Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe

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Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
Das Magazin für Führung, Personalentwicklung und E-Learning

                       wirtschaft
                       weiterbildung                                11/12_19
                                                                    www.wuw-magazin.de
Mat.-Nr. 00107-5172

                       Trigema-Chef_„Mir kommt kein Unternehmensberater ins Haus“ S. 14
                       Business Schools_Neuer „Tech-MBA“ verspricht Erfolg S. 38
                       Training_Mit Bullshit-Geschichten die Teilnehmer beeindrucken? S. 46

                      Sich und andere ändern
                       Warum es schwierig, aber nicht unmöglich ist S. 18
Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
editorial

Oft zitiert – trotzdem falsch

In der letzten Ausgabe unseres Hefts hatten wir den
Neurowissenschaftler Boris Nikolai Konrad zu Wort kommen lassen, der
Deutschlands Keynote Speaker davor warnte, in ihre Reden die
Behauptung einzubauen, beim Menschen fände die Logik in der linken
und die Kreativität in der rechten Gehirnhälfte statt. Diese Vorstellung sei
aus Expertensicht schlicht und ergreifend völlig falsch und nicht einmal
als „Metapher“ zu gebrauchen. Ähnliches gilt laut Konrad auch für das
legendäre Marshmallow-Experiment oder die Vorstellung von visuellen,
auditiven oder kinästhetischen Lerntypen.

Die Reaktionen, die unser Oktober-Heft auslöste, gehen alle in die
Richtung, dass unsere Leser mehr darüber erfahren wollen, welche
Irrtümer und Mythen man als Weiterbildungsprofessional besser nicht
(mehr) verbreiten sollte. Wir haben uns an die Arbeit gemacht und
treiben das Thema in diesem Heft mit einem Interview mit Axel Ebert
voran (ab Seite 46). Er hat das Buch „Bullshit Busters“ geschrieben, in
dem er zusammen mit Christoph Wirl zumindest einige der gängigen
Halbwahrheiten, handfesten Täuschungen und erfundenen Experimente
enttarnt.

Für diese anstrengende Arbeit gebührt den Autoren großer Dank. Das
grundsätzliche Problem besteht schließlich darin, dass ein Schwätzer in
einer Minute mehr Behauptungen aufstellen kann, als zehn
Wissenschaftler im Laufe ihres Lebens zu widerlegen in der Lage wären.
Oder frei nach Konfuzius: „Irrtümer schwimmen immer oben. Wer nach
Perlen sucht, muss tief tauchen.“

Wir werden unsere Berichterstattung zum Thema „Bullshit“ auch im
nächsten Heft fortsetzen und könnten uns sehr gut vorstellen, dass die
vielen Managementkongresse und Change-Events des nächsten Jahres
sich endlich auch einmal mit den pseudowissenschaftlichen oder gar
esoterischen Behauptungen (zum Beispiel eines Frédéric Laloux), die
durch die Beratungsszene geistern, kritisch auseinandersetzten.

                                       Viele Inspirationen mit
                                       unserem neuen Heft
                                       wünscht

                                       Martin Pichler, Chefredakteur

                                              wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   3
Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
inhalt 11/12_2019

                                                            Gerhard Roth
                                                            ist seit 1976 Professor für
                                                            Verhaltensphysiologie am
                                                            Institut für Hirnforschung
                                                            der Universität Bremen.
                                                            Am 26. Oktober hat er sein
                                                            neuestes Buch „Warum es
                                                            so schwierig ist, sich und
                                                            andere zu ändern: Persön-
                                                            lichkeit, Entscheidung und
                                                            Verhalten“ auf den Markt
                                                            gebracht. Das Buch und
                                                            ein aktueller Vortrag von
                                                            ihm stehen im Mittelpunkt                                                   24
                                                            unserer Titelgeschichte.
                                                                                            PE/OE. Ohne „das Wesentliche“ eines
                                                                                            Change-Prozesses zu beeinflussen,

                                                       18                                   kann keine Organisation erfolgreich sein.

  06 blickfang                                                          personal- und
                                                                        organisationsentwicklung
      aktuell
                                                                  24 Essenz der Unternehmensentwicklung
  08 Nachrichten                                                        Dr. Stefan Fourier versteht sich als Berater, der eine
      Neues aus der Weiterbildungsbranche,                              „Denkpartnerschaft“ mit den Managern eingehen
      aktuelle Studien, Kurzinterviews                                  will. Ziel ist die Aktivierung der Überlebenskräfte
                                                                        des Systems „Unternehmen“. Dabei gelten wichtige
                                                                        Grundprinzipien.
      menschen
                                                                  28 Mehr Eigenverantwortung zulassen
  14 Täglich neue Dinge anpacken                                        „Unsere Mitarbeiter sollen eigenverantwortlicher
      Seit genau 50 Jahren ist Wolfgang Grupp (77)                      arbeiten“, fordern viele Unternehmen. Doch in der
      Alleininhaber der Firma Trigema. Ein gewisser                     VUKA-Welt bleibt diese Forderung oft unerhört.
      „Vorwärtsdrang“ ohne Größenwahn ist für ihn einer                 Woran das liegt, analysiert ein Change-Experte.
      der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Geschäftsleben.

                                                                        training und coaching
      titelthema
                                                                  32 Speaker werden
  18 Sich und andere verändern                                          Die Entscheidung eines Trainers, ein Speaker zu
      Deutlicher als bisher sehen wir die Möglichkeiten                 werden, bedeutet unweigerlich einen Wandel in
      und Grenzen, Menschen zu verändern. Die zentrale                  der thematischen Positionierung und im Marketing.
      Frage lautet: Was folgt aus den Erkenntnissen der                 Was das konkret für Trainer bedeutet, schildert
      Kognitions- und Neurowissenschaften zu dieser                     unser Fachbeitrag von Siegfried Haider.
      Thematik für die berufliche Praxis und natürlich
      auch für unser Selbstbild?                                  38 Europas erster „Tech MBA“
                                                                        Immer mehr Business Schools integrieren
                                                                        technologische Inhalte in ihre MBA-Studiengänge.
                                                                        Nun hat die spanische IE Business School den Start
                                                                        des ersten „Tech MBA“ in Europa verkündet.

                                                                  42 MBA News
                                                                        Die Entwicklungen auf dem MBA-Markt gehen
                                                                        ständig weiter. MBA-Schulen positionieren sich neu
                                                                        und müssen ihre Angebote überarbeiten. Was in
                                                                        den letzten Monaten Neues gemeldet wurde, haben
                                                                        wir für Sie gesammelt.

  4   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
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38                                           50
„Tech MBA“. Eine Innovation in   Bits & Pretzels. Die Münchner Konferenz für
der akademischen Weiterbildung   Start-ups hatte viele prominente Redner
für Manager macht Furore.        eingeladen. Entsprechend groß war der Andrang.

44 „Was soll das Sales-Funnel-Geschwätz?“
      Webseite war gestern. Heute ist Funnel – mit solchen Botschaften
      versuchen aktuell Online-Marketingberater sogenannte „Sales
      Funnels“ als innovative Zaubermittel zu vermarkten.

46 Wenn Trainer „Bullshit“ erzählen
      Ob Trainer oder Speaker, sie alle nutzen gern eindrucksvolle und
      verblüffende Geschichten, um ihre Botschaft zu untermauern.
      Doch viele dieser Geschichten sind schlicht Bullshit.

      messen und kongresse
50 Gründermesse „Bits & Pretzels“
      Barack Obama war Stargast beim diesjährigen Gründerfestival
      „Bits & Pretzels“ in München. Außerdem feierte sich die
      Start-up-Szene selbst.

54 ICF-Coachingtag mit „Prism-Award“-Verleihung
      In diesem Jahr findet der ICF-Coachingtag vom 15. bis
      16. November 2019 in München statt. Das Thema
      „Agile Leadership in einer digitalen Welt“ bildet das Leitmotiv des
      Kongresses.

56	Das wird ein schöner Monat für ...
      Unser personalisierter Veranstaltungskalender

58 2.500 E-Learning-Experten erwartet
      Die internationale Konferenz „Online Educa“ für digitales Lernen
      wird vom 27. bis 29. November 2019 in Berlin veranstaltet.

