Erziehung und Wissenschaft - GEW Sachsen-Anhalt
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03 Erziehung www.gew-sachsenanhalt.net AK TUELL Sachsen-Anhalt 1 2018 und Wissenschaft 1. März 2018 K 6549 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen-Anhalt Die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen hat begonnen, ver.di, GdP und GEW haben ihr Forderungspaket ge- packt und ihre Erwartungen formuliert. Die Gewerkschaften hoffen auf faire Verhandlungsrunden und auf ein angemessenes Ergebnis. Das zu erreichen, ist allerdings keine Frage des Glücks ... Aktuell: Internationaler Frauentag Landtagsbeschluss zur Unterrichtsversorgung Lehrerbildung an der OvGU Titelthema: Tarifrunde TVöD 2018: • Forderungen und Erwartungen • Hintergründe und Motivation Schule: Mehrarbeit Vorbereitungsdienst Arbeitszeit und Urlaub für PM Bildungsangebote: 25. Sommerakademie
2 Sachsen-Anhalt AK TUELL 03/2018 Kommentiert: Inhalt Ausnahmezustand bekämpfen Aktuell Kommentiert: Ausnahmezustand bekämpfen ..............................2 Zum Auftakt der Tarifrunde 2018 für die Beschäftigten Zum internationalen Frauentag: 100 Jahre Frauenwahlrecht ............3 in den Kommunen und beim Bund sind die Gewerk- schaften am 8. Februar 2018 vor die Presse gegangen. Volksinitiative für bessere Unterrichtsversorgung und gute Schule: Sie haben ihre Forderungen nach sechs Prozent mehr Nach dem Landtagsbeschluss muss der Druck bleiben! ..................3 Gehalt aufgemacht und die kommunalen Arbeitgeber Lehrkräftebedarf analysiert: und die Bundesregierung haben, wie nicht anders zu Bis 2025 Defizit von 2.000 Lehrkräften vorprogrammiert ...............4 Frank Wolters, erwarten, mit Entrüstung die gewerkschaftlichen Forde- GEW verabschiedete symbolisch 1 400. Lehrkraft: Gewerkschafts- rungen abgelehnt. „The same procedure as every year“, Die Lücke zu den Neueinstellungen wird größer ...........................4 sekretär der GEW so könnte man den Auftakt der Tarifrunde zusammen- Diskussion um die Zukunft der universitären Lehrerbildung: Sachsen-Anhalt fassen, auch wenn bereits zwei Jahre seit der letzten „Otto braucht Lehrer“ – Francke auch ........................................5 für den Bereich Verhandlung vergangen sind. Jugendhilfe und Bis Ende April soll der Versuch unternommen werden, zu Glossiert: Neugier am Aschermittwoch ......................................6 Sozialarbeit einem akzeptablen Verhandlungsergebnis zu kommen, Lehrkräftemangel: GEW schlägt KMK Maßnahmenpaket vor ...........6 der die Beschäftigten am wirtschaftlichen Aufschwung Debatte um die sachgrundlose Befristung: angemessen beteiligt. Mit einem Überschuss von über Schlupflöcher im Befristungsrecht schließen! .............................6 38 Milliarden Euro in den öffentlichen Haushalten scheint diese Möglichkeit vorhanden zu sein. Aber es Titel-Thema: „Tarifrunde TVöD 2018“ ist, wie es auch in den vergangenen Tarifverhandlun- Tarifrunde TVöD 2018: gen war: Die Arbeitgeber rechnen sich arm, beklagen Gewerkschaftsforderungen sind angemessen und durchsetzbar ......7 die maßlosen Forderungen der Gewerkschaften und Tarifrunde im öffentlichen Dienst Bund und Kommunen: verweisen auf leere Kassen. Sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 200 Euro ...............7 Gleichzeitig haben sie in den vergangenen Jahren den Beschäftigten immer neue Aufgaben übertragen. Die Begleitbeschluss zur Tarifforderung: Arbeitsverdichtung spüren alle, insbesondere die Kol- TVöD für alle Beschäftigten weiterentwickeln ............................. 8 leginnen und Kollegen in den sozialen Berufen. Und Start in die Tarifrunde: nicht nur das. Die Arbeitsverhältnisse werden immer „Arbeitgebergeschenke sind nicht zu erwarten.“ ...........................9 weiter flexibilisiert. Befristungen, Teilzeit und Arbeit auf Schule Abruf prägen den öffentlichen Dienst wie keine andere Branche. In den Kindertageseinrichtungen und in der Arbeitsbedingungen an Schulen: sozialen Arbeit herrscht vielerorts Ausnahmezustand, Zusätzliche Belastungen als Mehrarbeit anerkennen ...................10 weil Fachkräfte fehlen bzw. weil auf geänderte Bedin- Schulpraktische Ausbildung im Vorbereitungsdienst: gungen in der Kinder- und Jugendhilfe politisch nicht Lehrerhauptpersonalrat fordert Evaluation ...............................10 reagiert wird. Attraktiv sieht anders aus! Pädagogische Mitarbeiter*innen an öffentlichen Schulen: Auch wenn in dieser Tarifrunde nicht die Arbeitsbe- Dienstvereinbarung zu Arbeitszeit und Urlaub ...........................11 dingungen im Mittelpunkt stehen, so bietet sie doch die Möglichkeit, auf die Missstände aufmerksam zu Bildungsangebote machen und gleichzeitig für ein verbessertes Einkom- 25. Sommerakademie: Eine Institution feiert Jubiläum .................12 men zu streiten. LiV: Infoveranstaltung „(K)ein Bammel vor Bewerbungen“ .............13 Die Tarifrunde 2018 sollten wir deshalb nutzen, für unsere berechtigten Interessen selbstbewusst einzu- GEW-KV Jerichower Land: Fortbildung „Hilfe, die Hacker kommen“ ...13 treten. Es ist Sache der Arbeitgeber, jetzt mit einem GEW-KV Magdeburg: Fortbildung „Die Hacker kommen“ ...............13 deutlichen Signal der Wertschätzung auf die Forderun- Veranstaltungshinweis: „Der Preis der Inklusion“ .........................14 gen der Beschäftigten zu reagieren. Sollte das nicht der Leipziger Buchmesse: Forum zum Auslandsschuldienst .................15 Fall sein, ist ein Arbeitskampf unausweichlich. Nachschlag: Im Zug der Zeit ...................................................16 Frank Wolters W W W. S W-KO M M U N I K AT I O N.N E T ©
03/2018 AK TUELL Sachsen-Anhalt 3 Zum internationalen Frauentag: 100 Jahre Frauenwahlrecht Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Jahr Darum verteidigen der DGB und seine Mit- ten tariflichen Erfolge in der Finanzplanung des feiern wir zum Internationalen Frauentag ein gliedsgewerkschaften, was unsere Vorkämp- Landes berücksichtigt. Geht doch! besonderes Jubiläum – 100 Jahre Frauenwahl- ferinnen erreicht haben, und treiben voran, Auch im Hochschul- und Wissenschaftsbe- recht! Das Frauenwahlrecht ist uns bekanntlich wofür sie den Grundstein legten: Das Recht auf reich ist beileibe nicht alles rosig. Dass der nicht in den Schoß gefallen, dafür musste die ein selbstbestimmtes Leben in wirtschaftlicher Frauenanteil abnimmt, je höher die Vergü- Arbeiterinnenbewegung lange kämpfen. Unabhängigkeit auch für Frauen! tungsgruppe ist, wissen wir alle nur zu gut. Mit der Verankerung des Satzes „Männer und Ihr kennt den Handlungsbedarf in Eurem Orga- Dazu trägt die inakzeptable Befristungspraxis Frauen sind gleichberechtigt“ in beiden deut- nisationsbereich, daher nenne ich hier nur bei, die im öffentlichen Dienst und hier