ENERGIE&UMWELT - Schweizerische Energie-Stiftung
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ENERGIE & UMWELT Das Magazin der Schweizerischen Energie-Stiftung SES Nr. 4 / Dez. 2004 Pumpspeicherung Die Mär von der sauberen Wasserkraft Contra CO2-Abgabe: Neues StromVG: Das Muskelprotzen für Es braucht die Einspeise- den Klimarappen vergütung für Erneuerbare! Seite 16 Seite 18
Schwerpunktthema: Pumpspeicherkraftwerke / Wasserkraft Das Geschäft mit der Stromvernichtung 4 Was hat ein Kohlekraftwerk in Deutschland oder Tschechien mit dem Pumpspeicher-Stausee auf der Grimsel zu tun? Nichts, könnte man meinen. Doch Pumpspeicherkraftwerke in unseren Alpen sind im internationalen Stromgeschäft ein idealer Partner von fossilen Gross- kraftwerken. Resultat dieser Partnerschaft: Hohe Gewinne mit hohem CO2-Ausstoss. Wasserkraftlobby will tiefere Restwassermengen 8 Obwohl – oder gerade weil – das Gesetz erst zu greifen beginnt, machen die politischen Vertreter der Wasserkraftlobby mächtig Druck auf den Gewässerschutz. Hinter der vorder- gründig klimapolitischen Argumentation verbirgt sich Eigeninteresse. Die Wasserkraftlobby fordert tiefere Restwassermengen und will die Sanierungsbestimmungen für (Fliess-)Gewässer abschwächen. Das vergessene Potenzial der Kleinwasserkraftwerke 10 Im Kleinwasserkraftwerksbereich besteht in der Schweiz ein grosses ungenutztes Potenzial. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Hunderte von Kleinwasserkraftwerken stillgelegt. Die Stiftung revita, ein Kompetenzzentrum des Ökozentrums Langenbruck, setzt sich für die Revitalisierung und Energieeffizienz von Kleinwasserkraftwerken ein. I M P R E S S U M Gegen die Verlochung des Atommülls im Zürcher Weinland 12 Die Menschen im Zürcher Weinland wollen keinen Atommüll unter ihrem Boden. Dies zeigten Energie&Umwelt Nr. 4/2004 fast 2'000 KundgebungsteilnehmerInnen am 12. September 2004 an einer Manifestation von Herausgeberin: Schweizerische Energie-Stiftung SES «Klar! Schweiz» auf dem ehemaligen (Bohr-)Platz, an dem die Nationale Genossenschaft für die Sihlquai 67, 8005 Zürich Endlagerung von radioaktiven Abfällen (Nagra) 1998/1999 Sondierbohrungen durchführte. Tel. 01/271 54 64; Fax 01/273 03 69 E-Mail: info@energiestiftung.ch PC-Konto: 80-3230-3 «Glaube nicht, dass die Wirtschaft Internet: www.energiestiftung.ch derart klar für den Klimarappen ist» 14 Redaktion: Rafael Brand BFE-Vizedirektor Michael Kaufmann war zu Gast an der dritten SES-Beiratssitzung, um auf- Scriptum, Büro für Kommunikation zuzeigen, wohin EnergieSchweiz steuert. «Energie&Umwelt» konnte mit dem neuen Leiter Postfach 949, 6460 Altdorf Tel. 041 870 79 79, E-Mail: info@scriptum.ch von EnergieSchweiz vorab über Prioritäten, Budgetkürzung, CO2-Abgabe und Klimarappen Redaktionsrat: Jürg Buri, Rafael Brand, Dieter sowie die Erreichbarkeit der energiepolitischen Ziele sprechen. Kuhn, Rüdiger Paschotta, Bernhard Piller Layout / ReDesign: Scriptum, Altdorf Muskelprotzen für den Klimarappen 16 Korrektorat: Bärti Schuler, Altdorf Derzeit läuft die Vernehmlassung zu CO2-Abgabe und Klimarappen. Doch die Meinungen zu Druck: ropress, Zürich den insgesamt vier Varianten sind längst gemacht. Die Erdöl-, Auto- und Wirtschaftslobby und ihre Polit-VertreterInnen wollen unter allen Umständen die CO2-Abgabe verhindern. Auflage: 5000, erscheint 4 x jährlich Abdruck erwünscht unter Quellenangabe und Zu- sendung eines Belegexemplares an die Redaktion Die Einspeisevergütung muss kommen! 18 Die im neuen Stromversorgungsgesetz vorgesehenen Massnahmen sind zu wenig verbind- Abonnement (4 Nummern): 30 Franken Inland-Abo lich, unklar und greifen zu spät. Die Förderziele sind unambitioniert und bleiben hinter den 40 Franken Ausland-Abo Zielen unserer Nachbarländer zurück. Die SES fordert vom Bundesrat ein Stromgesetz, das 50 Franken Gönner-Abo die Bedürfnisse der umweltverträglichen Stromproduktion und der Stromlobby zu gleichen SES-Mitgliedschaft: Teilen berücksichtigt. Fr. 75.– für Verdienende Fr. 30.– für Nichtverdienende Fr. 400.– für Kollektivmitglieder Heizung und Warmwasser mit weniger Energieaufwand 20 Energie&Umwelt inbegriffen Nach wie vor werden in unseren Haushalten für Heizung und Warmwasser Unmengen an Druck auf Papier aus nachhaltiger Heizöl, Erdgas und elektrischer Energie sinnlos vergeudet. Das muss nicht sein: Selbst ohne Waldbewirtschaftung: RePrint FSC grundlegende Überholung der Heizungsanlage lässt sich viel Energie und Geld sparen. (50% Altpapieranteil, 50% FSC-Frischfaser) «Atome für die Schweiz» 22 An der ETH in Zürich findet derzeit eine öffentliche Veranstaltungsreihe zur «Geschichte der SGS-CoC-0474 Kernenergie in der Schweiz» statt. «Energie&Umwelt» besuchte ein Podium mit Zeitzeugen FSC Trademark © 1996 und Historikern sowie eine Veranstaltung zu den Parallelen und Unterschieden der Kern- © Forest Stewardship Council A.C. energie-Geschichte der BRD und der Schweiz.
