"Es ist Zeit, sich zu verändern" - Das Mobilitätsleitbild der Landeshauptstadt Wiesbaden - Mobilität 365
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„Es ist Zeit, sich zu verändern“ Das Mobilitätsleitbild der Landeshauptstadt Wiesbaden Autorinnen und Autor: Prof. Dr. Andreas Knie Dipl.-Ing. Ina-Marie Orawiec Prof. Dr. Petra K. Schäfer
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Inhaltsverzeichnis Mobilitätsleitbild LHW Gutachten: Management Summary 1 Grußwort 3 7 Vorbemerkung 40 2 Das Leitbild 4 8 A usgangssituation Verkehr 2.1 Präambel – Wiesbaden verändert sich ....... 4 der Landeshauptstadt Wiesbaden 41 2.2 Allgemeine Mobilitätsziele ........................... 5 Rad- und Fußverkehr ................................ 6 9 Vorgehen 43 2.2.1 1 Grußwort 2.2.2 Pendlerverkehre ........................................ 7 9.1 Trichtermodell-Methodik ............................. 43 9.2 B ewertung der Verkehrsmittel nach Der Verkehr in der hessischen Landeshauptstadt nimmt Zudem haben wir auf das Wissen von rund 80 Wiesbadener 2.2.3 Wirtschaftsverkehre ................................. 8 ihren Stärken und Schwächen ..................... 46 seit Jahren zu und damit auch die Lärm- und Schadstoff- Organisationen aus den verschiedensten gesellschaftlichen 9.3 I dentifizierung von in Wiesbaden nicht belastung für Bürgerinnen und Bürger. Alle Verkehrspro- Bereichen gesetzt: Wir haben sie eingeladen, das Moblitäts- 2.2.4 Motorisierter Individualverkehr (MIV)... 10 umsetzbaren Verkehrsmitteln...................... 50 gnosen für Wiesbaden zeigen: Wir können nicht einfach leitbild für die Landeshauptstadt W iesbaden selbst zu er- 9.4 B ewertung verbleibender Verkehrsmittel nichts tun. Denn sonst stehen wir ziemlich bald vor einem arbeiten. Für die Stadtpolitik bedeutete dies, auch einmal 2.2.5 Stadt der kurzen Wege ............................. 12 anhand von Chancen und Risiken vor Verkehrskollaps. Schon heute droht Wiesbaden zu den Stoß- loslassen zu können, indem wir Bürgerinnen und Bürger dem Hintergrund von Megatrends ............. 52 zeiten am Verkehr zu ersticken. Die gemessenen Schadstoff- gestalten lassen. Wir haben Verantwortung übertragen, und 2.2.6 Der öffentliche Verkehr ............................ 14 werte führen uns das tagtäglich schmerzhaft vor Augen. der Großteil der eingeladenen O rganisationen hat mit ihren 3 Ausgangslage 16 10 B usliniennetz und tangen Wir spüren in Politik und Verwaltung den Handlungs- Vertreterinnen und Vertretern diese Verantwortung gerne übernommen. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Denn durch druck, so dass wir bereits auf ein drohendes Dieselfahr- 3.1 Der Stadtverordnetenbeschluss tiale Verbindungen 57 verbot September 2018 mit einem umfassenden Maßnah- ihr zeitliches und inhaltliches Engagement ist ein Mobili- zum Mobilitätsleitbild .................................. 20 menplan reagiert haben. Wir müssen aber noch mehr tun tätsleitbild entstanden, das uns den Weg weist, wohin wir 4 Vorgehensweise 22 11 Szenarien 59 und wir müssen es gemeinsam tun. Die teils sehr hitzigen unsere Mobilität in den kommenden zehn bis 20 Jahren Diskussionen um neue Verkehrsprojekte zeigen, dass wir entwickeln sollen. Die Frage „was wollen wir?“ ist mit die- 4.1 Die Teilnehmer ................................................. 25 12 einen Austausch in der Stadtgesellschaft darüber brauchen, sem hier vorliegenden Leitbild mit konkreten Umsetzungs Fazit 61 wohin sich unsere Mobilität in den nächsten Jahren ent- vorschlägen beantwortet. Und ich gebe gerne zu, dass ich 4.2 Die eingeladenen Organisationen, wickeln soll. Daher haben wir den Mobilitätsleitbildprozess sehr angetan war, wie respektvoll die Teilnehmerinnen Fraktionen und städtischen Ämter ........... 26 13 Anhang: Begriffsabgrenzung 63 gestartet, den das Stadtparlament mit großer Mehrheit be- und Teilnehmer miteinander umgegangen sind. Trotz teil- 5 Die Symposien 28 schlossen hatte. Wir haben etwas Neues probiert, und es hat weise sehr unterschiedlicher Anschauungen gab es für die sich gelohnt. Der Leitbildprozess ist in seiner Herangehens- meisten vorgeschlagenen Maßnahmen einen Konsens un- 5.1 Symposium Urbanisierung .......................... 28 14 L iteratur und Quellen zum weise und Tiefe einmalig in Deutschland. Es ist unheimlich ter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Denn – so habe Gutachten zur Prüfung viel Expertenwissen zu Zukunftsthemen eingeflossen, wir ich das wahrgenommen – alle Beteiligten hatten ein Ziel 5.2 Symposium Gesundheit ................................ 31 innerstädtischer Verkehrs- haben zu wichtigen Verkehrsfragen neue Fachgutachten in- vor Augen, nämlich Wiesbaden lebenswerter zu machen. mittel des Öffentlichen nerhalb des Prozesses beauftragt. Packen wir es also an! 5.3 Symposium Konnektivität ........................... 33 Personennahverkehrs in Wiesbaden. 64 5.4 Symposium Sicherheit .................................. 35 Ihr Andreas Kowol 6 Literaturhinweise/Studien 37 15 Impressum 71 Dezernent für Umwelt, Grünflächen und Verkehr der Landeshauptstadt Wiesbaden 3
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden 2 Das Leitbild 2.1 Präambel – Wiesbaden verändert sich Klimakrise, Digitalisierung und demografischer Wandel erhält Vorfahrt, die Angebotsqualität wird durch flexible Er- stellen große und globale Herausforderungen für die moder- gänzungen so erhöht, dass Punkt-zu-Punkt-Verkehre mög- nen Gesellschaften dar. Besonders im Brennpunkt stehen lich werden. Wiesbaden bekennt sich dazu, dass in einer die Städte. Hier entscheidet sich, ob mit technischen und lebenswerten Stadt weniger öffentlicher Parkraum für pri- mit sozialen Innovationen die Probleme angemessen bear- vate Nutzungen vorgehalten wird. Motorisierte Individual- beitet und neue Lösungen gefunden werden können. Wies- verkehrsmittel sind in der Nähe und in allen Qualitäten im baden möchte sich diesen Herausforderungen in besonde- Sharing-Modus verfügbar. Hohe Flexibilität und Individua- rem Maße stellen. Denn Wiesbadens Innenstadt verfügt wie lität werden mit einer hoch effizienten Flächennutzung ver- nur wenige Großstädte in Deutschland über eine kompakte bunden. Alle Verkehrsmittel sind durchgängig digital ver- Struktur mit historisch wertvoller Bausubstanz. Die Stadt fügbar und fahren zunehmend mit regenerativen Energien. entwickelt sich in einem wirtschaftlich prosperierenden Mit einem Klick sind alle Optionen sofort und barrierefrei Umfeld mit sehr engen Verflechtungen im Ballungsraum nutzbar. Für die Pendler werden Abstellgelegenheiten am Rhein-Main. Wiesbaden ist sich bewusst, viele Jahrzehn- Rande der Stadt geschaffen. 