ZZI Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie - Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie

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ZZI
                                                                                                                                                                             1/2019

                                                                                                                                     Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie /
                                                                                                                                     JDI Journal of Dental Implantology
                                                                                                                                     www.online-zzi.de

         MEDIZINPRODUKTE-
         VERORDNUNG       14

         Chancen und Grenzen von
         Zirkonoxidimplantaten                                                             26

         Effizientes
         Überweiserkonzept                                                                 30

                                                                                                                  - U1 -
Herausgeber/Editor: Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich e.V. und Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V. und
      Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
Organ der Österreichischen Gesellschaft für Implantologie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. This journal is regularly listed in SCOPUS and CCMED/LIVIVO.
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                                    erstellte Abformungen       Behandlungen                manueller Fehler
                                       in naturgetreuen
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                                         - U2 -                        Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I EDITORIAL I

                 25. GEBURTSTAG:
             GEWAPPNET FÜ R DIE ZUKUNFT
              25 Jahre ist ein gutes Alter, um die Weichen für eine weitere,
                            langfristige Entwicklung zu stellen.

                                                       Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz

              Ihrer Altersgruppe nach gehört die DGI zur Generation Y, den sogenannten Millennials. Diesen wird nach-
              gesagt, dass sie Dinge gerne hinterfragen. Ebenso gelten die Millennials als Meister des Improvisierens.
              Intensives Arbeiten und lebenslanges Lernen sei für sie selbstverständlich, sagen Soziologen, aber sie hätten
              gelernt, mit ihren Kräften zu haushalten.
                  Solche sympathischen Eigenschaften lassen sich in der einen oder anderen Ausprägung durchaus auch
              bei der DGI beobachten – präzise: bei ihren Aktivitäten. Schließlich sind es Menschen, die die DGI zu dem ge-
              macht haben, was sie ist: zur größten Fachgesellschaft Europas auf ihrem Gebiet. Sie treibt als ein starker
              Motor die Entwicklung in der Implantologie voran.
                  Am 19. März 2019 wird die DGI 25 Jahre alt. Bei Menschen gilt der 25. Geburtstag generell als ein guter
              Zeitpunkt, zu überlegen, wie es weitergeht. Auch bei einer Gesellschaft, die in 25 Jahren groß und kräftig ge-
              worden ist, die vieles geleistet hat und dies weiterhin tut, ist es sicherlich sinnvoll, sich einige Gedanken über
              die Zukunft zu machen. Dies hat der Vorstand der DGI getan.

              Kommunikation. Wir werden sicherlich viele Dinge, die die DGI schon seit vielen Jahren gut macht, weiter
              ausbauen. Dazu gehört beispielsweise die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden. Auch die Kommuni-
              kation innerhalb unseres Vereins wollen wir intensivieren. Dies ist bei 8500 Mitgliedern durchaus eine He-
              rausforderung. Doch wir machen die Erfahrung, dass Gesprächsangebote gerne angenommen werden. Un-
              sere Einladung „Triff den Vorstand“ zum Auftakt unseres 32. Kongresses der DGI in Wiesbaden stieß auf gro-
              ßes Interesse, vor allem bei vielen jüngeren Mitgliedern. Viel positives Feedback bekam unser neue Fortbil-
              dungsreferent Dr. Christian Hammächer, als er unsere Mitglieder bat, ihm Wünsche und Vorstellungen zu
              schicken, wie unsere Fortbildung gemeinsam weiterentwickelt werden könnte. Einiges haben wir bereits in
              Angriff genommen.

              Kooperation. Ausbauen wollen wir eine Aktivität, die bereits in den letzten Jahren begonnen hat: die Zusam-
              menarbeit mit anderen Fachgesellschaften. Bereits der letzte Vorstand hat mehrere Kooperationen auf den
              Weg gebracht. Zuletzt unterzeichneten die amtierenden Präsidenten anlässlich des 32. Kongresses eine Ko-
              operationsvereinbarung zwischen der DGI und der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Zahnmedizin.
              Enger geworden ist der Austausch mit der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie. Gestartet wurde eine

Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01                        -1-
I EDITORIAL I

                erste Zusammenarbeit von DGI und DG Paro auf der internationalen Ebene mit einer parodontologischen
                Gesellschaft in Spanien, der SEPA.
                    Aber wir schauen auch über den Tellerrand der Zahnmedizin hinaus. Wir sind in Gesprächen mit der Deut-
                schen Gesellschaft für Innere Medizin. Diese Zusammenarbeit wird deshalb immer wichtiger, weil bei uns der
                Anteil von Patientinnen und Patienten wächst, die an inneren Erkrankungen leiden. Um diese gut zu behandeln,
                brauchen wir die Zusammenarbeit und den Austausch mit den Internistinnen und Internisten.

                Positionen. Weitergehen wird die Leitlinienarbeit der DGI, die auf diesem Gebiet eindeutig zu den Pionieren
                in der Zahnmedizin gehört. Mit den Leitlinien stehen uns Handlungsempfehlungen auf höchstmöglicher quali-
                tativer Ebene zur Verfügung. Sie verbinden die externe Evidenz und Studienlage mit unserer persönlichen Ex-
                pertise, unserer Erfahrung und Empirie sowie mit den Wünschen unserer Patienten. Das macht den besonde-
                ren Wert der Leitlinien aus.
                     Die Bedeutung von Handlungsempfehlungen für die Implantologie wächst auch deshalb, weil die Kontra-
                indikationen schwinden und die Indikationen erweitert werden. Wenn es für uns heute eine Selbstverständlich-
                keit ist, bei Diabetikern zu implantieren, müssen wir uns dennoch fragen, ob wir wirklich bei allen Diabetikern
                die Indikation für eine Implantation stellen dürfen. Dies fragen sich auch Kolleginnen und Kollegen, wenn es um
                eine Implantation bei Patienten geht, die mit Antiresorptiva – etwa Bisphosphonaten oder Denosumab – be-
                handelt werden. Dann können Leitlinien helfen, im Einzelfall die richtige Antwort zu finden.