Editorial Wieder an Flüsse denken Berninapass. Doch sie kommen wieder. Sie werden diesmal neue Strophen dich- ten, postmoderne von der Batteriefunk- tion für die Windenergie, hübsche von Klimaschutz und CO2-Neutralität, drama- tische von schmelzenden Gletschern, bald knapp werdendem Wasser und vom Hochwasserschutz. Zuvor wollen sie die kostendeckende Vergütung für die erneuerbaren Energien im Stromversorgungsgesetz verhindern. Und zur Rückendeckung versuchen sie das Verbandsbeschwerderecht auszuhe- Kaspar Schuler, Geschäftsleiter Greenpeace beln, damit die Gesetze für Umwelt-, Natur- und Heimatschutz nackt in den eiskalten Wind der Deregulierung zu Sie wittern wieder Wasser, die Strom- stehen kommen. Dort werden diese fast konzerne. Wasser, das in ungezählten wie von selbst erfrieren. Dann kann, Staustufen schon heute zigmal über ihre klammheimlich möglichst, mit Un- Mühlen fliesst und trotz dem seit mehr schuldsmienen zur schicklichen Beerdi- als 10 Jahre revidierten Gewässerschutz- gung geschritten werden. gesetz noch immer nicht als zusätzliches Restwasser den Bach runter rauscht. Was tun wir? Die Tage nutzen. Koalitionen schmieden, Widerstand planen. Und vor verstromen allem: den Wert intakter Landschaft, einer hochpumpen Natur die uns trägt, wieder ins öffentliche unter massivem Stromverlust Bewusstsein bringen. Wie wärs mit einer einlagern grossen, gemeinsamen Kundgebung? zu Spitzenzeiten erneut verstromen Reicht es nicht längst, in Sachen Demon- hochpumpen tage am Umweltschutz? verstromen hochpumpen Vorher ist es Zeit, wieder an einen Fluss bis der letzte Tropfen zu gehen. An den Areuabach, den Glenner, abgestanden den Somvixer- oder den Madriserrhein, zum Himmel stinkt hinten, oben, wo sie noch ungebändigt das Geld nicht sind. Im Schnee die eigenen Spuren bis an ihr Ufer legen, ganz allein. Es ist wie Es ist ein bekanntes Lied. Sie haben es beim Bogenschiessen: Je weiter dein Pfeil vor 20 Jahren laut gesungen und süss nach vorn fliegen soll, umso mehr musst und unablässig in die Ohren der Berg- du zuvor die Sehne weit nach hinten zie- kantonsregierungen und Gemeindebe- hen. hörden gesummt. Wir haben sie – dem Es kommen strube Zeiten. Sie werden übervollen Strommarkt sei Dank – ge- wild und intensiv. Wie immer, wenn wir stoppt, vor der Greina, der Curciusa, den genau wissen, wofür wir kämpfen. Tälern Bercla und Madris. Vor der Lam- Drum den Winter nutzen, an Flüsse sitzen, pertschalp, an der Grimsel und dem ganz allein. Kaspar Schuler erkämpfte mit vielen BündnerInnen in der Arbeitsgruppe Val Madris-Curciusa für die gleich- namigen Täler die Abwendung der Pumpspeicherseen, zusammen mit dem WWF und der Pro Natura. 4/04 ENERGIE & UMWELT 3
Pumpspeicherung Das Geschäft mit der Stromvernichtung Was hat ein Kohlekraftwerk in Deutschland oder Tschechien mit dem Pumpspeicher-Stausee auf der Grimsel zu tun? Nichts, könnte man meinen. Doch Pumpspeicherkraftwerke in unseren Alpen sind im internationalen Stromgeschäft ein idealer Partner von fossilen Grosskraftwerken. Resultat dieser Partnerschaft: Hohe Gewinne mit hohem CO2-Ausstoss. Grimselstausee: Widerstand verhinderte bis heute Schlimmeres. Wasserkraft ist im Volksverständnis der Inbe- griff erneuerbarer Energie. Durch Nutzung von Wasser über eine Höhendifferenz werden Turbinen und Generatoren angetrieben und produzieren so Strom. In Flüssen wird bei re- lativ geringer Höhendifferenz kontinuierlich Schweiz. Direktor Gianni Biasutti traut seinen Augen Strom erzeugt, so genannter Bandstrom. In nicht, als er mit dem Zitat konfrontiert wird. Diese Aus- Speicherseen wird Wasser zurückgehalten sage sei «im Sinne unserer Botschaften wirklich gar Von Armin Braunwalder, und nach Bedarf über Druckstollen auf die nicht gut.» Inzwischen wurde sie von der KWO-Website Energie-Kommunikation Turbinen geleitet. So kann Strom nach Mass entfernt. Der KWO-Chef formuliert die Botschaft so: produziert werden: Während Zeiten mit ho- «Ein Pumpspeicherwerk ist ein Energiepuffer. Mit einem hem Stromverbrauch ist das so genannte Wirkungsgrad von knapp 80% wird aus eingekaufter, Spitzenenergie, beim kurzfristigen Ausgleich von Ver- momentan nicht benötigter Bandenergie zu einem spä- brauchs- und Produktionsschwankungen spricht man teren Zeitpunkt Spitzenenergie gemacht.» von Regelenergie. Saubere, CO2-freie Wasserkraft eben. Neben natürlichen Wasserzuflüssen können Speicherseen Ein Pumpspeicherkraftwerk funktioniert vereinfacht jedoch durch Pumpspeicherung auch künstlich gefüllt gesagt so: Wasser von tiefer gelegenen Gewässern oder werden. Der so erzeugte Strom ist alles andere als sauber. Stauseen wird in höher gelegene Speicherseen ge- pumpt. Für den Betrieb der Pumpen braucht es Strom. «Ein Pumpspeicherwerk ist ein Energieverbraucher, kein Schiesst das hochgepumpte Wasser in Druckstollen zu Energieerzeuger.» Das Zitat ist an überraschender Stelle Tal, wandeln es Generatoren wiederum in Strom um. zu lesen: Auf der Website der Kraftwerke Oberhasli AG Ein perfektes System, könnte man meinen. Der Haken (KWO)1. Die KWO betreiben im Grimselgebiet das leis- tungsstärkste System von Pumpspeicherkraftwerken der 1 www.grimselstrom.ch 4 ENERGIE & UMWELT 4/04
Um eine Kilowattstunde Strom zu produzieren, sei Dank – durch beschleunigte Gletscherschmelze zu braucht es 1,3 Kilowattstunden Pumpenergie. höherer Stromproduktion führt. Bei normalen Witte- Unter dem Strich werden so 25% des Stroms rungsbedingungen muss jedoch Wasser in den Grimsel- vernichtet. see hochgepumpt werden. Ein Nullsummenspiel, das in der Bilanz keine zusätzliche Kilowattstunde bringe. Neben der Staumauererhöhung soll das neue Kraftwerk ist nur: Das Hinaufpumpen braucht mehr Energie, als Grimsel 3 im Verbund mit einem zusätzlichen Wasser- man unten wieder herausholt. In Zahlen: Um eine Kilo- Pumpwerk die installierte Leistung der KWO um rund wattstunde Strom zu produzieren, braucht es 1,3 Kilo- 350 Megawatt erhöhen. Das entspricht der Leistung des wattstunden Pumpenergie. Unter dem Strich werden so AKW Mühleberg. Das Ziel des Ausbauprojekts ist «die 25% des Stroms vernichtet. flexible Nutzung von kurzfristigen Kraftwerksüberkapa- zitäten und Leistungsengpässen am Strommarkt.» Damit Die KWO wollten mit dem gigantischen Projekt Grimsel- ist auch gesagt, dass es mit KWO-Plus nicht um die West die heutige Leistung vervielfachen. Eine geschützte Landesversorgung, sondern ums internationale Strom- Moorlandschaft von nationaler Bedeutung wäre ertrun- geschäft geht. ken. So weit ist es wegen des vehementen Widerstands Im europäischen Stromverbund können die grossen der lokalen Opposition und von Umweltorganisationen Kraftwerkeinheiten um 1'000 Megawatt (entspricht nicht gekommen. Nachgeholfen haben bei der dem AKW Leibstadt) nur dann im Dauerbetrieb gefahren Beerdigung des Mammutprojekts auch harte wirtschaft- werden, wenn ihre Stromproduktion mit Sicherheit ab- liche Fakten: Das Pumpspeicherprojekt Grimsel-West wäre genommen wird. Sie produzieren so genannten Band- zu einer milliardenschweren Investitionsruine geworden. strom und decken damit die Grundlast durch den nor- malen