Gutes Leben für alle braucht eine andere Globalisierung - Herausforderungen und Gestaltungsräume für Städte und Regionen - Stadt Wien
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W E R K S T A T T B E R I C H T 173 lokal regional national global Gutes Leben für alle braucht eine andere Globalisierung Herausforderungen und Gestaltungsräume für Städte und Regionen
Gutes Leben für alle braucht eine andere Globalisierung Herausforderungen und Gestaltungsräume für Städte und Regionen
Inhalt 4 Vorwort der Vizebürgermeisterin von Wien, Maria Vassilakou 8 Einleitung 10 Leitfragen des 2. Kongresses Gutes Leben für alle 12 Teil 1 Gutes Leben für alle braucht eine andere Globalisierung 14 5 Thesen zum Kongress 36 Gutes Leben für alle braucht Gutes Leben für alle öffentliche Dienstleistungen: Andreas Novy & Alexandra Strickner Rekommunalisierung als Trend Alice Wagner & Iris Strutzmann 16 Keynote von Andreas Novy beim Eröffnungspodium Kongress 38 Das Alternative Handelsmandat: Gutes Leben für alle am 9. Februar 2017 Eckpunkte einer gerechten EU Handels- und Investitionspolitik 24 Globalisierung 4.0: Warum das Alexandra Strickner Gute Leben für alle eine andere Globalisierung braucht 42 Gutes Leben – gute Arbeit Werner Raza Klemens Himpele 27 A Commentary on the five-thesis 45 Was ist „gut“ und wer sind „alle“? proposal for the Good Life for All Gewerkschaftliche Perspektiven Congress 2017 auf das Gute Leben für alle Jean-Marc Fontan Erich Foglar 29 Globale Ressourcen-Fairness 47 Soziale Innovationen für ein Gutes Leben für alle für ein Gutes Leben für alle Stefan Giljum Michaela Neumayr 32 Weltoffen Regional 50 Gutes Leben für alle braucht die Eine nachhaltige Gesellschaft muss Überwindung der „imperialen großteils regional wirtschaften. Mit Lebensweise“ Nationalismus und nationalstaatlicher Interview von Sylvia Einöder mit Ulrich Brand Abschottung hat dies jedoch nichts zu tun! Volker Plass 2
Inhalt 54 Teil 2 Nahversorgung für alle – Herausforderungen und Beispiele gelingender Transformation 56 Nahversorgung für alle in der 72 Stadtentwicklung von unten – Donaustadt Möglichkeiten, Grenzen, Kritik Andreas Novy & Beatrice Stude Monika Grubbauer 59 Die „Foundational Economy“ als 76 Erfolreich Mobil work in progress Andreas Trisko & Michael Erdmann Leonhard Plank 79 10 Jahre Brunnenpassage – #kunstwirkt 61 Zentren – Versorgungsknoten Ivana Pilić in einer Stadt der kurzen Wege Pia Hlava 82 Nahversorgung für alle in der Donaustadt 64 Gutes Leben für alle braucht Beatrice Stude Nahversorgung für alle Guido Schwarz 86 Wiens Initiativen für ein Gutes Leben für alle 66 Gutes Leben für alle braucht Ira Mollay & Anna Leitner öffentlichen Raum für die Schwächsten 92 Impressum Thomas Ritt 69 Urban Citizenship: Stadt für alle Sarah Schilliger & Ilker Ataç 3
Vorwort der Vizebürgermeisterin Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Werkstattbericht entstand aus einer Kooperation der Wiener Stadtplanung mit der Wirtschaftsuniversität und einer Vielzahl von wissenschaftlichen, zivilgesellschaftli chen und gewerkschaftlichen Einrichtungen. Der Kongress Gutes Leben für alle 2017 an der Wirtschaftsuniversität brachte über 1000 Menschen – Fachleute, zivilgesellschaftlich aktive und engagierte Menschen – vom 9. bis 11. Februar 2017 zusammen, um über Alternativen zur aktuell stattfindenden Form der Globalisierung nachzudenken. Das Interesse der Wiener Stadtplanung an diesem Kongress war aus mehreren Gründen groß. Zum einen hat die Stadtregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung schon 2015 ein Bekenntnis zum Guten Leben für alle als Vision Wiener Stadtpolitik abgegeben. So heißt es in der Prä ambel: „Wir arbeiten an einer sozialen, weltoffenen und lebenswerten Zukunft, in der alle Perspektiven für sich und ihre Familien sehen. Jeder Mensch in Wien hat alle Chancen, sein Leben selbstbestimmt und unabhängig zu gestalten. Zwei Millionen Chancen, auf die Wien stolz sein kann.“ So verbindet die Stadtregierung mit den OrganisatorInnen das Interesse an konkreten Strategien, wie in kleinen Schritten und vielen Projekten die Utopie eines guten Lebens für alle Wirklichkeit werden kann. 4
Mag.a Maria Vassilakou Vizebürgermeisterin, Stadträtin für Stadt entwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und Zum anderen ermöglicht uns die Reflexion über die fünf Thesen des Kongresses, selbstbe BürgerInnenbeteiligung wusst, aber auch kritisch über das Potenzial von Stadtpolitik zu reflektieren. So freute es uns, festzustellen, dass Globalisierung nicht als Nullsummenspiel definiert wurde, bei dem mehr internationale Zusammenarbeit auf Kosten der Handlungsspielräume von Gemeinden, Städ ten und Regionen geht. Die am Kongress angesprochene andere Globalisierung versteht sich vielmehr als eine Verbindung aus Weltoffenheit und Heimatverbundenheit, die auf gemein sam verhandelten europäischen und globalen Regeln einerseits sowie klaren und erweiterten Handlungsspielräumen „von unten“ andererseits fußt. Es ist daher für die Wiener Stadtplanung notwendig, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Horizonterweiterung bedeutet gleichermaßen den Austausch über gelungene Erfahrungen anderer Städte sowie die Suche nach geänderten Rahmenbedingungen, insbesondere die Ermöglichung von ambitionierten Investitionsprogrammen in den stark wachsenden Städten Europas. Es ist insbesondere das fiskalische Korsett, das es der Stadt Wien gegenwärtig schwer macht, konsequent die notwendigen Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zu setzen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Vergnügen beim Nachlesen über den Kongress und dem Weiterdenken, ob und wie gutes Leben für alle Leitmotiv einer solidarischen und nach haltigen Stadt sein kann. Maria Vassilakou Vizebürgermeisterin von Wien 5
