Sich und andere ändern - wirtschaft weiterbildung - Haufe
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Das Magazin für Führung, Personalentwicklung und E-Learning wirtschaft weiterbildung 11/12_19 www.wuw-magazin.de Mat.-Nr. 00107-5172 Trigema-Chef_„Mir kommt kein Unternehmensberater ins Haus“ S. 14 Business Schools_Neuer „Tech-MBA“ verspricht Erfolg S. 38 Training_Mit Bullshit-Geschichten die Teilnehmer beeindrucken? S. 46 Sich und andere ändern Warum es schwierig, aber nicht unmöglich ist S. 18
editorial Oft zitiert – trotzdem falsch In der letzten Ausgabe unseres Hefts hatten wir den Neurowissenschaftler Boris Nikolai Konrad zu Wort kommen lassen, der Deutschlands Keynote Speaker davor warnte, in ihre Reden die Behauptung einzubauen, beim Menschen fände die Logik in der linken und die Kreativität in der rechten Gehirnhälfte statt. Diese Vorstellung sei aus Expertensicht schlicht und ergreifend völlig falsch und nicht einmal als „Metapher“ zu gebrauchen. Ähnliches gilt laut Konrad auch für das legendäre Marshmallow-Experiment oder die Vorstellung von visuellen, auditiven oder kinästhetischen Lerntypen. Die Reaktionen, die unser Oktober-Heft auslöste, gehen alle in die Richtung, dass unsere Leser mehr darüber erfahren wollen, welche Irrtümer und Mythen man als Weiterbildungsprofessional besser nicht (mehr) verbreiten sollte. Wir haben uns an die Arbeit gemacht und treiben das Thema in diesem Heft mit einem Interview mit Axel Ebert voran (ab Seite 46). Er hat das Buch „Bullshit Busters“ geschrieben, in dem er zusammen mit Christoph Wirl zumindest einige der gängigen Halbwahrheiten, handfesten Täuschungen und erfundenen Experimente enttarnt. Für diese anstrengende Arbeit gebührt den Autoren großer Dank. Das grundsätzliche Problem besteht schließlich darin, dass ein Schwätzer in einer Minute mehr Behauptungen aufstellen kann, als zehn Wissenschaftler im Laufe ihres Lebens zu widerlegen in der Lage wären. Oder frei nach Konfuzius: „Irrtümer schwimmen immer oben. Wer nach Perlen sucht, muss tief tauchen.“ Wir werden unsere Berichterstattung zum Thema „Bullshit“ auch im nächsten Heft fortsetzen und könnten uns sehr gut vorstellen, dass die vielen Managementkongresse und Change-Events des nächsten Jahres sich endlich auch einmal mit den pseudowissenschaftlichen oder gar esoterischen Behauptungen (zum Beispiel eines Frédéric Laloux), die durch die Beratungsszene geistern, kritisch auseinandersetzten. Viele Inspirationen mit unserem neuen Heft wünscht Martin Pichler, Chefredakteur wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 3
inhalt 11/12_2019 Gerhard Roth ist seit 1976 Professor für Verhaltensphysiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. Am 26. Oktober hat er sein neuestes Buch „Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern: Persön- lichkeit, Entscheidung und Verhalten“ auf den Markt gebracht. Das Buch und ein aktueller Vortrag von ihm stehen im Mittelpunkt 24 unserer Titelgeschichte. PE/OE. Ohne „das Wesentliche“ eines Change-Prozesses zu beeinflussen, 18 kann keine Organisation erfolgreich sein. 06 blickfang personal- und organisationsentwicklung aktuell 24 Essenz der Unternehmensentwicklung 08 Nachrichten Dr. Stefan Fourier versteht sich als Berater, der eine Neues aus der Weiterbildungsbranche, „Denkpartnerschaft“ mit den Managern eingehen aktuelle Studien, Kurzinterviews will. Ziel ist die Aktivierung der Überlebenskräfte des Systems „Unternehmen“. Dabei gelten wichtige Grundprinzipien. menschen 28 Mehr Eigenverantwortung zulassen 14 Täglich neue Dinge anpacken „Unsere Mitarbeiter sollen eigenverantwortlicher Seit genau 50 Jahren ist Wolfgang Grupp (77) arbeiten“, fordern viele Unternehmen. Doch in der Alleininhaber der Firma Trigema. Ein gewisser VUKA-Welt bleibt diese Forderung oft unerhört. „Vorwärtsdrang“ ohne Größenwahn ist für ihn einer Woran das liegt, analysiert ein Change-Experte. der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Geschäftsleben. training und coaching titelthema 32 Speaker werden 18 Sich und andere verändern Die Entscheidung eines Trainers, ein Speaker zu Deutlicher als bisher sehen wir die Möglichkeiten werden, bedeutet unweigerlich einen Wandel in und Grenzen, Menschen zu verändern. Die zentrale der thematischen Positionierung und im Marketing. Frage lautet: Was folgt aus den Erkenntnissen der Was das konkret für Trainer bedeutet, schildert Kognitions- und Neurowissenschaften zu dieser unser Fachbeitrag von Siegfried Haider. Thematik für die berufliche Praxis und natürlich auch für unser Selbstbild? 38 Europas erster „Tech MBA“ Immer mehr Business Schools integrieren technologische Inhalte in ihre MBA-Studiengänge. Nun hat die spanische IE Business School den Start des ersten „Tech MBA“ in Europa verkündet. 42 MBA News Die Entwicklungen auf dem MBA-Markt gehen ständig weiter. MBA-Schulen positionieren sich neu und müssen ihre Angebote überarbeiten. Was in den letzten Monaten Neues gemeldet wurde, haben wir für Sie gesammelt. 4 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
38 50 „Tech MBA“. Eine Innovation in Bits & Pretzels. Die Münchner Konferenz für der akademischen Weiterbildung Start-ups hatte viele prominente Redner für Manager macht Furore. eingeladen. Entsprechend groß war der Andrang. 44 „Was soll das Sales-Funnel-Geschwätz?“ Webseite war gestern. Heute ist Funnel – mit solchen Botschaften versuchen aktuell Online-Marketingberater sogenannte „Sales Funnels“ als innovative Zaubermittel zu vermarkten. 46 Wenn Trainer „Bullshit“ erzählen Ob Trainer oder Speaker, sie alle nutzen gern eindrucksvolle und verblüffende Geschichten, um ihre Botschaft zu untermauern. Doch viele dieser Geschichten sind schlicht Bullshit. messen und kongresse 50 Gründermesse „Bits & Pretzels“ Barack Obama war Stargast beim diesjährigen Gründerfestival „Bits & Pretzels“ in München. Außerdem feierte sich die Start-up-Szene selbst. 54 ICF-Coachingtag mit „Prism-Award“-Verleihung In diesem Jahr findet der ICF-Coachingtag vom 15. bis 16. November 2019 in München statt. Das Thema „Agile Leadership in einer digitalen Welt“ bildet das Leitmotiv des Kongresses. 56 Das wird ein schöner Monat für ... Unser personalisierter Veranstaltungskalender 58 2.500 E-Learning-Experten erwartet Die internationale Konferenz „Online Educa“ für digitales Lernen wird vom 27. bis 29. November 2019 in Berlin veranstaltet. Rubriken 03 editorial 60 fachliteratur 59 vorschau 64 kolumne 59 impressum 66 zitate wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 5