täglichen Bedarf. Ist diese Nachfrage kleiner als Internationales Stromgeschäft lockt die Bandstromproduktion, garantiert die Pumpspeiche- rung den grossen Bandenergieproduzenten (insbeson- Nun backt die KWO etwas kleinere Brötchen. Aus Grim- dere Atom- und Kohlekraftwerken) die Stromabnahme. sel-West ist das Ausbauprojekt KWO-Plus geworden. Das Plus steht für die Erhöhung der Grimselsee-Staumauer Pumpspeicherkraftwerke stehen deshalb im Ruf, als um 23 Meter. So können 75 Millionen m3 mehr Wasser Stromwaschanlage für europäischen Kohle- und Atom- gespeichert werden. Das zusätzliche Volumen würde es strom zu funktionieren. Von der Hand zu weisen ist das ermöglichen, mehr Wasser in den Grimselsee hinaufzu- nicht: Die Pumpenergie hat im ausländischen Kraftwerk pumpen. Insgesamt, so der Plan, könnten mit der Stau- viel CO2 und radioaktiven Abfall produziert. Dem aus mauererhöhung pro Jahr 220 Millionen Kilowattstunden Pumpspeicherwerken produzierten Strom müssen diese mehr erzeugt werden. Kritiker weisen jedoch darauf hin, Abfälle deshalb angerechnet werden. Das bestreiten dass das zusätzliche Stauvolumen nur in Ausnahmesi- auch die KWO nicht. Sie schreiben auf ihrer Website: tuationen wie im Hitzesommer 2003 – Klimaerwärmung «Die Pumpenarbeit der Pumpspeicherwerke in den Alpen Grimsel Nollen: Staumauererhöhung und Hängebrücke über den Stausee (Fotomontage, KWO). 4/04 ENERGIE & UMWELT 5
erzeugt einen Schadstoffausstoss an einem anderen Ort jekts «ecoinvent» (www.ecoinvent.ch) am Paul-Scherrer- des Kraftwerkssystems. Die Frage nach den ökologischen Institut (PSI). Ergebnis: In jeder durch Pumpspeicherung Auswirkungen der Pumpspeicherwerke ist berechtigt.» erzeugten kWh stecken im Durchschnitt 172 Gramm CO2 (vgl. Tabelle). Das ist nahezu halb so viel, wie heute 342'000 Tonnen CO2 im Euromix-Strom steckt, der von fossilen Grosskraft- werken dominiert wird. KWO-Chef Gianni Biasutti ist ein angenehmer Ge- sprächspartner und im wahrsten Sinn des Wortes mit Gianni Biasutti lässt sich von solchen Zahlen nicht be- allen Wassern gewaschen. Es eilt ihm der Ruf voraus, er eindrucken: «Pumpspeicherkraftwerke sorgen dafür, sei ein «feuriger Befürworter» der Pumpspeicherung. dass fossile und nukleare Kraftwerke möglichst gleich- Biasutti winkt ab: «Ich bin feuriger Befürworter einer mässig durchlaufen können.» Durch die Ausgleichs- korrekten Argumentation.» funktion der Pumpspeicherung seien Wirkungsgrad und Die Kritik an der Pump- Abgaswerte dieser Kraftwerke am besten. Es sei unsin- speicherung sei nicht nig, Kohle- oder Atomkraftwerke dem schwankenden falsch – aber sie greife zu Strombedarf anzupassen, sie je nach dem herunter- kurz. Einer, der in Biasuttis oder hochzufahren oder gar an- und abzustellen. «Das Augen zu kurz denkt, ist wäre unwirtschaftlich und würde die Emissionen erhö- Heini Glauser. Der Energie- hen», argumentiert Biasutti. Dann wäre ein Kohlekraft- experte und ehemalige werk im Grimselstausee das zutreffende Bild für diese SES-Vizepräsident ist einer Partnerschaft? Biasutti wehrt sich nicht: «Ein Pump- der profundesten Kenner speicherkraftwerk passt eigentlich sehr gut zu einem der Pumpspeicherung. Sei- grossen Kohlekraftwerk.» Spitzenstrom aus Pumpspei- ne Kritik ist knallhart: «Die cherung liefere genau jene Regelenergie, die in Zeiten Pumpspeicherung verur- hoher Nachfrage schnell bereitgestellt werden müsse. sacht den umweltbelas- Schwerfällige Atom- oder Kohlekraftwerke könnten dies «Ein Pumpspeicherkraftwerk tendsten Strom», sagt er. nicht, flexible Pumpspeicherkraftwerke hingegen schon. passt eigentlich sehr gut zu einem Sie reduziere den ohnehin Auch das sei ein Plus, sagt Biasutti. «Müssten fossile grossen Kohlekraftwerk.» schlechten Wirkungsgrad Kraftwerke bei der Deckung des Spitzenbedarfs die von thermischen Gross- Funktion von Pumpspeicherkraftwerken übernehmen, kraftwerken und fördere wären die CO2-Emissionen viel höher.» Diese Einsparun- die Produktion von radioaktiven Abfällen in nuklearen gen müsse man auch bilanzieren. Nur hat das bis heute und CO2 in fossilen Kraftwerken irgendwo in Europa. noch niemand gemacht. Glauser hat den CO2-Gehalt des KWO-Stroms genau analysiert. Im Jahr 2003 haben die KWO 881 Millionen Goldesel Pumpspeicherung Kilowattstunden Strom zum täglichen Hochpumpen von Wasser aus dem Grimsel- in den Oberaarsee ver- Glausers Kritik an der Pumpspeicherung geht jedoch braucht. Dies verursachte eine Stromvernichtung von noch weiter. «Pumpspei- rund 180 Millionen kWh und einen CO2-Ausstoss von cherung ist zur Zeit pri- 324'000 Tonnen. Zum Vergleich: Mit 180 Millionen kWh mär ein Instrument zur können mehr als 40'000 Haushalte – z.B. alle Haushalte Gewinnmaximierung», des Kantons Schwyz – ein Jahr lang mit Strom versorgt sagt er. Das untermauert werden. Und 324'000 Tonnen CO2 entsprechen dem er mit handfesten Zah- jährlichen CO2-Ausstoss von 130'000 Personenwagen. len. Seit einigen Monaten Gemäss Glausers Berechnungen steckte 2003 in jeder zeigt die KWO auf ihrer Kilowattstunde Wasserkraft aus «Grimselstrom» durch- Internetseite die aktuel- schnittlich 140 Gramm CO2. Mit KWO-Plus wird dieser len Pegelstände der Spei- Wert auf über 200 Gramm ansteigen. Bestätigt wird die- cherseen Oberaar, Grim- se Grössenordnung durch eine Lebenszyklusanalyse der sel, Gelmer und Räte- Schweizer Pumpspeicherkraftwerke im Rahmen des Pro- richsboden 2. Hier lässt sich die Speicherseesitua- tion durch natürliche Zu- «Die Pumpspeicherung verursacht Pumpspeicherstrom: Fast 200 g CO2/kWh flüsse, Pump- und Turbi- den umweltbelastendsten Strom.» nierungsaktivitäten able- sen. Glauser hat diese Daten akribisch beobachtet und ausgewertet. Das Er- gebnis: Von Mitternacht bis 7 Uhr morgens wird täglich mit einer Leistung bis zu 360 Megawatt Wasser vom Grimselsee in den Oberaarsee hinaufgepumpt, sonntags Ausgewählte Ergebnisse der Ökobilanz für Strom aus Schweizer Pumpspeicherkraft- 2 ww.grimselstrom.ch/unternehmung/anlagen/seen_staumauern/ werken (Bolliger & Bauer 2004). seefullstande/seen 6 ENERGIE & UMWELT 4/04