     Rubriken
     03 editorial                        60 fachliteratur
     59 vorschau                         64 kolumne
     59 impressum                        66 zitate

                                  wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019      5
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blickfang

  WER       Das Foto zeigt den Amerikaner        WAS        Seine jahrelange Erfahrung als   WAS NOCH               Vom 3. bis 6. Oktober
  Gary Joplin (Bildmitte). Seit 2000 tritt der   Yoga-, Meditations- und Tanzlehrer gibt     eröffnete Joplin den Kongress „Wirtschaft
  Balletttänzer mit dem Tanztheater Basel,       Joplin in Workshops zum Thema „Körperbe-    und Spiritualität“ in Freiburg morgens
  dem Ballett des Nationaltheaters Mann-         wusstsein“ weiter. Ein eigenes „Celebrate   jeweils mit einem „Body-Mind-Awakening“
  heim und dem Tanztheater Freiburg auf.         Life Festival“ war sehr erfolgreich.        für alle Teilnehmer. Foto: Martin Pichler.

  So geht Kongresseröffnung.                    Der Kongress „Wirtschaft und Spiritualität“ startete mit Kleingruppen, die jeweils eine
  bestimmte Meditationsform ausprobierten (zum Beispiel „Klangreise“ oder „Business-Yoga“). Anschließend trafen sich alle rund 200 Teil-
  nehmer im größten Saal zum gemeinsamen „Body-Mind-Awakening“ mit Gary Joplin. Im Mittelpunkt standen dabei angeleitete Einzel- und
  Partnerübungen, die den Körper in Schwung bringen sollten.
  Durch fließende Bewegungen sollte der eigene Körper intensiv erfahren und achtsam erforscht werden, um seine Bedürfnisse in der kon-
  kreten Kongresssituation besser kennenzulernen. „Körper und Welt allein und in einer Gruppe bewusster wahrnehmen“, das hatten sich
  viele Teilnehmer im Vorfeld gewünscht. Das Ganze wurde nur noch von den meditativen Live-Konzerten am Abend übertroffen.

  6    wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
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aktuell

   WUPPERTALER KREIS

   Betriebliche
   Weiterbildung
   braucht keine
   Regulierung!
   Der „Wuppertaler Kreis“ kri­       Transparenz formuliert, um                       fordert dazu auf, die Eigenver­    Aufgabe. Ein funktionierender
   tisiert, in der politischen Dis­   den Beschäftigten das gesamte                    antwortung der Unternehmen         Wettbewerb sichere die Quali­
   kussion werde zu Unrecht die       Spektrum der Weiterbildungs­                     zu stärken und nicht durch Bü­     tät in der Weiterbildung.
   These vertreten, dass mittel­      möglichkeiten zu präsentie­                      rokratie und Überregulierung       Es bestehe überhaupt kein An­
   ständische Unternehmen ihren       ren und gleichzeitig das Be­                     zu belasten. Das Angebot an        lass, an der Qualität der Wei­
   Beschäftigten keine adäquate       dürfnis der Bildungspolitiker                    Weiterbildungsdienstleistungen     terbildungsdienstleistungen für
   Weiterbildung zukommen lie­        nach mehr Strukturierung und                     sei darauf angelegt, die Bedarfe   die Unternehmen zu zweifeln.
   ßen.                               Analysierbarkeit des Weiterbil­                  der Unternehmen und der sich       Betriebliche Weiterbildung in
   Die Vielfalt der Bildungs­         dungsangebots zu erfüllen. Der                   eigenverantwortlich weiterbil­     kleinen und mittleren Unter­
   angebote werde zusätzlich als      Wuppertaler Kreis als Verband                    denden Personen zu erfüllen.       nehmen folge eigenen Prin­
   intransparenter „Flickentep­       der führenden Weiterbildungs­                    Der bestehende funktionie­         zipien und sei nicht defizitär.
   pich“ abgewertet, der den Zu­      dienstleister der Wirtschaft                     rende und überwiegend von          Es sei außerdem nachgewiesen,
   gang zu einer Weiterbildung        sieht diese Überlegungen in                      mittelständischen Bildungs­        dass das „Lernen am Arbeits­
   erschwere. Daraus werde ein        Bezug auf die betriebliche Wei­                  unternehmen geprägte Wei­          platz“ einen nachhaltig guten
   Bedarf an einer bundesweiten       terbildung mit großer Sorge. Er                  terbildungsmarkt erfülle diese     Lernerfolg sichere.

                                                                                                                          WETTBEWERBSFÄHIGKEIT
   BUCHMESSE 2019
                                                                                                                          Ist Deutschland
   Endlich wieder mehr Buchkäufer                                                                                         träge geworden?
                                                               Zukunft. Es gibt tatsächlich wieder eine                   Deutschland hat sich zu lange
                                                               Rückbesinnung auf das gedruckte Buch“,                     auf seinen Erfolgen ausgeruht.
                                                               erklärte ein Branchenvertreter.                            Es fehlen Investitionen an der
                                                               Die Buchkette „Thalia“ aus Hagen, mit                      richtigen Stelle. Im Ranking
                                                               6.000 Mitarbeitern und 370 Filialen der                    der Staaten mit der „höchsten
                                                               größte deutsche Buchhändler, feierte auf                   Wettbewerbsfähigkeit“ rutscht
                                                               der Buchmesse das erfolgreichste Jahr in                   Deutschland auf Platz sieben
                                                               der Unternehmensgeschichte. Thalia habe                    ab. Nicht nur Singapur und die
                                                               seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2018/19                     USA stehen besser da, auch
                                                Foto: Thalia

                                                               um sechs Prozent auf „über eine Milliarde                  Hongkong, die Niederlande,
                                                               Euro“ gesteigert. Genauere Zahlen wurden                   die Schweiz und Japan haben
   Buchmarkt. Die Buchkette Thalia wächst in                   nicht bekanntgegeben. Im Internet sei das                  Deutschland überholt. Das
   diesem Jahr und plant neue Filialen.                        Geschäft um fünf Prozent gewachsen. „Wir                   steht im neuesten „Bericht des
                                                               glauben an den stationären Buchhandel“,                    Weltwirtschaftsforums“. Auch
   Auf der diesjährigen Buchmesse gaben                        betonte Thalia. Die Zahl der Filialen soll auf             in der ebenfalls viel beachteten
   sich die deutschen Verlage optimistisch.                    400 erhöht werden und ein neues Partner-                   Untersuchung der Schweizer
   Gesprochen wurde von einer „kleinen                         schaftsmodell soll zu noch mehr Geschäft                   Wirtschaftshochschule IMD
   Renaissance“, die jetzt zu beobachten sei.                  beitragen, denn kleinere Buchhändler wür-                  fällt Deutschland in puncto
   „Wir blicken mit großem Optimismus in die                   den ab sofort in ein „Netzwerk“ integriert.                Wettbewerbsfähigkeit interna­
                                                                                                                          tional zurück.

   8    wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
UNIVERSITÄT SAARBRÜCKEN

                Professor Christian Scholz ist tot                                                                                    Kurz und Knapp
                Nach kurzer, schwerer Krankheit ist Prof.                   Schaffenswerk: Er verfasste 31 Bücher, 678                BDU-Beratertag. Digitale Instru-
                Dr. Christian Scholz am 4. Oktober 2019                     Artikel, 49 Lexikonbeiträge, 165 Arbeits-                 mente helfen Beratern dabei, das
                im Alter von 66 Jahren verstorben. Der                      papiere und 147 Rezensionen, machte sehr                  eigene Consultingunternehmen
                Saarbrücker Hochschullehrer gehörte zu                      früh Fernsehen an der Hochschule (Scholz-                 zukunftsorientiert weiterzuentwi-
                den Meinungsführern in der Personalwirt­                    TV) und suchte auch den Kontakt zu den                    ckeln. Der diesjährige DBU-Bera-
                schaft. Er prägte mit Begriffen wie „virtu­                 Medien. Auf seiner Homepage listet er 640                 tertag, der am 15. November 2019
                elle Personalabteilung“, „Darwiportunis­                    Interviews auf. Das „Personalmagazin“ hat                 in Frankfurt am Main stattfindet,
                mus“, „Spieler ohne Stammplatzgarantie“                     ihn sechsmal zu den 40 führenden HR-Köp­                  bietet fachliche Impulse und Denk-
                oder „Generation Z“ die großen Debatten                     fen gezählt.                                              anstöße sowie eine Plattform für
                der Personaler und beeinflusste die Gestal­                                                                           den unternehmensübergreifenden
                tung der Arbeitswelt.                                                                                                 Erfahrungsaustausch von Consul-
                Der Vordenker war von 2001 bis 2007                                                                                   tants.
                Vorstandsmitglied der Deutschen Gesell­
                schaft für Personalführung (DGFP). Sein                                                                               Personalmesse in München.
                Kampf gegen die Bologna-Reform, den er                                                                                Vom 5. bis 6. November 2019 ist
                als Hochschuldekan führte, war zu seinem                                                                              es wieder so weit: Die „Personal-
                großen Bedauern leider nicht von Erfolg                                                                               messe München“ geht jetzt in die
                gekrönt. Bis zuletzt sah er sich in seiner                                                                            nächste Runde! Neue Lösungen
                kritischen Haltung bestätigt – insbesondere                                                                           und Produkte aus dem gesamten
                da viele Unternehmen immer häufiger über                                                                              HR- und PE/OE-Bereich werden
                                                              Foto: Haufe

