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Paritätischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. 4 | 2014 Mehr Zukunft, weniger Herkunft: Zuwanderung und Willkommenskultur Mitgliederversammlung 2014 des Paritätischen Niedersachsen Paritätischer begrüßt Bemühungen um Tarifvertrag Soziales/Pflege
Parität Report 4-14 >> Impressum Impressum Wegweiser auf dem Weg zur Krippe Herausgeber Weihnachtsmarke 2014 zeigt Stern von Bethlehem Paritätischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. In der Antike galten Sterne als vernunftbegabte Lebewesen, die sich um die Gandhistraße 5a Welt sorgten. Oft wurden sie als Götter verehrt, weshalb sich die Astrologie 30559 Hannover entwickelte. Die diesjährige Weihnachtsmarke 2014 mit dem Titel „Stern Tel. 05 11 / 5 24 86-0 von Bethlehem“ signalisiert mit dem Stern nicht nur den neuen König, son- landesverband@paritaetischer.de dern ist auch der Wegweiser, der die Heiden in der Gestalt der Magier zur .ULSSHIKUW'HU(UO|VDXVGHP9HUNDXIGHU6RQGHUSRVWZHUW]HLFKHQÁLHW Registereintrag in die wichtige soziale Arbeit von Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Paritätischem Registergericht Hannover Wohlfahrtsverband, Deutschem Roten Vereinsregister-Nummer 2156 Kreuz, Diakonie und Zentralwohlfahrts- stelle der Juden in Deutschland. Die Steuernummer Wohlfahrtsmarken sind bei der Post Finanzamt Hannover-Nord und den Wohlfahrtsverbänden sowie 25/206/21596 im Internet auf der Seite www.wohl- fahrtsmarken.de erhältlich. Bankverbindung Bank für Sozialwirtschaft, BIC: BFSWDE33HAN IBAN: DE73 2512 0510 0007 4495 00 Ihre Adressdaten Ihr Beitrag Verantwortlich für den Inhalt: Birgit Eckhardt, stellv. Vorsitzende Bitte Änderungen Parität Report mitteilen! sucht Artikel Redaktion Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit Um unsere Mitgliederadressen auf • Möchten Sie die Arbeit Ihrer Anika Falke dem neuesten Stand halten zu kön- Organisation oder Einrichtung Tel. 05 11 / 5 24 86-353 nen, bitten wir um Ihre Unterstüt- vorstellen? presse@paritaetischer.de zung: Benachrichtigen Sie uns bei • Können Sie Tipps oder Änderungen folgender Angaben Ih- Erfahrungen weitergeben? rer Organisation: • Veranstalten Sie ein Programm, Druck das für andere offen und von BenatzkyMünstermann Druck GmbH, • Anschrift Interesse ist? Hannover • Telefonnummer • Suchen Sie neue Mitarbeiter/ • Faxnummer -innen oder einen Job? • E-Mailadresse • Haben Sie Kritik oder Lob? Hinweis • Wechsel Vorstand Artikel anderer Organisationen oder • Wechsel Geschäftsführung Dann senden Sie Ihren Beitrag Publikationen sowie namentlich gekenn- • Name/Rechtsform. (wenn möglich mit Foto) einfach als zeichnete Beiträge geben nicht zwangs- Datei oder Ausdruck via E-Mail OlXÀJGLH0HLQXQJGHU5HGDNWLRQZLHGHU Senden Sie die Daten an das Sekre- oder per Post an den Landes- Bei der Veröffentlichung von Zuschriften tariat des Geschäftsbereichs Mit- verband, Referat für Presse- und und Beiträgen behält sich die Redaktion gliederförderung, Astrid Schöne, Öffentlichkeitsarbeit (Kontaktdaten, das Recht auf Kürzungen vor. Der Pari- Tel. 05 11 / 5 24 86-397 siehe linke Spalte). Gerne sind wir tät Report erscheint viermal im Jahr, der Fax 05 11 / 5 24 86-333 bereit, Sie bei der Formulierung zu Bezug ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. astrid.schoene@paritaetischer.de unterstützen. 2
Parität Report 4-14 >> Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Debatten um das Thema Flüchtlingspolitik reißen Viele der Flüchtlinge bleiben auf Dauer in Deutschland, nicht ab. Schlagworte wie Aufnahmequoten, sichere Her- was eine Unterstützung von Anfang an um so wichtiger kunftsländer, Zwangseinquartierung und Abschottung macht. Dies betrifft nicht nur die unmittelbare Ersthilfe erhitzen die Gemüter und schaffen eine unwillkommene wie eine sichere Unterkunft, sondern auch mindestens Distanz zwischen jenen, die dringend Hilfe brauchen, mittelfristige Perspektiven, die Sprach- und Schulbildung und jenen, die Unterstützung befürworten – solange sie sowie Integration auf dem Arbeitsmarkt umfassen. Für nicht unbedingt vor der eigenen Haustür gewährt wird. den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen Laut einer aktuellen Umfrage der Robert Bosch Stiftung e.V. ist der Blick in die Zukunft der hier ankommenden ist die Mehrheit der Bundesbürger Menschen grundsätzlich wichtiger zwar offen für Asylbewerber. Zwei als ihre Abstammung und Herkunft. Drittel der Deutschen, so heißt Zu diesem Thema hat die Mitglie- es, wären bereit, mit Sachspenden derversammlung des Verbandes oder ehrenamtlichem Engagement ein Positionspapier beschlossen. zu helfen. Doch wenn es darum 'LHVHVÀQGHQ6LH]XP1DFKOHVHQLQ geht, ein Flüchtlingsheim in der dieser Ausgabe des Parität Report. Nachbarschaft einzurichten? Da ist jeder vierte Deutsche klar dagegen. Bei all diesen Überlegungen dürfen die ernst zu nehmenden Sorgen Diese ablehnende Haltung ist Teil der Mehrheitsgesellschaft nicht einer problematischen gesellschaft- außer Acht gelassen werden. In lichen Entwicklung. Längst wird einer Einwanderungsgesellschaft nicht mehr nur hinter vorgehal- sorgt Integration nicht nur für tener Hand oder im Halbdunkel wachsende Akzeptanz der kultu- verräucherter Stammtischkulturen rellen Vielfalt, sondern auch die Stimmung gegen Hilfe suchende Angst davor nimmt zu. Was die 0HQVFKHQJHPDFKW,PPHUKlXÀJHU Einen als kulturelle Bereicherung teilen Menschen ihre ausgrenzenden Gedanken ganz offen verstehen, erleben Andere als kulturellen Niedergang. mit und versuchen, ihre fehlende Hilfsbereitschaft mit Zwischen den Fronten tummeln sich die großen Ver- polemischen Argumenten zu untermauern: Von gefälschten einfacher und verbreiten ihre populistischen Parolen. Quoten, pauschalem Betrug und genereller Ausnutzung ist Nötig ist eine integrative Gesellschaftspolitik, die nach bevorzugt immer dann die Rede, wenn konkrete Fakten Teilhabechancen für Alle strebt und den Zusammenhalt fehlen. in der Einwanderungsgesellschaft stärkt. Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen Liebe Leserinnen, liebe Leser, e.V. steht fest, dass wir als wohlhabende Gesellschaft eine wir wünschen Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest, Ruhe 9HUSÁLFKWXQJJHJHQEHUGHQMHQLJHQKDEHQGHQHQHVZHQL- und Erholung und ein erfolgreiches Jahr 2015. Gleichzeitig ger gut geht. Wir betrachten es als selbstverständlichen möchte ich mich an dieser Stelle für die gute Zusammen- Teil unserer Verantwortung, den Menschen, die in Nie- arbeit des vergangenen Jahres bedanken. Wir freuen uns, dersachsen um Hilfe bitten, diese auch zu gewähren, und die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam mit zwar stets mit dem gebotenen Respekt und auf Augenhöhe. Ihnen anzugehen. Diese Haltung betrifft selbstredend alle Menschengruppen, Flüchtlinge, Zuwanderer und Migranten ebenso wie alte oder kranke oder Menschen mit Behinderungen: Der Mit freundlichen Grüßen Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. tritt Birgit Eckhardt gegen jegliche Form der Ausgrenzung ein. stellv. Vorsitzende 3