In Europa wird derzeit massiv in Pumpspei- kWh). Mit diesem Strom werden 7 Millionen m3 Wasser cherkraftwerke investiert. 2003 wurden rund vom Grimselsee in den Oberaarsee hochgepumpt. Über 11 Milliarden Kilowattstunden Strom durch die Mittage der folgenden Woche produziert man daraus Pumpverluste vernichtet. 6,4 Millionen kWh Strom und verkauft ihn für 7 Rappen weiter. Der satte Gewinn innerhalb weniger Tage beträgt 288'000 Franken. Das grosse Geld wird heute nicht mehr mit der Wasser- sogar durchgehend und konstant. An Samstagen wech- speicherung für das Winterhalbjahr gemacht, wo die seln Pumpen und Turbinieren je nach Strompreis. Der Preise lange über jenen des Sommerhalbjahres lagen. Oberaarsee mit einem Fassungsvermögen von rund 55 Die saisonale Preisdifferenz ist durch den massiven Zu- Millionen Kubikmetern wurde so im Jahr 2003 insge- bau von 70'000 Megawatt Gaskraftwerk-Leistung (20- samt fünfzehnmal vollgepumpt und entleert. mal die AKW-Leistung der Schweiz) im europäischen Diese Pumpspeicherungsaktivitäten hat Glauser genau Raum zusammengeschrumpft. Die grossen Gewinnmar- mit dem Spotmarktpreis an der Leipziger Stromhandels- gen liegen heute in den Strompreisdifferenzen zwischen börse European Energy Exchange (EEX) verglichen. Es Tag und Nacht sowie Werktagen und Wochenenden. zeigt sich folgende Logik: Wenn der Spotmarktpreis un- Dieses Gewinnspiel haben natürlich auch andere ent- ter 4 Rp./kWh liegt, wird regelmässig und mit konstanter deckt. In Europa wird derzeit massiv in Pumpspeicher- Leistung Wasser hochgepumpt. Wenn der Preis über 4 kraftwerke investiert. 2003 wurden rund 11 Milliarden Rappen pro kWh liegt, wird das Wasser turbiniert und Kilowattstunden Strom durch Pumpverluste vernichtet. verstromt. Die KWO bezieht also billigen Überschuss- Das entspricht 60% der gesamten Windstromproduk- strom aus dem europäischen Stromverbund und vergol- tion in Deutschland. KWO-Chef Biasutti wird sich ange- det ihn in Zeiten hoher Nachfrage mit der Produktion von sichts wachsender Konkurrenz, Abbau von Überkapa- Spitzenstrom. Ein Goldesel wie im Märchen der Gebrüder zitäten und steigender Preise für Bandstrom wohl auf Grimm: Am Sonntag kaufen BKW/KWO acht Millionen Gewinnmargen einstellen müssen, die wegschmelzen kWh Strom für 160'000 Franken ein (durchschnittlich 2 Rp./ wie die Gletscher im Grimselgebiet. 5 Mio. Tonnen CO2 im Schweizer Strom Steigender CO2-Gehalt im Stromverbrauchsmix Energiepolitiker/innen brüsten sich mit der «CO2-freien Schweizer CO2-Gehalt schweizerischer Stromverbrauchsmix Stromproduktion» als klimapolitische Heldentat. Auf den Strom aus (inländische Produktion+Importe) Pumpspeicherkraftwerken trifft dies jedenfalls nicht zu. Was Energie- politikerInnen gerne unter den Tisch fallen lassen: Der Strom, der aus Schweizer Steckdosen fliesst, ist keineswegs CO2-frei. Der Grund liegt in den massiven Exporten von sauberem Wasserkraftstrom über die Schweizer Grenzen und den ebenso massiven Importen von euro- päischem Strom aus fossilen und nuklearen Grosskraftwerken. Eine Studie des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal)3 hat untersucht, wie viel CO2 im Strom steckt, der in der Schweiz ver- braucht wird. Das Ergebnis: Zwischen 1990 und 1998 stieg der CO2- Gehalt von 4,153 Millionen Tonnen auf 5,187 Millionen Tonnen. Das Quelle: Graue Treibhausgasemissionen des Energie und Ernährungssektors in ergibt einen CO2-Gehalt von 100 Gramm pro verbrauchter Kilowatt- der Schweiz 1990 – 1998; Umweltmaterialien Nr. 128, Klima, Buwal, 2000; stunde Strom. Die CO2-Emissionen des Schweizerischen Verbrauchs- 2003: Schätzung des Autors. mixes (Stand 1998) entsprechen somit den CO2-Emissionen der ge- samten Industrie in der Schweiz oder den doppelten CO2-Emissionen des gesamten Lastwagen- und Busverkehrs (Stand 2002)! Die CO2- Stromhandel: Stromabsatz explodiert Belastung des aus Schweizer Steckdosen fliessenden Stroms dürfte Entwicklung Stromabsatz in Milliarden Kilowattstunden sich – entgegen allen Klimaschutzbeteuerungen – weiter erhöht ha- (Verbrauch Schweiz 2003: 55,1 Mia. kWh) ben: Erstens hat sich der Verbrauch der Speicherpumpen seit 1998 auf nahezu 3 Milliarden Kilowattstunden verdoppelt. Zweitens ist der Stromhandel von Schweizer Firmen zwischen 1998–2003 geradezu explodiert: Alleine die Aare-Tessin AG für Elektrizität Atel (+500%), die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg EGL (+500%) und die Berni- schen Kraftwerke BKW (+400%) steigerten ihren Stromabsatz von 52 Milliarden Kilowattstunden auf sage und schreibe 249 Milliarden Kilo- wattstunden im Jahr 2003. Das ist der Gesamtstromverbrauch der Schweiz mal vier. 3 Graue Treibhausgasemissionen des Energie- und Ernährungssektors in der Schweiz 1990–1998; Umweltmaterialien Nr. 128, Klima, Buwal, 2000 Quelle: Geschäftsberichte. 4/04 ENERGIE & UMWELT 7
Wasserkraft, Gewässerschutz und Restwassermengen Wasserkraftlobby will tiefere Restwassermengen Obwohl – oder gerade weil – das Gesetz erst zu greifen beginnt, machen die politischen Vertreter der Wasserkraftlobby mächtig Druck auf den Gewässerschutz. Hinter der vordergründig klimapoliti- schen Argumentation verbirgt sich Eigeninteresse. Die Wasserkraftlobby fordert tiefere Restwas- sermengen und will die Sanierungsbestimmungen für (Fliess-)Gewässer abschwächen. nutzung tangiert sind. Hinzu kommen viele weitere menschliche Eingriffe, welche die öko- logische Qualität unserer Flüsse und Bäche stark beeinträchtigen. Das BWG schätzt, dass die schweizerischen Fliessgewässer auf einer Länge von über 12'000 Kilometern revitalisiert werden müssten.1 Das will auch das Schweizer Volk: Um unsere Gewässer zu schützen und ihren Zustand nachhaltig zu verbessern, hat das Schweizer Stimmvolk 1992 mit grosser Mehr- heit das revidierte Gewässerschutzgesetz mit minimalen Restwassermengen gutgeheissen. «Akuter Notstand» beim Vollzug Foto: Andreas Knutti des Gewässerschutzgesetzes Hat sich seit Annahme des Gewässerschutzge- Verbaut und trockengelegt – Rund 60 Prozent des Schweizer Stroms stammt aus Wasserkraft. setzes die Situation der (Fliess-)Gewässer verbes- sert? Andreas Knutti, Projektleiter Gewässer- schutz beim WWF Schweiz, spricht Klartext: «Es Wasserkraft ist die bedeutendste er- hat sich seither nicht wirklich viel verbessert. Das Gewäs- neuerbare Energie der Schweiz. Rund serschutzgesetz im Bereich Restwasser ist noch nicht um- 60 Prozent des Schweizer Stroms gesetzt.» Zwar gebe es Kantone, die Massnahmen zur stammt aus Wasserkraftwerken. Heute Verbesserung der Gewässer realisiert haben. Doch es ge- gibt es rund 500 grössere (mehr als be auch schwarze Schafe wie der Kanton Wallis. Auch 300 KW Leistung) und rund 1100 klei- der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) spricht klare nere Wasserkraftwerke sowie beinahe Worte zur heutigen Situation: «In den Bergkantonen sind 200 Stauseen. Die derart intensive die meisten Flüsse und Bäche zu Rinnsalen verkommen.» Von Rafael Brand, Nutzung der Wasserkraft hat – zum Und zum Beispiel Wallis: «Dort weisen von 200 Wasser- Redaktor «Energie & Umwelt» Teil massive – Auswirkungen auf Ge- entnahmen nur deren 5 überhaupt eine Restwassermen- wässer, Landschaft und auf die Tiere ge auf.» Der Fischerei-Verband sprach in einer Medien- im und ums Wasser. Denn durch Rück- mitteilung vom Oktober 2003 von einem «akuten Not- stau und Ableitungen von Flüssen und durch die Spei- stand» beim Vollzug des Gewässerschutzgesetzes. Er for- cherung des Regen- und Schmelzwassers hat sich der dert die zuständigen Behörden dringend auf, gegen die natürliche Wasserhaushalt markant verändert. «Anfang «Laisser-faire»-Politik der Kantone einzuschreiten. Die Si- der 1990er-Jahre waren rund 80 Prozent der Fliessge- tuation der Fliessgewässer unterstreicht der SFV mit ein- wässer unterhalb von Wasserentnahmen zur Wasser- drücklichen Zahlen zur einheimischen Fischpopulation: kraftnutzung das ganze Jahr oder ein Teil des Jahres «Von den ursprünglich einheimischen 53 Fischarten sind trockengelegt», erklärt Remy Estoppey vom Dienst Rest- bereits 8 Arten ausgestorben, 4 vom Aussterben bedroht wasser beim BUWAL. Das Bundesamt für Wasser und und 30 Arten sind stark bis potenziell gefährdet.» Geologie (BWG) spricht von 4000 bis 5000 Kilometern Fliessgewässer (7% Prozent)1, die durch die Wasserkraft- «Es dauert noch Jahrzehnte, bis das Leben in alle Gewässer zurückkehrt.» 1 Berücksichtigt sind nur Kraftwerke mit mehr als 300 kW Leistung! Unklar ist auch, in- wieweit die Beeinflussung der Fliessgewässer durch Schwall und Sunk berücksichtigt «Bei neuen Kraftwerken und Neukonzessionierung wird ist. Nicht berücksichtigt sind Beeinträchtigungen von Kraftwerken kleiner als 300 kW Leistung. Nicht berücksichtigt sind zudem indirekte Auswirkungen der Wasserkraft- das Gewässerschutzgesetz heute umgesetzt. Seit 1992 nutzung (z.B. das Fehlen von Fischarten in vielen Gewässerstrecken aufgrund von sind entsprechend dem Volkswillen ungefähr 60 Fliess- Wanderungshindernissen). Auskunft Remy Estoppey, Dienst Restwasser BUWAL. gewässer saniert worden», erklärt Restwasser-Experte 8 ENERGIE & UMWELT 4/04
