sind Sie, sehr geehrte Damen und Herren.            können uns mit deutlich mehr Menschen austauschen.
Hier im Salmen proklamierten Demokraten 1847 – kurz vor                                                                                                                                          Debatten können dadurch breiter und dynamischer ge-
der Revolution – 13 Forderungen des Volkes.                                                                                                                                                      führt werden.

Nummer zwei lautete: „Wir verlangen Pressefreiheit; das                                                                                                                                          Die Kehrseite aber ist die Möglichkeit, sich in Echokammern
unveräußerliche Recht des menschlichen Geistes, seine                                                                                                                                            zurückzuziehen. Räume, in denen nur die eigene Meinung
Gedanken unverstümmelt mitzuteilen, darf uns nicht länger                                                                                                                                        gespiegelt und auch nur diese geduldet wird. Das Schmoren
vorent­h alten werden.“ Dieses historische Pfund, diese                                                                                                                                          im eigenen Saft birgt die Gefahr, jeder anderen Meinungs-
Tradition hat die Stadt gut bewahrt.                                                                                                                                                             äußerung nur noch verächtlich gegenüberzutreten. Das
                                                                 Meinungsfreiheit braucht weitere Voraussetzungen – Artikel                                                                      Netz fühlt sich anonym an. Das senkt leider die Hürde, eine
Der Aufschrei der unterdrückten Bürger von 1847 trifft den       5 schreibt sie fest. Er gewährleistet die Pressefreiheit und die                                                                Sprache zu verwenden, die die Würde des Gegenübers
Kern unserer heutigen Verfassung: Meinungsfreiheit ist in        Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film.                                                                         verletzt – und damit auch seine elementaren Grundrechte.
erster Linie ein Abwehrrecht gegen den Staat. Sie ist die        Und nicht zuletzt: Kunst und Wissenschaft, Forschung und
Voraussetzung, dass die Gewalt im Staat von einem Volk           Lehre sind frei. Mit anderen Worten: Wir müssen nicht nur                                                                       Durch diese Entwicklung geraten auch die klassischen
ausgeht, dessen Meinungsbildung nicht vom Staat ma-              gewährleisten, dass Menschen ihre Meinung frei sagen                                                                            ­Medien unter Druck. Denn ausgewogene Nachrichten und
nipuliert wird. Nur wer sich angstfrei äußern kann, wird         dürfen. Wir müssen auch gewährleisten, dass sie sich ihre                                                                        Einordnungen sind das Gegenteil von Echokammern.
sich in Debatten einbringen und sich an der politischen          Meinung frei bilden können. Wir brauchen unabhängige                                                                             Gerade deshalb werden sie – aus diesen heraus – be-
Willensbildung beteiligen. Das wiederum ist eine wesent­         Medien, die Missstände schonungslos benennen. Wir brau-                                                                          kämpft. Bis hin zum Vorwurf der „Lügenpresse“.
liche Voraussetzung, um sich für ein Gemeinwesen zu en-          chen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren
gagieren. Demokratie lebt von Auseinandersetzung, vom            Lehre und Forschung auch lieb gewonnene Gewohnheiten
Wettstreit der Argumente. Die Freiheit der Meinungsäuße-         in Frage stellen. Wir brauchen Künstlerinnen und Künstler,
rung bringt ihr Herz erst zum Schlagen. Dazu gehört mehr,        die die gesellschaftlichen Verhältnisse auch durch Pro-
als nur etwas sagen, schreiben oder abbilden zu dürfen.          vokationen zum Tanzen bringen.

26                                                               3. WERTSACHEN-DIALOG                                                                              OFFENBURG, 18.10.2017                                                                 27
Umso dringender brauchen wir Qualitätsmedien. Als Ga-          garantieren. Das können nur mündige Bürgerinnen und
ranten, dass ein gesellschaftliches Gespräch auf einer         Bürger, die sie leben. Menschen, die unter Meinungsfrei-
gemein­samen Informationsbasis überhaupt möglich ist.          heit gerade auch die Meinungsfreiheit der anderen ver-
Denn eine Gesellschaft, die in Milieus zerfällt, eine solche   stehen. Und Menschen, die die Auseinandersetzung mit
Gesellschaft ist als Ganzes schwach. Eine vielfältige Ge-      anderen Standpunkten als Bereicherung schätzen. Diese
sellschaft, die Unterschiede auf der Basis gemeinsamer         Werte zu leben, dazu soll auch unsere heutige Veran-       GRUNDGESETZ FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Werte akzeptiert und respektiert, braucht eine offene,         staltung einen Beitrag leisten.
tolerante Debattenkultur. Diese können Institutionen nicht

                                                                 LENA GORELIK, SCHRIFTSTELLERIN                           (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei
                                                                 „Es gibt kein Recht auf Meinungs-                        zu äußern und zu verbreiten und sich aus allge­mein zugänglichen
                                                                 freiheit ohne Verantwortung.“                            Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Frei-
                                                                                                                          heit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewähr-
                                                                 „Das wichtigste Schulfach sollte der                     leistet. Eine Zensur findet nicht statt.
                                                                 Umgang mit sozialen Medien sein.“
                                                                                                                          (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allge-
                                                                                                                          meinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der
                                                                                                                          Jugend und in dem Recht der persön­lichen Ehre.