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) www.spezial-kommunikation.de transpari – Bürgerstiftung im Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen Gandhistraße 5A 30559 Hannover Telefon 0511 /52 486 350 Telefax 0511 / 52 486 333 www.transpari.de 4
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) Ausgabe 4-14 Impressum ............................................................................ 2 Editorial ................................................................................. 3 Schwerpunkt: Zuwanderung und Willkommenskultur Acanthus-Hof: MitbewohnerInnen gesucht! ...............41 Identität, Kulturangst und Willkommenskultur .......... 6 Verbandstag des BVN mit hochrangigen Gästen .....42 Menschenwürdige Unterstützung für Flüchtlinge: Neue Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Mitgliederversammlung setzt Zeichen ............................8 Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V im Porträt ..43 Positionspapier Migration und Integration: Verbandsjubiläen ...............................................................44 Mehr Zukunft, weniger Herkunft!.................................. 9 „Mini-Messe“ des Fachbereichs Migration Bunte Vielfalt sozial gestalten und Integration .................................................................. 12 Paritätischer zieht bei Lesung deutliches Fazit ..........45 Fünf Fragen an Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) 3DULWlWLVFKHU/HHUHU|IIQHW7DJHVSÁHJH ......................46 zur Flüchtlingspolitik ........................................................ 14 Obw feiert 50-Jähriges mit vielen Aktionen .............. 47 Lampedusa ist überall – Willkommen in Göttingen! . 16 45 Jahre Eilenriedestift ....................................................48 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) ........ 17 Verein „Die Brücke e.V.“ feiert 50-Jähriges................49 Interkulturelle Öffnung sozialer Arbeit ......................... 19 40 Jahre KiTaB e.V. in Hannover ...................................50 Interkulturelle Öffnung der Selbsthilfe.........................21 Paritätisches Jugendwerk wurde 40 ..............................51 „Miteinander“: Beratung und Betreuung für Werkstatt-Treff Mecklenheide e.V. feiert Jubiläum .. 52 Migrantinnen in Bad Pyrmont........................................22 Aegidius-Haus Auf der Bult in Hannover eröffnet ...54 Aus dem Alltag einer Migrantenselbstorganisation ..23 Albert-Schweitzer-Familienwerk übergibt Preise ..... 55 Å.XOWXUVHQVLEOH3ÁHJH´HLQ3URMHNWGHV Stiftungsempfang der Mansfeld-Löbbecke-Stiftung ..56 Paritätischen Hameln-Pyrmont .....................................25 Peiner Freiwilligenbörse kam gut an ............................ 57 3ÁHJHLQIRUPDWLRQHQDXI5XVVLVFKXQG7UNLVFK ........26 8. regionaler Aktionstag in Braunschweig ..................58 „We come from“, ein Multikulturelles Projekt für Inklusives BVN-Klassik Konzert in Hannover ........... 59 Jugendliche ......................................................................... 27 Eine Schlange für den Pausenhof................................... 59 Paritätischer Niedersachsen sammelt Familien-Bilder im Wandel .............................................60 Winterkleidung für Flüchtlinge im Irak........................28 Ausstellung des „Ateliers Charlotte“ ...........................61 Fußballer der Hannoverschen Werkstätten Eine(r) für alles sind Nr. 4 in Europa ......................................................... 62 Paritätischer begrüßt Bemühungen VdK: Klaus-Günter Schmidt geht in den Ruhestand .63 XP7DULIYHUWUDJ6R]LDOHV3ÁHJH .....................................29 Paritätischer Niedersachsen fördert Studentin der Soziale Arbeit an Schulen ist notwendig!....................30 Ostfalia ................................................................................64 „Neues aus Europa“ ...........................................................31 Paritätisches Ehrenzeichen für Michael Lensing ........65 BSG-Urteil stärkt Verhandlungsposition Paritätisches Ehrenzeichen für Edmund Bode ...........65 der Einrichtungen .............................................................32 Ehrungen .............................................................................66 Elektromobilität im Kreisverband Wolfsburg............33 Der Paritätische Stellenmarkt .......................................66 Mitgliederversammlung der Lebenshilfe Niedersachsen .............................................34 Inklusion in der Berufswelt: GPS stellt Service Projekt „Vielfalt leben“ vor ............................................ 35 Serviceleistungen des Paritätischen Niedersachsen .68 Lebenshilfe Hannover zieht Zwischenfazit .................36 Fachbereiche des Paritätischen .....................................69 9LHUWH$XÁDJHGHU$NWLRQVWDJHÅPLWHLQDQGHUV´ Abteilungsleitungen des Paritätischen .........................70 schafft Forum der Vielfalt ...............................................38 Arbeitskreise des Paritätischen .....................................70 Outdoor-Sport für Menschen mit MS .........................40 Mitglieder des Verbandsrats ...........................................71 33 Menschen in Niedersachsen ertrunken.................40 Verbandsadressen .............................................................72 5
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) Identität, Kulturangst und Willkommenskultur Ein Beitrag des Migrationsforschers Prof. Dr. Klaus J. Bade Integration in Deutschland ist bes- Kulturangst ist die Angst vor einer ser als ihr Ruf im Land. So laute- Gefährdung der eigenen Wert- te die wichtigste Kernbotschaft vorstellungen und Lebensformen des ersten Jahresgutachtens des bzw. dessen, was man je und je da- Sachverständigenrates deutscher runter versteht, durch als fremd Stiftungen für Integration und Mi- empfundene oder so beschriebe- gration (SVR) unter dem Titel ne Wertvorstellungen und Lebens- „Einwanderungsgesellschaft 2010“. formen bzw. das, was man je und Das gilt heute noch mehr als da- je darunter versteht. Kulturangst mals, trotz aller noch immer herr- ist kein tragfähiges Fundament für schenden Chancenungleichheiten Willkommenskultur; denn Einwan- in den Bereichen Bildung und Ar- derer willkommen heißen kann nur, beitsmarkt. wer keine Angst vor ihnen hat. Auch andere Schattenseiten