Remy Estoppey vom BUWAL. «Dort fliessen jetzt ange- Das Gewässerschutzgesetz (GSchG) messene Restwassermengen, und die Situation hat sich Das Gesetz soll unsere Gewässer als natürliche Lebensräume für Fische, Tie- verbessert.» Anders sieht es bei bestehenden Wasser- re und Pflanzen sowie als vielfältige Landschaften und als Erholungsraum für kraftwerken aus, deren Konzessionen noch jahrzehnte- die Menschen erhalten. Das Gesetz ist ein gutschweizerischer Kompromiss lang gültig sind. Diese müssen grundsätzlich nur Sa- zwischen Gewässerschutz und den Interessen der Stromproduzenten. Die nierungsmassnahmen realisieren, die den Kraftwerkin- Kantone haben den Auftrag, das Gesetz zu vollziehen. habern wirtschaftlich zumutbar sind (siehe nebenan). • Die im Gesetz festgelegten Restwassermengen (Art. 31–33) gelten für Remy Estoppey dazu: «Die Frist für die Umsetzung der a) neue Wasserentnahmen und b) bei Konzessionserneuerungen. Die Kanto- Sanierungsmassnahmen bei Kraftwerken mit laufenden ne können die Restwassermengen in begründeten Ausnahmefällen auch tie- Konzessionen dauert bis Ende 2012. Ein vollständiger fer ansetzen (Art. 32). • Für Wasserkraftwerke mit bestehender Konzession gelten Sanierungsbe- Überblick über bisher durchgeführte Sanierungen ist stimmungen (Art. 80 GSchG). In der Regel sind solche Konzessionen 80 Jah- daher nicht möglich. In vielen Kantonen sind die ent- re gültig. Es werden deshalb noch Jahrzehnte verstreichen, bis für alle Was- sprechenden Arbeiten im Gang, und mehrere Kantone serkraftwerke die neuen Restwassermengen gelten. haben bereits Sanierungen verfügt und umgesetzt.» • Bei Wasserkraftwerken mit laufender Konzession müssen grundsätzlich le- Doch er muss zugestehen: «Es wird noch Jahrzehnte diglich die ökologischen Bedingungen verbessert werden, soweit dies für die dauern, bis alle Konzessionen erneuert sind und dem- Kraftwerkinhaber wirtschaftlich tragbar ist (Art. 80, Abs. 1). Die Wasser- entsprechend das Leben in alle Gewässer zurückkehrt.» kraftwerkinhaber erhalten dafür keine Entschädigung. • Gehören Gewässer zu Lebensräumen nationaler oder kantonaler Inventare Massiver Druck auf Restwassermengen oder besteht ein anderes überwiegendes Interesse, so können weitere Sanie- rungsmassnahmen und höhere Restwassermengen verlangt werden. Die Unter dem Deckmantel von Umweltschutz und Klima- Kraftwerkinhaber werden hierfür entschädigt (Art. 80 Abs. 2). politik erfolgt derzeit massiver Druck auf die Restwas- • Für den Vollzug der Sanierungsbestimmungen sind die Kantone zuständig. sermengen und die Sanierungsbestimmungen des Ge- Die Sanierungsmassnahmen müssen bis Ende 2012 abgeschlossen sein. wässerschutzes. Am 7. Oktober 2004 hiess der Natio- nalrat eine Motion von Christian Speck (SVP) gut, die «naturmade star!» garantiert angemessene tiefere Restwassermengen verlangt. Gleichzeitig lehnte Restwassermengen der Nationalrat Vorstösse zum Schutz gefährdeter Fast alle Schweizer Wasserkraftwerke können Wildtiere und zur Renaturierung von Skipisten ab. – auch ohne ökologische Sanierungsmassnah- (Dies zur politischen Stimmung im Land...). Speck ist men – das Label «naturemade basic» erhalten. eng mit der Strombranche verbandelt. Er sitzt unter Jedoch nur Wasserkraft mit dem Gütesiegel «naturemade star!» ist wirklich anderem im Verwaltungsrat der Stromriesen Axpo und Ökostrom und genügt den Anforderungen des Gewässer-, Natur- und Land- NOK sowie der Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt. schaftschutzes. Nur ein kleiner Prozentsatz der Wasserkraftwerke und der Schon im März 2003 wollte der Walliser CVP-Stände- Fliessgewässer ist diesen Richtlinien entsprechend saniert. rat Simon Epiney mit einer parlamentarischen Initiative (BUWAL-Magazin Umwelt, Nr. 3/2001) die geltenden Mindestrestwassermengen kurzum zu Maximalwerten umdefinieren, zusätzlich strebte er ei- ne markante Abschwächung der Sanierungsbestim- dass versucht wird, die Sanierungsbestimmungen für mungen an. Epiney ist Präsident der Walliser Sektion (Fliess-)Gewässer markant abzuschwächen, da es diese «Aqua Nostra», die sich als Gegengewicht zu den Um- bis 2012 von den Kantonen umzusetzen gilt. weltorganisationen Pro Natura und WWF versteht. Er Der Bundesrat hält derzeit (noch?) an den minimalen gilt als politischer Kämpfer der an Wasserkraft reichen Restwassermengen fest: «Die Mindestrestwassermengen Bergkantone, und auch er steht als Verwaltungsrat der stellen gewissermassen das Existenzminimum für die Sierre-Energie SA der Strombranche nahe. Wasserlebewelt dar. Bei einer weiteren Verringerung die- Epineys Initiative gelangte den politischen Spielregeln ser Mindestrestwassermengen könnten die meisten der entsprechend in die zuständige Kommission für Umwelt, betroffenen Gewässer ihre biologische Gewässerfunktion Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S). nicht mehr erfüllen.» Auch das zuständige BUWAL Die fast durchwegs ebenfalls mit der Strombranche ver- spricht Klartext: «Die in letzter Zeit vor allem aus Kreisen bandelte UREK-S erarbeitete einen Gegenvorschlag, der Elektrizitätswirtschaft geäusserte Forderung, die Rest- worauf Epiney seine Initiative zurückzog. Die UREK-S wasserregelung aus klimapoitischen Gründen aufzuhe- fordert in ihrer Kommissionsinitiative nun unmissver- ben oder abzuschwächen, gründet auf falschen Prämis- ständlich eine «Flexibilisierung der Ausnahmen für Rest- sen. [..] Die Restwassermengen sind heute so geregelt, wassermengen» und «Massnahmen zur Verbesserung dass die ökologische Funktion der Gewässer gerade noch der wirtschaftlichen Nutzung der Wasserkraft». Bis Reda- gewährleistet werden kann. Noch weniger Wasser durch ktionsschluss war leider inhaltlich nichts Näheres zum die betroffenen Bäche und Flüsse fliessen zu lassen, wäre Gegenvorschlag der UREK-S zu erfahren. Die Forderun- fatal. Der gewässerökologische Verlust stünde in keinem gen der UREK-S legen aber nahe, dass es nicht eigentlich Verhältnis zur Verminderung der CO2-Emissionen.»3 um klimapolitische Anliegen (CO2-Einsparungen), son- dern um die Interessen der Wasserkraftwerkinhaber, um 1 Aquaterra, 1/2003, Kundenzeitschrift des Bundesamtes für Wasser und Geologie. eine Ausweitung der Stromproduktion aus Wasserkraft 2 Antwort des Bundesrates vom 16.6.03 auf die Interpellation von Franziska Teuscher und damit verbunden ums saftige Geschäft mit dem Ex- «Erfüllen die Restwassermengen ihren Zweck?» port von Wasserkraftstrom geht. Nahe liegend ist auch, 3 BUWAL-Magazin Umwelt, Nr. 3/2004, S. 13. 4/04 ENERGIE & UMWELT 9
