Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte

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Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
Ausgabe 03/2022

BvD- NEWS
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte

     Seite 42

DIGITALISIERUNG
DER SCHULEN UND
MEDIENKOMPETENZ
– WO KLEMMT’S
TLfDI Dr. Lutz Hasse, René Rösel

     Seite 12

„DIE CHATKONTROLLE
WIRD VOR GERICHT
LANDEN.“
Interview mit EU-Abgeordnetem Patrick Breyer

     Seite 6

DER DATA ACT                                                                                Berufsverband der
IN DER KRITIK                                                                        ­Datenschutzbeauftragten
BvD, Stiftung Datenschutz und DIHK luden                                               Deutschlands (BvD) e.V.
zur Diskussion mit Fachleuten nach Berlin

                        www.xing.com/companies/berufsverbandderdatenschutzbeauftragtendeutschlands

                        www.linkedin.com/company/berufsverband-der-datenschutzbeauftragten
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
Der

2023
                                                                                                         Frühjahrskongress
                                                                                                          der Datenschutz-
                                                                                                            Community

BvD-Verbandstage                                               09.05. – 10.05.2023
                                                               IM DORINT HOTEL
                                                               KURFÜRSTENDAMM BERLIN

                                                                                 KÖNNEN WIR UNS
                                                                                 DATENSCHUTZ
                                                                                 NOCH LEISTEN?

                                                                                         Berufsverband der
                                                                                   Datenschutzbeauftragten
                                                                                    Deutschlands (BvD) e.V.
SPANNENDE VORTRÄGE MIT
NAMHAFTEN REFERENT:INNEN
   Prof. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die
   Informationsfreiheit                                                            TEILNAHMEGEBÜHREN:
   Carl Fabian Lüpke (Flüpke), Chaos Computer Club (CCC)                           Frühbucherrabatt bis 8. Februar 2023
   Barbara Thiel, Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen              BvD-Mitglieder & Behörden: 795 €
                                                                                   Nichtmitglieder: 1.050 €
   Carmen Wegge, MdB (SPD)
                                                                                   Ab dem 9. Februar 2023
   Prof. Dr. Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung                                  BvD-Mitglieder & Behörden: 895 €
                                                                                   Nichtmitglieder: 1.150 €
Im Rahmen der BvD-Verbandstage findet am Abend des 09.05.2023 die                  Alle Preise zzgl. gesetz. MwSt.

Verleihung des Datenschutz Medienpreises DAME 2022 statt. Seien Sie mit dabei!

                 JETZT ANMELDEN:
                 www.bvdnet.de/bvd-verbandstag
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,
„DSGVO im 5. Jahr – Wie hat die EU den Datenschutz ver-            arbeitungsumgebungen vor
ändert?“ – so war die sechste BvD-Herbstkonferenz über-            dem Hintergrund des Arti-
schrieben, die wir Ende Oktober gemeinsam mit den Daten-           kel 25 DSGVO und des AI Act
schutzaufsichtsbehörden aus Baden-Württemberg und Bayern           schreibt.
veranstaltet haben. Wenn man diese Frage in aller Kürze be-
                                                                   Europäische Gesetzgebung macht ei-
antworten wollen würde, müsste man wohl sagen: von Grund
                                                                   niges oft komplizierter, manchmal aber auch einfacher. Vor we-
auf. Das sorgte selbst in Deutschland, wo wir – verglichen mit
                                                                   nigen Tagen ist es uns nach vielen Jahren (Überzeugungs-)Arbeit
manch anderem europäischen Partner – über viele Jahrzehnte
                                                                   gelungen eine Genehmigung der baden-württembergischen
Erfahrung im Datenschutz verfügen, zunächst für einige An-
                                                                   Aufsichtsbehörde für die von BvD und GDD gemeinsam ent-
laufschwierigkeiten. Seitdem hat sich zum Glück einiges getan.
                                                                   wickelte Verhaltensregel „Trusted Data Processor“ zu erhalten,
Unser Kongressmotto darf aber nicht darüber hinwegtäuschen,        die wesentliche Datenschutzprozesse der Auftragsverarbeitung
dass es längst weitere Gesetzesvorhaben aus Brüssel gibt, die      konkretisiert. Sie verfolgt das Ziel durch Prozessstandardisie-
den Datenschutz teilweise massiv berühren. In zügigem Tempo        rung die Umsetzung von Datenschutzanforderungen zu verein-
kommen neben der DSGVO neue Rechtsvorschriften wie der             fachen und transparenter zu machen sowie die Beauftragung
Digital Services Act oder bald der Data Act oder der AI Act hin-   von geeigneten Auftragsverarbeitern zu erleichtern. Vor allem
zu, die wir als Datenschutzbeauftragte zukünftig kennen und        erhöht die aufsichtsbehördliche Genehmigung der Verhaltens-
in ihrem Verhältnis zur DSGVO verstehen müssen. Der Grund-         regel letztlich für die Beteiligten die Rechtssicherheit.
gedanke dieser Gesetzesvorhaben in Europa ist eigentlich gut.
                                                                   Mit einer Selbstverpflichtung auf die Verhaltensregel „Trusted
Im Data Act beispielsweise geht es um das Teilen von Daten,
                                                                   Data Processor“ machen Auftragsverarbeiter nach außen sicht-
darum, innovative digitale Geschäftsmodelle in Europa zu för-
                                                                   bar, dass sie den in der Verhaltensregel festgelegten Vorgaben
dern. Es geht um Effizienzgewinne, Umweltschutz, Energieein-
                                                                   folgen und sich deren Überwachung durch eine Kontrollstelle
sparung. Aber funktioniert das auch? Das Problem ist hier, dass
                                                                   unterwerfen. Im Falle von „Trusted Data Processor“ ist dies die
diejenigen, für die diese Rechtsakte eigentlich gedacht sind, in
                                                                   DSZ - Datenschutz Zertifizierungsgesellschaft mbH. Sie hat un-
den entsprechenden Gesprächen in Brüssel nicht oder erst zu
                                                                   ter www.verhaltensregel.eu eine Website eingerichtet, auf der
spät mit am Tisch sitzen. Das bestätigte bei der Herbstkonfe-
                                                                   die Verhaltensregel zur Verfügung gestellt wird, so dass Sie die
renz auch Renate Nikolay, Kabinettschefin von EU-Kommissi-
                                                                   mit detaillierten Mustern gespickte Verhaltensregel als ein Hilfs-
ons-Vizepräsidentin Věra Jourová. Die großen Digitalkonzerne
                                                                   mittel für Ihre tägliche Arbeit nutzen können – unabhängig da-
sind an diesen Diskussionen seit Jahren beteiligt, während die
                                                                   von, ob Sie sich der Verhaltensregel offiziell unterwerfen oder
Perspektive der deutschen Wirtschaft unterrepräsentiert ist in
                                                                   nicht. Falls Sie für Ihre Kunden oder Ihren Arbeitgeber mehr
der EU. Für diese Problematik gilt es zu sensibilisieren.
                                                                   über die Verhaltensregel und deren Implementierung erfahren
Die Vielzahl der neuen digitalpolitischen Rechtsakte bedeutet      möchten: Der BvD bietet zu dem Thema kostenlose Informa-
für uns Datenschutzbeauftragte aber auch: Die Anforderungen        tionsveranstaltungen sowie detailliertere Webinare und Semi-
an die Beratungen werden stets umfangreicher und es gilt am        nare an. Informieren Sie sich einfach auf unserer Website oder
Ball zu bleiben, um Verantwortliche bei einer praktikablen Um-     fragen Sie in unserer Geschäftsstelle an.
setzung datenschutzkonformer Geschäftsprozesse kompetent
                                                                   Doch nun wünsche ich Ihnen erst einmal eine anregende
zu begleiten. Beginnen können Sie damit gleich in dieser Ausgabe
                                                                   Lektüre Ihrer BvD-News.
der BvD-News, die einen Schwerpunkt auf europäische The-
men setzt – so etwa mit dem Nachbericht zu unserem In-             Ihr
formationstag zum Data Act (S. 6) oder dem Interview mit
dem EU-Parlamentarier Dr. Patrick Breyer von der Piraten-
partei. Oder Sie lesen, was Steffen Kroschwald über die            Thomas Spaeing
Gestaltung nutzer-, kontext- und situationsadäquater Ver-          BvD-Vorstandsvorsitzender

                                                                                                               BvD-NEWS Ausgabe 3/2022   3
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
INH A LT S V ER ZEI C HNIS