blickfang WER Das Foto zeigt den Amerikaner WAS Seine jahrelange Erfahrung als WAS NOCH Vom 3. bis 6. Oktober Gary Joplin (Bildmitte). Seit 2000 tritt der Yoga-, Meditations- und Tanzlehrer gibt eröffnete Joplin den Kongress „Wirtschaft Balletttänzer mit dem Tanztheater Basel, Joplin in Workshops zum Thema „Körperbe- und Spiritualität“ in Freiburg morgens dem Ballett des Nationaltheaters Mann- wusstsein“ weiter. Ein eigenes „Celebrate jeweils mit einem „Body-Mind-Awakening“ heim und dem Tanztheater Freiburg auf. Life Festival“ war sehr erfolgreich. für alle Teilnehmer. Foto: Martin Pichler. So geht Kongresseröffnung. Der Kongress „Wirtschaft und Spiritualität“ startete mit Kleingruppen, die jeweils eine bestimmte Meditationsform ausprobierten (zum Beispiel „Klangreise“ oder „Business-Yoga“). Anschließend trafen sich alle rund 200 Teil- nehmer im größten Saal zum gemeinsamen „Body-Mind-Awakening“ mit Gary Joplin. Im Mittelpunkt standen dabei angeleitete Einzel- und Partnerübungen, die den Körper in Schwung bringen sollten. Durch fließende Bewegungen sollte der eigene Körper intensiv erfahren und achtsam erforscht werden, um seine Bedürfnisse in der kon- kreten Kongresssituation besser kennenzulernen. „Körper und Welt allein und in einer Gruppe bewusster wahrnehmen“, das hatten sich viele Teilnehmer im Vorfeld gewünscht. Das Ganze wurde nur noch von den meditativen Live-Konzerten am Abend übertroffen. 6 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
aktuell WUPPERTALER KREIS Betriebliche Weiterbildung braucht keine Regulierung! Der „Wuppertaler Kreis“ kri Transparenz formuliert, um fordert dazu auf, die Eigenver Aufgabe. Ein funktionierender tisiert, in der politischen Dis den Beschäftigten das gesamte antwortung der Unternehmen Wettbewerb sichere die Quali kussion werde zu Unrecht die Spektrum der Weiterbildungs zu stärken und nicht durch Bü tät in der Weiterbildung. These vertreten, dass mittel möglichkeiten zu präsentie rokratie und Überregulierung Es bestehe überhaupt kein An ständische Unternehmen ihren ren und gleichzeitig das Be zu belasten. Das Angebot an lass, an der Qualität der Wei Beschäftigten keine adäquate dürfnis der Bildungspolitiker Weiterbildungsdienstleistungen terbildungsdienstleistungen für Weiterbildung zukommen lie nach mehr Strukturierung und sei darauf angelegt, die Bedarfe die Unternehmen zu zweifeln. ßen. Analysierbarkeit des Weiterbil der Unternehmen und der sich Betriebliche Weiterbildung in Die Vielfalt der Bildungs dungsangebots zu erfüllen. Der eigenverantwortlich weiterbil kleinen und mittleren Unter angebote werde zusätzlich als Wuppertaler Kreis als Verband denden Personen zu erfüllen. nehmen folge eigenen Prin intransparenter „Flickentep der führenden Weiterbildungs Der bestehende funktionie zipien und sei nicht defizitär. pich“ abgewertet, der den Zu dienstleister der Wirtschaft rende und überwiegend von Es sei außerdem nachgewiesen, gang zu einer Weiterbildung sieht diese Überlegungen in mittelständischen Bildungs dass das „Lernen am Arbeits erschwere. Daraus werde ein Bezug auf die betriebliche Wei unternehmen geprägte Wei platz“ einen nachhaltig guten Bedarf an einer bundesweiten terbildung mit großer Sorge. Er terbildungsmarkt erfülle diese Lernerfolg sichere. WETTBEWERBSFÄHIGKEIT BUCHMESSE 2019 Ist Deutschland Endlich wieder mehr Buchkäufer träge geworden? Zukunft. Es gibt tatsächlich wieder eine Deutschland hat sich zu lange Rückbesinnung auf das gedruckte Buch“, auf seinen Erfolgen ausgeruht. erklärte ein Branchenvertreter. Es fehlen Investitionen an der Die Buchkette „Thalia“ aus Hagen, mit richtigen Stelle. Im Ranking 6.000 Mitarbeitern und 370 Filialen der der Staaten mit der „höchsten größte deutsche Buchhändler, feierte auf Wettbewerbsfähigkeit“ rutscht der Buchmesse das erfolgreichste Jahr in Deutschland auf Platz sieben der Unternehmensgeschichte. Thalia habe ab. Nicht nur Singapur und die seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2018/19 USA stehen besser da, auch Foto: Thalia um sechs Prozent auf „über eine Milliarde Hongkong, die Niederlande, Euro“ gesteigert. Genauere Zahlen wurden die Schweiz und Japan haben Buchmarkt. Die Buchkette Thalia wächst in nicht bekanntgegeben. Im Internet sei das Deutschland überholt. Das diesem Jahr und plant neue Filialen. Geschäft um fünf Prozent gewachsen. „Wir steht im neuesten „Bericht des glauben an den stationären Buchhandel“, Weltwirtschaftsforums“. Auch Auf der diesjährigen Buchmesse gaben betonte Thalia. Die Zahl der Filialen soll auf in der ebenfalls viel beachteten sich die deutschen Verlage optimistisch. 400 erhöht werden und ein neues Partner- Untersuchung der Schweizer Gesprochen wurde von einer „kleinen schaftsmodell soll zu noch mehr Geschäft Wirtschaftshochschule IMD Renaissance“, die jetzt zu beobachten sei. beitragen, denn kleinere Buchhändler wür- fällt Deutschland in puncto „Wir blicken mit großem Optimismus in die den ab sofort in ein „Netzwerk“ integriert. Wettbewerbsfähigkeit interna tional zurück. 8 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
UNIVERSITÄT SAARBRÜCKEN Professor Christian Scholz ist tot Kurz und Knapp Nach kurzer, schwerer Krankheit ist Prof. Schaffenswerk: Er verfasste 31 Bücher, 678 BDU-Beratertag. Digitale Instru- Dr. Christian Scholz am 4. Oktober 2019 Artikel, 49 Lexikonbeiträge, 165 Arbeits- mente helfen Beratern dabei, das im Alter von 66 Jahren verstorben. Der papiere und 147 Rezensionen, machte sehr eigene Consultingunternehmen Saarbrücker Hochschullehrer gehörte zu früh Fernsehen an der Hochschule (Scholz- zukunftsorientiert weiterzuentwi- den Meinungsführern in der Personalwirt TV) und suchte auch den Kontakt zu den ckeln. Der diesjährige DBU-Bera- schaft. Er prägte mit Begriffen wie „virtu Medien. Auf seiner Homepage listet er 640 tertag, der am 15. November 2019 elle Personalabteilung“, „Darwiportunis Interviews auf. Das „Personalmagazin“ hat in Frankfurt am Main stattfindet, mus“, „Spieler ohne Stammplatzgarantie“ ihn sechsmal zu den 40 führenden HR-Köp bietet fachliche Impulse und Denk- oder „Generation Z“ die großen Debatten fen gezählt. anstöße sowie eine Plattform für der Personaler und beeinflusste die Gestal den unternehmensübergreifenden tung der Arbeitswelt. Erfahrungsaustausch von Consul- Der Vordenker war von 2001 bis 2007 tants. Vorstandsmitglied der Deutschen Gesell schaft für Personalführung (DGFP). Sein Personalmesse in München. Kampf gegen die Bologna-Reform, den er Vom 5. bis 6. November 2019 ist als Hochschuldekan führte, war zu seinem es wieder so weit: Die „Personal- großen Bedauern leider nicht von Erfolg messe München“ geht jetzt in die gekrönt. Bis zuletzt sah er sich in seiner nächste Runde! Neue Lösungen kritischen Haltung bestätigt – insbesondere und Produkte aus dem gesamten da viele Unternehmen immer häufiger über HR- und PE/OE-Bereich werden Foto: Haufe die unzureichende Reife der Bachelorabsol vorgestellt. Erwartet werden nach venten klagten, was einer seiner grundle derzeitigem Stand 40 Referenten genden Kritikpunkte an „Bologna“ war. Christian Scholz. Der Professor verstarb im und 80 Aussteller. Von seinem öffentlichen Einfluss zeugt sein Oktober im Alter von 66 Jahren. Hörgewohnheiten. Hörbücher und Podcasts haben ihren festen Platz im Alltag von Millionen Men- CORPORATE LEARNING CAMP 2019 schen in Deutschland gefunden. Insgesamt hat ein Drittel der Men- Wie jeder von jedem lernen kann schen über 14 Jahren in Deutsch- land in den vergangenen zwölf „Lernen braucht Netzwerke“, klärte: „In Netzwerken ist jeder ankam, zeigte sich unter ande Monaten Hörbücher, Hörspiele dieses Motto gaben die Veran mal Lehrender und mal Ler rem daran, dass die 200 vorge oder Podcasts genutzt. Bei den stalter dem 10. Corporate Lear nender. Nur in diesem Wech sehenen Plätze innerhalb von unter 40-Jährigen hört sogar die ning Camp (CLC), das am 12. selspiel kann die Masse an 28 Stunden ausgebucht waren. Hälfte. Das belegt der Audible Hör- und 13. September 2019 in Ko Informationsquellen bewältigt Wie bei jedem Barcamp gab es kompass 2019. Knapp acht Milli- blenz stattfand. Karlheinz Pape, werden.“ Dass das Thema bei kein offizielles Programm mit onen Menschen hören täglich und der Spiritus Rektor des CLC, er den Personalentwicklern gut Keynote Speakern, sondern nur damit annähernd doppelt so viele zehn freie Räume, die selbst wie noch im Vorjahr. organisiert zum gegenseitigen Gedankenaustausch mit Mode Auch das noch. Die Anzeichen rator genutzt wurden. Die an einer Krise mehren sich. Jetzt wesenden Personalentwickler erklärte die Trumpf-Chefin Nicola suchten nach Wegen, möglichst Leibinger-Kammüller in der FAZ, vielen Beschäftigten in ihren dass in der Maschinenbaubran- Unternehmen das „informelle che gerade rund 25 Prozent der Lernen“ beizubringen und die Aufträge weggebrochen seien (bei Selbstlernkompetenz zu erhö Trumpf nur zehn Prozent). „Wir spa- hen. Die Verbreitung der Office- ren richtig viel“, so Leibinger-Kam- Foto: Pichler Karlheinz Pape (links). Er 365-Anwendungen helfe dabei, müller. Ihren Arbeitern versprach moderiert die Sessionplanung. Wissen zu teilen und sich zu sie: „Es wird keiner entlassen – vernetzen. außer es kommt ganz krass.“ wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 9
aktuell SCHLAFTIPPS VOM ARZT „Weniger als sechs Stunden Schlaf kann Folgen haben“ Der gesunde Schlaf der Mitarbeiter ist eine ist. „Von sich zu behaupten, der Job sei der Führungsaufgabe. „Schläft man fünf Jahre einzige Lebensinhalt und es würde einem oder länger dauerhaft schlecht, so steigt reichen, nachts um zwölf oder ein Uhr ins das Risiko, an Herz-Kreislauf-Krankheiten Bett zu gehen, um gegen halb sechs schon wie Bluthochdruck, Diabetes oder sogar wieder aufzustehen, das ist aus schlafme auch Krebserkrankungen zu erkranken“, dizinischer Sicht völliger Nonsens“, sagte betonte Dr. Ingo Fietze in einem Interview Fietze. Führungskräfte müssten selbst mit „Wirtschaftswoche online“ am 18. Sep darauf achten, wenn sie Veranstaltungen tember 2019. Fietze ist Schlafforscher und ansetzten oder besuchten, dass diese um Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizi 22.00 Uhr zu Ende seien oder wenn es nischen Zentrums an der Berliner Charité. mal länger dauere, auch den Mut, haben Demnächst erscheint sein Buch „Deutsch sich früher zu verabschieden. Alle 90 bis land schläft schlecht. Wie Schlafmangel 100 Minuten und zusätzlich alle 4 Stunden uns alle krank macht und was Sie dagegen gebe es Zeitfenster von knapp einer halben tun können“. Die Charité berät Unterneh Stunde, in denen man mühelos einschlafen men zum Beispiel, wie sie Pausen organi könne. Wer das früh erkenne und diese sieren und gestalten sollten, um auf jeden Gelegenheit für ein Nickerchen nutze, der Schlaftyp Rücksicht nehmen zu können. wache frisch und mit neuer Energie auf. Die Themen Stressbewältigung, Grund „Ein kurzes Schläfchen reicht, um für die struktur des Schlafs, innere Uhren und nächsten drei bis vier Stunden Konzentra Schlaf-Wach-Regulation besprechen Ärzte tions- und Leistungsfähigkeit zu tanken“, in den Personalabteilungen in Form von so Fietze. Er empfiehlt, sich ein persön Seminaren. Führungskräfte sollten als Vor liches Einschlafritual anzueignen (Atemü bilder bewusst vorleben, wie wichtig Schlaf bungen oder Entspannungstechniken). FAMILIENAUFSTELLUNG Bert Hellinger im Alter von 93 Jahren gestorben Der Begründer der Familien Regel etwas „Verborgenes“ ans ten. Die „Systemische Gesell aufstellung, Bert Hellinger, ist Licht – zum Beispiel die psy schaft“ kritisierte insbesondere am 19. September in seinem chologischen Verstrickungen den Einsatz potenziell demü Privathaus in Bischofswiesen einer ganzen Familie. Hellin tigender Interventionen und bei Berchtesgaden gestorben. gers Ansatz gilt als wissen Unterwerfungsrituale und die Hellinger war eine der umstrit schaftlich nicht belegt und als Vorstellung Hellingers, eine tensten Personen der deutschen mit erheblichen Risiken für die „objektive“ Wahrheit erkennen Therapeutenszene. Klienten verbunden, da ein „ri zu können, die sich ihm bei Bei der Familienaufstellung goroses Deutungsinstrument“ einer Aufstellung offenbare. nach Hellinger werden von zum Einsatz komme. Fritz B. Simon, der Pionier der einem Klienten zufällig an Hellingers Bild von der Fami systemischen Organisationsbe wesende Seminarteilnehmer lie wird als traditionell hierar ratung, warf Hellinger in der scheinenden Norm folgend stellvertretend für seine Famili chisch und patriarchal einge „Wirtschaft + Weiterbildung“ tun müssten. Simon betonte: enmitglieder räumlich so ange stuft. Gegenüber den Klienten (Heft 6/2017) vor, er trete nicht „Bei meiner Kritik geht es um ordnet, dass die „Beziehungen“ und bei der Interpretation der nur extrem autoritär auf, son Grundwerte von Konstrukti der Familienmitglieder, so wie Bilder, die sich bei einer Auf dern verkünde auch noch ver vismus und Systemtheorie, die der Klient sie erlebt, deutlich stellung ergaben, sei er oft meintliche Wahrheiten und gerade nicht normativ sind und werden. Laut Hellinger bringen respektlos gewesen und als sage seinen Klienten, was keinem zubilligen, willkürlich Familienaufstellungen in der allwissender Guru aufgetre sie einer „gottgewollt“ er Wahrheiten zu verkünden.“ 10 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