                Fortbildung. Die Fortbildung ist das Herz der DGI und ihre satzungsgemäße Aufgabe. Da sieht der DGI-Vor-
                stand zukünftig Entwicklungsarbeit. Wir können davon ausgehen, dass die Implantologie auch in der Zukunft
                kaum in der Approbationsordnung umfangreich abgebildet werden kann. Dafür reicht einfach die Zeit im Stu-
                dium nicht aus. Die Implantologie wird darum weiterhin als Querschnittsfach erst nach der Approbation einen
                zentralen Teil der Fortbildung darstellen können. Für diese Zukunft ist die DGI mit ihrem umfangreichen Fort-
                bildungsportfolio bestens gerüstet.
                     Unser strukturiertes und zertifiziertes Curriculum Implantologie, das wir zusammen mit der APW anbieten, ist
                bislang das erfolgreichste Curriculum in der deutschen Zahnmedizin – und das soll es weiterhin bleiben. Dazu
                trägt unser e-Learning-Programm bei, die e.Academy. Das Curriculum richtet sich vor allem an die jungen ap-
                probierten Zahnärztinnen und Zahnärzte. Unser neues Mentorenprogramm, das in diesem Jahr erstmals greifen
                wird, soll diese jungen Kolleginnen und Kollegen auf ihrem beruflichen Weg unterstützen. Es stehen 80 Men-
                torinnen und Mentoren zur Verfügung, die sich bereit erklärt haben, die Teilnehmer des Curriculums sowie frü-
                here Absolventen, die sich auf ihre Prüfung vorbereiten, bis zur Zertifizierung zu begleiten.
                     Die Tageskurse des Continuums vermitteln das aktuelle Wissen zu verschiedenen Aspekten und im neuen
                Format DGI Special beleuchten Experten verschiedener Fachrichtungen gemeinsam ein Thema, das zurzeit
                intensiv diskutiert wird. Hinzu kommen die vielen Angebote auf der Ebene der Landesverbände und der Qua-
                litätszirkel, sodass letztlich für den Geschmack jedes einzelnen Mitglieds etwas dabei sein dürfte.

                Implantologie – das Fach mit Zukunft. Gut vorbereitet sehen wir unser Fachgebiet und die DGI für weitere
                (medizinische) Herausforderungen der Zukunft. Der völlig unbezahnte Patient, der nach längerer Zahnlosig-
                keit noch aufwendige Augmentationen benötigt, wird zunehmend zu einer Seltenheit. Diese Indikation
                schwindet, während andere an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig werden die Patienten älter, die wir implan-
                tologisch versorgen. Diese Patienten leiden jedoch häufiger an Allgemeinerkrankungen und werden oft mit
                einer Vielzahl von Medikamenten behandelt. Die Behandlungsoptionen bei kompromittierten Patienten blei-
                ben eine Herausforderung. Wir müssen uns Gedanken machen, ob ein Implantat für einen ganz alten Pa-
                tienten mit vielfältigen Erkrankungen bis hin zu Demenz ein Handicap darstellen kann oder nicht. Wie kommt
                der Patient oder das Pflegepersonal damit zurecht? Doch wenn man den Gedanken zu Ende denkt, hat das
                Implantat einen wichtigen Vorteil: Es ist ohne operative Eingriffe rückbaubar, wenn es nicht mehr benötigt
                wird. Eine Konusarbeit auf einem natürlichen Zahn hingegen kann für Pflegekräfte gefährlich werden, wenn
                die Prothese nicht mehr getragen wird. Die Implantologie ist also für diese Phase des Lebens der Patienten
                gut gewappnet.

                                                                     -2-                               Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I EDITORIAL I

                          DIE „ NEUE“ DGI
                                Jahrestagung signalisiert Aufbruchstimmung

                                                          Dr. Sonia Mansour, M.Sc.

                           Auf der sehr erfolgreich verlaufenen Jahrestagung 2018 der Deutschen Gesellschaft für
                           Implantologie (DGI) in Wiesbaden haben die zahlreich erschienenen Mitglieder einen
                           neuen Vorstand für die kommenden drei Jahre gewählt. Auch wir – die Redaktion der
                           ZZI – gratulieren dem neuen Vorstand zur Wieder- und Neuwahl und wünschen gutes Ge-
                           lingen, neue Ideen und viel Unterstützung für die Umsetzung der anstehenden Aufgaben!
                                Mir liegt es besonders am Herzen, die Chancen, die sich der DGI im Hinblick auf Wei-
                           terentwicklung und Innovationen bieten, hervorzuheben und den Vorstand sowie die
                           Mitglieder zur aktiven Teilnahme an der Gestaltung der Zukunft zu motivieren. Die mo-
                           mentanen Entwicklungen in allen Bereichen samt spannender Umbrüche und Paradig-
                           menwechsel können wir gerade jetzt miterleben. So eröffnet uns die Digitalisierung ge-
                           fühlt unendlich viele Möglichkeiten. Man denke nur an Konzepte, die „Augmented Rea-
                           lity“ oder „Artificial Intelligence“ nutzen und die auch in der Zahnmedizin immer konkreter
                           werden. Das ist längst keine Zukunftsmusik mehr: Die Musik spielt jetzt! Die Digitalisie-
                           rung betrifft aber nicht nur die fachliche Entwicklung, sondern auch die Präsenz und die
                           Verfügbarkeit von Inhalten der DGI. Zweifellos ist da in letzter Zeit schon viel passiert.
                                Mit der erstmaligen Wahl einer Kollegin in den Vorstand befinden wir uns mitten in
                           dieser zukunftsorientierten Weiterentwicklung. Dass das im 21. Jahrhundert in einem In-
                           dustrieland überhaupt noch Erwähnung finden muss, wundert leider nicht. Die Debatte
                           der „Frauenquote“ hat schon viele andere Industriezweige und Institutionen erreicht und
                           wird dort ebenfalls geführt. Ich sehe das als Zeichen, dass wir das Potenzial nutzen, das
                           sich uns bietet, egal ob männlich oder weiblich. Und trotzdem fühlt es sich gut und „richtig“
                           an, dass die Gesellschaft diese „Genderdiskussion“ nicht verpasst. Für meinen Ge-
                           schmack hätte das schon viel früher stattfinden können. Denn sicherlich hilft eine Kollegin
                           im Vorstand, dass sich die Mitglieder mit „ihrer“ Gesellschaft mehr und mehr identifizie-
                           ren können. Und dem hat sich die DGI als gemeinnütziger Verein ja verschrieben.
                                An der bewährten Mischung aus Wissenschaftlern und Praktikern wird festgehalten.
                           Dies hat gerade in der DGI eine lange Tradition, die für eine Balance sorgt, die anderswo
                           ihresgleichen sucht. Die verstärkte Repräsentanz von Prothetikern kann ich ausdrücklich
                           nur begrüßen. Denn auch wenn noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen implantieren,
                           mit der Implantatprothetik sind viele Zahnärztinnen und Zahnärzte sehr vertraut. Sie gehört
                           mittlerweile zur täglichen Praxisroutine.
                                Ich persönlich fühle eine Art „Aufbruchstimmung“ in der DGI mit dem Mut, neue Wege
                           zu beschreiten und mit der Zeit zu gehen. Damit bleibt diese für die Zahnmedizin so
                           wichtige Gesellschaft modern und zukunftsweisend. Ich kann es kaum erwarten, was die
                           DGI in der Zukunft für uns parat hält, und die gesamte Redaktion der ZZI freut sich auf ei-
                           ne weitere gute Zusammenarbeit. Die Erwartungen sind groß, packen wir’s an!

Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01                          -3-
I INHALTSVERZEICHNIS I

INHALT
1, 3                             EDITORIAL

8                                REDAKTIONSTEAM

     Röntgenbilder eignen sich
        nicht, um Zementreste
zu erkennen: Tipps & Tricks ab
                      Seite 40

                                 PRAXIS & WISSENSCHAFT

                                 PROTHESENVERANKERUNG
10                               PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, PD Dr. Karl M. Lehmann

                                 MEDIZINPRODUKTEVERORDNUNG
14                               Dr. Axel Scheffer

                                 ZIRKONOXIDIMPLANTATE
26                               Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, PD Dr. Jeremias Hey

                                 EIN EFFIZIENTES ÜBERWEISERKONZEPT
30                               Dr. Dr. Dieter H. Edinger

                                 VORBEREITUNG UND LAGERUNG
36                               Prof. Dr. Dr. Christian Walter

                                 VERSCHRAUBT VERSUS ZEMENTIERT
40                               Dr. Alexander Müller-Busch, Dr. Frederic Kauffmann

                                 KIEFERORTHOPÄDIE ERLERNEN UND VERTIEFEN
46                               PD Dr. Dr. Peer Kämmerer

                                 DER IMPLANTATPROTHETIKER ALS ARCHITEKT
48                               Fabian Knüver

                                                     -4-                             Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
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Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01                   -5-
I INHALTSVERZEICHNIS I

Konventionelle Versorgung des
zahnlosen Unterkiefers mit
zwei Implantaten: Studienzu-
sammenfassung ab Seite 10

                                DGI NACHRICHTEN

50                              TAGUNGSKALENDER DER DGI

                                POTENZIAL DER PERSONALISIERTEN ZAHNMEDIZIN NUTZEN
54                              Rückblick auf den 32. Kongress der DGI, 29.11. − 01.12.2018

                                VOLLE KRAFT VORAUS
62                              Neuer DGI-Vorstand seit 30. November 2018

                                „CARPE DIEM: NUTZE DEN TAG UND DEIN LEBEN“
64                              Im Portrait: Dr. Dr. Anette Strunz, die neue Pressesprecherin der DGI

                                „DAS ERNSTE LEBEN MIT MÖGLICHST VIEL LEICHTIGKEIT MEISTERN“
66                              Im Portrait: Dr. Christian Hammächer, der neue Fortbildungsreferent

                                PROFESSIONELLE BETREUUNG VON IMPLANTATPATIENTEN
68                              Das neue Fortbildungsangebot der DGI für zahnmedizinische Fachangestellte

                                „MOTOREN MIT VOLLGASFUNKTION“
70                              Laudatio auf die neuen DGI-Ehrenmitglieder

                                DIE DGI-MENTOREN
73                              80 Helfer für Implantologie-Einsteiger

74                              IMPLANT FILES: DGI NIMMT STELLUNG ZUR SICHERHEIT VON IMPLANTATEN

76                              SEDIERUNG UND NOTFALLMANAGEMENT

                                KONZEPTE IM WETTSTREIT
78                              33. Kongress der DGI 2019 in Hamburg: hören, sehen, erleben, machen

80                              MARKT

87                              OFFENLEGUNG INTERESSENKONFLIKTE

88                              IMPRESSUM

                                                   -6-                            Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
Individualisierte Knochenregeneration
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                                                                                                      Yxoss CBR®
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                                                                                                        herg
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                                                                                                           ReOss

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Implantation mit                                                                       Chirurgie-Video
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Kombinierte 3D Implantat-
und Augmentatplanung

Einbringen von Augmentationsmaterial,                                  Bitte senden Sie mir:
wahlweise vor oder nach der Fixierung                                     Geistlich Biomaterials Produktkatalog
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Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH                       per Fax an 07223 9624-10
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                                                                                                                          Praxisstempel
                                                         ZZI 01/2019

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                                                   -7-
I REDAKTIONSTEAM I

   ZZI-REDAKTIONSTEAM

  → PROF. DR. DR. BILAL AL-NAWAS               → PD DR. JEREMIAS HEY             → PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER
             Chefredakteur                   Schriftleitung Bereich Prothetik      Schriftleitung Bereich Chirurgie

    → DR. FREDERIC KAUFFMANN                → DR. SONIA MANSOUR, M.SC.          → PROF. DR. DR. CHRISTIAN WALTER
  Schriftleitung Bereich Parodontologie      Schriftleitung Bereich Digitales      Schriftleitung Bereich Chirugie

  → DR. KARL-LUDWIG ACKERMANN             → PROF. DR. GERMÁN GÓMEZ-ROMÁN         → PROF. DR. MARTIN LORENZONI
        Erweiterte Schriftleitung               Erweiterte Schriftleitung              Erweiterte Schriftleitung

     → PD DR. KARL M. LEHMANN                   → DR. AXEL SCHEFFER               → DR. DR. DIETER H. EDINGER
                 Autor                                    Autor                                   Autor

  → DR. ALEXANDER MÜLLER-BUSCH                   → BARBARA RITZERT                   → GABRIELE SCHUBERT
                 Autor                              DGI-Nachrichten                  Redaktionelle Koordination

                                                          -8-                      Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
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                             bei der Implantation

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          erfolgreich behandeln                  dauer vermeiden                     Ergebnisse erzielen

  Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01           -9-
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I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

                         PROTHESEN-
                        VERANKERUNG
           Nur ein Implantat zur Stabilität von Unterkiefervollprothesen?

                                   PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, PD Dr. Karl M. Lehmann

EINLEITUNG                                   plantaten vorgeschlagen, was zu guten        führen, dass mehr Menschen von dieser
Bei im Unterkiefer zahnlosen Patienten ist   Langzeitergebnissen führt. Allerdings        Behandlung profitieren könnten. In einer
die fehlende Retention und Stabilität von    können Kosten sowie ein möglicherweise       systematischen Literaturanalyse und Me-
Unterkiefervollprothesen ein Faktor, der     eingeschränktes Knochenangebot gegen         taanalyse von 2016 bestätigten Sriniva-
zu vielfältigen Problemen – beginnend bei    diese Versorgung sprechen. Eine Alter-       san et al., dass die vorhandene wissen-
der eingeschränkten Kaufähigkeit bis hin     native stellt eventuell die chirurgische     schaftliche Evidenz für den Einsatz von
zu einer reduzierten Lebensqualität, ei-     Einbringung eines einzigen Implantats        durch ein einziges Implantat gestützten
nem verminderten Selbstwertgefühl und        dar, das nach der entsprechenden prä-        Unterkiefervollprothesen noch unzurei-
schließlich eingeschränkten Sozialkon-       operativen Diagnostik in die Mittellinien-   chend ist – insbesondere im Vergleich mit
takten – führen kann. Im Gegensatz dazu      Symphysenregion der Mandibula inse-          2 Implantaten. Bevor diese Behandlung
bieten mit Implantaten im zahnlosen Un-      riert und zur Verankerung des Zahnersat-     für zahnlose Unterkiefer empfohlen wer-
terkiefer befestigte Vollprothesen ihren     zes im Sinne der Reduzierung einer nega-     den könne, seien daher Langzeitbeob-
Trägern Komfort, Optimismus und insge-       tiven Prothesenmobilität verwendet wird.     achtungen erforderlich, und es wurden
samt eine deutliche Erleichterung. Ge-       Diese weniger invasive und kostengünsti-     größere patientenorientierte klinische
wöhnlich wird eine Mindestzahl von 2 Im-     gere Intervention würde potenziell dazu      Studien vorgeschlagen. Das Ziel der vor-