Einleitung Vom 9. bis 11. Februar 2017 fand der 2. Kon ren gestaltet sein müssen, damit in der gress Gutes Leben für alle statt, organisiert Stadt und vor Ort Experimente und vom Institute for Multi-Level Governance Neues „von unten“ entstehen and Development, gemeinsam mit mehr als kann sowie Weltoffenheit und systemi 30 KooperationspartnerInnen. Über 1000 sche Lösungen gemeinsam gedacht Personen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, und gelebt werden. Gewerkschaft, Politik und Verwaltung – Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Gewerk nahmen am Kongress teil, noch mehr als schaften, PionierInnen des Wandels, am erfolgreichen ersten Kongress, der 2015 Politik und Kultur zu vernetzen und stattfand. Erneut ging es darum, Lern-, unkonventionelle Lern- und For Such- und Forschungspartnerschaften für schungspartnerschaften zu unter nachhaltige Lebens- und Produktionswei stützen. sen zu fördern und die Suche nach eman zipatorischen Alternativen hin zu einem Der Werkstattbericht mit dem Titel „Gutes transformierten Wirtschafts- und Gesell Leben für alle braucht eine andere Globalisie schaftssystem zu unterstützen. rung. Herausforderungen und Gestaltungs räume für Städte und Regionen“ enthält Die Ziele des 2. Kongresses Gutes Leben einen Auszug aus einer Reihe von Debatten, für alle mit dem Titel „Gutes Leben für alle die wir beim Kongress geführt haben und die braucht eine andere Globalisierung“ waren: es weiterzuführen und zu vertiefen gilt. – Einen Raum zu schaffen, um über Im ersten Teil des Werkstattberichts geht es die Frage einer koordinierten wirt um die Auseinandersetzung und Reflexion schaftlichen Deglobalisierung zu der fünf Thesen, die wir beide – Andreas diskutieren, um ein Gemeinwesen Novy und Alexandra Strickner – beim gestalten zu können, in dem alle Men Kongress zur Diskussion gestellt haben. Wir schen ein gutes Leben führen können. haben unterschiedliche Akteure – aus der – Gemeinsam zu erkunden, wie städti Stadtverwaltung, der Wissenschaft, Zivilge sche Institutionen und Infrastruktu sellschaft, Gewerkschaft und Unternehmen – 8
gebeten, diese Thesen kritisch zu diskutieren Akteure schwierig sind, wie z. B. im Bereich und ihre Überlegungen dazu einzubringen. des Klimawandels und der Weltfinanzord Die AutorInnen der Beiträge zeichnen weite nung. re Wege für die Diskussion, teilen gewonnene Einsichten oder werfen neue Fragen auf. Wir wollen sichtbar machen, dass Aktivitäten und Handlungsoptionen für Freiheit, Solida Im zweiten Teil des Werkstattberichts geht rität, Nachhaltigkeit und Demokratisierung es um die Frage der Möglichkeiten, Her auf diversen Ebenen möglich und notwen ausforderungen und Beispiele gelingender dig sind. Emanzipatorische Politik ist nur sozialökologischer Transformation auf der im Zusammenspiel verschiedener Ebenen lokalen bzw. städtischen Ebene. Die his umsetzbar. torischen Erfahrungen von Wien in der Schaffung städtischer Infrastrukturen und Wir möchten an dieser Stelle der Stadt Wien Institutionen, die ein gutes Leben für alle in danken, die es ermöglicht hat, eine Auswahl Wien Lebende ermöglichen, ist dabei genau an Kongressbeiträgen und Debatten im Rah so im Blickfeld wie die Herausforderungen, men des Werkstattberichts zu publizieren. die sich angesichts der gegenwärtigen Krisen Wir hoffen, dass Sie, als Leserin bzw. Leser, stellen. Es geht darum, sichtbar zu machen, von diesen Beiträgen und Debatten inspi wie Menschen und Institutionen vor Ort riert werden. Wir laden Sie herzlich ein, bei Antworten auf die großen globalen Themen Interesse uns auch kurze Blogbeiträge über wie Klimawandel, Armut, Menschenrechte diese Themen und Fragen zu schicken. Nach und Welthandel geben. Damit wollen wir Möglichkeit werden wir diese auf der Websi den Blick dafür schärfen, dass all diese The te www.guteslebenfueralle.org publizieren. men auf unterschiedlichen Ebenen und mit verschiedenen Strategien bearbeitet werden Wir wünschen Ihnen eine spannende und können. Neben globalen Handlungsstrate inspirierende Lektüre. gien braucht es lokale – gerade in Zeiten wie diesen, in der in manchen Themenfeldern Andreas Novy & Alexandra Strickner globale Antworten aufgrund der politischen Kongressleitung 9
Leitfragen des 2. Kongresses Gutes Leben für alle 10
1. Was müssen wir ändern oder weiterentwickeln, wenn wir ein gutes Leben für alle verwirklichen wollen (Rahmen bedingungen, Institutionen, Infrastrukturen, Praktiken etc.)? 2. Woran wollen wir uns orientieren? Welche Werte, Richtlinien und Regeln sollen uns leiten? 3. Was sind hilfreiche, konkrete Schritte dazu in der Wissen schaft, Verwaltung, Zivilge sellschaft, Gewerkschaften, Politik, Wirtschaft etc.? 11
Teil 1 12
Gutes Leben für alle braucht eine andere Globalisierung 13
5 Thesen zum Kongress Gutes Leben für alle, Februar 2017 Andreas Novy, WU Wien & Alexandra Strickner, WU Wien & Attac Österreich These 1: Gesellschaften brauchen Utopien, die Orientierung geben und Potenziale nutzen In den gegenwärtigen Zeiten grundlegender Veränderung, den Angriffen auf zivilisatorische Errungenschaften wie Rechtsstaat oder Menschen- und BürgerInnenrechte und zunehmender Unsicherheit braucht es mehr, als nur jeweils das Schlimmste zu verhindern. Für emanzipatorische Entwicklungen braucht es positive Erzählungen, die Hoffnung geben und den Möglichkeitssinn stärken. Ein Blick in die Geschichte lehrt uns das: Menschenrechte, Frauen rechte, die Abschaffung der Sklaverei oder ArbeitnehmerInnenrechte und der Sozialstaat – am Anfang waren all diese Errungenschaften Utopien, die Orientierung gaben und Potenziale mobilisiert haben. These 2: Gutes Leben für alle ist die konkrete Utopie einer Zivilisation, die nicht auf Kosten anderer lebt Das gute Leben für alle beschreibt eine Welt, in der das freie Zusammenleben friedlich und solidarisch organisiert wird. Es ist ein positiver Gegenentwurf, der Sinn stiftet und Fantasie anregt. Er stellt die Frage danach, wie Lebens- und Produktionsweisen zu verändern und zu gestalten sind – und zwar so, dass das eigene gute Leben nicht auf Kosten anderer erfolgt und Freiheit, Solidarität, Nachhaltigkeit und Demokratisierung für alle ermöglicht. Das gute Leben für alle ist ein Kompass, der konkrete Umsetzungsschritte ermöglicht und diese in den großen Horizont hin zu einer verallgemeinerbaren Lebens- und Produktionsweise einbettet. Insofern ist die Utopie des guten Lebens für alle kein Wohlfühlkonzept, sondern eine Utopie, die zur Auseinandersetzung mit Widersprüche und Konflikten zwingt. These 3: Freiheit für alle braucht Grenzen, die demokratisch verhandelt werden Die aktuelle Hyperglobalisierung basiert auf entgrenzten Märkten, die die Möglichkeiten sozialökologischer Veränderung massiv einschränken. Die Utopie einer grenzenlosen Globalisierung, die zu Frieden und Entwicklung führt, erweist sich zunehmend als Illusion. Die Starken setzen ihren Willen mit und ohne Regeln durch. Doch Freiheit für alle ist ohne Grenzen, Regeln und Ordnung nicht möglich. Doch was, wo und wie begrenzt wird, muss demokratisch verhandelt werden. Das gilt insbesondere für Geld und Waren. Es gilt, Vor- und Nachteile grenzenlosen Handelns abzuwägen und demokratisch zu regeln. 14