                die unzureichende Reife der Bachelorabsol­                                                                            vorgestellt. Erwartet werden nach
                venten klagten, was einer seiner grundle­                                                                             derzeitigem Stand 40 Referenten
                genden Kritikpunkte an „Bologna“ war.                       Christian Scholz. Der Professor verstarb im               und 80 Aussteller.
                Von seinem öffentlichen Einfluss zeugt sein                 Oktober im Alter von 66 Jahren.
                                                                                                                                      Hörgewohnheiten. Hörbücher
                                                                                                                                      und Podcasts haben ihren festen
                                                                                                                                      Platz im Alltag von Millionen Men-
                CORPORATE LEARNING CAMP 2019                                                                                          schen in Deutschland gefunden.
                                                                                                                                      Insgesamt hat ein Drittel der Men-
                Wie jeder von jedem lernen kann                                                                                       schen über 14 Jahren in Deutsch-
                                                                                                                                      land in den vergangenen zwölf
                „Lernen braucht Netzwerke“,        klärte: „In Netzwerken ist jeder                ankam, zeigte sich unter ande­     Monaten Hörbücher, Hörspiele
                dieses Motto gaben die Veran­      mal Lehrender und mal Ler­                      rem daran, dass die 200 vorge­     oder Podcasts genutzt. Bei den
                stalter dem 10. Corporate Lear­    nender. Nur in diesem Wech­                     sehenen Plätze innerhalb von       unter 40-Jährigen hört sogar die
                ning Camp (CLC), das am 12.        selspiel kann die Masse an                      28 Stunden ausgebucht waren.       Hälfte. Das belegt der Audible Hör-
                und 13. September 2019 in Ko­      Informationsquellen bewältigt                   Wie bei jedem Barcamp gab es       kompass 2019. Knapp acht Milli-
                blenz stattfand. Karlheinz Pape,   werden.“ Dass das Thema bei                     kein offizielles Programm mit      onen Menschen hören täglich und
                der Spiritus Rektor des CLC, er­   den Personalentwicklern gut                     Keynote Speakern, sondern nur      damit annähernd doppelt so viele
                                                                                                   zehn freie Räume, die selbst­      wie noch im Vorjahr.
                                                                                                   organisiert zum gegenseitigen
                                                                                                   Gedankenaustausch mit Mode­        Auch das noch. Die Anzeichen
                                                                                                   rator genutzt wurden. Die an­      einer Krise mehren sich. Jetzt
                                                                                                   wesenden Personalentwickler        erklärte die Trumpf-Chefin Nicola
                                                                                                   suchten nach Wegen, möglichst      Leibinger-Kammüller in der FAZ,
                                                                                                   vielen Beschäftigten in ihren      dass in der Maschinenbaubran-
                                                                                                   Unternehmen das „informelle        che gerade rund 25 Prozent der
                                                                                                   Lernen“ beizubringen und die       Aufträge weggebrochen seien (bei
                                                                                                   Selbstlernkompetenz zu erhö­       Trumpf nur zehn Prozent). „Wir spa-
                                                                                                   hen. Die Verbreitung der Office-   ren richtig viel“, so Leibinger-Kam-
Foto: Pichler

                                               Karlheinz Pape (links). Er                          365-Anwendungen helfe dabei,       müller. Ihren Arbeitern versprach
                                               moderiert die Sessionplanung.                       Wissen zu teilen und sich zu       sie: „Es wird keiner entlassen –
                                                                                                   vernetzen.                         außer es kommt ganz krass.“

                                                                                         wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   9
Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
aktuell

                                                   SCHLAFTIPPS VOM ARZT

                                                   „Weniger als sechs Stunden Schlaf kann
                                                   Folgen haben“
                                                   Der gesunde Schlaf der Mitarbeiter ist eine     ist. „Von sich zu behaupten, der Job sei der
                                                   Führungsaufgabe. „Schläft man fünf Jahre        einzige Lebensinhalt und es würde einem
                                                   oder länger dauerhaft schlecht, so steigt       reichen, nachts um zwölf oder ein Uhr ins
                                                   das Risiko, an Herz-Kreislauf-Krankheiten       Bett zu gehen, um gegen halb sechs schon
                                                   wie Bluthochdruck, Diabetes oder sogar          wieder aufzustehen, das ist aus schlafme­
                                                   auch Krebserkrankungen zu erkranken“,           dizinischer Sicht völliger Nonsens“, sagte
                                                   betonte Dr. Ingo Fietze in einem Interview      Fietze. Führungskräfte müssten selbst
                                                   mit „Wirtschaftswoche online“ am 18. Sep­       darauf achten, wenn sie Veranstaltungen
                                                   tember 2019. Fietze ist Schlafforscher und      ansetzten oder besuchten, dass diese um
                                                   Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizi­     22.00 Uhr zu Ende seien oder wenn es
                                                   nischen Zentrums an der Berliner Charité.       mal länger dauere, auch den Mut, haben
                                                   Demnächst erscheint sein Buch „Deutsch­         sich früher zu verabschieden. Alle 90 bis
                                                   land schläft schlecht. Wie Schlafmangel         100 Minuten und zusätzlich alle 4 Stunden
                                                   uns alle krank macht und was Sie dagegen        gebe es Zeitfenster von knapp einer halben
                                                   tun können“. Die Charité berät Unterneh­        Stunde, in denen man mühelos einschlafen
                                                   men zum Beispiel, wie sie Pausen organi­        könne. Wer das früh erkenne und diese
                                                   sieren und gestalten sollten, um auf jeden      Gelegenheit für ein Nickerchen nutze, der
                                                   Schlaftyp Rücksicht nehmen zu können.           wache frisch und mit neuer Energie auf.
                                                   Die Themen Stressbewältigung, Grund­            „Ein kurzes Schläfchen reicht, um für die
                                                   struktur des Schlafs, innere Uhren und          nächsten drei bis vier Stunden Konzentra­
                                                   Schlaf-Wach-Regulation besprechen Ärzte         tions- und Leistungsfähigkeit zu tanken“,
                                                   in den Personalabteilungen in Form von          so Fietze. Er empfiehlt, sich ein persön­
                                                   Seminaren. Führungskräfte sollten als Vor­      liches Einschlafritual anzueignen (Atemü­
                                                   bilder bewusst vorleben, wie wichtig Schlaf     bungen oder Entspannungstechniken).