                                                              - 10 -                           Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

liegenden Literaturanalyse ist es daher,       Gruppen frakturierte jeweils eine Vollpro-     Eine randomisierte klinische Studie zu
die neu entstandene Evidenz für diese          these. Nach 3 und 6 Monaten war die Pa-        mundbezogener Lebensqualität, peri-
Versorgungsmodalität herauszuarbeiten          tientenzufriedenheit zwischen den Grup-        implantären und kinesiografischen Pa-
und zu bewerten.                               pen ähnlich, wobei nach 12 Monaten in der      rametern bei Trägern von Unter-
                                               Gruppe mit 2 Implantaten signifikant höhe-     kiefertvollprothesen, die auf einem oder
LITERATURÜBERSICHT                             re Werte erreicht wurden: Dies lag vor al-     zwei Implantaten verankert sind.
                                               lem an der geringeren Retention, die mit       A Randomized Clinical Trial of Oral
Paleari AG, Oliveira Junior NM, Marin          nur einem Implantat erreicht werden konn-      Health-Related Quality of Life, Peri-Im-
DOM, Rodriguez LS, Ariolo Filhi JN, Pero       te. Die Kauleistung war in der Gruppe mit      plant and Kinesiograph Parameters in
AC, Compagnoni MA                              einem Implantat zu allen Zeiträumen            Wearers of One- or Two-Implant Mandibu-
Einjährige prospektive klinische Studie        schlechter als nach Verwendung von 2 Im-       lar Overdentures
zum Vergleich der Patientenzufrieden-          plantaten.                                     J Prosthodont 2018 Apr 20. DOI:
heit und der Kauleistung von Unterkiefer-                                                     10.1111/jopr.12796. [Epub ahead of print]
vollprothesen, die entweder durch ein          Zusammenfassung:
oder durch zwei Implantate verankert           Sowohl im Bereich der Patientenzufrie-         Art der Studie:
sind.                                          denheit als auch im Bereich der Kauleis-       Klinische prospektive randomisierte Fall-
One-year prospective clinical study com-       tung wurden für die Gruppe mit 2 Implanta-     Kontroll-Studie
paring patient satisfaction and masticatory    ten bei einer Nachsorgezeit von 12 Mona-
performance of mandibular overdentures         ten im Vergleich zu der Gruppe mit einem       Fragestellung:
supported by one versus two implants           Implantat in der Mitte signifikante Vorteile   Existieren Unterschiede in der mundbe-
J Appl Oral Sci 2018 Oct 4;26:e20160628        gesehen.                                       zogenen Lebensqualität, den periimplan-
                                                                                              tären und den kinesiografischen (Bewe-
Art der Studie:                                Beurteilung:                                   gungen der Prothese beim Kauen) Para-
Prospektive, randomisierte Fall-Kontroll-      Statistisch ist bei einer Fallzahl von < 14    metern zwischen Patienten, bei denen ei-
Studie                                         Patienten pro Untersuchungsgruppe von          ne Unterkiefervollprothese mit einem
                                               einer Power der Analyse von < 80 % aus-        oder mit zwei Implantaten verankert wur-
Fragestellung:                                 zugehen. Das Erhalten von „echten“ sta-        de?
Unterscheiden sich die Patientenzufrie-        tistischen Signifikanzen kann also ange-
denheit und die Kauleistung bei zahnlosen      zweifelt werden. Vorteilhaft wirkt sich die    Material und Methoden:
Patienten mit einer Verankerung der Un-        Verwendung von Schablonen zur Positio-         21 komplett zahnlose Patienten erhielten
terkieferprothesen auf einem oder auf          nierung der Implantate im Sinne einer op-      neue Oberkiefer- und Unterkiefervoll-
zwei Implantaten?                              timalen Prothesenunterstützung aus. Zur        prothesen und wurden randomisiert mit 1
                                               Retention der Prothesen wurde – analog         (n = 11) oder mit 2 Implantaten (n = 10) im
Material und Methoden:                         zu vielen anderen Studien – ein wenig re-      Unterkiefer versorgt. Ausgeschlossen
Eingeschlossen wurden 21 komplett              tentives O-Ring-Element verwendet. Der         wurden Patienten mit Parafunktionen,
zahnlose Patienten ohne Parafunktionen,        Einsatz anderer Retentionsmöglichkeiten        vorherigen Implantatbehandlungen, un-
vorherige Implantate, nicht eingestellten      hätte eventuell zu anderen, besseren Er-       kontrolliertem Diabetes mellitus, Alkohol-
Diabetes mellitus, Alkohol- und/oder Niko-     gebnissen geführt. In beiden Gruppen           und Tabakabusus sowie mit Herzschritt-
tinabusus und Einschränkungen der sys-         wurden im Übrigen die gleichen Elemente        machern. Nach einer Einheilzeit von un-
temischen Gesundheit. 30 Tage nach Her-        eingesetzt. Darüber hinaus werden keine        gefähr 4 Monaten wurden die Implantate
stellung und Eingliederung neuer Ober-         Informationen zur prothetischen Verfah-        freigelegt und mittels O-Ring-Retentions-
und Unterkiefervollprothesen erhielten         rensweise, insbesondere zur Bestimmung         elementen in die Prothesen eingearbei-
11 ein und 10 zwei Implantate im Unterkie-     der Kieferrelationen, oder zu okklusalen       tet. Nach 3, 6 und 12 Monaten wurden die
fer, die 4–5 Monate später in die Prothe-      Konzepten aufgeführt. Dies hat maßgeb-         mundbezogene Lebensqualität (Frage-
sen eingearbeitet wurden. Nach 3, 6 und        lichen Einfluss auf die Funktionsweise und     bogen), die periimplantären Parameter
12 Monaten fanden Nachsorgeuntersu-            vor allem die Belastung der Prothesen,         (Plaque-Index, Blutung auf Sondierung
chungen statt, zu denen die Patientenzu-       was durchaus als studienrelevant aufzu-        und Sondierungstiefe) sowie die Bewe-
friedenheit (Fragebogen) und die Kauleis-      führen wäre. Dennoch handelt es sich um        gungen der Ober- und Unterkiefervollpro-
tung (Kauen von Mandeln über 20 Kauzy-         eine randomisierte, kontrollierte, prospek-    these beim Kauen von weicher und harter
klen) überprüft und verglichen wurden.         tive Studie mit vergleichsweise hoher          Kost evaluiert.
                                               Wertigkeit.
Ergebnisse:                                                                                   Ergebnisse:
In beiden Gruppen ging in der Nachsor-         Policastro VB, Paleari AG, Perin Leite AR,     Die mundbezogene Lebensqualität war
gezeit ein Implantat verloren (Überleben       Mendoza-Marin DO, Balestrero Cassiano          nach 12 Monaten höher in der Gruppe mit
1-Implantat-Gruppe: 91 %, Überleben            AF, Machion Shaddox L, Compagnoni              2 Implantaten, während zwischen den pe-
2-Implantat-Gruppe: 95 %). In beiden           MA, Pero AC                                    riimplantären Parametern und den masti-

Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01                     - 11 -
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

katorischen Bewegungen keine Unter-            haltung bei mit 1 Implantat verankerten        eignissen auf lange Sicht die Notwendig-
schiede zu beobachten waren.                   Unterkiefervollprothesen?                      keit einer engmaschigen Nachsorge.

