ERFAHRUNGSBERICHT ERASMUS AN DER FACULTÉ DE DROIT DER AIX-MARSEILLE-UNIVERSITÉ IN AIX-EN- PROVENCE, FRANCE, WISE 2020/2021 - SOSE 2021
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Erfahrungsbericht Erasmus an der Faculté de Droit der Aix-Marseille-Université in Aix-en- Provence, France, WiSe 2020/2021 – SoSe 2021 Allgemeines: Vorab muss ich zunächst klarstellen, dass ich meinen Erasmus-Aufenthalt während des Wintersemesters 2020/2021 bis zum Sommersemester 2021 während der Covid-19 Pandemie angetreten bin. Ich nehme daher an, dass mein Aufenthalt ohne die Pandemie ein wenig anders abgelaufen wäre. Beispielswiese war die Universität nur im August und September 2020 während den ersten zwei Monaten meines Aufenthaltes geöffnet und ansonsten wurden die Kurse wie auch in Deutschland online gehalten. Es kam insgesamt zu zwei Lockdowns in Frankreich, während denen mehr oder weniger strenge Ausgangssperren herrschten, Geschäfte schließen mussten und sich nur 6 Leute gleichzeitig treffen durften. Trotz allem habe ich eine wundervolle Zeit in Aix-en-Provence verbracht und bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich sammeln durfte und die Freundschaften, die ich geschlossen habe. Ich würde sagen, dass mein Erasmus Aufenthalt in persönlicher Hinsicht eines der schönsten und bereichernsten Zeiten meines Lebens war und ich jedem sehr ans Herz lege, seinen Aufenthalt im wunderschönen Aix-en-Provence zu verbringen. Nach diesem Jahr hat sich meine Sichtweise auf Europa sowie meine Offenheit im Umgang mit anderen Kulturen geändert und ich habe einiges dazugelernt, nicht nur in akademischer Hinsicht. Auch ist es ein tolles Gefühl, mit jungen und talentierten Leuten derselben Generation über die Ländergrenzen hinweg von nun an vernetzt zu sein, wofür ich sehr dankbar bin. Im Rahmen der mehr oder weniger streng geltenden sanitären Regeln konnten trotzdem Kennenlern-Events und einzelne Ausflüge mit dem Erasmusnetzwerk ESN stattfinden. Da Partys im größeren Rahmen jedoch verboten waren, habe ich sehr Städtetrips und Ausflüge in die Natur rund um Frankreich gemacht und mich ansonsten sehr viel mit Freuden draußen getroffen. Organisation: Mit der Organisation vor Ort war ich alles in allem sehr zufrieden. Es lohnt sich auf jeden Fall, öfters einmal auf der Erasmus Website der juristischen Fakultät vorbeizuschauen, um sich zu vergewissern, dass man auch keinen Schritt vergessen hat und alle Formulare ausgefüllt hat. Nachdem ich an der Aix-Marseille-Universität angenommen wurde, nimmt die französische Erasmus-Koordinatorin Kontakt auf und versendet einen Lonely Guide, in dem alle wichtigen Informationen über den Aufenthalt in Aix-en-Provence stehen und den man sich sorgfältig durchlesen sollte. Man kann sich zu diesem Zeitpunkt auch in einen Französisch Kurs eintragen, organisiert von der Aix-Marseille-Universität, den ich jedem sehr empfehlen kann. Dieser findet ganz am Anfang des Aufenthalts für eine Woche jeweils vormittags statt, sowie zweimal die Woche jeweils am Abend. Vor allem lernt man dort andere Erasmus-Studenten anderer Fakultäten
kennen und kann sein Französisch in kleinen Gruppen aufbessern, je nachdem auf welchem Sprachniveau man sich vorher bereits findet. Außerdem versendet die Koordinatorin einen Link, über den man sich ein Zimmer im Studentenwohnheim reservieren kann. Noch in Deutschland musste ich provisorisch mein Learning Agreement ausfüllen und konnte dabei aus einer relativ großen Vielfalt an Kursen meinen Stundenplan zusammenstellen. Aber macht euch bei dieser Auswahl keinen Kopf, denn man kann alles noch einmal komplett ändern, falls man merken sollte, dass man doch lieber Lust auf einen anderen Kurs hat oder der Professor einem nicht gefällt. Vielleicht sollte man sich vorher einen groben Plan machen, auf was man ungefähr Lust hat und ob man sich einen Schein anerkennen lassen möchte. Studium: Ich persönlich war zum Zeitpunkt meines Aufenthaltes bereits scheinfrei und hatte deshalb das Glück bei der Kurswahl nur meinen eigenen Interessen nachzugehen. In Frankreich besteht das Jura Studium aus 3 Jahren Licence (Das entspricht einem Bachelor), in