2.2 Allgemeine Mobilitätsziele te Planungsprinzipien gefolgt zu sein, die den Stadtraum funktional gegliedert und die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Um diesen Prozess anzuschieben, hat die Stadt gemeinsam Vor dem Hintergrund starker Verkehrsbelastungen und Hier hat der ÖV Potenzial, neue Fahrgäste zu gewinnen. Als Einkaufen und Kultur räumlich weit auseinandergezogen mit Bürgerinnen und Bürgern und der Wissenschaft einen h oher Schadstoff- und Lärmimmissionen soll mit dem Alternative zum Auto ist auch der Ausbau eines sicheren haben. Nach diesen Planungen und dem daraufhin entstan- Leitbildprozess initiiert und entlang der Querschnittsthe- Mobilitätsleitbild ein Prozess starten, der Mobilität in der Radwegenetzes und der Fußwege zu sehen. Diejenigen, die denen baulichen Umfeld wurde dem Automobil eine sehr men „Urbanisierung“, „Gesundheit“, „Sicherheit“ und „Kon- hessischen Landeshauptstadt neu organisiert. Nur knapp ist ein berechtigtes Anliegen haben, mit dem Pkw ihr Ziel zu er- große Bedeutung eingeräumt und die Stadt primär als ein nektivität“ eine Bestandsaufnahme erarbeitet und gemein- die Stadt Wiesbaden 2018 einem Dieselfahrverbot entgan- reichen, sollen das auch weiterhin tun können, etwa um Un- Transitraum begriffen. Der öffentliche Verkehr, die Fahrrad- same Planungsprinzipien entwickelt. gen. Trotz eines umfangreichen Maßnahmenplans zur Luft- ternehmen und Geschäfte beliefern oder (Pflege-)Dienstleis- infrastruktur und der Fußverkehr erhielten in diesen Jahren reinhaltung wurden die Stickstoffdioxid-Grenzwerte im Jahr tungen erbringen zu können. eine weniger hohe Priorität. Wiesbaden möchte dies verän- Wiesbaden bekennt sich zu Toleranz, zur Weltoffenheit und 2019 wieder überschritten. Die Verkehrsbelastung hat wei- dern und im Rahmen der kommunalen Möglichkeiten eine zur Vielfalt der Möglichkeiten. Die Rückgewinnung von ter zugenommen. Nach wie vor hat der motorisierte Indivi- Doch ist Mobilität auch eine stadtplanerische Aufgabe. Stadt entwickeln, die mit kurzen Wegen ein Höchstmaß an mehr Aufenthaltsqualität wird dabei nicht ohne Verände- dualverkehr eine Vorrangstellung im Straßenverkehr. Von Denn Ziel muss es auch sein, Mobilität zu vermeiden. Die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit schafft. Die hessische rungen von Routinen und Gewohnheiten einhergehen, der einer Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer ist nicht Digitalisierung macht es möglich, dass Menschen von zu- Landeshauptstadt bekennt sich zur individuellen Mobilität Prozess des Umbaus auch nicht über Nacht gelingen. Wies- zu sprechen, gegenseitige Rücksichtnahme wird vermisst. hause aus arbeiten, sodass Pendlerverkehre deutlich redu- in einer freiheitlichen Grundordnung und möchte dazu aber baden verfügt über eine Stadtgesellschaft, die Veränderun- Ein Schlüssel für besseren Umwelt- und Klimaschutz, für ziert werden können. Wenn in Stadtquartieren wieder alle neue Wege gehen und die Stadtgesellschaft zum Treiber gen aber als Chance begreift, um mit den neuen digitalen weniger Lärm und Staus und eine lebenswerte Stadt ist die Angebote des täglichen Bedarfs (Einkaufen) und öffentliche dieser Transformation machen. Optionen auch tradierte Denk- und Handlungsmuster zu Reduzierung des Autoverkehrs auf Wiesbadens Straßen so- Einrichtungen wie Schulen und Kindertagestätten fußläufig überwinden und damit auch ein neues städtisches Selbst- wie ein insgesamt emissionsfreier Verkehr. Zu reduzieren erreichbar sind, entfällt die Notwendigkeit, längere Wege Die Stadt will gewährleisten, dass dies in einer modernen, wertgefühl zu schaffen. Allen Beteiligten ist dabei bewusst, ist nicht nur der fließende Verkehr, sondern auch der Park- mit dem Auto zurücklegen zu müssen. Für all das sind neue zukunftsfähigen Form geschehen kann. Wiesbaden möchte dass tradierte Denkschemata und eingeschwungene und verkehr, denn die vom Auto belegten Flächen können und Mobilitätskonzepte nötig, die nicht an den Stadtgrenzen die veränderten Wertepräferenzen sowie die Herausforde- stabilisierte Routinen diesen Wandel blockieren und er- sollen anders genutzt werden. Etwa für Fuß- und Radwege Wiesbadens enden dürfen. Hier sind Kooperationen mit rungen einer nachhaltigen Wirtschaft zu einer neuen Ge- schweren können, dass unterschiedliche Interessen existie- oder für öffentlichen Raum, in dem Menschen miteinander anderen Kommunen und auf Kreis-, Landes- und Bundes- staltungskraft für den Stadtraum kombinieren und nutzen. ren und Konflikte unausweichlich sind. interagieren. ebene nötig, etwa für Fahrrad(schnell-)wege, Ladestationen Wiesbaden wird sich dabei verändern und Korrekturen an oder P+R-Plätze. Das Mobilitätsleitbild soll daher der Auf- früheren Planungsgrundsätzen vornehmen. Die Mobilität Aber aus der Einsicht in die Notwendigkeit des Wandels Der Verzicht auf das eigene Auto muss aber auch attraktiv takt und das Mittel sein, um Verkehrsstrukturen zu ändern soll dabei umfassender, vielfältiger verstanden werden, die zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen wird dies als eine und machbar sein. Dazu muss sich auch der öffentliche Ver- und Ideen zu pilotieren. Weil sich nicht in einem Zuge die Aufenthaltsqualität erhöht, die Ressourcen geschont und Chance für alle begriffen. Wiesbaden lädt seine Bewohner, kehr (ÖV) verändern; er muss seine Angebote deutlich aus- gesamte Stadt umbauen lässt, sollen Experimente in abge- die Raumaufteilung gerechter werden. Oberstes Prinzip bei seine Gäste und seine Nachbarn ein, hieran in einem of- weiten und sie kostengünstiger anbieten. Der Fahrkomfort, grenzten Stadträumen durchgeführt und bei Erfolg ausge- der Planung der Verkehrswege ist die Effizienz des Trans- fenen Prozess mitzuwirken und die Rückgewinnung des aber auch Kapazitäten müssen deutlich zunehmen, damit weitet werden. Hierfür braucht es Mut zur Vision und Mut, portes. Der öffentliche Raum wird so gestaltet, dass zu Fuß Stadtraumes als ein Gemeinschaftswerk für mehr Lebens- mehr Bürgerinnen und Bürger freiwillig umsteigen. Vor al- Dinge zu ändern. Nun muss der Prozess starten – in einem gehen und Radfahren eine neue Qualität erleben. Der öf- qualität zu verstehen und voranzubringen. Es ist Zeit, sich lem bei der Reisezeit ist das eigene Auto oft dem öffentlichen ideologiefreien Miteinander, so die Erwartungshaltung der fentliche Verkehr mit Bussen und gegebenenfalls Bahnen zu verändern. Nahverkehr überlegen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Leitbildprozess. 5 4
