EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017

Die Seite wird erstellt Laurin Buck
 
WEITER LESEN
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
EKAS
MITTEILUNGSBLATT
Nr. 84 | Mai 2017
Schweizerische Eidgenossenschaft   Eidgenössische Koordinationskommission
Confédération suisse               für Arbeitssicherheit EKAS
Confederazione Svizzera
Confederaziun svizra

Gesunde Arbeitsplätze
für jedes Alter
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
Gesunde Arbeitsplätze
                                                               für jedes Alter
                                          Dr. Carmen Spycher
                                          Geschäftsführerin
                                          EKAS, Luzern         Der demografische Wandel lässt sich nicht mehr
                                                               aufhalten. Immer mehr Menschen sind über
                                                               50 Jahre alt. Die Belegschaften in Betrieben
                                                               werden zunehmend älter. Unternehmen sind
                                                               auf sie angewiesen, um den drohenden Mangel
                                                               an Fachkräften abzufedern. Gleichzeitig steigt
                                                               der Druck auf die Unternehmen. Die Leistungs-
                                                               fähigkeit muss konstant hoch bleiben, um im
                                                               globalen Wettbewerb bestehen zu können.

                                                               Welche Auswirkungen haben die demografi-
                                                               schen Umwälzungen auf die Prävention? Was
                                                               müssen Betriebe unternehmen, damit auch
                                                               ältere Mitarbeitende bis zum Rentenalter
                                                               gesund und leistungsfähig bleiben? Haben
                                                               ältere Mitarbeitende ein höheres Unfallrisiko
                                                               oder verunfallen sie einfach anders als ihre     Impressum

                                                               jüngeren Berufskolleginnen und -kollegen?        Mitteilungsblatt der Eidgenössischen
                                                               Was versteht man unter Generationenmana-         Koordinationskommission für
                                                                                                                Arbeitssicherheit EKAS – Nr. 84,
                                                               gement und welche Massnahmen haben sich          Mai 2017
                                                               in der Praxis bewährt?
                                                                                                                Herausgeberin
                                                                                                                Eidgenössische Koordinationskommission
                                                                                                                für Arbeits­sicherheit EKAS
                                                               Die EKAS hat im Herbst 2016 anlässlich der       Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern
                                                               16. Schweizerischen Tagung für Arbeitssicher-    Telefon 041 419 51 11, Fax 041 419 61 08
                                                                                                                ekas@ekas.ch, www.ekas.ch
                                                               heit STAS dieses Thema behandelt. Antworten
                                                               zu den aufgeworfenen Fragen sowie Good-          Verantwortliche Redaktion
                                                                                                                Dr. Carmen Spycher, Geschäftsführerin EKAS
                                                               Practice-Beispiele aus verschiedenen Unter-      Thomas Hilfiker, Redaktor, elva solutions,
                                                               nehmen haben wir für Sie zusammengefasst.        Meggen
                                                                                                                Im Mitteilungsblatt werden Autoren­­-
                                                                                                                artikel publiziert. Die Autoren sind jeweils
                                                               Wir hoffen, geschätzte Leserinnen und Leser,     bei ihrem Artikel namentlich erwähnt.
                                                               dass Sie damit Anregungen erhalten, wie Sie      Konzept und Layout
                                                               die Ressourcen von jüngeren und älteren Mit-     Agentur Frontal AG, www.frontal.ch
                                                               arbeitenden so nutzen können, dass möglichst     Erscheinungsweise
                                                               alle gesund und unfallfrei bleiben.              Erscheint 2x jährlich
EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                                                                                                Auflage
                                                                                                                Deutsch:     22 000
                                                                                                                Französisch: 7 500
                                                                                                                Italienisch:  2 200

                                                                                                                Verbreitung
                                                                                                                Schweiz
                                                               Dr. Carmen Spycher,
                                                                                                                Copyright
                                                               Geschäftsführerin EKAS, Luzern                   © EKAS; der Nachdruck ist erlaubt unter
                                                                                                                Angabe der Quelle und nach vorgängiger
                                                                                                                Zustimmung der Redaktion.

     2
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
4

SCHWERPUNK T
 4 Warum gesunde Arbeitsplätze
   für jedes Alter wichtig sind
10 Ältere Arbeitnehmende
   verunfallen anders
14 Gesunde Unternehmen brauchen
   gesunde Mitarbeitende
18 Generationenmanagement –
   erprobte Massnahmen bei der SBB

22 Für gesunde Unternehmen engagiert

FACHTHEMEN
26 STAS 2016: Gesunde Arbeitsplätze          10   14
   für jedes Alter
29 Wirksame Prävention gegen die
   Unfallursache Nummer eins
31 Berufsprüfung der Spezialisten für
   Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
   auf gutem Weg
34 Fragen und Antworten zur zweiten
   Rezertifizierungswelle der
   überbetrieblichen ASA-Lösungen            18   22

VERMISCHTES
38 Neue Informationsmittel der EKAS
40 Neue Informationsmittel der Suva
44 Neue Informationsmittel des SECO
46 Menschen, Zahlen und Fakten­
                                             26

                                                       3
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
SCHWERPUNKT

              Warum gesunde Arbeits-
              plätze für jedes Alter
              wichtig sind
              Der demografische Wandel lässt sich nicht aufhalten und stellt Unternehmen vor die
              Herausforderung, sich intensiver mit der Altersgruppe 50plus auseinanderzusetzen.
              Mit ein paar gezielten Massnahmen lassen sich auch ältere Mitarbeitende bis zum Ruhe-
              stand produktiv im Betrieb beschäftigen.
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
U
           nternehmen, die sich des        Arbeitnehmende» wie folgt: «Als         Mehrheit der über 50-Jährigen
           demografischen Wandels          ältere Arbeitnehmer werden jene         möchte produktiv und engagiert blei-
           bewusst sind, fragen bei Mit-   Personen bezeichnet, die in der         ben und erfreut sich bester Gesund-
           arbeitenden und Job-Kandi-      zweiten Hälfte ihres Berufslebens       heit. Empirische Studien belegen,
daten nicht nach dem Alter, sondern        stehen, noch nicht das Pensionsalter    dass sich viele ältere Menschen bei
nach deren Fähigkeiten. Das biologi-       erreicht haben und gesund und           der Arbeit geistig und körperlich
sche Alter ist zwar ein Faktor auf dem     arbeitsfähig sind.»                     gesund und leistungsfähig fühlen
Arbeitsmarkt, aber eben nur einer von                                              (siehe Grafik Seite 7). Schlechte
vielen. Durch die hervorragende            50plus? Herzlich willkommen!            Gesundheit bei älteren Arbeitneh-
medizinische Versorgung in der                                                     menden ist primär auf einen unge-
Schweiz wird das effektive Alter           Damit ältere Arbeitnehmende ihr         sunden Lebensstil im Privatleben
immer weniger wichtig. Viel wichtiger      volles Potenzial entfalten und Unter-   sowie auf genetische Voraussetzun-
ist, wie leistungsfähig jemand ist, was    nehmen mit ihrer Erfahrung berei-       gen zurückzuführen. Übermässige
jemand kann und was jemand an              chern können, müssen die Rahmen-        Belastungen während des Arbeitsle-
Erfahrung mitbringt. Die meisten           bedingungen stimmen – genauso           bens können ebenfalls eine wichtige
Menschen bleiben bis lange nach            wie bei jüngeren, weniger erfahre-      Rolle spielen.
dem Pensionsalter gesund.                  nen Arbeitskräften. Mit zunehmen-
                                           dem Alter verändern sich die ge­        Essentiell, um ältere Menschen erfolg-
Durch die tiefe Geburtenrate und           sundheitlichen Voraussetzungen. So      reich zu beschäftigen, ist einerseits die
wachsende Lebenserwartung der              nimmt die Sehfähigkeit ab 40 ab,        Art und Weise, wie die Arbeit zu erle-
letzten Jahrzehnte gibt es proportio-      denn sowohl die Akkommodations-         digen ist, und andererseits sind Aus-
nal immer weniger junge Menschen.          fähigkeit (Altersweitsichtigkeit) als   stattung, Arbeitsumgebung und der
Folglich steigt das durchschnittliche                                              Standort der Arbeit wichtig. Von Vor-
Alter der Erwerbstätigen. Doch nicht                                               teil sind Aufgaben, die auf die vor-
nur die Geburtenrate, sondern auch             Potenzial älterer                   handene Berufserfahrung aufbauen
eine allfällige Erhöhung des Pensions-          Mitarbeitender                     und eine gewisse Gelassenheit und
alters fördert diese Entwicklung. Der                                              Lebenserfahrung erfordern. Auf-             Dr. Maggie Graf
Anteil älterer Arbeitskräfte in den              nicht unter-                      grund der höheren Frustrationstole-         Ressortleiterin
                                                                                                                               Grundlagen
Unternehmen nimmt kontinuierlich                   schätzen.                       ranz sind ältere Menschen meist             Arbeit und
zu. Gemäss Bundesamt für Statistik                                                 ausdauernder, wenn es darum geht,           Gesundheit,
BFS wird sich die Anzahl der Personen                                              Ziele zu verfolgen. Auch die Koope-         Staatssekretariat
                                                                                                                               für Wirtschaft
über 65 Jahre je 100 Erwerbsperso-         auch Kontrastempfindlichkeit lassen     rationsfähigkeit ist in der Regel aus-      SECO, Bern
nen (Personen im erwerbsfähigen            nach. Auch das Gehör wird schlech-      geprägter, da ältere Menschen eher
Alter: 20 – 64 Jahre, Erwerbstätige        ter, Störgeräusche irritieren stärker   an dauerhaften Beziehungen interes-
und Erwerbslose zusammen) im Zeit-         als bei jüngeren Kolleginnen und        siert sind. Weniger geeignet sind hin-
raum von 1991 bis 2045 mehr als            Kollegen. Die Körperkraft ist bei       gegen Arbeiten, die eine rasche
verdoppeln. 1991 waren 26 von 100          60-Jährigen rund zwanzig Prozent        Reaktion oder Präzisionshandlungen
über 65 Jahre alt; 2045 werden es 56       schwächer als bei 30-Jährigen, und      (verminderte Sehfähigkeit) erfordern,
von 100 sein. Aktuell sind pro             ebenso nimmt die Beweglichkeit mit      oder körperlich sehr stark beanspru-
100 Erwerbspersonen rund 33 Men-           fortschreitendem Alter ab. Ältere       chen. Ältere Menschen brauchen län-
                                                                                                                                                   EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