insbe- schen Verfassungen im Jahr 1949 wurde ein drei Beispiele: sondere im Hochschul- und Wissenschafts- weiterer Durchbruch in Richtung rechtlicher Da wäre der Kampf um einheitliche Bezahlung bereich überdurchschnittlich verbreitet ist. Gleichstellung erreicht. Nach der in zähem aller Lehrkräfte. Die Erkenntnis, dass gute Bil- Verträge mit kurzer Laufzeit unterlaufen den Ringen erkämpften rechtlichen Gleichstel- dung in den frühen Jahren anfängt und dass Kündigungsschutz und wer immer um eine lung gilt es seit dem, auch die tatsächliche die Arbeit im immer noch frauendominierten Vertragsverlängerung bangen muss, tut sich Gleichstellung der Geschlechter in Politik, Grundschulbereich genauso anspruchsvoll schwer damit, seine Rechte einzufordern. Auf Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen. ist wie in den weiterführenden Schulformen, lange Zeit unsichere Zukunftsaussichten in Und wiederholt zeigt sich: Frauen brauchen muss sich endlich auch in einer höheren Ver- befristeten Arbeitsverhältnissen sind keine bei allem, was sie fordern, einen langen Atem gütung für diese Kolleginnen und Kollegen gute Basis für die Vereinbarkeit von Familie und verlässliche Verbündete. niederschlagen! und Beruf. Auch deshalb gehen viele enga- Die erstrittenen Erfolge machen uns Mut und In der Kinderbetreuung wird bessere Betreu- gierte und kluge Frauen dem Hochschul- und geben uns Kraft für aktuelle Herausforde- ungsqualität durch kleinere Gruppen disku- Wissenschaftsbereich verloren. Wir meinen: rungen: 100 Jahre nach Einführung des Frau- tiert. Die gewerkschaftliche Forderung geht Das kann sich unser Land nicht länger leisten! enwahlrechts ist das deutsche Parlament so aber darüber hinaus: Wir fordern praxistaug- Wir erwarten von unserer Landesregierung männlich wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. liche Personalschlüssel, die berücksichtigen, ebenso wie von der neuen Bundregierung, Susanne Nur ein Drittel der Abgeordneten sind Frauen. dass auch Erzieherinnen und Erzieher für dass sie sich zum Ziel der tatsächlichen Gleich- Wiedemeyer ist Und Rechtspopulisten, mit ihrem rückständi- gute Betreuungsangebote Vorbereitungszeit stellung von Frauen und Männern bekennt Stellvertretende gen Frauenbild und ihren Familienvorstellungen brauchen, dass sie Urlaubsansprüche haben, und alles daran setzt, die Arbeitszeitlücke, die DGB Bezirksvor- von gestern, wollen Frauen wieder in enge sich weiterbilden wollen und sogar mal krank Entgeltlücke und die Rentenlücke zwischen sitzende Nieder- Schranken weisen. Zugleich werden frauendo- werden. Das muss bei der Personalkalkula- Frauen und Männern endlich zu schließen. sachsen – Bremen minierte Berufe immer noch schlechter bezahlt, tion berücksichtigt werden, sonst werden Lasst uns gemeinsam weiterkämpfen – für – Sachsen-Anhalt stehen Frauen vor ungelösten Arbeitszeitpro- Fehlkalkulationen weiterhin auf dem Rücken eine bessere Zukunft! und Landes- blemen, haben geringere Karrierechancen und der Erzieherinnen und Erzieher ausgetragen. beauftragte zum Schluss eine kleinere Rente als Männer. Immerhin werden inzwischen die hart erkämpf- Susanne Wiedermeyer Sachsen-Anhalt Volksinitiative für bessere Unterrichtsversorgung und gute Schule: Nach dem Landtagsbeschluss muss der Druck bleiben! (EuW) Am 25. Januar hat sich der Landtag bene Begrenzung auf 14.500 VZÄ … angepasst der Seiten- und Quereinstieg genutzt und abschließend mit den Forderungen der Volks- werden. … die Ergebnisse der „Expertenkommission zur initiative „Den Mangel beenden – Unseren 3. Die Landesregierung wird gebeten, frei- Ermittlung des Lehrkräftebedarfes“ umge- Kindern Zukunft geben!“ befasst. Diese hatte werdende Stellen unverzüglich und flexibel setzt und damit die Voraussetzungen für die gefordert: auszuschreiben und durch fortlaufende Aus- notwendigen Ausbildungskapazitäten an den 1. dass 1.000 Lehrer*innen und 400 pädago- schreibungen sicherzustellen, dass auch in Universitäten geschaffen werden. gische Mitarbeiter*innen zusätzlich zu den ländlichen Gebieten eine gute Unterrichts- aktuellen Planungen eingestellt werden, um versorgung gewährleistet wird. Darüber das in den letzten vier Schuljahren entstan- hinaus ist ein Konzept zur Lehrergewinnung dene Personaldefizit zu beseitigen, zu erstellen, das unkomplizierte Zugänge für 2. dass der fachspezifische Personalbedarf an den Schuldienst ermöglicht. Förderschulen und im gemeinsamen Unter- 4. Der Landtag bittet die Landesregierung, das richt an den Regelschulen durch unabhängige Arbeitsvermögen, das durch Langzeiterkran- Experten ermittelt und vom Land abgesichert kungen oder die Nutzung von Elternzeiten für wird, schulische Zwecke nicht zur Verfügung steht, 3. dass die Einstellungspraxis so geändert durch Einstellungsoptionen im Rahmen der wird, dass alle jungen Lehrkräfte im Land VZÄ-Ziele des Doppelhaushaltes 2017/2018 gehalten werden, und zu kompensieren. … 4. dass die Ausbildung von Lehrer*innen und 7. Der Landtag bekräftigt seinen Beschluss … von weiteren pädagogischen Fachkräften und erneuert die Bitte an die Landesregierung ausgeweitet wird. den ReferendarInnen schon während des Referendariates eine Einstellungszusage zu Forderungen der Volks- geben. … initiative aufgegriffen 10. Entsprechend dem von der Landesregie- Foto: EuW Der am 25. Januar gefasste Landtagsbeschluss rung am 7. November 2017 beschlossenen zu diesen Forderungen ist leider sehr unkon- ‚Konzept zum künftigen Einsatz von pädago- kret und kann daher vielfältig interpretiert gischen MitarbeiterInnen‘ sollen im Rahmen werden. Im Kern werden jedoch die For- des nächsten Haushaltes 300 zusätzliche Neu- derungen der Volksinitiative aufgegriffen, einstellungen zur Verfügung gestellt werden. Vor der Land- ohne allerdings der Landesregierung konkrete Die Landesregierung wird darüber hinaus GEW-Mitwirkung führte tagssitzung am Einstellungszahlen vorzugeben. Hier einige gebeten, im laufenden Doppelhaushalt alle zu Verbesserungen 25. Januar wurde Auszüge: frei gewordenen bzw. freiwerdenden Stellen Die GEW Sachsen-Anhalt hat durch ihre Mit- noch einmal auf „1. … Die Landesregierung wird gebeten, die für Pädagogische MitarbeiterInnen neu aus- glieder vor Ort und bei zentralen Aktionenmit die schulischen Zahl der Lehrkräfte zu ermitteln, die notwendig zuschreiben und wieder zu besetzen.“ großem Engagement die Volksinitiative unter- Missstände sind, um eine tatsächliche Unterrichtsversor- Weiterhin soll der Bedarf an Förderschul- stützt und war mit ihrer Vorsitzenden, Eva hingewiesen. gung von 103 % zu erreichen. Gegebenenfalls lehrkräften für die Förderschulen und den Gerth, als Vertrauensperson bei allen muss die im Koalitionsvertrag festgeschrie- gemeinsamen Unterricht dargestellt werden, Aktionen und Entscheidungen dabei.