                                                                                                                          (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Frei-
                                                                                                                          heit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

28                                                             3. WERTSACHEN-DIALOG                                                     OFFENBURG, 18.10.2017                                     29
JÖRG ARMBRUSTER,
                                                                                              ARD-KORRESPONDENT
                                                                                                                                                                     Dieser Artikel schafft, wie der ägyptische Kollege es formu-
Das Kulturdenkmal                                                                             „Meinungsfreiheit muss                                                 liert hatte, die notwendige Luft zum Atmen, die jeder Bürger
Salmen in Offenburg ist                                                                       immer wieder neu verteidigt                                            braucht, um in einer Gemeinschaft nicht nur zu überleben,
ein geschichtsträchtiger Ort                                                                  und ausgehandelt werden.“                                              sondern auch sich aktiv an ihr zu beteiligen. Mit Kritik, mit
für die Meinungsfreiheit.                                                                                                                                            Debatten, mit eigener Meinung. Das kann nur funktionieren,
Wenige Zeilen im Offenburger                                                                                                                                         wenn die Bürger sicher sein können, unabhängige, unver-
Wochenblatt kündigten im                                                                                                                                             stellte Informationen zu bekommen. Meinungs- und Presse-
Jahr 1847 für Sonntag, den                                                                                                                                           freiheit sind Geschwister, die aufeinander angewiesen sind.
12. September, dort eine
Veranstaltung an: eine                                                                                                                                               Das Letzte, was ich von diesem Kollegen gehört habe, war,
Versammlung von Verfas-                                                                                                                                              dass er von der Polizei verhaftet worden ist, offensichtlich
sungsfreunden aus dem                                                                                                                                                hatte er sich kritisch über den ägyptischen Präsidenten ge-
ganzen Land Baden „zum                                                                                                                                               äußert. Ob er wieder freigelassen ist, kann ich nicht sagen.
Zwecke gegenseitiger           VORTRAG                                                               Bleiben wir in Syrien. Das Assad-Regime versuchte schon         Im Land herrscht Angst besonders unter jenen Menschen,
Besprechung und Verständi-     JÖRG ARMBRUSTER, ARD-KORRESPONDENT                                    zu Friedenszeiten jede unabhängige Berichterstattung zu         die zwischen 2011 und 2013 auf so etwas wie Pressefreiheit
gung“. Es war der Beginn                                                                             verhindern – mit Zensur, Überwachung und willkürlichen          gehofft und sich dafür eingesetzt hatten.
der demokratischen Bewe-       Stellen Sie sich einmal vor, Sie leben in einem Land, in dem          Festnahmen. Unliebsame Beobachter werden gefoltert
gung in Baden. Rund 900        es nur zwei oder drei Tageszeitungen gibt. Und jeden Mor-             oder ermordet. Fernsehen und Radio werden genauso vom           Aber blicken wir doch nach Deutschland. An welcher Stelle,
Menschen kamen und hörten      gen beim Frühstück müssen Sie feststellen, in jeder dieser            Staat kontrolliert wie die Zeitungen. Aber auch auf der         glauben Sie, liegt unser Land auf dieser Rankingliste von
die Verkündung der             Zeitungen steht genau das Gleiche. Gleiche Formulierun-               anderen Seite sieht es heute nicht besser aus. Dschihadis-      Reporter ohne Grenzen? 1., 2. oder 3. Platz? Jedenfalls unter
„13 Forderungen des Volkes     gen, gleiche Nachrichten, gleiche Kommentare. Gleich ist              tische Gruppen überfallen oder bedrohen kritische Journa­       den ersten zehn? Falsch. Deutschland erreicht nur Platz 16.
in Baden“ – des ersten         auch: An der Regierung wird grundsätzlich keine Kritik ge-            listen und verbreiten mit Entführungen und Exekutionen          Hinter anderen europäischen Ländern wie Norwegen, Finn-
Grundrechte-Katalogs in        übt, im Gegenteil. Der Herrscher wird als der größte Poli-            ein Klima der Angst. Auf der Rangskala der Pressefreiheit       land, aber auch zu meiner Überraschung hinter Costa
Deutschland. Eines der         tiker des Landes gefeiert. In allen Zeitungen. Seine Geg-             liegt Syrien auf dem 177. von 180 Plätzen.                      Rica und Jamaika. Der 16. Platz ist eigentlich kein gutes
geforderten Grundrechte:       ner als Verräter und Terroristen gebrandmarkt. Jeden Tag.                                                                             Ergebnis. Woran liegt das?
die Meinungs- und                                                                                    Aber auch Ägypten, wo ich das Glück hatte, für wenige
Pressefreiheit. Den Abend      Wenn Sie sich das einmal auszumalen und sich dieses Land              Jahre Pressfreiheit zu erleben, ist heute wieder auf den 161.   Die Probleme, die hier die Pressefreiheit einengen, sind ganz
im Salmen moderiert            vorzustellen versuchen, dann sind Sie nicht in Nordkorea,             Platz dieser 180 abgerutscht. Diese Entwicklung schmerzt        entschieden andere als die in den Ländern, die ich eben
Silke Gmeiner.                 ­so weit müssen Sie gar nicht reisen, es reicht in eines der          mich besonders, weil ich die Sehnsucht der Menschen nach        beschrieben habe. Zwar versuchen auch hier Verfassungs-
                                Länder des Nahen Ostens. Besonders Syrien zeichnet sich              Meinungsfreiheit und einer freien, nicht gegängelten Be-        schutz oder Polizei immer wieder Journalisten bei ihrer Ar-
                                durch Unterdrückung einer unabhängigen Berichterstattung             richterstattung erlebt hatte. „Endlich haben wir Luft zu at-    beit zu beobachten, um so Informationen zu gewinnen. Von
                                aus. Genauso aber auch Länder wie die Türkei, wo über 170            men“, sagte mir damals – das war in der Zeit zwischen 2011      2006 bis 2012 observierte zum Beispiel der Niedersächsische
                                Journalisten eingesperrt sind, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran          und Mitte 2013 – ein ägyptischer Journalistenkollege. Er        Verfassungsschutz sechs Journalisten, unter anderem eine
                                und nicht zu vergessen der Ausrichter der übernächsten               strahlte dabei. Und Leser in den Kaffeehäusern äußerten:        Rechtsextremismus-Expertin. Doch als das 2013 aufflog,
                                Fußball-WM, Katar. Auch der Veranstalter der nächsten,               „Endlich können wir den Zeitungen vertrauen, wenigstens         beschloss drei Jahre später der Landtag in Hannover ein
                                Russland, ist nicht unbedingt für ein Übermaß an Presse-             ein bisschen.“ Und ich hatte weder vorher noch nachher so       Gesetz, nach dem die niedersächsischen Verfassungshüter
                                freiheit bekannt.                                                    überdeutlich erlebt, wie wichtig dieser Artikel 5 des GG ist.   besser kontrolliert werden können.