                                                                 IM FOKUS
                                                                 Der Data Act in der Kritik
                                                                 BvD, Stiftung Datenschutz und DIHK luden zur Diskussion mit Fachleuten
                                                                 nach Berlin.
                                                                 Ulrich Hottelet                                                       6

                                                                 „Die Chatkontrolle wird vor Gericht landen.“
    IMPRESSUM:                                                   EU-Parlamentarier Patrick Breyer (Piratenpartei) spricht im Interview mit
    BvD-News                                                     den BvD-News über die geplante Chatkontrolle und die weiteren Digitali-
    Das Fachmagazin des Berufsverbandes                          sierungsvorhaben der EU.
    der Datenschutzbeauftragten
    Deutschlands (BvD) e.V.                                      Patrick Breyer                                                         12
    Herausgeber:
                                                                 Synthetische Daten und Datenschutz –
    Berufsverband der Datenschutz­beauftragten
    Deutschlands (BvD) e.V.                                      eine Momentaufnahme
    Budapester Straße 31                                         Das Berliner Unternehmen Statice entwickelte eine Technologie, die der
    10787 Berlin                                                 Finanz-, Versicherungs- und Gesundheitsbranche synthetische Daten zur
    Tel: 030 26 36 77 60
                                                                 Verfügung stellen will.
    Fax: 030 26 36 77 63
    E-Mail: bvd-gs@bvdnet.de                                     Omar Ali Fdal                                                         14
    Internet: www.bvdnet.de
    www.xing.com/companies/                                      DATENSCHUTZRECHT
    berufsverbandderdatenschutz
    beauftragtendeutschlands
                                                                 Nutzer-, kontext- und situationsadäquate
    www.linkedin.com/company/berufsverband-
    der-datenschutzbeauftragten                                  Verarbeitung by Design
    www.bvdnet.de/feed/                                          Wie dies vor dem Hintergrund von Art. 25 DSGVO und KI-Verordnung
                                                                 gelingen kann zeigt
    Redaktion:
    Christina Denz (chd)                                         Prof. Dr. Steffen Kroschwald                                          18
    V.i.S.d.P.: Thomas Spaeing
    bvd-gs@bvdnet.de                                             Das Recht auf Auskunft in der Datenschutz-Grundverordnung
    Fotos (sofern nicht                                          – Art. 15 DSGVO
    anderweitig ausgewiesen):                                    Pseudonyme Informationen gelten nach DSGVO als personenbezogene
    Fotos: 123RF, Adobe Stock,                                   Daten. Ausgenommen sind anonyme Informationen, die keiner Person
    Fotos Data-Act-Tagung von BvD, Stiftung
    Datenschutz und DIHK: Andreas Burkhardt                      zugeordnet werden können.
    Fotos BvD-Herbstkonferenz und Behördentag:                   Nicole Schmidt, Elif Tüysüz                                     23
    Uli Schneider

    Lektorat:                                                    DATENSCHUTZPRAXIS
    Frank Spaeing, Regina Mühlich

    Anzeigen:                                                    Cybersicherheit in der „VUKA-Welt“
    Christina Denz                                               Cyberangriffe gehören zum Alltag von Unternehmen. Was nach einem
    Kooperationen:                                               Angriff zu tun ist erläutert der Präsident der Cyber-Sicherheitsagentur
    Nadja Bunk, Karsten Füllhaase
    (bvd-news@bvdnet.de)
                                                                 Baden-Württemberg
    Satz, Layout & Produktion:
                                                                 Ralf Rosanowski                                                        28
    Trend Point Marketing GmbH,
    Breitenbachstraße 24-29, 13509 Berlin                        DANE als Lösung für sichere E-Mail-Übertragung
    www.tpmarketing.de                                           Wie sich technisch DANE als Konfiguration von E-Mail-Verschlüsselung
                                                                 umsetzen lässt erläutern
    ISSN: 2194-1025
    Erscheinungsweise: 3 x jährlich, Druckauflage 4.000          Leo Dessani und Prof. Dr. Ronald Petrlic                            33
    Exemplare (Unsere Mediadaten erhalten Sie unter
    bvdnet.de/Publikationen oder von unserer Geschäftsstelle
    per E-Mail an bvd-gs@bvdnet.de) Die Redaktion behält sich    Datenhandel im Spannungsfeld von DSGVO, DGA und DA
    vor, Beiträge redaktionell zu überarbeiten und zu kürzen.
    Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die         Manche Unternehmen wollen Daten kommerziell nutzen.
    Meinung des BvD e.V. wiedergeben.
                                                                 Wie dies rechtskonform gelingen kann erläutert
                                                                 Dr. Kristina Schreiber                                                38

4   BvD-NEWS Ausgabe 3/2022
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
IMPR E S SUM | INH A LT S V ER ZEI CHNIS

AUFSICHTSBEHÖRDEN
(Thüringer) Schulen: Digitalisierung und Medienkompetenz – wo klemmt‘s?
Die Digitalisierung von Schulen kommt nur zögerlich voran. Woran das liegt analysiert Thüringens
Datenschutzbeauftragter
Dr. Lutz Hasse und Co-Autor Renè Rösel                                                                       42

Social Media und öffentliche Stellen:
Was ist beim Betrieb einer Fanpage zu beachten?
Viele Behörden und Verwaltungen betreiben Facebook-Fanpages. Sie müssen aber auch die Rechtmäßigkeit der
Datenverarbeitung gewährleisten, erläutert
Johanna Krieger                                                                                              50

50 Jahre Datenschutz in Hessen
Der Hessische Datenschutzbeauftragte erinnerte mit dem 25. Wiesbadener Forum Datenschutz an das erste
Datenschutzgesetz.
Maria Christina Rost                                                                                         52

GESELLSCHAFT
Wie KI vertrauenswürdig wird
Datenschutz erhöht die Akzeptanz für künstliche Intelligenz - ist das Zentrum für vertrauenswürdige KI überzeugt.
Philipp Otto, Verena Till                                                                                     54

AUS DEM VERBAND
Was kommt aus Brüssel und Washington auf die DSB zu?
Die Digitalvorhaben aus Brüssel beschäftigen auch die BvD-Herbstkonferenz und den Behördentag in Stuttgart.
Die BvD-News dokumentiert drei zentrale Vorträge zu Data Act, AI Regulations und dem geplanten neuen
Privacy Shield mit den USA.
Christina Denz                                                                                             58

Vom Bonner Tulpenfeld zum Hochschul-Campus in Ulm
Die Geschichte des BvD spiegelt die Geschichte der Datenschutzbeauftragten und ihrer Anerkennung als Beruf.
Prof. Dr. Gerhard Kongehl, Dr. Bernd Beier                                                                  62
Kurz gefasst
Mitgliederversammlung beschließt einstimmig neue Satzung                                                     64
Weiterbildung für die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen                                                65
Kunst für den LfDI                                                                                           66
Linkttipps                                                                                                   67
Endspurt zur DAME 2022                                                                                       67

REZENSIONEN
Future Law                                                                                                   68
Datenschutz und Data Science                                                                                 69
IT-Sicherheit                                                                                                70
Mach das Internet aus, ich muss telefonieren                                                                 71
Überblick Rezensionen 2022                                                                                   72

TERMINE ⁄ SERVICE
Termine der Regionalgruppen und Arbeitskreise des BvD                                                        74

                                                                                               BvD-NEWS Ausgabe 3/2022   5
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
ULRICH HOTTELET

         DER DATA ACT IN DER KRITIK
         BvD, Stiftung Datenschutz und DIHK luden zur Diskussion mit Fachleuten
         nach Berlin

          Der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e.V., der Deutsche Industrie- und Handels-
          kammertag (DIHK) und die Stiftung Datenschutz haben mit ihrer gemeinsamen Veranstaltung „Data Act: Was
          kommt auf die Wirtschaft zu?“ am 5. September in Berlin die Datenschutzaspekte des Gesetzes beleuchtet.
          Zahlreiche Sprecherinnen und Sprecher verschiedener staatlicher und wirtschaftlicher Organisationen nahmen
          dazu Stellung.