COMTEAM FÜHRUNGSKRÄFTESTUDIE Auch Manager wollen in Teams lernen Der Trainings- und Beratungs der Freizeit gezielt weiterbil anbieter Comteam AG hat aktu den. ell 700 Manager befragt und auf • Führungskräfte wollen im dieser Basis seine regelmäßig Team lernen, doch digitale erscheinende „Führungskräfte Lernwelten sind dafür mo studie“ veröffentlicht. Zentrale mentan nicht geeignet. Ergebnisse der Studie sind: • Die Hälfte der befragten Füh • Deutsche Unternehmen füh rungskräfte hält eine Kultur len sich noch nicht fit für die arbeit im digitalen Wandel Digitalisierung: Nur knapp nicht für wichtig. Aber: Die ein Drittel der Führungs andere Hälfte sieht beglei kräfte sieht ihr Unternehmen tende Kulturarbeit als ent technisch, kulturell und or scheidenden Erfolgsfaktor ganisatorisch gut aufgestellt. für digitalen Wandel. • Die Sorge der Trainer vor Das Comteam forderte bei der dem Aussterben von Prä Vorstellung der Studie (com senzveranstaltungen ist un teamgroup.com/de/services/ begründet. E-Learning wird comteam-studien/comteam- Seminare und Konferenzen studie-2019-digitale-lernwel- nicht ersetzen, sondern er ten) dazu auf, bei der Digitali gänzen. sierung neben den technischen • Lebenslanges Lernen wird Komponenten auch kulturelle immer wichtiger: Aus Sicht und organisatorische Aspekte der Führungskräfte werden mitzudenken. Hier bestehe in sich Arbeitnehmer künftig deutschen Unternehmen Nach mehr und intensiver auch in holbedarf. INTEM TRAINERTEST „Welcher Trainertyp sind Sie?“ Auf der Homepage des Instituts „Intem“ kön nen User mithilfe eines Tests kostenlos feststel len, welcher Trainertyp sie sind (www.intem. de/trainertest/). „Mit dem Test geben wir Menschen eine Ent scheidungshilfe an die Hand“, erläutert Insti tutsleiter Helmut Seßler. Durch die Beantwor tung von 17 Fragen lässt sich analysieren, ob es für einen Interessenten zielführend ist, als selbstständiger oder firmeninterner Trainer zu arbeiten. Auch die Fähigkeit zum Speaker wird reflektiert. In den Kurztest ist die 30-jährige Erfahrung des Instituts als Player auf dem Trai nings- und Weiterbildungsmarkt eingeflossen. Wer durch den Test eine erste Einschätzung seiner Eignung festgestellt hat, kann sich auf Infotagen in mehreren deutschen Städten über die Modalitäten der Verkaufstrainerausbildung bei Intem informieren. wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 11
aktuell Bernhard Kuntz Gastkommentar Hurra, die Krise ist da!? Seit einigen Monaten spürt man, dass viele Berater nehmenssicht „Nice to have“ sind) als „Krise“ erle- und Trainer sowie Coachs und Speaker zunehmend ben. Dies schlägt sich auch in den Themen nieder, nervös werden. Sie klagen zum Beispiel darüber, zu denen die Berater von PR-Unterstützern wie uns dass ihre Unternehmerkunden (B2B) immer zöger- gerne Artikel in den Print- und Onlinemedien plat- licher und zurückhaltender mit der Vergabe von ziert hätten. Forderte vor drei, vier Monaten noch Aufträgen würden – unter anderem aufgrund des alle Welt Artikel zu Themenkomplexen wie „Agilität“, Dauerbrenners Brexit sowie der von Donald Trump „Digitale Transformation“ und „New Work“, so sollen angezettelten Handelskonflikte und auch der politi- nun alle Experten Artikel schreiben zu Themen wie „ schen Konflikte. „Krisenmanagement“, „Turnaround“, „Prozessopti- mierung“ und „Preise verteidigen“. Selbst Klassiker wie Business Reengineering Ist die Krise wirklich für jeden eine Chance? „ sind plötzlich wieder gefragt. Und lautete vor drei, vier Monaten noch der Tenor der meisten Artikel „die Führung …“, „die Kul- Größere Projektaufträge würden die großen Unter- tur …“, „der Mindset muss sich ändern“, so lautet nehmen fast nicht mehr vergeben, da selbst die nun der Grundtenor „Die Krise als Chance erkennen Unternehmensführer oft nicht wüssten, wohin mit- und nutzen“. tel- und langfristig technologisch, wirtschaftlich und Für PR-Agenturen wie uns, denen ihre Stammkun- gesellschaftlich die Reise gehe. den schon seit mehr als 10 Jahren die Treue halten, Deshalb erhalten jetzt Marketingexperten auch ver- ist es recht einfach, kurzfristig solche Artikel zu mehrt Anfragen von Beratern, denen sprichwörtlich schreiben und in Zeitschriften zu platzieren. Hierfür der Kittel brennt – weil absehbar ist: In drei, vier müssen sie nur in ihren Archiven nachschauen, wel- Monaten sind ihre Auftragsbücher (fast) leer. Also che Artikel sie 2008 nach Ausbruch der Finanzkrise fällt ihnen plötzlich wieder ein „Da gibt es doch so für ihre Kunden verfasst haben und die passenden eine Disziplin, die Marketing heißt“ – zumal ohnehin Manuskripte etwas aktualisieren. Danach können der Monat Oktober angebrochen ist, von dem viele sie diese erneut Medien zum Veröffentlichen anbie- Berater noch glauben „in ihm machen die Unterneh- ten. men ihre Budgets fürs Folgejahr“. Weshalb sie in Das tun auch wir. Die einzige Frage, auf die wir und diesem Monat Jahr für Jahr in eine operative Hektik unsere B2B-Kunden in unseren „Krise-als-Chance- verfallen. Artikeln“ noch immer keine überzeugende Antwort Zweifellos stecken einige Branchen – wie zum gefunden haben, ist: Wie vermittelt man den Beispiel die Automobil- oder Finanzbranche – in Frauen und Männern, die bei den „krisenbedingten“ Deutschland zurzeit in einer (Dauer-)Krise. Doch ob Umstrukturierungsmaßnahmen nicht zu den „Survi- die deutsche Wirtschaft in einer Krise steckt, offen vors“ zählen, sondern entlassen werden, glaubhaft, gesagt, ich weiß es nicht. Eher scheint es mir ein dass die Krise für sie eine Chance ist? Doch dafür Umstrukturierungsprozess zu sein, der als Krise sind ja auch nicht die B2B-Berater zuständig, darum empfunden wird und den gewisse Beratergruppen kümmern sich nach der Entlassung Berufs- und Kar- (insbesondere solche, deren Leistungen aus Unter- riere- sowie Lebensberater – also B2C-Berater. Bernhard Kuntz ist der Gründer und Inhaber der Agentur „Die Profilberater GmbH“, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unter- stützt. Er ist Autor unter anderem der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“. www.die-profilberater.de 12 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