schen über 65 Jahre alt.                   Menschen leiden häufiger an chroni-     ger, um sich zu erholen – sowohl von
                                           schen Beschwerden wie zum Beispiel      der Arbeit an sich als auch nach
Ab wann ist man älter?                     Rücken-, Gelenk- und Gliederschmer-     einem Unfall oder einer schweren
                                           zen, Herz-Kreislaufstörungen oder       Krankheit. Überlange Arbeitszeiten          Anania Hostettler
In der Regel spricht man von älteren       Schwierigkeiten mit dem Gleichge-       und Schichtarbeit sind somit wenig          lic. rer. soc.
                                                                                                                               Verantwortliche
Mitarbeitenden, wenn jemand das            wicht (siehe Grafik Seite 6).           geeignet. Es gilt schlechte Beleuch-        Kommunikation
50. oder 55. Lebensjahr überschrit-                                                tungsverhältnisse und Lärm zu ver-          Leistungsbereich
ten hat. Die Organisation für wirt-        Die Anzahl der gesunden Lebens-         meiden. Auch starke Hitze oder Kälte        Arbeitsbedingun-
                                                                                                                               gen, Staatssekre-
schaftliche Zusammenarbeit und             jahre ist dank medizinischem Fort-      belasten ältere Mitarbeitende stärker       tariat für Wirt-
Entwicklung (OECD) definiert «ältere       schritt stark angestiegen. Die grosse   als jüngere.                                schaft SECO, Bern

                                                                                                                                                         5
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
SCHWERPUNKT

                                          Häufigkeit der fünf häufigsten arbeitsbezogenen
                                          Gesundheitsbeschwerden nach Altersgruppen

                                          50.0 %

                                                                                                                                                                       Schmerzen in den Schultern,
                                          40.0 %                                                                                                                       Nacken und Armen sowie
                                                                                                                                                                       Schlafstörungen nehmen
                                          30.0 %                                                                                                                       mit dem Alter zu. Hingegen
                                                                                                                                                                       nehmen empfundene allge-
                                          20.0 %                                                                                                                       meine Schwäche, Müdigkeit,
                                                                                                                                                                       Energielosigkeit und Kopf-
                                                                                                                                                                       schmerzen ab.
                                          10.0 %

                                           0.0 %

                                                   15 – 24 Jahre        25 – 34 Jahre           35 – 44 Jahre            45 – 54 Jahre       55 – 64 Jahre

                                                Rücken- oder              Allgemeine Schwäche,                Einschlaf- oder                Kopfschmerzen,               Schmerzen in den Schultern,
                                               Kreuzschmerzen            Müdigkeit, Energielosigkeit       Durchschlafstörungen             Druck im Kopf oder              Im Nacken und / oder in
                                                                                                                                            Gesichtsschmerzen                    den Armen

                                                                Ergonomisch eingerichtete                       oder in Zusammenhang mit Beu-                • Zu hohe physische Anforderungen
                                                                Arbeitsplätze                                   gung oder Drehung des Rückens                  wie statische Muskelarbeit, hoher
                                                                                                                bewegt werden müssen, muss die                 Krafteinsatz, repetitive Tätigkeiten
                                                                Ein ergonomisch gut eingerichteter              Tätigkeitsdauer oder Anzahl Bewe-              oder gleichzeitig gebeugte und
                                                                Arbeitsplatz ist in der Regel altersge-         gungen pro Minuten bei Personen                gedrehte Körperhaltung.
                                                                recht. Das heisst, der Arbeitsplatz             über 50 Jahren stärker reduziert wer-        • Eine belastende und gefährliche
                                                                sollte zum Beispiel an unterschiedli-           den als bei jüngere Personen. Detail-          Arbeitsumgebung bedingt durch
                                                                che Körpergrössen anpassbar, bei                lierte Informationen dazu sind im              schlechte Beleuchtung, starke Tem-
                                                                Büroarbeitsplätzen die Darstellung              Prüfmittel «Gesundheitsrisiken: Belas-         peraturschwankungen, Lärm, etc.
                                                                auf dem Bildschirm gut lesbar                   tungen für Rücken, Muskeln und Seh-          • Mangelhaft organisierte Arbeit, die
                                                                (grosse Schrift, klare Darstellung,             nen bei der Arbeit» des SECO zu fin-           überlange Arbeitseinsätze erfor-
                                                                gute Kontraste) und der Raum gut                den (www.seco.admin.ch).                       derlich macht. Die betriebliche
                                                                ausgeleuchtet sein. Spezielle Gren-                                                            Gesundheitsförderung kann ausge-
                                                                zwerte oder Normen hinsichtlich                 Empfehlungen für Betriebe                      baut werden – wenn nötig, mit
                                                                Arbeitsplatzgestaltung für ältere                                                              einem spezifischen Case Manage-
                                                                Arbeitnehmende gibt es deswegen                 Es gibt diverse Möglichkeiten für              ment für chronische erkrankte
                                                                                                                Unternehmen, es älteren Mitarbei-              Erwerbstätige.
                                                                                                                tenden zu erleichtern, ihre Fähigkei-
                                                                       Altersgerecht                            ten bei der Arbeit weiterhin einzu-          2. Personalführung und Unter-
                                                                                                                bringen. Auch wenn sich diese im             nehmenskultur: Unternehmen tun
                                                                       ein­gerichtete
                                                                                                                Alter natürlicherweise verändern. Als        gut daran, die Altersstruktur regel-
                                                                       Arbeitsplätze                            Handlungsfelder bieten sich fol-             mässig zu analysieren und sich auf
                                                                       sind wichtig.                            gende besonders an:                          allfällige künftige Veränderungen
EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                                                                                                                                             der nächsten fünf bis zehn Jahren
                                                                                                                1. Gesundheitsmanagement:                    vorzubereiten. Fragen können sein:
                                                                mit Ausnahme einiger Richtlinien                Sowohl ältere als auch jüngere Mit-          • Wie viele Leute werden pensio-
                                                                zum Heben und Tragen nicht. Das                 arbeitende sollten vor negativen,               niert?
                                                                zumutbare Lastgewicht für eng am                berufsbedingten gesundheitlichen             • Wie schwer/leicht wird es sein,
                                                                Körper gehaltene Lasten beträgt für             Folgen geschützt werden, um die                 neue Mitarbeitende zu rekrutieren?
                                                                Männer über 50 Jahre maximal                    Leistungsfähigkeit bis ins fortge-           • Wie lange dauert es, bis sie einge-
                                                                16 Kg und für Frauen über 50 Jahre              schrittene Alter zu erhalten. Dabei             arbeitet sind?
                                                                maximal 10 Kg. Wenn Lastgewichte                gibt es drei Hauptrisikofaktoren zu          Übergänge in die Pensionierung soll-
                                                                unterhalb dieser Grenzen häufig                 beachten respektive zu vermeiden:            ten flexibel gestaltet sein und allenfalls

     6
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
Gute allgemeine Gesundheit nach Alter

100.0 %

 90.0 %                                                                                                  Immerhin berichten durchschnittlich
                                                                                                         89.5 % der Erwerbstätigen, dass sie
                                                                                                         ihren Gesundheitszustand als gut
 80.0 %
                                                                                                         bzw. sehr gut einschätzen.
 70.0 %

 60.0 %

 50.0 %

 40.0 %

 30.0 %

 20.0 %

 10.0 %

  0.0 %

           15 – 24 Jahre       25 – 34 Jahre        35 – 44 Jahre      45 – 54 Jahre     55 – 64 Jahre