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Klage eingereicht, unterstützt von der        ­argumentieren, ihn herabzusetzen statt mit ihm auf Augen-     Man sollte diesen Begriff „Lügenpresse“ als dummen
                                                                              Deutschen Journalistinnen- und Journa-        höhe zu streiten. Das gilt nebenbei auch für die Auseinan-     Kampfbegriff scharf zurückweisen, den Vorwurf aber den-
                                                                              listen-Union. Wir können zum Bundesver-       dersetzung mit AfDlern. Harte Bandagen im politischen          noch ernst nehmen und genau hinschauen.
                                                                              fassungsgericht gehen, das sich in der        Diskurs können notwendig sein, auch mal deftige Worte,
                                                                              Vergangenheit immer wieder als ein Hüter      nicht aber Hasstiraden oder gar Gewaltandrohung. Mei-          Denn Untersuchungen beklagen einen zunehmenden Verlust
                                                                              der Presse- und Meinungsfreiheit bewiesen     nungsstreit setzt die Bereitschaft voraus, dem anderen zu-     des Vertrauens in die Medien, das gilt für die die Öffent-
                                                                              hat. Wir können auch in der Öffentlichkeit    zuhören. Wer die Meinungskeule schwingt und versucht,          lich-Rechtlichen wie auch Private. Auch ein solcher Ver-
                                                                              demonstrieren und gegen vermeintliche         mit ihr zuzuschlagen, trifft am Ende den Artikel 5 des GG,     trauensverlust bedroht Presse- und Meinungsfreiheit. Das
                                                                              oder echte Willkür protestieren, ohne Angst   trifft also die Meinungsfreiheit selber.                       hat – ich beziehe mich auf diese Untersuchungen – auch
                                                                              haben zu müssen.                                                                                             damit zu tun, dass es in den letzten Jahren in einigen Be-
                                                                                                                            Bleiben wir aber noch einen Augenblick bei AfD, Pegida         reichen so etwas wie einen zunehmenden, gleichwohl un-
                                                                               Es gibt aber noch andere Gründe, warum       und Co. Sie prägten das Wort „Lügenpresse“, vielleicht         gewollten Gleichklang zwischen offizieller Politik und der
                                                                               Deutschland auf dieser Rangskala ab-         ohne anfangs zu wissen, dass dieser Begriff aus dem            Bericht­erstattung darüber gegeben hat. Nicht angeordnet
                                                                               gerutscht ist. So lassen sich in unserem     Wörterbuch der Unmenschen des Dritten Reichs stammt.           von oben, die Berichterstatter schwammen eher im Main-
                                                                               Land zunehmend Einschüchterungen,            Gemeint damit ist eine gesteuerte Meinungsmache, die           stream mit, ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen.
Auch der Fall des Journalisten und Dokumentaristen Daniel     Drohungen und tätliche Angriffe gegen Journalisten be-        nur wiedergibt, was Regierungen denken und nicht das
Harrich ging glimpflich aus, zeigt aber auch, dass Presse-    obachten. Besonders dann, wenn sie versuchen, in der          aufnehmen, was Zuschauer, Hörer oder Leser interessiert.       Zum Beispiel die Berichterstattung über den Ukrainekonflikt.
freiheit hier nicht immer ein selbstverständliches Gut ist,   rechtsradikalen Szene zu recherchieren oder über Pegida-­     Es fehle also nicht nur an kritischer Distanz zu den Regie-    Kaum ein Medium hatte anfangs über die Angst Russlands
sondern immer wieder neu verteidigt werden muss. Harrich      Demonstrationen zu berichten. In NRW, aber auch in            renden, Journalisten seien schlicht ihre Erfüllungsgehilfen.   berichtet, EU und NATO könnten bis dicht an die russische
hatte illegale Waffenexporte der Waffenfabrik Heckler &       Dresden konnten Journalisten teilweise nur unter Polizei-
Koch nach Mexiko recherchiert. Statt sofort gegen den         schutz über rechtsradikale und neonazistische Umtriebe
Waffenproduzenten zu ermitteln, warf die Staatsanwalt-        berichten. Selbst vor Morddrohungen schrecken solche
schaft Stuttgart dem Grimme-Preisträger Harrich Geheim-       Neonazis nicht zurück. Auch die AfD mit ihrer aggressiven
nisverrat und Verstoß gegen das Presserecht vor. Vielleicht   Sprache hat da ihren Anteil.
sollte er dadurch mundtot gemacht werden. Das war im
Frühjahr des vergangenen Jahres. Im Dezember 2016 wies        Umgekehrt haben aber auch Mitglieder linksautonomer
dann das Amtsgericht München die Klage der Staatsan-          Gruppen, die gegen den Parteitag der AfD in Köln in diesem           MATTHIAS DEUTSCHMANN,
waltschaft als unbegründet ab.                                Jahr protestierten, Journalisten, die über den Parteitag             KABARETTIST
                                                              berichten wollten, bedroht und behindert. Auch das
                                                                                                                                   „Zeigen, dass das Parlament
Nur zwei von ähnlich gelagerten Fälle. Sie zeigen: Auch in    gehört zum ganzen Bild.
einem Rechtsstaat wie dem unseren ist Pressefreiheit nicht
                                                                                                                                   wieder zu alter Stärke zu-
immer eine Selbstverständlichkeit. Doch die Mittel, sie zu    Mit anderen Worten: Nicht nur ich beobachte in Deutsch-              rückfindet, und mit der Macht
verteidigen, sind ganz andere als in autoritär regierten      land eine zunehmende Verrohung der Debattenkultur. Statt             des Wortes die Standpunkte
Staaten. Wir können klagen, wir können Gerichte anrufen.      pointiert formulierte Meinungen auszutauschen, sich mit              aushandeln.“
So haben neun Journalisten, denen während des G20-Gip-        Argumenten und Gegenargumenten zu streiten, wird immer
fels in Hamburg die Akkreditierung entzogen worden war, vor   häufiger versucht, den anderen mit Meinungskeulen zum
dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Bundespresseamt       Schweigen zu bringen, ihn also zu beschimpfen, statt zu