These 4: Selektive wirtschaftliche Regionalisierung ermöglicht Eigenständigkeit und Weltoffenheit Es geht darum, Globalisierung zu erden. Es braucht Strategien der emanzipatorischen Regionalisierung, um Handlungsspielräume „von unten“ zurückzugewinnen. Dies erfordert demokratisch verhandelte Grenzziehungen, insbesondere für Finanzmärkte, ebenso wie eine Zivilisierung des Welthandels, die Sozial- und Umweltdumping verunmöglichen. Freihandel und Abschottung sind keine emanzipatorischen Ansätze, vielmehr braucht es Spielregeln und Rahmen, die ein sinnvolles Zusammenspiel von lokal und global ermöglichen und die Widersprüchlichkeiten zwischen lokal und global, Vielfalt vor Ort und globaler Zusammenarbeit im Interesse eines guten Lebens für alle ausbalancieren. Für ein gutes Leben für alle braucht es beides: Eigenständigkeit und Weltoffenheit, so etwas wie einen heimatverbundenen Kosmopolitismus. These 5: Auf dem Weg zum guten Leben für alle braucht es erweiterte Hand lungsspielräume „von unten“ Viele meinen, die großen globalen Themen – wie Klima, Armut, Menschen rechte und Weltwirtschaftsordnung – erfordern globale Handlungsstrategien. Ohne die Notwendigkeit von Global Governance zu leugnen, zeigen die aktuellen Entwicklungen (von Putin bis Trump), dass gegenwärtig globale Handlungsfelder schrumpfen. Doch globale Probleme sind vielschichtig und nicht nur global bearbeitbar. Auf allen räumlichen Ebenen gibt es Handlungsspielräume für Klima- und Sozialpolitik. Auf allen Ebenen können Menschen tätig werden, um Freiheit, Solidarität, Nachhaltigkeit und Demokratisierung zu befördern. Es geht um Erfahrungen, etwas verändern zu können, wirksam zu werden in der Gestaltung der Welt. Daher ist es sinnvoll und notwendig, Handlungsfähigkeit auszuweiten, wo immer diese vorhanden ist – regional, national und europäisch. 15
Keynote von Andreas Novy beim Eröffnungspodium Kongress Gutes Leben für alle am 9. Februar 2017 Andreas Novy, WU Wien andreas novy leitet das Institute for Multi-Level Governance and Development am Department Sozioökonomie der Wirt schaftsuniversität Wien. Er ist Obmann der Grünen Bildungswerkstatt. Arbeits schwerpunkte sind sozialökologische Transformation, Stadtentwicklung, soziale Innovationen, Entwicklungsforschung und Transdisziplinarität. Sehr geehrte Damen und Herren, Teil der Weltbevölkerung den ressourcen liebe Kolleginnen und Freunde, verschlingenden westlichen Lebensstil praktiziert und dass wir die Rechnung ohne als wir 2015 den ersten Kongress ausrich zukünftige Generationen machen. Tatsache teten, war dies vor dem Hintergrund eines ist: der kleinere Teil der Weltbevölkerung ist sich verschärfenden Widerspruchs zwi reich, lebt gut und ökologisch nichtnachhal schen Ökologie und Ökonomie – Stichwort tig; der größere Teil ist arm, lebt nicht so gut, Wachstumskritik. Im Vordergrund stand, dafür aber ökologisch nachhaltig. neu zu definieren, worum es bei einem gu ten, einem geglückten Leben geht – weniger Das thematisiert ein grundlegendes Dilem konsum-, mehr beziehungsorientiert, mit ma: Bislang waren Zivilisationen immer Zeitwohlstand, Lebensqualität und sozialer Gesellschaften, in denen einige auf Kosten Unser Wirt Sicherheit. Wir interessierten uns vor allem vieler gut leben konnten: die Leistungen schaftssystem für die Avantgarde, die PionierInnen des eines Aristoteles – inklusive seiner Schriften Wandels, die, die es schon heute anders ma zum guten Leben – verdanken sich auch den ist nicht chen – Energie sparen, Ressourcen sorgsam Frauen, SklavInnen und Fremden, die ihm nachhaltig. nutzen, gemeinsam anpacken. Von diesen die nötige Muße ermöglichten. Und auch Initiativen von unten gibt es viel zu lernen. viele Bequemlichkeiten unseres Lebens ver 2015 gab es sogar eine eigene, von Josef danken sich internationalen Ausbeutungs Kreitmayer organisierte Initiativenmesse, bei strukturen – sei es bei Handys, Textilien oder der sich 65 Projekte vorstellten – und die vie dem Zugang zu Öl und Gas. len von der Mutmacherei organisierten Ex kursionen geben auch diesmal wieder einen Heute, 2017, erscheinen – zumindest Einblick in die Kreativität von unten. Aber wenn wir uns an Berichterstattung, Wahl gleichzeitig ist klar: Es reicht nicht, wenn sich kampfthemen, öffentlicher Aufmerksamkeit Initiativen wie Magdas Hotel, RUSZ oder die orientieren – ökologische Sorgen zweitran Bank für Gemeinwohl in Nischen einrichten. gig. Die Rahmenbedingungen, unter denen Das Problem ist nämlich ein systemisches. der zweite Kongress stattfindet, sind ge prägt von Krieg in Europas Nachbarschaft, Unser Wirtschaftssystem ist nicht nachhal Flüchtlingen, Brexit und Trump. Ökologie tig. Es basiert darauf, dass nur ein kleiner und Klima sind – nur unterbrochen durch 16
Berichte über Wetterextreme – wieder aus sind fünf Thesen entstanden, die ich im rest den Schlagzeilen verschwunden. Die soziale lichen Vortrag ausführen möchte. Frage und vermeintliche Kulturkämpfe sind zurück auf der Agenda. These 1: Gesellschaften brauchen Utopien, die Orientierung geben und Tatsächlich aber bewahrheitet sich eine Potenziale nutzen Kernthese der Umweltforschung: Weiter so wie bisher ist keine Option. Veränderung Ein Blick in die Geschichte lehrt: Menschen kommt entweder chaotisch oder es ge rechte, Frauenrechte, die Abschaffung der lingt, die sozialökologische Transformation Sklaverei oder der Sozialstaat – am Anfang friedlich zu gestalten. Flucht und Krieg sind waren all dies Utopien, die als unrealistisch, die wahrnehmbaren Symptome von Chaos, als Schwärmerei abgetan wurden. Doch sie Klimawandel und wirtschaftliche Verwer gaben Orientierung und mobilisierten. Die Es geht fungen die bedrohliche Hintergrundmu Mütter vom Plaza Mayo in Argentinien, darum, die sik, die daran erinnert, dass die eigene, als Martin Luther King, Rosa Jochmann und sozialökologische selbstverständlich angesehene Lebensweise Nelson Mandela. Bis heute werden über sie Transformation gefährdet ist. Alles, vom Schifahren zu Weih Geschichten erzählt, die Hoffnung geben nachten bis zu den Zukunftschancen der und den Möglichkeitssinn stärken. Das friedlich zu Kinder, aber selbst Friede und Rechtsstaat in Bestehende, das, was ist, ist nicht das einzig gestalten. Europa erscheinen nicht länger als Selbstver Mögliche. Es könnte auch anders sein. ständlichkeiten. Es könnte, so die sich rasant verbreitende Erkenntnis, auch ganz anders Und um etwas anderes, potenziell Verwirk – und zwar schlechter – werden. Katastro lichbares anstreben zu können, braucht es phismus macht sich breit. Doch angesichts Ziele, Visionen, für die es sich lohnt, Zeit, der Angriffe auf zivilisatorische Errungen Hirnschmalz, Energie, Engagement zu schaften braucht es mehr als Abwehrkämp investieren. Es braucht eine Idee, in welcher fe, mehr als nur jeweils das Schlimmste zu Richtung Alternativen zu suchen sind. verhindern. Bei seiner Amtseinführung sagte Alexander Im Zuge der Vorbereitung, auch in vielen van der Bellen: „Wesentlich scheint mir, dass Gesprächen mit KooperationspartnerInnen, die Politik es schafft, die Rahmenbedingun- 17