4 Sachsen-Anhalt AK TUELL 03/2018 Sie bewertet trotz der erzielten positiven des Landtagsbeschlusses im Mai. Erst dann ist Kolleginnen und Kollegen an den Schulen: Ergebnisse den Beschluss des Landtages abzusehen, wieviel die Volksinitiative wirklich Die Belastungen werden zwar nicht beseitigt, als relativ unkonkret. Viele Entscheidungen erreicht hat bzw. ob sich unsere Politiker aus jedoch gemindert; pädagogische Innovationen werden nach hinten verschoben, einiges der Verantwortung stehlen. statt Flickschusterei werden wieder möglich; soll erst „geprüft“ oder im Haushaltsjahr die Lehrerausbildung an den beiden Univer- 2019 umgesetzt werden. Aus Sicht der GEW Dank der GEW an ihre Mitglieder sitäten und an den Seminaren erhält neue ist dies viel zu spät. Die Schulen brauchen und an Bündnispartner Impulse und schließlich hat sich die Atmo- jetzt Personal, um Belastungen abzubauen Auf jeden Fall ist allen Unterstützerinnen sphäre für Verhandlungen über die Bezahlung und den Unterricht auch nur ansatzweise und Unterstützern, allen, die Unterschriften der Grundschullehrkräfte, über Mehrarbeit abzusichern. gesammelt haben oder an örtlichen Initiati- und deren Abgeltung verbessert. Insofern wird sich das Bündnis aus vielen ven teilnahmen, zu danken. „Wir haben die Für die größte Überraschung am 25. Januar Organisationen, das die Volksinitiative trägt, Politik zum Handeln bewegt, das können wir hat Bildungsminister Tullner gesorgt, der die auch noch nicht auflösen. Auf jeden Fall uns auf jeden Fall auf die Fahnen schreiben“, Neueinstellung von 1.000 Lehrkräften noch im stehen noch zwei wichtige Termine an, ein sagte Eva Gerth. Jahr 2018 versprochen hat. So wie bisher wird Gespräch mit Ministerpräsident Haseloff im Die Mitwirkung der GEW an der Volksinitia- auch die GEW Sachsen-Anhalt hier genau Februar und die Bewertung der Umsetzung tive erfolgte auch in ureigenster Sache der hinschauen und weiter Druck machen. Lehrkräftebedarf analysiert: Bis 2025 Defizit von 2.000 Lehrkräften vorprogrammiert (EuW) Zum Bericht der „Expertenkommission einmal halb so viele Lehrkräfte bei uns im Land wieder in Magdeburg ausgebildet werden. zur Bestimmung des längerfristigen Lehrkräf- ausgebildet werden, wie dringend gebraucht „Jedes weitere Zögern, jetzt die Ausbildungs- tebedarfs“, die vor fast eineinhalb Jahren auf würden. Das Defizit summiert sich bis zur Mitte kapazitäten für die universitäre Lehreraus- Antrag der Fraktion DIE LINKE vom Landtag des nächsten Jahrzehnts auf mehr als 2.000 bildung unverzüglich von derzeit etwa 800 eingesetzt wurde, erklärt der Fraktionsvor- Lehrkräfte. Erstsemesterplätzen auf die ermittelten 1.400 sitzende und bildungspolitische Sprecher, Die weitegehende Abwicklung der Lehrer- Studienplätze auszubauen, würde die Krise des Thomas Lippmann: Was alle schon vor Jahren ausbildung an der OvGU in Magdeburg war Schulsystems vertiefen und weit über das Jahr hätten wissen können, hat die Expertenkom- eine ebenso kurzsichtige Entscheidung, wie 2030 hinaus verlängern.“ mission nun in aller Schärfe ans Licht gebracht. die Reduzierung der Seminare für die zweite Die Fraktion DIE LINKE forderte die Landesre- Gegen alle Vernunft und alle Warnungen vor Phase der Lehrerausbildung von ehemals neun gierung auf, die von den Experten vorgelegten den Folgen wurden seit der Mitte der Zwei- Standorten auf nur noch zwei in Halle und Mag- Berechnungen konsequent und ohne Relativie- tausender Jahre von allen Landesregierungen deburg. „Jetzt muss konsequent umgesteuert rungen zur Grundlage aller weiteren Planungen der Bedarf für die Ausbildung des Lehrkräf- werden. Für die Universität in Halle allein sind zu machen. „Weitere Fehlentscheidungen in tenachwuchses massiv unterschätzt. Die die geforderten Kapazitäten zu groß – nicht Bezug auf die Ausbildung des Lehrkräftenach- Verantwortung für den heute grassierenden zuletzt wegen der Überlastung der umlie- wuchses kann sich Sachsen-Anhalt nicht mehr Lehrermangel tragen CDU und SPD. genden Schulen durch die schulpraktischen leisten. Der Ast, auf dem wir sitzen, ist bereits Jetzt stehe amtlich fest, dass in den nächsten Studienanteile“, sagte Lippmann. Mindestens kräftig angesägt. Wenn die Einschnitte weiter- Jahren bis 2023 und noch darüber hinaus nicht ein Drittel der künftigen Lehrkräfte müsse gehen, stürzen wir ab.“ GEW verabschiedete symbolisch 1 400. Lehrkraft: Die Lücke zu den Neueinstellungen wird größer In Zeiten des Mangels versuchen manche Bezieht man das Ende des Schulhalbjahres im genden Entwicklungen, schönen Momenten Politiker noch den schönen Schein zu wahren. Januar mit in die Berechnungen ein, dürften und zunehmender Belastung. Statt alle Kraft in die Behebung der Miss- seit dem Frühjahr 2016 – dem Beginn der Hoher Aufwand bei der Bewältigung der Auf- stände zu investieren, täuscht man mit Schul- Kenia-Koalition – mindestens 1.400 Lehrerin- gaben und immer neue Anforderungen sind besuchen und Probeunterricht an falscher nen und Lehrer die Schulen verlassen haben. aus Sicht der GEW auch die Ursachen dafür, Stelle Engagement und Ideen vor. Jüngstes Diese Zahl ergibt aus mehr als 1.200 festan- dass zahlreiche Lehrkräfte spätestens im 63. gestellten Lehrkräften, die laut Berichterstat- Lebensjahr der Schule den Rücken kehren, tung für den Landtag in den letzten beiden obwohl ihr abschlagsfreier Rentenbeginn Jahren den Schuldienst aus Alters- oder ande- noch nicht erreicht ist. Der ungebremste ren Gründen verlassen haben. Hinzu kommen rasante Anstieg bei der Zahl der Langzeit- etwa 180 Sprachlehrkräfte, deren Verträge erkrankten ist ein weiteres Indiz für den trotz dringenden Bedarfs nicht verlängert enormen Bedarf an Entlastung und neuem wurden. Und das alles bei gleichzeitig immer Personal. Eva Gerth sagte dazu im Rahmen der weiter steigenden Schülerzahlen. Insgesamt Aktion: „Die fatalen Signale aus den Schulen Foto: Alexander Pistorius gibt es bei der Gesamtzahl der Lehrkräfte reißen seit Monaten nicht ab. In der Politik also allenfalls Stagnation. gibt es langsam ein erstes Umdenken. Mit Um den politisch Verantwortlichen die wei- Blick auf die Zahlen muss die Botschaft in terhin große Not zu verdeutlichen, verab- allen Bildungsbereichen ganz klar lauten: schiedete die GEW Sachsen-Anhalt am 30. Klotzen, nicht kleckern! Die von Minister Januar symbolisch diese 1 400. Lehrkraft. Tullner angekündigten 1.000 Stellen müssen Die Wahl fiel dabei auf unsere Kollegin in vollem Umfang so schnell wie möglich, spä- Uschi Auerbach aus der Sekundarschule in testens zum Sommer des laufenden Jahres, Möser, die zum 1. Februar in den wohlver- ausgeschrieben werden. Jede Absolventin, dienten Ruhestand wechselte. Als Zeichen jeder Absolvent unserer Seminare muss des Dankes für die langjährige engagierte ein Angebot erhalten. 15 Jahren Stillstand Beispiel war vor wenigen Wochen die groß Arbeit überreichten die GEW-Landesvor- müssen jetzt mindestens 15 Jahre vollster inszenierte Begrüßung der 1.000 Lehrkraft sitzende, Eva Gerth, und der Leiter des Einsatz folgen.“ seit Beginn der Legislaturperiode in Halle. Vorstandsbereichs Tarif und Recht, Ulrich Konkrete Ziele und erforderliche Bedarfe Entscheidend für einen realistischen Blick Härtel, einen Blumenstrauß und ein Präsent hat die GEW Sachsen-Anhalt in den letzten ist dabei natürlich die Frage, wie viele Lehr- für die Zeit nach der Schule an die Kollegin. Jahren unermüdlich benannt. Sie wird auch kräfte in dieser Zeit wegen Renteneintritt, Uschi Auerbach nahm dies sichtlich erfreut weiterhin den Finger in die Wunde legen Vertragsende, Kündigung etc. aus dem Schul- entgegen und berichtete von ihrer Zeit im . dienst ausgeschieden sind. Schuldienst, von Höhen und Tiefen, bewe- Alexander Pistorius