bestä- Kulturangst hat auch mit Identi- Prof. Dr. Klaus J. Bade bei der Mitglieder- tigen als Ausnahmen eher die Re- tätsfragen in der Einwanderungs- versammlung des Paritätischen Wohl- gel der insgesamt relativ positiven gesellschaft zu tun; denn Einwan- fahrtsverbands Niedersachsen e.V. am Integrationsbilanz; relativ ist sie im derung in großer Zahl verändert 15.11.2014 in Hannover. Blick auf die lange wenig integra- auch Gesellschaft und Kultur des tionsfördernden politischen Rah- Einwanderungslandes. Das Zusam- Motto: Was uns an innerem Zu- menbedingungen, unter denen sich menwachsen von Mehrheits- und sammenhalt verloren gegangen ist, diese Integration entwickeln muss- Einwandererbevölkerung zur Ein- können wir zurückgewinnen in der te – im vermeintlichen Nicht-Ein- wanderungsgesellschaft ist keine gemeinsamen Wendung gegen das wanderungsland mit seinen Jahr- fröhliche Rutschbahn in ein bun- Fremde von außen. Dieser ver- zehnte überdauernden politischen tes Paradies mit immerwähren- meintlich Zusammenhalt und Iden- Erkenntnis- und Handlungsblo- den Straßenfesten zur Begrüßung tität stiftende Auskreisungsdis- ckaden. Das hat sich im Kern erst immer neuer Einwanderer. Dieser kurs („Othering“, „Outgrouping“) seit der Jahrhundertwende zuneh- Weg ist vielmehr ein eigendynami- schafft mental und sozial gefährli- mend und in den letzten Jahren scher, unübersichtlicher und mit- che Schein- bzw. Ersatzidentitäten nachgerade rasant verbessert. unter anstrengender Kultur- und zu Lasten Dritter. Ich habe diese Sozialprozess. Er kann auch Iden- Zusammenhänge in meinem Buch Viele im Ausland beneiden uns um titätsängste, Vertrauenskrisen und „Kritik und Gewalt“ (2013) als „ne- diese relativ positive Integrations- Aggressionen auslösen. gative Integration“ beschrieben. bilanz. Sie wundern sich über das deutsche Gejammer auf hohem Zur Person Niveau und neuerdings besonders über „the German Kulturangst“. In Der Migrationsforscher, Publizist und Politikberater Klaus J. Bade war der Außensicht auf Deutschland ist Begründer des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung und in- „the German Kulturangst“ als aktu- terkulturelle Studien (IMIS) und bis 2012 Gründungsvorsitzender des elles teutonisches Hystericum da- Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migra- bei, in der Rangliste der deutschen tion (SVR). Aktuell ist sein neues Buch ‚Kritik und Gewalt. Sarrazin- kollektiven Todesängste den Klas- Debatte, ‚Islamkritik‘ und Terror in der Einwanderungsgesellschaft, siker zu überrunden, den die Fran- :RFKHQVFKDX9HUODJ6FKZDOEDFKL76 $XÁDOVH%RRN zosen „le Waldsterben“ zu nennen 2014). SÁHJWHQ 6
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) Willkommenskultur wird vor die- Dabei geht es einerseits um den PHQWDOH'HÀ]LWHVR]LDOH6SDQQXQ- sem Hintergrund heute oft als All- Umgang mit schon seit Generati- gen und letztlich Strukturkrisen heilmittel für Probleme der sich onen im Land lebenden Einwande- in der Einwanderungsgesellschaft entfaltenden Einwanderungsgesell- rern, insbesondere wenn sie zum fördern: schaft gepredigt. In Wahrheit geht Beispiel aus muslimischen Familien es zumeist eher um Willkommens- mit türkischem Migrationshinter- In der Einwandererbevölkerung WHFKQLN ,KU =ZHFN LVW HV TXDOLÀ- grund stammen. Es geht anderer- kann, besonders unter jüngeren, in zierte Zuwanderer als Einwande- seits um die in der Diskussion um LKUHP ,GHQWLÀNDWLRQVEHGDUI SHUV- rer auf Dauer zu bekommen, um Migration und Integration oft ver- pektivlosen Menschen die Anfällig- den wachsenden Druck des demo- gessene Mehrheitsbevölkerung, al- keit für radikale Ersatzidentitäten JUDÀVFKHQ :DQGHOV DXI $UEHLWV- so um die Deutschen ohne Migra- mit simplen Orientierungsangebo- markt und Sozialsysteme noch et- tionshintergrund. ten wachsen. Islamistische Funda- was abzufedern und damit Zeit zu mentalisten leben von diesem Be- gewinnen für die längst überfälli- Für beide Seiten brauchen wir ein darf. Die seit langem warnend, aber gen Sozialreformen. neues, Zusammenhalt förderndes vergeblich vorausgesagten Folgen Selbstverständnis der Einwande- sind heute alltäglich in den Schlag- Jenseits der in diesem Kreis nicht rungsgesellschaft als ideelle Grund- zeilen der Medien zu studieren. näher zu beleuchtenden, auf jahr- lage einer teilhabeorientierten Ge- zehntelange Erfahrung gestützten sellschaftspolitik für alle. Dazu In der Mehrheitsbevölkerung kann Arbeit der Wohlfahrtsverbände gehört eine Mehrheits- und Einwan- ohne ein Zusammenhalt in der de- gibt es hierzu vielfältige Initiativen dererbevölkerung mental zusam- mokratischen Einwanderungsgesell- von Politik, Wirtschaft, Stiftungen, menbindende große gemeinsame schaft stiftendes Selbstbild und trotz Kommunen und Behörden. Diese Erzählung (N. Foroutan). Sie soll- insgesamt zunehmender Akzep- Initiativen sind wichtig und weiter- te im demokratischen Wertekon- tanz von Zuwanderung und kultu- führend. Aber sie bleiben zumeist sens des Grundgesetzes Einwan- reller Vielfalt die Zahl derer wach- im Bereich der Willkommenstech- derung als konstitutives Element sen, die sich übergangen fühlen und nik im aufgeklärten Eigeninteresse der Bevölkerungs-, Gesellschafts- sich deshalb vernehmlich oder gar besonders von Wirtschaft und Ar- und Kulturgeschichte Europas und aggressiv gegen „Überfremdung“ beitsmarkt. Deutschlands deutlich und damit wenden. Meldungen über angeblich als ein tragendes Element unserer primär antiislamistische, in Wahr- Sie sind deshalb kein Ersatz für auf gemeinsamen Identität erkennbar heit rechtsextremistisch-fremden- das Zusammenleben von Mehrheit werden lassen. feindliche Vereinigungen wie „Ho- und Minderheiten in der Einwan- GeSa“ und andere zeugen davon. derungsgesellschaft zielende visio- Ergebnis sollte ein neues, Zusam- Wenn Aus- und Abgrenzungen näre und möglichst krisenfeste ge- menhalt in der Einwanderungsge- auf beiden Seiten aufeinandertref- sellschaftspolitische Konzepte. Die sellschaft förderndes Selbstbild fen, kann das Ergebnis ein „Kultur- aber sind nötig; denn für Willkom- sein. Es sollte auf verständliche kampf“ in der Einwanderungsgesell- menskultur fehlt weithin noch ein Weise in allen öffentlichkeitswirk- schaft sein. zureichendes soziales und menta- samen Bereichen vermittelt und les Fundament im Land. gelebt werden – von der vorschuli- Die öffentliche und politische Insze- schen Erziehung über Schulen, Be- nierung von Willkommenskultur in Gelebte Willkommenskultur muss triebe und Museen bis zur kultur- Deutschland funktioniert oft eher mehr sein als eine Verbindung von VHQVLEOHQ$OWHQSÁHJH als selbstgefällige Übertünchung attraktiver Außenwerbung und von hinter dieser Willkommens- freundlichen Begrüßungsritualen am Das dauerhafte Ausbleiben eines fassade liegenden, in Umfragen im- Hauseingang. Im Gegensatz zu Will- solchen belastbaren, Einwande- mer wieder ausgeleuchteten Prob- kommenstechnik muss Willkom- rer- und Mehrheitsbevölkerung lemfelder und Spannungszonen, die menskultur auch das Innenleben im einschließenden und Zusammen- schlicht das Gegenteil von Will- gesellschaftlichen Haus verändern. halt fördernden Selbstbildes kann kommenskultur sind. 7