32                                                            3. WERTSACHEN-DIALOG                                                                           OFFENBURG, 18.10.2017                                                                  33
Grenze vorrücken, wenn sich die Ukraine nach Westen           Franziska Augstein, Redakteurin bei der Süddeutschen          Das Eingeständnis von Fehlern schafft
wendet. Das war aber damals ein starker Motor für die         Zeitung, spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer       also Vertrauen in die Presse und stärkt
russische Ukrainepolitik. Erwähnte damals ein Kommen-         Selbstgleichschaltung der deutschen Presse.                   damit die Pressefreiheit.
tator diese Sorge der Russen, wurde er als „Putinverste-
her“ verspottet, obwohl den anderen zu verstehen eine         Oder mein Gebiet. Syrien. Viel zu spät haben die Medien       Lassen Sie mich zum Schluss noch auf eine
wichtige Grundlage für umfassenden Journalismus, aber         meiner Meinung nach begonnen, auch die Rebellen kritisch      nicht mehr ganz neue, aber umso wichti-
auch für gute Politik ist. Eine Meinung zu haben setzt auch   zu hinterfragen. Lange galt die simple Gleichung: Assad ist   gere Entwicklung zu sprechen kommen.
voraus, den anderen ein Stück begriffen zu haben. Verste-     der Täter, daher böse, die Rebellen sind die Opfer, daher     Ich meine die Auswirkungen des Internets
hen heißt ja nicht billigen.                                  die Guten. Von diesem einfach gestrickten Erklärungsmuster    auf Pressevielfalt, auf Presse- und Mei-
                                                              war ich auch nicht ganz frei. Das hat dann zunehmend          nungsfreiheit.
                                                              auch zu dem Vorwurf der Einseitigkeit geführt. Zweifellos:
                                                              Nichts ist gut auf der Assad-Seite, das meiste aber schon     Die digitale Revolution hat die Bedeutung nicht nur der           Das kostet natürlich Zeit und Geld. Kenntnisreiche und
                                                              seit einigen Jahren auf der anderen auch nicht mehr.          großen Zeitungen und Rundfunkanstalten, sondern der               fundierte Berichterstattung ist also teuer, muss aber
                                                                                                                            Massenmedien insgesamt erodiert, schreibt der Medien­             dennoch die Antwort sein auf diese Herausforderungen.
                                                              Zweifellos ist auch die fehlende, verspätete und dann         kritiker Stefan Niggemeier. Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es
                                                              auch noch anfangs unzureichende Berichterstattung über        als Leitmedien die FAZ, die SZ, den SPIEGEL, die Tages-            Aber – ich gebe es gerne zu – das ist von einem solchen
                                                              die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht     schau, heute vom ZDF, um nur einige zu nennen, und die             Podium aus leichter gesagt als getan. Denn diese digitale
                                                              2015/2016 eines der krassesten Beispiele dafür, wie Jour-     meisten Konsumenten fühlten sich von diesem Angebot                Revolution hat den klassischen Medien, besonders den
                                                              nalismus Vertrauen verspielen kann. Meines Erachtens          auch ordentlich informiert.                                       ­privatwirtschaftlich organisierten, nicht nur so etwas wie
                                                              spielten damals Nachlässigkeit, schlampige Recherche                                                                             Exklusivität genommen, sie haben durch Verluste bei An-
                                                              und vielleicht auch eine Art Beißhemmung den Flücht-          Heute hat jede dieser Zeitungen und Zeitschriften ernst­           zeigen und Werbeeinnahmen auch erheblich finanzielle
                                                              lingen gegenüber eine wesentliche Rolle, nicht aber von       zunehmende Konkurrenz durch das Internet bekommen.                 Einbußen hinnehmen müssen, können dadurch immer schwe-
                                                              oben gesteuerter Vorsatz.                                     Politiker und Parteien gehen mit Facebook und Twitter an           rer teuren, weil hochwertigen Journalismus finanzieren.
                                                                                                                            die Öffentlichkeit und verbreiten das, was sie verbreiten
                                                              Das unterstellen die, die die Medien mit dem Kampfbegriff     wollen. Informationen fliegen durch das Internet fast in          Das Zeitungssterben und die Pressekonzentration durch
                                                              „Lügenpresse“ attackieren. Dieser Vorwurf ist zwar Unfug,     Echtzeit. Social-Media-Nutzer informieren sich zunehmend          Einnahmeverluste der vergangenen Jahrzehnte hat also
                                                              aber ein bisschen mehr öffentliche Selbstkritik fördert die   im Internet, es ist billig und berichtet schnell und knapp.       auch mit dem Internet zu tun. In Baden-Württemberg er-
KATHARINA GREVE, KÜNSTLERIN                                   Glaubwürdigkeit; denn niemand erwartet von Journalisten       ­Allerdings, wer sich den Algorithmen des Internets ausliefert,   scheinen heute nur noch zwei unabhängige Zeitungen,
UND COMIC-ZEICHNERIN                                          Unfehlbarkeit. Daher war es auch klug, dass Tagesschau-­       bekommt nur das zu lesen, was er lesen will. Das Internet        die Esslinger Zeitung und der Reutlinger General-Anzeiger,
„Es sollte ein Porto für jeden Face-                          Chefredakteur Kai Gniffke später Fehler bei der Ukraine-­      ist nicht, wie viele meinen, eine neutrale Recherchenma-         alle anderen gehören zu monopolartigen Dachgesell-
book-Post geben, analog zu den                                Berichterstattung eingestanden hat. „Nichts wirkt wahr-        schine, es versorgt Sie in erster Linie mit Informationen, die   schaften wie der Neuen Pressegesellschaft mit Sitz in Ulm
                                                              haftiger als das Bekenntnis, trotz des großen Bemühens,        zu Ihrem Weltbild passen. Häufig genug können Sie auch           oder der Südwestdeutschen Medienholding in Stuttgart, zu
Leserbriefen von früher. Damit könnte
                                                              alles richtig zu machen, versagt zu haben.“, schrieb zum       nicht die Frage beantworten, wie zuverlässig diese dort          der u. a. die beiden Stuttgarter Zeitungen, die Süddeut-
man die Hemmschwelle erhöhen.“                                Beispiel der Chefredakteur der ZEIT Giovanni di Lorenzo        angebotenen Informationen eigentlich sind. Fake oder             sche Zeitung, aber auch der Schwarzwälder Bote gehören.
                                                              auf ZEIT ONLINE vor gut eineinhalb Jahren in seinem Artikel    wahr? Zu den Aufgaben der klassischen Medien dagegen             Beide Gesellschaften sind wiederum über einen kompli-
                                                              „Unser Ruf steht auf dem Spiel“.                               gehört es, jede Information auf ihre Richtigkeit zu über­        zierten Schlüssel miteinander verflochten. Solche Presse-
                                                                                                                             prüfen, sie einzuordnen und Fakenews auszusortieren.             konzentration tut weder der Breite der Berichterstattung