          Professor Dr. Stephan Wernicke, Chefjustitiar des DIHK,             sichtsbehörden und Finanzämtern diese Frage unterschiedlich
          erinnerte zum Auftakt der Veranstaltung an das ambitionier-         behandeln.“ Wernicke forderte Klarheit, ob und wie die
          te und die Interpretation leitende Ziel der EU-Datenstrate-         DSGVO Anwendung finde. Gerade nach den Erfahrungen mit
          gie: „Die EU soll an die Spitze einer datengetriebenen Gesell-      der DSGVO müsse Rechtssicherheit zwingend bereits im Ge-
          schaft und Wirtschaft gebracht werden“, sagte er. Die vier          setzestext hergestellt werden und nicht erst durch sich über
          im Rahmen der EU-Digitalstrategie geplanten Gesetzeswerke           viele Jahre hinziehende Auslegungen der Aufsichtsbehörden
          sorgten in der Datenwirtschaft aber für reichlich Diskussions-      oder Gerichtsentscheidungen.
          stoff. Dabei den Überblick zu behalten sei auch für Experten
          herausfordernd. „Es ist verwirrend, denn wir haben selbst für
          Juristen eine solche Anzahl von unterschiedlichen Regelun-
          gen, dass man immer wieder erstaunt sein kann“, räumte der
          Europarechtsprofessor ein und skizzierte die Zwecke des Data
          Acts: „Ziel ist ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen für das
          Nutzen und Teilen von Daten. Entlang der Wertschöpfungs-
          kette sollen Daten besser genutzt werden beziehungsweise
          die Nutzung erst ermöglicht werden. Kurz: Es geht also um
          das faire Teilen.“ Ein Großteil der Wirtschaft sei betroffen und
          noch nicht ausreichend sensibilisiert. Dabei werde der Data
          Act die bisherige Praxis, wie Daten genutzt und geteilt wer-
          den, tiefgreifend verändern. Damit betreffe er die Geschäfts-
          modelle vieler Unternehmen, betonte Wernicke.
                                                                             Dr. Christoph Bausewein
          Der Entwurf beschreibe das Verhältnis zur Datenschutz-Grund-
          verordnung (DSGVO) in knappen Worten: „Die Regulierun-
                                                                              Klare Gesetze gefordert
          gen der DSGVO bleiben unberührt vom Data Act.“ Wernicke
          hält das für unzureichend. „Wir müssen Lehren ziehen aus            Dr. Christoph Bausewein, Rechtsanwalt und Vorstands-
          den Schwierigkeiten der Anwendung der DSGVO“, betonte               mitglied des BvD, betonte, wie wichtig die Verständlichkeit
          er. „Lassen Sie uns gemeinsam Wege finden den Gesetzes-             des Verordnungstexts sei: „Wir brauchen anwendbare, aus-
          text noch zu verbessern. Wir werden uns insbesondere dafür          legbare Gesetze, die nicht, wie wir es in der DSGVO erleben,
          einsetzen, dass die Anliegen der KMU vertreten werden und           von den Aufsichtsbehörden ausgelegt werden müssen, son-
          dass Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Praxistauglichkeit        dern wo sich die Rechtsanwender zurechtfinden.“ Des Wei-
          gewahrt werden mit diesem Entwurf.“ Andernfalls würde der           teren sei es wie bei den anderen großen digitalen Regulierun-
          Data Act Innovationsfähigkeit behindern, wie sich zum Bei-          gen wichtig Zielkonflikte zu vermeiden. „Jetzt ist noch das
          spiel bei den intelligenten digitalen Stromzählern, den Smart       Bekenntnis da, dass die DSGVO uneingeschränkt gelten und
          Metern, zeige: „Wie gehen wir damit um? Sind es personen-           den Maßstab bilden soll. Schwierig wird es für Datenschutz-
          gebundene oder maschinelle Daten? Lassen sie sich verbin-           beauftragte, wenn es um die Auslegung geht. Was ist dann
          den? Wir wissen, dass Datenschutzbeauftragte von Fachauf-           von der Datenverarbeitung noch zulässig?“

6   BvD-NEWS Ausgabe 3/2022
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
IM FOKUS

    DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT BRAUCHT
    EINE STARKE STIMME IN BRÜSSEL!
    Thomas Spaeing
    Im Rahmen eines Privacy-Club-Termines, den der BvD im Frühjahr           Es ist vollkommen unrealistisch zu erwarten, dass alle Unternehmen
    2022 veranstaltet hat, kam das Thema der neuen EU-Acts erstmals          gleichermaßen von den dann meist zwingend zu teilenden Daten
    umfassend zur Sprache. Ein Rechtsanwalt mit tieferen Einblick-           profitieren werden. Um die Daten auswerten und deren Potential
    en in die Verhandlungen in Brüssel stellte damals den derzeitigen        monetarisieren zu können, sind unter anderem erhebliche Fach-
    Gesprächsstand der Verhandlungen dar. Bei der aus Vertretern ver-        kompetenz und IT-Systeme in einem Maße erforderlich, wie sie zu-
    schiender Verbände und Institutionen bestehenden Runde führte            mindest im Mittelstand nicht vorhanden sind. Wenn in Deutschland
    dies zu Diskussionen.                                                    zurzeit über 100.000 Fachkräfte allein in der IT-Sicherheit fehlen,
    Wie es aussah und inzwischen bestätigt ist, wurde in Brüssel unter       dann bekommt man eine Ahnung, dass Experten zur Betreuung kom-
    Mitwirkung der US-Digitallobby über die kommenden Regelungen             plexer Datenmodelle und Modellierungen für die nächsten zehn Jahre
    verhandelt. Die deutsche Wirtschaft und insbesondere der deutsche        ebenfalls fehlen werden. Es entwickelt sich also eine Abhängigkeit,
    Mittelstand waren nicht vertreten. Hier werden die Regelungen aber       die für den Wirtschaftsstandort Deutschland fatal werden kann. Hier
    massive Auswirkungen haben.                                              ist die Politik, aber auch die Wirtschaft gefordert sich massiv ein-
    Die Diskussion in der exklusiven Runde führte dazu, dass der BvD eine    zubringen. Befragungen bei Unternehmern zu diesem Thema haben
    eigene Veranstaltung zu diesem Thema vorschlug. Die Stiftung Dat-        gezeigt, dass diese die Digitalisierung ihrer Prozesse eher einschränken
    enschutz und auch der DIHK waren sofort bereit daran mitzuwirken         würden, als ihre sensiblen Prozessdaten und Geschäftsgeheimnisse al-
    und auch Ressourcen bereitzustellen. So konnte innerhalb weniger         ler Welt zur Verfügung zu stellen.
    Wochen das Konzept für die Veranstaltung am 05.09.2022 entwick-          Es geht hier um die elementaren Daten der jeweiligen Geschäfts-
    elt und unter tatkräftiger Mitwirkung aller Beteiligten erfolgreich      modelle, also das hart erarbeitete Know-how der deutschen Indus-
    umgesetzt werden.                                                        trie. Dieses zu schützen bedeutet auch den Wirtschaftsstandort zu
    Dabei geht es in dieser Phase der Verhandlungen nicht in erster Lin-     schützen. Und dies gilt tatsächlich für ganz Europa: Warum sollten
    ie um den Datenschutzbeauftragten, sondern darum, dass für die           die Unternehmen der EU sich solchen einseitigen, nachteiligen Rege-
    deutsche Wirtschaft ggf. erhebliche Nachteile und langfristig nega-      lungen unterwerfen und ihr Know-how kostenlos zu Markte tragen?
    tive Auswirkungen zu erwarten sind, wenn diese nicht ebenfalls mit       Natürlich würden andere weltweit davon profitieren, aber hier gehen
    starker Stimme an den Verhandlungen in Brüssel beteiligt ist. Die Dig-   Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze verloren. Wir werden uns weiter
    italkonzerne verfolgen hier ganz eigene Ziele für künftige Geschäfts-    für die Beteiligung in Brüssel und für bessere sinnvolle Regelungen
    modelle. Die europäischen Unternehmen kommen darin erst als Dat-         einsetzen. Unterstützen Sie das und sensibilisieren Sie Ihre Unterneh-
    enspender und dann als Kunden vor.                                       men für das Thema.