Keynote von Andreas Novy gen so zu gestalten, damit möglichst viele, Sozialstaat; an den Kampf um Menschen eigentlich alle Menschen die Möglichkeit rechte und für die Ächtung von Krieg. Die haben, ein für sie geglücktes Leben … zu Utopie vom guten Leben für alle basiert auf führen.“ Den Worten des Bundespräsidenten der Republiksgründung 1918, dem Roten folgend stehen wir vor einer Herausforde Wien der Zwischenkriegszeit, dem kulturel rung: Ist es möglich, unsere Errungenschaf len Aufbruch nach 1968 und dem ökologi ten in Europa – Rechtsstaat, Menschenrechte, schen Bewusstsein der letzten Jahrzehnte. Es materieller Wohlstand und soziale Sicherheit ist also eine Utopie, die eine Geschichte hat. – zu bewahren und gleichzeitig für möglichst Wissend, woher wir kommen, ermöglicht alle Menschen die Voraussetzungen zu schaf sie den Blick in eine bessere Zukunft, die fen, dass sie gut leben können – heute und in Antworten findet auf eine zentrale Frage: Zukunft? Das führt zu These 2: Wie müssen wir in Österreich Leben und Arbeiten gestalten, sodass sieben Milliarden These 2: Gutes Leben für alle ist die kon Menschen ebenfalls gut leben können, mit krete Utopie einer Zivilisation, die nicht ähnlichem ökologischen Fußabdruck und auf Kosten anderer lebt Ressourcenverbrauch? Keine leichte Frage. Fest steht, dass dies zu Auseinandersetzun Das gute Leben für alle führt zu einem gen mit widerstreitenden Wünschen und ökologischen Imperativ: „Lebe so, dass dein Interessen führen wird. Das führt zur dritten Lebensstil verallgemeinerbar sein könnte.“ These: Die Globalisierung Ein Beispiel: In Städten der kurzen Wege, mit ist mitverant Begegnungszonen, Radfahren, Öffis, Nahver These 3: Freiheit für alle braucht wortlich für den sorgung und Naherholung könnten sieben Grenzen, die demokratisch verhandelt Milliarden Menschen leben. Dreieinhalb werden Klimawandel. Milliarden Autos weltweit, die die Mobi litätsbedürfnisse eines durchschnittlichen Die aktuelle Hyperglobalisierung basiert auf Österreichers globalisieren, führen in den entgrenzten Märkten, die Wettbewerb, Be ökologischen Kollaps. In diesem Sinne gibt schleunigung und Ressourcenübernutzung das gute Leben für alle Orientierung für eine immer weiter vorantreiben. In der Spirale Lern- und Suchbewegung, die das eigene von Mehr und Schneller bleiben demokrati gelungene Leben mit den Möglichkeiten aller sches Nachdenken, sozialer Zusammenhalt Menschen, auch zukünftiger Generationen, und Nachhaltigkeit auf der Strecke. Der vereinbar macht. Es ist also kein Brief ans aktuelle empirische Befund, der mittler Christkind, sondern eine konkrete Utopie, weile auch von OECD und Währungsfonds die auf den Werten der Aufklärung und der geteilt wird, ist besorgniserregend. Sowohl Französischen Revolution beruht: Vernunft, Thomas Piketty als auch Branko Milanovic Freiheit, Gleichheit und Solidarität – ein Ge weisen auf die Gefahr hin, dass die zweite meinwesen für alle, eine Zivilisation, in der Globalisierung des 21. Jahrhunderts zu den nicht einige auf Kosten anderer leben. Das Klassenstrukturen des 19. Jahrhunderts wäre, halten wir fest, historisch etwas gänz zurückzukehren droht. Das 19. Jahrhun lich Neues. Aber es ist nicht weltfremd. dert, erinnern wir uns, war das Jahrhundert von Raubtierkapitalismus, Kolonialismus Denn diese Utopie baut auf Erfahrungen, sie und Imperialismus. Heute verfestigt sich schließt an an die Bewegung für Rechts- und Ungleichheit erneut; Aufstiegschancen von 18
Unterschichtskindern schwinden; Abstiegs gen wachsen. Sind die Ziele klar, können ängste der Mittelschicht steigen. Menschen gemeinsam gestalten – transfor mation by design wird dies in der Umweltfor Die Freiheit der einen endet, wo die Frei schung genannt. Auch wenn Österreich kein heit anderer eingeschränkt wird. Das gilt Land der Revolutionen ist, verdanken sich umso mehr in einer endlichen Welt mit auch bei uns soziale Errungenschaften der beschränkten Ressourcen. Historisch wurden Arbeiterbewegung, Frauenrechte der Frau Verteilungskämpfe gelöst, indem selektiert enbewegung und ökologisches Bewusstsein wurde, indem einige privilegiert, viele aber der Umweltbewegung. Transformation by unter prekären Bedingungen leben mussten. design gibt es nicht zum Nulltarif, sie kann Selbst die Ringstraße, Wiens Prachtboule auch nicht delegiert werden an die Politik vard, verdankt seine Schönheit den elendigen oder Expertinnen, sondern sie erfordert das Bedingungen, unter denen, wenige Kilome Aktiv-Werden, politisches Engagement, und ter entfernt am Wienerberg, die damaligen das wiederum geht nur mit demokratischer Migranten, die Ziegel-Bem, die Arbeiterin Regelsetzung, wissend, dass die Starken ihren nen aus Tschechien, Ziegel für die Pracht Willen – mit und ohne Regeln – immer bauten herstellten. Pracht und Schönheit leichter durchsetzen. Freiheit für alle ist aber einerseits, Elend andererseits. Es bedurfte ohne Grenzen, Regeln und Ordnung nicht der Arbeiterbewegung, aus eben diesen realisierbar. Migranten, den Novys, Prohaskas und Pos pisils, BürgerInnen dieser Stadt zu machen. Hier auf der WU muss nochmals klargestellt Die Globalisie Von 1919 bis 1934 legte das Rote Wien mit werden, was auf dem Spiel steht. Kapitalisti rung führt zu seinen Gemeindebauten, seinen Bädern und sche Marktwirtschaften sind eine Erfolgsge einer immer Bibliotheken, seiner Schul- und Sozialhilf schichte. Die letzten 200 Jahre haben ja nicht intensivierten ereform den Grundstein für eine Stadt, die nur exponentielles Wachstum, Konsumismus bis heute zwar nicht allen, aber doch vielen und Kolonialismus, sondern auch sozia Ausbeutung ein gutes Leben ermöglicht. Doch waren all len Fortschritt und individuelle Freiheiten von Natur. diese sozialen Fortschritte damals keinesfalls gebracht. Hartmut Rosa spricht von Weltrei unumstritten. Während Friedrich Hayek, chenweitenvergrößerung, erweiterten Mög der neoliberale Vordenker, das Rote Wien lichkeitsräumen. Sich von so einem, in der als Wegbereiter hin zur Knechtschaft sah, Vergangenheit für unsere Breiten so erfolg verkörperte es für Karl Polanyi, den Versuch, reichen grenzenlosen Wirtschaften zu ver Freiheit für alle zu verwirklichen. Obwohl abschieden, ist nicht leicht, aber angesichts das Rote Wien 1934 durch Bürgerkrieg und ökologischer Dynamiken unvermeidbar. Der austrofaschistische Diktatur endete, ebnete Hyperglobalisierung, dem Wachstumszwang es den Weg für ein inklusives Wohlfahrtsmo und einem Konkurrenzdenken, das alle Le dell und eine Stadtentwicklung, die bis heute bensbereiche unterwandert, müssen Grenzen Slums, Banlieus und extreme Formen der gesetzt werden. Gentrifizierung vermieden hat. Handelskriege, konkurrenzorientierte Von diesen historischen Erfahrungen kön Abschottung und kriegsbedingte Deglobali nen wir lernen. Die Bearbeitung der sozialen sierung sind aber keine emanzipatorischen Frage in Europa im 20. Jahrhundert zeigt: Antworten. Unbestritten ist, dass die Ent Gesellschaften können an Herausforderun grenzung der Geld- und Finanzmärkte die 19