dem die Studenten eigentlich wie auch in Deutschland erstmal die grundlegenden Rechtsgebiete belegen müssen. Danach spezialisiert sich jeder Student und macht einen Master 1 und einen Master 2. Ich hatte dabei das Gefühl, dass die Franzosen ihr Studium jeweils sehr ernst genommen haben und nebenher nicht viel Freizeit hatten. Vorlesungsbegleitend müssen französische Jurastudenten sogenannte „Travaux Dirigé“ belegen, was so eine Art Arbeitsgemeinschaft ist, in der Dissertationen abgegeben werden müssen, regelmäßige Leistungskontrollen stattfinden und die Prüfungsvorbereitung stattfindet. Für uns Erasmus-Studenten läuft das Studium jedoch jeweils etwas anders und viel entspannter ab. Alles in allem würde ich sagen, dass das Erasmus Studium wirklich nicht anspruchsvoll ist und der Fokus mehr auf Freizeit als auf akademischen Leistungen steht, es sei denn, man möchte sich wirklich ins Studium reinhängen. Als Erasmusstudent*in kann man aus allen Licence Kursen, sowie den Master 1 Kursen frei wählen, was man belegen möchte. Ich persönlich habe mich immer für 3 bis 4 Kurse im Völkerrecht oder im Europarecht entschieden. Ich würde jedoch raten, sich in den ersten Wochen ab Vorlesungsbeginn, solange man noch Änderungen an seinem Learning Agreement vornehmen kann, so viele Kurse wie möglich einmal anzuschauen und sich zu überlegen, welchen Professor man am besten versteht, was einem am besten liegt und welche Themen einen interessieren. In Frankreich dauert eine Vorlesung jeweils 2 oder 3 Zeitstunden, was manchmal ganz schön lang sein kann. Dafür ist aber die Fakultät wunderschön und man merkt, dass es sich bei der Aix-Marseille-Universität ähnlich wie bei der Universität Heidelberg um eine der besten Jurafakultäten in Frankreich handelt. Da kann es schonmal passieren, dass man sich in einem Kurs im ersten Semester in einem riesigen Amphitheater mit 800 aufgeregten Studenten befindet. Bei einer Kurswahl von 3-4 Kursen kommt man also maximal auf 12 Stunden Uni die Woche, also wirklich nicht viel. Was ich leider sehr schade finde, und man nicht ändern kann, ist, dass französische Vorlesungen sehr altmodisch ablaufen. In allen meinen Kursen, die ich über zwei Semester belegt habe, sprechen die Professor*innen durchgehend für zwei bis drei Stunden, und die Aufgabe der Studenten ist es, sich Notizen zu machen und die Ausführungen der Professor*innen zu Papier zu bringen. Manche Professor‘*innen machen sogar ein Diktat, andere schweifen aber auch gerne ab. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich am Anfang alles
mal anzuschauen und zu testen, mit welchem Vorlesungsstil man am besten klarkommt. Wirklich jeder Student nimmt seinen Laptop mit in die Vorlesung und tippt alles mit. Per Hand ist man immer zu langsam, dass kann man sich von vorneherein abschminken. Man sollte daher unbedingt darauf achten, dass der eigene Laptop eine gute Akkulaufzeit hat, denn es gibt in den meisten Vorlesungssälen keine Steckdosen. Man kann entweder selbst mitschreiben, oder einfach einen Franzosen am Anfang oder am Ende der Vorlesung ansprechen und ganz lieb fragen, ob er einem seine Mitschriebe schickt. Am Anfang ist es ein bisschen schwierig, sich an die französische Rechtssprache zu gewöhnen, um ein eigenes gutes Skript zu schreiben und man ist ein bisschen auf die Franzosen angewiesen. Das wird aber von Tag zu Tag besser, und am Ende versteht man eigentlich auch alles. Man sollte aber generell darauf achten, dass das Skript relativ vollständig ist, denn in der mündlichen Prüfung am Ende kann der Professor theoretisch auch ganz kleine Details abfragen, wie etwa die Anzahl der Richter am europäischen Menschengerichtshof. Je nachdem wie gut man am Ende in der Prüfung abschneiden will, muss man eine Vorlesung aber nicht großartig nachbereiten. Mir ist aufgefallen, dass die Franzosen generell nur sehr sehr wenig mit dem Gesetz arbeiten und Fälle lange nicht so ausführlich besprochen werden, wie in Deutschland. Was ich aber insbesondere an den Vorlesungen im Europarecht und im Völkerrecht toll fand, war, dass man einen allumfassenden Überblick über die Institutionen und deren