Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz - Stellungnahme des Kompetenzzentrums MWST der Treuhand-Kammer zum Postulat Raggenbass
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AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz Stellungnahme des Kompetenzzentrums MWST der Treuhand-Kammer zum Postulat Raggenbass Im Juni 2003 wurde das «Postulat Rag- phase und hat sich als entscheidender plexität ist auch heute unverändert zu genbass» überwiesen, das vom Bun- Schritt zur Verbesserung der Rahmen- hoch, die Verwaltungsanweisungen zu desrat bis Ende 2004 – also zehn Jahre bedingungen für den Wirtschaftstand- komplex und die Gesetzesauslegung zu nach deren Einführung – einen Bericht ort Schweiz erwiesen. Auch für die formalistisch. Der Wille des Gesetzge- zum Stand der Schweizer Mehrwert- Konsumenten kam der Systemwechsel bers, die MWST sei als einfache Netto- steuer (MWST) verlangte. Wesentliche zum richtigen Zeitpunkt: Der hohe Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug Grundlagen dieses Berichtes [1] bilden Wettbewerbsdruck hat die Voraussa- auszugestalten, widerspiegelt sich in die Ergebnisse einer im Frühjahr 2004 gen für einen entsprechend hohen An- der Praxis nicht. durchgeführten Vernehmlassung zum stieg der Konsumentenpreise in der Thema. Am 1. Juni 2004 reichte die Grössenordnung von 1,7% nicht be- (…) In vielen Bereichen lebt das Wa- Treuhand-Kammer, vertreten durch stätigt; kaum die Hälfte des ‹Teue- renumsatzsteuer-(WUST-)System auch das Kompetenzzentrum MWST, eine rungspotenzials› dürfte tatsächlich ein- heute noch weiter. Folgende Beispiele umfassende Stellungnahme bei der Eid- getreten sein; die Jahresteuerung hat mögen dies illustrieren, wobei die Auf- genössischen Steuerverwaltung (ESTV) sich mit 1,8% im Rahmen gehalten. zählung nicht vollständig ist: ein, die nachfolgend auszugsweise wie- dergegeben wird. Es zeichnet sich ab, Demgegenüber ist wesentlich: Durch – Die Systematik des Gesetzes richtet dass die Ergebnisse der Vernehmlas- die hohe (und zunehmende) Zahl der sich in grossen Teilen nach dem Vor- sung von der ESTV zum Anlass ge- Ausnahmebestimmungen ist die For- bild des alten Bundesratsbeschlusses nommen werden, verschiedene Praxis- derung nach einer für die steuerpflich- über die WUST; dies führt dazu, änderungen zu implementieren sowie tige Person steuerneutralen Steuer dass beispielsweise Ausnahmen vom Anpassungen des Mehrwertsteuergeset- nicht erfüllt worden. Ebenso konnte Steuerobjekt (bspw. im Bereich der zes (MWSTG) zu beantragen. Der ak- die geforderte einfache Umsetzung Umsätze der Urproduktion) im Ge- tuelle Stand dieser Änderungen wird am durch die Steuerpflichtigen nicht ver- setz als Ausnahmen vom Steuersub- Schluss dieses Beitrages zusammenge- wirklicht werden. jekt dargestellt werden. fasst und kommentiert. – Die Begrifflichkeit des WUST-Rechts (…) [Es] ist festzustellen, dass der Auf- wurde in vielen Bereichen auf das wand für die Steuerpflichtigen wäh- MWST-Recht übertragen; dies gilt Auszüge aus der rend der Einführungsphase aber auch bspw. für den Lieferungsbegriff, Stellungnahme während der Dauer der Steuerpflicht welcher nicht kompatibel mit den der Treuhand-Kammer unangemessen hoch ausfiel und die ausländischen MWST-Ordnungen Thematik qualifizierte externe Unter- ist (…) oder den Begriff des Eigen- Die in den Hauptüberschriften formu- stützung/Beratung erforderte. Die Kom- verbrauchs. lierten Fragen wurden von der ESTV – Das Verfahrensrecht, namentlich das im Rahmen der Vernehmlassung ge- sog. Selbstveranlagungsprinzip, wur- stellt. Die vorliegenden Auszüge kon- de unbesehen übernommen, obwohl zentrieren sich auf die ersten drei von durch die Einführung des Vorsteuer- insgesamt acht Fragen, die in der Ver- abzugs und die damit verbundenen nehmlassung gestellt wurden. Der voll- Implikationen Änderungen ange- ständige Bericht der Treuhand-Kam- zeigt gewesen wären. mer nimmt Stellung zu allen diesen Fragen. Die alte WUST-Praxis wird auch immer wieder von den Steuerjustizinstanzen zur Auslegung herangezogen, obwohl Frage 1: dies nicht in allen Fällen sachgerecht Wie hat sich der Übergang ist. Bei der Auslegung wird zu wenig von der Warenumsatzsteuer beachtet, dass die WUST eine Einpha- zur MWST bewährt? sensteuer war; durch eine formalisti- sche Strenge stellte der Staat sicher, «(…) Wirtschaftspolitisch kam [der] Diego Clavadetscher, Fürsprecher, dass die Steuer in jeder Umsatzkette Übergang zur MWST zu einem günsti- dipl. Steuerexperte, Clavadetscher + einmal erhoben wurde. gen Zeitpunkt: Die Entlastung der In- Partner, Steuer-Advokatur, Mitglied des Kompetenzzentrums MWST der vestitionen von der ‹taxe occulte› er- Treuhand-Kammer, Bern Die Anwendung der gleichen formalen folgte in einer schwierigen Konjunktur- Strenge führt bei einer Allphasen- Der Schweizer Treuhänder 12/04 1145
AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson, Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz steuer dazu, dass der Fiskus in der glei- gern ausgedehnt würden; oder aber Lösungsansätze: Optionsmöglichkeit chen Umsatzkette mehrmals ein de- dass dem Anliegen einer steuer- oder Umstellung von unechter Be- finitives Steueraufkommen generieren lichen Entlastung bestimmter Lei- freiung auf Besteuerung zu einem re- kann, welches ihm nicht zusteht.» stungen dadurch Rechnung getragen duzierten Satz (s. oben). würde, dass die in Art. 18 MWSTG – Besteuerung von Dienstleistungen aufgelisteten Leistungen statt unecht mit Leistungsort im Ausland, wenn die Frage 2: befreit neu zu einem reduzierten ‹Nutzung oder Auswertung› im In- Inwieweit haben sich die Satz (evtl. von 0%) besteuert wür- land erfolgt (Art. 10 lit. b MWSTG). konkreten Regelungen der den. – Nicht im Gesetz, aber in der Praxis MWST als allgemeine – Einschränkung des Rechtes auf Vor- stark verankert: Die Auffassung, wo- Konsumsteuer bewährt? steuerabzug bei (geschäftsmässig be- nach die Zollgrenze die Einheit des gründeten) Auslagen für Verpfle- Unternehmens zwischen Hauptsitz «Unsere Antwort auf diese Frage lässt gung und Getränke (Art. 38 Abs. 5 und Betriebsstätte unterbricht, kann sich in vier Kernaussagen zusammen- MWSTG). im internationalen Verhältnis zu fassen, die nachfolgend kommentiert – Grundsätzlich alle Umsatzgrenzen Doppelbesteuerungen führen [2]. werden: für die subjektive Steuerpflicht – Aufgrund der rigiden Praxis der (Art. 21 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1 lit. a ESTV im Bereich des Nachweises Das im MWSTG und in der MWSTGV und d, Art. 27 Abs. 1 (hier: 40 000er- bestehen ganz generell grosse Unsi- zugrunde gelegte materielle System der Grenze der Verwaltungspraxis) und cherheiten in bezug auf die Abwick- schweizerischen MWST ist grundsätz- 2 MWSTG) sowie die zeitliche Be- lung von Auslandgeschäften, dies be- lich als gut zu bezeichnen, obwohl ge- grenzung in Art. 27 Abs. 2 MWSTG. hindert die Exportwirtschaft und wisse systematische Mängel vorhanden verursacht ihr unnötige Kosten [3] sind. (…). Mängel hinsichtlich Bestimmungsland- prinzip (Potential für Doppel- oder In seiner Systematik ist das MWSTG Nullbesteuerungen) Weitere systematische Mängel (und davon abgeleitet die MWSTGV) auf Steuerneutralität innerhalb der – Im internationalen Vergleich unüb- – Mit dem im internationalen Vergleich ‹unternehmerischen› Sphäre sowie auf liche Erweiterung des Lieferungsbe- unüblichen Konzept des baugewerb- das Bestimmungslandprinzip bei grenz- griffes (Art. 6 Abs. 2 MWSTG), welche lichen Eigenverbrauches (Art. 9 überschreitenden Transaktionen aus- u.a. auch im Bereich des grenz- Abs. 2 lit. a und b MWSTG) wird gerichtet. Aus systematischer Sicht be- überschreitenden Personentransports ohne Vorliegen eines Leistungsaus- stehen aber bereits auf der Ebene des zu Doppelbesteuerungen führt. tausches zusätzliches Steuersubstrat MWSTG gewisse Mängel, von denen geschaffen, indem dem ‹Bauherrn› nachfolgend einige wichtige Beispiele – Fehlende Möglichkeit des Vorsteuer- bei Arbeiten an eigenen Bauwerken aufgeführt seien: abzuges (d.h. der Entlastung von in- eine – steuerbare – Wertschöpfung ländischer Steuer) bei im Ausland er- zugeschrieben wird. Diese system- brachten Dienstleistungen nach Art. fremde Regelung wird vom Bundes- Mängel hinsichtlich Steuerneutralität in 18 MWSTG (insbesondere Bank- gericht sogar noch weiter ausgelegt, der «unternehmerischen» Sphäre und Versicherungsdienstleistungen). indem Golfplätze auf Betreiben der – Die unechten Steuerbefreiungen be- ESTV als ‹Bauwerke› qualifiziert stimmter Leistungen (Art. 17 und 18 werden [4]. MWSTG) führen zu einer definiti- – Anwendung des aktuellen, im Zeit- ven Vorsteuerbelastung bei den Er- punkt des Eigenverbrauches (Art. 43 bringern solcher Leistungen. Wer- Abs. 2 MWSTG) geltenden Steuer- den die entsprechenden Leistungen satzes macht den ‹normalen› Eigen- an steuerpflichtige und zum Vorsteu- verbrauch (Art. 9 Abs. 1 MWSTG) – erabzug berechtigte Leistungsemp- trotz fehlendem Leistungsaustausch fänger erbracht, entsteht dadurch – zu einem ‹neuen› Steuertatbe- eine ‹taxe occulte›, da die ‹hängen- stand, was im Widerspruch steht zu gebliebene› MWST letztlich in die der Vorstellung, wonach die Eigen- Kalkulationsgrundlage des steuer- verbrauchsbesteuerung dazu diene, pflichtigen Leistungsempfängers ein- den Vorsteuerabzug nachträglich zu fliessen und im Rahmen von dessen korrigieren; bei einer Überarbeitung Umsätzen wiederum der Steuer un- des Gesetzes wäre ohnehin zu prü- terworfen wird. Aus systematischer fen, ob der normale Eigenverbrauch Sicht liesse sich dieser Mangel ent- Philip Robinson, Dr. phil. I et lic. oec. als objektiver Steuertatbestand wei- weder dadurch beheben, dass die Op- HSG, dipl. Steuerexperte, Partner, Ernst & tergeführt wird; sachgerechter wäre, tionsmöglichkeiten gemäss Art. 26 Young AG, Mitglied der Fachgruppe die entsprechenden Bestimmungen Steuern und des Kompetenzzentrums MWSTG auf sämtliche Umsätze mit MWST der Treuhand-Kammer, Zürich als reine Vorsteuerkorrekturregeln steuerpflichtigen Leistungsempfän- weiterzuführen. 1146 Der Schweizer Treuhänder 12/04
AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson, Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz – Keine klare Trennung bezüglich der – Extensive Ausdehnung des Anwen- trug zeichnet sich dadurch aus, dass ein Rechtsfolgen zwischen unecht von dungsbereichs des Meldeverfahrens Vorsteuerabzug vom Leistungsemp- der Steuer befreiten Umsätzen (Art. (Art. 47 Abs. 3 MWSTG) [5]; fänger in Anspruch genommen wird, 18 MWSTG) und Nicht-Umsätzen, – Anforderungen an Ausfuhrnach- obwohl der Leistungserbringer die namentlich in bezug auf die Korrek- weise und Nachweise, dass Leistung Steuer nie abgeführt hat. Impliziert tur des Vorsteuerabzugs. (…) im Ausland erbracht wurden (Art. 20 wird selbstverständlich ein Zusammen- MWSTG, WL Rz. 388, 528 ff.). wirken von Leistungserbringer und Leistungsempfänger. Mit den strengen Das Selbstveranlagungsprinzip und an- Diese Regeln sind komplex und wer- formellen Anforderungen an die Ein- dere Verfahrensprinzipien führen in ihrer den von vielen betroffenen Steuer- gangsrechnungen kann jedoch nicht Ausgestaltung und praktischen Umset- pflichtigen entweder infolge Nichtwis- verhindert werden, dass die Umsatz- zung zu hohem Aufwand und zu Rechts- sens oder aufgrund praktischer Schwie- steuer vom Leistungserbringer nicht unsicherheit auf seiten der MWST- rigkeiten nicht oder nur teilweise abgeführt wird. Eine «Bestrafung» des Pflichtigen. umgesetzt. Die Absicht, den Fiskus zu Leistungsempfängers wäre nur in je- Wie bereits dargestellt, wurde das sog. hintergehen, dürfte aber nur in den al- nen Ausnahmefällen angemessen, in Selbstveranlagungsprinzip unbesehen lerwenigsten Fällen bestehen. Anläss- denen ein Zusammenwirken zwischen aus dem WUST-Recht übernommen. lich der Kontrollen der ESTV werden Leistungserbringer (der die ausgewie- Dabei wurde nicht beachtet, dass ei- Fehler in der Abwicklung und Doku- sene Steuer nicht abführt) und Lei- nerseits in einer Allphasensteuer die mentation in der Regel kompromisslos stungsempfänger (der aufgrund des – Möglichkeit von Fehlern in einer Um- geahndet, was oft zu erheblichen Steu- in betrügerischer Absicht erstellten – satzkette massiv erhöht wird und dass eraufrechnungen führt. Stossend er- Rechnungsbeleges den Vorsteuerab- andererseits durch die Einführung des scheint dies insbesondere dann, wenn zug wissentlich geltend macht) ver- Vorsteuerabzugs die Komplexität der dadurch Steuerbelastungen entstehen, mutet werden kann. In all jenen Fällen Ermittlung der Steuerschuld massiv die bei ‹richtiger› formeller Abwicklung aber, in denen der Leistungsempfänger angestiegen ist. nicht entstanden wären. Der Fiskus be- gutgläubig einen Vorsteuerabzug gel- reichert sich also gewissermassen an tend macht, darf es nicht sein, dass er – Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige den Fehlern der Steuerpflichtigen. durch Aberkennung des Rechtes auf die Steuerschuld selbst, d.h. ohne Un- Vorsteuerabzug – bestraft wird für die terstützung der Verwaltung, zu bestim- Die falsche Gleichsetzung der Rechnung Nicht-Entrichtung der Steuer seitens men hat und während einer fünfjähri- mit einem ‹Check› im Zusammenhang des Leistungserbringers. gen Verjährungsfrist jederzeit damit mit dem Recht auf Vorsteuerabzug rechnen muss, dass die Verwaltung im führt zu überspitztem Formalismus be- Es ist davon auszugehen, dass sich Fälle Rahmen einer Kontrolle bei ihm Auf- züglich der Eingangsrechnungen. Die von Betrug im oben dargelegten Sinne rechnungen vornimmt, die er kaum Rechnung für sich allein reicht aber in in der Schweiz bisher kaum ereignet mehr an seine Abnehmer überwälzen keiner Weise aus, um einen Vorsteuer- haben und zugleich zu bezweifeln, dass kann, führt zu einem wirtschaftlich anspruch «einzulösen». Es bedarf zu- Betrüger in einer solchen Situation den nicht vertretbaren Unternehmerri- nächst einer Verbuchung der Rech- offensichtlichen Fehler begehen wür- siko. (…) nung in der Bilanz (bei Investitionen) den, eine formell unkorrekte Rech- oder Erfolgsrechnung (bei Aufwen- nung auszustellen. Als Radikallösung dungen), damit ein Vorsteuerabzug für die Vermeidung solcher Missbräu- Die Verwaltungs- und Kontrollpraxen überhaupt in Frage kommt. Deshalb ist che bietet sich ein System an, das bei sind oft auf Missbrauchsverhinderung es – wenn auch vom Bundesgericht Geschäftsvorfällen zwischen zum vollen ausgerichtet, verhindern den Betrug teilweise gestützt – nicht angemessen, Vorsteuerabzug berechtigten MWST- aber nicht, sondern schaffen für redliche wenn der Form von Eingangsrechnun- Pflichtigen eine Form von Meldever- Steuerpflichtige erhebliche Probleme bei gen in der Verwaltungspraxis gewisser- fahren vorsieht (vergleichbar mit dem der Umsetzung mehrwertsteuerlicher massen eine absolute Bedeutung bei- Konzept innergemeinschaftliche Liefe- Regelungen. gemessen