Quelle: Schweizerische Gesundheitsbefragung 2012, Bundesamt für Statistik BfS.

auch die Möglichkeit einschliessen,            fen dabei, die Arbeitsmarktfähigkeit
kompetente Berufsfachleute nach                zu verbessern und einer Arbeitslosig-
dem Pensionsalter Teil- oder Vollzeit          keit vorzubeugen. So können ältere
arbeiten zu lassen. Ein Unternehmen            Menschen bei Bedarf im Unterneh-                                Aktuell: Kampagne
sollte auch die späte Karrierephase im         men eine neue oder angepasste Auf-                              «gesunde Arbeitsplätze –
Auge behalten. So haben sich bei-              gabe übernehmen und bleiben dem                                 für jedes Alter»
spielsweise Modelle von sogenannten            Unternehmen mit ihrer langjährigen                              Nicht nur in der Schweiz, sondern in
Bogenkarriere für ältere Menschen              Erfahrung und ihrem Fachwissen                                  ganz Europa altert die Erwerbsbevölke-
                                                                                                               rung. Auf diese Entwicklung reagiert die
bewährt. Dabei geben die betroffe-             erhalten. Wichtig ist zu erkennen,                              Europäische Agentur für Sicherheit und
nen Mitarbeitenden, vor allem im               dass sich Fort- und Weiterbildungen                             Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-
Kaderbereich, Verantwortung ab,                nicht nur für Mitarbeitende in der ers-                         OSHA) mit einer Kampagne. Unter dem
                                                                                                               Titel «gesunde Arbeitsplätze – für jedes
um ihre Kompetenzen in anderen                 ten Hälfte der Berufskarriere lohnen,                           Alter» stehen 2016 – 2017 drei Haupt-
Funktionen einzusetzen, wo ihre                sondern genauso für Mitarbeitende in                            ziele im Zentrum:
grosse Erfahrung, Urteilsfähigkeit,            der zweiten Hälfte.                                             1. Unterstützung gesundheitsfördern-
Besonnenheit und Sicherheit zentral                                                                               der Arbeit und des gesunden Alterns
                                                                                                                  und Hervorhebung der Bedeutung
sind. Sie können projektbezogen                Ein aktives Generationen-                                          von Prävention während des gesam-
beraten oder Mentorin oder Mentor              management bringt Nutzen                                           ten Berufslebens;
von Nachwuchskräften sein. Ein                                                                                 2. Unterstützung von Arbeitgebern und
Wechsel von einer Linien- zu einer             Unternehmen tun aufgrund des                                       Arbeitnehmern (gerade in Klein- und
                                                                                                                  Kleinstunternehmen) durch Bereit-
Stabsfunktion oder zu einem entlas-            demografischen Wandels gut daran,
                                                                                                                  stellung von Information und Instru-
tenden Arbeitsplatz könnte eine                Arbeitsplätze hinsichtlich Arbeitsor-                              menten für Sicherheit und Gesund-
weitere mögliche Massnahme sein.               ganisation, Arbeitsumfeld und Anfor-                               heit bei der Arbeit;
Zentral ist, dass ein Unternehmen              derungen nicht nur auf Junge auszu-                             3. Förderung des Austauschs von Infor-
Generationenkonflikte vermeidet,               richten, sondern auch auf ältere                                   mationen und von guten praktischen
                                                                                                                  Lösungen.
dafür Generationenbeziehungen                  Menschen. Unternehmen, die sich für
                                                                                                               https://osha.europa.eu
durch gemischte Teams oder eben                sichere und gesunde Arbeitsplätze für                           (Campaigns & Awards)
Mentoring-Projekte fördert. Studien            jedes Alter einsetzen, werden be­-
haben ergeben, dass die Produktivi-            lohnt: durch zufriedenere Mitarbei-
tät bei altersgemischten Teams im              tende, weniger Fehlzeiten, höhere
Allgemeinen am höchsten ist.                   Produktivität und niedrigere Kosten.

3. Qualifizierung und Kompetenz-
entwicklung: Weiterbildungen hel-

                                                                                                                                                          7
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
SCHWERPUNKT

                                                    Schlaf
                                                    • Veränderungen des Schlafrhythmus

                                                          Auswirkungen auf Nacht- und Schichtarbeit
                                                          Auswirkungen auf Konzentrationsarbeit

    Altersabhängige
    Funktions-
    veränderungen

    Altersabhängige Funktionsverände-
    rungen unterliegen einem natürli-
    chen Prozess. Das heisst jedoch kei-
    neswegs, dass ältere Mitarbeitende              Herz-Kreislaufsystem
    dadurch in ihrem Beruf nicht mehr
    einsatzfähig sind. Sicher ist, dass
                                                    und Atemwege
    trotz altersbedingter Veränderungen             • geringere Herzleistung
    die meisten Arbeitskräfte ohne Wei-             • verringerte Lungenkapazität
    teres bis zum Pensionsalter gesund              • geringere maximale Sauerstoffaufnahme
    und leistungsfähig bleiben können.
    Was es braucht, ist eine generelle                    geringere körperliche Leistungsfähigkeit,
    Sensibilisierung für das Thema «Älter                 geringere Leistungsreserven
    werden im Beruf» und vorbeugende
    Massnahmen, abgestimmt auf die
    individuelle gesundheitliche Kon-
    stitution und die arbeitsbedingte
    Belastung.

    Quelle: Europäische Agentur für Sicher-
    heit und Gesundheitsschutz am Arbeits-
    platz, e-Guide: Gesunde Arbeitsplätze
    für alle Altersgruppen

    Hier finden Sie zu vier Themen, die verschie-
    dene Aspekte des Alterns im Arbeitsleben        Bewegungsapparat (Muskeln,
    behandeln, praktische Tipps betreffend
    Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.       Knochen, Gelenke, Bänder
    http://professional.eguides.osha.europa.        und Sehnen)
    eu/SWZ_de/list-themes
                                                    •   verringerte Mobilität
                                                    •   steifere Gelenke
                                                    •   brüchigere Knochen
                                                    •   Abnahme der Muskelmasse

                                                          geringere körperliche Leistungsfähigkeit
                                                          Abnahme der Muskelkraft
                                                          höheres Verletzungsrisiko

8
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
Kognitive Prozesse /
Nervenleitgeschwindigkeit
• Verminderte Gedächtnisleistung und Informations-
  verarbeitung
• Verminderte Reaktionsfähigkeit

    steigender Zeitbedarf, steigendes Unfallrisiko
    bei körperlichen Tätigkeiten

Sinneswahrnehmung
• Veränderungen des Sehvermögens (Licht, Farben,
  Entfernung, Geschwindigkeit)

    geringere Fahrtüchtigkeit, erschwerter Umgang
    mit Geräten bei wechselnden Lichtverhältnissen,
    geringere Fähigkeit Schriften, Bildschirmtexte
    zu lesen

• Veränderungen des Hörvermögens (Töne,
  Frequenzen, Schallortung)

    Auswirkungen auf die Kommunikation,
    Wahrnehmung von Gefahren

• Veränderung des Gleichgewichtsinns

    erhöhtes Stolper-/Sturzrisiko

Haut
• Dünnere und trockenere Haut

    Höhere Anfälligkeit für Entzündungen der Haut     EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                                            9
EKAS MITTEILUNGSBLATT - Gesunde Arbeitsplätze für jedes Alter - Nr. 84 | Mai 2017
SCHWERPUNKT

              Ältere Arbeitnehmende
              verunfallen anders
              Ältere Mitarbeitende verunfallen weniger häufig. Aber sie verunfallen anders. Im Alter
              nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit und vor allem die Reaktionsfähigkeit ab.
              Besonders häufig sind Stolper- und Sturzunfälle. Die Unfallstatistik fördert eine wei-
              tere Erkenntnis zu Tage. Unfälle von älteren Arbeitskräften gehen ins Geld. Ein Berufs-
              unfall eines über 50-Jährigen kostet durchschnittlich wesentlich mehr. Der demogra-
              fische Wandel wird dazu führen, dass dies in den gesamten Versicherungskosten noch
              stärker ins Gewicht fällt. Grund genug, für die Arbeitssicherheit älterer Mitarbeitender
              geeignete Massnahmen zu treffen.
Berufsunfälle und Vollbeschäftigte 2010 – 2014
                                                                                            Ab 50 Jahren nimmt
                                                                                            die Anzahl Berufsun-
                                                                                            fälle mit zunehmendem
                                                                                            Alter stark ab!
8000                                                                                                                   100 000

                                                                                                                       80 000
6000

                                                                                                                       60 000
4000
                                                                                                                       40 000

2000
                                                                                                                       20 000

    0                                                                                                                  0

        15           20      25            30          35        40        45          50          55         60       Jahre