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden 2.2.2 Pendlerverkehre ● Dauerparker sind in umliegende Parkhäuser zu verlegen. Pendler belasten mit den von ihnen verursachten Durch- gangsverkehren die Innenstadt Wiesbadens. Zudem sorgen ● F alschparken, vor allem auf Radspuren- und Gehwegen, dezentrale Arbeitsstandorte und Auspendler in die Region muss schärfer als bisher kontrolliert und geahndet für eine Überlastung des Straßennetzes. Für Fernpendler ist werden. das ÖPNV-Angebot in Wiesbaden jedoch nicht attraktiv ge- nug. Wiesbaden ist zwar als ICE-Halt ausgebaut, es fahren ● D as Pendeln mit dem Fahrrad bzw. Pedelec soll durch aber nur wenige ICE-Züge Wiesbaden an. Da an den Arbeits- gute, sichere und witterungsgeschützte Abstellanlagen standorten viele Pkw-Stellplätze für Mitarbeiter vorgehal- an den Umstiegspunkten attraktiver werden. Wiesbaden ten werden und das Radverkehrsnetz Lücken hat, ist für vie- braucht zudem zentrale Fahrradparkhäuser. Parkhäuser le Pendler das Auto nach wie vor die attraktivste Variante sollen auch für Fahrräder genutzt werden können. zur Arbeit zu kommen. ● D as Sharing von Pedelecs soll ermöglicht werden, um die Auch das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Stadtmobilität zu verbessern, aber auch, um die Stadt- mitunter schwierig. Und da die Reisezeit mit dem Pkw oft- Umland-Verbindungen auszubauen. Ferner sind Ladesta- mals kürzer als mit dem öffentlichen Verkehr ist auch tionen für Pedelecs vorzusehen. d eshalb das Auto häufig das bevorzugte Verkehrsmittel. 2.2.1 Rad- und Fußverkehr Zwar ist die Verbindung zwischen den Bahnhöfen insge- ● Ampelschaltungen sind fußgängerfreundlich einzurichten. samt gut, die Bahnhöfe selbst sind aber oft weniger gut zu Die Möglichkeiten für den Rad- und Fußverkehr sind vor al- Um die Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs zu erreichen. Ebenso schrecken lange Wartezeiten auf die lem im Nahbereich mit neuen Wegestrecken auszubauen. Die erhöhen werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen: m Schulwege sicherer zu gestalten, sind Querungen von ● U nächste Verbindung ab, sodass eine Taktverdichtung not- Planung von Rad- und Fußwegen soll dabei das Sicherheits- Straßen zu vermeiden. wendig ist, um den ÖV für Pendlerinnen und Pendler attrak- bedürfnis der Verkehrsteilnehmer in den Fokus rücken. Die ● D ie Hauptfahrradrouten sind besser auszubauen, um die tiver zu machen. Verkehrsplanung soll sich an den schwächsten Verkehrsteil- Reisegeschwindigkeit und die Sicherheit für die Nutzer zu ● Wiesbaden soll neue Fahrrad- und Spielstraßen ausweisen. nehmern wie Kindern, ältere Menschen oder Menschen mit erhöhen. Ebenso müssen die Lücken im Radwegenetz ge- Sowohl die Stadt Wiesbaden als auch die Arbeitgeber sind Mobilitätsbeschränkung orientieren. Die Verkehrsmittel sol- schlossen und Radschnellverbindungen geschaffen wer- ● A uf bestimmten Bewegungsachsen sollen Radfahrer und gefordert, die beschriebene Situation für und durch Pendle- len störungsfrei voneinander getrennt werden, um Sicherheit den. Konkret wird ein Radweg auf der Erich-Ollenhauer- Fußgänger Vorrang erhalten und Straßen leichter queren rinnen und Pendler zu verbessern. für die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu schaffen. Straße gefordert. können, etwa durch eine Verlängerung der Grünzeiten. Durch eine digitale Verkehrslenkung in Echtzeit kann das Dafür sind folgende M aßnahmen umzusetzen: Um die Attraktivität der Rad- und Fußwegebeziehungen zu ● D ie Innenstadt soll fahrradgerechter und sicherer wer- optimiert werden. erhöhen, ist es notwendig, die Flächenaufteilung der Stadt, den. Dabei ist zu prüfen, ob Radfahren überall in der Kern- ● S tellplätze bei den Arbeitgebern sollen reduziert und die die heute deutlich zugunsten des motorisierten Individual- stadt erlaubt sein sollte. ● F ür den Fußgängerverkehr ist eine klare, für Kinder und Kommunikation über die Anfahrt mit dem öffentlichen verkehrs ausfällt, zu verändern. Es ist anzustreben, dass ältere Menschen geeignete Orientierung notwendig. Verkehr verstärkt werden. die Fahrzeugmengen im ruhenden und fließenden Verkehr ● B reite Straßen in Wiesbaden sind besser aufzuteilen, um reduziert werden, um Raum für Radfahrer und Fußgänger den Radverkehr sicher zu führen. Von Fußwegen getrenn- ● F ußgängerzonen müssen weiter errichtet und ausgebaut ● Arbeitgeber sollen aktiv Fahrgemeinschaften unterstützen. zu schaffen. Gegenüber dem Auto sind gleiche Rechte te Radwege erhöhen auch die Sicherheit von Fußgängern. werden. für Radfahrer und Fußgänger zu erreichen. Radfahrer sollen nicht in die Situation kommen, auf ● D urch Park-und-Ride-Anlagen an der Stadtgrenze und Gehwege auszuweichen. Gehwege sollen breiter werden. e iner Anbindung mit Shuttles oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitgeber kann der Durchgangs- ● D ie Vernetzung mit den Nachbarkommunen, zu und un- verkehr reduziert werden. Hier sollen sich die Arbeitgeber ter den Vororten ist zu verbessern. aktiv einbringen. Auch eigene Shuttleangebote großer Arbeitgeber zu den Wohnstandorten wären eine O ption. ● F ür den Fußverkehr sollen lokale Strukturen bequemer erreichbar sein. ● U m das Radfahren für Berufspendler attraktiver zu gestalten, sollen Anreizsysteme durch den Arbeitgeber, ● E s ist Fußgängern zu ermöglichen, Straßen in einem Zug beispielsweise Urlaubstage für Radkilometer, angeregt und ohne Wartezeit auf der Mittelinsel sicher zu überque- werden. Positive Beispiele wie das Stadtradeln sind aus- ren. Das darf auch zu Lasten des Autoverkehrs umgesetzt zubauen. Am Arbeitsplatz müssen Abstellanlagen, Um- werden. kleiden und Duschen das Radfahren unterstützen. 7 6
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Vor allem aber soll das Angebot im öffentlichen Verkehr Die vorhandenen Lieferzonen sind oft widerrechtlich von ● A lternative Anlieferungen durch die Bahn oder das Schiff verbessert werden. Hier sind folgende Maßnahmen Dauerparkern belegt und durch den hohen Parkdruck ist die sollen durch Gleisanschlüsse in neuen Gewerbegebieten wünschenswert, die vor allem Pendlerinnen und Versorgung der Gebiete nur eingeschränkt möglich, da bei- und die Nutzung der Aartalbahn-Trasse, beispielsweise zur EINPENDLER NACH WIESBADEN Pendler betreffen (siehe auch unter öffentlicher Verkehr spielsweise Müllfahrzeuge und Rettungskräfte nur schwer Belieferung von Henkel, ermöglicht werden. Dabei könnte unter 2.2.6): einfahren können. Da die Warenströme oft zu kleinteilig sind auch der Rheinhafen von Infraserv für externe Nutzer ge- Vogelsbergkreis Gießen 79 und zu viele Fahrzeuge einzelne Lieferungen bringen, wird öffnet werden. Eine interkommunale Zusammenarbeit ist Fulda 315 240 ● D urchgehende Schienenverbindungen sollen ohne Um- der Verkehr zusätzlich durch Lieferfahrzeuge belastet. Um hier erstrebenswert. Limburg-Weilburg 2.322 Wetteraukreis stiege ermöglicht werden, etwa durch eine CityBahn. eine Verbesserung zu erreichen, sollen die Lieferverkehre op- Hoch- 678 Main-Taunus-Kreis