wird. Wir postulieren, dass rung/innergemeinschaftlicher Erwerb In vielen Bereichen hat die Verwal- bei der Entscheidung, ob ein Vorsteu- in der EU oder mit dem Meldeverfah- tungspraxis sehr strenge formelle Re- erabzug zu gewähren sei oder nicht, die ren nach Art. 47 Abs. 3 MWSTG). (…) gelungen festgelegt, deren unvollstän- gesamten Umstände zu berücksichti- dige Einhaltung automatisch zu einer gen seien, insbesondere die Verbu- Einige Gesetzesbestimmungen, aber ins- mehrwertsteuerlichen Umqualifizie- chung der betreffenden Position beim besondere die Auslegung des Gesetzes rung führt, so zum Beispiel bei: Leistungsempfänger sowie die Verwen- durch die ESTV haben zur Folge, dass dung dieses Vorumsatzes für einen die schweizerische MWST in manchen – Margenbesteuerung (Art. 10 ff. steuerbaren Zweck. Bereichen keine allgemeine Konsum- MWSTGV; BB 05, S. 15 ff.); steuer ist, sondern die Unternehmen – Vermittlungsgeschäften Das Argument, der strenge Formalis- steuerlich belastet. (WL Rz. 190 ff.); mus im Bereich der Rechnungen diene – Personalverleih im karitativen der Vermeidung von Betrug, greift un- Die oben zur Begründung von Aus- Bereich (WL Rz. 607 ff.); seres Erachtens zu kurz: Vorsteuerbe- sage 1 (‹Das im MWSTG und in der Der Schweizer Treuhänder 12/04 1147
AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson, Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz MWSTGV zugrunde gelegte materiel- samen Umsetzung einer allgemeinen richtigter Beleg (bzw. ein vollständi- le System der schweizerischen MWST Konsumsteuer anstelle einer Unter- ges Berichtigungsformular) vorliegt. ist grundsätzlich als gut zu bezeichnen, nehmenssteuer – unbedingt korrigiert Diese Praxis ist abzulehnen [8]. obwohl gewisse systematische Mängel werden müssten (der Umstand, dass – Generell werden sehr strenge (über- vorhanden sind›) zitierten Bestim- einige dieser systemwidrigen Praxen spitzte) formelle Anforderungen an mungen führen zum Ergebnis, dass die vom Bundesgericht geschützt werden, Rechnungen gestellt, die mitunter zu schweizerische MWST bereits auf der macht sie nicht weniger problematisch). systematischen Vorsteuerbelastun- Gesetzesebene (also als Ausdruck des Nachfolgend seien die Wichtigsten gen bei einer grossen Zahl von Steu- politischen Willens) Elemente aufweist, dieser Verwaltungspraxen aufgelistet: erpflichtigen führen können. Als die sie zu einer Art Unternehmenssteuer Beispiel sei die Tatsache angeführt, machen, d.h. die zu einer Steuerbela- – Vorsteuern, die in direktem Zusam- dass Fahrscheine der SBB, weil sie – stung bei den Unternehmen führen menhang mit der Einbringung von offenbar aus Praktikabilitätsgrün- und nicht, wie dies von einer allgemei- Kapital in ein Unternehmen stehen, den – nicht vollumfänglich den An- nen Konsumsteuer aus systematischer können gemäss Praxis der ESTV forderungen von Art. 37 MWSTG Sicht zu erwarten wäre, ausschliesslich nicht geltend gemacht werden, unge- genügen, konsequent nicht als Vor- den Konsum belasten. achtet der Tätigkeit des Unterneh- steuerbelege anerkannt werden, ob- mens. Dies hat zur Folge, dass kein wohl über den Leistungserbringer Zu den genannten Bestimmungen einziges MWST-pflichtiges Unter- und die Art der Leistung kein Zwei- kommt, dass das Gesetz eine Diskre- nehmen seine Tätigkeit ohne jegliche fel bestehen kann. (Zur Kritik der panz vorsieht zwischen der Verzinsung Vorsteuerbelastung ausüben kann, Analogie zwischen Rechnung und der Umsatzsteuer beim Leistungser- weil mindestens bei der Gründung ‹Check› vgl. oben.) bringer (Art. 47 Abs. 2 MWSTG) und definitive Vorsteuerbelastungen ent- – Bei Kontrollen durch die ESTV wer- der Verzinsung des Vorsteuerabzuges stehen. Mit anderen Worten ist letzt- den als Folge der überstrengen for- beim Leistungsempfänger (Art. 48 lich in jedem steuerbaren Umsatz mellen Anforderungen bei Fehlern Abs. 4 MWSTG). Diese Diskrepanz eine (wenn auch i.d.R. geringe) der Steuerpflichtigen in manchen hat zur Folge, dass im Zusammenhang ‹taxe occulte› enthalten. Sowohl die Fällen definitive Steuerbelastungen mit nachträglich beim Leistungserbrin- Auffassung der ESTV, wonach die geschaffen bei Sachverhalten, die – ger aufgerechneten Steuern auch dann Ausgabe von Beteiligungsrechten bei ‹richtiger› Abwicklung – voll- eine Restbelastung bleibt, wenn die einen steuerausgenommenen Um- umfänglich steuerneutral gewesen Steuerbeträge nachträglich auf den satz darstellt (SB Nr. 06, Ziff. 1.2.2.2) wären (z.B. Gegengeschäfte in der Leistungsempfänger überwälzt und von als auch die dem ganzen MB 23 zu- Medienbranche). diesem als Vorsteuer in Abzug ge- grunde liegende Vorstellung, der – Das an sich schon problematische bracht werden können: Der Verzugs- Vorgang der Zufuhr von Kapital Konzept des baugewerblichen Ei- zins auf der nachträglich entrichteten führe auf jeden Fall zu einer Vor- genverbrauches wird durch die Ver- Umsatzsteuer ist vom Leistungserbrin- steuerkürzung (nämlich im