             Berufsunfälle     Vollbeschäftigte

Unfallhäufigkeit sinkt mit                      sogenannten Babyboomer der              durchschnittlich geringere Kosten.
steigendem Alter                                besonders geburtenstarken Jahr-         37 Prozent aller Berufsunfälle gehen

D
                                                gänge zwischen ca. 1950 und 1970        auf das Konto der 15- bis 29-Jährigen.
           ie Berufsunfallstatistik der         sind derzeit zwischen 45 und            Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es
           letzten fünf Jahre zeigt ein         65 Jahre alt. Im Jahr 2014 lebten in    44 Prozent. Lediglich 19 Prozent aller
           klares Bild: Am häufigsten           der Schweiz 1.4 Mio. Personen zwi-      Berufsunfälle betreffen über 50-Jäh-
           verunfallt die Altersgruppe          schen 45 und 55 Jahren, das sind        rige. Diese 19 Prozent aller Berufsun-
der bis 30-Jährigen bei der Arbeit.             20 Prozent der gesamten Bevölke-        fälle verursachen aber 30 Prozent aller
Danach sinkt die Anzahl der Berufsun-           rung. Ältere Arbeitnehmende wer-        jährlich anfallenden Kosten (siehe Gra-
fälle bis zum Alter von ca. 40 Jahren,          den dadurch für die Arbeitssicher-      fik Seite 13 oben). In absoluten Zahlen
steigt aber zwischen 40 und 50 Jahren           heit zu einem bedeutenden Thema.        ausgedrückt: Die über 50-Jährigen
wieder etwas an. Ab 50 Jahren nimmt                                                     erleiden 50 000 Berufsunfälle jährlich
die Anzahl Berufsunfälle mit zuneh-             Ältere Mitarbeitende – weniger          und lösen dadurch eine halbe Milli-
mendem Alter stark ab. Die Zahl der             Unfälle, aber höhere Kosten             arde Versicherungsleistungen aus.
Vollbeschäftigten steigt mit zuneh-
mendem Alter bis ca. 50 Jahre und               Noch eklatanter sieht es aus, wenn      Die Unfallversicherer registrieren
fällt danach ebenfalls stark ab. Berech-        man nicht nur die Anzahl der Berufs-    aktuell wenige Unfälle von über
net man mit diesen beiden Grössen               unfälle, sondern auch deren Kosten      50-Jährigen, die Kosten dafür sind
nun das Unfallrisiko im Beruf, ist es in        betrachtet. Ein Berufsunfall eines      jedoch hoch. Da die Zahl der über
jungen Jahren hoch, sinkt dann bis              30-Jährigen kostet im Mittel 3500       50-Jährigen in allen Branchen – mit
zum Alter von ca. 40 Jahren und                 Franken. Jener eines 55-Jährigen        Ausnahme vielleicht der Berufssport-
bleibt danach auf einem konstanten              beläuft sich hingegen auf 8000 Fran-    ler – in den kommenden Jahren stark
Niveau bis zum Pensionierungsalter.             ken. Dieser massive Unterschied hat     steigen wird, ist der Handlungsbe-
Fazit: Je älter, desto weniger Vollbe-          vermutlich zwei unterschiedliche        darf klar. Die über 50-Jährigen stel-
                                                                                                                                                    EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

schäftigte und desto weniger Unfälle            Gründe. Zum einen verdienen ältere      len in Zukunft eine sehr wichtige
(siehe Grafik oben).                            Personen mehr und verursachen           Zielgruppe für Massnahmen im
                                                dadurch höhere Taggeldleistungen.       Bereich der Arbeitssicherheit dar.
Alterspyramide bringt                           Zum anderen verletzen sich ältere
drastische Veränderungen                        Personen schwerer und haben eine        Wie verunfallen ältere
                                                längere Heilungsdauer, was zu höhe-     Arbeitnehmende?
Wird dies in Zukunft so bleiben? Die            ren Heilkosten führt.
Alterspyramide der Schweiz zeigt,                                                       Bei älteren Arbeitnehmenden sind          Rahel Rüetschli
                                                                                                                                  Teamleiterin
dass die Zahl der Vollbeschäftigten             Jüngere Erwerbstätige verunfallen       nicht andere Branchen die gefähr-         Statistik,
mit höherem Alter steigen wird. Die             zwar häufiger, verursachen aber         lichsten als bei jüngeren: Forst und      Suva, Luzern

                                                                                                                                                          11
SCHWERPUNKT

                                                                                                                                                                           Männer
                                          Alterspyramide der Schweiz                                                                                                       Frauen

                                                 Jahre

                                                  100

                                                   90

                                                   80
                                                                  20%
                                                   70             der Gesamtbevölkerung
                                                                  sind zwischen 45 und
                                                   60             55 Jahre alt.

                                                   50

                                                   40

                                                   30

                                                   20

                                                   10

                                                    0

                                                         80 000          60 000           40 000    20 000            0           20 000         40 000         60 000         80 000

                                                           Bau sind generell die gefährlichsten     im Auge, zum Beispiel beim Hobeln.       Unfälle vermeiden. Umgekehrt ver-
                                                           Branchen, unabhängig vom Alter.          Gestochen / Geschnitten werden sie       hält es sich bei Unfällen, die in
                                                           Die Unfallstatistik zeigt auch, dass     am häufigsten durch Messer. Dies         Zusammenhang mit der körperlichen
                                                           ältere und jüngere Arbeitnehmende        kann beispielsweise einem Lageris-       Leistungsfähigkeit entstehen.
                                                           bei den gleichen Tätigkeiten verun-      ten beim Auspacken von Ware aus
                                                           fallen. Wie also unterscheiden sich      Kartonschachteln passieren oder          Die körperliche Leistungsfähigkeit
                                                           Unfälle von älteren und jüngeren         einer Floristin beim Anschneiden         setzt sich aus drei Komponenten
                                                           Arbeitnehmenden? Unterschiede            von Rosen.                               zusammen:
                                                           zeigen sich bei einigen Unfallhergän-                                             • Reaktionsgeschwindigkeit,
                                                           gen (siehe Grafik Seite 13 unten).                                                • Gleichgewichtssinn,
                                                           Bei 35 Prozent aller Berufsunfälle          Besonders häufig                      • Kraft.
                                                           von über 50-Jährigen handelt es sich
                                                                                                       sind Stolper- und
                                                           um ein Ausgleiten / Abrutschen oder                                               Da mit zunehmenden Alter diese
                                                           anders gesagt um klassische Stolpe-           Sturzunfälle.                       drei Elemente alle abnehmen, sind
                                                           runfälle. Sie geschehen bei älteren                                               Unfälle, die mit der körperlichen
                                                           Verunfallten häufig auf Eis oder                                                  Leistungsfähigkeit in Verbindung
                                                           Schnee sowie auf Treppen. Bei jün-       Auch im Verletzungsmuster der Ver-       stehen, bei älteren Arbeitnehmen-
                                                           geren Verunfallten ist der Anteil der    unfallten zeigen sich Unterschiede       den häufiger.
                                                           Stolperunfälle viel tiefer: 21 Prozent   zwischen den Altersgruppen. Die
                                                           bei unter 30-Jährigen und 28 Pro-        Verletzungen betreffen bei allen         Dies lässt die Erkenntnis zu, dass die
                                                           zent bei unter 50-Jährigen. Leicht       Altersgruppen am häufigsten Hand,        Erfahrung von älteren Arbeitneh-
                                                           häufiger zu beobachten ist bei älte-     Fuss und Knöchel. Bei älteren sind       menden zur Vermeidung von Unfäl-
                                                           ren Verunfallten das Anstos-             jedoch oft auch komplexere Struktu-      len nutzbar gemacht werden könnte.
                                                           sen / Anschlagen an etwas. Sehr oft      ren wie Knie, Schulter, Ellbogen,        Gleichzeitig sollte jedoch die körper-
                                                           geschieht dies im Zusammenhang           Rumpf oder Rücken betroffen. Dies        liche Leistungsfähigkeit jüngerer
EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                                           mit dem Ausgleiten. Die Person fällt     erklärt einen Teil der höheren Kosten.   Arbeitskäfte zur Entlastung älterer
                                                           hin und schlägt sich den Ellbogen                                                 Mitarbeitenden eingesetzt werden.
                                                           oder den Kopf an.                        Erfahrung vs. körperliche                Ein reziproker Ausgleich zwischen
                                                                                                    Leistungsfähigkeit                       Erfahrung und körperlicher Leis-
                                                           Unfallhergänge durch Getroffen                                                    tungsfähigkeit im Verbund über
                                                           werden sowie Schnitt-, Stich- und        Mit dem Alter steigt die berufliche      Generationen hinweg könnte somit
                                                           Schürfverletzungen sind hingegen         Erfahrung. Ältere Mitarbeitende          auf betrieblicher Ebene zur Reduk-
                                                           mit höherem Alter klar seltener.         kennen die Gefährdungen und die          tion der Unfallhäufigkeit jüngerer
                                                           Getroffen werden die Verunfallten        Sicherheitsregeln. Sie können auf-       wie auch älterer Arbeitnehmenden
                                                           am häufigsten durch kleine Teilchen      grund ihrer Erfahrung bestimmte          einen Beitrag leisten.