   FAMILIENAUFSTELLUNG

   Bert Hellinger im Alter von 93 Jahren gestorben
   Der Begründer der Familien­         Regel etwas „Verborgenes“ ans       ten. Die „Systemische Gesell­
   aufstellung, Bert Hellinger, ist    Licht – zum Beispiel die psy­       schaft“ kritisierte insbesondere
   am 19. September in seinem          chologischen Verstrickungen         den Einsatz potenziell demü­
   Privathaus in Bischofswiesen        einer ganzen Familie. Hellin­       tigender Interventionen und
   bei Berchtesgaden gestorben.        gers Ansatz gilt als wissen­        Unterwerfungsrituale und die
   Hellinger war eine der umstrit­     schaftlich nicht belegt und als     Vorstellung Hellingers, eine
   tensten Personen der deutschen      mit erheblichen Risiken für die     „objektive“ Wahrheit erkennen
   Therapeutenszene.                   Klienten verbunden, da ein „ri­     zu können, die sich ihm bei
   Bei der Familienaufstellung         goroses Deutungsinstrument“         einer Aufstellung offenbare.
   nach Hellinger werden von           zum Einsatz komme.                  Fritz B. Simon, der Pionier der
   einem Klienten zufällig an­         Hellingers Bild von der Fami­       systemischen Organisationsbe­
   wesende Seminarteilnehmer           lie wird als traditionell hierar­   ratung, warf Hellinger in der       scheinenden Norm folgend
   stellvertretend für seine Famili­   chisch und patriarchal einge­       „Wirtschaft + Weiterbildung“        tun müssten. Simon betonte:
   enmitglieder räumlich so ange­      stuft. Gegenüber den Klienten       (Heft 6/2017) vor, er trete nicht   „Bei meiner Kritik geht es um
   ordnet, dass die „Beziehungen“      und bei der Interpretation der      nur extrem autoritär auf, son­      Grundwerte von Konstrukti­
   der Familienmitglieder, so wie      Bilder, die sich bei einer Auf­     dern verkünde auch noch ver­        vismus und Systemtheorie, die
   der Klient sie erlebt, deutlich     stellung ergaben, sei er oft        meintliche Wahrheiten und           gerade nicht normativ sind und
   werden. Laut Hellinger bringen      respektlos gewesen und als          sage seinen Klienten, was           keinem zubilligen, willkürlich
   Familienaufstellungen in der        allwissender Guru aufgetre­         sie einer „gottgewollt“ er­         Wahrheiten zu verkünden.“

   10   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
COMTEAM FÜHRUNGSKRÄFTESTUDIE

Auch Manager wollen in Teams lernen

Der Trainings- und Beratungs­           der Freizeit gezielt weiterbil­
anbieter Comteam AG hat aktu­           den.
ell 700 Manager befragt und auf      •	Führungskräfte wollen im
dieser Basis seine regelmäßig           Team lernen, doch digitale
erscheinende „Führungskräfte­           Lernwelten sind dafür mo­
studie“ veröffentlicht. Zentrale        mentan nicht geeignet.
Ergebnisse der Studie sind:          •	Die Hälfte der befragten Füh­
•	Deutsche Unternehmen füh­            rungskräfte hält eine Kultur­
   len sich noch nicht fit für die      arbeit im digitalen Wandel
   Digitalisierung: Nur knapp           nicht für wichtig. Aber: Die
   ein Drittel der Führungs­            andere Hälfte sieht beglei­
   kräfte sieht ihr Unternehmen         tende Kulturarbeit als ent­
   technisch, kulturell und or­         scheidenden Erfolgsfaktor
   ganisatorisch gut aufgestellt.       für digitalen Wandel.
•	Die Sorge der Trainer vor         Das Comteam forderte bei der
   dem Aussterben von Prä­           Vorstellung der Studie (com­
   senzveranstaltungen ist un­       teamgroup.com/de/services/
   begründet. E-Learning wird        comteam-studien/comteam-
   Seminare und Konferenzen          studie-2019-digitale-lernwel-
   nicht ersetzen, sondern er­       ten) dazu auf, bei der Digitali­
   gänzen.                           sierung neben den technischen
•	Lebenslanges Lernen wird          Komponenten auch kulturelle
   immer wichtiger: Aus Sicht        und organisatorische Aspekte
   der Führungskräfte werden         mitzudenken. Hier bestehe in
   sich Arbeitnehmer künftig         deutschen Unternehmen Nach­
   mehr und intensiver auch in       holbedarf.

INTEM TRAINERTEST

„Welcher Trainertyp sind Sie?“

Auf der Homepage des Instituts „Intem“ kön­
nen User mithilfe eines Tests kostenlos feststel­
len, welcher Trainertyp sie sind (www.intem.
de/trainertest/).
„Mit dem Test geben wir Menschen eine Ent­
scheidungshilfe an die Hand“, erläutert Insti­
tutsleiter Helmut Seßler. Durch die Beantwor­
tung von 17 Fragen lässt sich analysieren, ob
es für einen Interessenten zielführend ist, als
selbstständiger oder firmeninterner Trainer zu
arbeiten. Auch die Fähigkeit zum Speaker wird
reflektiert. In den Kurztest ist die 30-jährige
Erfahrung des Instituts als Player auf dem Trai­
nings- und Weiterbildungsmarkt eingeflossen.
Wer durch den Test eine erste Einschätzung
seiner Eignung festgestellt hat, kann sich auf
Infotagen in mehreren deutschen Städten über
die Modalitäten der Verkaufstrainerausbildung
bei Intem informieren.

                          wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019    11
aktuell

                                                                                                                 Bernhard Kuntz

              Gastkommentar

              Hurra,
              die Krise ist da!?
              Seit einigen Monaten spürt man, dass viele Berater                               nehmenssicht „Nice to have“ sind) als „Krise“ erle-
              und Trainer sowie Coachs und Speaker zunehmend                                   ben. Dies schlägt sich auch in den Themen nieder,
              nervös werden. Sie klagen zum Beispiel darüber,                                  zu denen die Berater von PR-Unterstützern wie uns
              dass ihre Unternehmerkunden (B2B) immer zöger-                                   gerne Artikel in den Print- und Onlinemedien plat-
              licher und zurückhaltender mit der Vergabe von                                   ziert hätten. Forderte vor drei, vier Monaten noch
              Aufträgen würden – unter anderem aufgrund des                                    alle Welt Artikel zu Themenkomplexen wie „Agilität“,
              Dauerbrenners Brexit sowie der von Donald Trump                                  „Digitale Transformation“ und „New Work“, so sollen
              angezettelten Handelskonflikte und auch der politi-                              nun alle Experten Artikel schreiben zu Themen wie

        „
              schen Konflikte.                                                                 „Krisenmanagement“, „Turnaround“, „Prozessopti-
                                                                                                         mierung“ und „Preise verteidigen“. Selbst
                                                                                                         Klassiker wie Business Reengineering
              Ist die Krise wirklich für jeden eine
              Chance?              „                                                                     sind plötzlich wieder gefragt. Und lautete
                                                                                                         vor drei, vier Monaten noch der Tenor der
                                                                                                         meisten Artikel „die Führung …“, „die Kul-
              Größere Projektaufträge würden die großen Unter-                                 tur …“, „der Mindset muss sich ändern“, so lautet
              nehmen fast nicht mehr vergeben, da selbst die                                   nun der Grundtenor „Die Krise als Chance erkennen
              Unternehmensführer oft nicht wüssten, wohin mit-                                 und nutzen“.
              tel- und langfristig technologisch, wirtschaftlich und                           Für PR-Agenturen wie uns, denen ihre Stammkun-
              gesellschaftlich die Reise gehe.                                                 den schon seit mehr als 10 Jahren die Treue halten,
              Deshalb erhalten jetzt Marketingexperten auch ver-                               ist es recht einfach, kurzfristig solche Artikel zu
              mehrt Anfragen von Beratern, denen sprichwörtlich                                schreiben und in Zeitschriften zu platzieren. Hierfür
              der Kittel brennt – weil absehbar ist: In drei, vier                             müssen sie nur in ihren Archiven nachschauen, wel-
              Monaten sind ihre Auftragsbücher (fast) leer. Also                               che Artikel sie 2008 nach Ausbruch der Finanzkrise
              fällt ihnen plötzlich wieder ein „Da gibt es doch so                             für ihre Kunden verfasst haben und die passenden
              eine Disziplin, die Marketing heißt“ – zumal ohnehin                             Manuskripte etwas aktualisieren. Danach können
              der Monat Oktober angebrochen ist, von dem viele                                 sie diese erneut Medien zum Veröffentlichen anbie-
              Berater noch glauben „in ihm machen die Unterneh-                                ten.
              men ihre Budgets fürs Folgejahr“. Weshalb sie in                                 Das tun auch wir. Die einzige Frage, auf die wir und
              diesem Monat Jahr für Jahr in eine operative Hektik                              unsere B2B-Kunden in unseren „Krise-als-Chance-
              verfallen.                                                                       Artikeln“ noch immer keine überzeugende Antwort
              Zweifellos stecken einige Branchen – wie zum                                     gefunden haben, ist: Wie vermittelt man den
              Beispiel die Automobil- oder Finanzbranche – in                                  Frauen und Männern, die bei den „krisenbedingten“
              Deutschland zurzeit in einer (Dauer-)Krise. Doch ob                              Umstrukturierungsmaßnahmen nicht zu den „Survi-
              die deutsche Wirtschaft in einer Krise steckt, offen                             vors“ zählen, sondern entlassen werden, glaubhaft,
              gesagt, ich weiß es nicht. Eher scheint es mir ein                               dass die Krise für sie eine Chance ist? Doch dafür
              Umstrukturierungsprozess zu sein, der als Krise                                  sind ja auch nicht die B2B-Berater zuständig, darum
              empfunden wird und den gewisse Beratergruppen                                    kümmern sich nach der Entlassung Berufs- und Kar-
              (insbesondere solche, deren Leistungen aus Unter-                                riere- sowie Lebensberater – also B2C-Berater.