Minimum waltungspraxis sehr extensiv ange- ger geschuldet, obwohl der Fiskus, zu einer Verweigerung des Vorsteu- wendet. Zu denken ist hier insbe- wäre die Transaktion korrekt abge- erabzuges auf den transaktionsbezo- sondere an die Bestimmungen im wickelt worden, per Saldo nicht oder genen Kosten), ist unseres Erachtens Zusammenhang mit der Anwendung nur während kurzer Zeit (Zeitraum falsch; beides verletzt den Grundsatz von Art. 9 Abs. 2 lit. a MWSTG, die zwischen Steuerentrichtung des Lei- der Steuerneutralität im unterneh- dazu führen, dass diese Form des Ei- stungserbringers und Vorsteuerabzug merischen Kontext. Weil Personen- genverbrauches in manchen Fällen des Leistungsempfängers – was aber gesellschaften dieser Bestimmung auch dann angenommen wird, wenn systembedingt ist) über die Mittel hätte nicht unterliegen, führt die Praxis ein Bauwerk vollumfänglich durch verfügen können. Faktisch weist der auch zu einer rechtsungleichen Be- Dritte erstellt wird, d.h., wenn fak- Zins in diesen Fällen den Charakter handlung der Gründungskosten bei tisch keine Wertschöpfung durch den einer Busse auf, deren Rechtsgrund den verschiedenen Rechtsformen [7]. Bauherrn erfolgt (vgl. die Kriterien und Angemessenheit nach den Krite- – Die ESTV vertritt den Standpunkt, in SB 04, Ziff. 7.3.1). In diesen Fällen rien von Art. 85 ff. MWSTG geprüft dass das Recht zur Geltendmachung wird eine fiktive Wertschöpfung be- werden müsste [6]. des Vorsteuerabzuges erst in dem steuert, auf der Basis der ‹Finanzie- Zeitpunkt entstehe, in dem ein for- rungskosten› [9]. Während die im Gesetz enthaltenen mell korrekter Beleg (Eingangsrech- – Die Anforderung an den buch- und systemwidrigen Bestimmungen als nung) vorliege (vgl. z.B. die Erläute- belegmässigen Nachweis bei ‹Dienst- Ergebnisse des politischen Prozesses rungen zum Berichtigungsformular leistungsexporten› werden von der gesehen werden müssen, die vermu- 1550). Als Folge dieser Auffassung ESTV sehr rigide gehandhabt und in tungsweise nach dem Willen des Ge- wird dem Steuerpflichtigen, der auf- einigen Fällen – trotz eindeutiger setzgebers formuliert worden sind, grund eines unvollständigen Beleges Sachverhaltsermittlung aufgrund an- führt die Auslegung des Gesetzes im den Vorsteuerabzug geltend gemacht derer Nachweise – verabsolutiert. Rahmen der Verwaltungspraxis zu zu- hat, diese Steuer zunächst – unter Dies zeigt sich insbesondere bei einer sätzlichen Systemwidrigkeiten, die un- Zinsfolgen – belastet und erst dann Reihe von Entscheiden im Zusam- seres Erachtens – im Sinne der wirk- wieder gutgeschrieben, wenn ein be- menhang mit Management Fees. Ob- 1148 Der Schweizer Treuhänder 12/04
AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson, Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz wohl sich abzeichnet, dass das Bun- lung des Holdingzweckes gar nicht renrechnung die Zugehörigkeit zum desgericht die Praxis der ESTV in erforderlich ist) [11]. betroffenen Steuerzahler durch ihn diesen Fällen schützt [10], sollte diese – Im Bereich der Verrechnungspreise selber anerkannt wird. In EU-Län- Verabsolutierung der Formvorschrif- (Anwendung des Drittvergleichs- dern orientieren sich die diesbezüg- ten zugunsten einer Anerkennung grundsatzes von Art. 33 Abs. 2 lichen Bestimmungen primär daran, anderer angemessener Nachweise MWSTG) plädieren wir für eine ob eine Verwechselbarkeit mit einem aufgegeben werden. übereinstimmende Betrachtungsweise andern Empfänger ausgeschlossen – Die – ebenfalls durch die Steuerjustiz aller betroffenen Steuerbehörden. werden kann. geschützte – Weigerung der ESTV, Insbesondere fordern wir, dass Ver- – Die zwingend vorgeschriebene An- bei Ermessenseinschätzungen auch rechnungspreise, die von anderen wendung der Devisenkurse der die Vorsteuern zu schätzen, stellt un- Steuerbehörden (insbesondere kan- ESTV für Belege in Fremdwährun- seres Erachtens eine Benachteiligung tonale Steuerverwaltungen sowie gen führt bei Konzerngesellschaften des Steuerpflichtigen dar und verletzt Verrechnungssteuerbehörde) expli- zu einem erheblichen administrati- den Grundsatz, wonach die ermes- zit anerkannt worden sind, grund- ven Aufwand. Für Buchführungs- sensweise Schätzung einer Steuer- sätzlich auch für Zwecke der Mehr- zwecke muss ein vorgeschriebener forderung – gesamthaft gesehen – zu wertsteuer anerkannt werden [12].» Konzernkurs verwendet werden, einem angemessenen Ergebnis füh- während die ESTV für den Steuer- ren muss. betrag andere Kurse verlangt. Es – Die Praxis im Zusammenhang mit Frage 3: muss dringend eine Lösung gefun- ausländischen ‹passiven Investment- den werden, welche unter annehm- Inwieweit werden die Unterneh- gesellschaften› sollte überdacht wer- baren Bedingungen (evtl. Bandbrei- den, da sie sowohl systematisch als mungen durch die Umsetzung te des Kurses, Berücksichtigung der auch hinsichtlich der konkreten Sub- belastet und inwieweit kann vorsteuerabzugsberechtigten Abneh- stanzkriterien nicht konsistent