                                                                             Linie, nämlich mehr und bessere Daten zur Verfügung zu stel-
                                                                             len. „Wir begrüßen grundsätzlich die Zielrichtung des Data
                                                                             Act. Aber der Teufel liegt im Detail“, sagte Brake, forderte
                                                                             aber: „Wir wollen eine konsequente Trennung von DSGVO
                                                                             und Data Act sehen. Wir wollen nicht, dass datenschutz-
                                                                             rechtliche Fragen in den Data Act hineingetragen werden,
                                                                             und wir wollen schon gar nicht eine Verschärfung der daten-
                                                                             schutzrechtlichen Regeln auf europäischer Ebene. Ich weiß,
                                                                             das ist deutlich einfacher gesagt als getan.“
                                                                             Als zweite wichtige Frage nannte Brake den Umgang mit dem
                                                                             Thema Business to Government, das heißt unter welchen Be-
                                                                             dingungen Unternehmen Daten dem Staat oder auf staatli-
Benjamin Brake                                                               che Nachfrage zur Verfügung stellen müssen. „Was wir nicht
                                                                             möchten, ist eine übermäßige bürokratische Belastung der
In die gleiche Richtung argumentierte Benjamin Brake, Lei-                   Unternehmen. Und wenn die Regelungen so kommen, wie sie
ter der neu geschaffenen Abteilung “Digital- und Datenpo-                    momentan diskutiert werden, nämlich dass sowohl der Anlass
litik” im Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Der                   unklar ist als auch die Frage, welche Daten gemeint sind bei
Data Act liege mit den politischen Prioritäten der Bundesre-                 Business to Government, dann ist das eine Unklarheit, die
gierung und insbesondere des Digitalministeriums auf einer                   für Unternehmen relativ schwer ist, insbesondere wenn es

                                                                                                                             BvD-NEWS Ausgabe 3/2022    7
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
darum geht sich auf den Datentransfer vorzubereiten.“ Bra-       Er zeigte sich zugleich überzeugt, dass viele Unternehmen im
          ke sprach sich für eine Einschränkung aus. Entweder müsse        Grundsatz zunächst den Data Act unterstützten. Sie schätz-
          klar sein, welche Daten Unternehmen vorhalten müssten für        ten die Innovations- und Investitionsanreize für digitale Ge-
          staatliche Zwecke und Anfragen oder man müsse das stärker        schäftsmodelle sowie die Markt- und Wettbewerbschancen,
          eingrenzen. „Beides wird eine Herausforderung bei den Ver-       sähen aber auch die technischen Herausforderungen und
          handlungen in Brüssel“, prognostizierte der Vertreter des Di-    rechtliche Risiken durch drohende Sanktionen bei Verstößen.
          gitalministeriums.                                               Es sei zudem für viele eine Herausforderung festzustellen, ob
                                                                           ihre Produkte und Verarbeitungstätigkeiten in den Anwen-
                                                                           dungsbereich des Data Act fallen.
          EU-Kommission hofft auf baldigen
          Kompromisstext im Rat der EU
          Anna Ludin, Policy Officer für die Generaldirektion Kom-
          munikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kom-
          mission, wirkte am Entwurf mit. Angestrebt werde „die fai-
          re Allokation von Wertschöpfungen in der Datenökonomie“,
                                                                          DATA ACT:
          betonte sie. Deshalb gehe es im Data Act auch um Daten-         HINTERGRUND UND ZIELE
          zugangsverpflichtungen. Sie hofft, dass noch im Dezember
          ein Kompromisstext vorliegen und das Europäische Parlament             • Daten sind zentraler Bestandteil der digitalen Wirtschaft
          im Februar über ein erstes Verhandlungsmandat abstimmen                  und wesentliche Ressource für die Sicherung des ökologi-
          werde. Ludin erläuterte: „Wenn man sich die Kommissions-                 schen und digitalen Wandels („Datennutzen allen“)
          mitteilungen aus den Jahren 2014 und 2017 näher anschaut,
                                                                                 • Volle Ausschöpfung des Potenzials datengesteuerter
          dann gibt es eine gewisse Kontinuität vom Ansatz in Bezug
                                                                                   Innovationen, u. a. durch Möglichkeiten der Weiterver-
          auf die Datenökonomie. Man will eigentlich keine neuen
                                                                                   wendung von Daten und Abbau von Hemmnissen
          Exklusivitätsrechte etablieren, sondern mehr Akteure befä-
          higen, an der Wertschöpfung teilzuhaben und das durch Zu-              • Hohes Maß an Vertrauen, Schutz, Sicherheit:
          gangsrechte. Das tut der Data Act im IoT.“                               Wahrung hoher Datenschutz- und Sicherheitsstandards,
                                                                                   Schutz von vertraulichen Geschäftsdaten und Geschäfts-
                                                                                   geheimnissen, Einschränkung von Datenzugriffen aus
                                                                                   Drittstaaten
                                                                                 • Echter Binnenmarkt für Daten, Europa als weltweit
                                                                                   führender Akteur in der datenagilen Wirtschaft
                                                                                 • Erleichterter Datenzugang und erleichterte Datennut-
                                                                                   zung sektorübergreifend
                                                                                 • Anreize für Investitionen in die Wertschöpfung durch
                                                                                   Daten
                                                                                 • Stärkung der Innovationsfreundlichkeit und -fähigkeit
                                                                                 • Wettbewerb und faires Geschäftsumfeld (Abbau von
                                                                                   Marktungleichgewichten, z.B. aus Datenkonzentration,
          Anna Ludin                                                               Wettbewerbsbeschränkungen, Marktzutrittsbeschrän-
                                                                                   kungen, Beeinträchtigungen von Datenzugang und
          Christian Dürschmied, Rechtsanwalt der Wirtschaftskanz-                  Datennutzung, Ungleichgewichte bei Fachwissen und
          lei Eversheds Sutherland und Policy Consultant für Daten-                Verhandlungspositionen)
          schutz & Privacy beim Bundesverband Digitale Wirtschaft                • Handlungskompetenzen des Einzelnen wirksam stärken
          (BVDW) wies auf die wirtschaftliche und innovative Bedeu-              • Handlungsmöglichkeiten bei außergewöhnlicher Notwen-
          tung von Daten hin, die der gesamten Gesellschaft nutzten.               digkeit wie öffentlichen Notständen
          Gleichzeitig müsse ein hohes Maß an Vertrauen, Schutz und
                                                                                 • Interoperabilitätsrahmen
          Sicherheit gewahrt werden. Übergeordnetes Ziel sei es Euro-
          pa zum weltweit führenden Akteur in der Datenwirtschaft zu
          machen, indem ein „echter Binnenmarkt für Daten“ geschaf-
          fen werde.
                                                                           Quelle: Christian Dürschmied

8   BvD-NEWS Ausgabe 3/2022
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
IM FOKUS

 Die Konferenz wurde live über die Website https://data-act.org/ gestreamt. Dort können Interessierte Videos der einzelnen Beiträge weiterhin abrufen.

 Unterschiedliche Interessenlagen
 in den Unternehmen
 Im Interview mit Frederick Richter, Vorstand der Stiftung
 Datenschutz, erläuterte Dirk Binding, Leiter des Bereichs
 Digitale Wirtschaft und Infrastruktur bei der DIHK, die Her-
 ausforderung für die rund 3,4 Millionen IHK-Unternehmen in
 Deutschland. „Wir haben Unternehmerinnen und Unterneh-
 mer, die Daten herstellen. Wir haben aber auch welche, die
 die Daten nutzen, und dann haben wir andere Unternehmen,
 die die Daten gerne nutzen würden, aber im Moment noch
 nicht nutzen können. Es gibt also sehr unterschiedliche Inte-
 ressen, die es zusammenzuführen gilt.“ Eine Befragung der
 Mitgliedsunternehmen erbrachte als deren großes Problem                        Dirk Binding
 die Unsicherheit. „Wie kann ich Daten verwenden? Wie kann
                                                                                 des Data Act noch nicht bewusst. Wir müssen das so überset-
 ich Daten weitergeben? Und wie kann der andere sie nutzen?
                                                                                 zen, dass unsere Unternehmen es verstehen und keine Angst
 Vielen Unternehmerinnen und Unternehmern sind die Folgen
                                                                                 davor haben“, sagte der DIHK-Vertreter. Bei deren Sensibili-
                                                                                 sierung stehe man noch am Anfang.
                                                                                 Dr. Vera Demary, Leiterin des Kompetenzfelds Digitalisie-
                                                                                 rung, Strukturwandel und Wettbewerb im Institut der Deut-
                                                                                 schen Wirtschaft (IW), veröffentlichte kürzlich die Studie
                                                                                 „Der Data Act. Welchen Rahmen Unternehmen für Data Sha-
                                                                                 ring wirklich brauchen“. „Unsere Erkenntnis ist: Unternehmen
                                                                                 brauchen den Data Act so noch nicht. Denn die Unterneh-
                                                                                 men sind einfach noch nicht so weit.“ Nach einer IW-Be-
                                                                                 fragung von Unternehmen aus Industrie und industrienahen
                                                                                 Dienstleistungen im Jahr 2021 sind nur 29 Prozent von ihnen
                                                                                 in der Lage Daten effizient zu bewirtschaften. Gründe dafür
                                                                                 seien Rechtsunsicherheit und mangelnde Informationen über
                                                                                 die Rechtslage. Lediglich elf Prozent könnten Daten effizient
Frederick Richter

                                                                                                                                  BvD-NEWS Ausgabe 3/2022   9
Fachmagazin für Datenschutzbeauftragte
bewirtschaften und austauschen. Der Großteil der Unterneh-
         men gebe keine eigenen Daten heraus, sondern nehme Daten
         von Dritten in die eigenen Prozesse auf. „Es müssen unter-
         nehmensintern noch viele Dinge geklärt und organisiert wer-
         den. Und deswegen glaube ich, es ist noch nicht der richtige
         Zeitpunkt für den Data Act“, sagte Demary.