Zusammenfassung:                               Material und Methoden:                         Beurteilung:
Während Patienten mit einer auf lediglich      Bei 45 komplett zahnlosen Patienten wur-       Es handelt sich um eine gut durchgeführte
1 Implantat verankerten Unterkiefervoll-       de jeweils ein Implantat im Unterkiefer in-    Studie mit vergleichsweise hohen Fallzah-
prothese eine geringere mundbezogene           seriert. Ausgeschlossen wurden Patien-         len und klaren Ergebnissen, wobei aller-
Lebensqualität als die Vergleichsgruppe        ten mit „lokalen Bedingungen, die eine Im-     dings das Fehlen einer entsprechenden
mit 2 Implantaten aufwiesen, scheinen die      plantatversorgung ausschließen“, mit           Kontrollgruppe und die geringe Informa-
Versorgungen bezogen auf die periim-           mentalen Einschränkungen, die eine Ko-         tionslage zur prothetischen Vorgehens-
plantären Gewebsveränderungen und die          operation erschweren würden, sowie mit         weise den Wert einschränken. Insbeson-
Bewegungen beim Kauen (am Oberkiefer           Alkohol- und/oder Tabakabusus. Neue            dere die hohe Zahl an erfolgreichen So-
analysiert) nicht unterschiedlich.             Vollprothesen wurden angefertigt, wenn         fortversorgungen zeigt, dass es sich bei
                                               die alte Versorgung als insuffizient erach-    einem Implantat – bei den oben genann-
Beurteilung:                                   tet wurde. In Fällen hoher Primärstabilität    ten Limitationen – um eine gute und zuver-
Auch in dieser Studie ist bei einer geringen   fand eine Sofortversorgung mittels             lässige Option der Stabilisierung von Un-
Patientenzahl nur mit einer entsprechend       O-Ring-Retentionselement statt (n = 38),       terkiefervollprothesen handelt.
niedrigen Power (< 80 %) zu rechnen. Die       während in den anderen Fällen (n = 7) die
statistischen Berechnungen wurden kor-         Unterkiefervollprothese nach 3 Monaten         Nogueira TE, Schimmel M, Leles CR
rekt durchgeführt. Positiv wirken sich im      eingegliedert wurde. Nach 3, 6, 12 und 24      Veränderungen in der Kauleistung bei
Sinne des funktionellen Aspektes die Er-       Monaten wurden die mundbezogene Le-            zahnlosen Patienten, die mit durch ein Im-
fassung der Unterkieferbewegungen und          bensqualität (Fragebogen) sowie die klini-     plantat verankerten Unterkiefervollpro-
die einheitliche Gestaltung des okklusalen     schen und prothetischen Komplikationen         thesen und mit konventionellen Unter-
Konzeptes (bilateral balancierte Okklu-        bestimmt.                                      kiefervollprothesen versorgt wurden.
sion) aus. Interessanterweise zeigten die                                                     Changes in masticatory performance of
Patienten in der Gruppe mit nur einem Im-      Ergebnisse:                                    edentulous patients treated with single-im-
plantat bereits früher einen Rückgang von      Die mittlere Zufriedenheit der Patienten       plant mandibular overdentures and con-
Schmerz und operationsbedingten Be-            stieg nach der implantologischen Versor-       ventional complete dentures
schwerden, was wahrscheinlich auf das          gung signifikant an und blieb über die         J Oral Rehabil 2018; 1–6
weniger invasive Vorgehen zurückzufüh-         Nachbeobachtungszeit nahezu konstant.
ren ist. Auch in dieser Studie könnten die     Zwei Patienten waren allerdings derart un-     Art der Studie:
im Verlauf schlechteren Werte der mund-        zufrieden mit dem einen Implantat, dass        Prospektive randomisierte Fall-Kontroll-
bezogenen Lebensqualität in der Gruppe         sie ein weiteres erhielten. Sowohl in der      Studie
mit 1 Implantat auf die schlechtere Reten-     Sofortbelastungsgruppe als auch in der
tion der Unterkiefervollprothesen zurück-      konventionellen Gruppe gingen 2 Implan-        Fragestellung:
zuführen sein.                                 tate verloren (Überlebensrate insgesamt:       Bestehen Unterschiede in der Kauleistung
                                               91,1 %). In 66 Fällen musste die Matrix        über die Zeit im Vergleich von Patienten mit
Nogueira TE, Oliveira Aguiar FM, de Bar-       des Retentionselements gewechselt wer-         konventionellen und mit durch ein Implan-
celos BA, Leles CR                             den (mittlere Zeit bis zum Wechsel:            tat verankerten Unterkiefervollprothesen?
Eine 2-jährige prospektive Studie von          11,2 Monate). In 23 Fällen kam es zu Brü-
durch ein Implantat getragenen Unter-          chen der Prothesen. Insgesamt traten           Material und Methoden:
kiefervollprothesen: von Patienten be-         124 prothetische Ereignisse auf (3,2 pro       Bei Patienten, die im Rahmen einer ande-
richtete Ergebnisse und prothetische           Patient), die eine Intervention erforderten.   ren Studie entweder mit konventionellen
Ereignisse.                                                                                   (n = 19) oder mit durch ein Implantat ver-
A 2-year prospective study of single-im-       Zusammenfassung:                               ankerten Unterkiefervollprothesen (n = 15)
plant mandibular overdentures: patient re-     Innerhalb der Grenzen dieser prospekti-        versorgt worden waren, wurde die Kau-
ported outcomes and prosthodontic              ven Studie legen die Ergebnisse nahe,          leistung (Vermischung eines zweifarbigen
events                                         dass die Verankerung von Unterkiefervoll-      Kaugummis nach 20 und 50 Kauzyklen)
Clin Oral Implants Res 2018; 29:541–550        prothesen mit einem Implantat eine prakti-     nach Einbringen der Prothesen sowie
                                               kable Alternative bei schlecht sitzenden,      nach 6 und 12 Monaten untersucht.
Art der Studie:                                rein schleimhautgetragenen Prothesen
Prospektive klinische Studie                   ist. Obwohl die Patienten deutliche Ver-       Ergebnisse und Zusammenfassung:
                                               besserungen bei dem Übergang von der           Bei beiden Versorgungen ergab sich eine
Fragestellung:                                 konventionellen Prothese zu einem Ein-         signifikante Verbesserung der Kauleis-
Wie gestalten sich die mundbezogene Le-        zelimplantat angaben, zeigt das erhöhte        tung, wobei bei einer Nachsorgedauer von
bensqualität und die prothetische Instand-     Auftreten von prothetischen Wartungser-        einem Jahr kein Unterschied zwischen

