Energieversorgung - Kommunen in NRW

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Energieversorgung - Kommunen in NRW
Stgerat_5_09_titel                                           24.04.2009   12:30 Uhr   Seite 1

                                                                                                            63. JAHRGANG • MAI

                                                                                                                                 05
                                                                                                                                 2009

                                                                  HERAUSGEBER STÄDTE- UND GEMEINDEBUND NORDRHEIN-WESTFALEN
 StGB NRW · Kaiserswerther Str. 199-201 · 40474 Düsseldorf
                               G 20 167
 PVSt · Deutsche Post AG · „Entgelt bezahlt“ ·

                                                                                                            Energieversorgung
                                                                                                            Vergaberecht
                                                                                                            Tourismus
Energieversorgung - Kommunen in NRW
Energieversorgung - Kommunen in NRW
Stgerat_5_09_Inhalt   24.04.2009      12:34 Uhr   Seite 3

                                                                                         EDITORIAL

               Die Fachzeitschrift für Kommunal- und
               Landespolitik in Nordrhein-Westfalen

               Die hohen Energiepreise im Sommer 2008
               haben uns vor Augen geführt: Erdöl- und Erdgasquellen
               sprudeln nicht ewig. Immer mehr Staaten wollen einen
               größeren Anteil davon abhaben, und die Vorräte sind
               begrenzt. Wenn ein Energieträger knapp wird, steigen die
               Preise auch für die anderen - etwa die Kohle. Das sind die
               Wirkungen des Marktes. Und wenn ein Gut erst einmal
               knapp ist, tun Spekulanten ein Übriges, um die Preise in     Energie für ihre eigenen Einrichtungen wie auch für die
               die Höhe zu treiben.                                         Bewohner. Viele Anforderungen gilt es da unter einen
               Dennoch können wir auf ständig verfügbare Energie -          Hut zu bringen: notorisch steigende Energiekosten,
               gleich ob Strom, Gas oder Benzin - nicht verzichten. Unser   Knappheit der Mittel für Investitionen, verschärfte
               Lebensstil, unser Alltag ist darauf gegründet. Selbst das    gesetzliche Anforderungen und nicht zuletzt die
               Internet, das mittels intelligenter Bestellmasken die eine   Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Wer will sich
               oder andere Besorgung erspart, funktioniert nur, wenn        schon vorwerfen lassen, den Klimawandel mit all seinen
               unser Computer Strom hat, das Telefonsystem Strom hat,       negativen Folgen wissentlich zu beschleunigen?
               der Knotenrechner Strom hat.                                 Allerorts schlägt die Stunde der erneuerbaren Energien.
               Zu Recht machen sich Bürger und Bürgerinnen verstärkt        Aufgrund ihres großen Bedarfs für Schulen,
               Gedanken über die Energieversorgung. Der liberalisierte      Verwaltungsgebäude und Sportstätten haben die
               Markt - die Möglichkeit, unkompliziert den                   Kommunen eine starke Position bei der Energie-Wende.
               Stromanbieter zu wechseln - hat das Problem nicht            Dabei gilt es auch die Bürger und Bürgerinnen
               entschärft. Im Gegenteil: die Menschen sind                  einzubeziehen. Dezentral gewonnene erneuerbare
               kostenbewusster und stellen höhere Anforderungen an          Energie braucht Abnehmer vor Ort. Hier gilt es die
               den örtlichen Energieversorger. Das „freundliche             Menschen zu überzeugen, dass „kleine Anlagen“ nicht
               Stadtwerk von nebenan“ zu sein, reicht für den               zwangsläufig „unsichere Anlagen“ sind. Die
               Geschäftserfolg nicht mehr aus.                              Energieversorgung der Zukunft wird manches haben
               Städte und Gemeinden müssen sich daher intensiv mit          von einem Flickenteppich. Aber sie wird flexibler sein,
               der Energieversorgung beschäftigen. Dabei geht es um         Abhängigkeit verringern und das Klima weit weniger
                                                                            belasten als unsere derzeitige großtechnische
                                                                            Infrastruktur.

                                                                            Dr. Bernd Jürgen Schneider
                                                                            Hauptgeschäftsführer StGB NRW

                                                                                                STÄDTE- UND GEMEINDERAT      5/2009   3
Energieversorgung - Kommunen in NRW
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                  BÜCHER UND MEDIEN / INHALT

                              Die Daseinsvorsorge
                              im Spannungsverhältnis
                              von europäischem
                              Wettbewerb und
                                                                                  Inhalt                           63. Jahrgang
                                                                                                                   Mai 2009

                               Gemeinwohl                                         Bücher und Medien
                                                                                  Nachrichten
                                                                                                                                   4
                                                                                                                                   5
                                Eine sektorspezifische Betrachtung, hrsg. v.
                                Andreas Krautscheid, NRW-Minister für Bun-
                                                                                  Thema Energieversorgung
                                desangelegenheiten, Europa und Medien, un-
                                                                                  Dieter Emthaus
                                ter Mitarb. von Eberhard Waiz u. Dr. Claudia
                                                                                  Rekommunalisierung örtlicher Stromnetze am
                                 Münch, 14,6 x 20,8 cm, 455 S., 1. Aufl., 2009,
                                                                                  Beispiel von acht Städten im Kreis Coesfeld      6
                                 34,90 Euro, VS Verlag für Sozialwissenschaf-
      ten, ISBN 3-531-16686-5
                                                                                  Rainer Strotmeier
                                                                                  Rekommunalisierung der Energieversorgung
      Abfall, Gas, Strom,Wasser oder Verkehr: Immer mehr europäische              in Bestwig, Meschede und Olsberg                  7
      Vorschriften regeln den Bereich der Daseinsvorsorge. Der Um-
      gang mit dem europäischen Binnenmarkt- und Wettbewerbs-                     Guido Wallraven, Christian Voigt
      recht stellt die Städte, Gemeinden und Kreise, die sich in Deutsch-         Die Gemeinde Saerbeck als Gewinnerin des
      land überwiegend um die Grundversorgung der Bürgerinnen und                 Wettbewerbs „NRW-Klimakommune“ 2009              8
      Bürger kümmern, vor große Herausforderungen. Was soll Europa
      regeln, was nicht? Der Sammelband mit 19 Fachbeiträgen gibt ei-             Silke Schlegelmilch
      ne Einführung in den europäischen Diskurs zu den Dienstleistun-             Der Wettbewerb „NRW-Klimakommune“                10
      gen von allgemeinem Interesse, analysiert die einzelnen Sekto-
      ren und erläutert, inwieweit sie durch das Gemeinschaftsrecht               Thomas Reisz
      betroffen sind. Außerdem wird die Organisation der Daseinsvor-              Beratung von Kommunen durch die
      sorge in ausgewählten anderen Mitgliedstaaten der Europäi-                  EnergieAgentur.NRW                               12
      schen Union dargestellt. Auch die Entstehung des kommunal-
      wirtschaftlichen Engagements wird in einem kurzen historischen              Fabio Longo
      Abriss geschildert.                                                         Bebauungspläne als Instrument zur Förderung
                                                                                  örtlicher Energieversorgung                      14

                                                                                  Annette Brandt-Schwabedissen
                                                                                  Aktuelle Entwicklungen beim
      Frankreich am Rhein                                                         Konzessionsvertragsrecht                         16

      Die Spuren der Franzosenzeit im Wes-                                        Markus Moraing
      ten Deutschlands, hrsg. v. Kerstin Theis                                    Das Prinzip der Ortsbindung im
      u. Jürgen Wilhelm, 17 x 24 cm, 304 S.,                                      liberalisierten Energiemarkt                     21
      90 farb. Abb., Leinen mit Schutz-
      umschl., Veröff. des LVR, 32 Euro, ISBN                                     Gottfried Hiesinger
      3-7743-0409-3                                                               Neue Regeln für die Steuerung von Stromnetzen    23

                                                                                  Norbert Portz
      Fast 20 Jahre - von 1794 bis 1813 -                                         Die Novelle des Kartellvergaberechts aus
      war das Land links des Rheins fran-                                         kommunaler Sicht                                 25
      zösisch besetzt und zeitweilig Teil
      des französischen Staates. Insofern hat die „Franzosenzeit“ das             Dokumentation: Thesen des StGB NRW zur
      Rheinland in seiner Kultur und Mentalität, aber auch in seiner po-          Tourismusentwicklung                             27
      litischen Entwicklung nachhaltig geprägt. Der Sammelband ruft
      in 13 kürzeren Aufsätzen den Verlauf dieser Epoche ins Gedächt-             Offener Brief an die gewählten Abgeordneten in
      nis und zeichnet die Auswirkungen auf spätere Jahrzehnte nach.              Regional- und Kommunalparlamenten                28
      Das Themenspektrum reicht vom Karneval über Werbung bis hin
      zu Wirtschaft und Recht. Vieles, was man zu kennen glaubte, wird            Europa-News                                      29
      historisch präzise bestätigt. Andere Vorstellungen, etwa zur Her-           Gericht in Kürze                                 29
      kunft bestimmter französischer Lehnwörter, werden als Legende
      entlarvt. Trotz seiner wissenschaftlichen Fundierung bietet der             Titelfoto: BMU / Brigitte Hiss
      Band kurzweilige Lektüre.