FÜHRUNG Warum ein „Karrierezug“ oft entgleisen muss Elf Faktoren, warum Führungs • passiv Widerstand leistend. kräfte beruflich scheitern, Solch eine Führungskraft ist hat die Beratungsgesellschaft zwar höflich und sozial kom Hogan Assessments jetzt auf petent, aber auch wenig pro grund aktueller Forschungs duktiv und sucht Auswege, daten veröffentlicht. Das Unter um Verantwortlichkeiten zu nehmen wurde 1997 von den vermeiden. Psychologen Robert und Joyce • anmaßend und weigert sich, Hogan gegründet. Ihr Spezial seine Fehler und Misserfolge gebiet war es von Anfang an, zuzugeben oder die Verant jene kritischen Eigenschaf wortung dafür zu überneh ten zu identifizieren, die bei men. Die Schuld wird immer „fachlich sehr kompetenten“ nur bei den Mitarbeitern lie Führungskräften trotzdem fast gen. zwangsläufig zu einer Entlas • draufgängerisch und sehr ri sung führen. Folgende elf Per sikobereit. In Bezug auf seine sönlichkeitsdimensionen sind Mitarbeiter fehlt es dem Ma kritisch. Ein Manager ist zu … nager an Rücksichtnahme. • sprunghaft und neigt dazu, • buntschillernd und steht seine Frustrationen in Form gerne im Mittelpunkt. Mitar von öffentlichen Wutaus beiter halten diese Führungs brüchen auszudrücken. Mit kraft häufig für chaotisch, arbeiter müssen ständig auf unberechenbar und schlecht der Hut sein. organisiert. • skeptisch und glaubt, dass • phantasiereich und verlangt andere ihm in den Rücken nach hochinnovativen Lö fallen werden, sobald sich sungen. Mitarbeiter empfin die Gelegenheit bietet. Ent den Chef als unkonzentriert scheidungen werden in ge und umständlich in seinen heimen Meetings getroffen. Handlungen und Entschei • vorsichtig, weil er ständig dungen. Angst hat, einen Fehler zu • pedantisch und unfähig zu machen. Entscheidungen delegieren. Infolgedessen bleiben aus. neigt der Chef dazu, die mei • distanziert und glaubt, dass sten Aufgaben selbst zu erle erstklassige Arbeit nur in völ digen und die Mitarbeiter bis liger Einsamkeit, bei absolu ins kleinste Detail zu kontrol ter Konzentration geleistet lieren. werden kann. Die Mitarbei • dienstbeflissen und es fehlt ter halten solche Chefs für an Initiative. Solche Chefs kalt und wenig hilfs wollen keine Verantwor bereit. tung übernehmen. Foto: harmpeti / AdobeStock wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 13
Wolfgang Grupp. Der Inhaber menschen und Geschäftsführer von „Trigema“ wurde auch dadurch bekannt, dass er in der TV- Werbung zusammen mit einem „sprechenden“ Affen auftrat. „Ich muss täglich bereit sein, neue Dinge zu machen“ INTERVIEW. Seit genau 50 Jahren ist der populäre Wolfgang Grupp (77) Alleininhaber der Firma „Trigema“, einem Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung mit Sitz im Foto: Sabina Paries / Berlien - Paries schwäbischen Burladingen. Grupp gehört zu den bekanntesten Unternehmern Deutschlands. Im Interview mit „Wirtschaft + Weiterbildung“ bezeichnet er einen innovativen Vorwärtsdrang ohne Gier und Größenwahn als wichtigsten Erfolgsfaktor seines Unternehmens. Selbst die Chefs von DAX-Konzernen haben heute einen Haben Sie Zeit zu lesen? Business Coach. Haben Sie einen Coach? Grupp: Ich lese beim Frühstück die Tageszeitung. Ansonsten ist Wolfgang Grupp: Nein. mein Tag mit meinen Aufgaben in der Firma Trigema vollkom- men ausgefüllt. Sie haben nie einen externen Business Coach hinzugezogen, um getroffene Entscheidungen zu reflektieren und künftige Gibt es Personen, von denen Sie geprägt oder beeinflusst Entscheidungen vorzubereiten? wurden? Grupp: Brauche ich nicht. Ich war in der Schule. Ich habe stu- Grupp: Mein Großvater war mein großes Vorbild! Er wurde von diert. Und wenn das nicht ausreicht, nützt auch ein Coach seinen Mitarbeitern geschätzt. Sie gingen für ihn durch dick nichts! und dünn! Sie haben auch keinen Berater? Interessieren Sie sich für Biografien von Führungspersonen? Grupp: Nein. Mir kommt kein Unternehmensberater ins Haus. Grupp: Ich schau mir im ZDF-Infokanal die Reihe über Unter- Angenommen, ein Unternehmensberater sagt mir auf Anhieb: nehmerpersönlichkeiten gerne an. „Das müssen Sie ändern“, dann muss ich meinen Platz räu- men. Wenn einer ohne weitere Einblicke zu haben etwas sieht, Was war der wichtigste Rat, den Sie beruflich bekommen was ich nicht erkenne, bin ich fehl am Platz. haben? Grupp: Ich wurde von meinen Eltern so erzogen, dass ich Sie hätten dann tatsächlich vor, gleich von heute auf morgen wusste, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Ihren Platz zu räumen? Grupp: Und weil ich den Platz nicht räumen will, lass ich den Und was ist Ihr wichtigster Rat, den Sie ihren Kinder mit auf Berater auch nicht kommen (lacht). Aber im Ernst: Das Bera- den Weg geben? tergewerbe floriert, damit wird sehr viel Geld verdient. Aber Grupp: Meine Kinder müssen sich Ihrer Verantwortung be- bewirken diese Berater etwas? Bei den Kaufhauskönigen wur- wusst sein. Sie dürfen sich nicht von Größenwahn und Gier den Millionen für Berater ausgegeben – untergegangen sind sie leiten lassen. Sie müssen konstant entscheiden, aber auch die trotzdem! Größe haben, eine Entscheidung von gestern, wenn sie neue 14 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Erkenntnisse haben, zu korrigieren. Wenn eines meiner Kinder auch von den Kindern unserer Mitarbeiter eine entsprechende zu mir käme und sagen würde, es hätte ein großes Problem, Leistung verlangen und ich bin sicher, dass die Eltern auch müsste ich ihm sagen, dass es selbst schuld sei, denn jedes dafür sorgen, dass die Kinder sie nicht blamieren. große Problem war klein und wenn man es löst solange es klein ist, hat man kein großes. Wie locken Sie junge IT-Leute nach Burladingen? Grupp: Weil Trigema einen gewissen Ruf hat, bekommen wir Wie wichtig ist es für Sie, etwas Neues zu lernen? natürlich auch im IT-Bereich eher jemanden. Sie kommen Grupp: Ich muss täglich bereit sein, neue Dinge, die auf mich allerdings meistens aus unserer Region. Es ist eben nicht so, zukommen, anzupacken. Ich muss also konstant den Wandel dass junge Leute es nur auf das Geld abgesehen haben, son- der Zeit rechtzeitig erkennen und damit neue Entwicklungen dern es geht auch um Anerkennung, Zufriedenheit und vor einleiten! allem um ein betriebliches Zuhause. Wie schaffen Sie es, gut ausgebildete Fachkräfte auf die