Taunus- kreis timiert beziehungsweise gebündelt werden. Das Ziel muss ● U m den Wirtschaftsverkehr, vor allem den Lieferverkehr 5.634 1.035 Rheingau-Taunus- Kreis Main-Kinzig-Kreis 671 ● D ie Ländchesbahn soll ausgebaut und elektrifiziert wer- aber immer sein, dass Unternehmen nicht von Warenströmen und den Handwerkerverkehr besser bewältigen zu können, Frankfurt 18.931 Mainz am Main 3.872 435 den und in einem engeren Takt fahren. abgeschnitten werden. Ein Beispiel für große Warenströme muss das Straßenparken von Privatfahrzeugen in der In- 8.356 194 Mainz-Bingen Groß-Gerau 1.165 113 ist der Infraserv-Industriepark Kalle-Albert. Dort werden be- nenstadt reduziert oder komplett in die Parkhäuser verla- 6.312 4.422 ● D ie stillgelegte Aartalbahn soll wieder für den Durch- reits heute Waren mit Schiffen über den eigenen Hafen, über gert werden. Darmstadt- Darmstadt Dieburg 668 938 Miltenberg Alzey-Worms 1.630 Odenwaldkreis 99 gangsverkehrs genutzt werden. die Schienenanbindung, aber auch mit durchschnittlich 75 Worms 172 Bergstraße 381 40 Lkw pro Tag angeliefert. ● K ostenfreies Parken in der Innenstadt muss ausgeschlos- ● I nsgesamt sollen mehr Tangentialverbindungen im öf- sen werden. Die Flächen im Straßenraum sollen vorrangig fentlichen Verkehrsnetz etabliert werden. Das betrifft Zur Sicherung des Industriestandorts darf es nicht zu Be- als Lieferzonen und für Handwerker zur Verfügung stehen. Einpendler vorrangig das Busnetz. schränkungen des Warenverkehrs kommen. Auch Handwer- Dabei müssen die Flächen durch das Ordnungsamt kont- 500 ker müssen ihre Kunden mit dem Fahrzeug erreichen können. rolliert und das Falschparken geahndet werden. 1.000 ● E ine bessere Verbindung im öffentlichen Verkehr Ein für das gesamte Rhein-Main-Gebiet gültiger Handwerker- 5.000 10.000 zwischen Idstein und Wiesbaden ist wünschenswert. ausweis ermöglicht, dass Handwerker auf legalen Stellplätz ● H andwerker, die nicht aufgrund ihrer Tätigkeit direkt vor 19.000 en kostenfrei parken dürfen. Oftmals fehlen aber freie Stell- der Haustür stehen müssen, sollen in festgelegten Berei- ● A llgemein soll die Verknüpfung zwischen den Linien, flächen im öffentlichen Raum. chen der Straße parken können. vor betrifft vorrangig Busse allem die Taktung, verbes- sert werden, auch der Schienenverkehr in die Region soll Um die Situation für die Wirtschaftsverkehre zu ● L astenfahrrädern sollen ebenfalls eigene Parkbereiche im AUSPENDLER ausgebaut werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass verbessern, sind folgende Maßnahmen umzusetzen: Straßenraum zugeordnet werden, in der Neufassung der AUS WIESBADEN auch Schichtarbeiter den öffentlichen Verkehr zukünf- StVO ist hierzu leider keine Regelung vorgesehen. Vogelsbergkreis tig besser nutzen können. Die Regionalbahn Vias soll ih- ● I nsgesamt müssen mehr Lieferzonen, auch in den Rand- 11 Gießen Fulda ren Takt auf 10 Minuten verkürzen. Vor allem Fernpend- bezirken und Vororten, ausgewiesen werden. ● F ür Inhaber von Geschäften ist eine definierte Anzahl an 97 Limburg-Weilburg 43 ler sind auf eine Expressverbindung angewiesen, die sie kostenfreien Parktickets für Lieferfahrten vorzusehen. 333 Hoch- Wetteraukreis 253 schnell ans Ziel bringt. ● B ei Neubaugebieten sind immer Lieferzonen und Liefer- Taunus- Main-Taunus-Kreis 4.661 kreis 946 konzepte mitzudenken. ● H andwerkern und Pflegediensten sollen durch Förderpro- Rheingau-Taunus- Main-Kinzig-Kreis Kreis 4.547 Frankfurt 339 ● E rgänzend zu einem besseren Angebot von Verbindun- jekte der Umstieg auf elektromobile Fahrzeuge erleichtert am Main 391 Mainz 8.701 12.132 57 gen und Taktung soll das Jobticket für das ganze RMV- ● L ieferzonen sollen intelligent bewirtschaftet werden: Den werden. 1.028 73 Mainz-Bingen 1.470 Groß-Gerau 4.235 Darmstadt Gebiet und Rheinhessen ausgeweitet werden (für priva- Lieferanten soll durch digitale Hilfsmittel ein Lieferbereich Darmstadt- Alzey-Worms Dieburg 341 Miltenberg 836 te Unternehmen aber auch Bundesbehörden). Die freigegeben werden, um widerrechtliche Nutzung zu ver- ● D ie Infrastruktur soll für Lkw nutzbar bleiben und die Be- 250 27 Odenwaldkreis 22 Verkehrsunternehmen sollen aktiv Arbeitgeber über die hindern. Dabei soll auch sichergestellt werden, dass kurze lieferung Wiesbadener Unternehmen in die Region verbes- Worms Bergstraße 63 118 Angebote des öffentlichen Verkehrs beraten. Parkzeiten eingehalten werden, um einen stetigen Um- sert werden. schlag zu ermöglichen. Lieferungen sollen auch in Rand- zeiten möglich sein. Das städtische Projekt Digi-V soll hier ● N ur noch Lkw mit Rundumsicht und entsprechenden Auspendler Sicherheitssystemen sollen in die Innenstadt fahren dür- zur Unterstützung von Digi-L genutzt werden, um den Lo- 100 gistikern die Planung zu erleichtern. fen, um die Sicherheit der Radfahrer und Fußgänger zu 500 2.500 e rhöhen; dies betrifft auch städtische Fahrzeuge wie 5.000 2.2.3 Wirtschaftsverkehre ● N icht jede Lieferung muss einzeln bis zum Empfänger beispielsweise Müllfahrzeuge. 12.500 gebracht werden. Mikrodepots mit Feinverteilung durch Zum Wirtschaftsverkehr werden alle Fahrten der dienstlichen Lastenräder, eine Lieferung an Abholstationen oder ● U nterirdische Flächen für Lagerung und Lieferung, s ollten Mobilität gezählt: Dazu gehören alle Dienstfahrten, Ausliefe- eine zentrales Warendepot mit einer Quartiers z.B. in Tiefgaragen geschaffen werden. rung von Waren und Fahrten von Dienstleistern, Pflegediens- belieferung mit nur einem Fahrzeug werden benötigt. Quelle: Stau- und Pendlerstudie 2018 / Initiative PERFORM Zukunftsregion FrankfurtRheinMain ten und Handwerkern im Rahmen ihrer Tätigkeit. Aktuell Dabei sollte die Belieferung bis zur Haustür teurer sein ● D urch Pooling soll ist der Liefer- und Warenwirtschafts- sind zu wenig Lieferzonen in Wiesbaden vorhanden. als andere Belieferungen. verkehr zu optimieren. 9 8