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) Dabei geht es besonders um teils gile Mitte. Feindselige Zustände“. fördernden visionären Selbstbild diffuse, teils gruppenbezogene Ab- Verhaltener Optimismus ist ange- der demokratischen Einwande- wertungen und Abwehrhaltungen. bracht, aber die Lage bleibt ernst. rungsgesellschaft. Ohne ein solches Das belegen zahlreiche umfragege- ideelles und in Gesellschaftspoli- stützte Untersuchungen: In diesem So betrachtet ist der Weg zu geleb- tik übersetztes Bindungs- und Rah- Jahr die neue Mitte-Studie der Uni- ter Willkommenskultur noch weit. menkonzept bliebe Willkommens- versität Leipzig, die Studie des Bie- Umso dringlicher ist es, dass die be- kultur eher ein Schmiermittel für lefelder Instituts für interdisziplinä- darfsorientierte, d.h. marktorien- die Maschinerie bedarfsorientierter UH .RQÁLNW XQG *HZDOWIRUVFKXQJ tierte, genauer gesagt arbeitgeber- Zuwanderungspolitik im Arbeitge- und jetzt die Integration der Biele- orientierte Zuwanderungspolitik berinteresse. felder Ergebnisse in die Mitte-Stu- LKU EHUJHRUGQHWHV 3HQGDQW ÀQGHW die der Friedrich-Ebert-Stiftung in in einer teilhabeorientierten Gesell- Prof. Dr. Klaus J. Bade Gestalt des am 20. November in schaftspolitik für alle. Sie muss getra- Migrationsforscher, Publizist und Berlin vorgestellten Bandes „Fra- gen sein von einem Zusammenhalt Politikberater, Berlin Menschenwürdige Unterstützung für Flüchtlinge! Mitgliederversammlung des Paritätischen Niedersachsen setzt Zeichen Die 35. Mitgliederversammlung des Paritätischen Niedersachsen fand am 15.11.2014 unter dem Motto „Zuwanderung und Willkommens- kultur“ im Hannover Congress Centrum statt. Neben Vertreterin- nen und Vertretern des Verbands und seiner 826 Mitgliedsorganisati- onen nahmen zahlreiche Ehrengäs- te aus Politik, Verwaltung und Ver- bandswesen teil. Mit der Verabschiedung des Posi- tionspapiers „Mehr Zukunft, we- niger Herkunft“ hat sich die Mit- gliederversammlung als höchstes Dorothea Pitschnau-Michel, Vorsitzende des Verbandrats des Paritätischen Wohlfahrts- Gremium des Paritätischen Nie- verbands Niedersachsen e.V. (von links), Cornelia Rundt, niedersächsische Sozialministerin, dersachsen deutlich für eine offe- Kurt Spanning, stellv. Vorsitzender des Verbandsrats des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ne Willkommenskultur und men- Niedersachsen e.V., und Birgit Eckhardt, stellv. Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrts- schenwürdige Unterstützung für verbands Niedersachsen e.V., auf der Mitgliederversammlung. Flüchtlinge und Zugewanderte von Anfang an ausgesprochen. „Es ge- Birgit Eckhardt, stellv. Vorsitzende schaft ein, in der sich Menschen hört zu unserer gesellschaftlichen des Paritätischen Niedersachsen. mit und ohne Migrationshinter- Verantwortung, den Menschen, grund mit Toleranz, Offenheit und die hier in Deutschland und spezi- Mit dem Positionspapier setzt sich Respekt begegnen. Die Zukunft ell in Niedersachsen Hilfe suchen, der Paritätische Niedersachsen für der Menschen, die neu in unserem umfassende Unterstützungsmög- die Förderung einer vielfältigen Land ankommen, sollte grundsätz- lichkeiten anzubieten“, erklärte und bunten Einwanderungsgesell- lich wichtiger sein als ihre Abstam- 8
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) mung und Herkunft. „Viele der bei dem Nützlichkeitsaspekt, sondern konzentriert und dabei die Mehr- uns ankommenden Flüchtlinge und unter humanitären Gesichtspunk- heitsbevölkerung vergessen habe Asylsuchenden werden auf Dauer ten gesehen werden, betone die (eine Zusammenfassung des Vor- hierbleiben“, sagte Birgit Eckhardt. Ministerin. WUDJVÀQGHQ6LHDXIGHQ6HLWHQELV „Umso wichtiger ist ihre Unterstüt- 8 in dieser Ausgabe). zung von Anfang an, und zwar be- Der Migrationsforscher und Pub- zogen auf die Sicherstellung einer lizist Professor Dr. Klaus J. Bade menschenwürdigen Unterkunft, führte in seinem Vortrag „Identität, Anika Falke auf umfangreiche Hilfe beim Er- Kulturangst und Willkommenskul- Pressereferentin lernen der deutschen Sprache, auf tur“ aus, wie sich die Integrations- Paritätischer Wohlfahrtsverband frühzeitige Bildungsmaßnahmen für politik zu lange auf „Migranten“ Niedersachsen e.V. Kinder und Jugendliche in Kinder- tagesstätten und Schulen und nicht zuletzt auf arbeitsmarktpolitische Integrationsmaßnahmen.“ Auch die Niedersächsische Sozi- alministerin Cornelia Rundt, SPD, hielt einen Redebeitrag und gab ei- nen umfassenden Überblick über Aktivitäten und Projekte der Lan- desregierung in Sachen Flüchtlings- politik. Sie erwähnte beispiels- weise die Integrationslotsen, das Pilotprojekt einer Clearingstel- le für medizinische Beratung für Menschen ohne Papiere sowie die Reform der Härtefallkommission. Die 35. Mitgliederversammlung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. Zuwanderung sollte nicht unter stand unter dem Motto „Zuwanderung und Willkommenskultur“. Mehr Zukunft, weniger Herkunft! Positionspapier Migration und Integration Vor dem Hintergrund anhaltender richtete Gestaltung der Lebensläufe schen Wohlfahrtsverbands Nieder- Flüchtlingsströme und großen demo- der hier ankommenden Menschen, sachsen e.V. beschlossen. JUDÀVFKHQ 9HUlQGHUXQJHQ KDW sich grundsätzlich wichtiger ist als Ab- der Fachbereich Migration und In- stammung und Herkunft es sein Der Paritätische Wohlfahrtsver- tegration des Paritätischen Wohl- können. Die Inhalte des Papiers sol- band Niedersachsen e.V. vertritt fahrtsverbands Niedersachsen e.V. len als programmatisches Konzept über 800 rechtlich selbständige mit den grundlegenden Positionen in die Arbeit unserer Mitgliedsorga- Mitgliedsorganisationen und ist in zur Zuwanderungspolitik auseinan- QLVDWLRQHQXQG.UHLVYHUElQGHHLQÁLH- 43 Kreisverbänden aktiv. Insgesamt dergesetzt und die wichtigsten Para- ßen und damit einen interkulturellen engagieren sich unter unserem meter in einem Positionspapier fest- Prozess anschieben, unterstützen Dach viele tausende haupt- und gehalten. Inhaltlich geht es vor allem oder auch fortsetzen. Das Positions- ehrenamtlich tätige Menschen auf darum, dass der Blick in die Zukunft, papier wurde am 15.11.2014 von der den verschiedensten Gebieten der also der Blick auf die zukunftsge- Mitgliederversammlung des Paritäti- sozialen Arbeit. Als Verband setzen 9