34                                                            3. WERTSACHEN-DIALOG                                                                            OFFENBURG, 18.10.2017                                                                   35
und der Informa­tionsvielfalt besonders gut, noch fördert
sie die Glaubwürdigkeit der Presse als Meinungsmacher.

Es wäre aber ein schlechter Schluss, würde ich mit dieser
Botschaft enden. Es ist zwar richtig, dass eine zunehmende
Pressekonzentration die vierte Gewalt der Demokratie auf
Dauer schwächt. Doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung.
Sie kommt aus einem ehemaligen Schweizer Bordell. Dort
hat sich nämlich in Zürich eine Mannschaft von Zeitungs-
machern eingemietet, die ab Januar 2018 mit dem werbe-
freien Online-Magazin „Republik“ einen besseren Journalismus
mit ungetrübtem Blick auf die Dinge anzubieten verspricht.
Rund 14.000 zahlende Abonnenten hat das Magazin heute
schon, obwohl noch keine einzige Zeile erschienen ist. Ähn-    Der Wunsch nach verlässlicher und unabhängiger Informa-
liche Projekte gibt es auch in den Niederlanden und in         tion ist also da, weil Bürger wissen: Nur so kann ich mir eine
Deutschland unter anderem mit der in Stuttgart produzierten    Meinung bilden, nur so kann dieser wichtige 5. Artikel des
Online-Wochenzeitung „kontext“.                                Grundgesetzes erfolgreich verteidigt werden.

      LINK AUF DIE VERANSTALTUNG                        VIDEOAUFZEICHNUNG, TEIL 1
      https://bit.ly/2VGXYWH                            https://bit.ly/2H4AYxK

      IMPRESSIONEN AUS OFFENBURG                        VIDEOAUFZEICHNUNG, TEIL 2
      https://bit.ly/2C9kpwy                            https://bit.ly/2Hjlkho

36                                                             3. WERTSACHEN-DIALOG
So wie mir geht es vielen Menschen mit Migrationshinter-        Meine Kinder habe ich bewusst in den evangelischen
                                                                                                                           grund. Die Gesellschaft stellt oft automatisch eine starke      Religionsunterricht geschickt, bevor sie in Ethik wechseln
                                                                                                                           Verbindung zwischen ihnen und der Religion ihrer Eltern her.    konnten. Der Verlust einer Hohlstunde hat sie zwar geär-
                                                                                                                                                                                           gert. Aber die Auseinandersetzung mit Werten, Glauben,
                                                                                                                           Das führt natürlich zur Frage, ob wir im Alltag alle Religio-   Menschenwürde war ein Gewinn.
                                                                                                                           nen so wertneutral und gleichberechtigt betrachten, wie
                                                                                                                           es das Grundgesetz tut. Und welche Rolle wir Religion in        Je früher diese Auseinandersetzung beginnt, umso eher
                                                                                                                           unserer Gesellschaft grundsätzlich beimessen.                   erkennen junge Menschen, wenn Religion für menschen-
                                                                                                                                                                                           feindliche Ziele missbraucht wird – und umso souveräner
                                                                                                                           Koexistenz zweier Konfessionen in Ravensburg, das hieß          bewegen sie sich im Spannungsfeld zwischen religiösen
                                                                                                                           zunächst, dass man sich gegenseitig ertragen hat. Was           Freiheiten und den Grenzen religiöser Freiheit.
                                                                                                                           für eine Leistung in einer Zeit, in der die Auseinanderset-
                                                                                                                           zung um den rechten Glauben in einen europäischen
                                                                                                                           30-jährigen Krieg mündete.