         MÖGLICHE ANSATZPUNKTE
         FÜR EINEN KOMPROMISS
                                                                            Dr. Vera Demary
                    Dr. Vera Demary, vom Institut der Deutschen
                    Wirtschaft (IW) formuliert vier Bereiche, die            gegangen. Beim Data Act aber gebe es unterschiedliche An-
                    der Data Act beantworten muss:                           forderungen, Anwendungsbereiche und Risiken. Die kenne die
                                                                             Wirtschaft und auch der Gesetzgeber zum Teil noch nicht. In
                    1. Klärung des Anwendungsbereichs
                                                                             der Wirtschaft unterschieden sich zudem die Positionen zum
                    Welche Daten sind gemeint (Rohdaten oder                 Data Act je nach Branche. Während es zum Beispiel bei Da-
                    weiterverarbeitete Daten)? Welche Unter-                 ten aus der Flugzeugindustrie häufig um Geschäftsgeheimnis-
                    nehmen sind gemeint? Ist die Schwelle von                se gehe, sei das bei Verbrauchsdaten in der Energiewirtschaft
                    50 Mitarbeitern geeignet?                                ganz anders. Daher sei er skeptisch, ob es überhaupt eine
                                                                             gemeinsame legislative Lösung für die verschiedenen Anfor-
                    2. Klärung der Rollen
                                                                             derungen geben könne.
                    Wer ist Dateninhaber, wer ist Nutzer? Wert-
                                                                             Mike Gahn, geschäftsführender Gesellschafter der ownSoft,
                    schöpfungsketten und -netzwerke sind kom-
                                                                             kritisierte unter anderem die geplante Regelung, dass Unter-
                    plex. Andere Konstellationen würden KMU
                                                                             nehmen ab 50 Mitarbeitende und einem Jahresumsatz von
                    vieles leichter machen.
                                                                             mehr als zehn Millionen Euro vernetze Produkte und Services
                    3. Verbesserung der Sicherheit                           so gestalten sollen, dass die generierten Daten den Nutzen-
                                                                             den direkt und leicht zugänglich sind. „Ich glaube nicht, dass
                    Wie lassen sich Geschäftsgeheimnisse besser
                                                                             ich ansatzweise geschützt bin durch die 50-Mitarbeiter-Klausel,
                    schützen? Wie wird das überprüft?
                                                                             weil unsere Kunden größer sind und mit den Anforderungen,
                    4. Klärung der Begleitung                                die im Gesetz formuliert sind, konfrontiert sind.“ Er gehe davon
                                                                             aus, dass sich dadurch auch kleinere Firmen wie ownSoft an
                    Wie werden Compliance und Wirkung des
                                                                             die Vorgaben halten müssen. „Das tickert bis ganz nach unten
                    Data Act geprüft? Sind die Effekte ge-
                                                                             durch. Ich habe keine Chance mich dem zu entziehen.“
                    wünscht? Fördern sie größere Datenökonomie
                    und bessere Datennutzung?
                    Quelle: Dr. Vera Demary, Leiterin des Kompe-
                    tenzfelds Digitalisierung, Strukturwandel und
                    Wettbewerb im Institut der Deutschen Wirtschaft

         In der Diskussion zum Thema „Welche Rahmen brauchen Un-
         ternehmen für das Data Sharing?“ kritisierte Klemens Gut-
         mann, Gründer und Vorsitzender des Unternehmens re-
         giocom, dass die EU-Kommission mit dem Data Act einen
         „riesigen Universalhut“ schaffen wolle, statt sich drei bis fünf
         kleinere Hüte für die jeweilige Situation zuzulegen. Bei der
         DSGVO lag der der Vereinheitlichungsansatz auf der Hand.
         Es sei um Personen, um Einzelrechte in 27 Mitgliedstaaten          Thomas Fuchs

10 BvD-NEWS Ausgabe 3/2022
IM FOKUS

                                                                      Vladan Rámiš, Vizepräsident des europäischen Dachver-
EU-Datenregulierungen sind nicht aufeinander
                                                                      bands der betrieblichen Datenschutzbeauftragten, der Euro-
abgestimmt
                                                                      pean Federation of Data Protection Officers (EFDPO), sieht
Thomas Fuchs, der Hamburgische Beauftragte für Daten-                 den Data Act eher als Konzentration auf die Perspektive des
schutz und Informationsfreiheit, sieht im Data Act, dem Data          einzelnen Nutzers, nicht auf die des Teilens von Datenbanken,
Governance Act und der DSGVO ein „mittelalterliches Tripty-           die für Big Data eigentlich notwendig seien. Er sprach sich zu-
chon, also drei Tafelbilder, die nebeneinander stehen und drei        gleich für eine starke Rolle der Datenschutzbeauftragten in
verschiedene Geschichten erzählen. Und das ist nicht richtig          der Umsetzung aus: „Wie oft sind die Datenschutzbeauftrag-
gut“. Da die DSGVO Rechtsgrundlage für die Übermittlung               ten im Data Act und in der gemeinsamen Stellungnahme des
personenbezogener Daten sei, müsse nach DSGVO-Standards               Europäischen Datenschutzausschusses und des Europäischen
ermittelt werden. Das Einwilligungsmodell sei jedoch für eine         Datenschutzbeauftragten zum Data Act erwähnt? Leider kein
auf eine massenhafte Datenteilung angelegte Wirtschaft                einziges Mal. Dennoch werden die Datenschutzbeauftragten
nicht sinnvoll. „Das wird nicht funktionieren“, kritisierte           häufig beteiligt sein an der Umsetzung des Data Act, weil sie
Fuchs. Beim Data Act gebe es keinen europäischen Koordinie-           sehr eng mit der DSGVO zusammenhängt.“
rungsmechanismus wie bei den anderen Datenrechtsakten.
                                                                      Am Ende der Diskussion zog Fuchs ein Fazit: „Viele
„Ich weiß nicht, wie man das in der Praxis behandeln soll. Das
                                                                      Stellungnahmen heute gingen in dieselbe Richtung: Der An-
Einzige, was es halbwegs kohärent machen kann, ist, dass die
                                                                      satz ist zu breit, die Begriffe sind zu unpräzise, die Abgren-
Datenschutzaufsichtsbehörden auch zuständig werden für
                                                                      zung zur DSGVO funktioniert nicht. Eigentlich müsste man
die Koordination des Data Acts, weil nur sie im Data Act als
                                                                      sich fragen: Warum muss es ein Act sein? Ist es nicht ein ty-
competent authorities genannt werden.“
                                                                      pischer Fall für eine Richtlinie, wo der nationale Gesetzgeber
                                                                      sektorenscharf konkretisieren kann?“

                  PRAKTISCHE UMSETZUNG DES DATA ACT
                   Der Data Act:
                   a) ist eine relativ komplexe Rechtsvorschrift, die eine Reihe von rechtlichen und
                      organisatorischen Fragen aufwirft.
                   b) wird häufig parallel zur DSGVO angewandt.
                   c) wird die Lösung einer Reihe komplexer rechtlicher und technischer Fragen der
                      Datenverarbeitung erfordern.
                   d) erzeugt – damit er sein Ziel erreichen kann – einen hohen Bedarf an
                      Datenexperten in der EU, die in der Lage sind, die mit der Übermittlung von
                      Daten verbundenen Fragen umfassend zu beurteilen, auch unter dem Aspekt des                                          Quelle: JUDr. Vladan Rámiš, Ph.D.
                      Schutzes der Grundrechte, vor allem des Schutzes personenbezogener Daten.
                   In vielen Unternehmen gibt es solche Experten schon
                   heute – die Datenschutzbeauftragten (DSB)...

Der BvD veröffentlichte gemeinsam mit der Stiftung Datenschutz und dem DIHK ein Positionspapier
zum Data Act. Über den QR-Code gelangen Sie zur Website der Veranstaltung:
Positionspapier von BvD, Stiftung     Entwurf der EU-Kommission zum
Datenschutz und DIHK zum              Data Act als jpg-Download:
geplanten Data Act:                                                                 Über den Autor
                                                                                    Ulrich Hottelet
                                                                                    ist freier Journalist mit den
                                                                                    Themenschwerpunkten Datenschutz,
                                                                                    IT-Sicherheit und Künstliche Intelligenz.