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) wir uns für eine Gesellschaft ein, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Auf- enthaltsstatus – gleiche Chancen für die Entwicklung einer selbst- bestimmten Lebensperspektive er- halten. Wir lehnen jegliche Form von rassistischen, ausländerfeindli- chen und ausgrenzenden Aussagen, Handlungen und Strukturen ab. Wohin jemand will, ist für uns wich- tiger als woher jemand kommt, Zu- kunft zu gestalten ist wichtiger als Herkunft zu bewerten! Daher ste- hen wir bei der Gestaltung der Mi- grations- und Integrationsprozesse in unserer Gesellschaft für folgen- Die im Fachbereich Migration und Integration des Paritätischen Niedersachsen vertretenen de Grundideen ein: Mitgliedsorganisationen im Überblick. 1. Integration ist keine schaft vor Ort gelebt und getra- etc. gemeinsam mit den hier leben- Einbahnstraße – Integration gen werden. Dafür ist die innere den Migrant-/innen weiterentwi- als wechselseitiger Prozess Haltung jedes Einzelnen von Be- FNHOWXQGLKUHVSH]LÀVFKHQ%HGDUIH Wir vertreten ein Verständnis deutung – und zwar im Sinne einer gezielt eruiert werden. Außerdem von Integration, das nicht einsei- interkulturellen Offenheit, d.h. ei- sollten sie als Mitarbeiter-/innen tig auf Anpassung setzt, sondern ner ehrlichen Auseinandersetzung stärker in die Organisationen der auch die Kultur der Migrant-/in- mit den eigenen Vorbehalten und sozialen Arbeit einbezogen und an nen im Rahmen einer demokra- Ängsten und einer wohlwollen- wesentlichen Entscheidungspro- tischen Wir-Gesellschaft aner- den Neugierde gegenüber – ver- zessen beteiligt werden. Dazu ge- kennt. Grundsätzlich sollte es sich meintlich – Fremdem und Neuem. hört u.a. die politische Partizipation um einen wechselseitigen Prozess im Rahmen des Kommunalwahl- des Aufeinanderzugehens zwi- 2. Nicht für, sondern mit rechts für Drittstaatsangehörige. schen Mehrheitsgesellschaft und Migrant-/innen – Beteiligung Migrant-/innen handeln, der durch von Migrant-/innen Die stärkere Unterstützung der Begegnungen, Austausch und Nä- Aktive Partizipation und Teilha- Migrantenselbstorganisationen so- he weiterentwickelt wird. Ein be sind wesentliche Elemente, um wie deren Einbindung in etablier- friedliches Zusammenleben ver- Benachteiligungen vor allem im te Strukturen sind ein wesentli- schiedener Kulturen kann nur ge- Bildungs- und Beschäftigungsbe- ches Anliegen des Paritätischen lingen, wenn es auf gegenseitigem reich abzubauen. Insbesondere die Wohlfahrtsverbandes Nieder- Respekt, Anerkennung und Ein- Anerkennung von ausländischen sachsen e.V. Das zum großen Teil verständnis beruht. Zu diesem Berufsabschlüssen, die durch das ehrenamtliche Engagement der Einverständnis gehört auch, dass %HUXIVTXDOLÀNDWLRQHQIHVWVWHOOXQJV- Migrantenselbstorganisationen Menschen mit mehreren Sprachen gesetz (BQFG) deutlich verbes- verdient gesellschaftliche und po- und verschiedenen „Heimaten“ ei- sert wurde, ist eine wesentliche litische Anerkennung, auch in nen deutschen Pass haben und die Voraussetzung für die bessere Be- Form einer strukturellen Förde- doppelte Staatsangehörigkeit oh- teiligung von Migrant-/innen am rung und Finanzierung. Wir kriti- ne große Hürden erlangen können. Arbeitsmarkt. Darüber hinaus sieren den wenig wertschätzenden Eine wirkliche Willkommenskultur müssen Hilfestellungen, Beratungs- Umgang mit Migrantenselbstorga- muss von der gesamten Gesell- dienste, Unterstützungsangebote nisationen und fordern stattdes- 10
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) sen die öffentliche Anerkennung ger-/innen. Eine Instrumentalisie- Gesellschaft insgesamt. Ausdrück- für ihre Leistungen und Angebo- rung von Zuwanderung ist unbe- lich begrüßen wir deshalb Begeg- te. Schließlich fungieren sie schon dingt zu vermeiden, da dies keine nungsorte und Treffpunkte bei Mi- seit langem erfolgreich als kom- Lösung für die strukturellen Prob- grantenselbstorganisationen und petente Brückenbauer und Mitt- leme des Arbeitsmarktes darstellt. wünschen uns, dass diese besser ge- ler zwischen Aufnahmegesellschaft Wir sollten nicht die Fehler der fördert und stärker von der Mehr- und Migrant-/innen. Der Wunsch Vergangenheit wiederholen und heitsgesellschaft angenommen wer- von Migrantenselbstorganisationen Menschen ausschließlich unter der den, um Austausch, Kooperation nach Anerkennung als gleichbe- Perspektive ihrer Beschäftigungs- und Konsens weiter zu entwickeln. rechtigte Gesprächspartner auf fähigkeit und als (vorübergehende) Augenhöhe ist für uns substantiell. Arbeitskräfte sehen, sondern Blei- Der Paritätische Wohlfahrtsver- beperspektiven aufzeigen, Famili- band Niedersachsen e.V. nimmt 3. Unsere Zukunft braucht ennachzug erleichtern und Gestal- die Ängste und Sorgen der Auf- Vielfalt tungsfreiheit ermöglichen. nahmegesellschaft vor „Überfrem- Wohlstand und gesellschaftlicher dung“ ernst. Angesichts der aktu- Reichtum in unserer Gesellschaft 4. Interkulturelle Öffnung als ellen Krisen in der Welt und der werden auch zukünftig abhängig Schlüssel lebensbedrohlichen Situation für sein von einem gesellschaftlichen Rund 17 % der Bevölkerung in Nie- immer mehr Flüchtlinge gehört es Klima, in dem kulturelle Vielfalt ge- dersachsen hat einen Migrationshin- aber zu unseren gesellschaftlichen schätzt und als Bereicherung ange- tergrund, die Tendenz ist steigend. 9HUSÁLFKWXQJHQPHQVFKHQZUGLJH sehen wird. Die Zusammenarbeit Dabei stellen wir fest, dass unsere Lebensbedingungen für alle zu mit unseren Mitgliedsorganisatio- Einrichtungen zunehmend von Be- schaffen. Wir setzen uns deshalb nen zeigt deutlich, dass die Vielfalt sucher-/innen aufgesucht werden, für die Förderung einer vielfältigen von Menschen, Kulturen und Ideen die einen Migrationshintergrund und bunten Einwanderungsgesell- unsere Gesellschaft entscheidend haben, was neue Herausforderun- schaft ein, voranbringt. Verschiedene Pers- gen für die Angebotsstrukturen mit • in der sich Menschen mit und pektiven und Vorstellungen können sich bringt. Vielen Menschen mit Mi- ohne Migrationshintergrund mit kreative Lösungsmechanismen in grationshintergrund fehlt aber auch Toleranz, Offenheit und Respekt Gang setzen, auf die wir nicht ver- aus den unterschiedlichsten Grün- begegnen, zichten dürfen. Dies gilt für das mul- den der selbstverständliche Zu- • in der Unterschiede in Hautfar- tikulturelle Miteinander in sozialen gang zu den sozialen Einrichtungen. be, Religion und Herkunft keine Einrichtungen, öffentlichen Orga- Rolle mehr spielen und nisationen und privatwirtschaftli- Um chancengleiche Lebensbedin- • in der ein Klima herrscht, in dem chen Unternehmen genauso wie gungen zu schaffen, ist deshalb die sich Menschen mit ausländischen für unsere