                                                                 - 12 -                            Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I

den beiden Gruppen evaluiert werden            vollprothesen, die von einem einzelnen        sichtigen. Des Weiteren erfordern die spe-
konnte. Dennoch zeigte die Kaugummi-           Implantat gestützt werden, die Patien-        zifischen anatomischen Aspekte der man-
vermischungsfähigkeit unter Verwendung         tenzufriedenheit im Vergleich zu einer        dibulären Symphyse eine sorgfältige Pa-
von durch ein Implantat getragenen Unter-      konventionellen Vollprothese im Unter-        tientenselektion.
kiefervollprothesen nach 6 Monaten eine        kieferbereich signifikant verbessern.
Verbesserung gegenüber der konventio-          Wissenschaftliche Belege für die Zufrie-
nellen Prothese.                               denheit mit Unterkiefervollprothesen, die
                                               von 1 Implantat statt 2 Implantaten unter-
Beurteilung:                                   stützt werden, sind in der Literatur jedoch
Während in den meisten Studien die             selten; es ist jedoch eine Tendenz er-
mundbezogene Lebensqualität im Detail          kennbar, dass UK-Vollprothesen auf
subjektiv über Fragebögen evaluiert wird,      1 Implantat zwar im Vergleich zu
handelt es sich bei dieser Studie um eine      schleimhautgetragenen Prothesen bes-
objektive Bewertung eines einzelnen            sere, im Vergleich zu den auf 2 Implanta-
Punktes, nämlich der Kauleistung. Es           ten verankerten UK-Vollprothesen je-            → PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER
                                                                                              Leitender Oberarzt und stellv. Klinikdirektor;
zeigt sich, dass die mundbezogene Le-          doch teilweise schlechtere Ergebnisse           Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und
bensqualität, die in anderen Studien als       zeigen – vor allem hinsichtlich der mund-      Gesichtschirurgie – Plastische Operationen –
deutlich verbessert unter Verwendung           bezogenen Lebensqualität. So kann vor                  der Universitätsmedizin Mainz
                                                                                              peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de
von Implantaten zur Verankerung von Un-        allem die geringere Retention von Unter-
terkiefervollprothesen angegeben wird,         kiefervollprothesen, die von nur einem
nicht unbedingt allein von der Kauleistung     Implantat unterstützt werden, zusammen
abhängt. Es ist ein klinisch relevantes        mit dem geringeren Widerstand gegen
Phänomen, dass viele Patienten auch mit        horizontale Bewegungen, also eine re-
dem Halt und der Funktion der rein             sultierende negativere Prothesenkinetik,
schleimhautgetragenen Unterkiefervoll-         zu einer geringeren Stabilität der Prothe-
prothesen zufrieden sind, weshalb in zu-       se während des Kauens und zu einer
künftigen Studien auch die jeweilige psy-      verminderten Kaukraft führen.
chische und anatomische Situation der              Obwohl die Behandlung mit einem Im-
Patienten einbezogen werden sollte.            plantat zu einer Verbesserung der vorheri-
                                                                                                  → PD DR. KARL M. LEHMANN
                                               gen zahn- und implantatlosen Situation           Universitätsmedizin Mainz, Praxis Bonn
SYNOPSIS                                       führt, sollte daher – ausgehend von der             praxis@zahnarzt-lehmann.de
Die Patientenzufriedenheit ist ein ent-        analysierten Studienlage – diese Versor-
scheidender Faktor, der den Erfolg der         gung aufgrund der Inferiorität im Vergleich
Behandlung mit Vollprothesen beein-            zu 2 Implantaten mit Vorsicht angewandt
flusst. Aufgrund der oft nur limitierten Re-   werden. Dies gilt insbesondere für den
tention und Stabilität der schleimhautge-      Fall, dass auch die Insertion von 2 Implan-
tragenen Unterkiefervollprothesen ist          tate möglich ist. Auch die vergleichsweise
diese Zufriedenheit allerdings nicht im-       hohe Rate notwendiger prothetischer In-
mer gegeben. Frühere und auch aktuelle         standhaltung bei durch 1 Implantat fixier-
Studien haben gezeigt, dass Unterkiefer-       ten Unterkiefervollprothesen ist zu berück-

Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01                    - 13 -
I REVIEW I

             MEDIZINPRODUKTE-
               VERORDNUNG
 Neue EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und ihre Auswirkungen auf
    die klinische Bewertung von Rapid-Prototyping-Bohrschablonen

                                                 Dr. Axel Scheffer

                                     Zusammenfassung: Die EU-Kommis-                 ist, könnten diese Schablonen sogar von ei-
                                     sion hat kürzlich eine neue Medizinpro-         nem Marktausschluss bedroht sein.
                                     dukteverordnung (MDR) erlassen, die             Für eine Anwendung der Bohrschablonen
                                     nach einer Übergangszeit im Mai 2020 in         für ein Flapless-Vorgehen, bei dem der
                                     Kraft tritt und erhebliche Auswirkungen auf     Behandler ohne Sicht implantiert, errei-
                                     alle Medizinprodukte hat.                       chen die Prozessstabilität und die Über-
     → Warum Sie diesen              Nur noch Medizinprodukte, die nachweis-         prüfbarkeit vieler Bohrschablonen noch
      Beitrag lesen sollten?         lich anhand klinischer Daten einen Nutzen       nicht die von der MDR geforderte Ge-
Die neue EU-Medizinproduktever-      für den Patienten bieten und verglichen mit     brauchstauglichkeit, denn mit den Ände-
ordung hat zum Ziel, bei allen Me-   äquivalenten Medizinprodukten ein poten-        rungen durch die MDR gibt es bei Medizin-
  dizinprodukten sämtliche ver-      zielles Risiko in höchstem Maße ausschlie-      produkten keine prinzipiell akzeptablen
meidbaren Risiken für die Patien-    ßen, sollen in der EU zugelassen sein. Sie      Risiken mehr.
  tin oder den Patienten auszu-      müssen im spezifizierten Nutzungskontext        Schlüsselwörter: Medizinproduktever-
 schließen. Die zurzeit beliebten    die spezifizierten Aufgaben effektiv, effi-     ordnung; Bohrschablone; Implantatnaviga-
 Rapid-Prototyping-Bohrschablo-      zient und zufriedenstellend erreichen.          tionssystem; Guided Surgery; 3D-Pla-
   nen stehen dabei vor einem        Auch die beliebten Bohrschablonensyste-         nung
  Scheideweg. Was jetzt auf die      me, die einen möglichst schlanken und für
 Hersteller und die Implantologen    den Behandler angenehmen Workflow ver-          Zitierweise: Scheffer A: Medizinproduk-
 zukommt, wird in diesem Bericht     sprechen, werden unter diesen neuen Kri-        teverordnung. Neue EU-Medizinprodukte-
              erklärt.               terien von den Benannten Stellen, die sich      verordnung (MDR) und ihre Auswirkungen
                                     voraussichtlich des Sachverstands eines         auf die klinische Bewertung von Rapid-
                                     neu aufgestellten Expertengremiums be-          Prototyping-Bohrschablonen. Z Zahnärztl
                                     dienen müssen, gründlich geprüft.               Implantol 2019; 35: 14−24.
                                     Wenn sich dann aufgrund klinischer Daten        DOI 10.3238/ZZI.2019.0014−0024
                                     herausstellt, dass unter dem rein digitalen
                                     Workflow, der sich aufgrund vieler virtueller
                                     Prozesse noch weiter von der Realität ent-      EINLEITUNG
                                     fernt hat, die Gebrauchstauglichkeit der        Mit dem Einzug der dreidimensionalen
                                     Bohrschablonen gelitten hat und deshalb         Röntgenbildgebung, insbesondere der di-
                                     die IEC-62366-Konformität nicht gegeben         gitalen Volumentomografie, in den zahn-