      4   STÄDTE- UND GEMEINDERAT        5/2009
Energieversorgung - Kommunen in NRW
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                                                                                                NACHRICHTEN

      Städtebauförderung auf                                                 und Besucherinnen um 2,2 Prozent und die Zahl der Übernachtun-
                                                                             gen um 2,8 Prozent. Auch im Ausland konnte Nordrhein-Westfalen
      Redkordniveau                                                          2008 weiter punkten. Bei den nichtdeutschen Gästen lag sowohl
      Mit 261 Mio. Euro ist die Städtebauförderung in diesem Jahr so         die Zahl der Ankünfte mit 3,6 Mio. als auch die der Übernachtun-
      hoch wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Dies gab der neue NRW-         gen mit 8,1 Mio. weit über dem Vorjahresergebnis. Im deutschland-
      Bau- und Verkehrsminister Lutz Lienenkämper bei der Vorstellung        weiten Vergleich liegt Nordrhein-Westfalen bei den Gästeankünf-
      des Städtebau-Investitionsprogramms bekannt. Im Vorjahr waren          ten damit weiterhin auf dem zweiten Rang nach Bayern.
      es noch 218 Mio. Euro. Lienenkämper sieht die Aufstockung des
      Städtebauprogramms als Beitrag zur Stützung der Konjunktur. Ins-
      gesamt würden 301 Vorhaben in 172 Städten, Gemeinden und Krei-         Leitfaden für Kommunen zur
      sen unterstützt. Damit erhalte nahezu jede zweite Kommune in
      NRW in diesem Jahr Fördermittel für die Stadtentwicklung. Die
                                                                             Breitband-Förderung
      Gelder fließen vor allem in den Ausbau der Innenstädte, die Sanie-     Das nordrhein-westfälische Umweltministerium hat einen Leitfa-
      rung unattraktiver Stadtteile sowie in Projekte des Strukturpro-       den erarbeitet, um Kommunen die Grundlagen für eine mögliche
      gramms Regionale.                                                      Breitband-Förderung zu erläutern und Fragen zum Förderverfah-
                                                                             ren zu beantworten.Wie das Umweltministerium mitteilt, enthält
                                                                             der Leitfaden alle Informationen und technischen Hinweise rund
      Fahrräder auf Gehwegen und Plätzen                                     um das Verfahren zur Förderung sowie Musterschreiben, die den
                                                                             Kommunen helfen sollen, Angebote von Netzbetreibern einzuho-
      grundsätzlich erlaubt                                                  len und die Anträge auf Förderung einfacher und schneller auszu-
      Kommunen dürfen abgestellte Fahrräder nicht aus optischen              füllen.„Auch der ländliche Raum muss flächendeckend mit einem
      Gründen entfernen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Lüne-            leistungsfähigen Breitband-Netz ausgestattet werden, alleine in
      burg in einem Beschluss entschieden und damit ein Urteil des Ver-      diesem Jahr stellen wir rund 2,2 Mio. Euro an Fördermitteln zur Ver-
      waltungsgerichts Göttingen bestätigt. Nur ein behinderndes oder        fügung“, sagte NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg.
      belästigendes Parken könne den Abtransport rechtfertigen. In dem
      verhandelten Fall hatte sich ein Fahrradbesitzer dagegen zur Wehr
      gesetzt, dass die Stadt Göttingen sein vor dem Bahnhof abgestell-      Neue „Landmarke“ am Nordwestrand
      tes Rad entfernt und ihm die dabei entstandenen Kosten berech-
      net hatte. Das Gericht entschied jedoch, dass das Abstellen nicht
                                                                             des Ruhrgebiets
      rechtswidrig gewesen sei, weil das Fahrrad niemanden belästigt         Die Metropole Ruhr bekommt eine weitere Landmarke. Ab dem
      oder behindert habe.                                                   Kulturhauptstadtjahr 2010 soll eine Zitadelle die Halde Lohberg-
                                                                             Nord/Erweiterung zwischen der Stadt Dinslaken und der Gemein-
                                                                             de Hünxe krönen. Geplant ist eine aus Gabionen - mit Steinen ge-
      Erneut weniger Import und Export von                                   füllte Drahtkörbe - gebaute beleuchtete Zitadelle. Die Halde wird
                                                                             in den kommenden Jahren weiter aufgeschüttet. Die Gestaltung
      Abfällen                                                               der Halde soll dabei mit möglichen Nutzungen und den Anforde-
      Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr erneut weniger Ab-         rungen des Umfelds wie etwa dem Freizeitgebiet Tenderingsseen
      fälle importiert oder exportiert. Insgesamt wurden etwa 1,72 Mio.      sowie den Siedlungen Lohberg und Bruckhausen zusammen ge-
      Tonnen Abfälle eingeführt.Wie NRW-Umweltminister Eckhard Uh-           plant werden. Für das Projekt arbeiten die RUHR.2010 GmbH, die
      lenberg mitteilte, seien dies vier Prozent weniger als im Jahr 2007.   Kommunen Hünxe und Dinslaken, der Regionalverband Ruhr
      Die Menge der ins Ausland ausgeführten Abfälle nahm sogar um           (RVR), die Ruhrkohle AG und die RVG GmbH zusammen.
      36 Prozent auf gut 327.000 Tonnen ab. Bezüglich gefährlicher Ab-
      fälle dominierten sowohl bei den Versand- als auch bei den Emp-
      fängerstaaten die Niederlande und Belgien. Dies sei mit dem Prin-      Stärkung des Radverkehrs auf
      zip der Nähe vereinbar, erklärte der NRW-Umweltminister. Ein
      Transport in oder aus Staaten außerhalb Europas sei unverändert
                                                                             deutschen Straßen
      verschwindend gering, und gefährliche Abfälle würden in diese          Der Bundesrat hat sich für eine Stärkung des Radverkehrs einge-
      Staaten überhaupt nicht ausgeführt.                                    setzt und eine Novelle der Straßenverkehrsordnung beschlossen,
                                                                             die zum 1. September 2009 in Kraft treten soll. Wichtigste Neue-
                                                                             rung ist nach Ansicht des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs,
      Glänzendes Jahr für den                                                dass nicht mehr bevorzugt Radwege angelegt werden sollen, son-
                                                                             dern der Radfahrstreifen auf der Fahrbahn dem Radweg gleichge-
      NRW-Tourismus                                                          stellt werden soll. Ob der Radverkehr auf der Fahrbahn, auf einem
      Zum fünften Mal in Folge hat der Tourismus in Nordrhein-Westfa-        Radfahrstreifen oder auf einem Radweg geführt wird, kann dann
      len ein Rekordergebnis erzielt. Wie NRW-Wirtschaftministerin           je nach örtlicher Situation entschieden werden. Außerdem soll die
      Christa Thoben mitteilte, besuchten im vergangenen Jahr insge-         bestehende Radwegebenutzungspflicht auf ein sinnvolles Maß
      samt 17,7 Mio. Gäste die Beherbergungsbetriebe und Camping-            beschränkt werden und die Ampeln auf Fahrbahnen sollen auch
      plätze im Land. Dabei wurden 41,5 Mio. Übernachtungen gezählt.         für Radfahrer gelten. Fußgängerampeln müssen dann nicht mehr
      Gegenüber dem Vorjahr 2007 stieg damit die Anzahl der Besucher         beachtet werden.

                                                                                                        STÄDTE- UND GEMEINDERAT       5/2009   5
Energieversorgung - Kommunen in NRW
Stgerat_innen_neu    24.04.2009    12:42 Uhr       Seite 6

                THEMA ENERGIEVERSORGUNG

                                                                                                                          Acht Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld

                                                                                              FOTO: BMU / BERND MÜLLER
                                                                                                                         wollen die Energieversorgung in Eigenregie
                                                                                                                         betreiben und dafür die Stromnetze übernehmen

                                                                                                                         Doch so einfach, wie das Vorhaben auf den
                                                                                                                         ersten Blick aussieht, ist es nicht. Schließlich
                                                                                                                         haben die acht Städte und Gemeinden im
                                                                                                                         Kreis Coesfeld unterschiedliche Größen und
                                                                                                                         unterschiedliche Einwohnerzahlen. Dies
                                                                                                                         führt wiederum zu unterschiedlich großen
                                                                                                                         Versorgungsnetzen, die auch noch ein un-
                                                                                                                         terschiedliches Alter und somit auch einen
                                                                                                                         unterschiedlichen technischen Zustand
                                                                                                                         aufweisen.

                                                                                                                         ÖRTLICHE NETZE VERPACHTET

                                                                                                                         So einigten sich die acht Städte und Ge-
                                                                                                                         meinden auf das so genannte Pachtmodell.
                                                                                                                         Jede Gemeinde gründet in einem ersten
                                                                                                                         Schritt eine zu 100 Prozent von ihr be-
                                                                                                                         herrschte Netz GmbH (Eigengesellschaft).
                                                                                                                         Alle acht Netz GmbHs gründen wiederum
                                                                                                                         eine gemeinsame Netzbetriebsgesellschaft
                                                                                                                         in Form einer GmbH & Co. KG, die „Münster-
                                                                                                                         land Netzbetriebsgesellschaft GmbH & Co.
                                                                                                                         KG“: Die gemeindeeigenen Netz GmbHs
                                                                                                                         sind dort als Kommanditisten beteiligt. Per-

      Versorgungsnetze                                                                                                   sönlich haftende Komplementärgesell-
                                                                                                                         schaft ist eine GmbH.
                                                                                                                         Die stadt- oder gemeindeeigenen Netz

      zurück an Kommunen                                                                                                 GmbHs bewerben sich vor dem Hinter-
                                                                                                                         grund, dass die erteilten Konzessionen an
                                                                                                                         die bisherigen Energieversorger in enger
                                                                                                                         zeitlicher Abfolge auslaufen oder schon
      Acht Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld wollen eine                                                            ausgelaufen sind, um die Übertragung der
                                                                                                                         jeweiligen Konzessionen nach § 46 Energie-
      Betriebsgesellschaft gründen, um gemeinsam die Strom- und                                                          wirtschaftsgesetz. Für die Vergabe der Kon-
      Gasnetze zu betreiben, und rechnen mittelfristig mit Gewinn                                                        zession, welche die jeweilige Stadt oder Ge-

                                                                                                                          Stromzähler im Kreis Coesfeld sollen künftig
                    DER AUTOR                        schaft zu beteiligen, eine Patt-Situation.
                                                                                                                         wieder direkt für die Kommunen laufen
                                                     Somit kam kein positiver Beschluss zu-
                    Dieter Emthaus ist               stande.
                    Bürgermeister der                Umso enger arbeiten aber die verbleiben-
                    Gemeinde Ascheberg               den acht Städte und Gemeinden zusam-
                                                     men, um das gemeinsame Ziel, die Energie-
                                                     netze in den Stadt- und Gemeindegebieten
                                                     gemeinsam zu betreiben, zu erreichen. Es

      U     rsprünglich waren es neun der insge-     sind dies Ascheberg, Billerbeck, Havixbeck,
                                                                                                                                                                            FOTO STADTWERKE MENDEN GMBH

            samt elf Städte und Gemeinden im         Lüdinghausen, Nordkirchen, Olfen, Rosen-
      Kreis Coesfeld, die mit einer gemeinsamen      dahl und Senden. Sie haben sich auf den
      Gesellschaft die Strom- und Gasnetze in        Weg gemacht, die Strom- und Gasnetze
      ihrem Gemeindegebiet betreiben wollen.         von den bisherigen Energieversorgern,
      Von den elf Kommunen im Kreis Coesfeld         nämlich RWE und Gelsenwasser AG zu
      haben zwei seit langem eigene Stadtwer-        übernehmen und in einer eigenen Gesell-
      ke. In einer Gemeinde gab es bei der ent-      schaft mit den Arbeitstitel „Münsterland
      scheidenden Ratssitzung, in der es darum       Netzbetriebsgesellschaft mbH & Co. KG“ zu
      ging, sich an der gemeinsamen Gesell-          betreiben.