Wie bilden Sie Ihre Mitarbeiter weiter? Schwäbische Alb zu holen? Grupp: Ein Beispiel: Die Leiterin unserer Buchhaltung hat vor Grupp: Ich muss wissen, dass die gut ausgebildeten Leute einem Jahr diese Position übernommen, nachdem unser Fi- ihr Leben nicht in Burladingen fristen wollen! Deshalb stand nanzchef nach 19 Jahren Zugehörigkeit aus dem Unternehmen schon immer die Ausbildung bei uns an erster Stelle. Die jun- ausgeschieden ist. Sie war natürlich schon seit ihrer Lehre in gen Leute kommen mit 15 oder mit 16 Jahren oder mit Mittle- der Finanzbuchhaltung und hat jetzt einen Finanzkurs belegt rer Reife oder Abitur zu uns. Wir müssen ihre Stärken erken- um sich so entsprechend weiterzubilden. nen und sie in ihren Stärken weiterbilden. Deshalb sind alle unsere leitenden Leute ehemalige Lehrlinge gewesen. Wie haben Sie grundsätzlich die Aus- und Weiterbildung in ihrem Unternehmen organisiert? Sie garantieren Kindern von Mitarbeitern sogar einen Grupp: Dafür ist meine Tochter zuständig. Sie kommt zu mir Arbeitsplatz ... und sagt, wen sie unter den Auszubildenden für geeignet hält. Grupp: Ja. Wenn sie direkt nach der Schule zu uns kommen Und die einzelnen Abteilungsleiter wissen, wem sie in ihrer wollen, garantiere ich ihnen den Arbeitsplatz. Damit kann ich Abteilung Verantwortung übertragen können. R wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 15
menschen Unter den Flüchtlingen, heißt es, sind Sie auf tolle Näher So haben wir schon immer nach dem Prinzip „Grüner Knopf“ gestoßen. produziert und wurden somit als erstes Unternehmen zertifi- Grupp: Fast alle Flüchtlinge haben ja in ihrer Heimat als Näher ziert! Wir setzen auf permanente Qualitätsverbesserung. Dafür gearbeitet. Sie bringen sehr schnell 100 Prozent und mehr. bezahlt der Verbraucher auch gerne einen höheren Preis! Generell sind unsere Flüchtlinge sehr gute Mitarbeiter in der Konfektion. „Cradle to Cradle“ (Wiege zu Wiege) ist der Name für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. Das Sie nehmen quasi jeden, der nähen kann? Prinzip wurde Ende der 1990er-Jahre von dem deutschen Grupp: Nachdem in Deutschland die jungen Leute immer mehr Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Abitur machen wollen, kommen sie selbstverständlich da- Architekten William McDonough entworfen. Sie haben die nach nicht zu uns an die Nähmaschinen. Somit wird jeder, der deutsche Textilbranche sehr erstaunt, weil sie schon früh mit nähen will, angelernt. Er muss allerdings gewisse Fähigkeiten Braungart zusammenarbeiteten ... dafür mitbringen. Grupp: Im Jahr 2004 rief mich Professor Dr. Michael Braun- gart an, weil er erfahren hatte, dass die Firma Trigema zu 100 Bieten Sie Flüchtlingen auch Sprachkurse an? Prozent alles in Deutschland fertigt - von der Stoffherstellung Grupp: Ja. Wir tun das nicht den Flüchtlingen zuliebe, sondern über die Ausrüstung (also die Färberei/Bleicherei), die Vered- dem Unternehmen zuliebe. Je schneller wir uns verständigen lung (also die Stickerei/Druckerei) und die Konfektion. Somit können, desto besser. Wir bezahlen die Kurse. Der Teilnehmer konnte Braungart seine Idee der Kreislaufwirtschaft bei uns muss 20 Euro beisteuern. Als kleine Motivationshilfe. Was um- am einfachsten umsetzen, weil wir alle Produktionsstufen in sonst ist, ist nichts wert. Meine Tochter hatte die Idee zu einer einem Hause hatten. Kooperation mit der Volkshochschule. Schon im Jahr 2006 sprachen Sie vor dem Forum Deutscher Unternehmertum kann man nicht lernen, heißt es im Katholiken in Fulda für ein „bedarfsgedecktes Wirtschaften“ Mittelstand. Was macht für Sie Unternehmertum aus? aus. Was steckte dahinter? Grupp: Entscheidungsfreudigkeit, logisches Denken und vor Grupp: Damals wie heute appelliere ich an unsere Vernunft! allem konsequentes Handeln. Wir dürfen in einem Hochlohnland keine Massenprodukte her- stellen, sondern müssen ausschließlich innovative Produkte Vor 50 Jahren haben sie Trigema übernommen. Wie sieht produzieren. Unternehmertun bei Ihnen in der Praxis aus? Grupp: Ich muss mit offen Augen und Ohren durch die Welt Ich frage mich, ob Sie sich eigentlich in „unserem gehen! Als ich anfing, haben wir nur Unterwäsche gefertigt. Wirtschaftssystem“, das Wachstum über alles setzt, Als mich eines Tages ein Kunde anrief und fragte, ob wir auch überhaupt noch zu Hause fühlen? T-Shirt fertigen würden, sagte ich nicht nein, sondern habe ihn Grupp: Wir dürfen in einem Hochlohnland Wachstum nicht gebeten, mir einmal einige Muster zuzusenden. So erkannte in der Steigerung der Stückzahlen, sondern in der Steigerung ich, dass sich das Unterhemd nunmehr auch zum Oberhemd der Wertigkeit der Produkte sehen. Wenn wir immer mehr entwickelt hatte und fertigte ab sofort auch T-Shirts. Jetzt - nach 50 Jahre - leben wir in einer Gesellschaft, die alles hat und mit allem versorgt ist. Sie reagierten auf diesen Umstand mit dem Ansatz vom „bedarfsgedeckten Wirtschaften“ und sind so zum Vorreiter und auch zum Vorbild für viele Manager geworden ... Grupp: Der Bedarf an Kleidung ist gedeckt! Die Kleiderschränke sind überall voll, deshalb ist die Textilbranche bei jeder Kon- junkturschwankung sehr anfällig! Wenn der Verbraucher das Einkommen nicht mehr hat, dann spart er als erstes an Klei- dung. Ich muss wissen, dass man unser Produkt, wenn man nicht mehr genügend Einkommen hat, als erstes nicht mehr kauft. Was machen Sie als Textilunternehmer unter diesen Foto: Trigema Bedingungen anders? Grupp: Ich lebe von Flexibilität und Qualität. Das heißt, ich fahre Produkte zurück, die der Kollege in China auch macht, aber billiger. Oder ich gebe diese Produkte auf. Stattdessen Trigema. Das Unternehmen (über 1.200 Mitarbeiter und über setze ich auf innovative Produkte. So verstehe ich Wachstum. 100 Millionen Euro Jahresumsatz) hat seinen Sitz in Burladingen. 16 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