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden 2.2.4 Motorisierter Individual verkehr (MIV) Vergleich unterschiedlicher Die Reduzierung des Autoverkehrs in der hessischen Lan- ● D er öffentliche Verkehr muss generell ausgebaut werden, deshauptstadt ist eines der wesentlichen Ziele für die künf- um attraktive Alternativen zu schaffen (siehe auch unter Flächeninanspruchnahmen durch Pkw, tige Mobilität. Schadstoffemissionen und Lärm belasten öffentlicher Verkehr unter 2.2.6). Bus, Straßenbahn, Stadtbahn, Radfahrer Mensch, Klima und Umwelt. Reisezeitverluste durch tägli- che Staus bedeuten erhebliche Beeinträchtigungen für Pend- ● E in deutlicher Ausbau des Carsharing-Angebots ist und Fußgänger (pro Person) lerinnen und Pendler. Nicht zuletzt das drohende Dieselfahr- notwendig, um für alle Gelegenheiten Zugriff auf jeweils verbot wegen Grenzwertüberschreitungen bei Stickstoffdi- passende Fahrzeuge zu bekommen. oxid machen ein nachhaltiges Umdenken und Umlenken erforderlich. ● Durchgängig soll Tempo 30 eingeführt werden. Stillstand 30 km/h 50 km/h Die heutige Vorrangstellung des motorisierten Individual- ● A lle Verkehrsmittel müssen dekarbonisiert werden verkehrs soll durchbrochen werden. Eine Gleichberechtigung (CO2-frei). ca. 140 m2 unter Verkehrsteilnehmer ist anzustreben. In diesem Sinne muss der Stadtraum, müssen Verkehrsflächen neu aufgeteilt ● D ie Fahrzeugmengen im Straßenverkehr sind zu werden, um Straßen vermehrt für andere Verkehre wie Fuß- reduzieren. mit 1,4 gänger, Radfahrer, öffentliche Verkehre nutzen zu können. Personen besetzt ● E s braucht mehr öffentliche Ladestellen für E-Fahrzeuge. 65,2 m2 ● D ie Fahrspuren für den MIV auf dem ersten Ring müssen 41 m2 reduziert werden. ● D er Verkehrsfluss soll durch verbesserte Straßenführung optimiert werden. 13,5 m2 Um generell aufs Auto verzichten zu können, fehlen jedoch Verkehrsalternativen. Die Verkehrsverflechtung mit dem Um- ● M it autofreien Zonen, der Reduktion der Geschwindig- land, ein hoher Anteil älterer Menschen, der wenig attraktive keit auf 30 km/h oder sogar Schrittgeschwindigkeit soll 1,2 öffentliche Nahverkehr und die lauernden Gefahren für Kin- das Miteinander der unterschiedlichen Verkehrsarten m2 der lassen derzeit zweifeln, ob ein attraktives Leben ohne ei- gefördert werden. 15,9 m2 genes Auto machbar ist. Zumal Wiesbaden für eine wachsen- 2 de Zahl von Einpendlern ein Ziel ohne Alternativen ist. Arzt- ● W iesbaden braucht ein modernes und digital verknüpftes 8,6 m 2 9,0 m 2 8,7 m 8,1 m2 5,5 m2 5,4 m2 4,5 m2 besuche, Ämter und Einkaufsmöglichkeiten sind weitgehend Parkleitsystem. 2,8 m2 2,8 m2 2,8 m2 nur noch in der Innenstadt des Oberzentrums Wiesbaden und ca. 1,2 kaum noch in den Umlandgemeinden möglich. Geschäfte ● L eerstände in privaten Garagen und Parkreserven in Park- 0,95 m2 m2 müssen liefern und beliefert werden. Der Autoverkehr wird häusern sollen genutzt werden, um den ruhenden Verkehr also auch in absehbarer Zeit eine wichtige Rolle in Wiesba- im öffentlichen Straßenraum zu reduzieren. den spielen. Dennoch hat die Landeshauptstadt mit ihrer Stadtstruktur das Potenzial, Mobilität, ohne ein eigenes Auto ● I n Quartiersgaragen sind intermodale Mobilitätsangebote 20% Straßenbahn Stadtbahn max. 40% zu besitzen, attraktiv und möglich zu machen. zu schaffen. / Tram / Light Rail 4 km/h besetzt besetzt 20% besetzt 20% besetzt Folgende Maßnahmen sind dafür umzusetzen: ● E in Netz von inter- und multimodalen Mobilitätshubs im Stadtgebiet soll Stadtbewohnerinnen und -bewohnern Flächen ermitteln sich aus Fahrzeuglänge und Breite der benötigten Verkehrsfläche sowie dem zugehörigen Bremsweg plus doppelten ● F ahrspuren sind zurückzubauen und Parkmöglichkeiten erleichtern, auf einen privaten Pkw zu verzichten und den Reaktionsweg als Sicherheitsabstand. Zugrunde gelegte Bremsverzögerungen (Betriebsbremsungen) und Fahrstreifenbreiten entspre- für das Auto im öffentlichen Straßenraum zu reduzieren. Umstieg auf die emissionsfreie Mobilität fördern. chen RASt 06: Pkw (3,858 m/s2, 3 m (30 km/h) / 3,5 m (50 km/h)), Bus (2,5 m/s2, MB Citaro 12m, 4,25 m (30 & 50 km/h)), Straßenbahn im Für Parkplätze sind weniger Flächen im öffentlichen Raum Mischverkehr (1,35 m/s2, Dresden NGT D12DD, 3,25 m (30 & 50 km/h)), Stadtbahn auf eigenem Bahnkörper (1,8 m/s2, Stuttgart SSB DT zur Verfügung zu stellen. Als letzter Schritt sind auch ● Z ur Verkehrsentlastung ist über die Einrichtung weiterer 8.11, 3,7 m (30 & 50 km/h)), Fahrrad (3,5 m/s2, 1,5 m (30 & 50 km/h)) Berechnung: http://j.mp/streetspace | Daten Fußverkehr: Knoflacher (1993), www.zukunft-mobilitaet.net Maut-Systeme vorstellbar. Einbahnstraßen nachzudenken. 11 10
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Dabei ist sicherzustellen, dass die Steigerung der Aufent- ● L okale und dezentrale Dienstleistungen müssen gestärkt haltsqualität im Quartier nicht zu einer Verdrängung ein- werden. kommensschwächerer Bevölkerungsgruppen führt und eine Polarisierung in den Stadtquartieren zunimmt. Im Ergebnis ● D ie Vielfalt von Arbeitsplätzen, auch handwerklichen, entstehen lebendige, urbane und kompakte Räume, die es und Arbeitsformen vor Ort (Co-Working, Homeoffice, erlauben einen Großteil der täglichen Aktivitäten zu Fuß zu B ürogemeinschaften oder Gemeinschaftsbüros) ist zu erledigen oder zu Fuß erledigen zu lassen. fördern. Für ein urbanes Stadtquartier der kurzen Wege sind ● S tadträume müssen geschaffen werden, in denen Heimi- folgende Maßnahmen anzugehen: sche und Fremde das Notwendige schnell und einfach e rledigen können und die zugleich Platz schaffen für ● V ernetzte, barrierefreie, inklusive und integrative Verweilen und Begegnung, wie auch die Möglichkeit, Bewegungsräume sind zu schaffen. Distanz zu wahren. ● Mobilitätsknotenpunkte müssen fußläufig erreichbar sein. ● S tadträume sollen öfter und länger bespielt werden: z.B. durch alternative Nutzungen in Form zeitlich be- ● D ie Quartiere sollen intermodale Mobilität vorhalten, die grenzter Aktionen, saisonaler Regelungen: z.B. Bevorzu- 2.2.5 Stadt der kurzen Wege sich intelligent über die Stadt verteilt (Freefloating). Per gung von Fußgänger/innen und Fahrradfahrer/innen App sollen Angebote wie Car- oder Bikesharing dort ab- während der trockenen Wetterphasen, Teilsperrungen Bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere soll die Idee einer werden. Wiesbadens große Verkehrsachsen stellen für den rufbar und verfügbar sein, wo sie gebraucht werden. für Märkte, Public Viewing, Sommertheater, Feste, Kon- „Stadt der kurzen Wege“ die Planungen leiten. In dieser Stadt Fuß- und Fahrradverkehr Barrieren dar, die in den „Einzugs- zerte, um die Außensaison eines Stadtquartiers zu ver- der kurzen Wege sollen die Bedürfnisse nach Urbanität, ei- radien“ nicht berücksichtigt bzw. abgebildet werden. Würde ● Auf Kurzstrecken soll der ÖPNV kostenfrei sein. längern. ner arbeitsnahen Umgebung sowie Freizeit- und Einkaufs- die tatsächliche Erreichbarkeit in Zeit und Strecke zugrun- möglichkeiten erfüllt werden. So kann der Wandel zu einer de gelegt, könnten sich ÖPNV-Haltepunkte anders im Stadt- ● W egezeiten und der individuelle Zeitaufwand, um von ● D urch entsprechende Formate soll eine ortsspezifische entschleunigten und vom Zwang zur Mobilität unabhängi- gebiet verteilen. A nach B zu gelangen, sind im Sinne einer „Zeitgerechtig- „Kultur des öffentlichen Raums“ entstehen. gen, nachhaltigen Lebensweise gelingen. Die Digitalisierung keit“ zu reduzieren. ist hierbei eine Chance, denn sie ermöglicht es den meisten In der künftigen Stadtentwicklung sind Quartiere anzustre- ● B ekannte