              Bernhard Kuntz ist der Gründer und Inhaber der Agentur „Die Profilberater GmbH“, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unter-
              stützt. Er ist Autor unter anderem der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“.
              www.die-profilberater.de

   12   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
FÜHRUNG

Warum ein „Karrierezug“
oft entgleisen muss
Elf Faktoren, warum Führungs­       •	passiv Widerstand leistend.
kräfte beruflich scheitern,           Solch eine Führungskraft ist
hat die Beratungsgesellschaft         zwar höflich und sozial kom­
Hogan Assessments jetzt auf­          petent, aber auch wenig pro­
grund aktueller Forschungs­           duktiv und sucht Auswege,
daten veröffentlicht. Das Unter­      um Verantwortlichkeiten zu
nehmen wurde 1997 von den             vermeiden.
Psychologen Robert und Joyce        •	anmaßend und weigert sich,
Hogan gegründet. Ihr Spezial­         seine Fehler und Misserfolge
gebiet war es von Anfang an,          zuzugeben oder die Verant­
jene kritischen Eigenschaf­           wortung dafür zu überneh­
ten zu identifizieren, die bei        men. Die Schuld wird immer
„fachlich sehr kompetenten“           nur bei den Mitarbeitern lie­
Führungskräften trotzdem fast         gen.
zwangsläufig zu einer Entlas­       •	draufgängerisch und sehr ri­
sung führen. Folgende elf Per­        sikobereit. In Bezug auf seine
sönlichkeitsdimensionen sind          Mitarbeiter fehlt es dem Ma­
kritisch. Ein Manager ist zu …        nager an Rücksichtnahme.
•	sprunghaft und neigt dazu,       •	buntschillernd und steht
  seine Frustrationen in Form         gerne im Mittelpunkt. Mitar­
  von öffentlichen Wutaus­            beiter halten diese Führungs­
  brüchen auszudrücken. Mit­          kraft häufig für chaotisch,
  arbeiter müssen ständig auf         unberechenbar und schlecht
  der Hut sein.                       organisiert.
•	skeptisch und glaubt, dass       •	phantasiereich und verlangt
  andere ihm in den Rücken            nach hochinnovativen Lö­
  fallen werden, sobald sich          sungen. Mitarbeiter empfin­
  die Gelegenheit bietet. Ent­        den Chef als unkonzentriert
  scheidungen werden in ge­           und umständlich in seinen
  heimen Meetings getroffen.          Handlungen und Entschei­
•	vorsichtig, weil er ständig        dungen.
  Angst hat, einen Fehler zu        •	pedantisch und unfähig zu
  machen. Entscheidungen              delegieren. Infolgedessen
  bleiben aus.                        neigt der Chef dazu, die mei­
•	distanziert und glaubt, dass       sten Aufgaben selbst zu erle­
  erstklassige Arbeit nur in völ­     digen und die Mitarbeiter bis
  liger Einsamkeit, bei absolu­       ins kleinste Detail zu kontrol­
  ter Konzentration geleistet         lieren.
  werden kann. Die Mitarbei­        •	dienstbeflissen und es fehlt
  ter halten solche Chefs für         an Initiative. Solche Chefs
  kalt und wenig hilfs­                   wollen keine Verantwor­
  bereit.                                     tung übernehmen.
                                                                        Foto: harmpeti / AdobeStock

                         wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   13
Wolfgang Grupp. Der Inhaber
menschen                                                                und Geschäftsführer von
                                                                  „Trigema“ wurde auch dadurch
                                                                       bekannt, dass er in der TV-
                                                                  Werbung zusammen mit einem
                                                                    „sprechenden“ Affen auftrat.

„Ich muss täglich
  bereit sein, neue
  Dinge zu machen“
 INTERVIEW. Seit genau 50 Jahren ist der populäre Wolfgang
 Grupp (77) Alleininhaber der Firma „Trigema“, einem
 Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung mit Sitz im

                                                                                                     Foto: Sabina Paries / Berlien - Paries
 schwäbischen Burladingen. Grupp gehört zu den
 bekanntesten Unternehmern Deutschlands. Im Interview mit
 „Wirtschaft + Weiterbildung“ bezeichnet er einen innovativen
 Vorwärtsdrang ohne Gier und Größenwahn als wichtigsten
 Erfolgsfaktor seines Unternehmens.

 Selbst die Chefs von DAX-Konzernen haben heute einen                Haben Sie Zeit zu lesen?
 Business Coach. Haben Sie einen Coach?                              Grupp: Ich lese beim Frühstück die Tageszeitung. Ansonsten ist
 Wolfgang Grupp: Nein.                                               mein Tag mit meinen Aufgaben in der Firma Trigema vollkom-
                                                                     men ausgefüllt.
 Sie haben nie einen externen Business Coach hinzugezogen,
 um getroffene Entscheidungen zu reflektieren und künftige           Gibt es Personen, von denen Sie geprägt oder beeinflusst
 Entscheidungen vorzubereiten?                                       wurden?
 Grupp: Brauche ich nicht. Ich war in der Schule. Ich habe stu-      Grupp: Mein Großvater war mein großes Vorbild! Er wurde von
 diert. Und wenn das nicht ausreicht, nützt auch ein Coach           seinen Mitarbeitern geschätzt. Sie gingen für ihn durch dick
 nichts!                                                             und dünn!

 Sie haben auch keinen Berater?                                      Interessieren Sie sich für Biografien von Führungspersonen?
 Grupp: Nein. Mir kommt kein Unternehmensberater ins Haus.           Grupp: Ich schau mir im ZDF-Infokanal die Reihe über Unter-
 Angenommen, ein Unternehmensberater sagt mir auf Anhieb:            nehmerpersönlichkeiten gerne an.
 „Das müssen Sie ändern“, dann muss ich meinen Platz räu-
 men. Wenn einer ohne weitere Einblicke zu haben etwas sieht,        Was war der wichtigste Rat, den Sie beruflich bekommen
 was ich nicht erkenne, bin ich fehl am Platz.                       haben?
                                                                     Grupp: Ich wurde von meinen Eltern so erzogen, dass ich
 Sie hätten dann tatsächlich vor, gleich von heute auf morgen        wusste, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
 Ihren Platz zu räumen?
 Grupp: Und weil ich den Platz nicht räumen will, lass ich den       Und was ist Ihr wichtigster Rat, den Sie ihren Kinder mit auf
 Berater auch nicht kommen (lacht). Aber im Ernst: Das Bera-         den Weg geben?
 tergewerbe floriert, damit wird sehr viel Geld verdient. Aber       Grupp: Meine Kinder müssen sich Ihrer Verantwortung be-
 bewirken diese Berater etwas? Bei den Kaufhauskönigen wur-          wusst sein. Sie dürfen sich nicht von Größenwahn und Gier
 den Millionen für Berater ausgegeben – untergegangen sind sie       leiten lassen. Sie müssen konstant entscheiden, aber auch die
 trotzdem!                                                           Größe haben, eine Entscheidung von gestern, wenn sie neue

 14   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Erkenntnisse haben, zu korrigieren. Wenn eines meiner Kinder    auch von den Kindern unserer Mitarbeiter eine entsprechende
zu mir käme und sagen würde, es hätte ein großes Problem,       Leistung verlangen und ich bin sicher, dass die Eltern auch
müsste ich ihm sagen, dass es selbst schuld sei, denn jedes     dafür sorgen, dass die Kinder sie nicht blamieren.
große Problem war klein und wenn man es löst solange es
klein ist, hat man kein großes.                                 Wie locken Sie junge IT-Leute nach Burladingen?
                                                                Grupp: Weil Trigema einen gewissen Ruf hat, bekommen wir
Wie wichtig ist es für Sie, etwas Neues zu lernen?              natürlich auch im IT-Bereich eher jemanden. Sie kommen
Grupp: Ich muss täglich bereit sein, neue Dinge, die auf mich   allerdings meistens aus unserer Region. Es ist eben nicht so,
zukommen, anzupacken. Ich muss also konstant den Wandel         dass junge Leute es nur auf das Geld abgesehen haben, son-
der Zeit rechtzeitig erkennen und damit neue Entwicklungen      dern es geht auch um Anerkennung, Zufriedenheit und vor
einleiten!                                                      allem um ein betriebliches Zuhause.