Keynote von Andreas Novy Krisenanfälligkeit erhöht, die Marktmacht me „von unten“ zurückgewonnen werden. von Konzernen und Vermögensbesitzenden Doch davon ist die aktuelle EU sehr weit gestärkt und demokratische Gestaltungs entfernt, ja sie untergräbt mit ihrem neolibe spielräume eingeschränkt hat. Diesbezüglich ralen Regelwerk kommunale und nationale ist auch Trump – entgegen der landläufigen Gestaltungsmöglichkeiten. Sie ist heute vor Einschätzung – ein Hyperglobalisierer, der allem treibende Kraft zur Entgrenzung von die Ökonomisierung aller Lebensberei Märkten. che radikalisiert. An sich ist der verstärkte Regulierungsbedarf im Finanzsektor mitt Dringend benötigt wird aber eine Europäi lerweile weitgehend unbestritten. Rasend sche Union als soziales und demokratisches schnelles, hypermobiles Finanzkapital ist ein Gegengewicht zur Hyperglobalisierung, als Haupttreiber universeller Konkurrenz um Gegenmacht zu global agierenden Konzer alles und jedes. Im Warenhandel ist die Frage nen, die marktbeherrschende Stellungen bezüglich Globalisierung komplexer, denn einnehmen – denken wir nur an Bay Welthandel hat auch viele Vorzüge, weshalb er-Monsanto, Amazon, Google und Apple; es hier gilt, Vor- und Nachteile grenzenlosen oder an Unternehmen, die „too big to fail“ Handelns abzuwägen. sind, um für ihr Marktversagen bestraft zu werden, wie Volkswagen oder zuletzt Monte Weder unbegrenz Es geht also darum, Globalisierung zu del Paschi in Italien. Wirtschaftliche Regio ter Freihandel erden. So wenig wie sich Europa auf Brüssel nalisierung könnte derartige Machtkonzen noch Abschottung reduziert (Europa ist auch genauso Lesbos, trationen vermeiden und die Übermacht Ostslowakei und Langenlois), findet Glo globaler Player einschränken. Welthandel sind emanzipa balisierung nicht nur auf Weltkonferenzen könnte dann ein Korrektiv sein, regionale torische Ansätze. oder einer herbeigewünschten Weltregierung Monopole und Seilschaften zu verhindern. statt, sondern Globalisierung wird auch „von unten“ gemacht: destruktiv und konstruktiv Denn weder unbegrenzter Handel noch werden auch vor Ort planetarische Grenzen Abschottung sind emanzipatorische Ansät und Klimaveränderungen mitgestaltet. Das ze. Vielmehr braucht es möglichst simple führt zur These 4. Spielregeln und Rahmen, die ein sinnvolles, demokratisch gestaltetes Zusammenspiel von These 4: Selektive wirtschaftliche lokal und global ermöglichen und die Wi Regionalisierung ermöglicht Eigen dersprüchlichkeit zwischen Vielfalt vor Ort ständigkeit und Weltoffenheit und globaler Zusammenarbeit ausbalanciert. Es braucht beides: Eigenständigkeit und Strategien einer emanzipatorischen Regio Weltoffenheit, so etwas wie einen heimatver nalisierung brauchen vor allem Kostenwahr bundenen Kosmopolitismus. heit im Transport. Dann wäre kleinteiliges Wirtschaften wieder attraktiver. Saisonales Der Wertschätzung von Vielfalt und Regi und regionales Essen, aber auch lokale onalisierung wird wohl leicht zugestimmt. Reparaturnetzwerke könnten eine auf Klein- Und trotzdem meinen viele, die großen und Mittelbetrieben aufbauende regionale globalen Themen – wie Klima, Armut, Men Ökonomie stützen. Durch transnationale Re schenrechte und Weltwirtschaftsordnung gionalisierungen, allen voran die europäische – erfordern globale Handlungsstrategien. Integration, könnten Handlungsspielräu Globale Koordinierung ist in der Tat wichtig, 20
Wir brauchen neue Ansätze, um die brennenden Probleme unserer Zeit zu bearbeiten. 21
Keynote von Andreas Novy Wirtschaft und zugleich zeigen die aktuellen Entwicklungen eindrucksvoll vorgestellt. Geld eröffnet Gesellschaft (von Putin bis Trump), dass gegenwärtig vermeintlich größtmögliche Freiheit: Texti müssen grund globale Zusammenarbeit prekär ist. Schon lien aus Bangladesh, Mangos aus Brasilien, lange beobachten wir, dass Investoren und Bücher von Amazon, Taxi von Uber – all legend neu Finanzmärkte demokratische Regierungen diese Produkte sind mit Geld erwerbbar, organisiert erpressen oder aber direkt an den Hebeln oftmals billiger als lokal angebotene Waren. werden. der Macht sitzen. Ex-Kommissionspräsident Die unintendierte Folge der vielen einzelnen Barroso ist ein letztes Beispiel dieses fata Kaufentscheidungen ist aber nicht nur die len Drehtüreffekts. America First, Trumps Konzentration von Macht und die damit Anspruch, die politische Macht zum eige verbundene Erosion von Demokratie, son nen wirtschaftlichen Vorteil einzusetzen, dern auch die Manipulation des Angebots untergräbt ernsthafte globale Kooperation. – unkontrollierte Gentechnik und Agrobu Vor dem Hintergrund dieser realpolitischen siness gehen Hand in Hand; Amazon und Sachlage braucht es neue Strategien, um die Uber wollen keine Gewerkschaften, globale brennenden Probleme unserer Zeit dennoch Finanzmärkte bestrafen Regierungen, die fair zu bearbeiten. Gott sei Dank sind globale besteuern und Sozialprogramme einführen Probleme nicht nur global bearbeitbar. Das wollen. führt zu fünften und letzten These. Das Anliegen dieses Kongresses ist es, die These 5: Auf dem Weg zum guten Leben Lösung dieses Dilemmas nicht bei individuell für alle braucht es erweiterte Hand fairen Kaufentscheidungen zu suchen, son lungsspielräume „von unten“ dern in einer radikalen Neudefinition dessen, was gutes Leben für alle braucht. Auch da Eine der Kernbotschaften dieses zweiten helfen die Überlegungen Hartmut Rosas zu Kongresses lautet: Auf allen räumlichen Resonanz und sein Insistieren auf gelungene Ebenen gibt es Handlungsspielräume für Weltbeziehungen, die uns berühren, anspre Klima- und Sozialpolitik; und es gilt, wo im chen, die „etwas in Schwingung bringen“. mer möglich, diese zu nutzen und auszuwei Sein statt Haben. Politisch gesprochen geht ten – regional, national und europäisch. Auf es um die Abkehr vom Konsumismus als allen Ebenen können Menschen tätig werden Illusion, die Bedürfnisse von sieben Milliar und den notwendigen sozialökologischen den Menschen ließen sich allein am Markt Es braucht andere Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft befriedigen. Geld haben, das mit Kreditkarte Formen als den vorantreiben. Die eigene Nachbarschaft, global Shoppen-Gehen, ist nicht die ganze Markt, um die Österreich und Europa sind wichtige Hand Freiheit, die wir meinen. lungsebenen. grundlegenden Gutes Leben für alle braucht die Abkehr Bedürfnisse von Jede, jeder von uns ist gleichermaßen Kon von dieser Illusion, die unter ökologischen sieben Milliar sumentin, BürgerIn, Beschäftigte. Globale Gesichtspunkten desaströse Konsequenzen den Menschen Finanzmärkte und digitale Medien haben hätte. Es braucht andere Formen, wie die zu befriedigen. universelle Märkte geschaffen, die uns als Befriedigung von Bedürfnissen organisiert KonsumentInnen durch den Besitz von wird. Unbegrenzte Mobilität und unbegrenz Geld ermächtigen. Durch die Globalisie te Einkaufsmöglichkeiten haben einen Preis rung vergrößert sich unsere Weltreichweite – und dieser Preis kann für ein Gemeinwesen dramatisch – das hat Hartmut Rosa gestern hoch – mitunter zu hoch – sein. Die Kämpfe 22