und erprobte Nutzungsformen wie die gemein- der abhängig Beschäftigten – zumindest theoretisch – ein ben, die weitgehend frei vom MIV sind und die es allen ● U nterversorgte Stadtteile oder Quartiere müssen stärker same und gleichberechtigte Verkehrsraumnutzung Arbeiten von zuhause bzw. von überall. Die Distanz zur Ar- Menschen erlauben, ihre Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder vom ÖPNV angefahren werden. (Shared Space) sind einzurichten. beit wird digital überwunden. Darüber hinaus verändert sich mit dem ÖPNV zurückzulegen, um eine gute Lebensqualität die Arbeit selbst und bietet das Potenzial aus reinen „Schlaf- zu erreichen. „Kurze Wege“ begünstigen Nachbarschaftspro- ● U m Einkaufszentren beziehungsweise die nächste Nah- orten“ lebendige Quartiere zu entwickeln. Die zunehmende jekte und das lokale ehrenamtliche Engagement. versorgung mit dem ÖPNV anzusteuern, soll ein Kurz- Ich fand es sehr gut, dass wir in einen Digitalisierung geht darüber hinaus einher mit neuen Pro- streckentarif eingeführt werden. so groß angelegten Beteiligungspro duktionsformen, die weniger Lärm, Gerüche und Abfall pro- Positivbeispiele für eine urbane Dichte, Nutzungsmischung zess gegangen sind. Wenn man so duzieren. Diese Entwicklungen begünstigen, die Arbeitsplät- und „kurze Wege“ sind das Westend, Dichterviertel, Rhein- ● F ür Quartiere müssen eigene Logistikkonzepte entwickelt ein dickes Brett wie das Mobilitätsleit- ze wieder näher an die Wohnorte zu rücken. gauviertel und Südost (im Bereich untere Biebricher Allee werden. Folgende Beispiele sind denkbar: Mikrodepots, bild in Wiesbaden bohrt, dann ist man bis Liliencarré). Kritisch zu sehen sind hingegen Entmi- Concierge Services für die Annahme von Paketen/Liefe- gut beraten, möglichst viele Interessen Das wiederum könnte die notwendige Passantenfrequenz schungstendenzen (alteingesessene Geschäfte, Arztpraxen, rungen z.B. im Café als Nachbarschaftsprojekt, etc.. einzubinden. Bei den Workshops war ich erst Apotheken, Postfilialen etc. schließen) in Biebrich, Sonnen- einmal skeptisch, ob da so viel herauskommt. Aber für Einrichtungen der Daseinsvorsorge generieren. Wenn dann war ich überrascht, wie viele Hinweise, Ideen, kurze Wege zu Einrichtungen des täglichen Bedarfs, Einzel- berg und Bierstadt. Eine fortschreitende Entmischung und ● E ine gute medizinische Nahversorgung muss gewähr Perspektiven dabei gegeben wurden, und das übri- handel, Mobilitätsknotenpunkten und Kultur- und Bildungs- Verödung ist den Stadtteilen Auringen, Frauenstein, Ram- leistet sein. gens bei einem sehr, sehr kollegialen Umgehen mit- einrichtungen hergestellt werden, kann gesellschaftliche bach, Naurod und Klarenthal zu beobachten. einander, trotz der sehr differenzierten Meinungen. Teilhabe entstehen und gleichzeitig motorisierter Individu- ● E in Mindestmaß an Geschäften zur Sicherung des alltäg- Auch das Zusammenspiel von Laien und Experten alverkehr vermieden werden. Dabei bezieht sich die Bezeich- Ziel muss es sein, die Eigenart von Wiesbadens Stadtquar- lichen Bedarfs muss sichergestellt werden. hat gut funktioniert. Schließlich sind beide wichtig nung „kurz“ nicht nur auf die räumliche Distanz (Luftlinie) tieren und damit ihren stadtgesellschaftlichen Wert zu för- für den Prozess: Ohne das Expertenwissen geht es hinsichtlich der Wegstrecke, sondern im gleichen Maße auf dern. Die spezifische Schönheit und Vielfalt von Stadtquar- ● M öglichst viele Einrichtungen des (erweiterten) täglichen nun mal nicht, und im Übrigen ist ja jeder Laie auch die Zeit, die benötigt wird, um von A nach B zu gelangen. Die tieren, aber auch die jeweiligen besonderen Rahmenbedin- Bedarfs sind an einem „zentralen Ort“ (z.B. Quartiers- Experte für seine eigenen Interessen. bislang angewandte Methode der Raumerschließung mit- gungen der dort lebenden Menschen sind zu achten. Der platz/Logistik-HUB) zu bündeln. Das gilt auch für öffent- Sabine Meder, IHK-Hauptgeschäftsführerin hilfe von „Einzugsradien“, in deren Mitte sich z.B. eine Hal- Zugang zu Grünanlagen und zu Gewässern muss dabei allen liche Einrichtungen wie z.B. Schulen und Kitas oder testelle befindet, muss an die realen Wegeverläufe angepasst gleichermaßen möglich sein. „Generations“-, Spiel- und Sportplätzen. 13 12
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden 2.2.6 Der öffentliche Verkehr Der öffentliche Verkehr ist für Teile der Gesellschaft nicht Kapazitäten mit K omfort und eine abgegrenzte ÖV-Trasse zu ● D er Kauf von Fahrscheinen sollte am Ticketautomaten ver- ● D er menschliche Service sollte vor allem für Menschen attraktiv genug und hat ein Imageproblem. Daher muss der schaffen. Auch die Reaktivierung der Aartalbahn kann für einfacht und insgesamt erleichtert werden (nicht mehr mit Beeinträchtigungen deutlich erhöht werden, um de- ÖV mehr in die gesellschaftliche Mitte rücken. Vor allem im den ein oder anderen in Betracht kommen. Gleichwohl gab beim Fahrer). Ein niederschwelliger Zugang zu Fahrschei- ren Kundenbedürfnissen wahrzunehmen und gerecht zu direkten Vergleich mit dem Auto verliert der ÖV in punkto es unter den Teilnehmern im Leitbildprozess auch einzelne nen ist notwendig. werden. Leitsysteme sollten um „Erklärer“ ergänzt wer- Reisegeschwindigkeit und Pünktlichkeit an Attraktivität, Gegner einer Straßenbahntrasse in Wiesbaden. Und letzt- den, so die Aufenthaltsqualität, aber auch soziale Kont- weil die Busse genauso im Stau stehen, wie auch die Auto- lich braucht es ein anderes Tarifsystem, das den ÖV güns- ● D ie Verkehrsmittel müssen besser miteinander vernetzt rolle steigt. pendler. Parkplätze im öffentliche Raum sind zu günstig, tiger und damit attraktiver macht. werden, und der Informationsfluss über die Angebote auch daher wird von den Nutzern das Auto gegenüber dem muss gewährleistet sein. ● D ie dynamische Fahrgastinformation soll ausgebaut ÖV bevorzugt. Außerdem ist der öffentliche Verkehr in Wies- Fo l g e n d e M a ß n a h m e n z u r Ve r b e s s e r u n g d e s werden. baden an seine Kapazitätsgrenzen gelangt, mit der Folge ÖV sind vorzusehen: ● Ö PNV-Knotenpunkte sollten durch Zusatzangebote, wie überfüllter Busse. Das Gedränge im Bus und die dichte Nähe zum Beispiel Paketabholstation, ausgebaut werden. ● K ulturtickets lassen sich mit dem ÖPNV-Ticket kombi- zu anderen Personen wird von vielen Menschen als unan- ● E ine Schienenverbindung ist in Wiesbaden auf eigener nieren. Über das Internet ist unbedingt eine Bestellmög- genehm empfunden. Es fehlt aber an Alternativen zum Bus, Trasse einzurichten (CityBahn/Aartalbahn). ● S ichere Fahrradabstellmöglichkeiten sind an Haltestel- lichkeit einzurichten. sodass ein ganzheitliches Lösungskonzept für alle Nutzer- len einzurichten. gruppen entwickelt