ist mit hier künftig eine Entlastung mer usw.) die Anwendung von Kon- der Praxis im Bereich der direkten geschaffen werden? zernkursen für MWST-Zwecke zu- Steuern. Wenn überhaupt eine Pra- lässt [14]. xis entwickelt werden soll, die den «(…) Nachfolgend einige exemplari- – Es ist zu hoffen, dass der elektroni- ‹Missbrauch› von Offshore-Gesell- sche Beispiele, die den administrativen sche Austausch von Informationen schaften verhindert, müsste dies un- Aufwand und damit verbunden gleich- und Daten zwischen ESTV und Steu- seres Erachtens nicht über den sog. zeitig auch ein finanzielles Risiko (im erpflichtigen demnächst ausgeweitet ‹Durchgriff› (d.h., die Gesellschaft Falle von Fehlbehandlungen) aufzei- wird. Es geht hier u. a. um die Über- wird als inexistent betrachtet, und es gen und verdeutlichen: mittlung der Daten der Abrechnung, werden alle Leistungsbeziehungen die Abfrage von MWST-Nr. und dem Gesellschafter zugerechnet) ge- – Steuersatzerhöhungen führen zu Steuerpflichtigen, den Einblick in schehen, sondern wie bei den direk- einem erheblichen administrativen das eigene Kontokorrent usw. Die ten Steuern über die Frage nach der Aufwand bei den Steuerpflichtigen, diesbezüglichen Lösungen sind zwar Ansässigkeit (d.h., es müsste geprüft aber auch bei der Verwaltung. Da- von der ESTV eigenständig für die werden, wo die Gesellschaft faktisch, her sollten kleine Anpassungen (z.B. Schweiz zu definieren, doch wäre es z.B. aufgrund der tatsächlichen Ver- 0,1% in 1999) nicht vorgenommen äusserst sinnvoll, von den Erfahrun- waltung, ansässig ist, und die Gesell- werden. gen (und Fehlern) von EU-Staaten schaft müsste mehrwertsteuerlich – Die strengen formellen Kriterien bei zu profitieren. Insbesondere Öster- vollumfänglich wie ein – im Inland der Rechnungsstellung führen zu reich scheint die Vorteile der elek- oder im Ausland – ansässiges Sub- häufigen Rücksendungen von Rech- tronischen Kommunikation effizient jekt behandelt werden). Zudem müss- nungen (oder eben zu Aufrechnungs- zu nutzen. te die Betrachtungsweise konsequent risiken). In der Regel kann der Emp- angewandt werden, d. h., nicht nur fänger der Rechnung eindeutig (…) Obwohl es sich bei der MWST um dort, wo ausländische Gesellschaften identifiziert werden, auch wenn die eine Konsumsteuer handelt, erfolgt die ins Inland ‹gezogen› werden, son- Adressierung nicht bis ins Letzte mit Erhebung beim Unternehmen. Dieses dern auch umgekehrt, wo inländi- dem Eintrag in das Register der führt den Steuereinzug nicht nur un- sche Gesellschaften faktisch im Aus- Steuerpflichtigen bzw. in das Han- entgeltlich zugunsten der Steuerbe- land ansässig sind. Hinsichtlich der delsregister übereinstimmt. Darüber hörde aus, sondern übernimmt zudem Substanzkriterien plädieren wir für hinaus sollten Rechnungen an nicht das volle Risiko für allfällige ‹Fehler› in eine differenzierte Betrachtungswei- in das Handelsregister eingetragene der Beurteilung und Abwicklung. se, die auf den Gesellschaftszweck Betriebsstätten trotzdem zum Vor- und andere spezifische Elemente steuerabzug berechtigen, sofern die Kontrollen durch die Inspektoren der eines Sachverhaltes Rücksicht nimmt Zuordnung zum Steuerpflichtigen Hauptabteilung MWST führen in pra- (wir erachten es z.B. als unangemes- gewährleistet ist [13]. Völlig unbe- ktisch allen Fällen zu erheblichen Nach- sen, wenn von einer Holdinggesell- achtet bleibt in der Praxis das Ar- belastungen in Form von Ergänzungs- schaft verlangt wird, dass sie eigenes gument, dass durch die Verbuchung abrechnungen; dies im Gegensatz zu Personal hat, da dies für die Erfül- und Zahlung einer visierten Kredito- Kontrollen bei den direkten Steuern, Der Schweizer Treuhänder 12/04 1149
AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson, Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz Abbildung Vorgeschlagene Änderungen per 1. Juli 2005 Praxisänderung gemäss Vorschlag ESTV Kommentar Vorsteuerkürzung bei gemischter Verwendung: Massnahmen / Vereinfachungen in diesem Bereich sind unerlässlich. Um komplizierte Berechnungen zu vermeiden, Der vorgeschlagene mögliche Lösungsansatz ist interessant, führt können die von der Steuer ausgenommenen aber in aller Regel zu einer zu hohen Belastung beim Steuerpflichtigen. Umsätze freiwillig ohne Ausweis der Steuer ver- Es dürfte sachgerechter sein, die Belastung maximal auf die Höhe des steuert werden. Dadurch würde die Vorsteuer- entsprechenden Branchensaldosteuersatzes zu limitieren. Von ent- kürzung abgegolten. scheidender Bedeutung ist es, dass diese – zu einer hohen Belastung führende – Variante nur mit Zustimmung des Steuerpflichtigen ange- wendet werden darf. Kombination von Leistungen mit unterschiedlichen Dieser Vorschlag geht in die richtige Richtung. Zu prüfen wäre, ob die Steuersätzen: Bei Fakturierung zu einem Gesamt- neue Lösung neben quantitativen Aspekten auch qualitative Momente preis wird zur Bestimmung des anwendbaren berücksichtigen sollte. Steuersatzes