Gesellschaft insgesamt. interkulturelle Öffnung unserer Wurzeln auf lange Sicht wie zu Gesellschaft und ihrer Einrichtun- Hause fühlen können. Die Offenheit in unserem Lande gen, Dienste und Angebote not- gegenüber ausländischen Mitbür- wendig. Der Paritätische Wohl- ger-/innen sollte so groß sein, dass fahrtsverband Niedersachsen e.V. diese sich hier wohl fühlen. Wir se- macht sich mit seinen Mitgliedsor- hen sie nicht nur als dringend be- ganisationen dafür stark, dass alle nötigte Fachkräfte zur Aufrechter- Einrichtungen und Dienste grund- haltung unseres Wohlstandes, als sätzlich von allen Menschen genutzt zusätzliche Beitragszahler-/innen werden können und Zugangsbarrie- für unsere sozialen Sicherungssys- ren abgebaut werden. Dazu bedarf teme, als Instrument zur Verjün- es nicht nur rechtlicher Regelungen, gung unserer Gesellschaft, son- sondern auch vielfältiger Initiativen Fachbereich Migration und dern auch als Nachbarn, Freund-/ und Anstrengungen aller zivilge- Integration Paritätischer innen, Kolleg-/innen und Mitbür- sellschaftlichen Akteure sowie der Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. 11
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) „Mini-Messe“ des Fachbereichs Migration und Integration Während der 35. Mitgliederver- tion und Integration sowie der beit im Paritätischen Niedersach- sammlung des Paritätischen Wohl- Fachbereich selbst im Foyer und sen. Zur Ausstellung gehörten z.B. fahrtsverbands Niedersachsen e.V. im Tagungsraum des Hannover Foto-Video-Clips von Flüchtlings- haben sich Mitgliedsorganisatio- Congress Centrum vorgestellt biographien, ein Koffer mit ver- nen aus dem Fachbereich Migra- und tolle Einblicke in ihre vielfäl- schiedenen Lernmaterialien, ein tigen Tätigkeitsfelder und Projek- beispielhaftes Kurzvideo zur Inter- te ermöglicht. Mit Hilfe von Stell- kulturellen Öffnung, die Darstel- wänden, Roll-ups, Materialien, lung der Jugendmigrationsarbeit im Laptops und Broschüren zeigten Paritätischen, ein künstlerisches sie ein buntes Bild der vielseiti- „Fenster der Erinnerung“, Teile ei- gen Migrations- und Flüchtlingsar- ner Ausstellung und die Präsenta- tion verschiedener Einzelprojekte und Arbeitsschwerpunkte. Beteiligt an dieser „Mini-Messe“ der Mitgliedsorganisationen waren 12
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) der Afrikanische Dachverband Refugium Wesermarsch e.V., das nisationen. Allen Teilnehmern sei Nord e.V., der Arbeitskreis Aus- Vietnam-Zentrum e.V. sowie die deshalb an dieser Stelle nochmals ländischer Kinder e.V., Arbeit und Werk-statt-Schule Northeim e.V. ganz herzlich für Ihren motivierten Integration Bad Pyrmont e.V., Ba- Einsatz vor Ort gedankt! bel e.V., der Heimatverein der Als Mitgliederverband ist der Pa- Deutschen aus Russland e.V., die ritätische Niedersachsen abhängig Regina Krome Initiative für ein Internationales von der Professionalität und dem Referentin Migration Kulturzentrum e.V., die Jugendmig- Engagement seiner Mitgliedsorga- Paritätischer Wohlfahrtsverband rationsdienste und das Jugendwerk Niedersachsen e.V. des Paritätischen Wohlfahrtsver- bandes Niedersachsen e.V., das 13
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) „Willkommenskultur ist ein wichtiges Signal“ Fünf Fragen an Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) zur Flüchtlingspolitik Filiz Polat ist stellv. Fraktionsvorsit- 'LH ÀQDQ]LHOOHQ %HODVWXQJHQ GHU zende von Bündnis 90/Die Grünen Kommunen werden durch die Er- im Niedersächsischen Landtag und höhung der Pauschale nach dem Sprecherin ihrer Fraktion für Mig- Aufnahmegesetz zum 01.01.2015 UDWLRQXQG)OFKWOLQJH3ÁHJH6HQL- gemindert. Weitere deutliche Ein- oren und Denkmalschutz. Für den sparungen ließen sich für die Kom- Parität Report hat sie sich gern zur munen durch die Abschaffung des Beantwortung der folgenden fünf Asylbewerberleistungsgesetzes Fragen zum Thema Flüchtlingspo- (AsylbLG) oder zumindest die He- litik zur Verfügung gestellt. rausnahme weiterer Gruppen von Anspruchsberechtigten aus dem PR: Frau Polat, welche Schwierigkeiten Asylbewerberleistungsgesetz er- tauchen bei der Unterbringung der zielen. Diese würden stattdessen Flüchtlinge bezogen auf die Wohnsitu- nach dem SGB II oder SGB XII an- ation auf? Filiz Polat spruchsberechtigt und würden so- mit Gelder vom Bund, statt von Polat: Angesichts der in letzter Zeit Seite die Chance, existierende pro- den Kommunen erhalten. Beglei- wieder gestiegenen Asylbewerber- fessionelle und zivilgesellschaftliche tend zu den Arbeiten an der Um- Innenzahlen ist der Handlungsdruck Netzwerke in die Prozesse einzu- setzung der Koalitionsvereinba- zurzeit enorm. In 2012 beantragten beziehen und sie in das landesweite rung informieren wir uns nun im in Niedersachsen 5.941 Personen Aufnahmekonzept und dessen vor- 5DKPHQ HLQHU 7RXU Å=XÁXFKW Asyl, in 2013 waren es schon 10.225 handene Strukturen zu integrieren. Nachbarschaft“ unserer Fraktion und für 2014 werden 16.400 Anträ- Im Rahmen eines integrierten Auf- durch die Flüchtlingsunterkünfte ge erwartet. Im September 2014 be- nahmekonzepts werden beginnend in Niedersachsen erneut vor Ort fanden sich 2.544 Personen in den mit der Aufnahme und konzipiert über die Unterbringung von Flücht- drei Erstaufnahmeeinrichtungen des bis zur Unterbringung in den Kom- lingen in Niedersachsen. Landes in Braunschweig, Friedland munen Ziele und Zuständigkeiten und Bramsche. Die eigentliche Auf- beschrieben, wie Asylsuchende, un- PR: Auf welche Weise sind Flüchtlin- nahmekapazität liegt dagegen nur abhängig von etwaigen rechtlichen ge in Deutschland krankenversichert bei 1.900 Personen. Restriktionen, am gesellschaftlichen bzw. wie kommen sie an einen Kran- Leben teilnehmen können. Entschei- kenschein? Rot-Grün strebt nun eine Neukon- dend für eine gelingende Aufnahme- zeption der Aufnahme von Asylsu- politik in den Kommunen ist eine Polat: Flüchtlinge haben nach chenden und Flüchtlingen in Nie- gut organisierte Verteilungssyste- dem Asylbewerberleistungsgesetz dersachsen als Bestandteil einer matik im Rahmen des niedersäch- (AsylbLG) nur Anspruch auf redu- sogenannten „Willkommenskultur“ sischen Aufnahmegesetzes von den zierte medizinische Leistungen. Für an. In diesem Zusammenhang wer- Landesaufnahmeeinrichtungen in sie ist der Zugang zu medizinischer den die Landesaufnahmeeinrich- die Kommunen unter Einbeziehung Versorgung sehr schwierig und dis- tungen nur noch als Erstaufnahme- der oben genannten Netzwerke kriminierend. So ist unter anderem einrichtungen organisiert. Danach und Akteure im Bereich der Flücht- vor einem Arztbesuch ein Kran- ist die dezentrale Unterbringung in lingssozialarbeit. Gleichzeitig bedarf kenschein vom jeweiligen Sozial- den Kommunen die Regel. es einheitlicher Mindeststandards amt einzuholen. Über die Ausgabe für die Unterbringung vor Ort, sei eines Krankenscheins entscheidet Beim Aufbau der neuen Aufnahme- es in Gemeinschaftsunterkünften in der Praxis oft nur nicht-medizi- strukturen besteht auf kommunaler oder in privaten Unterkünften. nisches Verwaltungspersonal. 14