Revitalisierung stillgelegter Kleinwasserkraftwerke Das vergessene Potenzial der Kleinwasser- kraftwerke Im Kleinwasserkraftwerksbereich besteht in der Schweiz ein ungenutztes Potential. In den ver- gangenen Jahrzehnten wurden Hunderte Kleinwasserkraftwerke stillgelegt. Die Stiftung revita, ein Kompetenzzentrum des Ökozentrums Langenbruck, führt u. a. Revitalisierungsmassnahmen von Kleinwasserkraftwerken durch. Eine weitere Aktivität von revita sind Energieoptimierungs- analysen von Wasserversorgungen in Gemeinden. Nicht selten ergibt sich aus diesen Analysen die Möglichkeit, neue Kleinstwasserkraftanlagen zu installieren, so genannte Trinkwasserkraft- werke. Im vorletzten Jahrhundert wurden In- max. 300 kW, so genannte Kleinstwasserkraftwerke. Da- dustrie und Gewerbe in der Schweiz bei geht es um die Ausnützung des Energiepotenzials durch Tausende von Kleinwasserkraft- aus bestehenden, jedoch nicht mehr benützten Infra- werken versorgt. Noch 1914 waren in strukturen. In enger Zusammenarbeit mit Anlagebesit- den Wasserrechtsregistern der Schweiz zern werden diese KWKWs wieder funktionstüchtig ge- rund 7'000 Anlagen bis 10 Megawatt macht. Nicht selten handelt es sich um Projekte von his- Leistung registriert. Kleinwasserkraft- torischem Wert, wie zum Beispiel die am Altbach lie- werke waren in der Schweiz früher al- gende Mühle in Wittnau, welche früher für die Von Bernhard Piller, so noch in grosser Anzahl vorhanden. Mehlproduktion genutzt wurde und seit einigen Jahren Mitglied SES-Geschäftsleitung 1985 produzierten hingegen nur noch stillsteht. Es sind schätzungsweise noch 500 Anlagen im zirka 1'000 dieser Kraftwerke Strom, Bereich von Mühlen, Sägereien und Spinnereien vor- wovon 700 Anlagen im Kleinstbereich handen und in einem Zustand, der eine Revitalisierung mit einer Leistung bis 300 kW. Das 20. Jahrhundert war erlaubt. Gemäss Angaben von Herrn Peter Spescha, ver- im Stromsektor durch ein Kleinwasserkraftsterben ge- antwortlich für Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung re- prägt. Mit dem flächendeckenden Ausbau des Strom- vita, ist im Durchschnitt mit Investitionen von CHF netzes, der Monopolisierung der Strommärkte, mit billi- 5'000.– pro kW Leistung zu rechnen. Der volkswirt- ger fossiler Energie und dem Glauben an die zentrale schaftliche Nutzen solcher Anlagen liegt bei ca. 5 Rap- Stromproduktion mittels AKWs und anderen Grosskraft- pen pro kW Leistung. In vielen Fällen lassen diese Klein- werken, wurden die Bedingungen zunehmend widriger. wasserkraftwerke eine Ökostromzertifizierung mit dem Die dezentral produzierte Energie, aus Anlagen mit ei- Label «naturemade star» zu. So wurden zum Beispiel die ner Generatorenleistung unter zehn Megawatt, galt Wespi-Mühle, Winterthur, und KWKW Hard AG in Win- lange Zeit als nicht lohnenswert, unrentabel und als et- terthur durch die Stiftung revita zertifiziert. Und: jede was aus einer vergangenen Zeit. Erst 1990, mit der Ein- kWh aus Laufwasserkraftwerken erspart dem europä- führung des Energieartikels und in der Folge davon mit ischen Strommix rund 0,4 Kilogramm CO2. dem Programm «Energie 2000» konnte der Schrump- fungsprozess gestoppt werden. Im Zeitraum 1985–1997 Energiesparpotenzial in unseren wurde immerhin ein Produktionswachstum von 9% im Wasserversorgungen Kleinwasserkraftbereich registriert.1 Heute ist aber wiederum eine Stagnation zu konstatieren. Immer noch Die Stiftung revita führt auch energetische Grob- und sind jährlich Stilllegungen von Kleinwasserkraftwerken Feinanalysen von Wasserversorgungen für Gemeinden festzustellen. Manch ein Erweiterungs- und Optimie- durch. Die Grobanalyse gibt mit einem kleinen Investi- rungspotenzial liegt brach, und die meisten potenziellen tionsaufwand einen Überblick über die energetische Revitalisierungsprojekte bleiben unausgeführt. Situation der Wasserversorgung einer Gemeinde. Die Feinanalyse hingegen zeigt im Detail die realisierbaren Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken Massnahmen zur Energieoptimierung auf und weist deren Wirtschaftlichkeit aus. Daneben zeigt eine Fein- Die Stiftung revita revitalisiert ausser Betrieb gesetzte analyse auch das vorhandene Potenzial der Quell- bzw. Kleinwasserkraftwerke bis zu einer Nennleistung von Trinkwasserturbinierung. Technisch stellt eine solche 1 Studie «Zuwachs 1985 bis 1997». 2 Hierbei sind sowohl Kleinwasserkraftwerke wie auch grosse Flusslaufwasserkraftwerke gemeint. Nicht aber Pumpspeicherkraftwerke, welche in keinem Fall CO2-neutral sind, vgl. Artikel zur Pumpspeicherung von Armin Braunwalder in diesem Heft. 10 ENERGIE & UMWELT 4/04
Von der Stiftung revita renaturiertes Kleinwasserkaftwerk Wespi-Mühle, Winterthur, Wülflingen – «Naturmade star!»-zertifiziert. Turbinierung in den meisten Fällen kein Problem dar. Weitere Infos Auf diese Weise kann sekundär gleich noch die Pro- duktion aus erneuerbaren Energien gefördert werden. revita Energetische Feinanalysen in 10 Wasserversorgungen Die im Jahr 2000 gegründete Stiftung revita, mit Sitz in Langen- haben ein Einsparungspotenzial beim Energieverbrauch bruck, ist ein Kompetenzzentrum, das sich ganz der nachhal- von 20%–50% ergeben. Besteht die Möglichkeit der tigen Nutzung des Wassers verschrieben hat. Die Stiftung will Stromproduktion, steigt das Sparpotenzial auf durch die Revitalisierung stillgelegter Kleinwasserkraftwerke erneuerbare Energie produzieren. Mit der Analysierung von 50%–100%. Wasserversorgungen wird deren Energie- und Wasserver- brauch vermindert und zugleich Ökostrom produziert. Die Stif- Obersiggenthal und Welschenrohr tung revita ist auch an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt. Weitere Informationen unter: www.revita.ch Eine Grobanalyse der Wasserversorgung der Gemeinde Obersiggenthal ergab ein Einsparpotenzial von 25% des ADEV Strombedarfs. Die Massnahmen lassen sich in der Regel Die ADEV Wasserkraftwerk AG betreibt heute drei Kleinwas- ohne grosse Investitionen umsetzen. Sie betreffen z.B. serkraftwerke. Ein Werk (350 kW) an der Birs in Laufen (350 die Reduktion der Wassermenge in öffentlichen Brun- kW), eins an der Sihl in Langnau am Albis (150 kW) und das nen oder einen Massnahmenkatalog zum baulichen und grösste und neuste am Emmekanal in Luterbach (820 kW). Alle Kraftwerke zusammen produzieren jährlich zirka 7'500 infrastrukturellen Einsparpotenzial im Bereich Heizung MWh elektrische Energie. Die ADEV Wasserkraftwerk AG ist und Entfeuchtung. Empfohlen wird auch der gezielte interessiert, weitere Kleinwasserkraftwerke zu erneuern oder Einsatz der Pumpen in Niedertarifzeiten, eine optimier- bestehende Kleinwasserkraftwerke zu übernehmen. Die ADEV te Abstimmung der Leitungsgrösse und eine Anpassung