Aufgaben bekommt, sowie die politischen und historischen Grundlagen. Die mündliche Prüfung wird am Ende vom Professor selbst gehalten. Davor sollte man aber keine Angst haben, solange man sich darauf vorbereitet hat. Den etwaigen Prüfungszeitraum bekommt man sehr früh mitgeteilt, dass ganz genaue Prüfungsdatum aber erst relativ spät. Mir ist es zweimal passiert, dass Prüfungen am selben Tag waren. Aber am Ende habe ich alles geschafft. Alles was zu tun ist, ist das Skript auswendig zu lernen. Die Fragen waren, die meiste Zeit nicht sehr komplex und der Professor würde, einem auch jederzeit helfen, wenn man mal kurz auf dem Schlauch steht. Man sollte einfach zusehen, dass man zu jedem angesprochenem Thema ca. 4 Sätze sagen kann und das wird auf jeden Fall zum Bestehen reichen. Ich würde empfehlen, sich vor den Prüfungen jeweils 2 Wochen jeden Tag konsequent für 2-3 Stunden Zeit zu nehmen und sein Skript immer und immer wieder durchzulesen und so viel wie möglich davon auswendig im Kopf zu behalten. Zusammenfassend würde ich also sagen, dass die Qualität des Studiums in Frankreich generell nicht allzu hoch ist und man in einem Jahr Jurastudium in Deutschland wirklich viel mehr lernt. Daher wäre meine Empfehlung wirklich seinen eigenen Interessen nachzugehen, denn wenn man mal ehrlich ist, dann hat man dazu in Deutschland viel zu selten die Gelegenheit. Wohnen: Ich persönlich habe während zwei Semestern im Studentenwohnheim in Cuques gewohnt. Zu Fuß ist das 15 Minuten von der Faculté de Droit entfernt, sowie 20 Minuten zur wunderschönen Altstadt und 10 Minuten zum Supermarkt Casino. Man hat also alles in Fußnähe. Es gibt zwei sehr sehr schöne Parks, Parc Jourdain und Parc de la Torse, in dem sich überall Studenten tummeln und gemeinsam Sport treiben, Gitarre spielen und natürlich auch die ein oder andere Flasche Wein konsumieren, sobald sich die Sonne zeigt. Und das passiert wirklich sehr oft! Während man im August und September bei über 30 Grad quasi die ganze Zeit nur an den Strand rund um Marseille geht, ist das Wetter eigentlich durchgehend warm
und die Winterjacke braucht man nur sehr selten. Sogar im Februar waren es öfters mal über 25 Grad. An sich darf man vom Studentenwohnheim keinen großen Luxus erwarten. Ein Zimmer kostet dafür aber nur ca. 250 Euro im Monat und das ist für französische Verhältnisse wirklich sehr wenig. Man hat ein kleines Badezimmer mit Dusche, ein Einzelbett, zwei große Fenster, einen Schreibtisch, einen Kühlschrank, einen Schrank und genügend Stauraum im Regal auf ca. 10 Quadratmetern. Die Küche teilt man sich mit den anderen Studenten auf demselben Stock. Es ist zwar nicht luxuriös, aber man hat wirklich alles was man braucht. Das Internet und das warme Wasser funktionieren wirklich einwandfrei, und wenn es mal ein Problem geben sollte, dann ist tagsüber immer ein Ansprechpartner vor Ort. Insgesamt gibt es vier große Gebäude, in denen geschätzt 1.000 Studenten Platz finden können und es handelt sich um einen sehr sozialen Ort, an dem man ständig Leute kennen lernt und den Abend verbringen kann. Genau deswegen würde ich das Studentenwohnheim immer vor einem anderen Appartement in der Stadt vorziehen, weil man quasi den ganzen Tag unter Leuten ist. Während der Pandemie konnte man somit also trotzdem auch andere Franzosen kennen lernen und gemeinsam Kochen und Wein trinken und sich unterhalten, Musik hören, Karten spielen, den nächsten Roadtrip planen etc. Ich habe mir sagen lassen, dass die Küchen und die Gemeinschaftsräume der perfekte Ort zum Vorglühen sein sollen und danach alle gemeinsam in die vielen Bars in Aix gehen. Freizeit: Kommen wir zum schönsten Part, nämlich der Freizeit in der wunderschönen Provence. Diese kommt als Erasmusstudent nicht zu kurz, versprochen! :) Insgesamt ist Aix eine Studentenstadt voller junger Leute und einer Innenstadt, die quasi nur aus Geschäften, Bars und Restaurants besteht. Gerade wenn das Wetter schön ist, ist es wirklich immer voll. Wenn einem die Bars und Restaurants irgendwann zu teuer werden, dann holt man sich einfach ein paar Getränke in einem der vielen Supermarkte und geht auf den Place des