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) Wir Grünen sehen das AsylbLG als PR: Welche Probleme ergeben sich ordinierungsstellen für Migration Sondergesetz und würden es des- bei der Integration der Flüchtlingskin- und Teilhabe“ haben wir zudem ei- halb gern abschaffen. Die bisher da- der in den Schulunterricht? ne weitere Forderung aus der Koa- nach Anspruchsberechtigten sollen litionsvereinbarung umgesetzt. Das stattdessen die allen BürgerInnen Polat: Flüchtlingskinder verfügen Land stärkt vorhandene Netzwer- zustehenden Leistungen nach dem KlXÀJ QLFKW EHU DXVUHLFKHQGH ke vor Ort und belässt die Verant- Sozialgesetzbuch in Anspruch neh- Deutschkenntnisse, um dem Un- wortung bei den Kommunen. Denn men können. Das ist aber Bundes- terricht in den ihrem Alter entspre- Migration und Teilhabe gehen al- politik. Auf Landesebene gehen wir chenden Klassen zu folgen. Dazu le an. Die Koordinierungsstellen zunächst einen alternativen Weg. kommt, dass die Eltern den Kindern analysieren die Situation vor Ort, Wir haben unseren Antrag „Medizi- mangels eigener Deutschkenntnisse knüpfen Kontakte und ermöglichen nische Versorgung für Flüchtlinge in kaum beim Lernen helfen können. es, die bereits vorhandenen und oft Niedersachsen sicherstellen“ in den gut funktionierenden Strukturen zu Landtag eingebracht, der sich mit Für Schülerinnen und Schüler, deren bündeln und zu vernetzen. Das Ziel den beschriebenen Problemen be- Sprachkompetenzen in der deut- ist dabei die Schaffung gleichwer- fasst und zurzeit in den Ausschüs- schen Sprache nicht ausreichen, um tiger Lebensverhältnisse und einer sen diskutiert wird. Darin fordern dem Regelunterricht zu folgen, wer- chancengerechten Teilhabe. wir die Landesregierung auf, für al- den in den Schulen bei Bedarf ver- le Leistungsberechtigten nach dem schiedene additive Sprachförder- PR: Was kann jeder von uns tun, um AsylbLG die Einführung einer elek- maßnahmen bereitgehalten, die die Situation von Flüchtlingen und die tronischen Gesundheitskarte in sich insbesondere – aber nicht aus- Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft Kooperation mit der Gesetzlichen schließlich – auf neu zugewanderte in Deutschland zur Aufnahme von wei- Krankenversicherung zu prüfen. Kinder beziehen. Es handelt sich da- teren Flüchtlingen zu verbessern? bei um Sprachlernklassen, Förder- Die zweite enthaltene Forderung ist, kurse „Deutsch als Zweitsprache“, Polat: Über die dringend nötigen IU0HQVFKHQRKQHGHÀQLHUWHQ$XI- Förderunterricht und Sprachförde- Geldspenden hinaus können alle enthaltsstatus, also die sogenann- rung nach besonderen Sprachför- in Niedersachsen Lebenden ganz ten Illegalisierten, im Rahmen eines derkonzepten. Das Kultusministeri- persönlich die Flüchtlinge unter- Modellversuchs einen „Anonymen um hat dazu im Juli den neuen Erlass stützen, die im eigenen Umfeld Krankenschein“ in Kooperation mit „Förderung von Bildungserfolg und leben. Hilfreich sind in der Regel der Kassenärztlichen Vereinigung Teilhabe von Schülerinnen und Schü- Sachspenden und vor allem Rat und der medizinischen Flüchtlings- lern nichtdeutscher Herkunftsspra- und Tat, zum Beispiel bei Behör- hilfe in Hannover und Göttingen ein- che“ herausgegeben. dengängen. Wichtig ist, dass die zuführen, der diesem Personenkreis Aufnahmegesellschaft eine ehrli- die Inanspruchnahme ärztlicher Ver- PR: Welche Bedeutung hat die Un- che Willkommenskultur lebt und sorgung ermöglicht, ohne dabei ne- terstützung von Ehrenamtlichen und die Chancen und Möglichkeiten, gative Konsequenzen fürchten zu Nachbarschaftshilfen bei der Integra- die Zuwanderung für alle Betei- müssen. Dazu soll eine Anlauf- und tion von Flüchtlingen? ligten bietet, wahrnimmt. Unser Vergabestelle eingerichtet werden, Land lebt von seiner Vielfalt. die medizinische Beratung und auch Polat: Ich weiß, dass in vielen Kom- eine Weitervermittlung zwecks auf- munen große Bereitschaft besteht, PR: Frau Polat, wie bedanken uns herz- enthaltsrechtlicher Beratung zur den Flüchtlingen zu helfen und sie lich für die Beantwortung der Fragen! Prüfung der Legalisierung des Auf- aufzunehmen. Diese Willkommens- enthalts anbietet. kultur liegt mir sehr am Herzen, denn sie ist ein wichtiges Signal an die Ausarbeitung der Fragen: Für die zahlreichen syrischen Einwanderinnen und Einwanderer. Regina Krome Flüchtlinge stellen wir sicher, dass Referentin Migration GDV/DQGGLH.UDQNKHLWVXQG3ÁH- Mit der Weiterentwicklung der Paritätischer Wohlfahrtsverband gekosten übernimmt. „Leitstellen für Integration“ zu „Ko- Niedersachsen e.V. 15
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) Lampedusa ist überall – Willkommen in Göttingen! Lokales Bündnis setzt sich auf vielfältige Weise für Flüchtlinge ein Allein im Oktober 2013 ertran- bensperspektive und einer besse- ben hat. Bewegend die Schilderung ken vor der Mittelmeerinsel Lam- ren Zukunft in unserer Stadt an- von ihrer eigenen Flucht, dem Ver- SHGXVD YLHUKXQGHUW %RRWVÁFKW- gekommen sind. Wir wollen mit lust ihres Bruders und der kalten linge. Für die vergangenen zwei ihnen in lebendigen Kommunen le- Ignoranz der italienischen Behör- Jahrzehnte dokumentiert die Or- EHQÅ)OFKWOLQJH*HÁFKWHWH0LJ- den. Diese hatten mit Malta um die ganisation „Fortress Europe“ mehr rantInnen – willkommen in Göttin- „Zuständigkeit“ für die Rettung des als 21.000 Todesfälle an den euro- gen!“ ist unser Motto. Den Aufruf WDJHODQJ KLOÁRV WUHLEHQGHQ 6FKLI- päischen Außengrenzen, die meis- verfassten GöttingerInnen aus un- fes mit ihrem Bruder geschachert, ten im Mittelmeer. Hinter jeder terschiedlichen Organisationen des während die Passagiere an Bord dieser Fälle steht ein Mensch, der Bündnisses. Auch Einzelpersonen starben. Helmut Dietrich leuch- auf dem Weg nach Europa sein waren beteiligt. Gemeinsam erar- tete in seinem Vortrag der Reihe Leben verloren hat. Die media- beiteten wir den Aufruf für eine die Geschichte der europäischen le Resonanz auf die Tragödie war erste Veranstaltungsreihe. Ziel war Flüchtlings- und Grenzpolitik und enorm: Bilder von Toten, die im es, angesichts der öffentlichen Auf- ihre aktuelle Krise aus. Er warf ein Mittelmeer trieben, oder Bilder merksamkeit weiter zu informieren, grelles Licht auf das, was dieser Ta- von Überlebenden in überfüllten um dann in einem zweiten Schritt ge mit dem Feilschen um Quoten Auffanglagern auf der Insel Lam- praktisch initiativ zu werden. Es und Frontex-Nachfolgeorganisa- pedusa