                                                                                                                           Von diesem Mut, Unterschiede auszuhalten, führt ein Pfad
                                                                                                                           zu unserer heutigen Verfassung. Das Grundgesetz ist auf
                                                                                                                           Vielfalt angelegt. Im Kern vermittelt es Toleranz in der ur-
                                                                                                                           sprünglichen Definition: den Mut zu haben, Unterschiede
                                                                                                                           zu akzeptieren. Das kommt in Artikel 4 besonders deutlich
                                                                                                                           zum Ausdruck, nämlich in der Pflicht des Staates, religiöse
                                                                                                                           Vielfalt zu ermöglichen und zu schützen.
GRUSSWORT
MUHTEREM ARAS, PRÄSIDENTIN DES LANDTAGS                      Für mich persönlich hat Religion keine prägende Rolle ge-     Daran erkennt man: Die Werte unseres Grundgesetzes
VON BADEN-WÜRTTEMBERG                                        spielt. Den Koran habe ich das erste Mal während meines       sind nicht vom Himmel gefallen. Sie stehen in vielerlei Tra-
                                                             Wirtschaftsstudiums in die Hand genommen.                     ditionen, darunter vor allem auch religiösen. Staat und
Liebe Gäste,                                                                                                               Religion sind keine voneinander getrennten Sphären. Bei-
                                                             Aus fachlichem Interesse habe ich die Suren nach­             de – Staat und Religion – formen unsere Gesellschaft.
mit der Gesprächsreihe des Landtags „WERTSACHEN –            geschlagen, die sich mit Zinsen und Erbrecht befassen.
Was uns zusammenhält.“ wollen wir fragen und zeigen,         Ich definiere mich nicht über den alevitischen Glauben        Religionen können die Grundwerte einer vielfältigen, of-
was die Werte des Grundgesetzes mit unserem Alltag zu        meiner Eltern.                                                fenen Gesellschaft weitertragen und vertiefen: über die
tun haben.                                                                                                                 friedensstiftende Kraft des Glaubens, über ökumenische
                                                             Aber andere tun es. Oft lese ich, ich sei die erste Muslima   Verständigung, und den interreligiösen Dialog.
Hat Artikel 4 für Sie persönlich eine Bedeutung? Wer nicht   im Amt einer Parlamentspräsidentin. Ich selbst halte den
gläubig ist, wird die Frage wahrscheinlich mit „Nein“ be-    Aspekt, dass ich die erste Frau in diesem Amt bin – und       Daher halte ich es auch für so wichtig, dass man sich mit
antworten – zunächst!                                        dann noch die erste Frau mit Migrationsgeschichte – für       diesen Werten bereits in der Schule auseinandersetzt.
                                                             viel bedeutsamer.

38                                                           4. WERTSACHEN-DIALOG                                                                         RAVENSBURG, 06.02.2018                                                                  39
BEGRIFFLICH GESEHEN

     WERTE-RAHMEN
     „Framing“ ist in aller Munde: Die US-Linguistin Elisabeth Wehling hat den aus der
     Sprachwissenschaft stammenden Begriff bekannt gemacht. Er umschreibt den
     Vorgang, Wörtern einen ganz bestimmten, gewünschten gedanklichen Rahmen zu
     geben, der nicht dem ursprünglichen entspricht. Ein Wort wird in einen anderen          GRUNDGESETZ FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
     Kontext gestellt, damit verändert und umgedeutet. Framing kann Sprache berei-
     chern wie in der Literatur, aber auch zur Waffe machen. Wer dies beherrscht – in
     der Politik oder in der Werbung – hat ein wirkmächtiges Instrument in der Hand.
     Beispiele finden sich viele: Der Begriff Flüchtlingsströme etwa ruft andere Assozia-
     tionen hervor als zum Beispiel das Wort Flüchtlingsbewegung. Innere, längst
     gefestigte Bilder werden abgerufen: „Ströme“ verbindet man mit kraftvoll dahin-
     fließendem Wasser, gegen das der Mensch, wenn überhaupt, nur mit großer Kraft-
     anstrengung ankommt. Dagegen hat das Wort „Bewegung“ einen eher neutralen,
     daher auch weniger bedrohlichen Charakter. Wer also Flüchtlingsströme statt
     Flüchtlingsbewegung oder gar Migration sagt, aktiviert ein Bild der Ohnmacht im
     Kopf des Hörers. Ein Flüchtlings-STROM, der zwangsläufig als etwas bedrohlich
                                                                                             (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des
     empfunden wird, erhöht damit geradezu automatisch die Akzeptanz für politische          religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
     Gegenmaßnahmen oder Ablehnung. Oder der Begriff Volk: Den „Frame“ als Erst-
     deutung lieferten die Bürgerinnen und Bürger der DDR, die mit „Wir sind das Volk“       (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
     gegen die Einparteienherrschaft der SED aufbegehrten. Wer den Satz skandiert,
     zitiert diese Bedingungen der Unfreiheit und stellt sie mit denen in der heutigen
     Bundesrepublik gleich. Gleichzeitig kann ein solcher Satz sehr persönliches Erleben     (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der
     zitieren und wiederbeleben, etwa bei jenen, die tatsächlich an den „Montagsdemos“       Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
     teilnahmen. Wortrahmungen können also einerseits universell, sie können aber
     auch von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich sein. Nicht variabel ist dage-
     gen der Werte-Rahmen des Grundgesetzes – Freiheit, Gleichheit, Würde. Die
     ­Linguistin Wehling empfiehlt, einem rechtsautoritären, demokratiefeindlichen Framing
      eine Sprache entgegenzusetzen, die unsere offene, vielfältige Demokratie wert-
      schätzend abbildet – beispielsweise „WERTSACHEN“-Dialoge.