03/2018 AK TUELL Sachsen-Anhalt 5 Diskussion um die Zukunft der universitären Lehrerbildung: „Otto braucht Lehrer“ – Francke auch Wenn Laura dem Liebsten vom Tag an der Uni- Kurz: Schule tobt durch alle Hirne – das macht Lehrer ausbilden müsse. Heute existiere ein Im Podium der versität erzählt, dann entsteht in aller Regel Mut. in weiten Bereichen ungelöstes Problem: Diskussionsver- ein Monolog über ihren Weg zum schönsten „Inklusion“. anstaltung „Otto Beruf auf der Welt. Zu anderen Zeiten ent- Lehrerbildung in Magdeburg Oder anders: Beste Bildung für alle. Wel- braucht Lehrer“ nimmt sie Gesprächen oder Texten, jene und für Sachsen-Anhalt cher Beitrag darf dazu von der Magdebur- am 23. Januar jener und weitere teilen ihre Empfindung Und wenn der Kopf voll ist, dann muss geredet ger Universität erwartet werden? Dessen an der Otto-von- überhaupt nicht. Natürlich weiß sie, Liebe zu werden. Eine Gelegenheit dazu bot sich am 23. Voraussetzungen und Bedingungen sowie Guericke-Univer- einem Fach ist ein höchst individuelles Gefühl. Januar an der Otto-von-Guericke-Universität diejenigen Prozesse, die optimales Studieren sität Magdeburg: Doch in dem Gedanken, diese eine, diese für Magdeburg mit der Diskussionsveranstal- und Lernen erst ermöglichen, wurden wäh- Rektor Prof. sie so wichtige Profession anzustreben, sieht tung „Otto braucht Lehrer“. Im Mittelpunkt rend der Veranstaltung intensiv verhandelt. Strackeljan, Eva sie sich seit geraumer Zeit besonders bestärkt. der Debatte standen Themen wie „Aktuelle Einige der vorgetragenen Themen sollen das Gerth, Prof. Berichte über Lehrermangel waren ihr begeg- Situation der Ausbildung für das Lehramt insgesamt besichtigte Gebiet kennzeichnen: Hans-Dieter net unter Überschriften wie „Leerstellen bei an der Otto-von-Guericke-Universität“ oder „Die Didaktiken sind verstärkt zu entwickeln Klein und Dr. Lehrerstellen“, „Rettung aus der Katastrophe“, der „Ausbau der Ausbildungskapazitäten für und auszubauen (Einrichtung von Professuren Lehmann (v.l.) „Bildung stört, denn sie verführt zu geistiger Lehrämter: Ziele und Notwendigkeiten“ und Unabhängigkeit“, „Starker Anstieg der aus- die „Qualität der Lehramtsausbildung“. Die gefallenen Schulstunden“, „Volksinitiative wesentliche Datengrundlage für diese Aus- will den Lehrermangel angehen – und ist sprache boten Analysen und Prognosen des enttäuscht“, „Minister macht Zusage in der Lehrkräftebedarfs in Sachsen-Anhalt durch Schulpolitik“. eine „Expertengruppe“ 1). „Wir leben, um zu sehen und zu verstehen, Zumindest für die drei Vortragenden, auf um Fragen zu stellen und die Antworten deren Erklärungen zum Beginn der Veranstal- bewerten zu können“, hatte Laura neulich tung sich die Diskussionen stützen konnten, Foto: Alexander Pistorius in einem Seminar behauptet und lächelnd enthält die Prognose der „Expertengruppe“ angefügt, auch Schreckensmeldungen über bemerkenswerte Unsicherheiten: fast unlösbar erscheinende Probleme der Ver- Von pessimistischer Bedarfsschätzung sprach wirklichung schulischer Arbeit nähme sie als die Landesvorsitzende der GEW, Eva Gerth, Ansporn, sich zu wehren und ab demnächst und ergänzte, eine Erhöhung der Studiener- als eine witzig-kluge Lehrerin beste Bildung folgsquote auf 75 Prozent sei wenig realistisch. zu verbreiten. Sie sei eben ein optimistischer Bildung ist in den Blick zu nehmen, dann Typ und habe die begründete Hoffnung, Men- können Planzahlen abgeleitet werden. Und schen mit ihren Ideen, mit ihren Hoffnungen konkret: die GEW schlägt vor, über die Aus- und Erwartungen anstecken zu können. bildung von Grundschullehrern in Magdeburg ernsthaft nachzudenken. In aller Munde Rektor Strackeljan nannte die Erhöhung der und Stellen, deutlich mehr Promotionen)“, Wenn es etwas Gutes gibt im Schlechten, Anfängerzahlen sowie die Vermeidung von „Intensivierung von Studienwerbung, Studien- wenn sich im düsteren Bild von der Lage an Studienabbrüchen komplexe Probleme von beratung und Studienbegleitung“. Für diese den Schulen ein bunter Farbklecks befindet, grundsätzlicher Natur, deren Bearbeitung beiden Aspekte der Hochschularbeit fordert 1) Siehe: Bildungsmi- dann dieser: Überlegungen zum Lehramt äußerst schwierig sei. „Polyvalente Studi- auch der Expertenbericht erhöhten Einsatz. nisterium Sachsen- und dessen grenzenlose Chancen sind aus engänge“ beschrieb er als ein Mittel, Stu- „Ausbau des Fächerspektrums beim Lehramt“, Anhalt (Hrsg.): Der engen Debattierstuben in große Säle gezogen dierende an der Universität zu halten. Das „Mehr Geld ins System, mehr Studienplätze“ Lehrkräftebedarf und drängen von dort sowohl in Amtsstu- Grundschullehramt habe er „nicht auf dem und „Verstärkung der Kooperation mit Fach- an den Schu- ben als auch in Gespräche am Küchentisch. Radar“. hochschulen“. len des Landes Sachsen-Anhalt Mädchen und Jungen werden als ungemein Dr. Lehmann vom Ministerium für Wirtschaft, Zur letzten dieser Thesen gehört die Frage: bis 2030 und die bildungshungrig entdeckt; Lehrerinnen und Wissenschaft und Digitalisierung erinnerte an Tragen die Universitäten, die Hochschulen Konsequenzen für Lehrer als diejenigen, die den lieben Klei- die Anzahl der Lehramtsabsolventen vergan- ebenso, nicht insgesamt Verantwortung für die Lehramtsaus- nen unsere Welt mit all ihren Zeichen und gener Jahre und an damals vielfach fehlende die Bildung im Lande und damit auch für bildung. Bericht der vielfältigen Geheimnissen perfekt erklären Einstellungsmöglichkeiten. Deshalb benutzt Schule? Ist also Zusammenarbeit selbstver- Expertengruppe können. Und derartige Gedanken finden er zur Beschreibung der augenblicklichen ständliches Prinzip, weil fruchtbar für Bildung? zur Bestimmung breite Unterstützung: Die Volksinitiative „Den Situation den Begriff „temporärer Einstel- des längerfristigen Mangel beenden! – Unseren Kindern Zukunft lungsbedarf“ – und der werde in den Jahren Gemeinsame Verantwortung Lehrkräftebedarfs geben!“ sammelte fast einhunderttausend „2032/2033“ abnehmen. Es könnten die beiden „Lehrerbildungskon- gemäß Landtags- beschluss 7/328 Unterschriften, jede einzelne fordert: Schule Das mag verwundern, bedenkt man den ferenzen“ in Magdeburg und Halle Auftakt vom 2.9.2016. nicht vergessen! Fehler in jeglicher Prognose und insbesondere sein für gemeinsame Überlegungen der Magdeburg, Januar Plötzlich sehen sich erstaunte Lehrer heftig den einer demographischen Vorhersage. Und beiden Universitäten. Jetzt ist Gelegenheit, 2018. umworben, bald vielleicht folgen Lockrufe aus wer kann auf dieser unsicheren Erde ernsthaft die eigenen Ressourcen zu besichtigen und Begrüßungspaketen. Studienplätze werden ausschließen, die Ereignisse des Jahres 2015 einzusetzen, um auf deren Grundlage dem- Dazu eine Bemer- eingerichtet und angeboten. Weit geöffnete würden sich auf vergleichbare Art niemals nächst, am besten sofort, Lehrerbildung als kung: In der Ausgabe Schultüren und Klassenfenster laden dazu ein, wiederholen? Laura hätte ergänzt: „Ein paar Spezialität dieses Landes anbieten zu können. 02/2018 dieses Jour- von der Seite in den Schuldienst einsteigen Lehrer zuviel in Sachen Anhalt? Im Jahre 2033? Alle Hochschulen hängen von guter Bildung nals „Erziehung und zu können. Unverzeihliche Fehler mit drama- Wenn’s so weit ist, werden wir feststellen: ab und sind zugleich verantwortlich beteiligt Wissenschaft“ (EuW) wurde ein Entwurf tischen Langzeitwirkungen von Regierenden Ein paar Schüler weniger in den Klassen ver- an deren Gestaltung. des eben erwähnten aus früheren Zeiten wurden anscheinend sprechen die wunderbare Möglichkeit der Laura wird ihr Studium in Magdeburg ergän- „Berichts“ unter der erkannt und werden hoffentlich nicht wie- individuellen Förderung aller Mädchen und zen durch einen Kurs in Halle, außerdem Überschrift „Empfeh- derholt. Die heute für Lehrerausbildung und Jungen. Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer hat sie sich als Gasthörerin in Stendal ein- lungen orientieren für Schule Verantwortlichen wirken bemüht, kann nicht zu groß sein. Die wird sich als geschrieben. Und immer mal wieder stürmt sich an realem Bedarf“ sich den Notwendigkeiten und Erwartungen gerade richtig erweisen für eine wachsende sie in eine Schule, ihr aktuelles Lieblingsbuch bereits ausführlich an Bildung für Kinder und junge Leute zu Qualität des Unterrichts. unterm Arm. Auf ihrem Stundenplan steht diskutiert. stellen. Über das hierbei erforderliche Maß Der Moderator der Veranstaltung, Prof. Klein, dann: vorlesen und nachdenken. Mitten ins Noch im Februar wird weiterhin zu diskutieren sein. verdeutlichte die Kompliziertheit der vor Leben möchte Laura Schule stellen ... doch 2018 wird an der Mar- tin-Luther-Universität Hinzu kommt: Wenn die hiesigen Universitäts- Schulen und Hochschulen liegenden Auf- jetzt geht sie Schuhchen kaufen. Halle-Wittenberg ei- leitungen in ihre Kassen schauen, stellen sie gaben in zwei knappen Bemerkungen: Vor ne Diskussionsrunde verwundert fest, leer sind die nicht ... Stellen einer Reihe von Jahren stellte ein Mitglied Prof. Dr. Jürgen Köhler, stattgefunden haben innerhalb der Lehramtsausbildung könnten der damaligen Regierung, Herr B., die Frage, Leiter des Vorstandsbereichs – ebenfalls der Lehrer- eingerichtet werden. warum denn Sachsen-Anhalt überhaupt Hochschule/Forschung/Lehrerbildung bildung gewidmet.