produzieren, können wir dies nur über einen billigeren Preis An solch einem Plan kann man sich aber auch sehr leicht absetzen und dies ist in einem Hochlohnland tödlich. Deshalb verheben ... müssen wir innovative Produkte produzieren, die eben das Grupp: Selbstverständlich haben wir nicht wahllos Geschäfte Billiglohnland nicht herstellt und somit heißt Wachstum für eröffnet, sondern wir sind bewusst in Urlaubsorte gegangen mich, dass wir Produkte die das Billiglohnland auch herstellt wo aus allen Städten Deutschlands Urlauber kamen und konn- auch rechtzeitig aufgeben und dafür neue innovative Produkte ten somit mit wenigen Geschäften die Bundesbürger aus allen oben ansetzen. Regionen Deutschlands erreichen. Sie würden auf den Ausbau Ihrer Fertigung verzichten? Und dann erblühte auch noch der Onlinehandel. Hat der Sie Grupp: Wir erweitern seit Jahren unsere Kapazitäten nicht nicht kalt erwischt? mehr, sondern setzen ausschließlich auf Innovation, Qualität Grupp: Im Gegenteil. Der Online-Handel war für uns eine Rie- und Schnelligkeit. Mit Liefermöglichkeiten binnen 48 Stunden senchance! Zunächst konnte ich die Kaufhauskönige durch sind wir unseren Mitbewerbern im billigen Ausland jederzeit unsere Testgeschäfte ersetzen und jetzt konnte ich auch die überlegen. Versandhauskönige durch den Online-Handel ersetzen. Heute verkaufen wir 15 Prozent unserer Produktion bereits über On- In Burladingen, dem Sitz Ihres Unternehmens, gab es einmal line und 50 Prozent über unsere Testgeschäfte. Die restlichen 26 Textilfabriken. Nur Trigema hat überlebt. Sie haben sich 35 Prozent verteilen sich auf Kunden aller Art – wie Industrie erfolgreich einem ruinösen Preisdruck widersetzt. Was haben oder Handel. Sie anders gemacht? Grupp: Die Kaufhaus- und Versandhauskönige wie Karstadt, Anders als viele Unternehmer mischen Sie sich in die Hertie, Horten, Quelle oder Neckermann haben im Prinzip ver- politische Debatte ein. Früher rockten Sie jede Talkshow. sagt und waren verantwortlich für den Niedergang der textilen Wie kam und kommt das eigentlich bei den Produktion in unserem Heimatland. Sie haben den Wandel der Unternehmerkollegen an? Zeit nicht erkannt und meinten durch billigere Preise im Ein- Grupp: Ein bekannter Politiker hat mir mal in Stuttgart gesagt, kauf bestehen zu können. dass er mich bei den Unternehmern im Lande nicht selten ver- Ich musste als Produzent den Mut haben, zu diesen Preisfor- teidigen würde. Ich habe ihm entgegnet, ich weiß, dass ich derungen „Nein“ zu sagen und habe die Kaufhäuser als er- nicht nur lauter Freunde habe! ster verloren und damit war ich gezwungen neue Kunden zu suchen. Meine Kollegen haben „Ja“ gesagt zu den billigeren Hat es Sie je in die Politik gezogen? Preisen – und sind dann mit diesen Kaufhaus- und Versand- Grupp: Sicher nicht. Ich kann nur einem Herren dienen und hauskönigen am Schluss untergegangen. Ich musste mir neue dies ist meine Firma Trigema. Kunden suchen und kam damit zu den SB-Warenhäusern und später zu den Discountern. Hilft Ihnen Ihre Religiosität, ein erfolgreicher Unternehmer zu sein? Sie haben Aldi beliefert!? Grupp: Ich bin katholisch erzogen worden und weiß dadurch Grupp: Aldi war stets ein Top-Kunde! Als aber Aldi nach Jahren auch, dass ich mich in meinem Leben so verhalten muss, dass auf Hausmarken umstellen wollte und gleichzeitig eine starke ich mich jederzeit nach meinem Leben rechtfertigen kann, für Preisreduktion forderte, musste ich erkennen, dass ich in einer das, was ich getan habe. Zudem muss man auch wissen, dass bedarfsgedeckten Wirtschaft auch ein Teil der Handelsfunktion die Bäume nicht in den Himmel wachsen und deshalb sollte in eigene Hände übernehmen muss, um nicht in totale Abhän- man nicht überheblich werden, wenn man auch einmal Erfolg gigkeit der letzten Großkunden zu kommen. hat. Man sollte stets auch ein bisschen Demut zeigen und auch einmal Danke sagen, wenn es einem gut geht. Was bedeutete das für Trigema? Interview: Jo Berlien Grupp: Die Firma Hugo Boss war ein großes Vorbild für mich. Das Factory-Outlet in Metzingen war schon damals sehr be- Buchtipp. Erik Lindner: „Wirtschaft braucht Anstand: Der Un- kannt. Ich musste erkennen, dass ich über den Fabrikverkauf ternehmer Wolfgang Grupp“, Verlag Hoffmann und Campe, ein Teil der Handelsfunktion übernehmen kann und muss. München 2010, 240 Seiten, 20,00 Euro. Für das „Managerma- gazin“ war Grupp ein bekennender Wertkonservativer, für das Mit Ihren Testgeschäften haben Sie dann den Fabrikverkauf „Handelsblatt“ der erfolgreiche Exzentriker unter den Mittel- neu erfunden ... ständlern. Und Harald Schmidt nannte ihn einmal „die nackte Grupp: Ich habe den Fabrikverkauf nicht neu erfunden, son- Kanone unter den deutschen Unternehmern“. Erik Lindner dern ihn nur ausgeweitet und ihn, weil mir der Name Fabrik- beschreibt in seinem Buch ausführlich das Geschäftsmodell verkauf zu simpel war, umbenannt in „Testgeschäfte“. Mit die- von Grupp und zeigt die Erfolgsfaktoren auf. Außerdem porträ- sen Geschäften konnte ich auch sehr schnell erkennen, was tiert er Grupp als Rufer in der Wüste. Grupp fordert schließlich besser oder schlechter lief und danach die Produktion ausrich- Anstand und die Abkehr vom Shareholder-Value-Denken. Ein ten, deshalb auch der Name „Testgeschäft“. lesenswertes Buch über einen Vorzeigeunternehmer. wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 17
titelthema VERHALTENS ÄNDERUNG DURCH ... intrinsische Belohnungen: 18 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Sich und andere ändern PSYCHOLOGIE. Menschen können sich selbst verändern und Chefs können ihre Mitarbeiter verändern – aber nur, wenn bestimmte neurobiologische Grenzen beachtet werden. Viele gewünschte Veränderungen von Mitarbeitern scheitern übrigens an dem mangelhaften Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. 01. 02. 03. Unbändige Freude am Selbstbestätigung erlangen das Gefühl der Verwirklichung Gelingen der eigenen Arbeit durch die eigene Arbeit eigener Fähigkeiten R wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 19
titelthema R „Nur wenn man sich große Mühe gibt, kann man als Erwachsener sein Verhal- ten noch ändern“, sagt der Neurobio- loge Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth. Je tiefer die Veränderung „in die Persönlichkeit hinein“ reiche, desto schwerer werde es und desto sinnvoller sei es, sich von einem gut ausgebildeten Coach helfen zu lassen. Unternehmen, die versuchten, das Ver- halten ihrer Mitarbeiter zum Beispiel Gerhard Roth. Der im Rahmen eines Change-Prozesses zu Neurobiologe warnt verändern, sollten wissen, dass eine Ver- vor dem überholten änderung der Mitarbeiter nur über eine Gen-Determinis- Foto: Pichler Belohnung zu haben sei. „Die Aufgabe mus genauso wie der Führungskräfte ist es dann, auf ihre vor naiver Verände- Mitarbeiter zuzugehen und nach indivi- rungsgläubigkeit. duellen Motivationsknöpfen zu suchen“, so Roth, der bereits im Jahr 2007 ein bahnbrechendes Buch unter dem Titel und Organisationsberatern darüber, wie men haben laut Roth