lösten Entsetzen und Pro- entstand ein zehn Veranstaltun- tionen auf europäischer Ebene in teste aus. Die tödlichen Folgen der gen umfassendes Programm, das den Medien zu verfolgen ist. Abschottungspolitik in der Euro- an zehn verschiedenen Orten an päischen Union wurden endlich die 1000 BesucherInnen anlocken Eine Vertreterin der Initiative Lam- Thema in der deutschen Öffent- konnte. pedusa in Hanau berichtete in einer lichkeit. Deshalb nahm ein Bündnis weiteren Veranstaltung von ihren aus verschiedenen Göttinger Ini- Für die Veranstaltungsreihe ge- Schritten zum Aufbau einer ähnli- tiativen, zu denen die paritätische wannen wir beispielsweise Karl chen Kampagne wie in Göttingen. Mitgliedsorganisation Göttinger Kopp von Pro Asyl. Eindrücklich Eine Lesung und Theaterauffüh- Arbeitskreis zur Unterstützung schilderte er die drei Baustei- rungen des Boat-People-Projektes Asylsuchender e.V. (AK Asyl), das ne europäischer Flüchtlingspoli- ergänzten das Programm kulturell. Haus der Kulturen, das Migrations- tik: Die Abschottung an den Au- Bewusst bespielten wir dabei so zentrum, die Grüne Jugend, der In- ßengrenzen, insbesondere an der verschiedene Orte wie Kirchen- tegrationsrat und das Antirassisti- türkisch-griechischen sowie der gemeinden, Gewerkschaftsräume, sche Aktionsplenum gehören, im Grenze von Ceuta und Mellia. Als Kinos und Theater, aber auch uni- Winter letzten Jahres Anlauf, der zweites die todbringende Politik versitäre und bewegungstypische Verantwortung gerecht zu werden. von Frontex und seiner in Planung Räume. 'HQQ ZLU ÀQGHQ 'LHVH WRGEULQ- EHÀQGOLFKHQ 1DFKIROJHRUJDQLVD- gende Politik an den Grenzen Eu- tion Frontex Plus. Als drittes die In der gleichen Zeit ließ uns der ropas ist ein Verbrechen gegen die Abschiebegefängnisse an den euro- Alltag aber nicht vergessen, dass Menschlichkeit. päischen Außengrenzen wie in Bul- neben der theoretischen Beschäf- garien, der Ukraine und der Türkei. tigung mit diesem „Thema“ all- Der Abschottung Europas an den tagspraktisches Handeln notwen- Grenzen und in den Köpfen wol- Eindrucksvoll war auch die Veran- dig ist. Denn „Lampedusa“ steht ja len wir ein NEIN entgegen setzen. staltung mit Gergeshu Yohannes, nicht nur für die tragischen Szene Und ein JA: Zu gelebten Nachbar- die ihren Bruder auf der Überfahrt im Mittelmeer, sondern auch für schaften mit den Menschen, die auf im Mittelmeer verlor und nun ge- die Situation derjenigen Menschen der Suche nach einer sicheren Le- gen Italien und Malta Klage erho- hier vor Ort, die die Überfahrt und 16
Parität Report 4-14 >> Einer für alle(s) GLH :HLWHUÁXFKW JHVFKDIIW KDEHQ ten Treffen der Sondierung und des cafés, eines Asylcafés aktiv wer- Das Bundesamt für Migration und =XVDPPHQÀQGHQV VFKHLQW VLFK ]XU den. Denn Willkommen heißt für Flüchtlinge (BAMF) und die Göttin- Zeit heraus zu destillieren, das wir uns auch, in tatkräftigen, beraten- ger Ausländerbehörde wollten sie uns zutrauen, mehrere Projekt pa- den und unterstützenden Kontakt rigoros im Zuge der Dublin III Ver- rallel zu organisieren, um die geleb- mit Flüchtlingen zu kommen, sie in ordnung wieder in das Land ihrer ten Nachbarschaften mit den Men- ihren Wünschen ernst zu nehmen EU-Einreise abschieben, zum Beis- schen, die hier angekommen sind, und ihre Bemühungen und Kämpfe peil nach Italien (als Dublin II und Wirklichkeit werden zu lassen. zu unterstützen. Dublin III werden Vereinbarungen zwischen den europäischen Län- Dabei werden derzeit drei Pro- Lampedusa soll so für uns nicht dern bezeichnet, wonach derjeni- jekte diskutiert. Zum einen brau- nur zum Begriff für die schlimmste ge europäische Staat für ein Asyl- chen wir Räume, um den von Flüchtlingskatastrophe im Mittel- verfahren zuständig ist, über den Abschiebung bedrohten Menschen meer werden, sondern auch zum die Einreise in die EU erfolgte). Mit konkret Schutz zu bieten. Hier soll Synonym für den Aufschrei dagegen. öffentlichen Aufrufen und Blocka- HLQ 3URMHNW Å=XÁXFKW´ lKQOLFK Lampedusa steht auch für Solidari- den konnten wir hier intervenieren, dem Rasthaus in Freiburg: http:// tät mit den MigrantInnen und dem Kirchen für Kirchenasyle gewinnen rasthaus-freiburg.org) entstehen. Widerstand gegen eine rassistische und so Flüchtlinge vor der Abschie- Gleichzeitig bedarf es einer kriti- Migrationspolitik. Lampedusa steht bung ins Elend bewahren. schen Intervention der sog. Will- aber auch für Abschottung: für kommenskultur der Stadt Göttin- Mauern, die errichtet, Zäune, die In einer ersten Rückschau bewer- gen. Denn obwohl die Stadt dieses gebaut werden und eine Abschre- teten alle Beteiligten die Veran- klangvolle Motto auf ihre Fahnen ckungspolitik, die oftmals tödlich staltungsreihe als erste Phase der schreibt, ist es mit der praktischen endet. Diese Abschottung beginnt Bündnispolitik als vollen Erfolg. Seite dieser Kultur nicht weit her. LP .RSI XQG ÀQGHW LKUH 8PVHW- Sowohl die inhaltliche Arbeit als Zum einen wird hier viel zu viel auf zung in den Grenzzäunen der EU- Bündnis als auch die praktische In- ehrenamtliche Schultern delegiert Außengrenzen. Wir wollen diese tervention wurde als fruchtbar und und eben keine Verantwortung Zäune einreißen und sagen laut und produktiv angesehen. Und wir woll- übernommen, zum anderen hört entschieden: Refugees welcome! ten weiter machen und das Bündnis für die Stadt das Willkommen dort für weitere Interessierte öffnen. So auf, wo das BAMF und die Göttin- starteten wir im Sommer 2014 den ger Ausländerbehörde anderweitig Stefan Klingbeil Anlauf zu einer zweiten Phase des entscheiden. Zum dritten werden Göttinger Arbeitskreis zur Lampedusa-Bündnisses. Nach ers- wir in Richtung eines Beratungs- Unterstützung Asylsuchender e.V. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF)1 Asylverwaltungsverfahren oder soziale Verantwortung? Fast die Hälfte aller weltweiten nimmt auch in der niedersächsi- Für unbegleitete Kinder und Ju- Flüchtlinge sind Kinder und Ju- schen Landeshauptstadt Hannover gendliche, die auf der Flucht in gendliche unter 18 Jahren.2 Darun- kontinuierlich zu. Ihre Herkunfts- Deutschland ankommen, ist die WHUEHÀQGHWVLFKDXFKHLQHQLFKW]X länder sind vor allem Afghanistan, Kinder- und Jugendhilfe verant- unterschätzende Zahl Minderjäh- Syrien, der Irak sowie Eritrea. Hin- wortlich. Ihr obliegt es, die jungen rige, die ohne Eltern oder andere zu kommen aktuell immer mehr Menschen in Obhut zu nehmen vertraute Begleitpersonen auf der Flüchtlinge aus Westafrika (Gui- und ihnen sichere und ihren Be- Flucht ist. Die Zahl der unbeglei- nea) und Staaten der ehemaligen dürfnissen angepasste Lebensorte teten minderjährigen Flüchtlinge UdSSR. und -bedingungen zu bieten. Der 17
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