                                                       - 14 -                             Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I REVIEW I

medizinischen Bereich wird dem Chirurgen         nannte Stellen“. Benannte Stellen (engl.         HYPE UM DEN „REIN
die optimale chirurgische Planung von            Notified Bodies) sind staatlich benannte         DIGITALEN WORKFLOW“
Zahnimplantaten schon vor der bevor-             und staatlich überwachte private Prüfstel-       Besonders wenn eine Arbeitsweise ex-
stehenden Implantation eröffnet, die er          len (Auditier- und Zertifizierstellen), die im   trem hervorgehoben wird und dem Medizi-
virtuell am Computer durchführen kann.           Staatsauftrag tätig werden, um die Konfor-       ner ein angenehmeres Arbeiten als bisher
Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu be-       mitätsbewertung von Herstellern von In-          ermöglichen soll, liegt der Verdacht nahe,
grüßen.                                          dustrieerzeugnissen unterschiedlicher Art        dass bei der Entwicklung des Medizinpro-
     Durch die navigierte Flapless Surgery       zu begleiten und zu kontrollieren. Sie üben      dukts nicht die Usability, sondern vorwie-
(transgingivale Implantation) anstelle der       damit „mittelbare Staatsverwaltung“ aus.         gend die User Experience im Vordergrund
Präparation eines Mukoperiostlappens                 Ganz klar ist bereits, dass sich alle Her-   stand. Dann müssen die Benannten Stel-
können die Dauer der Implantation und die        steller von Medizinprodukten zukünftig mit       len zukünftig besonders kritisch prüfen, ob
postoperativen Beschwerden reduziert             der MDR intensiv beschäftigen müssen,            nach DIN EN ISO 9241-11 tatsächlich der
werden. Das Risiko ästhetischer oder peri-       wenn sie nicht zivil- oder strafrechtliche       klinische Nutzen für den Patienten eben-
implantärer Komplikationen kann durch ei-        Haftungen oder auch Marktausschlüsse             falls optimiert wurde oder ob er sich even-
ne optimierte Implantatpositionierung redu-      ihrer Produkte durch die EU riskieren            tuell sogar verschlechtert hat.
ziert werden [8, 13]. Eine navigierte trans-     möchten. Denn nach Ansicht der EU-Kom-                Dieser Bericht soll sich allein diesem
gingivale Implantation verzeiht jedoch dem       mission sind vermeidbare Risiken für den         Thema der softwarebasierten, schablo-
Behandler keinerlei Planungs- und Pas-           Patienten infolge mangelnder Gebrauchs-          nengestützten „Implantatnavigation“ mit
sungsfehler und lässt kaum korrektive            tauglichkeit vieler Medizinprodukte noch         der Herstellung von Bohrschablonen im
Maßnahmen während des Eingriffs zu [10].         nicht ausgeschlossen.                            Rapid-Prototyping-Verfahren         widmen,
     Um die rein virtuell erstellte Implantat-       Auch die FDA (U.S. Food and Drug             dem in jüngster Zeit eine erhöhte öffent-
planung beim Patienten in die Wirklichkeit       Administration Update Q1 2019) möchte            liche Aufmerksamkeit geschenkt wird.
zu überführen, bietet sich eine Vielzahl         Medizinprodukte zukünftig nicht mehr ein-        Dieses Verfahren wird oft etwas irrefüh-
von Lösungsmöglichkeiten an. Durchge-            fach deshalb zulassen, weil es ein Vorgän-       rend als „statische Navigation“ bezeich-
setzt haben sich die Implantatnavigations-       gerprodukt gibt. Sie möchte damit die Ge-        net, hat jedoch mit Navigation im engeren
systeme, die zum Ziel haben, eine implan-        fahr unterbinden, dass Nachahmerpro-             Sinn nichts zu tun. Manche Hersteller
tatbohrergeführte Schablone zu generie-          dukte und veraltete Technologien und             nutzen den daraus resultierenden Hype
ren, um so die Implantatposition in allen        Verfahren gefördert werden.                      und das gesteigerte Kaufinteresse des-
drei Raumrichtungen, in der korrekten                Manche Hersteller von Medizinpro-            halb sehr gerne aus, weil vor Kurzem
Winkelposition und eventuell auch in der         dukten legen für eine höhere Marktakzep-         auch die Schutzrechte für Patente des
Rotationsposition zu übertragen.                 tanz zu oft den Fokus auf eine gute „User        3D-Drucks und der Stereolithografie
     Bei der Herstellung dieser Bohrschab-       Experience“, ein positives Benutzungser-         nach 20 Jahren abgelaufen sind und die
lonen hat sich ein Wandel vollzogen. In letz-    lebnis ihrer Anwender, statt den Fokus auf       Investitionen sich somit schneller amorti-
ter Zeit hat sich eine besondere, rein digita-   eine große Gebrauchstauglichkeit zu le-          sieren könnten.
le Herstellungsweise der zur Navigation be-      gen, die bei Medizinprodukten zukünftig               Die hier gezeigten Sachverhalte, dass
nötigten Bohrschablonen durchgesetzt. Sie        vermehrt gefordert ist, um unnötige Risi-        Medizinprodukte manchmal nur im Hin-
erfolgt über 3D-Druck-Verfahren, im Spe-         ken ausschließen zu können.                      blick auf eine gute „User Experience“ für
ziellen Stereolithografie. Diese Herstel-                                                         den Anwender und nicht für eine verbes-
lungsverfahren werden als Rapid Prototy-         Definition von „User Experience“                 serte Gebrauchstauglichkeit mit konse-
ping bezeichnet.                                 (Benutzungserlebnis):                            quenter Reduktion des Risikos für die Pa-
                                                 Die ISO 9241-210:2011 definiert „User Ex-        tienten entwickelt wurden, sind auch auf
MEDICAL DEVICE                                   perience“ als Wahrnehmungen und Reak-            viele andere Bereiche von Medizinproduk-
REGULATION (MDR)                                 tionen einer Person, die aus der tatsächli-      ten übertragbar. Der Bedarf an „Usability
Die neue EU-Medizinprodukteverordnung            chen und/oder der erwarteten Benutzung           Engineering“, wie die Erhöhung der Ge-
(Medical Device Regulation: MDR) wird            eines Produkts, eines Systems oder einer         brauchstauglichkeit im Qualitätsmanage-
zukünftig erhebliche Auswirkungen auf die        Dienstleistung resultieren.                      ment der Medizinprodukte genannt wird,
Zulassung aller Medizinprodukte in                                                                ist mit Einführung der MDR immens groß
Europa haben. Speziell in der softwareba-        Definition von „Usability“                       geworden.
sierten Implantatnavigation könnte eine          (Gebrauchstauglichkeit):                              Die neue europäische Medizinpro-
neu definierte Freigabeentscheidung ge-          In DIN EN ISO 9241-11 ist „Usability“ defi-      dukteverordnung ist am 5. Mai 2017 ver-
fordert werden, um den neuen Anforde-            niert als Ausmaß, in dem ein System, ein         öffentlicht worden und am 25. Mai 2017 in
rungen der MDR nach höchstmöglicher              Produkt oder eine Dienstleistung durch           Kraft getreten. Sie ersetzt alle bisher gül-
Risikominimierung für den Patienten              bestimmte Benutzer in einem bestimmten           tigen nationalen Medizinproduktegesetze
Rechnung tragen zu können.                       Nutzungskontext genutzt werden kann,             und -verordnungen der EU-Mitgliedstaa-
    Eine wichtige Rolle im Zulassungspro-        um festgelegte Ziele effektiv, effizient und     ten und hat folglich erheblichen Einfluss
zess von Medizinprodukten spielen „Be-           zufriedenstellend zu erreichen.                  auf die Zulassung und Vermarktung von