rund um Airbnb und Uber zeigen, dass uns Die Strategie, klimaschädliche Infrastruktu hier Auseinandersetzungen um Grenzzie ren zurückzubauen – allen voran bestimmte hungen und Regulierungen bevorstehen. Verkehrsinfrastrukturen und fossile Ener Klemens Himpele kann darüber beim Glo giesysteme – und stattdessen eine leistbare balisierungs-Panel sicher mehr berichten. sozialökologische Infrastruktur für alle auszubauen, ist daher sicherlich der beste Statt Wohlstand über den Zugang zu Geld Weg, um strukturelle Veränderungen weg zu definieren, braucht es „von unten“ eine von Konsumismus und Wachstumszwang Neudefinition von Lebensqualität im Sin einzuleiten. Während die Umverteilung von ne geglückter Weltbeziehung – durch die Geld die Funktion hat, Not zu lindern – und erfolgreiche Integration von Schutzsu das ist nicht wenig!, sind attraktive öffentli Wir brauchen chenden, durch Projekte, die Mittelschule che Räume, billige öffentliche Verkehrsmittel, klimafreundliche und Gymnasium in Dialog bringen, durch Zeitwohlstand, erschwinglicher Zugang zu Infrastrukturen energieautarke Gemeinden. Gemeinden und Energie, Wasser, Wohnen, Gesundheit und für eine solidari Städte haben die Möglichkeit, Menschen, Bildung, Kommunikation und vielem mehr die im Kleinen etwas verändern wollen, die notwendige Voraussetzungen für eine neue, sche Lebensweise. selbst-wirksam ihr Lebensumfeld und die solidarische Lebensweise mit reduziertem Welt gestalten, zu unterstützen. „Vor Ort“ ökologischen Fußabdruck – aber besserer handeln heißt Sorge zu tragen für das Le Lebensqualität für alle. bensumfeld, Verantwortung zu übernehmen für diesen Planeten, Politisch-werden im In diese Richtung sollte Wissenschaft den Sinne der Gestaltung des Gemeinwesens und ken, in diese Richtung sollten soziale Bewe der Welt. gungen aktiv werden. Vielen Dank! 23
Globalisierung 4.0: Warum das gute Leben für alle eine andere Globalisierung braucht Werner Raza, ÖFSE Werner raza ist Ökonom und seit 2010 Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). Arbeitsschwer punkte sind Internationaler Handel, Entwicklungsökonomie und -politik. Neoliberale Globalisierung – Ziele und rechten (Patente, Copyrights), beides beson Motive dere Anliegen transnationaler Konzerne. Die neoliberale Globalisierung der letzten Die spezifische politische Intention des 30 Jahre beruhte auf einem Projekt Tiefer Projekts bestand in einem disciplinary Integration, das heißt, Ziel war und ist die neoliberalism (Stephen Gill), das heißt der Herstellung eines möglichst einheitlichen Einschränkung politischer Handlungsspiel globalen ordnungspolitischen Rahmens für räume mit dem Ziel der Etablierung eines eine zunehmend transnational organisierte new constitutionalism im Sinne einer recht Ökonomie. Das erforderte insbesondere lichen Absicherung des globalen ordnungs einen Doppelschritt zur Deregulierung politischen Rahmens durch internationale historisch gewachsener, aber aus Sicht des Verträge, insbesondere auf Ebene der Welt transnationalen Kapitals handelshemmender handelsorganisation WTO. nationaler Wirtschaftsordnungen und ihrer Die politische teilweisen Re-Regulierung durch einheitliche Effekte neoliberaler Globalisierung Absicht der globale Standards. Daher ging es nicht bloß neoliberalen um die Durchsetzung des Freihandels durch Diese Form der Globalisierung blieb für Beseitigung von Zöllen, sondern vor allem Gesellschaft, Ökonomie und Natur nicht Globalisierung um die Liberalisierung von Kapitalflüssen, folgenlos, sondern zeitigte eine Reihe von besteht in der von Dienstleistungen und partiell auch um Effekten. Besonders bedeutend darunter Einschränkung Arbeitnehmerfreizügigkeit. Nicht zufällig erscheinen mir die Folgenden: politischer liegt der Schwerpunkt der rezenten Handels Handlungs politik à la TTIP und CETA auf Themen Erstens kam es zu starken sektoralen und wie der Vereinheitlichung von technischen räumlichen Verschiebungen der Produk spielräume. Standards, von behördlichen Prüf- und tion. Die starke räumliche Fragmentierung Genehmigungsverfahren, oder von Sektor von Produktionsprozessen führte zum regulierungen z. B. im Finanzsektor oder Entstehen globaler Produktionsnetzwerke, bei Infrastrukturleistungen. Darüber hinaus innerhalb derer einzelne Produktionsschrit zentral sind auch die Öffnung nationa te in unterschiedliche Länder ausgelagert ler öffentlicher Beschaffungssysteme und wurden. Während wertschöpfungsinten die Durchsetzung einheitlicher und hoher sive Bereiche und die Kontrolle über die Schutzstandards bei geistigen Eigentums Produktionskette in den Industrieländern 24
verblieben, wurden arbeitsintensive Schritte del, insbesondere im Rahmen von globalen in Billiglohnländer ausgelagert. Das führte Produktionsnetzwerken ist der zentrale zu Kosteneinsparungen, die zum Teil die Treiber für die Zunahme des Transports. So Unternehmensprofite erhöhten, zum Teil kam es zu einer Verdoppelung des Energie über geringere Warenpreise den Konsumen einsatzes im globalen Transportwesen in den tInnen zugutekamen, allerdings häufig unter letzten 30 Jahren. Die höchsten Steigerungs brutaler Ausbeutung von ArbeiterInnen und raten entfielen dabei auf den internationalen Natur in den Schwellen- und Entwicklungs Flug- und Schiffsverkehr. Der Anteil des ländern. In geopolitischer Hinsicht ermög Verkehrs an den globalen Emissionen steigt lichte die neue internationale Arbeitsteilung stark, so sind diese in der EU zwischen 1990 aber auch die wirtschaftlichen Aufholpro und 2014 von 15 % auf 23 % gestiegen. zesse der Schwellenländer, insbesondere von China, Indien, Indonesien oder der Türkei. Viertens, brachte die Globalisierung einen Globalisierung 4.0 Verlust demokratischer Handlungsspiel heißt die Rück Zweitens muss eine solche Restrukturierung räume auf nationaler Ebene, aber kaum gewinnung der starke Verteilungseffekte auf Einkommen einen Zugewinn solcher auf supra- bzw. demokratischen und Vermögen zeitigen. Die vorliegende em internationaler Ebene. Dafür ausschlag pirische Evidenz* deutet für die Jahrzehnte