neu auf ein anderes Verhältnis als die 90/10%-Regel, z. B. 80/20%, abgestellt. Vereinfachungen bei Nutzungsänderungen. Aus der Beschreibung dieser Praxisänderung in der von der ESTV pub- lizierten Liste gehen keine Einzelheiten hervor, wie diese Vereinfachungen aussehen sollen. Vereinfachungen in diesem Bereich sind aber auf jeden Fall zu begrüssen, sofern dem Steuerpflichtigen stets auch die freie Wahl gelassen wird, auf die Anwendung der Vereinfachungslösungen zu ver- zichten. Einheitliche Behandlung der Durchführung von Keine Bemerkungen. Rauchgaskontrollen als steuerbare Tätigkeit. Bewilligungsgebühren, die ein Sportverband von Diese Regelung ist für internationale Verbände zu begrüssen. Im inlän- einem Organisator einer Sportveranstaltung ver- dischen Verhältnis könnte sie zu steuerlichen Mehrbelastungen bei den langt, sind neu steuerbar. durchführenden Organisationen führen. Die Konsequenzen der Praxis- änderung sind – alleine schon aus politischen Gründen – transparent zu machen. Ausländische Domizilgesellschaften (Offshore- Für den Wirtschaftsstandort Schweiz ist eine Neuregelung der Thematik Gesellschaften): Es ist bei diesen Gesellschaften der Offshore-Gesellschaften von grosser Bedeutung. zu prüfen, ob es – wie bei den direkten Steuern – Die mit der vorgeschlagenen Praxisänderung adressierten Probleme auch für die MWST genügt, dass bei einem machen aber höchstens die Spitze des Eisberges aus. Die Thematik Konzern mit mehreren Offshore-Gesellschaften muss umfassender angegangen werden. Insbesondere muss noch in verschiedenen Ländern das Personal der Off- vermehrt eine Harmonisierung mit den direkten Steuern erreicht werden. shore-Gesellschaft A im Land X gleichzeitig auch Die im Rahmen eines IFF-Seminars im Februar 2004 dargestellte tätig sein kann für die Offshore-Gesellschaften B «Durchgriffslösung», welche im Widerspruch zu den direkten Steuern bzw. C in den Ländern Y bzw. Z. steht, muss im Rahmen der Praxisänderung überprüft und zumindest thematisiert werden. Verrechnungspreise im Konzern: In Anwendung In diesem Bereich besteht grosser Handlungsbedarf. Wir plädieren von Art. 33 Abs. 2 MWSTG verlangt die ESTV bei dafür, dass im Bereich der Verrechnungspreise für eine übereinstimmende Umsätzen, die zwischen Konzerngesellschaften Betrachtungsweise aller betroffenen Steuerbehörden gesorgt wird. erbracht werden, zur Zeit einen Kostenaufschlag Insbesondere fordern wir, dass die Verrechnungspreise, die von andern von 5 %. Es ist zu prüfen, ob – wie bei den direkten Steuerbehörden (insbesondere kantonalen Steuerverwaltungen sowie Steuern – in Zukunft auch tiefere Kostenaufschläge Verrechnungssteuerbehörden) explizit anerkannt worden sind, grund- akzeptiert werden können. sätzlich auch für Zwecke der MWST anerkannt werden. wo eine Aufrechnung nur ausnahms- vorweg bei privaten Konsumenten zu. mehr im Geschäft sind (z. B. Konkurs), weise erforderlich ist. Dazu kommt Aber auch bei gewerbsmässigen Ab- dass die Qualität der Geschäftsbezie- noch ein Verzugszins von (hohen) 5%. nehmern ist die nachträgliche Über- hung eine zivilrechtliche Überwälzung wälzung häufig nicht möglich, sei es, nicht zulässt, dass eine derart grosse In vielen Fällen ist die Überwälzung dass diese nicht über den vollen Vor- Zahl von Kunden besteht, deren Be- nachträglich nicht möglich. Dies trifft steuerabzug verfügen, dass sie nicht züge so klein waren, dass der admini- 1150 Der Schweizer Treuhänder 12/04
AKTUELLES ZUR MWST Diego Clavadetscher, Philip Robinson, Zehn Jahre Mehrwertsteuer in der Schweiz strative Nachbearbeitungsaufwand un- Busse, also einer Strafe (…). Dies ins- aber für die Unternehmen dazu, dass verhältnismässig wäre usw. besondere deshalb, weil es sich bei der sie – zum Teil trotz «durchstandener» Mehrzahl der Nachbelastungen um Kontrolle – über (max. 15) Jahre hin- Um formelle Fehler in der Rechnungs- Nachbelastungen für Leistungen an weg mit einem latenten Aufrechnungs- stellung nachträglich korrigieren zu Steuerpflichtige handelt, welche ge- risiko konfrontiert sind. Unseres Erach- können, hat die ESTV das Formular mäss dem System steuerneutral erfol- tens gebührt auch dieser Thematik re- 1550 geschaffen. Damit lassen sich ei- gen sollten. Bei Nachbelastungen aus formerische Aufmerksamkeit. nerseits lediglich gewisse Fehler korri- rein formellen Fehlern ist die Ergän- gieren, und andererseits führt die An- zungsabrechnung schon «Strafe» ge- wendung dieses Formulars mit der nug; sie sollte nicht noch durch einen Pflicht, eine Kopie an die ESTV zu sen- bussenartigen Verzugszins erhöht wer- den, zu einem Verzugszins von 5%. den. Die Verzugszinsproblematik ist Anmerkungen Dieser finanzielle Nachteil ist der eine auch unter dem Gesichtspunkt der sehr 1 Bei Redaktionsschluss dieses Beitrages war Grund dafür, dass das Formular in der langen Verfahrensdauer zu evaluie- der Bericht noch nicht veröffentlicht. Praxis kaum angewendet wird [15]. ren.» (…) 2 Selbstverständlich