      6   STÄDTE- UND GEMEINDERAT    5/2009
Energieversorgung - Kommunen in NRW
Stgerat_innen_neu                                                    24.04.2009   12:42 Uhr   Seite 7

                                  Bestwig, Meschede und Olsberg planen gemeinsam

                                                                                                                       FOTO: HOCHSAUERLANDWASSER GMBH
                                   FOTO: STADTWERKE LIPPSTADT GMBH

                                   Die Stadtwerke Lippstadt GmbH (links) und die Hochsauerlandwasser GmbH werden jeweils zur Hälfte Anteilseigner der zu gründenden
                                  HochsauerlandEnergie GmbH

                                  W      as vor wenigen Jahren beim
                                         Trinkwasser bereits bestens
                                  funktionierte, soll nun auch bei Strom
                                                                                                               DER AUTOR
                                                                                                                Rainer Strotmeier ist
                                                                                                                                                          Region mit positiven Effekten unter an-
                                                                                                                                                          derem für das Steueraufkommen, die
                                                                                                                                                          örtliche Partnerschaft mit Handwerk
                                  und - später - Gas gelingen. Im Hochsau-                                      Erster Beigeordneter                      und Mittelstand und Ähnliches,
                                  erland wollen die drei benachbarten                                           und Kämmerer der                        • Optimierung des Aufkommens an Kon-
                                  Kommunen Bestwig, Meschede und                                                Stadt Lippstadt                           zessionsabgaben,
                                  Olsberg ihre Energieversorgung rekom-                                                                                 • Nutzung des steuerlichen Querverbun-
                                  munalisieren, also in die eigene Hand                         munale Bindung als 100-prozentige                         des mit dem defizitären Bereich der Bä-
                                  nehmen. Zum Ende 2009 läuft dort der                          Tochtergesellschaft der Stadt und - vor                   der,
                                  mit RWE - ursprünglich VEW - geschlos-                        allem - die Geschäftspolitik möglichst                  • kommunaler Einfluss auf die Festset-
                                  sene Stromkonzessionsvertrag aus. Die                         niedriger Tarife.                                         zung der Tarife,
                                  zuständigen Räte beschlossen dazu im                                                                                  • stärkerer Einsatz regenerativer Ener-
                                  März 2009 überwiegend einstimmig, ei-                         SPEZIELLE STÄRKEN EINBRINGEN                              gien aus der Region und bürgerschaftli-
                                  ne neue Gesellschaft - die Hochsauer-                                                                                   che Beteiligung an der Energiegewin-
                                  landEnergie GmbH - zu gründen. An die-                        Beide Gesellschafter werden ihre spe-                     nung (beispielsweise Bürger-Solarkraft-
                                  ser sind die Hochsauerlandwasser                              ziellen Stärken zugunsten der gemein-                     werk).
                                  GmbH - eine 100-prozentige Tochterge-                         samen Aufgabe in die Gesellschaft ein-
                                  sellschaft der drei Kommunen - und die                        bringen - die vorhandene Infrastruktur,                 Sollte das ambitionierte Vorhaben gelin-
                                  Stadtwerke Lippstadt GmbH jeweils zur                         das bestehende Know-how, das dual                       gen,wäre es ein Beispiel für eine fruchtba-
                                  Hälfte beteiligt.                                             ausgebildete Personal, die enge Verbin-                 re interkommunale Kooperation auch
                                  Aufgabe dieser neuen Gesellschaft wird                        dung zum Kunden und die hohe örtliche                   über Kreisgrenzen hinweg und ein weite-
                                  sein, die Stromnetze zu übernehmen                            Akzeptanz in der Kommunalpolitik, beim                  rer Erfolg bei der Rekommunalisierung
                                  und vorab in den Vertrieb einzusteigen,                       Kunden und bei der gewerblichen Wirt-                   von Aufgaben der Daseinsvorsorge - zu-
                                  also Kunden mit Strom zu versorgen. Für                       schaft. Die Kommunalpolitik verspricht                  gunsten der betroffenen Städte und Ge-
                                  die Kooperation mit Lippstadt sind fol-                       sich von der Rekommunalisierung der                     meinden und ihrer Bürger. Diese Strategie
                                  gende Gründe maßgeblich: deren Erfah-                         Stromversorgung insbesondere folgen-                    heißt auch die Kommunalaufsicht gut,
                                  rung mit dem Erwerb eines Stromnetzes                         de Vorteile:                                            denn die Bezirksregierung Arnsberg hat
                                  in etwa gleicher Größe vor 14 Jahren, das                                                                             ihre Zustimmung zu diesem kommuna-
                                  Know-how im Aufbau einer neuen Be-                            • Konzentration der aus der Versorgung                  len „Joint Venture“ bereits im Vorfeld sig-
FOTO: STADTWERKE MENDEN GMBH

                                  triebssparte, die uneingeschränkte kom-                         resultierenden Wertschöpfung in der                   nalisiert.                               l

                               meinde vornimmt, ist kein bestimmtes                             das Strom- oder Gasnetz,steht ihr ein gesetz-            BETRIEB AUS EINER HAND
                               Ausschreibungsverfahren vorgeschrieben.                          licher Anspruch gegen den derzeitigen Net-
                               Jedoch ist die Erteilung der Konzession an                       zeigentümer auf Übertragung des Netzes zu.               Anschließend verpachtet jede stadt- oder
                               sachliche Kriterien gebunden und muss                            Natürlich hat sie dafür eine angemessene                 gemeindeeigene Netz GmbH das von ihr er-
                               diskriminierungsfrei entschieden werden.                         Vergütung zu zahlen,die mit dem bisherigen               worbene Netz an die gemeinsame Müns-
                               Erhält die Netz GmbH die Konzession für                          Eigentümer ausgehandelt werden muss.                     terland Netzbetriebsgesellschaft GmbH &

                                                                                                                                                              STÄDTE- UND GEMEINDERAT       5/2009    7
Energieversorgung - Kommunen in NRW
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                THEMA ENERGIEVERSORGUNG

      Co. KG. Ebenso bringen sie dort ihre Kon-

                                                                                                                                                           FOTO: ALOIS PLÜSTER
      zessionen ein. Der große Vorteil dieses
      Vorhabens ist, dass die acht Stromnetze
      oder acht Gasnetze wie ein einziges gro-
      ßes Netz aus einer Hand betrieben wer-
      den können. Das ist wirtschaftlich und
      bringt Synergieeffekte.
      Aber wie finanziert sich der Netzbetrieb?
      Die Münsterland Netzbetriebsgesell-
      schaft GmbH & Co. KG betreibt die an sie
      verpachteten Netze und erhält somit von
      den Netznutzern - den Energielieferanten
      - Netzentgelte. Die dadurch bei der Netz-
      betriebs GmbH & Co. KG erwirtschafteten
      Erträge sollen an die Kommanditisten -
      sprich: an die stadt- und gemeindeeige-
      nen Netz GmbHs - verteilt werden, um
      den Netzerwerb zu finanzieren. Hier einig-
      ten sich die acht Städte und Gemeinden
      auf einen Verteilungsschlüssel, der eine
      Kombination aus Fläche, Größe sowie Ein-
      wohnerzahl darstellt.
      Unter dem Strich bedeutet dies, dass für
                                                        In Saerbeck erfahren Jugendliche im Rahmen von Schulprojekten etwa der Bildungsstätte
      den Netzbetrieb Arbeitsplätze vor Ort ge-        CAJ-Werkstatt viel über die Nutzung von Sonnenenergie
      schaffen werden, Aufträge an Fremdfir-
      men vor Ort vergeben werden können und
      dass die mittelfristig erwirtschafteten Ge-
      winne vor Ort bleiben und nicht etwa
      Großkonzernen oder deren Aktionären zu-
                                                       Auf dem Weg in eine
      gute kommen.

      MAXIMALE KONZESSIONSABGABE
                                                       klimaneutrale Zukunft
      Neben diesen Erlösen ist die Münsterland
                                                       Als Siegerin im Wettbewerb „Klimakommune NRW“ hat sich
      Netzbetriebsgesellschaft mbH & Co. KG
      verpflichtet, die höchstmögliche Konzessi-       die Gemeinde Saerbeck vorgenommen, bis 2030 eine positive
      onsabgabe nach den Regelungen der Kon-
      zessionsabgabenverordnung zu zahlen.
                                                       Energiebilanz zugunsten regenerativer Energien zu erreichen
      Konzessionsabgabe ist das Entgelt des
      Netzbetreibers für die Benutzung der
      stadt- oder gemeindeeigenen Straßen und
      Wege, um dort Energieleitungen zu verle-
      gen und zu warten.
                                                       D     ie Gemeinde Saerbeck (Kreis Stein-
                                                             furt) ist im März 2009 gemeinsam mit
                                                       der Stadt Bocholt als Siegerkommune im
                                                                                                                          DIE AUTOREN
                                                                                                                          Dipl.-Ing. Guido Wallraven ist
                                                                                                                          freiberuflicher Stadtplaner im
      Langfristig betrachtet wollen die acht Städ-     landesweiten Wettbewerb „Klimakommu-
                                                                                                                          Büro Stadt•Land•Fluss Bonn
      te und Gemeinden aber noch enger zusam-          ne NRW“ prämiert worden. Damit ist der
                                                                                                                          Dipl.-Ing. Christian Voigt ist
      menrücken. So denken sie beispielsweise          Startschuss zur Umsetzung einer ambitio-
                                                                                                                          freiberuflicher Stadtplaner im
      darüber nach, weitere Aufgaben wie bei-          nierten Klimaschutz- und Klimaanpas-
                                                                                                                          Büro Stadt•Land•Fluss Berlin
      spielsweise Müllabfuhr, Bäder und Abwas-         sungsstrategie gegeben.
      serreinigung - oder auch Telekommunikati-        Die Gemeinde hat per Ratsbeschluss im Ju-
      ons-Dienstleistungen zu übernehmen.              li 2008 entschieden, die Energieversorgung           • Förderung, Entwicklung und Einsatz er-
      Der Spielraum des § 107 der Gemeindeord-         bis zum Jahr 2030 auf regenerative Ener-               neuerbarer Energien - etwa Photovoltaik
      nung für Nordrhein-Westfalen soll mittel-        gien und nachwachsende Rohstoffe umzu-                 mit sechs Bürgerkraftwerken auf kom-
      fristig ausgeschöpft werden. Die Verträge        stellen und damit einen nachhaltigen Bei-              munalen Dächern, Windkraftanlagen
      sind so gestaltet, dass jede Kommune für         trag zum Klimaschutz zu leisten. Dieser Be-            mit rund sieben Megawatt (MW) elek-
      sich entscheidet, an welcher dieser mögli-       schluss ist die logische Fortsetzung einer             trischer Leistung und Wasserkraftanla-
      chen Spartengesellschaften sie sich betei-       kommunalen Klimaschutzpolitik, die über                gen sowie Biogastechnologie
      ligen möchte. Für die Bündelung dieser           einen mehrjährigen Vorlauf in vielen klei-           • Übernahme strategischer Eigenverant-
      Aktivitäten wird zusätzlich eine Holding-        nen Schritten etabliert wurde, wie bei-                wortung in der kommunalen Energiever-
      gesellschaft gegründet.                   l      spielsweise:                                           sorgung durch Gründung der Saerbecker