Wie schaffen Sie es, gut ausgebildete Fachkräfte auf die        Wie bilden Sie Ihre Mitarbeiter weiter?
Schwäbische Alb zu holen?                                       Grupp: Ein Beispiel: Die Leiterin unserer Buchhaltung hat vor
Grupp: Ich muss wissen, dass die gut ausgebildeten Leute        einem Jahr diese Position übernommen, nachdem unser Fi-
ihr Leben nicht in Burladingen fristen wollen! Deshalb stand    nanzchef nach 19 Jahren Zugehörigkeit aus dem Unternehmen
schon immer die Ausbildung bei uns an erster Stelle. Die jun-   ausgeschieden ist. Sie war natürlich schon seit ihrer Lehre in
gen Leute kommen mit 15 oder mit 16 Jahren oder mit Mittle-     der Finanzbuchhaltung und hat jetzt einen Finanzkurs belegt
rer Reife oder Abitur zu uns. Wir müssen ihre Stärken erken-    um sich so entsprechend weiterzubilden.
nen und sie in ihren Stärken weiterbilden. Deshalb sind alle
unsere leitenden Leute ehemalige Lehrlinge gewesen.             Wie haben Sie grundsätzlich die Aus- und Weiterbildung in
                                                                ihrem Unternehmen organisiert?
Sie garantieren Kindern von Mitarbeitern sogar einen            Grupp: Dafür ist meine Tochter zuständig. Sie kommt zu mir
Arbeitsplatz ...                                                und sagt, wen sie unter den Auszubildenden für geeignet hält.
Grupp: Ja. Wenn sie direkt nach der Schule zu uns kommen        Und die einzelnen Abteilungsleiter wissen, wem sie in ihrer
wollen, garantiere ich ihnen den Arbeitsplatz. Damit kann ich   Abteilung Verantwortung übertragen können.                    R

                                                                                      wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   15
menschen

 Unter den Flüchtlingen, heißt es, sind Sie auf tolle Näher                          So haben wir schon immer nach dem Prinzip „Grüner Knopf“
 gestoßen.                                                                           produziert und wurden somit als erstes Unternehmen zertifi-
 Grupp: Fast alle Flüchtlinge haben ja in ihrer Heimat als Näher                     ziert! Wir setzen auf permanente Qualitätsverbesserung. Dafür
 gearbeitet. Sie bringen sehr schnell 100 Prozent und mehr.                          bezahlt der Verbraucher auch gerne einen höheren Preis!
 Generell sind unsere Flüchtlinge sehr gute Mitarbeiter in der
 Konfektion.                                                                         „Cradle to Cradle“ (Wiege zu Wiege) ist der Name für eine
                                                                                     durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. Das
 Sie nehmen quasi jeden, der nähen kann?                                             Prinzip wurde Ende der 1990er-Jahre von dem deutschen
 Grupp: Nachdem in Deutschland die jungen Leute immer mehr                           Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen
 Abitur machen wollen, kommen sie selbstverständlich da-                             Architekten William McDonough entworfen. Sie haben die
 nach nicht zu uns an die Nähmaschinen. Somit wird jeder, der                        deutsche Textilbranche sehr erstaunt, weil sie schon früh mit
 nähen will, angelernt. Er muss allerdings gewisse Fähigkeiten                       Braungart zusammenarbeiteten ...
 dafür mitbringen.                                                                   Grupp: Im Jahr 2004 rief mich Professor Dr. Michael Braun-
                                                                                     gart an, weil er erfahren hatte, dass die Firma Trigema zu 100
 Bieten Sie Flüchtlingen auch Sprachkurse an?                                        Prozent alles in Deutschland fertigt - von der Stoffherstellung
 Grupp: Ja. Wir tun das nicht den Flüchtlingen zuliebe, sondern                      über die Ausrüstung (also die Färberei/Bleicherei), die Vered-
 dem Unternehmen zuliebe. Je schneller wir uns verständigen                          lung (also die Stickerei/Druckerei) und die Konfektion. Somit
 können, desto besser. Wir bezahlen die Kurse. Der Teilnehmer                        konnte Braungart seine Idee der Kreislaufwirtschaft bei uns
 muss 20 Euro beisteuern. Als kleine Motivationshilfe. Was um-                       am einfachsten umsetzen, weil wir alle Produktionsstufen in
 sonst ist, ist nichts wert. Meine Tochter hatte die Idee zu einer                   einem Hause hatten.
 Kooperation mit der Volkshochschule.
                                                                                     Schon im Jahr 2006 sprachen Sie vor dem Forum Deutscher
 Unternehmertum kann man nicht lernen, heißt es im                                   Katholiken in Fulda für ein „bedarfsgedecktes Wirtschaften“
 Mittelstand. Was macht für Sie Unternehmertum aus?                                  aus. Was steckte dahinter?
 Grupp: Entscheidungsfreudigkeit, logisches Denken und vor                           Grupp: Damals wie heute appelliere ich an unsere Vernunft!
 allem konsequentes Handeln.                                                         Wir dürfen in einem Hochlohnland keine Massenprodukte her-
                                                                                     stellen, sondern müssen ausschließlich innovative Produkte
 Vor 50 Jahren haben sie Trigema übernommen. Wie sieht                               produzieren.
 Unternehmertun bei Ihnen in der Praxis aus?
 Grupp: Ich muss mit offen Augen und Ohren durch die Welt                            Ich frage mich, ob Sie sich eigentlich in „unserem
 gehen! Als ich anfing, haben wir nur Unterwäsche gefertigt.                         Wirtschaftssystem“, das Wachstum über alles setzt,
 Als mich eines Tages ein Kunde anrief und fragte, ob wir auch                       überhaupt noch zu Hause fühlen?
 T-Shirt fertigen würden, sagte ich nicht nein, sondern habe ihn                     Grupp: Wir dürfen in einem Hochlohnland Wachstum nicht
 gebeten, mir einmal einige Muster zuzusenden. So erkannte                           in der Steigerung der Stückzahlen, sondern in der Steigerung
 ich, dass sich das Unterhemd nunmehr auch zum Oberhemd                              der Wertigkeit der Produkte sehen. Wenn wir immer mehr
 entwickelt hatte und fertigte ab sofort auch T-Shirts.

 Jetzt - nach 50 Jahre - leben wir in einer Gesellschaft, die
 alles hat und mit allem versorgt ist. Sie reagierten auf diesen
 Umstand mit dem Ansatz vom „bedarfsgedeckten
 Wirtschaften“ und sind so zum Vorreiter und auch zum Vorbild
 für viele Manager geworden ...
 Grupp: Der Bedarf an Kleidung ist gedeckt! Die Kleiderschränke
 sind überall voll, deshalb ist die Textilbranche bei jeder Kon-
 junkturschwankung sehr anfällig! Wenn der Verbraucher das
 Einkommen nicht mehr hat, dann spart er als erstes an Klei-
 dung. Ich muss wissen, dass man unser Produkt, wenn man
 nicht mehr genügend Einkommen hat, als erstes nicht mehr
 kauft.

 Was machen Sie als Textilunternehmer unter diesen
                                                                     Foto: Trigema

 Bedingungen anders?
 Grupp: Ich lebe von Flexibilität und Qualität. Das heißt, ich
 fahre Produkte zurück, die der Kollege in China auch macht,
 aber billiger. Oder ich gebe diese Produkte auf. Stattdessen                        Trigema. Das Unternehmen (über 1.200 Mitarbeiter und über
 setze ich auf innovative Produkte. So verstehe ich Wachstum.                        100 Millionen Euro Jahresumsatz) hat seinen Sitz in Burladingen.