sind auch Nullbesteuerun- Der andere liegt darin, dass die Unter- gen denkbar. nehmungen fürchten, bei Verwendung 3 So besteht zum Beispiel bei manchen export- dieses Formulars, insbesondere bei der orientierten Unternehmen noch grosse Un- mehrfachen Verwendung, eine MWST- sicherheit bezüglich der Umsetzung des Bun- Geplante Praxisänderungen desgerichtsentscheides vom 6. März 2001 i. S. Revision zu provozieren, was wohl Über- und/oder Unterfakturierung. auch zutrifft. Letztlich wirkt sich dieses Bis zum Zeitpunkt des Redaktions- 4 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vorge- Formular – obwohl es in guter Absicht schlusses für diesen Artikel war der sehen. geschaffen worden ist – möglicherwei- aufgrund des Postulates Raggenbass 5 Mit der Neufassung des MB 11 (Übertragung se sogar verschärfend aus, denn die verfasste Bericht des Bundesrates noch im Meldeverfahren), gültig ab 1. Juli 2004, Tatsache, dass das Formular existiert, nicht veröffentlicht. Vorab wurden je- wurde immerhin die rückwirkende Anwen- dung des Meldeverfahrens – mit einer Nach- schränkt den Ermessensspielraum der doch auf der Website der ESTV Vor- belastung der Vorsteuern beim Überneh- Inspektoren ein und lässt andere For- schläge für Praxisänderungen per 1. Ja- menden – für bestimmte Konstellationen auf- men der nachträglichen Beschaffung nuar 2005 bzw. 1. Juli 2005 publiziert. gegeben (vgl. MB 11, Ziff. 3.2.6). von Nachweisen – z.B. das Einholen Die definitiven Änderungen per 1. Ja- 6 Vgl. Marco Greter, Daniel Schär, Formular 1310 und Verzugszins: Strafen ohne Gesetz einer ‹formlosen› Erklärung des Lie- nuar 2005 sind auf der Website der bei der Mehrwertsteuer, SteuerRevue 3/2003, feranten – nicht mehr zu (nur mittels ESTV einsehbar und werden den Steu- S. 199 ff. des Formulars korrigierte Rechnungen erpflichtigen mit dem Versand der 7 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vor- können akzeptiert werden). MWST-Abrechnung für das 4. Quartal gesehen. 2004 zugestellt [16]. In der Abbildung 8 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vor- Die ganze Verzugszinsthematik muss – werden die Vorschläge der ESTV, wel- gesehen. auch in bezug auf die übrigen Steuern che für den 1. Juli 2005 vorgesehen sind, 9 Diesbezüglich sind zwei Praxisänderungen des Bundes – neu überdacht werden. erörtert und – auf der Basis des Wis- vorgesehen. Dabei ist dem unterschiedlichen Cha- sensstandes bei Redaktionsschluss – 10 Entscheid des Bundesgerichtes vom 31. März 2004 (2A.507/2002). rakter der unterschiedlichen Steuern kurz kommentiert [17]. Rechnung zu tragen. 11 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vor- gesehen, mit der die Problematik teilweise gemildert werden sollte (vgl. Abb.). Der seit 1995 geltende Satz von 5% hat 12 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vorge- nichts mit einem Marktzins zu tun. Im- Fazit sehen, mit der die Problematik teilweise ge- merhin beträgt der Vergütungszinssatz mildert werden sollte (vgl. Abb.). ebenfalls 5%. Dies ist allerdings nicht Die per 1. Januar 2005 in Kraft treten- 13 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vorge- sehr bedeutend, da die tatsächlich aus- den und die per 1. Juli 2005 in Aussicht sehen. bezahlten Vergütungszinsen gegen- gestellten Praxisänderungen sind ein 14 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vorge- sehen. über den tatsächlich erhobenen Ver- deutlicher Hinweis dafür, dass die Ver- zugszinsen vernachlässigbar sind. Dass nehmlassungsantworten von der ESTV 15 Diesbezüglich ist eine Praxisänderung vorge- sehen. für Steuersubstrat, welches ein Steuer- ernst genommen werden und zu Ver- 16 610.526-01/d/f/i pflichtiger vom Konsumenten einfor- besserungen führen werden. Dies ist dert, der ESTV aber nicht rechtzeitig sehr zu begrüssen. 17 Die für den 1. Januar 2005 und 1. Juli 2005 vorgesehenen Vorschläge wurden erstmals abliefert, ein «marktkonformer» Ver- am 20. Oktober 2004 auf der Website der zugszins verlangt werden soll (der Sämtliche Anpassungen betreffen Be- ESTV publiziert: www.estv.admin.ch/data/ sogar einen gewissen «Motivationsan- reiche des materiellen Steuerrechts. Es mwst/d/mwstkg/pdf/massnahmen.pdf. In der obenstehenden Tabelle sind die für den 1. Juli reiz» enthalten kann) geht in Ordnung. darf nicht vergessen werden, dass eine 2005 vorgesehenen Vorschläge der ESTV Dass hingegen bei Ergänzungsabrech- grosse Belastung der Steuerpflichtigen teilweise wörtlich zitiert. Die Kommentierun- nungen ein Verzugszins von 5% erho- vor allem auch aus dem Verfahrensrecht gen beruhen auf einer schriftlichen Stellung- nahme, die das Kompetenzzentrum MWST ben wird, ist inakzeptabel. Dieser Pro- resultiert. Die «Selbstveranlagung» ist über ihre beiden Vertreter zuhanden des Kon- zentsatz hat klar den Charakter einer zwar für den Staat kostengünstig, führt sultativgremiums eingereicht hat. Der Schweizer Treuhänder 12/04 1151
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