                                                                                                                     BvD-NEWS Ausgabe 3/2022                                   11
Foto: Oliver Franke

                                                                                                                                   Der EU-Parlamentarier Patrick
                                                                                                                                   Breyer (Piratenpartei) sprach
                                                                                                                                   mit den BvD-News über die
                                                                                                                                   geplante Chatkontrolle, deren
      "DIE CHATKONTROLLE WIRD                                                                                                      Auswirkungen auf Unterneh-
                                                                                                                                   men und Behörden sowie über
      VOR GERICHT LANDEN."                                                                                                         den aktuellen Stand der wei-
                                                                                                                                   teren EU-Vorhaben zur Digi-
                                                                                                                                   talisierung.

                              BvD-News: Herr Breyer, die Chatkontrolle beschäftigt die EU-Kom-       zu Minderjährigen missbraucht werden kann. Das Problem ist,
                              mission und das EU-Parlament bereits seit Längerem. Wie ist der        dass alle Kommunikationsdienste dafür missbraucht werden
                              aktuelle Stand?                                                        könnten, es sei denn, die Anbieter würden Minderjährige von
                                                                                                     ihren Diensten ausschließen. Dazu aber wiederum würden alle
                              Patrick Breyer: Im ersten Schritt hat die EU den Anbietern
                                                                                                     Nutzer, also auch Erwachsene, zur Altersverifizierung ihre Iden-
                              von E-Mail-, Messaging- und Chatdiensten erlaubt private
                                                                                                     tität offenlegen müssen. Damit würde die Chance auf anonyme
                              Nachrichten nach verdächtigen Inhalten zu durchsuchen, das
                                                                                                     Kommunikation etwa für Journalisten, Whistleblower oder po-
                              machen bisher wohl nur US-Dienste wie GMail, Facebook Mes-
                                                                                                     litische Aktivisten zerstört – davon abgesehen, dass selbst alle
                              senger und Microsofts X-Box. Im nächsten Schritt soll die Chat-
                                                                                                     17-Jährigen die meisten Apps nicht mehr installieren könnten.
                              kontrolle jetzt für sämtliche Anbieter verpflichtend angeordnet
                                                                                                     Das alles ist inakzeptabel.
                              werden. Das ist so, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und
                              scannen würde – völlig inakzeptabel. Dieser Verordnungsent-            BvD-News: Wie hoch schätzen Sie die Möglichkeit ein, über die Chat-
                              wurf wird im europäischen Rat gerade mit Hochdruck beraten,            kontrolle tatsächlich Kinderporno-Ringen auf die Spur zu kommen?
                              allerdings hinter verschlossenen Türen. Das EU-Parlament berät
                              parallel. Weil der Druck hoch ist, rechne ich damit, dass die          Patrick Breyer: Solche Straftäter und Gruppen sind im Dark
                              Verordnung nächstes Jahr schon verabschiedet werden kann.              Web aktiv und setzen dort eigene Dienste und Foren auf. Und
                                                                                                     das werden sie auch weiterhin tun. Solche Gruppen sind nicht
                              BvD-News: Wie soll nach den bisherigen Plänen die Verordnung
                                                                                                     auf Facebook oder Whatsapp unterwegs. Und das bedeutet:
                              zur Chatkontrolle nach Inkrafttreten in den jeweiligen EU-Mitglieds-
                                                                                                     Die eigentlichen Straftäter können weiterhin anonym chatten,
                              staaten umgesetzt werden?
                                                                                                     aber die normalen Bürgerinnen und Bürger, die sich technisch
                              Patrick Breyer: Die Verordnung selbst soll ohne Umsetzung              nicht so auskennen, werden durchleuchtet und womöglich zu
                              unmittelbar gelten. In allen EU-Ländern soll eine Behörde An-          Unrecht verdächtigt. Solche Fälle gab es ja schon. Nach Anga-
                              bieter zur Chatkontrolle verpflichten können, wenn ein Dienst          ben der Schweizer Bundespolizei sind 80 Prozent der automati-
                              zum Versand illegaler Darstellungen oder zur Kontaktaufnahme           siert angezeigten Kommunikation strafrechtlich nicht relevant.

12   BvD-NEWS Ausgabe 3/2022
IM FOKUS

Und dennoch werden die Strafverfolger mit maschinellen An-              fentlichen die Unternehmen die Algorithmen nicht. Wir wissen
zeigen überflutet und haben dadurch weniger Kapazitäten ge-             also nicht, welche Kriterien zu welcher Durchleuchtung führen.
zielt nach Kinderporno-Ringen im Netz zu fahnden. Und damit             Das müssen Datenschutzbeauftragte, die Behörden oder Un-
schadet die Chatkontrolle mehr dem Schutz der Kinder, als dass          ternehmen beraten, auf alle Fälle berücksichtigen.
sie nützt. Davon abgesehen, dass in aller Regel die Ermittler auf
                                                                        BvD-News: Es könnte also nur noch eine Ende-zu-Ende-Verschlüs-
die Spur solcher Ringe durch gezielte Hinweise kommen – und
                                                                        selung helfen?
nicht zufällig durch die Durchleuchtung millionenfacher Daten.
                                                                        Patrick Breyer: In Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger
BvD-News: Der Datenschutz spielt dabei offenbar keine Rolle mehr.
                                                                        soll eine Hintertür eingebaut werden. Wenn der Nutzer selbst
Patrick Breyer: Er taucht nur noch als Lippenbekenntnis                 verschlüsselt, könnte die Kommunikation nicht durchleuchtet
auf, dass die Chatkontrolle unter Wahrung des Datenschutzes             werden. Das kann für eine Dateiablage funktionieren. Aber bei
durchgeführt werden solle. Aber der Europäische Gerichtshof             der Kommunikation per Mail beispielsweise unterstützen die
hat bereits 2020 gegen Frankreich entschieden, dass eine an-            wenigsten Empfänger eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Das
lasslose Auswertung privater Kommunikation das Grundrecht               ist übrigens auch noch die Herausforderung beim Digital Mar-
auf Privatsphäre verletzt und nur ausnahmsweise bei Bedro-              kets Act. Der ermöglicht ja die plattformübergreifende Nut-
hung der nationalen Sicherheit gerechtfertigt sei, nicht als Dau-       zung von Messenger-Diensten. Dann müssen aber alle kompa-
ermaßnahme. Es liegen bereits Rechtsgutachten vor, die die              tible Verschlüsselung entwickeln.
Chatkontrolle als grundrechtswidrig bewerten. Sie könnte al-
                                                                        BvD-News: Wie bewerten Sie den Digital Services Act?
lenfalls dann verhältnismäßig sein, wenn sie gegen Tatverdäch-
tige angeordnet wird. Sie darf aber nicht gegen die gesamte             Patrick Breyer: Auch hier konnten wir ein Gebot der Ver-
Bevölkerung gerichtet werden. Wenn die Verordnung kommt,                schlüsselung nicht durchsetzen, auch kein Verbot der Vor-
wird sie vor Gericht landen. Ich selbst habe ja im Mai bereits          ratsdatenspeicherung. Stattdessen können künftig auch in
eine Unterlassungsklage gegen Meta als Mutterkonzern von Fa-            Deutschland Konten und Veröffentlichungen gelöscht werden,
cebook vor dem Amtsgericht Kiel gegen die verdachtslose auto-           wenn es fragwürdige Gesetze in Ungarn und Polen bereits er-
matisierte Durchsuchung privater Chatverläufe und Fotos ein-            möglichen. Das macht Zensur möglich. Das als Digitales Grund-
gereicht. Allerdings dürfte eine Entscheidung noch eine Weile           gesetz geplante Vorhaben verdient den Namen nicht. Es gibt
dauern.                                                                 leider die Tendenz in der EU der Wirtschaft und den Staatsor-
                                                                        ganen die Nutzung von Daten weitestgehend zu ermöglichen.
BvD-News: Welche Auswirkungen hätte die Chatkontrolle auf in
der Cloud gespeicherten Daten?                                          BvD-News: Und wie sehen Sie die Verhandlungen zu den AI Regu-
                                                                        lations?
Patrick Breyer: Auch die Cloud müsste durchleuchtet wer-
den. Dort werden ja auch viele Fotos gespeichert, auch priva-           Patrick Breyer: Die EU hat ein Forschungsprojekt finanziert,
te, die nie geteilt werden. Gerade für Unternehmen und Behör-           das herausfinden sollte, ob sich per Video-Analyse erkennen
den wird es ein Dilemma sein, ob sie weiterhin elektronische            ließe, ob EU-Einreisewillige bei der Einreise wahre oder falsche
Kommunikationsdienste nutzen und darüber womöglich sen-                 Angaben machen. Das war natürlich wissenschaftlich nicht halt-
sible Daten austauschen oder in der Cloud speichern sollten.            bar. Meine Hoffnung ist, dass im geplanten KI-Gesetz weder
Zudem dürfte die Fehlerquote der Algorithmen, die dort zum              Forschung noch die Technologie selbst bei solcherart unethi-
Einsatz kommen, sehr hoch sein. Software zur Suche nach An-             schen und unrechtmäßigen Fragestellungen zugelassen wird.
bahnungsversuchen wurde etwa auf Englisch entwickelt, wie               Wir werden sehen, wie die Beratungen weiterlaufen. Zurzeit
kann sie in anderen Sprachen funktionieren? Außerdem veröf-             berät der europäische Rat über die Vorschläge der EU-Kommis-
                                                                        sion. Das EU-Parlament will sich bis Jahresende zum Entwurf
                                                                        positionieren. Im nächsten Jahr dürfte es dann in den Trilog von
                                                                        EU-Kommission, Rat und Parlament gehen. Wir kämpfen für
     DR. PATRICK BREYER                                                 ein Verbot biometrischer Massenüberwachung im öffentlichen
     sitzt für die Piratenpartei im EU-Parlament. Der Jurist begann     Raum, wie sie in China existiert.
     seine politische Laufbahn als Abgeordneter im Schleswig-Hol-
     steinischen Landtag. Seit 2019 sitzt er in Straßburg. Breyer ist
     Mitglied im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und In-
     neres und stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss. Die        Das Interview führte
     Europäische Piratenpartei ist im EU-Parlament Mitglied der
     Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz. Außerdem engagiert        Christina Denz
     Breyer sich gegen die Vorratsdatenspeicherung.
                                                                         ist Journalistin, Kommunikations-
                                                                         beraterin und Redakteurin der „BvD-News“.