 16   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
produzieren, können wir dies nur über einen billigeren Preis      An solch einem Plan kann man sich aber auch sehr leicht
absetzen und dies ist in einem Hochlohnland tödlich. Deshalb      verheben ...
müssen wir innovative Produkte produzieren, die eben das          Grupp: Selbstverständlich haben wir nicht wahllos Geschäfte
Billiglohnland nicht herstellt und somit heißt Wachstum für       eröffnet, sondern wir sind bewusst in Urlaubsorte gegangen
mich, dass wir Produkte die das Billiglohnland auch herstellt     wo aus allen Städten Deutschlands Urlauber kamen und konn-
auch rechtzeitig aufgeben und dafür neue innovative Produkte      ten somit mit wenigen Geschäften die Bundesbürger aus allen
oben ansetzen.                                                    Regionen Deutschlands erreichen.

Sie würden auf den Ausbau Ihrer Fertigung verzichten?             Und dann erblühte auch noch der Onlinehandel. Hat der Sie
Grupp: Wir erweitern seit Jahren unsere Kapazitäten nicht         nicht kalt erwischt?
mehr, sondern setzen ausschließlich auf Innovation, Qualität      Grupp: Im Gegenteil. Der Online-Handel war für uns eine Rie-
und Schnelligkeit. Mit Liefermöglichkeiten binnen 48 Stunden      senchance! Zunächst konnte ich die Kaufhauskönige durch
sind wir unseren Mitbewerbern im billigen Ausland jederzeit       unsere Testgeschäfte ersetzen und jetzt konnte ich auch die
überlegen.                                                        Versandhauskönige durch den Online-Handel ersetzen. Heute
                                                                  verkaufen wir 15 Prozent unserer Produktion bereits über On-
In Burladingen, dem Sitz Ihres Unternehmens, gab es einmal        line und 50 Prozent über unsere Testgeschäfte. Die restlichen
26 Textilfabriken. Nur Trigema hat überlebt. Sie haben sich       35 Prozent verteilen sich auf Kunden aller Art – wie Industrie
erfolgreich einem ruinösen Preisdruck widersetzt. Was haben       oder Handel.
Sie anders gemacht?
Grupp: Die Kaufhaus- und Versandhauskönige wie Karstadt,          Anders als viele Unternehmer mischen Sie sich in die
Hertie, Horten, Quelle oder Neckermann haben im Prinzip ver-      politische Debatte ein. Früher rockten Sie jede Talkshow.
sagt und waren verantwortlich für den Niedergang der textilen     Wie kam und kommt das eigentlich bei den
Produktion in unserem Heimatland. Sie haben den Wandel der        Unternehmerkollegen an?
Zeit nicht erkannt und meinten durch billigere Preise im Ein-     Grupp: Ein bekannter Politiker hat mir mal in Stuttgart gesagt,
kauf bestehen zu können.                                          dass er mich bei den Unternehmern im Lande nicht selten ver-
Ich musste als Produzent den Mut haben, zu diesen Preisfor-       teidigen würde. Ich habe ihm entgegnet, ich weiß, dass ich
derungen „Nein“ zu sagen und habe die Kaufhäuser als er-          nicht nur lauter Freunde habe!
ster verloren und damit war ich gezwungen neue Kunden zu
suchen. Meine Kollegen haben „Ja“ gesagt zu den billigeren        Hat es Sie je in die Politik gezogen?
Preisen – und sind dann mit diesen Kaufhaus- und Versand-         Grupp: Sicher nicht. Ich kann nur einem Herren dienen und
hauskönigen am Schluss untergegangen. Ich musste mir neue         dies ist meine Firma Trigema.
Kunden suchen und kam damit zu den SB-Warenhäusern und
später zu den Discountern.                                        Hilft Ihnen Ihre Religiosität, ein erfolgreicher Unternehmer zu
                                                                  sein?
Sie haben Aldi beliefert!?                                        Grupp: Ich bin katholisch erzogen worden und weiß dadurch
Grupp: Aldi war stets ein Top-Kunde! Als aber Aldi nach Jahren    auch, dass ich mich in meinem Leben so verhalten muss, dass
auf Hausmarken umstellen wollte und gleichzeitig eine starke      ich mich jederzeit nach meinem Leben rechtfertigen kann, für
Preisreduktion forderte, musste ich erkennen, dass ich in einer   das, was ich getan habe. Zudem muss man auch wissen, dass
bedarfsgedeckten Wirtschaft auch ein Teil der Handelsfunktion     die Bäume nicht in den Himmel wachsen und deshalb sollte
in eigene Hände übernehmen muss, um nicht in totale Abhän-        man nicht überheblich werden, wenn man auch einmal Erfolg
gigkeit der letzten Großkunden zu kommen.                         hat. Man sollte stets auch ein bisschen Demut zeigen und auch
                                                                  einmal Danke sagen, wenn es einem gut geht.
Was bedeutete das für Trigema?                                                                                 Interview: Jo Berlien
Grupp: Die Firma Hugo Boss war ein großes Vorbild für mich.
Das Factory-Outlet in Metzingen war schon damals sehr be-         Buchtipp. Erik Lindner: „Wirtschaft braucht Anstand: Der Un-
kannt. Ich musste erkennen, dass ich über den Fabrikverkauf       ternehmer Wolfgang Grupp“, Verlag Hoffmann und Campe,
ein Teil der Handelsfunktion übernehmen kann und muss.            München 2010, 240 Seiten, 20,00 Euro. Für das „Managerma-
                                                                  gazin“ war Grupp ein bekennender Wertkonservativer, für das
Mit Ihren Testgeschäften haben Sie dann den Fabrikverkauf         „Handelsblatt“ der erfolgreiche Exzentriker unter den Mittel-
neu erfunden ...                                                  ständlern. Und Harald Schmidt nannte ihn einmal „die nackte
Grupp: Ich habe den Fabrikverkauf nicht neu erfunden, son-        Kanone unter den deutschen Unternehmern“. Erik Lindner
dern ihn nur ausgeweitet und ihn, weil mir der Name Fabrik-       beschreibt in seinem Buch ausführlich das Geschäftsmodell
verkauf zu simpel war, umbenannt in „Testgeschäfte“. Mit die-     von Grupp und zeigt die Erfolgsfaktoren auf. Außerdem porträ-
sen Geschäften konnte ich auch sehr schnell erkennen, was         tiert er Grupp als Rufer in der Wüste. Grupp fordert schließlich
besser oder schlechter lief und danach die Produktion ausrich-    Anstand und die Abkehr vom Shareholder-Value-Denken. Ein
ten, deshalb auch der Name „Testgeschäft“.                        lesenswertes Buch über einen Vorzeigeunternehmer.

                                                                                         wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   17
titelthema

                                               VERHALTENS­
                                               ÄNDERUNG DURCH ...

                                               intrinsische Belohnungen:

  18   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Sich und andere
    ändern
    PSYCHOLOGIE. Menschen können
    sich selbst verändern und Chefs
    können ihre Mitarbeiter verändern –
    aber nur, wenn bestimmte
    neuro­biologische Grenzen beachtet
    werden. Viele gewünschte
    Veränderungen von Mitarbeitern
    scheitern übrigens an dem
    mangelhaften Verhältnis zwischen
    Führungskraft und Mitarbeiter.