gebend ist insbesondere die Erosion des Gestaltungs seit 1980 auf zwei große Trends hin. Einer gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses im macht über seits ist es zu einer deutlichen Abnahme der keynesianischen Wohlfahrtsstaat als Folge eine entgrenzte globalen Einkommensunterschiede gekom der Aufwertung der internationalen Ebene Wirtschaft. men. Dafür verantwortlich ist der wirtschaft im Zuge der Globalisierung. Dies begünstigte liche Aufholprozess in den Schwellenländern, jene Akteure, die über größere räumliche wo vor allem in China und Indien eine neue Mobilitäts- und Vernetzungspotenziale ver Mittelklasse entstanden ist. Andererseits sta fügen, also vor allem transnationale Unter gnieren die Einkommen der Mittelschicht in nehmen und Banken/Finanzakteure. Diese den Industrieländern, während das oberste konnten ihren Einfluss auf die Politikgestal Perzentil der globalen Einkommensvertei tung in internationalen Foren bzw. Organi lung, d. h. die globalen Superreichen, einen sationen wie auch auf der nationalen Ebene starken Einkommenszuwachs verbuchen zulasten von stärker räumlich gebundenen konnte. Die Einkommensunterschiede Akteuren wie Gewerkschaften oder sozialen zwischen Arm und Reich innerhalb der Bewegungen ausbauen. einzelnen Staaten sind daher gestiegen. Fazit: Es gibt zwei Gewinnergruppen der Globali Schritte zur Globalisierung 4.0 sierung – die globalen Reichen/Superreichen und die Mittelklasse in den Schwellenlän Der bekannte Ökonom Dani Rodrik hat das dern, und eine Verliererin – die Mittelklasse „politische Trilemma der Weltwirtschaft“ in den Industrieländern. Das bietet den aktu als heuristisches Werkzeug zur Analyse ellen Nährboden für RechtspopulistInnen à der politischen Optionen im Zeitalter der la Strache, Orban, Le Pen, Trump etc. Globalisierung vorgeschlagen. Das Trilemma verdeutlicht die Beziehungen zwischen den Drittens, führt die Globalisierung zu einer drei Polen (1) nationale Souveränität, (2) intensivierten Ausbeutung von natürlichen Hyperglobalisierung, d. h. eine tiefgehende Ressourcen und ist mitverantwortlich für ökonomische Integration der Weltwirtschaft, den Klimawandel. Der internationale Han und (3) demokratischer Politik. Es postuliert, 25
Warum das gute Leben für alle eine andere Globalisierung braucht Die Globalisierung dass nur jeweils zwei, nicht aber alle drei Pole men, wie z. B. in der Steuerpolitik oder der muss neu gestaltet miteinander vereinbar sind. Geht man davon Umweltpolitik, eine stärkere internationale werden. aus, dass Nationalstaaten bis auf weiteres die Zusammenarbeit erfordert, bedeutet es in dominante Form politischer Organisation anderen Bereichen, wie etwa dem Finanzsek bleiben und ein substanzieller Machttransfer tor, der Landwirtschaft oder den öffentlichen auf die internationale Ebene im Sinne einer Diensten, eine Rücknahme von Liberalisie demokratischen Global Governance daher rung und Deregulierung sowie die Förde nicht realistisch ist und vertritt man zudem rung regionaler wirtschaftlicher Kreisläufe. die Meinung, dass eine auf die Durchsetzung Anders als die Rezepte des Rechtspopulismus nationaler Souveränität ausgerichtete und würde dieses Projekt konsequent für eine dafür zu autoritären Mitteln greifende Po Ausweitung demokratischer Räume auf litik kombiniert mit einer vertieften Hyper lokaler, nationaler und internationaler Ebene globalisierung nicht wünschenswert ist, wird eintreten und auf dieser Basis den Primat man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass der Politik über die Wirtschaft wiederher jedes emanzipatorische Projekt zwischen Hy stellen wollen. Globalisierung 4.0 heißt daher perglobalisierung und Demokratie abwägen primär Rückgewinnung der demokratischen muss. VerfechterInnen des guten Lebens für Gestaltungsmacht über eine räumlich und alle sollte diese Wahl leicht fallen. sozial entgrenzte Wirtschaft. Die Globalisierung muss daher neu gestaltet werden. Während dies bei bestimmten The * Siehe Branko Milanovic: Die ungleiche Welt – Migration, das Eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main, 2016 26
A Commentary on the five-thesis proposal for the Good Life for All Congress 2017 Jean-Marc Fontan, Université du Québec à Montréal Few conferences propose to debate the future Jean-Marc fontan is professor of of humanity. And when they do, few or none sociology at Université du Québec à Montréal (UQAM) and director of take place under the auspices of a depart the Incubateur universitaire Parole ment of economics. The conference on this d’excluEs (IUPE - http://iupe.word subject in Vienna is daring on two accounts: press.com). He is a research member first, by questioning the merits of the current of the Centre de recherche sur les societal order and, secondly, by being held innovations sociales (CRISES - http:// www.crises.uqam.ca), a Québec at a university this is dedicated primarily to research consortium dedicated to the economics, the Vienna University of Econo study of social innovation and societal mics and Business (WU). The main objective transformation. He leads a SSHRC of the conference was to lay the foundations pan Canadian research project dedi for a conversation and a debate to unfold cated to the study of Grant-Making Foundations (http://rpc.uqam.ca/ on the restructuring of the current societal en/) and promotes the publication of order. Andreas Novy presented a reformation a variety of studies on social innova proposal that revolved around the idea of the tion (http://www.puq.ca/catalogue/ Good Life for All as new meta-narrative for livres/innovation-sociale-1471.html). society. The proposal is based on the following five insightful and engaging theses: 1. Societies need utopias to ensure their My main comment about these five theses is development. “fantastic!” Why? For one, the overall pro 2. The Good Life for All is a concrete posal is kept simple. This is important, since utopia that could replace the great if the conversation and debate on a viable developmentalist narrative of common future is to take place at a global “progress for the sake of progress” that level, we must define the terms and propose has prevailed since Enlightenment a vocabulary that is accessible to all. Novy’s humanism. proposal supports this direction. It comple 3. This concrete and pragmatic utopia ments the proposals made by other paradig affirms the importance, as underlined ms, including those of Buen Vivir, de-growth by Karl Polanyi, of delineating the or the Convivialistes. boundaries of freedom in a democratic fashion and in all its forms. We, in turn, have some compementary 4. The utopia is based on a revised concept suggestions for the five theses. As the title of the economy according to which the suggests, the presented theses could benefit globalization of socio-economic activities from being embedded in an ethical frame is to be based on local and regional work that lays out the values and guiding democratic territorial jurisdictions. principles to promote, being solidarity, equa 5. Finally, the local level should be given lity, inclusiveness, otherness and an “ecolo priority in order to ensure the proper and gic.” The proposal could also subscribe to a full development of the political space. legal framework that is founded not on the 27