die „epigenetischen „Persönlichkeit, Entscheidung und Ver- sich die neuesten Forschungsergebnisse Kontrollfaktoren“. Das seien Faktoren, die halten: Warum es so schwierig ist, sich der Hirnforschung auf das Business und das Zusammenspiel der Gene – quasi auf und andere zu ändern“ auf den Markt ge- insbesondere das Change Management einer Metaebene – regelten. Einen bislang bracht hat. Die 13. Auflage dieses Buchs, anwenden lassen. viel zu unterschätzten Einfluss auf die die im Februar 2019 herauskam, war be- Roth, der seit 1976 Professor für Ver- Ausbildung einer Persönlichkeit hätten reits im Sommer ausverkauft. Am 26. Ok- haltensphysiologie am Institut für Hirn- dagegen vor- und nachgeburtliche Um- tober 2019 erschien jetzt die vollständig forschung der Universität Bremen ist, welteinflüsse sowie die „vorgeburtlichen überarbeitete 14. Auflage mit dem geän- wandte sich zuerst einmal gegen den hormonalen Einflüsse des Körpers und derten Titel „Warum es so schwierig ist, „veralteten Gen-Determinismus“ und Gehirns der werdenden Mutter“ auf das sich und andere zu ändern: Persönlich- gleichzeitig auch gegen einen naiven Gehirn des ungeborenen Kindes (beson- keit, Entscheidung und Verhalten“. „Veränderungsoptimismus“, der von ders bei starkem Stress). Außerdem gibt einer lebenslangen gleichmäßigen Verän- es laut Biologie noch „nachgeburtlich- Gene wirken sehr unspezifisch derbarkeit des Menschen auch in seinen frühkindliche“ Einflussfaktoren (Bindung tieferen Persönlichkeitsschichten aus- zu den Eltern) und einen gewissen Ein- Wie der Zufall so spielt: Ausgerechnet am gehe. Beides sei wissenschaftlich nicht fluss in der späteren Kindheit. 26. Oktober trat Roth als Keynote Spea- vertretbar. ker auf dem „Institutstag“ des Hephaistos Es habe sich noch nicht überall herum- Temperament angeboren Coaching-Zentrums München (Instituts- gesprochen, dass die Gene in Sachen leiter: Klaus Eidenschink) auf und sprach Psyche und Persönlichkeit zwar einen Roth erklärte: „All diese Faktoren fördern zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen gewissen Einfluss hätten. „Aber die Gene oder hemmen sich auf komplexe Weise der Veränderbarkeit des Menschen aus wirken nur sehr unspezifisch.“ Auf die In- gegenseitig und nehmen teils gleichzeitig neurowissenschaftlicher Sicht“. Anschlie- telligenz hätten zum Beispiel rund 2.000 und teils nacheinander Einfluss auf die ßend diskutierte er mit rund 150 Coachs Gene Einfluss. Deutlich mehr zu bestim- Entwicklung der Persönlichkeit. Die vor- 04. 05. 06. das Gefühl, besser zu sein als die Überzeugung, an einer intrinsische Belohnung muss all die anderen da draußen wichtigen Sache mitzuarbeiten individuell angepasst werden 20 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019
Psyche und Persönlichkeit ist an vier sehr unterschiedliche, aber eng miteinander verbundene „limbische“ Ebenen gekop- pelt. Sie heißen: 1. untere limbische Ebene (… auf der die lebenserhaltenden Systeme angesiedelt sind. Die Ebene definiert aber auch unser Temperament, mit dem wir auf die Welt kommen. Sie legt Persönlichkeitsmerk- male wie Offenheit, Verschlossenheit, Selbstvertrauen, Kreativität, Vertrauen/ Misstrauen, Umgang mit Risiken, Pünkt- lichkeit, Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Buchtipp. Gerhard Roth: Warum es so Verantwortungsbewusstsein fest. Durch schwierig ist, sich und andere zu ändern, Erfahrung oder Erziehung ist diese Ebene Klett-Cotta, Stuttgart im Oktober 2019, kaum zu beeinflussen.) 463 Seiten, 25 Euro 2. mittlere limbische Ebene (die durch die erste Sozialisation im Rahmen der früh- kindlichen Bindungserfahrung charakte- geburtlichen epigenetischen und hormo- risiert ist. Es ist die Ebene unbewusster, nalen Einflüsse sind besonders wichtig, nicht erinnerbarer emotionaler Konditio- denn sie bestimmen denjenigen Grundbe- nierung. Frühkindlich werden elementare standteil der Persönlichkeit, mit dem wir Emotionen wie Furcht, Freude, Glück, auf die Welt kommen – auch Tempera- Ekel … mit individuellen Lebensumstän- ment genannt.“ Dieses Temperament sei den verknüpft.) „angeboren“ im Sinne von „bei Geburt 3. obere limbische Ebene (Ebene des be- vorhanden“. wussten sozialen Lernens. Unsere weitere Ab dem Alter von 12 bis 14 Jahren habe Sozialisation soll uns befähigen, unsere sich eine Persönlichkeit herausgebildet, privaten Interessen mit denen der ande- die sich nur noch in Grenzen verändern ren Gesellschaftsmitglieder in Einklang lasse. Selbst wenn jemand von sich aus zu bringen. Hier werden relevante Per- den Willen (!) habe, sich zu verändern, sönlichkeitsmerkmale festgelegt: Macht- wird das laut Roth nur in sehr begrenz- streben, Dominanz, Empathie, Verfol- tem Maße möglich sein. Menschen hätten gung von Zielen, Kommunikationsbereit- oft leider nur eine geringe Einsicht darin, schaft.) was die Knackpunkte und Engpässe ihrer 4. sprachlich-kognitive Ebene (die uns in Persönlichkeit seien und auf welches kon- die Lage versetzt, detaillierte Kommuni- krete Ziel sie sich hin verändern sollten. kation einschließlich der Selbstdarstel- lung und der Rechtfertigung des eigenen Persönlichkeit an vier Handelns zu betreiben. Die Ebene verän- limbische Ebenen gekoppelt dert sich ein Leben lang durch sprach- liche Interventionen.). Wer sich als „Weichensteller in eigener Über die Veränderungsbereitschaft und Sache“ betätigen wolle, müsse beachten, die Verhaltensrelevanz lässt sich Fol- dass das Ausmaß der Veränderbarkeit gendes sagen: Die untere limbische von seiner bislang ausgebildeten indivi- Ebene (Temperament) hat den stärksten duellen Persönlichkeit abhänge. So seien Einfluss auf unser Verhalten, ist aber „dynamische“ Menschen von ihrer Per- am wenigsten veränderbar. Die mittlere sönlichkeit her veränderungsbereiter als limbische Ebene hat ebenfalls großen „vorsichtige“ Menschen. Einfluss auf unser Verhalten. Verände- Menschen verändern sich am leichtesten, rungen sind schwer zu erreichen – und wenn die Veränderung nicht zu tief in die wenn, dann nur durch das Ansprechen Substanz ihrer Persönlichkeit vordringt. individueller, emotionaler Motive und Deshalb lohnt es sich, sich grundsätzlich durch langfristiges Einüben neuer Verhal- einmal mit der Entwicklung der Persön- tensweisen. Die obere limbische Ebene lichkeit zu befassen. Die Entwicklung von hat nur einen geringen Verhaltensein- R wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 21
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