6 Sachsen-Anhalt AK TUELL 03/2018 Glossiert: Neugier am Aschermittwoch Kürzlich riet mir ein guter Bekannter, mich Na, das ist doch mal eine positive Nachricht, selbst die angedachten 14.500 Stellen als doch einmal auf der Homepage des Finanz- dachte ich mir. Da gibt es jetzt sicher ein Kon- kritisch betrachtet worden? ministeriums von Sachsen-Anhalt über den zept, wie die Lücken an den Schulen gefüllt Soviel also zu dem neuesten Erkenntnisstand Stand der Reflexion des Lehrkräftemangels und die neuen Lehrkräfte eingesetzt werden, des Finanzministeriums. Wenn das „Fort- in diesem Haus der Landesregierung zu infor- schlussfolgerte ich. schreiben“ mit „Streichen“ übersetzt werden mieren. Ich würde vielleicht ein (politisch Die aktuellsten Einschätzungen, z.B. Schluss- könnte, müsste man nur die Aktivitäten in die schwarzes) Wunder erleben. Am Aschermitt- folgerungen aus den Erkenntnissen der Exper- richtige Richtung lenken. Was hatten doch woch wollte ich meine Neugier befriedigen. tenkommission zum Lehrkräftebedarf vom die tausenden Warnstreikenden in der Tarif- Unter dem Link https://mf.sachsen-anhalt. Januar 2018 erwartend, findet man beim runde 2015 vor dem Magdeburger Rathaus de/finanzen/personalmanagement/# wurde nächsten Klick das „Personalentwicklungs- skandiert? „Das PEK muss weg!“ ich dann auch schnell fündig. Man erfährt, konzept des Landes Sachsen-Anhalt 2011 Gemeint war sicher nicht, dass es nur von dass im Zuge der Haushaltsberatungen von – 2025“ aus dem Jahre 2011. In diesem Doku- der Homepage des Finanzministeriums ver- der Landesregierung regelmäßig auch das ment kann man auf Seite 52 die bereits 2010 schwinden sollte. Personalentwicklungskonzept (PEK) bis 2025 behauptete lächerliche Ziel-Stellenzahl von Wahrscheinlich hätte ich eben einfach nicht fortgeschrieben und angepasst wird und das 11.385 für das Jahr 2019 lesen. Ich war ver- am Aschermittwoch neugierig sein sollen. PEK den Behörden Planungssicherheit und blüfft. Waren von der Expertenkommission Gewundert habe ich mich übrigens nicht. den Nachwuchskräften neue Perspektiven nicht über 3.000 Stellen mehr empfohlen im Land biete. worden? Waren nicht noch vor einem Monat Hans-Dieter Klein Lehrkräftemangel: GEW schlägt KMK Maßnahmenpaket vor (EuW) „Der Lehrkräftemangel an Grundschu- ringprogramme unterstützt werden. Dafür Der Gewerkschaftstag fordert die KMK und len ist dramatisch. Eine aktuelle Abfrage der brauchen wir bundesweit einheitliche Stan- die Landesregierungen zu Verhandlungen mit Landesverbände der GEW zeigt: Bundesweit dards“, erläuterte die GEW-Vorsitzende die den Verantwortlichen der GEW auf. konnten an die 2.000 Stellen nicht besetzt Rahmenbedingungen für die Einstellung von In die Planungen müssen Bedarfe für päd- werden. Dazu kommen mehrere Tausend Quer- und Seiteneinsteigern. „Die Lehrkräfte, agogische Weiterentwicklungen einbezo- Quer- und Seiteneinsteiger. Zudem sind rund in deren Schulen Quer- und Seiteneinstei- gen werden. Dazu gehören u.a.: Ganztag, 1.000 Schulleitungsstellen an Grundschulen ger ausgebildet werden, müssen entlastet Inklusion, Vertretungsbedarf, Bildung von nicht besetzt“, sagte die GEW-Vorsitzende werden. Nur so kann die Qualität des Unter- Geflüchteten und Zugewanderten, Kompen- Marlis Tepe am 31. Januar. Mit Blick auf die richts gesichert werden.“ sation von Bildungsbenachteiligung, Lernen Studie „Lehrkräfte dringend gesucht – Bedarf Die GEW-Vorsitzende bot der Kultusminis- für die digitale Welt. und Angebot für die Primarstufe“ der Bil- terkonferenz (KMK) bei einem Treffen am Bedarfe für die Verbesserung der Arbeits- dungswissenschaftler Dirk Zorn und Klaus 31. Januar und den Kultusministerien die bedingungen müssen ebenso eingerechnet Klemm betonte sie: „Der Lehrkräfteman- Zusammenarbeit mit der Bildungsgewerk- werden, um die Belastungen zu senken, Lehr- gel ist keine Eintagsfliege. Wenn jetzt nicht schaft bei der Bekämpfung des Lehrkräfte- kräfte gesund zu halten und gleichzeitig die effektiv gegengesteuert wird, verschärft sich mangels an. Dabei konnte sie sich auf den Attraktivität des Berufs zu steigern. Dazu die Situation bis 2025, ja 2030 sogar, noch.“ Beschluss des Gewerkschaftstages vom Mai gehören u.a.: eine auskömmliche Vertre- „Wir brauchen ein Maßnahmenbündel, das 2017 beziehen: „Der Gewerkschaftstag for- tungsreserve, Absenkung der Unterrichts- kurz-, mittel- und langfristig greift“, unter- dert die KMK und die Landesregierungen verpflichtung, eine Bezahlung aller Lehrämter strich Tepe. Die Kultusministerien müssten auf, die Verantwortung für die Sicherung des mit mindestens A 13/E 13. Die Attraktivität der aktuell zusätzliche Quer- und Seiteneinstei- Lehrkräftebedarfs konsequent wahrzuneh- Arbeit an Schulen mit besonderen Anforde- ger werben, um die Lücken zu schließen. men. Dazu gehört, eine Vorausberechnung rungen muss durch erhöhte Ressourcenzu- Dies sei der Preis dafür, dass über Jahre zu des Lehrkräftebedarfs auf der Grundlage weisung hergestellt werden. wenige Lehrkräfte für das Grundschullehramt aktueller Schülerzahlprognosen umgehend Die GEW fordert die Ausweitung der Ausbil- ausgebildet worden seien. „Die Quer- und zu erstellen, kontinuierlich fortzuschreiben dungskapazitäten vor allem für das Lehramt Seiteneinsteiger müssen sofort berufsbe- und entsprechende Maßnahmen zur Deckung an Grundschulen/Primarstufen – und berufs- gleitend nachqualifiziert und durch Mento- des Lehrkräftebedarfs frühzeitig zu ergreifen. bildende Schulen sowie für Sonderpädagogik.“ Debatte um die sachgrundlose Befristung: Schlupflöcher im Befristungsrecht schließen! (EuW) Die GEW hatte CDU/CSU und SPD Befristung gemäß Teilzeit- und Befristungs- Finanzierung verbundene Unsicherheit geben aufgefordert, sich in ihren Verhandlungen gesetz aus. Die neue Bundesregierung muss die Hochschulen 1:1 in Form von Zeitverträgen Gewerkschaft zur Bildung einer Großen Koalition darauf endlich alle Schlupflöcher im Befristungsrecht an ihre Wissenschaftlerinnen und Wissen- zu verständigen, die sachgrundlose Befris- schließen. Die Arbeitgeber müssen unbe- schaftler weiter. Damit muss Schluss sein! Der Erziehung und Wissenschaft tung abzuschaffen. „2016 hat der Bundestag fristete Arbeitsverträge anbieten, wenn es Bund muss endlich die schon vor vier Jahren in die Anforderungen an eine Befristung von keinen Befristungsgrund gibt“, betonte der Kraft getretene Lockerung des Kooperations- Beschäftigungsverhältnissen in der Wissen- stellvertretende GEW-Vorsitzende und Hoch- verbots nutzen und sich auch auf Dauer und schaft verschärft: Zeitverträge sind nur noch schulexperte, Andreas Keller. in der Fläche in der Hochschulfinanzierung zulässig, wenn die Befristung zur Förderung Darüber hinaus forderte er, in die Grundfinan- engagieren“, mahnte Keller. Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft der Qualifizierung erfolgt oder es eine Dritt- zierung der Hochschulen einzusteigen. „Wäh- Andreas Keller betonte, dass der Grundsatz Ratgeber Mit den Regelungen des neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetzes von 2016 mittelfinanzierung gibt. Hochschulen und For- rend die Grundhaushalte der Hochschulen „Dauerstellen für Daueraufgaben“ selbst- schungseinrichtungen weichen daher mehr stagnieren oder sogar der Rotstift angesetzt verständlich für alle Bildungsbereiche gelte. www.gew.de und mehr auf die Option der sachgrundlosen wird, geizen Bund und Länder nicht damit, Wer gute Bildung fordert, muss sich auch Milliarden für befristete Sonderprogramme für faire Beschäftigungsbedingungen in Bil- Über die Rechtslage an Hochschulen und Forschungseinrichtun- wie Exzellenzstrategie, Qualitätspakt Lehre dungseinrichtungen einsetzen. Zeitverträge gen informiert der GEW-Ratgeber „Befristete Arbeitsverträge in oder den Hochschulpakt bereit zu stellen. unterminieren die Kontinuität und Qualität der Wissenschaft“: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/ Auch der Löwenanteil der Drittmittel, die der Bildung. Das gilt an Kitas, Schulen und neuigkeiten/neuer-ratgeber-befristete-arbeitsvertraege-in- die Hochschulen einwerben, kommt von der Weiterbildungseinrichtungen ebenso wie an der-wissenschaft/ öffentlichen Hand. Die mit der befristeten Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
03/2018 TITELTHEMA: TARIFRUNDE T VöD 2018 Sachsen-Anhalt 7 Die GEW und die anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes halten für die Tarifgebiete Bund und Kommunen eine Tarifrunde TVöD 2018: Gewerkschaftsforderungen sind angemessen und durchsetzbar deutliche Erhöhung der Einkommen für richtig und angesichts der guten Kon- junkturlage auch für machbar. Wie nicht anders zu erwarten, sagte der Bundesin- nenminister und unisono die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände W W W. S W-KO M M U N I K AT I O N.N E T (KAV), dass die Forderungen der Gewerk- schaften utopisch und unerfüllbar seien. Im Unterschied zu vergangenen Tarifrun- den konnten sie jedoch nicht mit leeren Kassen oder gar einer schwierigen Wirt- schaftslage argumentieren, da sich die Ökonomen in Superlativen bei der Kom- mentierung der Konjunktur übertreffen. Schnell greift man also wieder zum Argu- ment, dass es noch genügend Schulden abzubauen gäbe. Warum aber sollten die © Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für eine verfehlte Einnahmepolitik des Staates aufkom- günstigere Betreuungsschlüssel hätten. Wie Kollege men? Warum sollte die Benachteiligung des Ostens bei Daniel Merbitz, Mitglied des Geschäftsführenden Vor- der Finanzierung öffentlicher Aufgaben zu Lasten der standes der GEW, beschreibt, gibt es leider für solche Kommunen gehen? Warum sollte die Schere zwischen Regelungen im Moment keine Verhandlungsmög- den Löhnen und Gehältern in der Wirtschaft und denen lichkeit oder aber es bedarf gesetzlicher Regelungen bei Bund und Kommunen weiter auseinandergehen? durch die Länder. Während die Einkommen der Reichen und Superrei- Insofern müssen die Arbeitgeber gezwungen werden, chen bei einer moderaten Besteuerung immer weiter für nicht erbrachte Verbesserungen „Schmerzensgeld“ steigen, bleiben die Reallöhne im öffentlichen Dienst zu bezahlen. Vielleicht sind Bund und Länder auch in einem sehr bescheidenen Bereich: 2016 hatte die lernfähig und statten die Landkreise und Gemein- Tarifrunde ab März 2,4 Prozent gebracht, ab Februar den nicht nur mit zusätzlichen Aufgaben, sondern 2017 waren 2,35 Prozent dazu gekommen. Viel ist auch mit den dazu benötigten Geldern aus. In diesem davon aber durch die gestiegenen Preise und eine Zusammenhang gewinnt der aktuelle Tarifkampf noch steigende Inflationsrate nicht geblieben. Im vergan- zusätzliche Bedeutung. genen Jahr blieben von den statistischen 2,4 Prozent Noch vor dem Erscheinen dieser Zeitung wird die Lohnzuwachs real nur 0,8 Prozent in der Geldbörse. erste Verhandlungsrunde bereits gewesen sein. Die Noch 2015 waren es 2,4 bzw. 2016 1,8 Prozent gewe- Gewerkschaften haben ihre Forderungen klargestellt. sen. Es gibt somit keinerlei Grund zur Bescheidenheit! Hoffentlich wird es diesmal auch ein Arbeitgeberange- Dennoch sagen viele Kolleginnen und Kollegen, dass bot geben. Alle reden schließlich von einem attraktiven sie statt Geld lieber reduzierte Arbeitszeiten oder öffentlichen Dienst. Tarifrunde im öffentlichen Dienst Bund und Kommunen: Sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 200 Euro (EuW) Sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 200 Euro schuss von 38,4 Milliarden Euro erzielt. „Dafür haben die Beschäftigten fordern die Gewerkschaften in der Tarifrunde des öffentlichen mit ihrer Arbeit die Voraussetzungen geschaffen, jetzt müssen sie Dienstes für die bei Bund und Kommunen Beschäftigten. Zudem an dieser Entwicklung beteiligt werden“, sagte Marlis Tepe, Vorsit- erwarten die Gewerkschaften, dass die Jahressonderzahlung für zende der Bildungsgewerkschaft, während einer Pressekonferenz das Tarifgebiet Ost auch für den kommunalen Bereich an das der Gewerkschaften ver.di, GdP und GEW sowie des Beamtenbundes West-Niveau angeglichen wird. Fast 30 Jahre nach der deutschen am 8. Februar in Berlin. „Steigende Reallöhne sind wichtig, um die Einheit zahlen die Kommunen im Tarifgebiet Ost nur 75 Prozent Binnenkonjunktur weiter anzukurbeln. Wir dürfen uns nicht allein der Sonderzahlung West. auf den Export verlassen. Zudem wollen wir mit dieser Forderung Die Einkommen der Beschäftigten müssen mit den steigenden Lebens- den Abstand zu der Gehaltsentwicklung in der Privatwirtschaft ver- haltungskosten und der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten. kürzen.“ Seit dem Jahr 2000 sind die Gehälter im öffentlichen Dienst Deshalb ist jetzt ein kräftiger Schub bei der Steigerung der Reallöhne weniger stark gestiegen als in der Gesamtwirtschaft. Die Lücke notwendig. Die öffentliche Hand hat im vergangenen Jahr einen Über- beträgt etwa vier Prozent.