12
Anzahl und Kosten der Berufsunfälle nach Alterskategorien

                                                                                      Berufsunfälle UVG, 2010 – 2014
                                                      Lediglich 19 Prozent
                                                      aller Unfälle betreffen
                                                      die Alterskategorie               19%
                                                      der 50 bis 64-Jährigen.
                                                      Diese verursachen                                       37%
                                                      jedoch 30 Prozent
                                                      aller jährlich anfallen-
                                                      den Kosten.
                                                                                         44%

                                                                                      Laufende Kosten der
                                                                                      Berufsunfälle UVG, 2010 – 2014

 15 – 29 Jahre        30 – 49 Jahre   50 – 64 Jahre                                   30%                  18%

                                                                                                      52%

Unfallhergänge, die sich unter den Altersgruppen
unterscheiden (UVG 2010 – 2014)
Mehrfachzählungen möglich!

                                                                                 Ausgleiten, abrutschen

     21%                       28%             35%
                                                                                 Getroffen werden,
                                                                                 verschüttet werden

          31%                                                                    Gestochen, geschnitten,
                          25%
                                          21%                                    geschürft werden

                                                                                 Anstossen an etwas,
                                                                                 anschlagen, anfassen
                          20%             16%
     24%

                                                                                 Sich überlasten
                                                                                                                       EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                          15%
                          13%
     12%

                          8%              8%
     6%                                                                          Herunterfallen, abstürzen
     4%                   5%              6%

 15 – 29 Jahre        30 – 49 Jahre   50 – 64 Jahre

                                                                                                                             13
SCHWERPUNKT

Gesunde Unternehmen brauchen
gesunde Mitarbeitende
Die Bauwirtschaft ist im Wandel. Klima- und Energiepolitik, Raumplanung und Demo-
grafie verändern die Rahmenbedingungen. Der Wandel ist eine Chance für den
Holzbau. Heute arbeiten rund 19 000 Personen im Holzbau, Tendenz steigend. Etwa
50 Prozent der Mitarbeitenden sind 30 Jahre alt oder jünger. Mitarbeitende ab dem
30. Altersjahr an die Branche zu binden, ist im Kontext des Fachkräftemangels eine
echte Herausforderung. Man setzt daher alles daran, die Bindung der Mitarbeitenden
zu erhöhen. Vermehrte Fort- und Weiterbildung, spezifische Laufbahnmodelle für
ältere Mitarbeitende und eine neue Branchenlösung Holzbau Vital sollen Beiträge
zu einem fortschrittlichen Generationenmanagement leisten.

       Gesunde
   Arbeitsplätze für
      jedes Alter

      Good Practice
       Beispiel 1
Einige Kennzahlen zum Branchenverband
Holzbau Schweiz

 Anzahl Mitglieder (2015)               • Holzbau-Polier                        • Handel, Verwaltung
                                                                                  10.9 %
 1219                                   • Holzbau-Techniker
                                                                                • Unterricht, Bildung
                                        • Holzbau-Ingenieur
 Anzahl Beschäftigte (2013)*                                                      21.5 %
                                        • Holzbau-Meister
 18 750                                                                         • Freizeit, Sport, Erholung
                                        • Kauffrau / Kaufmann und übri-           9.2 %
 Anzahl Arbeitsstätten (2013)*            ges kaufmännisches Personal
                                                                                • Spitäler, Heime, Gesundheit
 2550                                                                             12.9 %
                                        Anteil Holz an der
                                                                                • Gewerbe, Industrie
                                        Tragkonstruktion nach
 Berufe im Holzbau                                                                13.6 %
                                        Gebäudekategorie (2015)
 • Holzbau-Arbeiter                                                             • Landwirtschaft
                                        • Einfamilienhäuser
                                                                                  39.6 %
 • Holzbearbeiter                         17.3 %
                                                                                • Total alle Gebäudekategorien
 • Zimmermann                           • Mehrfamilienhäuser
                                                                                  13.6 %
                                          9.5 %
 • Holzbau-Vorarbeiter

* Quelle: Bundesamt für Statistik

D
          er Strukturwandel macht auch vor der Bauwirt-    Fachkräftemangel als Herausforderung
          schaft nicht Halt. Vier grosse Themen prägen
          die Herausforderungen der Bauwirtschaft          Was wie eine Erfolgsstory aussieht, hat auf der Seite der
          heute und auch in Zukunft:                       Altersstruktur einen Haken. Während in den meisten
                                                           Branchen infolge der demografischen Entwicklung von
• Klimapolitik: Der Gebäudepark Schweiz verursacht         einer Überalterung der Belegschaft gesprochen wird, ist
   40 Prozent der CO2-Emissionen.                          beim Holzbau die Situation genau umgekehrt (siehe Gra-
• Energiepolitik: 50 Prozent des Gesamtenergiever-         fik Seite 16).
   brauchs entsteht in Gebäuden der Schweiz. Bei der
   heutigen Sanierungsrate dauert es 100 Jahre bis der  Die Branche bildet Jahr für Jahr viele Berufsleute aus, sie
   gesamte Gebäudebestand eine höhere Energieeffizi-    verfügt bis zum Alter von ca. 30 Jahren über ein gutes
   enz erreicht.                                                             Personalpolster, doch nach 30 wan-
• Raumplanung: Jede Sekunde                                                  dern viele Mitarbeitende in andere
   wird ein Quadratmeter Kulturland           Holzbau liegt                  Branchen ab. Die wichtigsten Gründe
   in der Schweiz verbaut. Der                                               für die hohen Fluktuationsraten wer-
                                                 im Trend.
   Gebäudepark Schweiz soll daher                                            den nicht selten in der Arbeitssicher-
   vermehrt durch Verdichtung der                                            heit, beim betrieblichen Gesundheits-
   Gebäudestrukturen wachsen.                           schutz und bei der physischen bzw. psychischen
• Demografie: Heute sind 33 von 100 Personen im         Belastung der Mitarbeitenden identifiziert.
   Ruhestand. Bis 2045 werden es 56 Personen sein.
                                                        Neue Branchenlösung entwickelt
Die Holzbaubranche hat gute Chancen, in diesem Ver-
                                                                                                                                          EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

änderungsprozess eine führende Rolle zu übernehmen. Um einen drohenden Fachkräftemangel abzuwenden, hat
Holz ist ein natürlicher und ökologischer Rohstoff, der sich die Branche mit der demografischen Entwicklung und
sich fast universal einsetzen lässt.                    der langfristigen Sicherung eines qualitativ und quantitativ
                                                        gesunden Personalbestandes auseinandergesetzt. Holzbau
Die handwerklichen, industriellen, gestalterischen und Schweiz hat auf diese Herausforderungen reagiert und eine
energietechnischen Eigenschaften des Baustoffs Holz neue, innovative Branchenlösung entwickelt. Unter der
sind fast unbegrenzt. Holzbau ermöglicht nachhaltige Bezeichnung «holzbauvital» wurde die Branchenlösung
und leistungsfähige Bausysteme. Die dynamische Ent- Arbeitssicherheit (Basis Suva/EKAS) und eine neue Partner-
                                                                                                                       Hans Rupli
wicklung des Marktanteils in der Holzbaubranche ist schaft mit Helsana im betrieblichen Gesundheitsmanage-             Zentralpräsident
deshalb keine Überraschung.                             ment vereint und sozialpartnerschaftlich positioniert.         Holzbau Schweiz

                                                                                                                                                15
SCHWERPUNKT

                                                                                                     Alterstruktur im Holzbau Schweiz

                                                                                                      Berufsleute
                                                                                                                                                 Nach dem 30. Altersjahr
                                                                                                      5000                                       wandern viele Mitarbei-
                                                                                                                                                 tende in andere Bran-
                                                                                                                           4587                  chen ab!
                                                                                                      4500

                                                                                                      4000

                                                                                                      3500                      38%
                                                                                                      3000

                                                                                                      2500      2559
                                                                                                                                        2377

                                                                                                      2000
                                                                                                                                                       1608
                                                                                                      1500

                                                                                                      1000      21%                     20%
                                                                                                                                                                     811
                                                                                                                                                        13%
                                                                                                       500
                                                                                                                                                                    7%        246
                                                                                                         0                                                                    2%

                                                                                                               16 – 24     20 – 29     30 – 39         40 – 49     50 – 59   60 – 65
                                                                                                               Jahre        Jahre       Jahre           Jahre       Jahre     Jahre

                                          Lebenslange Karrierechancen durch
                                          gezielte Laufbahnberatung.