                                                                                                                     BvD-NEWS Ausgabe 3/2022   13
SYNTHETISCHE DATEN
                UND DATENSCHUTZ –
                EINE MOMENTAUFNAHME
                 Omar Ali Fdal

           Laut Schätzungen von Gartner werden synthetische Daten bis 2030 die Verwendung realer Daten in KI-Modellen vollständig ersetzen. Der
           rechtliche Rahmen für synthetische Daten ist dabei oft unklar. Daher ist es wichtig sich einen klaren Überblick über das Zusammenspiel von
           synthetischen Daten und Datenschutz zu verschaffen – damit sich Fortschritt und Gesetzgebung nicht in die Quere kommen und Innovati-
           onen gefördert werden.

           Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unterscheidet                  päische Datenschutzausschuss und andere Gremien wie die
           beim Schutz personenbezogener Daten zwischen Pseudo-                   ENISA haben ebenfalls Leitlinien zur Verfügung gestellt, wie
           nymisierung und Anonymisierung. Bei der gesetzlich vor-                der Standard der gesetzlichen Pseudonymisierung technolo-
           geschriebenen Pseudonymisierung muss der für die Da-                   gisch erfüllt werden kann.
           tenverarbeitung Verantwortliche die Identität von den zu
                                                                                  Das Ziel der Anonymisierung von Daten besteht nicht nur
           verarbeitenden Informationen trennen. Dazu werden die In-
                                                                                  darin persönliche Identifikatoren zu entfernen, sondern auch
           formationen als Schutz vor einer erneuten Verknüpfung von
                                                                                  darin sicherzustellen, dass es unmöglich ist aus dem Rest der
           der Identität getrennt und sicher aufbewahrt. So können bei-
                                                                                  Daten zu bestimmen, wer eine Person ist. Zudem sollte dieser
           de Teile nicht wieder zusammengefügt werden, es sei denn,
                                                                                  Prozess dauerhaft sein. In diesem Fall fallen wirklich anony-
           jemand ist dazu befugt. Die gesetzlich vorgeschriebene Pseu-
                                                                                  misierte Daten nicht in den Anwendungsbereich der Daten-
           donymisierung ist ein Standard in der Datenschutz-Grund-
                                                                                  schutz-Grundverordnung.
           verordnung, der erfüllt werden muss, wenn Unternehmen
           personenbezogene Daten verarbeiten und in Einklang mit                 Im Gegensatz zur gesetzlich vorgeschriebenen Pseudonymi-
           den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung ver-                 sierung wird in der wissenschaftlichen Gemeinschaft häufig
           wenden wollen. Die Verordnung enthält spezifische Anforde-             darüber diskutiert, was eine wirkliche Anonymisierung von
           rungen, wie dieser Zustand erreicht werden kann. Der Euro-             Daten ausmacht. Auch die Aufsichtsbehörden überarbeiten

14   BvD-NEWS Ausgabe 3/2022
IM FOKUS

häufig die Definitionen der Datenanonymisierung im Rahmen        zu testen, die eine Re-Identifizierung verhindern. Wenn die
der gesetzlichen Bestimmungen. Diese Einordnung bleibt den       folgenden Fragen mit Nein beantwortet werden können, gel-
Unternehmen selbst überlassen, und je nach Auslegung des         ten die Daten als vollständig anonymisiert:
Gesetzes können unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden,
                                                                 • Ist es möglich, eine Person durch Isolierung einzelner Daten-
die den Schutz der Privatsphäre nicht immer gewährleisten.
                                                                   sätze zu identifizieren?
Die Privatsphäre ist ein Spektrum. Im Laufe der Jahre ha-
                                                                 • Ist es möglich, mindestens zwei Datensätze, die sich auf die-
ben Experten eine Reihe von Methoden, Mechanismen und
                                                                   selbe Person beziehen, innerhalb eines Datensatzes oder zwi-
Instrumenten zum Schutz personenbezogener Daten ent-
                                                                   schen zwei getrennten Datensätzen zu verknüpfen?
wickelt. Diese Techniken führen zu Daten mit unterschiedli-
chem Schutz der Privatsphäre und unterschiedlichem Risiko        • Ist es möglich, einzelne Attribute aus dem Datensatz abzu-
der Re-Identifizierung. Sie haben mit dem Inkrafttreten der        leiten?
Datenschutz-Grundverordnung an Popularität gewonnen.
                                                                 Um die Sicherheit zu erhöhen, können den Synthesemecha-
                                                                 nismen zusätzliche Vertraulichkeitsschichten hinzugefügt
Was sind synthetische Daten?                                     werden, zum Beispiel Differential Privacy (DP). Modelle lernen
                                                                 die ursprüngliche Datenverteilung mit einem DP-Algorithmus,
Synthetische Daten werden zunehmend verwendet, um die
                                                                 um synthetische Datensätze mit DP zu erzeugen.
Anonymisierung der eigenen Datensätze zu erreichen. Syn-
thetische Daten werden algorithmisch erzeugt, verhalten sich     Allerdings kann keine Technik einen perfekten Schutz der Pri-
aber wie echte Daten. Generative Modelle lernen die statisti-    vatsphäre garantieren, wenn die Daten anschließend verwen-
sche Verteilung in den Originaldaten und ziehen daraus künst-    det werden sollen. Verordnungen wie die DSGVO verpflichten
liche Stichproben, um synthetische Daten zu erzeugen. Bei        Unternehmen, die Restrisiken einer Re-Identifizierung zu be-
der Generierung synthetischer Daten wird die Beziehung zwi-      werten – überlassen es ihnen aber auch, zu beurteilen, was
schen den ursprünglichen und den synthetischen Datensät-         das genau bedeutet. Datenschutz ist ein empirisches Feld;
zen aufgehoben.                                                  ohne Experten ist es schwierig, die Risiken zu berechnen.
                                                                 Doch die Erstellung einer Datenschutzbewertung ist zeitauf-
Synthetische Daten sind durch zwei Aspekte definiert. Ers-
                                                                 wändig. Je nach Komplexität des Anwendungsfalls kann es
tens werden sie von Algorithmen künstlich erzeugt, d. h. sie
                                                                 drei bis sechs Monate dauern den Datenschutz für syntheti-
haben keinen direkten Bezug zu realen Ereignissen oder Per-
                                                                 sche Daten zu erforschen, zu entwickeln, zu testen und zu
sonen. Zum anderen stellen sie die Realität dar. Das ist wich-
                                                                 genehmigen.
tig, denn künstliche Daten, die nicht die Originaldaten wider-
spiegeln, sind für die Analyse nicht geeignet.                   Die Anbieter synthetischer Daten bieten häufig integrierte
                                                                 Datenschutzbewertungen an, um die Datenschutzbeauftrag-
                                                                 ten bei der Beurteilung des Datenschutzes zu unterstützen.
Datenschutz für synthetische Daten
                                                                 Statice beispielsweise hat zu diesem Zweck eine eigene Reihe
Es wäre falsch anzunehmen, dass synthetische Daten von Ri-       empirischer Datenschutzbewertungen (anstatt System) ent-
siken wie Re-Identifizierungsangriffen oder Datenschutzver-      wickelt, den Statice Anonymeter, mit dem Datenschutzbe-
letzungen ausgenommen sind. Die Deep-Learning-Modelle,           auftragte das Datenschutzrisiko synthetischer Daten auf der
die zur Erzeugung synthetischer Daten verwendet werden,          Grundlage der WP29-Empfehlungen messen können.
können aufgrund ihrer großen Rechenkapazität komplexe
Aufgaben lösen. Allerdings merken sie sich auch Merkmale in
                                                                 Worauf Datenschutzbeauftragte achten sollten
den Trainingsdaten. Letztlich können die gespeicherten Mus-
ter in den synthetischen Daten reproduziert werden, was zu       In den meisten Fällen benötigen Unternehmen mehr als eine
Datenschutzverletzungen führen kann.                             Datenschutzmethode, um ihre Daten angemessen zu schüt-
                                                                 zen. Je nach Anwendungsfall können sie mehrere Techniken
Allerdings ist auch hier zu beachten: Es gibt keine allgemein-
                                                                 kombinieren. Datenschutzbeauftragte müssen von Anfang an
gültige rechtliche Definition dafür, was eine Re-Identifizie-
                                                                 in das Datenprojekt einbezogen werden, um den Umfang des
rung technisch ausschließt. Einer Definition am nächsten
                                                                 Anwendungsfalls, die Art der verwendeten Daten und die Art
kommt die Arbeit der WP29. Wenn Unternehmen die DS-
                                                                 der gemeinsamen Nutzung zu verstehen.
GVO-Definition von anonymisierten personenbezogenen Da-
ten erfüllen wollen, empfiehlt die WP29 derzeit, synthetische    Zunächst sollten die Datenschutzbeauftragten die wichtigsten
Daten gegen die drei bekannten Angriffe auf die Privatsphäre     Kennzahlen für die Bewertung des Schutzes synthetischer