      8   STÄDTE- UND GEMEINDERAT      5/2009
Energieversorgung - Kommunen in NRW
Stgerat_innen_neu    24.04.2009     12:42 Uhr       Seite 9

                                                                                                                                                       SCHAUBILD: STADT•LAND•FLUSS BERLIN/BONN
        Ver- und Entsorgung GmbH (SaerVE) so-                   Das Integrierte 
        wie durch Übernahme des Stromnetzes                    Klimaschutz- und
        für ein Teilgebiet der Gemeinde (Konzes-       Klimaanpassungskonzept
        sionsvertrag RWE)                                 der Gemeinde Saerbeck
      • kontinuierliche Umsetzung eines kom-           umfasst ein Netzwerk von
                                                                   Maßnahmen
        munalen Energiemanagements - bei-
        spielsweise energieeffiziente Gebäude-
        leittechnik in Schulen und Sporthallen
        sowie Thermografie-Service für private        genheit gewürdigt
        Bauherren                                     (2. Platz Solarbundes-
      • Maßnahmen zur Anpassung an die Fol-           liga NRW, Auditierung
        gen des Klimawandels - etwa hochwas-          zur European Energy
        serfreie Ortsmitte, Versickerung von Nie-     Award-Kommune).
        derschlagswasser bei allen Neubauge-          Das im Zuge des
        bieten seit 1990, Krisenmanagement für        NRW-Klimakommune-
        besondere Klima-Ereignisse (SAE)              wettbewerbs erarbei-
      • langjährige offensive Informations- und       tete Integrierte Klimaschutz- und Klima-    und öffentlichen Gebäude, Entwicklung
        umweltpädagogische Bildungsarbeit -           anpassungskonzept (IKKK) der Gemeinde       eines kommunalen Klimaschutz-Stan-
        zum Beispiel der Jugendbildungsstätte -       baut auf dieser kommunalen Initialkraft     dards für Neubauten, Aufbau einer Mar-
        CAJ-Werkstatt und in der Maximilian-          auf und zeigt konkret die Maßnahmen-        ketingzentrale, Intensivierung der Öffent-
        Kolbe-Gesamtschule                            schritte zu einer klimaneutralen Kommu-     lichkeitsarbeit, Aufbau eines Energie-Er-
      • frühzeitige Einbindung von Einrichtun-        ne auf. Dazu wurde ein Katalog mit etwa     lebnis Parks, begleitende Bürgerinforma-
        gen aus Wissenschaft und Forschung            150 Einzelmaßnahmen in sieben verschie-     tionen, Ausstellungen und vieles mehr.
        wie etwa durch die Biogaspotenzialstu-        denen Handlungsfeldern sowie drei Leit-
        die Saerbeck der FH Münster Fachbe-           projekten erarbeitet.                       LEUCHTTURMPROJEKTE DEFINIERT
        reich Energie•Gebäude•Umwelt                  Diese Maßnahmen sind das Grundgerüst
      • Vorreiterrolle der Gemeindeverwaltung         für die Umsetzung des IKKK im Zeitraum      Drei Leuchtturmprojekte bilden als „Erste
        mit dem vorhandenen, langfristig ge-          der Klimakommune-Förderung. Dazu zäh-       unter Gleichen“ wichtige Umsetzungs-
        wachsenen Know-how durch Projekte             len beispielsweise Aufbau einer kommu-      schwerpunkte:
        und verbindliche kommunale Zielset-           nalen Energieberatung, aktive Bildungs-
        zungen getragen durch Beschlüsse des          arbeit (Leben lernen mit der Sonne), Auf-   • Saerbecker Sonnenseite - Umrüstung
        Gemeinderates                                 bau eines Gesundheitsnetzwerks zur Be-        und Einsparung im Bestand (Leitprojekt
      • Einbindung des land- und forstwirt-           handlung der gesundheitlichen Folgewir-       1): Bei etwa 1.300 Gebäuden in der Ge-
        schaftlichen Potenzials der Gemeinde          kungen der Klimaveränderungen, diverse        meinde Saerbeck (Wohnen, Gewerbe,
        insbesondere zur Nutzung von Biomasse         Studien zur Klimafolgenabschätzung in         Landwirtschaft) werden umfangreiche
        und nachwachsenden Rohstoffen (85             der Kommune, Entwicklung neuer Pflan-         Potenziale hinsichtlich der Nutzung so-
        Prozent landwirtschaftliche Nutzfläche)       zenanbaustrategien für die Landwirt-
      • gezielte Ansiedlung bedeutender Ge-           schaft, Aufbau eines regionalen Biomas-      Wenn Saerbeck alle geplanten Maßnahmen
        werbe- und Industriebetriebe aus den          semanagements, Intensivierung der ener-     durchführt, kann die Gemeinde bis 2030
        Bereichen Umwelt- und Klimaschutz             getischen Optimierung der kommunalen        energieautark werden
        (EnviTec Biogas AG, SaerTex)
                                                                                                                                                 SCHAUBILD: STADT•LAND•FLUSS BERLIN/BONN
      DEUTLICH WENIGER CO2

      Die Erfolge sind messbar. Bis Ende 2007
      sind die von der Gemeinde zu verantwor-
      tenden CO2-Emissionen um 24,6 Prozent
      zurückgegangen. Mehr als die Hälfte des
      Strombedarfs der Gemeinde wird bereits
      aus erneuerbaren Energien gedeckt. Das
      kommunale Engagement wurde durch
      mehrere Auszeichnungen in der Vergan-

      Das Integrierte Klimaschutz und Klima-
      anpassungskonzept der Gemeinde Saerbeck
      ist im Internet zu finden unter
      http://www.saerbeck.de

                                                                                                     STÄDTE- UND GEMEINDERAT       5/2009    9
Energieversorgung - Kommunen in NRW
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                                                            THEMA ENERGIEVERSORGUNG

                                                                                           Der Wettbewerb „NRW-Klimakommune“
                                                                                           DIE AUTORIN                                                                                                                                       sungen entwickeln, wie sie künftig auf         tisch zu erproben. Nachdem sich nahezu
                                                                                                                                                                                                                                             steigende Temperaturen und zunehmen-           60 Kommunen aus dem ländlichen
                                                                                            Silke Schlegelmilch ist
                                                                                                                                                                                                                                             de Wetterextreme - Sturm, Hochwasser,          Raum beworben hatten, wurden im
                                                                                            Referentin im NRW-
                                                                                                                                                                                                                                             Hitze - reagieren können. In welchem Ma-       März 2009 die Siegerkommunen ge-
                                                                                            Ministerium für Umwelt
                                                                                                                                                                                                                                             ße nordrhein-westfälische Kommunen             kürt: die Stadt Bocholt und die Gemein-
                                                                                            und Naturschutz,
                                                                                                                                                                                                                                             heute bereits durch den Klimawandel un-        de Saerbeck. Die knapp 74.000 Einwoh-
                                                                                            Landwirtschaft und
                                                                                                                                                                                                                                             mittelbar betroffen sein können, haben         ner starke Stadt Bocholt steht beispiel-
                                                                                            Verbraucherschutz
                                                                                                                                                                                                                                             das Hochwasser in Dortmund im Jahre            haft für ein ländlich geprägtes Mittel-
                                                                                                                                                                                                                                             2008, der Zusammenbruch der Stromver-          zentrum, Saerbeck mit etwas mehr als
                                                                                                                                                                                                                                             sorgung im Westmünsterland im Jahr             7.000 Einwohnern für eine dörflich ge-