                                                             Gerade die kleinstrukturierten Merkmale der Holzbau-         UVG-Prämien, die für jeden Mitarbeitenden ca. 400 Fran-
                                                             branche machen es Klein- und Kleinstbetrieben schwer,        ken tiefer lagen als der Branchendurchschnitt. Bei einem
                                                             allein auf die Problematik des Fachkräftemangels Lösun-      mittleren Betrieb mit 60 Mitarbeitenden macht das
                                                             gen zu finden. Im Verbund mit einer umfassenden Bran-        immerhin rund 24 000 Franken pro Jahr.
                                                             chenlösung ist jedoch ein Schritt gelungen, der auch
                                                             Kleinbetriebe befähigt, in den Bereichen Arbeitssicher-      Entwicklung der Mitarbeitenden durch Bildung
                                                             heit, Gesundheitsschutz und Gesundheitsmanagement
                                                             fortschrittliche Lösungen zu realisieren.                    Gerade bei der Bildung lässt sich einiges steuern. Ältere
                                                                                                                          Mitarbeitende können aufgrund ihrer Erfahrung durch
                                                             Umfassende Dienstleistungen                                  Weiterbildung mehr Verantwortung und Führungsfunk-
                                                                                                                          tionen übernehmen. Jungen Berufsleuten eröffnen sich
                                                             Die neue Branchenlösung umfasst nebst der ASA-Syste-         durch Laufbahnberatung lebenslange Karrierechancen.
                                                             matik, welche durch die EKAS vorgeschrieben wird, auch       Der Branchenverband investiert daher kräftig in die Aus-
                                                             eine breite Palette von Dienstleistungen, die auf das        und Weiterbildung und hat im Rahmen des Gesamt­
                                                             Gesundheitsmanagement ausgerichtet sind. Diese sollen        arbeitsvertrags einen eigenen paritätisch finanzierten
                                                             auch ältere Mitarbeitende befähigen, im Beruf bleiben        Vollzugs- und Weiterbildungsfonds geschaffen.
                                                             zu können. Nebst freiwilligen Angeboten für Verbands-
                                                             mitglieder wie Kollektiv-Tagegeldversicherung Kollektiv-     Kulturwandel
                                                             vertrag für die Pflege, umfasst das Angebot auch Dienst-
                                                             leistungen für das betriebliche Gesundheitsmanagement        Erfolgreiche Unternehmen pflegen eine partnerschaftliche
                                                             sowie subventionierte Bildungsangebote im Bereich            Unternehmenskultur. In der Holzbaubranche bildet ein
                                                             Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Vorgesehen          Gesamtarbeitsvertrag dafür die Basis. Doch die Veranke-
                                                             sind ausserdem ein betriebliches Case Management und         rung auf Stufe der Betriebe und der gesamten Branche ist
                                                             Laufbahnangebote für ältere Mitarbeitende.                   ein langfristiger Prozess. Arbeitssicherheit, Gesundheits-
                                                                                                                          schutz und Generationenmanagement müssen fest in der
                                                             Durch flexible Arbeitszeiten und gezielte Massnahmen         Berufskultur der Branche und der Betriebe verankert sein,
                                                             bei der Altersentlastung lassen sich körperliche und psy-    damit sie erfolgreich umgesetzt werden können. Die
                                                             chische Belastungen abfedern. Gute Versicherungsleis-        Zukunft wird nicht allein durch Wissen, sondern vor allem
                                                             tungen bei krankheits- oder unfallbedingten Absenzen         durch die Mentalität geprägt. Der in der Holzbaubranche
EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                                             verleihen mehr Sicherheit – ein Imagegewinn für die          in Gang gesetzte Prozess ist Ausdruck eines Kulturwan-
                                                             gesamte Branche. Dass sich die Investition in die Arbeits-   dels. Mit dem Ziel, die Wahrnehmung des gesamten
                                                             sicherheit und den Gesundheitsschutz lohnt, zeigt sich       Berufsbilds dadurch zu verändern. Holzbau ist nicht nur für
                                                             auch auf der betriebswirtschaftlichen Seite am Beispiel      junge Berufsleute faszinierend, der Beruf bietet solide,
                                                             eines Mitgliedsbetriebs bei der neuen Branchenlösung         wirtschaftliche Chancen und gute Voraussetzungen bis zur
                                                             Holzbau Vital. Dieser Betrieb hatte 2014 bei der Suva        Pensionierung.

16
holzbauvital: Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und
Generationen- bzw. Gesundheitsmanagement vereint

         Branchenlösung Arbeitssicherheit                                 Partnerschaft für Generationen-
               und Gesundheitsschutz                                         management mit Helsana

                                                                             Kollektiv-Krankentaggeldversicherung

                                                                                    Kollektiv-Pflegevertrag

                         EKAS                                               Dienstleistungsvertrag für betriebliches
                         zertifiziert
                                                                                 Gesundheitsmanagement

                                                                                    Gesundheitsprävention

                                                                                      Case Management

         Interview mit Hans Rupli. Die Antworten                dung. Digitale Produktion und Vorfertigung bringen
         zu diesen Fragen stammen aus einem                     Entlastung. Gleichzeitig müssen Mitarbeitende wie auch
         Podiumsgespräch anlässlich der Schweize-               Führungskräfte besser sensibilisiert werden. Wir setzen
rischen Tagung für Arbeitssicherheit der EKAS                   stark auf ein gutes Bildungssystem und eine höhere
(Oktober 2016), an der Hans Rupli teilgenommen                  Einstufung von gesundheitsrelevanten Themen. Unser
hat. Die Tagung war dem Thema «Gesunde                          Ziel ist es, den richtigen Mitarbeitenden zur richtigen
Arbeitsplätze für jedes Alter» gewidmet. Redak-                 Arbeit zu führen. Mitarbeitergespräche und Karriere-
tion: Thomas Hilfiker, elva solutions, Meggen.                  planung sind dabei wichtige Instrumente. Nicht jeder
                                                                hat die gleichen Bedürfnisse. Junge und ältere Mitar-
Herr Rupli, in der Holzbaubranche wandern die                   beitende gegeneinander auszuspielen, ist nutzlos. Die
Berufsleute nach 30 ab. Warum ist das so?                       älteren bringen Erfahrung und Effizienz, die jüngeren
                                                                Energie und Dynamik. Zusammen erreichen wir die bes-
Hans Rupli: «Wir befassen uns seit einiger Zeit mit dieser      ten Resultate.»
Frage. Die Fluktuation ist generell, nicht nur in unserer
Branche, ein Thema. Die körperliche Belastung, Arbeits-         Haben alle Betriebe in Ihrer Branche die gleichen
sicherheit und Gesundheitsschutz, aber auch die Karri-          Probleme?
ereplanung spielen eine wichtige Rolle. Wir haben zum
Beispiel festgestellt, dass die Polizei oft junge Berufsleute   Hans Rupli: «Grosse Unternehmen haben generell mehr
bei uns rekrutiert. Der Holzbau ist ein gutes Sprung-           Möglichkeiten. Unsere Branchenstruktur ist jedoch
brett. Wir haben qualifizierte Mitarbeitende, die einen         durch eine grosse Anzahl kleinerer Betriebe gekenn-
hohen Berufsstolz mit sich bringen. Das schätzt man             zeichnet. Mit unserer neuen Branchenlösung haben wir
auch in anderen Branchen. Wir wollen und müssen aber            die Grundlage geschaffen, dass auch kleine Betriebe
                                                                                                                           EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

nicht jeden Mitarbeitenden halten. Ein Zimmermann,              flexible Lösungen im Generationenmanagement anbie-
der Bauführer oder Planer wird, kann sein Holzbau-Fach-         ten können. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
wissen weiterhin für die Branche gewinnbringend ein-            gekoppelt mit freiwilligen Versicherungslösungen unse-
setzen. Auch die Mitgestaltung der «Exportfunktion» in          rer Partnerin Helsana bilden ein Gesamtpaket, dass alles
unserem Berufsstand bringt uns weiter.»                         abdeckt. Zudem können die angeschlossenen Betriebe
                                                                dadurch ihre Prämien senken und ihren Mitarbeiten-
Und was tun Sie gegen den Fachkäftemangel?                      den vorteilhafte Kollektivversicherungen anbieten. Eine
                                                                echte Win-win-Situation für die Branche wie auch für
Hans Rupli: «Unser Bestreben geht in Richtung gestei-           die Betriebe.»
gerter Arbeitsplatzqualität und lebenslanger Weiterbil-

                                                                                                                                 17
SCHWERPUNKT

Generationenmanagement –
erprobte Massnahmen bei der SBB
Arbeit, Alter und Gesundheit: die SBB steht wie viele Grosskonzerne vor Herausfor-
derungen, die durch veränderte Demografie und neue Bedürfnisse der Arbeitneh-
menden entstanden sind. Verschiedene Lösungsansätze wurden entwickelt, um auf
diese Situation zu reagieren. Sie reichen von der Arbeitsgestaltung, über Massnahmen
im Bereich der Gesundheitskompetenzen bis hin zum betrieblichen Case Management.
Drei Pensionierungsmodelle und ein Lebensarbeitszeitmodell gehen speziell auf die
verschiedenen Berufsgruppen sowie auf die berufliche und persönliche Situation der
Mitarbeitenden ein. Mit dem Ziel, die Arbeitszeit besser auf die Lebenssituation
anzupassen und gesund zu bleiben bis zur Pensionierung. Doch die Erkenntnis reift:
Es existieren keine allgemeingültigen Lösungen. Das Alter allein ist kein abschliessen-
des Kriterium.