    01.                           02.                           03.
  Unbändige Freude am         Selbstbestätigung erlangen   das Gefühl der Verwirklichung
Gelingen der eigenen Arbeit     durch die eigene Arbeit         eigener Fähigkeiten
                                                                                                                     R

                                                                        wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   19
titelthema

R „Nur wenn man sich große Mühe gibt,
  kann man als Erwachsener sein Verhal-
  ten noch ändern“, sagt der Neurobio-
  loge Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth. Je tiefer
  die Veränderung „in die Persönlichkeit
  hinein“ reiche, desto schwerer werde
  es und desto sinnvoller sei es, sich von
  einem gut ausgebildeten Coach helfen zu
  lassen.
  Unternehmen, die versuchten, das Ver-
  halten ihrer Mitarbeiter zum Beispiel         Gerhard Roth. Der
  im Rahmen eines Change-Prozesses zu          Neurobiologe warnt
  verändern, sollten wissen, dass eine Ver-    vor dem überholten
  änderung der Mitarbeiter nur über eine          Gen-Determinis-

                                                                                                                                         Foto: Pichler
  Belohnung zu haben sei. „Die Aufgabe           mus genauso wie
  der Führungskräfte ist es dann, auf ihre     vor naiver Verände-
  Mitarbeiter zuzugehen und nach indivi-         rungsgläubigkeit.
  duellen Motivationsknöpfen zu suchen“,
  so Roth, der bereits im Jahr 2007 ein
  bahnbrechendes Buch unter dem Titel          und Organisationsberatern darüber, wie       men haben laut Roth die „epigenetischen
  „Persönlichkeit, Entscheidung und Ver-       sich die neuesten Forschungsergebnisse       Kontrollfaktoren“. Das seien Faktoren, die
  halten: Warum es so schwierig ist, sich      der Hirnforschung auf das Business und       das Zusammenspiel der Gene – quasi auf
  und andere zu ändern“ auf den Markt ge-      insbesondere das Change Management           einer Metaebene – regelten. Einen bislang
  bracht hat. Die 13. Auflage dieses Buchs,    anwenden lassen.                             viel zu unterschätzten Einfluss auf die
  die im Februar 2019 herauskam, war be-       Roth, der seit 1976 Professor für Ver-       Ausbildung einer Persönlichkeit hätten
  reits im Sommer ausverkauft. Am 26. Ok-      haltensphysiologie am Institut für Hirn-     dagegen vor- und nachgeburtliche Um-
  tober 2019 erschien jetzt die vollständig    forschung der Universität Bremen ist,        welteinflüsse sowie die „vorgeburtlichen
  überarbeitete 14. Auflage mit dem geän-      wandte sich zuerst einmal gegen den          hormonalen Einflüsse des Körpers und
  derten Titel „Warum es so schwierig ist,     „veralteten Gen-Determinismus“ und           Gehirns der werdenden Mutter“ auf das
  sich und andere zu ändern: Persönlich-       gleichzeitig auch gegen einen naiven         Gehirn des ungeborenen Kindes (beson-
  keit, Entscheidung und Verhalten“.           „Veränderungsoptimismus“, der von            ders bei starkem Stress). Außerdem gibt
                                               einer lebenslangen gleichmäßigen Verän-      es laut Biologie noch „nachgeburtlich-
  Gene wirken sehr unspezifisch                derbarkeit des Menschen auch in seinen       frühkindliche“ Einflussfaktoren (Bindung
                                               tieferen Persönlichkeitsschichten aus-       zu den Eltern) und einen gewissen Ein-
  Wie der Zufall so spielt: Ausgerechnet am    gehe. Beides sei wissenschaftlich nicht      fluss in der späteren Kindheit.
  26. Oktober trat Roth als Keynote Spea-      vertretbar.
  ker auf dem „Institutstag“ des Hephaistos    Es habe sich noch nicht überall herum-       Temperament angeboren
  Coaching-Zentrums München (Instituts-        gesprochen, dass die Gene in Sachen
  leiter: Klaus Eidenschink) auf und sprach    Psyche und Persönlichkeit zwar einen         Roth erklärte: „All diese Faktoren fördern
  zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen         gewissen Einfluss hätten. „Aber die Gene     oder hemmen sich auf komplexe Weise
  der Veränderbarkeit des Menschen aus         wirken nur sehr unspezifisch.“ Auf die In-   gegenseitig und nehmen teils gleichzeitig
  neurowissenschaftlicher Sicht“. Anschlie-    telligenz hätten zum Beispiel rund 2.000     und teils nacheinander Einfluss auf die
  ßend diskutierte er mit rund 150 Coachs      Gene Einfluss. Deutlich mehr zu bestim-      Entwicklung der Persönlichkeit. Die vor-

                    04.                                      05.                                       06.
             das Gefühl, besser zu sein als             die Überzeugung, an einer               intrinsische Belohnung muss
              all die anderen da draußen              wichtigen Sache mitzuarbeiten             individuell angepasst werden

  20   wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Psyche und Persönlichkeit ist an vier sehr
                                              unterschiedliche, aber eng miteinander
                                              verbundene „limbische“ Ebenen gekop-
                                              pelt. Sie heißen:
                                              1. untere limbische Ebene (… auf der die
                                              lebenserhaltenden Systeme angesiedelt
                                              sind. Die Ebene definiert aber auch unser
                                              Temperament, mit dem wir auf die Welt
                                              kommen. Sie legt Persönlichkeitsmerk-
                                              male wie Offenheit, Verschlossenheit,
                                              Selbstvertrauen, Kreativität, Vertrauen/
                                              Misstrauen, Umgang mit Risiken, Pünkt-
                                              lichkeit, Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit,
Buchtipp. Gerhard Roth: Warum es so           Verantwortungsbewusstsein fest. Durch
schwierig ist, sich und andere zu ändern,     Erfahrung oder Erziehung ist diese Ebene
Klett-Cotta, Stuttgart im Oktober 2019,       kaum zu beeinflussen.)
463 Seiten, 25 Euro                           2. mittlere limbische Ebene (die durch die
                                              erste Sozialisation im Rahmen der früh-
                                              kindlichen Bindungserfahrung charakte-
geburtlichen epigenetischen und hormo-        risiert ist. Es ist die Ebene unbewusster,
nalen Einflüsse sind besonders wichtig,       nicht erinnerbarer emotionaler Konditio-
denn sie bestimmen denjenigen Grundbe-        nierung. Frühkindlich werden elementare
standteil der Persönlichkeit, mit dem wir     Emotionen wie Furcht, Freude, Glück,
auf die Welt kommen – auch Tempera-           Ekel … mit individuellen Lebensumstän-
ment genannt.“ Dieses Temperament sei         den verknüpft.)
„angeboren“ im Sinne von „bei Geburt          3. obere limbische Ebene (Ebene des be-
vorhanden“.                                   wussten sozialen Lernens. Unsere weitere
Ab dem Alter von 12 bis 14 Jahren habe        Sozialisation soll uns befähigen, unsere
sich eine Persönlichkeit herausgebildet,      privaten Interessen mit denen der ande-
die sich nur noch in Grenzen verändern        ren Gesellschaftsmitglieder in Einklang
lasse. Selbst wenn jemand von sich aus        zu bringen. Hier werden relevante Per-
den Willen (!) habe, sich zu verändern,       sönlichkeitsmerkmale festgelegt: Macht-
wird das laut Roth nur in sehr begrenz-       streben, Dominanz, Empathie, Verfol-
tem Maße möglich sein. Menschen hätten        gung von Zielen, Kommunikationsbereit-
oft leider nur eine geringe Einsicht darin,   schaft.)
was die Knackpunkte und Engpässe ihrer        4. sprachlich-kognitive Ebene (die uns in
Persönlichkeit seien und auf welches kon-     die Lage versetzt, detaillierte Kommuni-
krete Ziel sie sich hin verändern sollten.    kation einschließlich der Selbstdarstel-
                                              lung und der Rechtfertigung des eigenen
Persönlichkeit an vier                        Handelns zu betreiben. Die Ebene verän-
limbische Ebenen gekoppelt                    dert sich ein Leben lang durch sprach-
                                              liche Interventionen.).
Wer sich als „Weichensteller in eigener       Über die Veränderungsbereitschaft und
Sache“ betätigen wolle, müsse beachten,       die Verhaltensrelevanz lässt sich Fol-
dass das Ausmaß der Veränderbarkeit           gendes sagen: Die untere limbische
von seiner bislang ausgebildeten indivi-      Ebene (Temperament) hat den stärksten
duellen Persönlichkeit abhänge. So seien      Einfluss auf unser Verhalten, ist aber
„dynamische“ Menschen von ihrer Per-          am wenigsten veränderbar. Die mittlere
sönlichkeit her veränderungsbereiter als      limbische Ebene hat ebenfalls großen
„vorsichtige“ Menschen.                       Einfluss auf unser Verhalten. Verände-
Menschen verändern sich am leichtesten,       rungen sind schwer zu erreichen – und
wenn die Veränderung nicht zu tief in die     wenn, dann nur durch das Ansprechen
Substanz ihrer Persönlichkeit vordringt.      individueller, emotionaler Motive und
Deshalb lohnt es sich, sich grundsätzlich     durch langfristiges Einüben neuer Verhal-
einmal mit der Entwicklung der Persön-        tensweisen. Die obere limbische Ebene
lichkeit zu befassen. Die Entwicklung von     hat nur einen geringen Verhaltensein- R

                                               wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019   21
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