werden muss. Es besteht Optimierungs- ● E s sind andere Verkehrsmittel notwendig, um mehr Ka- ● D er Neroberg sollte besser an den ÖV angebunden sein, bedarf im aktuell bestehenden Busnetz, so müssen die Tan- pazitäten zu schaffen. ● M it einer günstigeren und flexibleren Preisstruktur, etwa um ihn vom Autoverkehr zu entlasten. gentialverbindungen ausgebaut und das Streckennetz über- mit der Einführung eines 365-Euro-Tickets sollen neue sichtlicher gestaltet werden. ● T angentialverbindungen im Bussystem müssen einge- Nutzerpotenziale erschlossen werden. ● E s sind mehr Flussquerungen zwischen Mainz und Wies- richtet beziehungsweise ausgebaut werden. baden zu ermöglich, etwa durch Fähren und Barkassen. Die Vernetzung etwa nach Mainz oder zu anderen Möglich- ● E ine Mobilitätsflatrate für ein multimodales System keiten der Weiterfahrt ist unzureichend. Eine umfassende ● U m zu barrierefreien Fahrzeugen zu kommen, sollten sollte angeboten werden. ● Der ÖPNV sollte familien- und kinderfreundlicher werden. Regionalplanung ist hier erforderlich. Park-and-Ride-Ange- Bahnen eingesetzt werden. Auch um ausreichend Platz bote sowie sichere Fahrradabstellflächen an Haltestellen für Gepäck und Kinderwagen sicherzustellen. ● W enn Seniorinnen und Senioren freiwillig ihren Führer- ● H altestellen müssen attraktiver werden: sauber, fehlen. Ebenso fehlen „Mikromobile“, die sich mit dem ÖV schein abgeben, könnte ihnen eine kostenlosen ÖPNV- informativ und überdacht. kombinieren lassen. Die Aufteilung des Straßenraums muss ● M it dem ÖPNV sind neue regionale Verbindungen zu Ticket für einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestellt neu überdacht werden. Ein Problem ist, dass Busse entwe- schaffen (z.B. nach Taunusstein). werden. ● Das gesamte Erscheinungsbild des ÖV ist zu verbessern. der keine eigene Fahrspur haben oder die Fahrspur von „Wildparkern“ blockiert wird. So bedarf es einer eigenen ÖV- ● E xtratrassen sollten für den ÖPNV eingerichtet werden, ● D er Fahrkomfort muss dahingehend verbessert werden, or allem der Nachtverkehr der Busse soll verbessert ● V Trasse, auch zu Lasten des Autoverkehrs. Zu prüfen ist, wie um für mehr Schnelligkeit und Zuverlässigkeit zu sorgen. dass mehr Platz für Fahrgäste vorhanden ist. werden. stark man in den Parkraum eingreifen sollte, um Platz für Bussignalisierung sollen dort eingeführt werden, wo sie sichere Radwege oder für eine Bevorrechtigung des ÖV zu noch nicht vorhanden sind. ● D ie unterschiedlichen Anbieter des ÖV müssen besser ko- ● U nter dem Begriff Gleichberechtigung ist auch ein fairer erhalten. ordiniert und vernetzt werden. Digitale Angebote zur Ver- Wettbewerb zwischen Uber und Taxi zu verstehen. ● M ehr Direktverbindungen müssen angeboten und gebro- knüpfung der unterschiedlichen öffentlichen Verkehrs- chene Verkehre vermieden werden. mittel sind notwendig. ● P er App rufbare Mikrobusse bzw. On-Demand-Angebote von Tür-zu-Tür sind wünschenswert, um das Angebot an ● Die Taktfrequenz soll auf 5 Minuten erhöht werden. ● O n-Demand-Shuttles sind in Randbereichen und als ÖV-Mobilität erheblich verbessern zu können. In der Zu- „Querverkehre“ anzubieten. kunft sind für diese Zubringerverkehre auch autonome ● D ie Fahrgastströme zu den Hauptverkehrszeiten sind z u Shuttles vorstellbar. Teilweise sind es aber auch einfache Fragen des Services, die entzerren. ● P arkhäuser sollten als Mobilitätszentrale (mit Fahrrad- die Nutzung des ÖV in Wiesbaden beschwerlicher m achen: Das abstellflächen) genutzt werden. urch kostengünstigere Tarife, etwa durch die Einfüh- ● D Bussystem in Wiesbaden ist zu unübersichtlich, bei ausfallen- ● E s sind CO2-freie antriebsstarke Busse einzusetzen. rung eines 365-Euro-Tickets muss der ÖV attraktiver wer- den oder verspäteten Verbindungen fehlt es an der rechtzeiti- ● D er Park-Such-Verkehr kann durch ein verständliches den. gen Information, es gibt keine mehrsprachigen Informationen, ● Der Parkraum muss wirksam bewirtschaftet sein. Parkleitsystem vermieden werden. nicht einmal auf Englisch. Die Aufenthaltsqualität an Halte- ● Z wischen den Siedlungen am Stadtrand/Vororten sollen stellen, die oft zu kleine Flächen vorhalten, lässt oft zu wün- ● A usreichende Parkmöglichkeiten müssen nicht zwingend ● D ie Kurtaxe sollte das ÖPNV-Ticket beinhalten, um Tou- tangentiale Verbindungen eingerichtet werden. schen übrig, und nicht überall ist ein barrierefreier Zugang ge- im Quartier entstehen. risten für den ÖV zu gewinnen. geben. Es sind für eine Verbesserung des ÖV-Angebots viele ● F ahrerinnen und Fahrer von öffentlichen Verkehrsmit- kleine, aber auch große Lösungen, wie die Einführung einer ● G egen parkende Autos auf Busspuren muss verstärkt vor- ● E in Verbesserungsmanagement sollte installiert werden, teln sollen mit Respekt behandelt werden und angemes- Straßenbahn (Citybahn) in Wiesbaden nötig, um notwendige gegangen werden. um den ÖV nachhaltig attraktiver zu gestalten. sene Bezahlung erhalten. 15 14
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden 3 Ausgangslage TomTom Stau-Index 2019 (Top10 aus Deutschland)1 Rang Weltrang Stadt Überlastungsgrad Veränderung Vorjahr 1 70 Hamburg 34% ↑ 1% 2 94 Berlin 32% ↑ 1% 3 102 Wiesbaden 32% ↑ 8% 4 124 München 30% – 0% 5 129 Nürnberg 30% – 0% 6 132 Stuttgart 30% – 0% 7 135 Bonn 29% ↑ 2% 8 150 Kassel 28% 9 168 Bremen 27% ↓ 1% 10 174 Frankfurt am Main 27% ↑ 1% Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden belegt im Stau- sicherungspflichtig Beschäftigter steigt dabei die absolute Index von TomTom aus dem Jahr 2020 bundesweit Platz 3 Zahl an Pkw-Fahrten und angemeldeten Kfz. Bis zum Jahr nach den Metropolen Berlin und Hamburg.1 Die Verkehrs- 2030 prognostiziert die Stadt Wiesbaden einen Anstieg belastung kommt nicht von ungefähr. Das Auto ist anteilig um täglich 20.000 Pkw-Fahrten.3 Mit neuen Stadtteilen Die Stadtbevölkerung nimmt zu, ohne dass die Verkehrs- Belastung durch NO2 und andere verkehrsbedingte Schad- das meist genutzte Verkehrsmittel in Wiesbaden. Nach den beziehungsweise Stadtquartieren wie dem geplanten Ost- infrastruktur gleichziehen konnte. Dieses Bevölkerungs- stoffe. Vor allem für Menschen mit (chronischen) Atem- aktuellsten Modal Split-Zahlen (2018) liegt der Anteil des feld, Linde-Quartier oder Hainweg wächst Wiesbaden um wachstum, das einerseits für die Attraktivität und wirt- wegserkrankungen sind die gesundheitlichen Belastungen motorisierten Individualverkehrs (MIV) bei 49 Prozent. Da- tausende Neubürger.4 Zudem wird die Innenstadt nachver- schaftliche Prosperität der Metropolregion steht, stellt durch eine hohe NO2-Belastung nachgewiesen. mit ist der Anteil der Autofahrer in Wiesbaden weit höher dichtet. In den nächsten fünf Jahren wird Wiesbaden nach