                                                                                                           BvD-NEWS Ausgabe 3/2022   15
IM FOKUS

           Daten festlegen. Dazu sollten sie gemeinsam mit dem Ent-         Vorsicht ist besser als Nachsicht
           wicklungsteam alle relevanten Anwendungsfälle berücksichti-
                                                                            Die Speicherung und (gemeinsame) Nutzung von Daten unter
           gen, die sich in Zukunft ergeben könnten. Dazu können Pläne
                                                                            Wahrung der Privatsphäre ist eine Herausforderung. Unab-
           gehören das Projekt zu skalieren, Dritte einzubeziehen, inter-
                                                                            hängig von der verwendeten Technologie ist es wichtig die
           nationale Datenübertragungen durchzuführen oder personen-
                                                                            Risiken zu verstehen. Es gibt immer Risiken für die Privat-
           bezogene Daten im Datensatz zu speichern.
                                                                            sphäre, die bei der Arbeit mit Daten berücksichtigt werden
           Synthetische Daten sind ein immer häufiger auftretendes          müssen.
           Thema. Die Einführung steckt allerdings noch in den Kinder-
                                                                            Einige Techniken, wie z. B. die Verwendung von DV-Algorith-
           schuhen. Daher sollten Unternehmen, die sich für die Zu-
                                                                            men, bieten einen stärkeren Schutz gegen eine erneute Iden-
           sammenarbeit mit einem Anbieter synthetischer Daten ent-
                                                                            tifizierung als herkömmliche Maskierungsmethoden. Sie sind
           scheiden, Zeit in die Schulung ihrer eigenen Mitarbeiter:innen
                                                                            daher eine hervorragende Möglichkeit den Datenschutz in die
           investieren und sicherstellen, dass sie die Technologie, ihre
                                                                            Datenverarbeitung zu integrieren. Darüber hinaus können Un-
           Grenzen und ihr wahres Potenzial verstehen.
                                                                            ternehmen mit den richtigen Tools auch Restrisiken abschät-
           In den ICO-Datenschutzempfehlungen heißt es, dass die Da-        zen und die Datenschutzbestimmungen leichter einhalten.
           tenschutzbeauftragten eine Datenschutz-Folgenabschätzung
                                                                            Die Datenschutzgemeinschaft betrachtet synthetische Daten
           durchführen sollten, um festzustellen, ob eine Datenschutz-
                                                                            als ein weiteres gültiges Instrument im Bereich des Daten-
           methode angemessen ist. Die Bewertung sollte Folgendes be-
                                                                            schutzes; ein Instrument, das bei richtiger Anwendung große
           rücksichtigen:
                                                                            Vorteile bieten kann.
           • Art, Umfang, Kontext und Zweck der Datenverarbeitung;
           • Stand der Technik und die Kosten für die Umsetzung einer
             Datenschutzmethode;
           • Risiken, die die Datenverarbeitung für die Rechte und Frei-
             heiten des Einzelnen mit sich bringt.

          ÜBER STATICE:
                     Statice entwickelt eine Datenschutztechnologie,
                     mit der Unternehmen ihre datengetriebenen In-
                     novationen beschleunigen und gleichzeitig die
                     Privatsphäre von Einzelpersonen schützen kön-
                     nen. Mithilfe von Anonymisierungssoftware kön-
                     nen Unternehmen datenschutzkonforme syn-
                     thetische Daten generieren, die für jede Form
                     der Datenintegration, -verarbeitung und -ver-           Über den Autor
                     breitung geeinet sind. Unternehmen aus der Fi-
                                                                             Omar Ali Fdal
                     nanz-, Versicherungs- und Gesundheitsbranche            ist Chief Data Scientist & Head of Privacy Research
                     können so die Datenqualität steigern und da-            bei Anonos und Mitbegründer von Statice.
                     durch ihre Wertschöpfungskette signifikant ver-
                                                                             Ende Oktober 2022 übernahm der US-amerikanische Datenschutz-
                     bessern. Statice ermöglicht das Trainieren von          Anbieter Anonos die Statice GmbH. Das gemeinsame Unternehmen
                     Machine Learning Modellen, die Nutz7ung von             bietet eine Plattform, die schnelle Dateneinblicke ermöglich und
                     Cloud-Infrastrukturen und das Teilen von Daten          gleichzeitig den Schutz und die Nutzung von Daten verbessern will.
                     mit Partnern. Erfahren Sie mehr über Statice auf
                        www.statice.ai

16   BvD-NEWS Ausgabe 2/2022
                      3/2022
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                                                                                       nationale sowie internationale Gesetzgebung und Diskussion
                                                                                       um den Datenschutz. Im Mittelpunkt
                                                                                       stehen Themen aus der Unternehmenspraxis wie z. B.
                                                                                       n Konzerndatenschutz n Beschäftigtendatenschutz n Daten-

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                                                                                       n Telekommunikation n Soziale Netzwerke n Datentransfer in

                                                                                       Drittstaaten n Vorratsdatenspeicherung n Informationsfreiheit
                                                                                       n Profiling und Scoring n Tracking.

                                                                                       Geschaffen für die Unternehmenspraxis
                                                                                       Jedes Heft enthält ein Editorial, Aufsätze mit Lösungsvor-
                                                                                       schlägen, Angaben zur Lesedauer, Abstracts in Deutsch und
                                                                                       Englisch, Schlagwortketten, Entscheidungen mit Anmerkungen
ZD – Zeitschrift für Datenschutz
                                                                                       und aktuelle Meldungen.
13. Jahrgang. 2023. Erscheint monatlich mit 14-täglichem
Newsdienst ZD-Aktuell und Online-Modul ZDDirekt.
Jahresabonnement € 319,–
Vorzugspreis für BvD-Mitglieder, für Abonnenten                                        Alles inklusive:
der Zeitschrift MMR und des beck-online
Moduls IT- und Multimediarecht PLUS sowie                                              ƒ Online-Modul ZDDirekt – vollständiges Online-Archiv
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Abbestellung bis 6 Wochen vor Jahresende.                                              ƒ 14-täglicher Newsdienst ZD-Aktuell
Preise inkl. MwSt., zzgl. Vertriebsgebühren € 17,– jährlich.                           ƒ Homepage www.zd-beck.de
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