Wasserkraftwerk AG ist eine Tochtergesellschaft der ADEV der Wasserreserve. Die Feinanalyse der Wasserversor- Energiegenossenschaft. Die ADEV befasst sich seit 1985 mit gung in der solothurnischen Gemeinde Welschenrohr dem Bau und dem Betrieb von dezentralen umweltverträg- ergab ein Einsparpotenzial beim Energieverbrauch von lichen Energieanlagen. Weitere Infos unter: www.adev.ch 16'400 kWh pro Jahr, was einem Einsparpotenzial von mehr als einem Drittel der aktuellen Energiekosten ent- spricht. Als weitere Massnahme wurde der Gemeinde Definition Kleinwasserkraftwerke: Welschenrohr empfohlen, das hohe Energiepotenzial zur Trinkwasserturbinierung zu nutzen. Das Potenzial Als Kleinwasserkraft gelten Laufwasserkraftwerke bis zu einer der Turbinierungsstandorte übersteigt den Energiever- Leistung von 10 MW installierter Leistung. Als Kleinstwasser- brauch der Wasserversorgung Welschenroh um das kraftwerke gelten Anlagen mit einer Leistung bis zu 300 kW. Sechsfache. Der überschüssige Strom kann ins Netz ein- Folgende hydraulische Energiequellen kommen in Frage: gespiesen und als Ökostrom verkauft werden. • Flüsse, Bäche Gut die Hälfte des Zuwachses im Bereich der Kleinwas- • Quellen serkraftwerke geht heute auf das Konto von neuen Trink- • Wasserversorgungsnetze wasserkraftwerken. In diesem Bereich schlummert noch • Abwasser, Brauchwasser- und Entwässerungssysteme einiges an Potenzial. Auch im Bereich des Abwassers • Wehr-Dotierwasseranlagen schlummern noch viele ungenutzte Kilowattstunden. 4/04 ENERGIE & UMWELT 11
Eindrucksvolle Kundgebung Kein Atommüll im Zürcher Weinland! Die Menschen im Zürcher Weinland wollen keinen Atommüll unter ihrem Boden. Dies zeigten fast 2'000 KundgebungsteilnehmerInnen auf eindrucksvolle und kreative Weise am 12. September 2004 an einer Manifestation von «Klar! Schweiz» auf dem ehemaligen (Bohr-)Platz, an dem die Nationale Genossenschaft für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen (Nagra) 1998/1999 Sondierbohrungen durchführte. Von Bernhard Piller, 2003, als Volk und Stände den Aus- aus Schaffhausen und die Zürcherin Mitglied SES-Geschäftsleitung stieg aus der Atomenergienutzung Barbara Marty Kälin. Eindrücklich höher ablehnten, als in allen vorher- war die Rede des Eurosolar- gehenden Abstimmungen seit den präsidenten und Bundestagsabge- Gegen 2'000 DemonstrantInnen 1970er-Jahren. Es war zu sehen, dass ordneten Hermann Scheer. Einmal nahmen am 12. September 2004 an die Anti-AKW-Bewegung noch da mehr zeigte er die Probleme der der Kundgebung von «Klar! Schweiz» ist. Dies ist auch anhand der Tausen- Nutzung der Atomenergie und be- gegen das geplante Atommülllager den von Unterschriften für die Euro- legte mit Zahlenvergleichen, wie in Benken im Zürcher Weinland teil. päische Petition für einen Atomaus- einfach der Ersatz der Atomenergie Sie kamen aus der näheren und wei- stieg festzustellen.1 durch erneuerbare Energie ist, wenn teren Umgebung. Die meisten aus nur der politische Willen endlich den Kantonen Zürich und Schaff- Die Sonne zeigte ihre Kraft vorhanden wäre. Vor, zwischen und hausen, aber auch aus grenznahen nach den Redeblöcken gab es Mu- deutschen Gebieten. Auch Atom- Der Sonntag begann regnerisch, sikeinlagen von der Djembégruppe gegnerInnen von «Contratom» aus schon fast herbstlich. Im Verlauf um Mark Egg und der Augarten Genf und sogar AktivistInnen aus des Mittags wurde es aber zuneh- Blues Band. Frankreich waren anwesend. Es war mend sonniger, die Regenschirme ein starkes Zeichen dafür, dass die und Goretexjacken verschwanden. Für Kantone keinerlei Nagra nach dem Nein am Wellen- Elf RednerInnen aus der Schweiz, Mitspracherecht mehr berg nun nicht einfach im Weinland aus Deutschland und aus Frankreich durchmarschieren kann. Zu viele sprachen an der Kundgebung und Dass ein beträchtlicher Teil der Fragen stehen bei diesem Projekt in begründeten ihre Ablehnung respek- KundgebungsteilnehmerInnen aus Benken noch offen. Es war der erste tive ihre Kritik an dem Endlager- den grenznahen deutschen Land- grössere Auftritt der Anti-AKW-Be- projekt der Nagra im Zürcher Wein- kreisen Waldshut-Tiengen und Kon- wegung nach der vernichtenden land. Unter anderem sprachen die stanz kamen, muss nicht allzu sehr Abstimmungsniederlage am 18. Mai NationalrätInnen Hans Rudolf Fehr verwundern, zumal radioaktive Fotos: Marianne Studerus «Klar! Schweiz»: 2000 Menschen demonstrierten gegen Atommüll im Zürcher Weinland. Bernhard Piller erläuterte die Forderungen der SES. 12 ENERGIE & UMWELT 4/04
Strahlung keine Grenzen kennt und dern muss korrekterweise auch Alterna- unseren deutschen NachbarInnen tivstandorte evaluieren. Die SES begrüsst RADIOAKTIV keinerlei Mitspracherecht zukommt. Im diese Forderung ausdrücklich. Ein Ent- Extremfall wird ihnen einfach ein Atom- sorgungsnachweis ist noch kein Stand- Jod-Tabletten für alle! mülllager vor die Türe gesetzt, und sie ortnachweis. Es wird Zeit, dass dies auch haben damit zu leben. Nicht viel besser die Nagra begreift. Die einseitige Fokus- Die AKW-Betreiber verteilen wieder geht es der Bevölkerung des Kantons sierung der Nagra auf den Standort Ben- Jod-Tabletten an alle Einwohner im Um- Zürich. Wenn das neue Kernenergie- ken ist inakzeptabel. Sie entspricht nicht kreis von 20 Kilometern um unsere fünf gesetz (KEG) am 1. Januar 2005 in Kraft dem vorgegebenen Weg – zuerst Entsor- «sicheren» AKW. Diese sollen die Bevöl- kerung beim Gau vor Krebs schützen. tritt, gibt es für die Kantone bei der gungsnachweis, dann Standortnachweis Atommüllfrage keinerlei Mitbestim- – und ist alles andere als vertrauensbil- mungsrecht mehr. Was die Nidwaldne- dend. Seit dem definitiven Nein der Nid- rInnen am Wellenberg noch verhindern waldnerInnen zu einem Atommülllager konnten, werden die Menschen aus Ben- im Wellenberg konzentriert sich die Nagra ken, Marthalen aber auch aus Winter- nämlich nicht nur bei den hochaktiven thur oder Zürich nicht mehr können. Die Abfällen, sondern auch bei den schwach- Kompetenz für einen Standortentscheid und mittelaktiven Abfällen ausschliesslich wird mit dem neuen KEG ausschliesslich auf den Standort Benken. Im Übrigen Dies ist kein Heilmittel, lesen Sie un- dem Bund zugeteilt. Die kantonalzürche- dürfen die unterschiedlichen potenziellen sere Verpackungsbeilage: rische Volksinitiative «Atomfragen vors Standortregionen nicht gegeneinander Volk» wurde so lange nicht bearbeitet, ausgespielt werden. Schon wurde Mitte • Die nukleare Wolke macht nicht bei 20 Kilometern Halt. Fliegt der Uralt- bis sie nun keine Wirkung mehr erzeugen November von der CVP-Fraktion im Aar- meiler Mühleberg in die Luft, wird kann und auch gar nicht mehr darüber gauer Grossen Rat eine Interpellation bei Westwind die gesamte Deutsch- abgestimmt werden muss. eingereicht, in der die Regierung ange- schweiz mit Fallout gesegnet! fragt wird, ob sie die Ansicht teile, dass ➤ wenn schon Tabletten, dann für Alle. Der Entsorgungs- ist kein für ein Endlager nicht auf den zweit- Standortnachweis oder drittbesten Standort ausgewichen • Tschernobyl hat in Finnland, werden dürfe. Für die SES ist klar: Dem Deutschland