andererseits eine Herausforderung für die Mobilität der als in vielen vergleichbaren Großstädten. Die Nachbarstadt Berechnungen der städtischen Statistiker die 300.000-Ein- Zukunft dar. Die Verkehrsbelastung sorgt nicht nur für 1 https://www.tomtom.com/en_gb/traffic-index/ranking/ Mainz kommt beispielsweise auf einen MIV-Anteil von 39 wohner-Marke erreichen.5 Staus, sondern auch für schlechte Luft und Lärm. Nur 2 Rhein-Main-Verkehrsverbund, Forschungsprojekt Prozent. Auffällig ist in Wiesbaden der verhältnismäßig durch einen akribisch ausgearbeiteten Luftreinhalteplan „Mobilität in Städten – SrV 2018“, Verkehrserhebung Stadt Mainz niedrige Anteil an Radfahrern von 7 Prozent (Mainz: 17 Pro- Die Folge wäre eine völlige Überlastung des innerstädti- und ein umfassendes Maßnahmenpaket konnte Wies- 3 Amt für Statistik und Stadtforschung der Landeshauptstadt Wiesbaden zent).2 Bemerkenswert ist, dass sich die Modal Split-Zahlen schen Straßennetzes. Nach einer Prognose des Tiefbau- und baden im Februar 2019 einem gerichtlich angeordneten 4 Wiesbaden-Ostfeld, Bericht über vorbereitende Untersuchungen zu einem gegenüber der Erhebung aus dem Jahr 2013 kaum verän- Vermessungsamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden wird Dieselfahrverbot entgehen. städtebaulichen Entwicklungsbereich in Wiesbaden, Stadtentwicklungs- dert haben. Der MIV-Anteil ist wie der Anteil der Radfahrer die Zahl der Autofahrten bis zum Jahr 2030 um 60.000 pro gesellschaft um je einen Prozentpunkt gestiegen. Tag auf insgesamt rund 860.000 steigen. Die heute schon Die Stickstoffdioxidbelastung ist im Verlaufe des Jahres 5 Wiesbadener Stadtanalysen – Vorausberechnung der überlasteten Hauptverkehrsachsen wie der 1. Ring müssten 2019 zwar zurückgegangen, der Grenzwert von 40 Mikro- Wiesbadener Bevölkerung und Haushalte bis 2035 Auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) hat im demnach pro Tag noch mal bis zu 3.200 zusätzliche Fahr- gramm pro Kubikmeter wird aber weiterhin regelmäßig 6 https://www.hlnug.de/messwerte/luft Fünfjahresvergleich um einen Prozentpunkt zugelegt. Bei zeuge in einer Fahrrichtung pro Tag aufnehmen. Im Berufs- überschritten.6 Unter anderem die World Health Organizati- 7 http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/238956/Health_ wachsender Bevölkerung und einer Zunahme sozialver- verkehr wäre Stillstand programmiert. on (WHO)7 verweist auf die Gesundheitsgefahren durch eine risks_air_pollution_HRAPIE_project.pdf?ua=1 17 16
Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden Als besonders problematisch für die Gesundheit wird Dem Beschluss vom 23. Mai 2019 vorgelagert war ein Anteil der Verkehrsmittel an allen Wegen in dem o.g. WHO-Bericht der Verstärkungseffekt durch gemeinsamer Antrag der Rathaus-Fraktionen von SPD, die Kombination verschiedener Schadstoffe gewertet. CDU, Grünen und FDP vom 8. November 2018, ein Mobili- Die einhergehende Zunahme des motorisierten Indivi- tätsleitbild für die Stadt Wiesbaden zu entwickeln (siehe dualverkehrs, aber auch die Überlastung des Öffentli- 3.1). Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenom- chen Personennahverkehrs (ÖPNV) verlangen Städten wie men. In der Stadtverordnetensitzung vom 23. Mai 2019, Wiesbaden neue Lösungen ab. Nach Aussagen von ESWE in der auch im selben Antragstexts (Antrags-Nr. 19-F- Verkehr ist das heutige Bussystem mit rund 60 Millionen 21-0024) beschlossen worden war, ein Vertreterbegehren Fahrgästen an seine Kapazitätsgrenzen angelangt. zu starten, wurde schlussendlich auch der Fertigstel- lungstermin des Mobilitätsleitbilds festgelegt, das sich Daher ist neues Denken gefragt, um innovative Mobili- zu diesem Zeitpunkt noch in öffentlicher Aus- tätslösungen für die Zukunft zu entwickeln. Die Stadt- schreibung befand. Bis zum Ende des ersten Quar- politik sieht sich aber auch dem Problem gegenüber, dass tals 2019 sollte das Leitbild fertiggestellt sein, neue Verkehrslösungen wie beispielsweise die Einführung wie übrigens auch die Fragestellung für ein Ver- einer CityBahn auf Zweifel und Kritik gestoßen sind. Zwei treterbegehren zur Citybahn. Das zuständige De- Bürgerinitiativen haben im Jahr 2019 rund 20.000 Unter- zernat V für Umwelt, Grünflächen und Verkehr hat schriften für ein Bürgerbegehren gegen die Citybahn ge- die Umsetzung des Mobilitätsleitbilds an den städtischen sammelt. Das Stadtparlament hat zwar in seiner Sitzung Mobilitätsdienstleister ESWE Verkehr übertragen. vom 23. Mai 2019 die rechtliche Unzulässigkeit der bei- den Bürgerbegehren festgestellt, aber dennoch beschlos- Über eine öffentliche Ausschreibung, die in der Hessischen sen, ein Vertreterbegehren zur CityBahn bis spätestens Ausschreibungsdatenbank (HAD) veröffentlicht worden zur Sommerpause 2020 anzugehen. ist, wurde das Mobilitätsleitbild schließlich in einem Bieterverfahren vergeben. Die Bieter waren aufgefordert Infolge der Corona-Krise musste der Termin aber verscho- worden, das Konzept zur Erstellung des Mobilitätsleit ben werden, nicht zuletzt hat die Hessische Landesre- bildes nach den Vorgaben des Stadtverordnetenbe gierung per Erlass Bürgermeisterwahlen und Bürgerent- schlusses vom 8. November 2018 zu skizzieren und scheide bis einschließlich Oktober 2020 untersagt. Experten zu benennen, die den Leitbild-Prozess begleiten. Durchschnittliche Immissionsanteile an der NO2-Belastung i n Wiesbaden Ferneintrag 15,7% Was mir sehr gut gefallen hat war, dass die Experten nicht aufgetreten sind nach dem Motto „Hey, wir sind die, die Ahnung haben, und ihr habt keine Ahnung, aber wir tun jetzt Sonstiges mal so, als ob ihr Ahnung hättet, damit ihr auch mal mitreden dürft…“ – ich empfand die 68,9% Vorträge und Workshops tatsächlich als „Aufklärung“, Wissenstransfer. Die unterschiedlichen Kfz-Verkehr Interessengruppen einzubinden ist meines Erachtens sehr gut gelungen, und dass wir 6,3% vom Stadtelternbeirat (SEB-KT) eingeladen wurden, freut uns besonders, weil Kinder ja nun mal Industrie ein Teil der Bevölkerung sind, der eigentlich keine Lobby hat. Hier kam schon die ganze 1,4% Bandbreite der Einwohnerschaft zu Wort - und das ist genau das, was so ein Mobilitätsleitbild Gebäudeheizung braucht, damit es die Bürger mittragen. Spannend war nicht zuletzt, zu erleben, w ie 7,5% konstruktiv hier Vertreter von Interessengruppen zusammengearbeitet haben, die sich sonst eher nicht so grün sind. Das verbindende Element war eben das Ziel, nämlich eine lebens- Flugverkehr und liebenswerte Stadt. 0,4% Quelle: Luftreinhalteplan für den Ballungsraum Angela Weck, Stadtelternbeirat der städtischen Kindertagesstätten Rhein-Main / 2. Fortschreibung Teilplan Wies- baden Februar 2019. Bezugsjahr: 2013 19 18
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