A Commentary on the five-thesis proposal for the Good Life for All Congress 2017 sacrosanct principle of private property but quity, if not further back, and deserves to be rather on the reasoned principle of commu seriously revisited. nal ownership. Admittedly, the new motor of history should Further, the five theses could also be com not be limited to an abstract concept such as plemented by a process evaluation on how that of cosmopolitanism. If anything, it must to achieve the required social and ecological be driven by a collective motivation, such as transition. To be sure, while it is imperative the “spirit of capitalism” coined by Max We to change the narrative and to adopt a new ber, that guides our collective and individual vision of living together, it is also important actions. This motivation, which we will have to find a smooth transition to the propo to conceive collectively, will make it possible sed new order. Such a transition cannot be to deconstruct all the a prioris according to improvised. The issue of the transition is which our happiness and wellbeing depends crucial and calls for the large-scale mobiliz primarily on technological progress. Al It is imperative ation of all the forces of the societies of the though the idea of technological progress to change the North and the South in order to bring about could be maintained, it should be subservi narrative and to the swift reconfiguration of the insitutitonal ent to certain ethical and aesthetic notions spaces and fields in place. The proposal also of social utility and environmental accep adopt a new vision needs to be complemented by a theoretical tability. This also means, however, that the of living together. reflection on the functioning of the societal new ethical and aesthetic focus will have to ecosystem as a whole. Without a general the introduce a prioris that will impel us to say ory on how the social functions in a context “NO to capitalistic development” rather than of cultural complexity (Edgar Morin), it will blindly say “YES” to the belief that technolo be difficult to grasp the profound nature of gy is synonymous with emancipation. the risks and challenges posed by the de ployment of the Good Life for All narrative. Beyond the identified technological limits, Hence the importance of mobilizing traditi the glass ceiling of technology, we will also onal and modern knowledge as well as past, have to contend with resistance and social new or future knowledge in order to avoid dissent—this being the human condition repeating the mistakes of the past. and human nature. It is important, therefore, to think about how we might deal with—in Finally, the concrete utopia proposed by a decent and human way, so as not to revert Novy/Strickner calls on us collectively to to barbarism—any opposition that might reflect on the overall logic that will guide emerge in the face of the proposals and all future transformations. Karl Marx had dissemination of a new meta-narrative that, identified the class struggle as the motor if embraced collectively on a planetary scale, of history in the development of human could possibly become the Good Life for All. societies. In the Good Life for All narrative, it appears that the newly proposed motor of history would merit from being informed by cosmopolitanism: an ancient ethical and political proposition that goes back to anti 28
Globale Ressourcen-Fairness für ein gutes Leben für alle Stefan Giljum, WU Wien Stefan giljum leitet die Forschungs gruppe „Nachhaltige Ressourcen nutzung“ am Institute for Ecological Economics der WU Wien. Zu seinen Fachgebieten zählen die Analyse der Ressourcennutzung von Produktion und Konsum, die Untersuchung öko logischer und sozialer Auswirkungen der Globalisierung sowie die Bewer tung von Nachhaltigkeit. Die Diskussion über die Übernutzung der den Blickpunkt gesellschaftlicher und politi Die Globalisie ökologischen Tragfähigkeit unseres Planeten scher Debatten. rung führt zu und die Notwendigkeit einer nachhaltigen einer intensivier Nutzung natürlicher Ressourcen durch Was zeigen die aktuellen Trends des ten Ausbeutung erhöhte Ressourceneffizienz hat sich in den Ressourcenverbrauchs? letzten Jahren sowohl in Europa als auch von natürlichen international deutlich intensiviert. Denn der In den letzten vier Jahrzehnten hat sich der Ressourcen. rasant steigende Verbrauch an natürlichen weltweite Verbrauch von erneuerbaren und Ressourcen auf weltweiter Ebene ist eng nicht-erneuerbaren Rohstoffen fast vervier mit einer Vielzahl an Umweltproblemen facht. Heute werden weltweit mehr als 90 verbunden, darunter Klimawandel, Was Milliarden Tonnen an Rohstoffen jährlich serknappheit oder Verlust der Artenvielfalt. gewonnen. Umgerechnet bedeutet dies, Die zunehmende Bedeutung dieses Themas dass jede Sekunde Rohstoffe in das globale hat jedoch auch wirtschaftliche Gründe. Wirtschaftssystem eingespeist werden, die Die internationale Konkurrenz um knapper etwa der Ladung von 100 LKWs entspre werdende Ressourcen wie Rohstoffe, Wasser chen. Das Wachstum des weltweiten Res oder Land, ausgelöst etwa durch den Aufstieg sourcenverbrauchs ist insbesondere nach und die gestiegene Nachfrage in Schwellen der Jahrtausendwende deutlich angestiegen. ländern wie China, nimmt ständig zu. Auch Dies hat mit der stark steigenden Nachfrage sind viele Industrieländer, vor allem in Euro in Entwicklungs- und Schwellenländern zu pa, zunehmend vom Import von natürlichen tun, genauso aber mit dem nach wie vor sehr Ressourcen aus anderen Ländern abhängig, hohen Pro-Kopf-Konsum in den reichen um ihre Produktions- und Konsumaktivitä Industrieländern. ten aufrechtzuerhalten. Fragen der Verteilung von materiellen Ressourcen und der mit dem Wenn bewertet werden soll, ob ein Land Abbau, der Verarbeitung und der Nutzung oder eine Region (wie die EU) dabei ist, im einhergehenden negativen ökologischen und Sinne der Nachhaltigkeit weniger Ressour sozialen Folgen rücken somit zunehmend in cen zu konsumieren, müssen umfassende 29
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