40                                           BEGRIFFLICH GESEHEN                                         RAVENSBURG, 06.02.2018                                   41
Religiöse Toleranz ist keine                                                                                                                                 EBERHARD STILZ, EHEM. PRÄSIDENT
Selbstverständlichkeit. In         IMPULSVORTRAG
                                                                                                                                                             VERFASSUNGSGERICHTSHOF
Ravensburg jedoch hat diese        EBERHARD STILZ, EHEM. PRÄSIDENT VERFASSUNGS-
Tradition. In einer Zeit, in der   GERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG
                                                                                                                                                             BADEN-WÜRTTEMBERG/PRÄSIDENT
die Auseinandersetzung um                                                                                                                                    STIFTUNG WELTETHOS
den rechten Glauben in einen       Liebe Frau Aras, Sie haben mit dieser Veranstaltungsreihe                                                                  „Freiheit und Toleranz gehören untrennbar
30-jährigen Krieg mündete,         ein Schatzkästlein geöffnet. Nicht ein beliebiges, sondern                                                                zusammen, doch Religionsfreiheit kann die
lebten dort zwei Konfessio-        eines mit den wertvollsten Juwelen, die wir besitzen können.
                                                                                                                                                             Toleranz auf die Probe stellen.“
nen friedlich neben- und           Und Sie haben vor der Öffentlichkeit einiges aus seinem
miteinander: Ravensburg            Inhalt ausgebreitet. Angefangen hat es mit dem größten
gehörte im Deutschen Reich         Juwel, das wir in Deutschland und in der Welt unser Eigen
zu den vier paritätischen          nennen: der Menschenwürde. Und darauf folgt nun der
Reichsstädten, in denen            Edelstein, dem wir uns heute widmen wollen: die Reli­
Katholiken und Protestanten        gionsfreiheit.
gleichberechtigt waren.
Dieses Erbe wirkt bis heute:       Das ist folgerichtig, denn die Religionsfreiheit ist eine der
Vor zwei Jahren wurde dort         zentralen Ausprägungen der Menschenwürde und sie
die „Ravensburger Erklärung        gehört zum Grundbestand aller moderner Grundrechts-
für das Zusammenleben der          kataloge.                                                        Viele können sich heute kaum mehr vorstellen, in welch         kanntes Missverständnis. Denn Freiheit ist in der Realität
Religionen und den interreli-                                                                       existentieller Notlage sich Menschen befinden, die um          nie grenzenlos und sie ist es auch von Rechts wegen nicht.
giösen Dialog“ unterzeichnet.      Ist eine solche Aussage überzogen, wo doch in Deutsch-           ihres Glaubens willen verfolgt werden oder sich gezwungen      Darauf komme ich sogleich zurück, möchte aber zuvor
Der Schwörsaal des Waag-           land und jedenfalls, was den christlichen Glauben betrifft,      sehen, gegen ihre eigene religiöse Überzeugung zu leben.       festhalten: Gemeinsame Werte sind der entscheidende
hauses bietet die ideale           Religiosität immer mehr zu schwinden scheint? Ob das so          Doch auch wir erleben, wie weit die Kluft geworden ist         Kitt einer Gesellschaft.
Kulisse für ein Wertsachen-­       ist, brauchen wir heute nicht zu untersuchen. Denn unab-         zwischen religiösen und nichtreligiösen Menschen und
Gespräch zu Artikel 4              hängig davon gilt: Religionsfreiheit ist heute wichtiger         besonders zwischen jenen, die ihre Religion offen und öf-      Das hat schon Alexis de Tocqueville in seiner Untersu-
Grundgesetz, moderiert             denn je.                                                        fentlich leben und anderen, für die das Religiöse zur Privat­   chung über den erstaunlichen Zusammenhalt der zusam­
von Ursula Nusser.                                                                                 ­s ­p häre gehört. Solche Gegensätze kennzeichnen eine          mengewürfelten Demokratie in den Vereinigten Staaten
                                   Sie ist wichtig für jeden Einzelnen und für unser Zusammen­      pluralistische Gesellschaft und eine globalisierte Welt.       des 18. und 19. Jahrhunderts festgestellt; er hat als deren
                                   leben in der Gemeinde, im Land und in der Welt. Dabei            Auch daher rührt die heutige Bedeutung der Religions-          Kitt insbesondere gemeinsame Grundüberzeugungen von
                                   geht es mir gar nicht um die Frage, ob Religionen eher           freiheit für ein friedliches, gedeihliches Zusammenleben.      Werten und die Einübung einer freiheitlichen Denk- und
                                   friedensstiftenden Charakter haben oder eher Konflikt-                                                                          Verhaltensweise gefunden.
                                   potenziale. Vielmehr soll heute die Frage nach dem „guten       Ist das aber nicht paradox? Wie können Freiheiten beim
                                   Leben“ eines jeden Einzelnen und nach den Voraus­setz­          Zusammenhalt helfen? Freiheiten, so scheint es, haben           Allerdings, und davon war schon Tocqueville überzeugt:
                                   ungen eines friedlichen Zusammenlebens dieser Einzelnen         doch grundsätzlich eine eher zentrifugale Wirkung, sind         Noch so wertvolle Werte wirken nicht, wenn man sie nur als
                                   im Mittelpunkt stehen.                                          Fliehkräfte, nicht Kitt des Zusammenhalts. Das ist ein be-      pauschale Begriffe im Mund führt. Ich habe eine Allergie