und Griechenland zu Ende September liess sich Bundesrat Faktor Sicherheit muss bei der Suche eines höheren Leukämieraten geführt. Leuenberger verlauten und sprach sich Lagerstandortes oberste Priorität einge- ➤ wenn schon Tabletten, dann auch für die Suche nach einem potenziellen räumt werden. fürs umliegende Ausland. Alternativstandort zu Benken aus. Die • Bei Tschernobyl mutiert der Weizen! Nagra darf sich nicht ausschliesslich auf 1 Download Unterschriftenbögen auf ➤ wenn schon Tabletten, dann auch den Standort Benken konzentrieren, son- www.energiestiftung.ch für Tiere und Pflanzen. • 70’000 Katastrophenhelfer von Tschernobyl sind invalid, 13’000 sind bereits gestorben. Die Position und die Forderungen der SES zur Atommülllagerung ➤ wenn schon Tabletten, dann solche für den schnellen Tod und gegen das Atomausstieg: Der gordische Knoten in der Atommülllagerfrage ist nur über einen geordneten langsame Verrecken. Rückzug aus der Atomenergie zu lösen. Es braucht zuerst eine Befristung der AKW-Betriebs- dauer, damit wird die Gesamtmenge der radioaktiven Abfälle festgelegt und begrenzt. Erst dann Zurück an den Absender mit diesen kann an die seriöse Standortsuche für ein Atommülllager gegangen werden. Und solange die alte id-jod-ischen Beruhigungs-Pillen ! Atomgarde von neuen AKW faselt, kann von einer Lösung der Atommülllagerfrage sowieso keine Rede sein, da auf diese Weise der strahlende Atommüllberg noch grösser zu werden droht. Die Eine-Million-Unterschriften- Neubauphantasien der Atomlobby gehören begraben. Kampagne: Aktiv werden! Lagerung im Inland: Die SES fordert die Atommülllagerung im Inland. Dem von den AKW-Be- Anlässlich des Tschernobyl-Gedenktags treibern ins Auge gefassten Export von Atommüll nach Russland muss politisch von vornherein am 26. April 2004 starteten Organisatio- ein Riegel geschoben werden. Wir haben ihn produziert, also müssen wir ihn auch hier entsorgen. nen aus ganz Europa die Unterschriften- aktion «Eine Million Europäer verlangen Standortauswahlverfahren: Es braucht ein transparentes und demokratisches Standortaus- den Ausstieg aus der Atomenergie». wahlverfahren. Unterschriften werden noch bis April Die kontrollierte und rückholbare Lagerung: Die SES fordert ein Lager nach dem Konzept der 2005 gesammelt. Die Petition will einen kontrollierten und rückholbaren Langzeitlagerung. Ein geologisches Lager muss so konstruiert Baustopp für Atomkraftwerke und ver- sein, dass es dauerhaft und umfassend überwacht werden kann und die radioaktiven Abfälle langt von den EU-Staaten, so schnell nötigenfalls zurückgeholt werden können. wie möglich aus der Atomenergie aus- zusteigen. Stattdessen wird ein umfas- Second Team: Die Untersuchungen der Nagra müssen von mindestens einer zweiten, unab- sendes Investitionsprogramm für Ener- hängigen ExpertInnengruppe, einem «second team», mit allen dazu erforderlichen, erdwissen- gieeffizienz und erneuerbare Energien schaftlichen Mitteln nachvollzogen werden können. Erst wenn das «second team» zum gleichen gefordert. Zu unterschreiben ist die Peti- Ergebnis gelangt, könnten die geologischen Untersuchungen der Nagra an einem potenziellen tion unter www.atomstop.com/1million/ Standort als gesichert anerkannt werden. 4/04 ENERGIE & UMWELT 13
Michael Kaufmann, neuer Leiter EnergieSchweiz, Vizedirektor Bundesamt für Energie «Glaube nicht, dass die Wirtschaft derart klar für den Klimarappen ist» BFE-Vizedirektor Michael Kaufmann war zu Gast an der dritten SES-Beiratssitzung, um auf- zuzeigen, wohin EnergieSchweiz steuert. «Energie & Umwelt» konnte mit dem neuen Leiter von EnergieSchweiz vorab über Prioritäten, Budgetkürzung, CO2-Abgabe und Klimarappen sowie die Erreichbarkeit der energiepolitischen Ziele sprechen. Zur Person Der 50-jährige Berner Michael Kaufmann ist seit dem 15. August 2004 neuer Vize- direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) und Leiter des Aktionsprogramms Energie- Schweiz. Michael Kaufmann studierte Agronomie an der ETH Zürich, war danach Se- kretär der SP Kanton Bern sowie Stadt Bern und Chefredaktor der sozialdemokrati- schen Tageszeitung «Tagwacht». Als Berater, Publizist und Politiker (seit 1992 im Berner Grossen Rat) wirkte er in den Bereichen Umwelt-/Agrarpolitik und befasste sich mit Boden-, Raumplanungs-, Energie- und Wirtschaftsfragen. Während der letz- ten vier Jahre arbeitete er als externer Berater für EnergieSchweiz. «Wir gehen mit Energie viel zu verschwenderisch um. Das meine ich nicht nur in Bezug auf die Umweltschäden, sondern auch auf unsere ökonomische Ausgangslage.» senken. Zudem braucht es weitere E&U: Gleiche Ziele, weniger Geld: Massnahmen, wie beispielsweise ei- Wo liegen zukünftig die Schwer- ne Verbesserung und Verschärfung punkte von EnergieSchweiz? der Energieetikette für Fahrzeuge und ab 2008 bis 2010 auch die Ein- Kaufmann: «EnergieSchweiz geht ab führung eines Bonus/Malus-Sys- 2006 in die zweite Halbzeit. Wir tems, welches die KäuferInnen von wollen unseren klima- und energie- energieeffizienten Fahrzeugen di- Interview von Rafael Brand, politischen Auftrag weiter konkreti- rekt belohnt. Hinzu kommt die För- Redaktor «Energie & Umwelt» sieren – und vor allem erreichen! derung nicht-fossiler Treibstoffe Wir müssen aber angesichts der und die Gründung der neuen Budgetkürzung Prioritäten setzen Partneragentur «Ecocar». E&U: Welches ist Ihre persönliche Mo- und die finanziellen Mittel konzen- • Unsere dritte Priorität liegt bei tivation, sich für Energieeffizienz und trierter einsetzen. In Zukunft setzen den erneuerbaren Energien, die ja erneuerbare Energie einzusetzen? wir unsere Prioritäten auf die vier gerade angesichts der steigenden Bereiche Gebäude, Verkehr/Mobilität, Erdölpreise zusehends ins Zentrum Michael Kaufmann: «Die Energiefra- erneuerbare Energien und Energie- rücken. Hier liegt ein Riesenpotenzial ge ist eine entscheidende Frage. Ich effizienz: – vielleicht nicht gleich heute oder bin der Auffassung, dass wir mit • Im Gebäudebereich wollen wir morgen, aber in den nächsten 20 Energie viel zu verschwenderisch vor allem bei Erneuerungen und Sa- bis 30 Jahren. Wir haben aber heu- umgehen. Das meine ich nicht nur nierungen Schwerpunkte setzen. te schon erneuerbare Energien wie in Bezug auf die Umweltschäden, Dort liegt das grösste Sparpotenzial. Holz, Biogas, Umgebungswärme sondern auch auf unsere ökonomi- Bei Neubauten ist schon vieles er- oder Wind, die rasch an Bedeutung sche Ausgangslage. Fossile Energien reicht worden. gewinnen, andere werden später si- werden in Zukunft sehr viel teurer • Im Bereich Verkehr/Mobilität cherlich wichtig. Und sicher wollen werden. Es ist deshalb eine logische werden wir uns noch stärker auf wir die Wasserkraft halten oder Konsequenz, dass wir effizienter, in- energieeffiziente Mobilität konzen- leicht ausbauen. telligenter und weniger verschwen- trieren, d.h. es gilt den Durchschnitts- • Den vierten Schwerpunkt setzen derisch mit Energie umgehen.» verbrauch der Fahrzeuge weiter zu wir bei der Energieeffizienz: Dazu 14 ENERGIE & UMWELT 4/04
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