                                   V     iele Kommunen in Nordrhein-West-
                                         falen haben längst erkannt, dass ih-
                                   nen beim Klimaschutz eine bedeutende
                                                                                                                                                                                                                                             2005 und insbesondere der Sturm Kyrill
                                                                                                                                                                                                                                             im Jahre 2007 deutlich gezeigt.
                                                                                                                                                                                                                                                                                            prägte Gemeinde.
                                                                                                                                                                                                                                                                                            Beide Kommunen werden nun als Mo-
                                                                                                                                                                                                                                                                                            dellkommunen die Umsetzung des neu-
                                   Rolle zukommt. Die große Zahl guter Pro-                                                                                                                                                                  FAST 60 BEWERBER                               en Ansatzes der lokalen Klimapolitik de-
                                   jektbeispiele überall im Land dokumen-                                                                                                                                                                                                                   monstrieren. Für die Realisierung ihrer
                                   tiert diese erfreuliche Entwicklung. In Zu-                                                                                                                                                               Das NRW-Umweltministerium hat im               „Integrierten Klimaschutz- und Kli-
                                   kunft werden die kommunalen Aktivitä-                                                                                                                                                                     vergangenen Jahr den Wettbewerb „Ak-           maanpassungskonzepte“ erhalten sie
                                   ten zum Klimawandel allerdings über lo-                                                                                                                                                                   tion Klimaplus - NRW-Klimakommune              eine Förderung von zusammen mehr als
                                   kale Einzelmaßnahmen hinaus gehen                                                                                                                                                                         der Zukunft“ ins Leben gerufen, um so          drei Millionen Euro. Die in den Modell-
                                   müssen.                                                                                                                                                                                                   die Verknüpfung von Klimaschutz und            Projekten gesammelten Erfahrungen
                                   Es ist an der Zeit, dass in den Kommunen                                                                                                                                                                  Klimaanpassung in Kommunen prak-               sollen weitere Städte und Gemeinden in
                                   umfassende Handlungskonzepte zur Kli-                                                                                                                                                                                                                    Nordrhein-Westfalen zur Nachahmung
                                   mapolitik vor Ort erarbeitet werden. Be-                                                                                                                                                                                                                 inspirieren.
                                   nötigt werden Konzepte, die sowohl die                                                                                                                                                                                                                   Eine Verzahnung von Klimaschutz- und
                                   Aktivitäten zum Klimaschutz als auch                                                                                                                                                                                                                     Klimaanpassungsmaßnahmen in einem
                                   Maßnahmen zur Anpassung an den Kli-                                                                                                                                                                                                                      umfassenden Handlungskonzept geht
                                   mawandel einbeziehen.                                                                                                                                                                                                                                    über die üblichen meist sektoralen Lö-
                                   So wichtig es ist, die Minderung der Treib-                                                                                                                                                                                                              sungen hinaus und verlangt ein inte-
                                   hausgasemissionen durch die Förderung                                                                                                                                                                                                                    griertes Denken und Handeln. Hierbei
                                   der Energieeinsparung, der Energieeffi-                                                                                                                                                                                                                  ist nicht nur ein ressortübergreifendes
                                   zienz und der erneuerbaren Energien zu                                                                                                                                                                                                                   Handeln der Verwaltung gefordert, son-
                                   erreichen, so notwendig ist es gleichzei-                                                                                                                                                                  Die Gemeinde Saerbeck, eine Gewinnerin des   dern eine Zusammenarbeit aller rele-
                                   tig, dass die Städte und Gemeinden Lö-                                                                                                                                                                    Wettbewerbs „NRW-Klimakommune“                 vanten gesellschaftlichen Akteure. l

                                                                                                                                                                                                                                              larthermischer und photovoltaischer              BHKW ein Nahwärmenetz aufgebaut, an
                                                                                                                                                                                                  SCHAUBILD: STADT•LAND•FLUSS BERLIN/BONN

                                                                               Vereine / Bürger
                                                                                                                                                                                                                                              Anlagen sowie in der Umstellung der Pri-         das weitere Gebäude sukzessive ange-
                                                er

                                                                                                                                               Ge

                                                                             Bürger
                                            äg

                                                                                          Fremdenverkehrsverein
                                                                                                                                                                                                                                              märenergieversorgung auf nachwach-               schlossen werden. Energetisch wirksame
                                                                                                                                                  m
                                           tr

                                                                                                                                                    ei

                                                                                                    Ärzteschaft
                                      gs

                                                                                                                                                      nd
                                  un

                                                CAJ
                                                                                                                                                         e

                                                                             Kirchengemeinden                                       Bauamt
                                                                                                                                                                                                                                              sende Rohstoffe und durch Gebäude-               Einzelmaßnahmen werden sinnvoll ge-
                                                                                                                                                           Sa

                                                Bildungsstätte
                                 ld

                                                                                                        Vereine
                              Bi

                                                                                                                                                             er

                                                Kolping
                                                                                                                                                                be

  Beirat                                        Bildungswerk                                                                      Gemeinderat
                                                                                                                                                                                                                                              dämmung mobilisiert. Dies erfolgt auf            bündelt. An den einzelnen „Stationen“ ei-
                                                                                                                                                                  ck

                                    Kathol.
                                    Bildungswerk                                                   Bürger-
                                                                                       Marketing   meister                                   Gebäudemanagement
                                                                                                                                                                                                                                              der Grundlage einer umfangreichen Er-            nes innerörtlichen Energie-Erlebnis-Pfa-
                                                                                   -
                                                                                ts

                                      VHS Zweckverband
                                                                             i t ei
                                                                          be k
                                                                        ar lich

                                                                                                                                                                           Schulen/Kindergärten
                                                                                                             ..

                                                                                                                                                                                                                                              hebung mit lokalen Akteuren (Oberstu-            des - etwa Neubau Pfarrheim (Nullener-
                                                                          nt

                                                                                                               ..
                                                                  ffe

                                                                                                                  ..
                                                                                                                  ..
                                                               Ö

                                                                                                                    ..
                                                                                                                       .

                                                                                                                                                         Kindergärten
                                                                                                                         Projektsteuerung

                          Kreissparkasse                                          Energiemanagement
                                                                                                                          Bioenergiepark
      Weitere Partner

                                                           management

                                Steinfurt
                                                                                                                                                                                                                                              fenkurs Gesamtschule). Die Kopplung              giehaus), Neubau Kindergarten (Passiv-
                                                            Biomasse-

                                                                                    Klimakommune
                         Kreis Steinfurt                                                                                                               Maximilian-Kolbe
                                                                                                                                                         Gesamtschule
                                      SaerVER

                        Gemeinde Ferrières-F
                                                                                                                                                                                                                                              der Potenzialerhebung mit einer Ener-            haus), Umrüstung Sporthallen (Solarther-
                                                                                                                                                   St. Georg Grundschule
                        Gemeinde Rievastas-LT
                                                                                                                                                                                                                                              gie- und Förderberatung sowie ein ei-            mie), Umrüstung Heizversorgung auf Bio-
                                                                                                                       ng
                                                                   Fö

                                                                                                                    ru
                                                                        rd

                                                                                                                  ie
                                                                          er

                                                                                                               nz
                                                                             un

                                                                                                            na
                                                                               g

                                                                                                                                                                                                                                                                                               masse (Holzhackschnitzel BHKW) - wer-
                                                                                                          Fi

                                 Handwerk                                              Energieberatung
                                                                                                                                            FH Münster
                                                                                                                                            FB Energie.Gebäude.Umwelt                                                                         gens aufgelegtes Förderprogramm des
                                               EnviTec                                                                           FH Münster
                                            SaerTex                                                                              FB Dienstleistungs- und
                                                                                                                                                                                                                                              lokalen Geldinstituts sichern eine zielge-       den die unterschiedlichen Möglichkeiten
                        Ha

                                                                                                                                                                  en

                                                                                                      NLF                        Produktmarketing
                         nd

                                                                                                                                                                rt

                                                                                          Naturstoff- und

                                                                                                                                                                                                                                              richtete Umsetzung möglichst vieler              der Energieeinsparung von der Energie-
                             w

                                                                                                                                Stadt•Land•Fluss
                                                                                                                                                             pe

                                                 Gewerbe                          Dienstleistungszentrale
                              er

                                                                                                                                                           Ex

                                                                                          Forst und Land
                                 k

                                                                                                                       Architektenschaft
                                   /

                                                                                                                                                         e
                                                                                                                                                      rn
                                      Ge

                                                                                                                                                                                                                                              energetischer Sanierungsmaßnahmen.               gewinnung bis zum sinnvollen Energie-
                                                                                                                                                    te
                                           w

                                                                                   örtliche Landwirte
                                                                                                                                                 Ex
                                            er
                                               be

                                                                          Land- Forstwirtschaft                                                                                                                                             • Saerbecker Einsichten - Zukunftsenergien         einsatz für die Öffentlichkeit didaktisch
                                                                                                                                                                                                                                              transparent gemacht (Leitprojekt 2): Im          aufbereitet und transparent gemacht.
                          Als zentrale Koordinierungsstelle soll das                                                                                                                                                                         Zuge der Umrüstung der Heizzentrale des        • Saerbecker Stoffströme - Der Kreis
                         Energiemanagement Saerbeckplus alle Aktivitäten                                                                                                                                                                      Schulkomplexes auf nachwachsende                 schließt sich (Leitprojekt 3): Zentrales
                         und Akteure unter einer „Marke“ zusammenführen                                                                                                                                                                       Rohstoffe wird auf der Grundlage eines           Element ist die Mobilisierung maximaler