42                                 4. WERTSACHEN-DIALOG                                                                           RAVENSBURG, 06.02.2018                                                                   43
gegen die pauschale Rede von unseren Werten oder den          Dieser Satz ist letztlich eine Frucht der Aufklärung, er war   Doch die Religionsfreiheit unseres Grundgesetzes geht         (1) Die Freiheitsrechte des einen finden eine Grenze an
Werten des Abendlands. Allzu leicht werden damit Werte        schon in der Paulskirchenverfassung enthalten, die dann        in ihrem Anspruch weit über das Gebot der neutralen               den Freiheitsrechten der anderen. Wer die Anerkennung
nur als Kampfbegriffe zur Abgrenzung und Ausgrenzung          aber leider nie in Kraft getreten ist. Mit diesem Satz ging    ­S äkularität des Staates hinaus. Dem Staat wird nicht nur        der eigenen Freiheit einfordert, muss auch die Frei-
missbraucht. Das heißt, eigentlich nicht die Werte selbst,    bei uns das Zeitalter der Einheit von Kirche und Staat end-     Neutralität auferlegt, er muss vielmehr aktiv einen Be-          heitsrechte aller anderen anerkennen. Kein Freiheits-
sondern nur der undifferenzierte Begriff davon. Aus Wer-      gültig zu Ende. Er verlangt die Bekenntnisneutralität des       tätigungsraum sichern, in dem sich Persönlichkeiten auf          recht kann absolut gesetzt werden, auch nicht das der
ten, die verstanden und gelebt werden müssen, um wirken       Staates; Fragen der Religion und der Weltanschauung             weltanschaulichem oder religiösem Gebiet entfalten kön-          Religionsfreiheit. Und es kann nicht nur durch die Reli-
zu können, werden so unausgegorene Worthülsen, die ihr        hat der Staat nicht zu bewerten, er darf sie sich nicht zu      nen. Zur Glaubensfreiheit tritt die Religionsausübungs­          gionsfreiheit der anderen begrenzt werden, sondern
Gegenteil bewirken.                                           eigen machen. Zwar ist damit eine Zusammenarbeit von            freiheit hinzu. Das wird rechtlich ergänzt durch ein Ver-        auch durch andere Grundrechte und Werte von Ver-
                                                              Staat und Religionsgemeinschaften keineswegs verboten           ständnis freiheitlicher Demokratie als Staatsform auch           fassungsrang. Die Kunst besteht dann darin, den an-
Wollen wir uns hier nicht demselben Vorwurf aussetzen,        (Bsp.: Religionsunterricht an Schulen); dieses Konzept ist      des Minderheitenschutzes und durch das Grundrecht auf            gemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden
müssen wir zunächst in der gebotenen Kürze konkretisieren,    deshalb als religionsoffene neutrale Säkularität bezeich-       Meinungsfreiheit. Geschützt ist damit auch das öffentliche       Rechten zu finden.
was Religionsfreiheit eigentlich meint. Grundlegend ist für   net worden. Doch darf der Staat in dieser Offenheit nicht       Auftreten von Religionen und sogar die Werbung für sie.
mich dabei ein Satz aus der Weimarer Reichsverfassung,        eine Religion zulasten anderer bevorzugen, er darf sich         Das betrifft das Glockengeläut wie den Muezzinruf, das       (2) Mindestens genauso bedeutend ist aber die zweite
der im Grundgesetz fortgilt: Es besteht keine Staatskirche    mit ihr insbesondere nicht identifizieren. Das ist übrigens     kostenlose Verteilen von Bibeln wie von Korantexten.             verfassungsrechtliche Schranke, die ich erwähnen möch-
(Art. 137 Abs. 1).                                            ein grundlegender Unterschied zum verbreiteten islami-                                                                           te: Es ist nicht nur zwischen den Rechten Einzelner zu
                                                              schen Verständnis vom Verhältnis Staat/Kirche.                 Heißt das dann, dass auch der IS werben darf, auch für            vermitteln, sondern auch zwischen dem Einzelnen und
                                                                                                                             den Djihad? Oder dass Lehrer in der Schule missionieren           der Gemeinschaft, die vom Staat repräsentiert wird.
                                                                                                                             dürfen? Das natürlich nicht. Aber: Wie verhält es sich mit        Auch der Staat kann von sich aus der Ausübung eines
                                                                                                                             dem Kopftuch einer islamischen Lehrerin? Und wie mit              Freiheitsrechts Grenzen setzen, wenn dies zum Schutz
                                                                                                                             ­einem Gebet für den Sieg im Krieg?                               gleicher oder ranghöherer Rechtsgüter geboten ist.

                                                                                                                             Man hat kein Freiheitsrecht verstanden, wenn man nicht        Die Einschränkung muss aber auch im Lichte der Bedeu-
                                                                                                                             auch seine Schranken verstanden hat. Ich erinnere mich        tung des Grundrechts geboten sein. Nehmen wir den Fall
                                                                                                                             gut an meine Enttäuschung, als ich als junger Student lesen   des Kopftuchverbots für Lehrerinnen. Das Bundesverfas-
                                                                                                                             musste, dass die meisten Grundrechte sogar durch einfa-       sungsgericht hat darin einen Eingriff in deren Grundrecht
                                                                                                                             ches Gesetz eingeschränkt werden können. Was waren            auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gesehen. Es führt
                                                                                                                             sie dann wert? Dabei hatte ich noch nicht verstanden,         zwar die Gefahren auf, die dadurch für den staatlichen
                                                                                                                             dass sich die Freiheitlichkeit gerade an den Schranken –      Erziehungsauftrag, das elterliche Erziehungsrecht und die
                                                                                                                             und, ganz wichtig, an den Schranken der Schranken! –          negative Glaubensfreiheit der Schüler entstehen können.
                                                                                                                             entscheidet. Grundrechte sind für den Einzelnen da, aber      Allerdings könne nicht bereits eine abstrakte Gefahr ein
                                                                                                                             nicht für Robinson, sondern für den Menschen, der in einer    Verbot rechtfertigen, wenn auf der anderen Seite das
                                                                                                                             Gemeinschaft lebt.                                            Tragen religiös konnotierter Bekleidung nachvollziehbar
                                                                                                                                                                                           auf ein als verbindlich verstandenes religiöses Gebot zu-
                                                                                                                             Sie kennen den Aphorismus von Stanislaw Jerzy Lec: „Die       rückzuführen ist.
                                                                                                                             Grenzen der Freiheit bestimmen die Anrainer.“ Ins Verfas-
                                                                                                                             sungsrecht übersetzt bedeutet das zweierlei:                  Freiheit und Toleranz gehören untrennbar zusammen. Re-
                                                                                                                                                                                           ligionsfreiheit kann aber Toleranz sehr grundlegend auf
                                                                                                                                                                                           die Probe stellen: Ich gehe davon aus, dass die meisten
                                                                                                                                                                                           religiösen Menschen unter uns Christen sind. Und Christen

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