8 Sachsen-Anhalt TITELTHEMA: TARIFRUNDE T VöD 2018 03/2018 Tepe forderte die Arbeitgeber auf, mit der GEW über die tarif- für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv bleiben: Dazu liche Eingruppierung kommunaler angestellter Lehrkräfte zu gehören nicht zuletzt eine gute Bezahlung und faire Arbeitsbedin- verhandeln: „Wir brauchen endlich eine tarifliche Lösung, damit die gungen“, betonte Tepe. Kommunen Lehrkräfte nicht weiterhin nach Gutdünken eingruppieren.“ Sie verwies darauf, dass der Auftakt zur Tarifrunde am 26. Februar In Bayern gibt es rund 9.000 Lehrkräfte an Schulen in kommunaler in Potsdam stattfinden wird. Für den 12./13. März und den 15./16. Trägerschaft, davon sind über 3.000 Angestellte. April sind zwei weitere Verhandlungsrunden in Potsdam geplant. „Deutschland braucht einen handlungsfähigen Staat mit hoch quali- Der Tarifvertrag soll nach Auffassung der Gewerkschaften eine fizierten und motivierten Beschäftigten. Der öffentliche Dienst muss Laufzeit von einem Jahr haben. Begleitbeschluss zur Tarifforderung: TVöD für alle Beschäftigten weiterentwickeln (EuW) Die Tarifkommission Bund und Kommunen und der Koor- Sorge zu tragen, dass eine einschlägige Berufserfahrung bei der dinierungsvorstand der GEW diskutierten am 7. Februar in Berlin Einstufung im vollen Umfang berücksichtigt wird, unabhängig weitere tarifliche Schwerpunkte, die den Organisationsbereich der davon, ob sie beim selben oder bei einem anderen Arbeitgeber GEW betreffen. Darin heißt es: erworben wurde. Die Protokollerklärung zu Abs. 2 ist zu streichen Die GEW setzt sich dafür ein, dass die folgenden Forderungen oder so zu ändern, dass einschlägige Berufserfahrung auch dann Gegenstand von Verhandlungen mit Bund und Kommunen über berücksichtigt wird, wenn sie länger als sechs bzw. zwölf Monate die Weiterentwicklung des TVöD werden: zurück liegt. - Auszubildende in Erziehungsberufen, die eine praxisintegrierte - Beschäftigte, die vor dem 1. Dezember eines Jahres in Rente Ausbildung (PiA) oder ein Sozialpädagogisches Seminar (SPS) gehen, sollen mit dem letzten Monatsgehalt eine anteilige Jah- absolvieren, sollen in den Geltungsbereich des TVPöD aufge- ressonderzahlung erhalten. nommen werden. Dadurch soll ihre Vergütung angehoben und - Die Regelungen zu wissenschaftlicher Hochschulbildung und der Erzieher/innenberuf attraktiver gemacht werden. Hochschulbildung in den Eingruppierungsvorschriften (§ 7 TV - Zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes sollen EngO-Bund sowie Vorbemerkungen Nr. 3 und 4 zur Anlage 1 alle Beschäftigten den Nahverkehr kostenlos nutzen dürfen. zum TVöD – Entgeltordnung VKA) sind entsprechend aktueller Die Freifahrberechtigung ist ausschließlich vom Arbeitgeber zu Entwicklungen neu zu fassen. Die Erfordernis zur Akkreditierung finanzieren und darf nicht auf das Tarifergebnis oder Vergütungs- von Studiengängen ist zu streichen. Magister und Promotion sind bestandteile angerechnet werden. anderen akademischen Abschlüssen (Diplom, Master) gleichzu- - Die Tarifparteien sollen unverzüglich Gespräche über Maßnahmen stellen. zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und zur Entlastung - In den TVöD sollen wissenschaftsspezifische Sonderregelungen älterer Beschäftigter sowie zu tariflichen Regelungen für „leis- nach dem Vorbild des § 40 TV-L aufgenommen werden. tungsgeminderte Beschäftigte“ aufnehmen. - Der Geltungsbereich des TVöD ist auf wissenschaftliche, künst- - Die Tarifparteien sollen wirksame Maßnahmen vereinbaren, um lerische und studentische Hilfskräfte zu erweitern; § 1 Abs. 2 befristete Beschäftigung – auch im Wissenschaftsbereich – einzu- Buchstabe s) ist entsprechend zu ändern. dämmen. Das umfasst Regelungen zu Mindestbefristungsdauern - Die leistungsorientierte Bezahlung (LOB) ist abzuschaffen, das und den Verzicht auf sachgrundlose Befristungen und Kettenbe- dafür bereitgestellte Volumen ist ohne Anrechnung auf den fristungen. Tarifabschluss in die Tabellenentgelte zu überführen. - Zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes ist - Bei Höher- und Herabgruppierungen ist die Stufenlaufzeit mit- die Anerkennung von Berufserfahrung und förderlichen Zeiten zunehmen. gemäß § 16 TVöD zu verbessern. Dabei ist unter anderem dafür Vertreterinnen der Tarifbeschäftigten: Hohe Erwartungen und Kampfbereitschaft Die Redaktion hat den Mitgliedern der Bundestarifkommission Mal einfach in die Zukunft geschaut – und vorausgesetzt, es wäre Bund und Kommunen der GEW, Angela Ryll und Anett Bertholt vom einem Tarifvertrag zugänglich –, was würdest du als Dringlichstes Eigenbetrieb Kindertagesstätten in Halle, kurz nach der Beschluss- anfassen wollen? fassung zu den Tarifforderungen am 7. März einige Fragen gestellt. Seit über 30 Jahren arbeite ich sehr gern mit Kindern. Mit der Einfüh- rung von „Bildung elementar“ steigt ständig das Anforderungsniveau, Angela, was erwartest du von der Tarifrunde? aber ein von uns geforderter verbesserter Betreuungsschlüssel und Offen gesagt, mir ist nach einer möglichst schnellen friedlichen Eini- die notwendige Vor- und Nachbereitungszeit wird nicht gewährt. gung. Sollten die Arbeitgeber allerdings den Arbeitskampf provozieren, Das wäre ein lohnendes Tarifvorhaben, das von allen Kolleginnen bin ich aber auch kampfbereit. und Kollegen unterstützt werden würde. Anett, an dich ähnlich gelagerte Fragen. Worum geht es dir in der Tarifrunde? Fotos: Kay Herschelmann Ich erhoffe mir Aufmerksamkeit der Gesellschaft für unsere Anlie- gen. Bildung ist mehr wert und extrem wichtig von Anfang an. Die Aufwertung und Präsenz unseres Berufes ist notwendig. Ich erwarte gemeinsame Stärke und Zusammenhalt. Wie siehst du die Höhe der Tarifforderung? Die Forderung halte ich für realistisch und auch angemessen. Des- halb habe ich sie auch mit beschlossen. Wir fördern schließlich die Zukunft – das wichtigste Gut der Gesellschaft. Und natürlich auch an dich die Frage, was du in deinem Arbeitsum- feld als das Wichtigste erachtest, das angegangen werden müsste. Am meisten habe ich Bedenken und Ängste um die Zukunft des Nach- Die GEW fordert sechs Prozent und mindestens 200 Euro. Findest wuchses. Weil unser Beruf Berufung ist, mit Leidenschaft, Herz und du das realistisch? mit viel Aufopferung betrieben werden muss, hat die Gesellschaft Gemessen an den ständig steigenden Lebenshaltungskosten ist die eine große Verantwortung. Dass ist bei den Verantwortlichen meines Forderung mehr als gerechtfertigt. Aus meiner jahrelangen gewerk- Erachtens aber noch nicht wirklich angekommen. Wir benötigen schaftlichen Erfahrung heraus sage ich ganz ehrlich: Ich würde mich, viel tolles Fachpersonal, das Freude daran hat und das Engagement wenn wir aufreibende Kämpfe vermeiden könnten, mit vier Prozent mitbringt, sich den vielen und anspruchsvollen Herausforderungen bei einer Laufzeit von einem Jahr zufrieden geben. zu stellen.