                         10            STÄDTE- UND GEMEINDERAT                                                                                             5/2009
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       Synergieeffekte im Bereich der Stoffströ-
       me und Wertschöpfungsketten unter
       Nutzung der Potenziale der Region
                                                                       REGIONALE STANDORTANALYSE
       (Land- und Forstwirtschaft, biogene                                   PER MAUSKLICK
       Reststoffe). Das Leitprojekt ist eng ver-
       flochten mit der Umsetzung der Agenda
       21-Strategie des Kreises Steinfurt (Zu-
       kunftskreis Steinfurt - energieautark
                                                        W         ie sind die Lebensverhältnisse
                                                                  in den unterschiedlichen Re-
                                                        gionen Deutschlands? Welcher Land-
       2050). In einem ersten Schritt wird dies         kreis hat die geringste Arbeitslosig-
       durch die Installation eines Wallhecken-         keit? In welchen Regionen altert die
       managers durch die Gemeinde und die              Bevölkerung am schnellsten? Unter
       in Saerbeck ansässige Naturstoff- und            www.raumbeobachtung.de gibt es
       Dienstleistungszentrale Land und Forst           im Internet umfassende Informationen
       (NLF) umgesetzt. Dieser Ansatz wird              mit Karten, Grafiken und Tabellen zu den
       schrittweise durch weitere Biomasse-             regionalen Lebensbedingungen in
       cluster erweitert und in ein regionales          Deutschland. Dabei wurde das Portal
       Biomassemanagement eingebunden.                  des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt-
                                                        und Raumforschung (BBSR) im Bundes-
      MUNITIONSDEPOT ZUM                                amt für Bauwesen und Raumordnung
      BIOENERGIEPARK                                    (BBR) nun um interaktive Anwendungen
                                                        erweitert. Somit stehen politischen Entscheidungsträgern, Journalisten, Lehrern, Planern und interes-
      Einen zentralen Stellenwert für die Umset-        sierte Bürgern sowie Bürgerinnen anschaulich aufbereitete und rasch zugängliche Informationen etwa
      zung innovativer Ver- und Entsorgungs-            für einen regionalen Standortvergleich zur Verfügung.
      konzepte auf der Basis regenerativer Ener-
      gien besitzt das laufende Konversionsver-
      fahren zum Munitionshauptdepot der             fassenden Abstimmungsprozesses, in der                fristige Umsetzung der Maßnahmen ge-
      Bundeswehr. In diesem Zusammenhang             lokale Akteure und externe Fachleute in-              setzt.
      bildet die Entwicklung eines Bioenergie-       tensiv zusammengearbeitet haben.                      Für eine erfolgreiche Umsetzung der Maß-
      parks auf dem ehemaligen Bundeswehr-                                                                 nahmen wird derzeit eine zentrale Koordi-
      gelände (rund 90 Hektar) einen weiteren        BÜRGERVORSCHLÄGE WILLKOMMEN                           nierungsstelle eingerichtet, das Energiema-
      Baustein in der Umsetzung des Klima-                                                                 nagement Saerbeckplus. Dieses stimmt Akti-
      schutz- und Klimaanpassungskonzeptes           Bestandteil der Konzepterstellung war die             vitäten aufeinander ab, steuert zielführend,
      der Gemeinde. Die Nutzung durch die Bun-       Beteiligung und Einbindung der Bürger, der            sichert und kontrolliert Ergebnisse und
      deswehr läuft Ende des Jahre 2010 aus.         lokalen Wirtschaft und der breiten Öffent-            fasst diese unter einer „Marke“ zusammen.
      Es sind verschiedene Nutzungen von An-         lichkeit. Im Zuge einer Ideenbörse konnten            Die begleitende Kommunikations- und
      passungsfeldern für die Landwirtschaft,        Bürgerinnen und Bürger Vorschläge zum                 Marketingstrategie Saerbeckplus macht den
      Energieproduktion Photovoltaik (PV),           IKKK einreichen. Es wurden projektbeglei-             Weg zur klimaneutralen Kommune trans-
      Energieproduktion       Biomasse/Biogas,       tend mehrere Informationsveranstaltun-                parent, erreicht eine hohe Identifikation
      Energieproduktion Windkraft, CO2-freies        gen durchgeführt. Diese stießen auf ein für           nach Innen wie Außen und zeigt konkret
      Gewerbe, Bildung/Know-how-Transfer             alle Beteiligten überraschend positives               Handlungsmöglichkeiten zum Klimaschutz
      Gegenstand des Konzeptes. Der geplante         Echo und erzeugten eine große Bereit-                 sowie zur Klimaanpassung auf. Die Gemein-
      Mix an Anlagen zur Erzeugung von Strom         schaft zur Mitwirkung in weiten Teilen der            de Saerbeck soll als innovative Kommune
      und Wärme auf der Basis nachwachsender         Bevölkerung sowie bei lokalen Akteuren                mit Modellcharakter wahrgenommen wer-
      Rohstoffe, Biomasse sowie Sonne und            (Vereine, Verbände, Schule, Pfarrgemein-              den, der es gelingt, mit zukunftsweisenden
      Wind bildet die „Hardware“ des Klima-          den, Ärzteschaft, Gewerbe, Einzelhandel).             Konzepten Klimaschutz und Klimaanpas-
      schutzkonzeptes der Gemeinde. Die Ver-         Damit sind wichtige Bausteine für die kurz-           sung erfolgreich zu praktizieren.         l
      handlungen zum Erwerb der Flächen
      durch die Kommune sind abgeschlossen,
      die planungsrechtliche Sicherung der
      künftigen Nutzung ist in Arbeit.
      Eine auf der Grundlage des umfangrei-
      chen Maßnahmenpakets vorgenommene
      Machbarkeitsprüfung zeigt, dass es für
      Saerbeck möglich ist, auf der Grundlage                                                                                                        Anzeige
      der im Klimaschutzkonzept verankerten
      Maßnahmen bis zum Jahre 2030 energie-
      autark zu werden. Die Erarbeitung des
      IKKK erfolgte durch eine interdisziplinäre
      Steuerungsgruppe im Rahmen eines um-

                                                                                                                STÄDTE- UND GEMEINDERAT           5/2009        11
Stgerat_innen_neu      24.04.2009      12:43 Uhr      Seite 12

                 THEMA ENERGIEVERSORGUNG

                                                                                                                                Haushaltsposten, ja sogar ein existentiel-
                                                                                                                                les Problem.
                                                                                                                                Dass gerade große Städte energetisch zu-
                                                                                                                                nehmend einem „centro storico“ - einer
                                                                                                                                liebenswerten, in einer früheren Zeit ste-
                                                                                                                                hen gebliebenen Altstadt - gleichen, hat
                                                                                                                                vor allem zwei Gründe:

                                                                                                                                • nicht ausreichendes Fachwissen über die
                                                                                                                                  fortschreitenden technischen Möglich-
                                                                                                                                  keiten von Outsourcing und
                                                                                                                                • Skepsis bei kommunalen Mitarbeiten,
                                                                                                                                  neue Möglichkeiten der Finanzierung
                                                                                                                                  und Förderung zu nutzen.

                                                                                                                                Der daraus folgende museale Charme
                                                                                                                                mancher Städte wird spätestens dann un-
                                                                                                                                praktisch, wenn Siedlungen ihre Tauglich-
                                                                                                                                keit als Funktionsräume verlieren - zum

                                                                                                FOTOS (2): ENERGIEAGENTUR.NRW
                                                                                                                                Beispiel durch ineffiziente Beleuchtung.
                                                                                                                                Anlagen, die technisch veraltet sind, lie-
                                                                                                                                gen nicht nur dem Kämmerer schwer im
                                                                                                                                Magen, sie sind bisweilen auch ein Sicher-
                                                                                                                                heitsrisiko.
                                                                                                                                In dieser Gemengelage, in diesem Konflikt
                                                                                                                                zwischen So-Sein und Sein-Sollen ist es
                                                                                                                                Aufgabe der EnergieAgentur.NRW, durch
       Die EnergieAgentur.NRW berät Kommunen beispielsweise zu energie- und kostensparender                                    Beratung und Weiterbildung neue Hand-
      Straßenbeleuchtung                                                                                                        lungsoptionen zu erschließen - sprich: in
                                                                                                                                vielen Fällen die Handlungsfähigkeit zu-
                                                                                                                                rückzugewinnen.

      Mit Starthilfe aus der                                                                                                    HANDLUNGSFELD BELEUCHTUNG

      „Energieklemme“                                                                                                           Beleuchtung ist dabei ein Paradebeispiel für
                                                                                                                                die Veränderung der technischen Rah-
                                                                                                                                menbedingungen. Nach der Erfindung der
                                                                                                                                Glühbirne hat sich die Welt über Dekaden
                                                                                                                                praktisch auf dieser Errungenschaft zur
      Die EnergieAgentur.NRW unterstützt Kommunen bei der Aufgabe,                                                              Ruhe gesetzt, bevor Umweltproblematik
                                                                                                                                und steigende Energiepreise die Entwick-
      Energieversorgung und Energienutzung zu optimieren und somit
                                                                                                                                lung von Alternativen forcierte. Inzwi-
      Bürgern und Bürgerinnen ein Beispiel zu geben                                                                             schen sorgen Schlagworte - Vorschaltge-
                                                                                                                                räte, tagelichtabhängige Steuerung, Ak-
                                                                                                                                zent- oder Zonenlicht, Reflektorlampen,
                     DER AUTOR                           Georg Simmel - ein Konflikt zwischen dem                               Stecksockellampen - wiederum für Ver-
                                                         vitalen Geschehen (einerseits) und der                                 wirrung.
                      Thomas Reisz ist                   Form (anderseits). Denn das Bedürfnis des                              Fakt ist: Die Beleuchtung in kommunalen
                      Pressereferent der                 einen hat die Funktionstüchtigkeit des an-                             Liegenschaften macht mitunter bis zu 30
                      EnergieAgentur.NRW                 deren vielfach überdauert. Oder anders                                 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs
                                                         ausgedrückt: Es gibt großen Sanierungs-                                aus. Denn nur fünf Prozent des Stroms,
                                                         bedarf.                                                                den zum Beispiel eine Standard-Halogen-
                                                         Kommunen gehören zu den energeti-                                      lampe oder eine Glühlampe benötigt,

      W     enn das Leben in einer Kommune
            das vitale Geschehen ist, und wenn
      die „Hardware“ - Gebäude, Architektur
                                                         schen Großverbrauchern in Deutschland.
                                                         Als Betreiber von Immobilien wie Schulen,
                                                         Rathäusern oder Schwimmbädern ver-
                                                                                                                                wird tatsächlich zu Licht. Die übrigen 95
                                                                                                                                Prozent werden in Wärme umgewandelt -
                                                                                                                                ein verheerend schlechter Wirkungsgrad.
      und Ähnliches - die Form ausmachen,                brauchen sie überdurchschnittlich viel                                 Der Sanierungsbedarf in praktisch allen
      dann gilt für die Städte in Deutschland: In        Strom, Wärme und Wasser. Und damit                                     Bereichen der Beleuchtung ist immens.
      den meisten von ihnen tobt - frei nach             sind Energiekosten ein beträchtlicher                                  Nach Schätzungen des Fachverbandes