        Gesunde
    Arbeitsplätze für
       jedes Alter

      Good Practice
       Beispiel 2
Einige Kennzahlen zur SBB

 Anzahl Mitarbeitende                   • 8600 Züge / Tag für den               Cargo
                                          Reiseverkehr
 33 000                                                                         • 3100 Mitarbeitende
                                        Infrastruktur
                                                                                • 205 000 Tonnen Güter / Tag
 Anzahl Berufe, darunter viele
                                        • 10 300 Mitarbeitende
 bahnspezifische Berufsbilder                                                   • 1850 Züge / Tag für den
                                        • Bau und Unterhalt von Schie-            Güterverkehr
 Über 150 Berufsbilder                    nennetz und Infrastrukturen:
                                                                                Konzernbereiche
 • Handwerklichtechnische Berufe          3172 km Schienennetz,
                                          6005 Brücken, 319 Tunnel,             • 4500 Mitarbeitende
 • IT / Informatik                        31 874 Signale, 13 000 Wei-
                                                                                • Human Resources, Kommuni-
 • Kaufmännische Berufe                   chen, 6 Wasserkraftwerke
                                                                                  kation, Informatik, Finanzen,
 • Immobilienberufe                     Immobilien                                Recht & Compliance, Sicherheit
                                                                                  und Qualität, Unternehmens-
 • Ingenieurberufe                      • 800 Mitarbeitende
                                                                                  entwicklung, Supply Chain
 • Finanzberufe                         • 3500 Gebäude                            Management
                                        • Reinigung / Unterhalt der
 Operative Divisionen                     Bahnhofanlagen
 Personenverkehr                        • Vermietung von
 • 14 300 Mitarbeitende                   Immobilienflächen

 • 1.21 Million Fahrgäste pro Tag

Strategische Grundrichtungen                               • Arbeit und Gesundheit ins Management integrieren,

D
                                                             z. B. Integration von Gesundheit in Bau-/und
         ie Gesundheitsstrategie der SBB ist aus der         Beschaffungsprojekte, Zielvereinbarungssysteme
         HR-Strategie abgeleitet. Drohende Szenarien         oder durch Steuerungsgruppen zu Arbeit & Gesund-
         wie Verknappung des Personals, Verlust an spe-      heit mit Geschäftsleitungen.
         zifischem Bahnwissen und steigende, gesund-
heitsbedingte Mehrkosten von älteren aber zunehmend        Herausforderungen der demografischen
auch von jüngeren Mitarbeitenden sind mit Sicherheit       Entwicklung
ein Thema, wenn es um Generationenmanagement
geht. Doch in erster Linie ist die Gesundheitsstrategie  Das Durchschnittalter der Mitarbeitenden der SBB ist seit
verknüpft mit einem Wertesystem, das darauf abzielt,     2007 kontinuierlich gestiegen. 2015 betrug es 44,7 Jahre.
das Bedürfnis der Mitarbeitenden und den Bedarf der      Vor allem der Anteil der Mitarbeitenden über 50 Jahre
SBB an leistungsfähigen Mitarbeitenden zu einer Über-    steigt rasant. 2015 waren es 39,2 Prozent. Die demogra-
einstimmung zu führen.                                   fische Veränderung ist eine betriebliche Realität, aber
                                                                             nicht ein Problem an und für sich. Bei-
Die Gesundheitsstrategie der SBB                                             spielsweise hat eine Untersuchung
umfasst vier strategische Grundrich-          Das biologische                der subjektiven Erschöpfung anhand
tungen:                                    Alter allein ist nicht verschiedener Berufsbilder sehr unter-
                                                                             schiedliche Resultate ergeben. Bei
                                            ausschlaggebend.
                                                                                                                                           EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

• persönliche Ressourcen und                                                 bestimmten Berufsgruppen mit hoher
  gesunde Arbeitsverhältnisse för-                                           psychischer Belastung steigt das
  dern, z. B. durch Arbeitsgestaltung, Ergonomie und     Risiko eines Erschöpfungszustands über 50, während es
  Zukunftsmodelle für die Arbeitszeitgestaltung und      bei anderen Berufsgruppen im Alter eher sinkt.
  den Übergang in die Pensionierung;
• Frühintervention stärken, z. B. durch frühes Handeln   Eine Personalumfrage der SBB hat ergeben, dass sich           David Blumer
  im Bereich der psychischen Gesundheit, ein Präsenz-    zwar der arbeitsbedingte Gesundheitszustand, z. B. bei        Leiter Arbeitsge-
  management;                                            Handwerkern, mit zunehmenden Alter verschlechtert,            staltung & Leiter
                                                                                                                       Gesundheits-
• Leistungsfähigkeit erhalten, z. B. durch betriebliches doch die Werte bezüglich körperliche Belastungen,             kompetenzen
  Case Management und Integrationsstellen;               Erschöpfung und Zeitdruck ein differenzierteres Bild          SBB AG, Bern

                                                                                                                                                 19
SCHWERPUNKT

                                          Das Know-how älterer Mitarbeitenden zu erhalten                                                       Berufsspezifische konzipierte Mass-
                                          bedeutet Mehrwert für das Unternehmen.                                                                nahmen haben die grösste Wirkung,
                                                                                                                                                und zwar auf alle Alterssegmente.

                                                             ergeben. Es besteht hier hauptsächlich eine Korrelation       • Erhöhung der Zeitautonomie, bessere Vereinbarkeit
                                                             zwischen Dienstalter und der Entstehung körperlicher            zwischen verschiedenen Lebensbereichen;
                                                             Beschwerden oder dem Erleben von Zeitdruck. Eine fun-         • Erhalt von Know-how, schrittweiser Übergang in
                                                             dierte Analyse muss neben dem biologischen Alter auch           die Pension;
                                                             Faktoren wie das Dienstalter, die berufliche Belastung        • Erhalt der Gesundheit im Alter, Senkung der Kosten
                                                             sowie die individuelle Lebenssituation eines Mitarbeiten-       für Fehltage und für Reintegrationsfälle.
                                                             den berücksichtigen.
                                                                                                                           Die SBB hat daraus drei Pensionierungsmodelle und ein
                                                             Lösungsansätze der SBB                                        Lebensarbeitszeitmodell entwickelt (siehe Zusammenfas-
                                                                                                                           sung S. 21). Sie tragen den unterschiedlichen Belastun-
                                                             Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, die Lösungsan-         gen der verschiedenen Berufsbilder und den individuel-
                                                             sätze weniger nach rein altersbezogenen Kriterien zu          len Ansprüchen der Mitarbeitenden Rechnung:
                                                             suchen, sondern auf der Basis von Kennzahlen, von Risi-
                                                             koevaluationen und zielgruppenspezifischen Merkma-            • Valida: Vorzeitiger voller oder teilweiser Vorruhestand
                                                             len. Steuerungsgruppen bilden dabei ein zentrales Ele-          für Berufsgruppen mit hohen Belastungen und tiefem
                                                             ment. Sie bringen das Fachwissen von Spezialisten mit           Lohn. Die Mitarbeitenden erhalten im Vorruhestand
                                                             dem empirischen Wissen der Linienverantwortlichen               einen Lohnersatz und Pensionskassenbeiträge.
                                                             zusammen und können daraus zielgerichtete Massnah-            • Priora: Finanzielle Unterstützung einer vorzeitigen
                                                             men ableiten. Ergonomisch korrekte Arbeitsplätze sind           Pensionierung in definierten Berufsgruppen mit
                                                             beispielsweise in allen Altersgruppen sinnvoll, während         hohen Belastungen oder tiefem Lohn. Der Arbeitge-
                                                             das Weglassen von Nachtschichten für über 55-Jährige            ber unterstützt diese Mitarbeitenden durch eine
                                                             eine altersdifferenzierte Massnahme zur Arbeitsgestal-          höhere Finanzierung der Überbrückungspension.
                                                             tung darstellt.                                               • Activa: Gleitendes, längeres Arbeiten zu altersge-
                                                                                                                             rechten Bedingungen in gegenseitigem Einverneh-
                                                             Ein weiteres Beispiel betrifft das Verkaufspersonal, das        men. Teilzeitarbeit vor der ordentlichen Pensionie-
                                                             verglichen mit dem gesamtschweizerischen Benchmark              rung und Beschäftigung darüber hinaus.
                                                             eine überdurchschnittlich hohe Erschöpfung aufweist. Die      • Flexa: Lebensarbeitszeitmodell: Freiwilliges Ansparen
                                                             naheliegende Schlussfolgerung: Es braucht mehr Zeit für         von Zeit- und Geldelementen zur späteren Kompen-
                                                             die Erholung. Doch wie löst man die zu befürchtende Ein-        sation als Auszeit oder Reduktion des Beschäfti-
                                                             busse bei der geleisteten Arbeit? Ein Pilotversuch zur Ein-     gungsgrads.
                                                             führung von Kurzpausen, d. h. alle zwei Stunden fünf bis
                                                             max. zehn Minuten Pause, brachte erstaunliche Resultate:      Integrale Perspektive gefragt
                                                             weniger Erschöpfung, weniger psychische Anspannung
                                                             bei gleicher Produktivität. Solche Kurzpausen können nun      Die Modelle der SBB sind fortschrittlich. Solche Modelle
                                                             durch die Steuerungsgruppe mit gutem Gewissen in allen        allein lösen die demografischen Herausforderungen
                                                             Regionen als Massnahme propagiert werden.                     jedoch nicht. Die unternehmensinternen Untersuchun-
                                                                                                                           gen zeigen auf, dass das Generationenmanagement nur
EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