03/2018 TITELTHEMA: TARIFRUNDE T VöD 2018 Sachsen-Anhalt 9 Start in die Tarifrunde: „Arbeitgebergeschenke sind nicht zu erwarten.“ Schon wieder Streik? Diese Frage höre ich gelegentlich. Und ich zucke zusammen. Was meint die Kollegin? Was meint der Kollege? Soll es Jahressonderzahlung-Ost ein Hinweis auf Streikmüdigkeit sein oder der höfliche Ausdruck, der an Westnivau angleichen die Vergänglichkeit der Zeit in eine Frage einkleidet? Diese Forderungen können mit Streiks bekräftigt werden, denn Eine erste, die rationale Antwort: Nach der Tarifrunde ist vor der Tarif- dafür besteht keine Friedenspflicht. Alarmiert durch die strengere runde. Die Beschäftigten im Bereich des Bundes und der Kommunen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes seit anderthalb Jahren haben im Frühjahr des Jahres 2016 gestreikt. Das Verhandlungser- hinsichtlich der noch feinsinnigeren Unterscheidung zwischen streik- gebnis stand dann Ende April 2016. Wir hätten auch den Tag der Arbeit fähigen und nicht streikfähigen Forderungen und dem Problem, dass im Wonnemonat Mai zur Mobilisierung genutzt, doch das letzte, durch nur eine einzige nicht streikfähige Forderung die anderen verdirbt Streiks beförderte Verhandlungsergebnis erschien allen Beteiligten (die sogenannte „Rührei-Theorie“), müssen wir sauber abgrenzen, tragfähig. Dann mussten die Gremien über das Tarifergebnis befin- um uns juristisch nicht angreifbar zu machen. Forderungen, die der den. Es folgte die Phase der Information unserer Mitglieder. Große Friedenspflicht unterliegen, erscheinen – wie übrigens immer schon – grobe, aber auch kleine zarte Fragen wurden beantwortet. Von den nicht auf dem Streikaufruf. Zur deutlicheren Unterscheidbarkeit und GEW-Kreis- und Stadtebenen über die Bezirke bis zu den Landesver- um die Bedeutung klarer zu machen, werden sie jetzt nicht mehr bänden und zum Hauptvorstand waren viele Gewerkschafter*innen Forderungen genannt, sondern „Erwartungen“. Zentrale „Erwartung“ einbezogen. Im Frühsommer ebbte die Anfragewelle ab. fast drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ist die Angleichung der Jahressonderzahlung Ost an die Westregelung für unsere Mitglieder Strategische Vorbereitungen von Kap Arkona bis zum Fichtelberg. Und es ist faszinierend, welchen rechtzeitig begonnen Rückhalt die Kolleg*innen in den östlichen Bundesländern aus den Nur ein Jahr später, im September 2017, haben wir mit einem GEW- westlichen Regionen erhalten. Ich selbst komme aus dem Osten und Vorbereitungstreffen in Wiesbaden die Tarifrunde 2018 politisch, kenne die Arbeitgeber dort, die gern auch mit dem Austritt aus dem strategisch und organisatorisch angeschoben und vorgedacht, haben Arbeitgeberband, also mit Tarifflucht, drohen und dies gar vollziehen, uns bewusst Zeit zur vertiefenden Debatte geschenkt. Im November und bin dankbar für diese Unterstützung, die wir insgesamt erfahren. 2017 begann die Forderungsdiskussion, die am 7. Februar 2018 mit Von Aachen bis Zittau, von Zeitz bis Augsburg sind wir in unserem dem Forderungsbeschluss des Koordinierungsvorstandes abgeschlos- gerechten Kampf vereint. sen wurde, vorbereitet durch die GEW-Bundestarifkommission, in Die Arbeitgeberseite übergeht galant die Tatsache, dass Bund und der viele ehrenamtlich aktive Gewerkschafter*innen engagiert sind. Kommunen auch im vergangenen Jahr ein Haushaltsplus verzeichnet Einen Tag später haben die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst ihre haben und nach den aktuellen Prognosen weiterhin mit steigenden Ergebnisse der Mitgliederdiskussion zusammengetragen und einen Einnahmen rechnen können. Dass es trotzdem noch überschuldete gemeinsamen Forderungskatalog aufgestellt. So ist es gute Tradition. Kommunen gibt, liegt an einer falschen Verteilung der Staatseinnah- Es wäre nicht klug, wenn die Arbeitgeber uneinige Gewerkschaften men. Jeder kennt dafür Beispiele, baufällige Schulen und löchrige genüsslich sezieren könnten. Straßen. Es ist nicht nur die gefühlte und belegbare Inflation, die ein Umden- ken bei den Arbeitgebern nötig machen muss. Wir haben es mit Mut zur Auseinandersetzung einem eklatanten Fachkräftemangel zu tun, der die Arbeitsfähigkeit wird erforderlich sein der öffentlichen Hand zwar nicht immer einschränkt, aber deutlich Werden die Arbeitgeber uns freiwillig die berechtigten Forderun- belastet. Und dies auf dem Rücken der Kolleg*innen, die in den gen und Erwartungen erfüllen? Ich habe da Zweifel. Ein Blick in die Kindertagesstätten, in der sozialpädagogischen Arbeit in den ver- Tarifgeschichte des öffentlichen Dienstes zeigt, dass ohne Druck und schiedensten Einrichtungen, von der Sozialarbeit bis zur Forschung ohne Mut zur Auseinandersetzung kein Tarifergebnis zu erringen und Wissenschaft, tagtäglich alles geben. ist. Gerade in den Zeiten des Angriffs auf den Flächentarifvertrag in den Jahren 2000 bis 2005 wurde deutlich, dass sich auch öffent- Mit zeitgemäßer Bezahlung liche Arbeitgeber nicht scheuen, ein bewährtes System in Frage zu Attraktivität erhöhen stellen. Sie versuchten, die Gewerkschaften auszutesten. Doch wir Zu einem attraktiven öffentlichen Dienst gehört nicht nur, aber eben konnten gemeinsam – wenn auch mit Blessuren – diesen Angriff auch, eine gerechte und zeitgemäße Bezahlung. auf das Flächentarifvertragssystem abwenden. Die Gewerkschaf- Gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst ten im öffentlichen Dienst haben diesen Tarifvertrag dann kräftig fordert die GEW eine deutliche Verbesserung bei den Einkommen: weiterentwickelt. Das konnte nur gelingen, weil die Kolleg*innen Die Tabellenentgelte der Beschäftigten sollen um 6,0 Prozent, min- die Einrichtungen und Betriebe tage- und wochenweise geschlossen destens aber um 200 Euro monatlich erhöht werden. Hier muss hielten, trotz des Druckes der Arbeitgeber. auch die Laufzeit in den Blick genommen werden. Schließlich ist es Nein, wir wollen nicht die Eltern treffen. Wir wollen die Arbeits- und ein Unterschied, ob die Prozentforderung auf zehn Jahre oder ein Beschäftigungsbedingungen verbessern. Streiks fallen niemandem Jahr erhoben wird. Wir fordern, wie in den letzten Jahren auch, eine leicht, sie kosten Überwindung und erfordern Mut und Engagement. Laufzeit von einem Jahr. Dies muss in dieser Tarifrunde thematisiert Wir haben auch die Solidarität der Eltern, der Bürgerinnen und Bürgern, werden, denn in wirtschaftlich guten Zeiten ist eine kürzere Laufzeit erlebt, die sagen: „Endlich wehrt ihr euch!“ Sie haben verstanden, für uns besser als eine längere. dass Verbesserungen der Arbeitsbedingungen auch ihren Kindern Wir haben aber noch eine Beschäftigtengruppe, die in besonderer zugutekommen. Schön sind auch die Erinnerungen an die vielen Weise von Tarifregelungen ausgeschlossen ist. Die angestellten Streikfrühstücke mit Brötchen und Erdbeermarmelade im Streiklokal, Lehrkräfte im Länderbereich haben mit Abschluss des Tarifvertrages wo eine bunte Gemeinschaft entstanden ist, wo man redet und sich über eine Entgeltordnung (TV EntgO-L) endlich tariflichen Schutz austauscht, von dienstlichen bis privaten Dingen, und dann geht es raus erhalten. Den kommunalen angestellten Lehrkräften wird dieser zur Kundgebung, mit den letzten Schneegrüßen des Winters an den Schutz verweigert. In Bayern gibt es bei den Kommunen angestellte Schuhen oder schon der prallen Aprilsonne im Gesicht. Stundenlang Lehrkräfte an Schulen, für die der TVöD gilt. Deswegen haben wir den auf der Streikkundgebung stehen, die selbstgebastelten Schilder und Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern und auch die Vereinigung Plakate hochhaltend. Engagement und Zusammengehörigkeitsgefühl der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifverhandlungen allerorten. Und diese Welle trägt und beeindruckt auch die Arbeit- aufgefordert. Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Bayern brauchen geber, von der kommunalen Seite bis zum Bund. für ihre Auseinandersetzung die Unterstützung und die Solidarität Die emotionale Antwort auf die Eingangsfrage ist eindeutig: Ja, schon auch aus den anderen GEW-Landesverbänden. Es geht um über wieder Streik! 3.000 Kolleginnen und Kollegen, davon weit über 1.000 in den Ent- Daniel Merbitz geltgrup-pen unterhalb der EG 13, wo eine tarifliche Eingruppierung Auswirkungen hat. Unsere Bundestarifkommission für den Bereich Bund und Kommunen hat daher auch diese Forderung im Rahmen der TVöD-Runde 2018 erhoben: „Die Eingruppierung angestellter Lehrkräfte im Geltungsbereich des TVöD-VKA soll tariflich geregelt werden.“ Was sperrig klingt, ist ein tagesaktuelles Thema in Bayern, wo die Arbeitgeber sich ideologisch einmauern.
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