      12   STÄDTE- UND GEMEINDERAT        5/2009
Stgerat_innen_neu             24.04.2009        12:43 Uhr        Seite 13

      Elektroleuchten und Elektrische Lampen                                      Auch historische 
      werden in 50 Prozent der deutschen Kom-                               Straßenlaternen können
      munen noch Straßenbeleuchtungen be-                                    mit Energiesparlampen
      trieben, die auf dem technischen Stand                                       betrieben werden
      der 1960er-Jahre sind. Nur drei Prozent der
      Effizienz-„Oldtimer“ werden jährlich er-                     oder - im Rahmen von Tagun-
      setzt.                                                       gen oder In-House-Schulun-
      Das deutschlandweite Einsparpotenzial                        gen - weiterbildet. So waren
      wird auf 2,7 Milliarden Kilowattstunden                      die Wuppertaler Ingenieure
      oder rund 400 Millionen Euro geschätzt.                      beteiligt am Beleuchtungs-
      Alternativen sind technisch ausgereift                       Contracting in der Stadt Me-
      und im Einsatz bewährt. Längst sind zu                       chernich. Seit 2005 muss sich
      dimmende Systeme durch Spannungsab-                          der Eifel-Ort seinen Haushalt
      senkung - in Mechernich, Hagen oder Ber-                     von der Bezirksregierung ge-
      lin - im Einsatz. Dabei wird in Nachtpha-                    nehmigen lassen. Das struk-
      sen mit geringem Verkehrsaufkommen                           turelle Defizit betrug rund 2,5
      die Helligkeit unmerklich, der Stromver-                     Millionen Euro pro Jahr.
      brauch aber spürbar reduziert werden.                        Vor diesem Hintergrund wur-
                                                                   de nach Möglichkeiten ge-
      SPAREN DURCH LEUCHTDIODEN                                    sucht, die Kostenbelastung
                                                                   zu reduzieren. Die Sanierung
      In Düsseldorf werden inzwischen an zwei                      der Beleuchtung in einem
      Standorten in Pilotprojekten Lumineszens-                    Schulzentrum gewann durch
      oder Leuchtdioden (LED) zur Straßenbe-                       die Möglichkeit externer Fi-
      leuchtung eingesetzt. Nach ersten Erfah-                     nanzierung durch einen Con-
      rungen bringen LED gegenüber DIN-gerech-                     tractor wirtschaftlich an At-
      ten Beleuchtungen auf Gas-Basis eine Ein-                    traktivität. Daraufhin wurden sämtliche Be-   teln wurde aufgrund knapper Kassen nicht
      sparung von rund 1.800 Euro pro Jahr und                     leuchtungseinrichtungen in den Schulen        weiterverfolgt.
      Straßenzug.                                                  der Stadt gegen energiesparende Modelle       Als siegreichem Wettbewerber wurde der
      In diesem Zusammenhang ist die Energie-                      ausgetauscht und Präsenzmelder instal-        Fernwärmeversorgung Niederrhein GmbH
      Agentur.NRW ein möglicher Partner der                        liert.                                        aus Dinslaken der Zuschlag erteilt. Ende April
      Kommune, der unentgeltlich vor Ort berät                                                                   2006 wurden durch den Contractor die alten
                                                                   CONTRACTING IN MECHERNICH                     Anlagen demontiert, die neue Heizzentrale
      ZUR SACHE

                                                                                                                 mit Blockheizkraftwerk (BHKW) sowie die
                  ENERGIEKONZEPT                                   Der Kämmerer spart nach der Sanierung per     Lüftungsanlage installiert und im Mai 2006 in
                                                                   anno rund 49.000 Euro Stromkosten. Zu-        Betrieb genommen. Gemäß den Regelungen
                  FÜR RECYCLING-                                   dem spart Mechernich jährlich rund 6.000      des 20 Jahre laufenden Wärmelieferungsver-
                  INDUSTRIE                                        Euro, weil der Contractor die Wartungs-       trages wird der BHKW-Strom in das örtliche
                                                                   und Reparaturarbeiten übernimmt. Die          Stromnetz eingespeist. Bei Auslaufen der ge-
                  Die Recyclingindustrie könnte bis zu 15          Kommune wurde durch die EnergieAgen-          setzlich geregelten Einspeisevergütung wird
                  Prozent ihrer Energiekosten einsparen. Zu        tur.NRW auf die Finanzierungsform Con-        die Stadt den KWK-Strom abnehmen.
                  diesem Ergebnis kommt die EnergieAgen-           tracting aufmerksam gemacht und an-
                  tur.NRW in ihrem Energiekonzept für die          schließend während der Projekt-Planung        WÄRME AUS BIOGAS
                  Recyclingbranche. Eine Verringerung des          sowie -Umsetzung beratend begleitet. In-
                  Energieeinsatzes sei vor allem durch tech-       zwischen ist Mechernich für die Beleuch-      Die EnergieAgentur.NRW beteiligt sich zu-
                  nische Verbesserungen möglich. Wärme,            tungssanierung von der EU-Kommission          dem an der Moderation neuer Allianzen zur
                  die bei der Verdichtung des Öls in hydrau-       mit der Greenlight-Plakette ausgezeichnet     effizienten Energieversorgung. Im Kreis
                  lischen Antrieben entsteht, könne zur Hei-       worden.                                       Steinfurt werden öffentliche Einrichtungen
                  zung der Arbeitsräume oder zum Vorwär-           Zunehmend setzen sich Projekte der de-        mit Wärme aus Biogas versorgt. Das Projekt
                  men von Einsatz- und Hilfsstoffen verwen-        zentralen Energieversorgung durch. Mit        ist mehrfach bemerkenswert. Außerge-
                  det werden.Auch bei der sensorgestützten         Hilfe der EnergieAgentur.NRW wurde das        wöhnlich ist zum einen die technische Um-
                  Sortierung von Abfällen sei Einsparpoten-        Hallenbad im Bonner Ortsteil Beuel als eu-    setzung. Die Bioenergie Steinfurt GmbH &
                  zial vorhanden. So betrage der Druckluft-        ropaweit erstes Energieliefer-Contracting     Co. KG in Steinfurt-Hollich reinigt das Bio-
                  stoß, mit dem Abfallbestandteile aus dem         für ein öffentliches Schwimmbad ausge-        gas von Schwefelanteilen und sonstigen
                  Stoffstrom „herausgeschossen“ werden,            schrieben. Die Heizzentrale war 35 Jahre      Schadstoffen, speichert überschüssiges
                  bis zu acht bar. Jedoch ließen sich auch bei     alt und musste mit der gleichaltrigen Lüf-    Gas, trocknet und verdichtet das Biogas,
                  geringerem Druck die Bestandteile aussor-        tungsanlage saniert werden. Eine städti-      damit es dann ohne Wärmeverlust über 3,6
                  tieren.                                          sche Lösung in Eigenregie auf der Grundla-    Kilometer zur „Wärmeinsel Kreishaus“ trans-
                                                                   ge einer Sanierung mit städtischen Mit-       portiert werden kann.

                                                                                                                    STÄDTE- UND GEMEINDERAT        5/2009   13
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                  THEMA ENERGIEVERSORGUNG

      Die dort bei der Stromerzeugung anfallen-

                                                              FOTO: BMU / BRIGITTE HISS
      de Wärme wird an den Kreis Steinfurt ver-
      kauft, um damit das Kreishaus, das Gebäu-
      de der Wirtschaftsförderung, das Gesund-
      heitsamt, eine Schule mit Sporthalle und
      ein Altenwohnheim zu beheizen. Außerge-
      wöhnlich ist zudem die Finanzierung durch
      örtliche Landwirte, die sich zu einer Betrei-
      bergesellschaft zusammengeschlossen ha-
      ben.
      Außergewöhnlich ist schließlich die Ge-
      schichte des Projekts, dessen Umsetzung
      durch die jahrelange Arbeit des Agenda-21-
      Arbeitskreises,der sich intensiv mit Energie-
      gewinnung aus Biogas befasst, vorbereitet
      wurde. Aus dem Agenda-21-Prozess heraus
      hat sich im Jahr 2002 eine Standortoffensi-
      ve für erneuerbare Energien entwickelt. Be-
      standteil dieser Offensive sind unter ande-
      rem regelmäßige Treffen der Arbeitsge-
      meinschaft Biogas.

      REGELMÄßIGE TREFFEN

      Hier tauschen Landwirte,Vertreter regiona-
                                                             Sonnennutzung als
      ler Unternehmen und Ingenieurbüros, Ver-
      treter aus Wissenschaft und Forschung so-
      wie Vertreter der zuständigen Behörden Er-
      fahrungen aus und entwickeln innovative
                                                             Pflicht für Häuslebauer
      Projekte. Neben der Fachhochschule Stein-              Bebauungspläne können in begrenztem Umfang als Instrument
      furt ist auch die EnergieAgentur.NRW als
      Fachgremium mit einem Ingenieur in die-                dienen für die Förderung einer örtlichen Energieversorgung, die
      sem Agenda-Kreis vertreten. Inzwischen                 ausschließlich auf erneuerbare Energien gründet1
      werden allein im Kreis Steinfurt rund 20
      Biogasanlagen mit rund 15 Megawatt Leis-
      tung, deren Projektierungen auf den Ar-                                             DER AUTOR                      len hat mit dem Programm „100 Solarsied-
      beitskreis zurückgehen, betrieben.                                                                                 lungen“ früh den Praxistest gewagt und
      Die Stadt Soest hat 2003 eine neue energie-                                         Fabio Longo ist Rechtsanwalt   sammelt dabei wertvolle Erfahrungen.
      effiziente Sporthalle in Betrieb genommen.                                          in der Wirtschafts- und        Grundvoraussetzung für energieautonome
      Die Warmwasserbereitung erfolgt über So-                                            Kommunalkanzlei Kleymann       Siedlungen sind planerische Konzepte, die
      larthermie, die Beleuchtung wird in Abhän-                                          & Karpenstein & Partner        einen möglichst geringen Energiebedarf
      gigkeit vom Tageslicht gesteuert. Und die                                           (KKP) in Wetzlar               hervorrufen.2 In der Folge stellt sich die Fra-
      Dachfläche wird über 20 Jahre an eine priva-                                                                       ge, welche baurechtlichen Möglichkeiten es
      te Betreibergesellschaft, die dort eine Pho-                                                                       gibt, den reduzierten Energiebedarf durch
      tovoltaik-Anlage installiert hat, verpachtet.
      Die EnergieAgentur.NRW prämierte das
      Projekt 2005 mit der „Solarauszeichnung
                                                             I  mmer mehr Städte und Gemeinden ver-
                                                                folgen das Ziel, die örtliche Energieversor-
                                                             gung auf heimische erneuerbare Energien
                                                                                                                         erneuerbare Energien - insbesondere Solar-
                                                                                                                         energie - zu decken.