                                                             Zukunftsmodelle für den Übergang                              durch ein differenziertes Verständnis der Herausforde-
                                                             ins Pensionsalter                                             rungen der Arbeit, des Alters und der Gesundheit im
                                                                                                                           Unternehmen lösbar ist. Es braucht eine breite, systema-
                                                             Die SBB verfolgt auch im Bereich der Arbeitszeitmodelle       tische und integrale Sichtweise zum Thema, das den
                                                             zukunftsweisende Wege. Mitarbeitende sollen möglichst         Mitarbeitenden vom Stellenantritt bis zur Pensionierung
                                                             bis zur Pensionierung gesund bleiben. Aus diesem              erfasst und die individuellen Kompetenzen, Belastungen
                                                             Gesamtziel sind folgende Teilziele abgeleitet worden:         und Strukturen berücksichtigt. Die grösste Wirkung
                                                                                                                           generieren Massnahmen, die berufsspezifisch konzipiert
                                                             • Anpassung der Arbeitszeit an die Lebens- und                sind, aber auf alle Alterssegmente wirken.
                                                               Gesundheitssituation;

20
Interview mit David Blumer. Die Antwor-
                                                                    ten zu diesen Fragen stammen aus einem
                                                                    Podiumsgespräch anlässlich der Schweize-
                                                           rischen Tagung für Arbeitssicherheit der EKAS
                                                           (Oktober 2016), an der David Blumer teilgenom-
                                                           men hat. Die Tagung war dem Thema «Gesunde
                                                           Arbeitsplätze für jedes Alter» gewidmet. Redak-
                                                           tion: Thomas Hilfiker, elva solutions, Meggen.

Zukunftsmodelle für die                                    Herr Blumer, Sparprogramme sind omnipräsent.
Pensionierung und die                                      Auch die SBB muss sparen. Wie setzen Sie Mass-
                                                           nahmen im Bereich der Frühpensionierung und des
Lebensarbeitszeit                                          Generationenmanagements trotz Spardruck um?

Valida. Mitarbeitende definierter Berufsgruppen können     David Blumer: «Natürlich sind auch wir dem Spardruck
ab Alter 60 einen vollständigen oder teilweisen Vorruhe-   ausgesetzt. Doch die SBB hat sich klar für eine sehr hohe
stand wählen. Während des Vorruhestands erhalten           Arbeitssicherheit und für ein umfassendes Gesundheits-
diese Mitarbeitenden einen Lohnersatz. Die Zahlung der     management ausgesprochen. Wir «verlieren» jedes
Beiträge an die Pensionskasse läuft unverändert weiter.    Jahr dreistellige Millionenbeträge in diesen Bereichen.
Das Niveau der lebenslangen Rente bleibt erhalten. Das     Eine gesunde Work-Life-Balance der Mitarbeitenden ist
Modell wird durch Beiträge der SBB und der Mitarbei-       auch im Interesse des Unternehmens. Für die Einführung
tenden der definierten Berufsgruppen finanziert. Es        neuer Modelle und Massnahmen ist jedoch entschei-
basiert auf Solidarität zwischen jüngeren und älteren      dend, genaue Daten und verlässliche Angaben über die
Mitarbeitenden.                                            Auswirkungen zu haben. So liefern wir dem Manage-
                                                           ment schlagkräftige Argumente, auch zukünftig in die
Priora. Für diese Mitarbeitenden finanziert die SBB frü-   Gesundheit unserer Mitarbeitenden zu investieren.»
hestens drei Jahre vor dem ordentlichen Pensionierungs-
alter die Überbrückungspension der Pensionskasse SBB       Drängt die SBB darauf, nach einem Unfall oder
zu 80 % anstatt zu 20 %.                                   einer Krankheit Mitarbeitende möglichst schnell an
                                                           den Arbeitsplatz zurückzubringen?
Activa. Mitarbeitender und Führungskraft vereinbaren
im gegenseitigen Einvernehmen eine Verlängerung der        David Blumer «Rückkehrprogramme haben zum Zweck,
Tätigkeit nach 64 / 65 bei reduziertem Beschäftigungs-     die Mitarbeitenden möglichst bald wieder in eine Tages-
grad. Das Modell ermöglicht eine Senkung des Beschäf-      struktur zu integrieren. Dabei geht es nicht in erster Linie
tigungsgrads vor dem ordentlichen Pensionierungsalter      darum, sofort wieder die volle Leistung zu erhalten,
und eine Verlängerung der Tätigkeit darüber hinaus. Die    sondern die Mitarbeitenden wieder in den Berufsalltag
Eckwerte werden im Arbeitsvertrag festgehalten.            zurückzuholen. Die Kosten bei einem erneuten Ausfall
Dadurch besteht die Möglichkeit, die finanzielle Situa-    wären letztendlich viel höher und betriebswirtschaftlich
tion der betroffenen Person mit derjenigen einer vollen    kurzsichtig.»
Beschäftigung bis zum ordentlichen Pensionierungsalter
vergleichbar zu machen. Das Modell ist offen für alle      Welche Belastungen setzen älteren Mitarbeitenden
Berufsgruppen im gegenseitigen Einverständnis zwi-         am meisten zu?
schen Mitarbeitendem und Vorgesetztem.
                                                           David Blumer: «Der Bereich der Arbeitssicherheit ist
Flexa. Das Modell steht allen Mitarbeitenden offen. Die    stärker reguliert. Hier fallen generell weniger Probleme
Mitarbeitenden können auf freiwilliger Basis gewisse       an, wenn alle Sicherheitsmassnahmen und -regeln
                                                                                                                          EKAS MITTEILUNGSBLATT Nr. 84 | Mai 2017

Zeit- oder Geldelemente auf einem individuellen Lang-      eingehalten werden. Beim Gesundheitsmanagement
zeitkonto ansparen. Geldelemente werden unmittelbar        besteht mehr Handlungspotenzial. Wir haben kürzlich
in Zeit umgewandelt. Die somit angesparte Zeit kann        eine Untersuchung in einem Handwerksbetrieb gemacht
später für persönliche Zwecke verwendet werden (Aus-       und dabei festgestellt, dass die psychische Belastung
zeit oder Reduktion des Beschäftigungsgrads). Während      zuoberst auf der Liste stand. Unsere Nachforschungen
dieser Zeit bekommen die Mitarbeitenden ihren aktuel-      haben ergeben, dass kurze, schnelle Veränderungen
len Lohn weiter.                                           mitunter die grössten Belastungen bei den Mitarbeiten-
                                                           den auslösen. Mit der Beschleunigung und Veränderung
                                                           der Prozesse schaffen wir Unsicherheit und Stress. Hier
                                                           besteht Handlungsbedarf für die Zukunft.»

                                                                                                                                21
SCHWERPUNKT

Für gesunde Unternehmen engagiert
Die Helsana-Gruppe engagiert sich als vertrauenswürdige Schweizer Kranken- und
Unfallversicherung für die Gesundheit und Vorsorge von Privaten und Unternehmen.
Helsana schützt 1,9 Millionen Menschen gegen die finanziellen Folgen von Krankheit,
Unfall, Mutterschaft und Pflegebedürftigkeit im Alter. Für 46 500 Firmen und Verbände
mit insgesamt 700 000 Versicherten entwickelt Helsana Versicherungslösungen zur
Abfederung der wirtschaftlichen Folgen krankheits- oder unfallbedingter Absenzen.
Mit umfassenden Leistungen und Angeboten im Bereich der betrieblichen Gesundheit
setzt sich die Helsana dafür ein, dass die versicherten Betriebe und ihre Mitarbeiten-
den gesund bleiben. Das Generationenmanagement setzt nicht erst dann ein, wenn
die Folgen des demografischen Wandels spürbar werden. Ein gesundes Unternehmen
ermöglicht Mitarbeitenden mittels frühzeitigem Generationenmanagement in allen
Lebensphasen eine gesunde Entfaltung ihres wirtschaftlichen Potenzials.

        Gesunde
    Arbeitsplätze für
       jedes Alter

      Good Practice
       Beispiel 3
Sie können auch lesen