Cardeurs in der Innenstadt, wo sich alle Studenten bis spät in die Nacht versammeln. Zumindest das konnte ich am Anfang sowie während der letzten Tage meines Aufenthalts genießen, nachdem die Corona-Regelungen gelockert wurden. Auch sehr zu empfehlen ist die Studentenbar Expresso, welches nur 5 Minuten vom Wohnheim entfernt ist und Getränke zu erschwinglichen Preisen anbieten. Außerdem kann man dort unter der Woche Salsa und Bachata Kurse belegen, was wirklich viel Spaß macht. Auf keinen Fall sollte man außerdem den wunderschönen Markt in der Innenstadt verpassen, der immer dienstags, donnerstags und am Wochenende stattfindet. Wenn man nicht gerade im Parc de la Torse Basketball, Fußball oder Volleyball spielt oder als Jogger seine Runden zieht, dann bietet die Universität hat zudem ein wirklich breites Sportprogramm an. Man muss sich jedoch relativ schnell dafür anmelden, denn die Plätze sind begrenzt. Zwei verschiedene Sportarten die Woche sind gratis und das Angebot lässt wirklich keinen Wunsch offen. Wieder eine tolle Gelegenheit, um Franzosen kennen zu lernen. Wenn eine Aix mal zu klein werden sollte, dann empfiehlt sich unbedingt ein Ausflug nach Marseille, um sich den alten Hafen anzuschauen, oder das hippe Viertel rund um den Cours Julien voller junger Leute zu bestaunen und die ein oder andere Bar zu besuchen. Mit dem Bus braucht man nur 30 Minuten. Während Aix nach einiger Zeit klein erscheint, hat Marseille ein richtiges Großstadt- Feeling. Als Mädchen sollte man dorthin aber nicht
unbedingt alleine hinfahren, vor allem nicht tagsüber, denn dann wird es rund um die Bahnhofsgegend und auch sonst gefährlich!! Unbedingt sollte man die Architektur des Mucem am Vieux Port bestaunen, einen Pastis trinken, die typischen Moules frites essen gehen, die Art Gallery und die Aussicht vom Rooftop von „Friche de la belle de Mai“ bewundern, und in einen der Rooftop Clubs zum Sonnenuntergang feiern gehen. Nach Marseille kommt man nur für 2 Euro am Tag, wenn man sich am Gare Routière in Aix oder am Bahnhof St. Charles in Marseille die sogenannte „Quartreize“ holt. Das ist quasi ein Ticket für Studenten, für das man nur ein Passbild benötigt und ansonsten gratis ist. Es lohnt sich wirklich, um die Gegend rund um Aix herum zu erkunden und ich kenne kaum jemanden, der es sich nicht hat machen lassen. Ab dem Bahnhof in Marseille kann man einen weitern Zug nach Cassis nehmen. Das ist eine kleine Fischerstadt, und wirklich mein Lieblingsort hier in der Gegend gewesen. Entweder man chillt dort am Strand, bewundert die kleinen bunten Gassen, wandert hoch zum Aussichtspunkt „Cap Canaille“ und schaut sich einen wunderschönen Sonnenuntergang an oder wandert von dort aus im wunderschönen „Parc Nationale des Calanques“ und hüpft ins türkisblaue Wasser. Eine der schönsten Calanques ist außerdem die Calanque de Sormiou, welche man von Marseille aus mit der U-Bahn gefolgt von einer kleinen Wanderung erreicht. Ein Highlight für die Wander- und Sportfans ist es außerdem, das Wahrzeichen der Provence, den Berg St. Victoire zu erklimmen. Von dort aus hat man eine fantastische Aussicht über die Provence, und kann sowohl die Berge als auch das Meer gleichzeitig sehen. Man kommt an den Ein- und Ausstiegspunkt ganz einfach mit dem Bus und kann sich am Gare Routière informieren, welche Linie dort hinfährt. Unbedingt empfehlenswert ist außerdem ein Trip nach Montpellier, für mich meine Lieblingsstadt im Süden neben Aix-en-Provence und Marseille voller junger Menschen, nicht zu teuren Cafés und Plätzen, Straßenkünstlern, dem Meer… Insgesamt ist Aix als Stadt und die Gegend drumherum für mich die perfekte Mischung aus Studium, Sonne, Meer, und wirklich spannenden Leuten von überall aus der Welt gewesen. Insbesondere im Studentenwohnheim leben ganz viele Leute mit den verschiedensten Hintergründen, und es kommt zu vielen wirklich sehr bereichernden Erfahrungen. Ich lege Aix-en-Provence allen Frankreich Liebhabern daher sehr ans Herz. Wegen Marseille als Großstadt direkt nebenan ist es meiner Meinung nach eine großartige Alternative zu Paris.
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