      NRW“.                                                  umzustellen. Dabei geht es ihnen neben Kli-                 KOMMUNALE SOLARSATZUNGEN
      Die „città ideale“ - optimierte Stadt nach             maschutz um die nachhaltige Sicherung des
      dem Konzept des italienischen Künstlers                Wohlstands ihrer Einwohner. Um diese Auf-                   Kommunale Solarsatzungen enthalten Ge-
      Leonardo da Vinci - ist also nicht bloß ästhe-         gabe der Daseinsvorsorge zu erfüllen, wer-                  botsnormen über den Einsatz der Solarener-
      tisch stringent. Sie ist - nicht nur, weil es sich     den vielerorts die Fähigkeiten von Stadt- und               gie in Gebäuden und eröffnen im Idealfall
      reimt - vor allem energieeffizient. Oder pro-          Gemeindewerken mobilisiert. Welchen Bei-
      faner gesagt: Die Erfahrung zeigt, dass sich           trag können und dürfen Bebauungspläne
      Gewerbeflächen deutlich leichter besetzen              leisten?                                                    1 Der Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrags
      lassen, wenn Kommunen eine moderne                     Vor Jahren galten energieautonome Sied-                     auf der IfR-Fachtagung „Rekommunalisierung der Energie-
      energetische Infrastruktur anbieten kön-               lungen noch als utopisch. Heute sind die nö-                versorgung - Erneuerbare Energien und Planungsrecht“ am
                                                                                                                         25. Februar 2009 im Landtag NRW (Düsseldorf).
      nen. Energieeffizienz ist ein Wettbewerbs-             tigen Technologien ausgereift und wirt-                     2 Praxisorientiert: Denny/Spangenberger, Planung einer So-

      vorteil.                                         l     schaftlich preiswürdig. Nordrhein-Westfa-                   larsiedlung, Bundesbaublatt (BBB) Heft 5/2001, S. 20 ff.

      14   STÄDTE- UND GEMEINDERAT          5/2009
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       Immer mehr Kommunen machen bei                       Energieversorgung
      Neubauten die Installation von Solaranlagen            werden neben dem
      zur Pflicht                                            Klimaschutz       wirt-
                                                             schaftliche und soziale
      Spielräume für rationelle Energieversor-               Zielsetzungen      ver-
      gungskonzepte von Gebäuden und Ortstei-                folgt:
      len. Dieser Begriff wird auch auf Bebauungs-
      pläne angewendet, weil diese nach § 10 Abs. 1          • Nachhaltige Siche-
      Baugesetzbuch (BauGB) als Satzung be-                    rung der Energiever-
      schlossen werden.Erstmalig in Europa hat die             sorgung durch die
      Stadt Barcelona eine Solarsatzung eingeführt             Ersetzung endlicher
      (Ordenanza Solar 2000). Parallel dazu ist in             durch unerschöpfli-
      der hessischen Stadt Vellmar ein vergleichba-            che     erneuerbare
      res Vertragsmodell auf den Weg gebracht                  Energieträger,
      worden (Städtebaulicher Vertrag für klima-             • langfristige Bezahl-
      und umweltschonendes Bauen 2001). 3                      barkeit der Energieversorgung in Gebäu-       Mit einem neuen Programm „Solare Stadt“
      In Hamburg sind Installationspflichten auf-              den durch Stabilität der Energiepreise,      könnten vermehrt auch ältere Gebäude energetisch
      grund von Solarverordnungen nach dem dor-                weil Investitionskosten in Solaranlagen      optimiert werden
      tigen Klimaschutzgesetz in Bebauungsplä-                 kalkulierbar sind und die solare Strah-
      nen enthalten (neue Hafen-City 2004)4. Die               lungsenergie im Gegensatz zu Erdöl, Erd-     zur wirtschaftlichen Betätigung - etwa Ge-
      erste kommunale Solarsatzung für ein ge-                 gas, Kohle und Uran kostenlos ist,           werbebetriebe - von Bedeutung, sondern
      samtes Stadtgebiet hat in Deutschland die              • Aufbau lokaler Wertschöpfung durch die       auch im Hinblick auf gebäudebezogene Fest-
      Stadt Marburg für Neubauten und Gebäude-                 Ersetzung von Importenergieträgern           setzungen innerhalb eines Plangebiets, mit
      bestand als örtliche Bauvorschrift beschlos-             durch heimische erneuerbare Energien,        denen bestimmte wirtschaftliche Ziele er-
      sen.5 In den vergangenen Jahren haben Bun-             • Schaffung neuer Beschäftigung im Zuge        reicht werden sollen.
      des- und Landesgesetzgeber das Modell der                des Aufbaus heimischer Energieprodukti-      Zusätzlich kann die Gemeinde eine Solarfest-
      Solarsatzung in Teilen übernommen. Als ers-              on im Handwerk und in der mittelständi-      setzung auf den städtebaulichen Belang der
      tes Bundesland hat Baden-Württemberg ein                 schen Industrie,                             „Nutzung erneuerbarer Energien“ stützen (§
      Landesgesetz erlassen, das Installations-              • Ermöglichung wirtschaftlicher Teilhabe       1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. f) BauGB). Es kommt da-
      pflichten auch für den Gebäudebestand vor-               durch die breite Eigentümerstreuung der      her nicht allein darauf an, ob der globale Kli-
      sieht (EWärmeG - 2008).                                  neuen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer       maschutz ein eigenständiger städtebaulicher
      Im Bund ist ein solches Gesetz ausschließlich            Energien,                                    Grund ist.
      für Neubauten in Kraft getreten (EEWärmeG              • Lokale Bindung des Kapitals durch ver-       Die hier vorgenommene integrierte Sicht-
      - 2009). Der Spielraum für Solarfestsetzun-              stärkte Investition in dezentrale Anlagen    weise sozialer, wirtschaftlicher und ökologi-
      gen in Bebauungsplänen ist aber auch im                  und gleichzeitig Rückführung der Ausga-      scher Belange ist wegen der Gewährleis-
      Neubaubereich erhalten geblieben, da der                 ben für fossile Importenergieträger.         tung einer „nachhaltigen städtebaulichen
      Bundesgesetzgeber die entsprechende Be-                                                               Entwicklung“ als Oberziel der Bauleitpla-
      fugnisnorm beibehalten hat. Aus dem Fest-              Diese Zielsetzungen müssen die Städte          nung nicht nur gerechtfertigt,sondern auch
      setzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB kommt             und Gemeinden in ihrer Bauleitplanung          geboten. Denn das Leitbild der Bauleitpla-
      die Nr.23 Buchst.b) für Solarfestsetzungen im          auf einen gesetzlichen städtebaulichen         nung besteht darin, die „sozialen, wirt-
      Bebauungsplan in Betracht.Jede Festsetzung             Grund zurückführen (§ 1 Abs. 5 und 6           schaftlichen und umweltschützenden An-
      in Bebauungsplänen muss zunächst „aus                  BauGB), wobei hier insbesondere die Be-        forderungen auch in Verantwortung gegen-
      städtebaulichen Gründen“ erfolgen. Darüber             lange der Wirtschaft betrachtet werden
      hinaus müssen die Voraussetzungen der Nr.              sollen (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB). Diese er-
                                                                                                            3 Zum hier nicht näher behandelten Instrument des städte-
      23 Buchst. b) vorliegen.                               möglichen es den Gemeinden, Zielsetzun-
                                                                                                            baulichen Vertrags siehe Krautzberger, DVBl. 2008, S. 737 ff.;
                                                             gen der Steigerung der lokalen Wertschöp-      Klinski/Longo, ZNER 2007, S. 41 (44 f.).
      STÄDTEBAULICHE GRÜNDE NÖTIG?                           fung und der örtlichen Daseinsvorsorge zu      4 Zum Ganzen näher Longo/Rogall, Baupflichten für Solaran-

                                                                                                            lagen, Deutsche Bauzeitschrift (DBZ) Heft 2/2004, S. 78 f.
                                                             verfolgen.                                     5 Befugnisnorm für die Marburger Solarsatzung ist § 81 Abs.

      Nach einer verbreiteten Herangehensweise                                                              2 Hessische Bauordnung. Das Regierungspräsidium Gießen
      wird vorausgesetzt, dass erneuerbare Ener-             AUCH WIRTSCHAFT RELEVANT                       hat diesen Satzungsbeschluss kommunalaufsichtlich bean-
                                                                                                            standet, wogegen die Stadt Marburg vor dem Verwaltungs-
      gien ausschließlich dem Gemeinwohlbe-                                                                 gericht Gießen klagt. Im juristischen Schrifttum liegen meh-
      lang des globalen Klimaschutzes dienen                 So gehören die Belange der „Wirtschaft, auch   rere Stellungnahmen vor, die eine Solarsatzung nach dem
                                                                                                            Marburger Modell für zulässig erachten: Böhm, in: Jahrbuch
      würden (vgl. § 1 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 Nr. 7 Buchst.     ihrer mittelständischen Struktur…“ (Buchst.    des Umwelt- und Technikrechts 2009, im Erscheinen; Klin-
      a) BauGB). Daher wird häufig zwingend für              a) ebenso zum kommunalen Aufgabenspek-         ski/Longo, ZNER 2007, S. 41 (46 f.); Ekardt/Schmitz/Schmidt-
      erforderlich gehalten, dass der globale Kli-           trum wie die „Erhaltung, Sicherung und         ke, ZNER 2008, S. 334 (340 f.); Zeiss/Longo, UPR 1998, S. 217
                                                                                                            (218 ff.); andere Auffassung: Pollmann/Reimer/Walter, LKRZ
      maschutz ein städtebaulicher Grund sein                Schaffung von Arbeitsplätzen“ (Buchst.c) und   2008, S. 251 (252 ff.).
                                                                                                            6 Auf der Seite der Befürworter des globalen Klimaschutzes
      muss.6 Dies ist eine verkürzte Sichtweise.             die „Versorgung, insbesondere mit Energie
                                                                                                            als städtebaulichen Grund siehe nur Koch, Die Verwaltung 37
      Denn mit dem Einsatz erneuerbarer Ener-                und Wasser“ (Buchst. e). Diese Belange sind    (2004), S. 537 (541 ff.); auf der Seite der Gegner siehe nur Jä-
      gien zum Aufbau einer neuen örtlichen                  nicht nur für die Ausweisung von Standorten    de, in: Jäde/Dirnberger/Weiß (Hg.), BauGB, § 9 Rn. 65, 70.

                                                                                                                STÄDTE- UND GEMEINDERAT                     5/2009       15
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