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I REVIEW I

Medizinprodukten. Das Inkrafttreten der
Medical Device Regulation bewirkt den
größten Wechsel in der Geschichte des
Medizinprodukterechts in den vergange-
nen 25 Jahren. Sie verlangt die Rezertifi-
zierung auch schon auf dem Markt be-
findlicher Medizinprodukte. Die regulato-
rischen Anforderungen der MDR sind
sehr hoch. Schaffen sie aufgrund der ver-
schärften Kriterien nicht die erneute Be-
wertung, könnten sie zukünftig vom Markt

                                                                                                                                              Abb. 1-10: Axel Scheffer
ausgeschlossen werden.
    Die Übergangsfrist endet nach drei
Jahren (am 25. Mai 2020), innerhalb de-
ren die Zertifizierung von Medizinproduk-
ten nach altem wie neuem Recht gültig
ist. Spätestens ab dem 26. Mai 2020                Abb. 1: Der zeitliche Ablauf der Einführung der neuen europäischen Medizinproduktever-
müssen Hersteller beim erstmaligen                 ordung (Medical Device Regulation, MDR)
Inverkehrbringen von Medizinprodukten
ein EG-Zertifikat nach der neuen MDR
vorlegen können.
    Medizinprodukte mit Zertifikaten nach
der alten Medizinprodukterichtlinie MDD
und AIMDD verlieren spätestens am
27. Mai 2024 ihre Gültigkeit. Medizinpro-
dukterichtlinien (MDD und AIMDD) nach
Annex IV/4 verlieren ihre Gültigkeit bereits
am 27. Mai 2022 (Abb. 1).
    Die neue europäische Medizinproduk-
teverordnung formuliert auch die Anforde-
rungen an die Konformitätsbewertung von
Medizinprodukten. Sie fasst zwei bisher
eigenständige Medizinprodukterichtlinien
zusammen und ersetzt sie. Als europäi-             Abb. 2: Zukünftig wird es die EU direkt in der Hand haben, von EU-Behördenseite eine
sche Verordnung, in Abgrenzung von eu-             Untersagung des Inverkehrbringens eines nicht MDR-konformen Medizinprodukts auszu-
ropäischen Richtlinien, ist die Medical De-        sprechen.
vice Regulation innerhalb der angegebe-
nen Frist als europäisches, übernationa-
les Recht anzuwenden. Ein zusätzliches
nationales Medizinproduktegesetz als
rechtliche Basis ist zukünftig denkbar          gere Relevanz. Sie behalten natürlich           – kürzere Meldefristen bei der Marktüber-
(Abb. 2).                                       weiterhin eine wichtige Aussagekraft be-          wachung
    Da die Frage im Fokus steht, welcher        züglich der Qualität des Herstellungspro-       – Änderungen (oft Höherstufung) in der
klinische Nutzen und welche möglichen           zesses. Da sie aber stets nur einen Teil-         Klassifizierung
Risiken für den Patienten bei einem Medi-       prozess der Implantatnavigation betrach-        – „Scrutiny-Verfahren“ für bestimmte Im-
zinprodukt in Europa vorliegen, müssen          ten, der die Gebrauchstauglichkeit im             plantate und Produkte mit hohem Risiko:
die Hersteller sorgfältig das klinische Leis-   Praxisbetrieb nicht berücksichtigt, sind          Anträge auf Konformitätsbewertung für
tungsversprechen formulieren und ver-           sie nicht für die klinische Bewertung ei-         diese Produkte werden an eine Experten-
mehrt anhand klinischer Studien (d.h. aus       nes statischen „Navigationssystems“ ge-           kommission zur Prüfung weitergeleitet.
Sicht des Autors In-vivo-Studien) nach-         eignet.                                         – Aufwendigere und zusätzliche Berichte/
weisen.                                             Welche neuen Anforderungen kom-               Pläne, z.B. Post Market Surveillance
    Die in der Vergangenheit für die Zu-        men auf alle Hersteller von Medizinpro-           Plan/Report, Summary of Safety and
verlässigkeit von „Implantat-Navigations-       dukten zu?                                        Clinical Performance (SSCP)
systemen“ viel zitierten In-vitro-Studien       – höhere Anforderungen an die Erstellung        – Einführung einer UDI-Kennzeichnung
haben nach den Vorgaben der Medizin-              klinischer Daten (z.B. in der klinischen        (Identifizierungsnummer, die zukünftig
produkteverordnung eine deutlich gerin-           Bewertung)                                      jedes Produkt haben muss)

                                                                  - 16 -                              Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I REVIEW I

    Diese Aufzählung macht deutlich, dass      im Mund des Patienten. Dort sind die Ab-      von Flügge et al. kann als Gebrauchstaug-
die neuen Anforderungen der MDR für vie-       weichungen um ein Vielfaches höher als        lichkeitsstudie gewertet werden [5]. Hier
le Hersteller, die noch nicht vorbereitet      die Abweichungen innerhalb der Schablo-       wurden allein bei dem Überlagerungspro-
sind, zur Herkulesaufgabe werden.              ne beziehungsweise die Abweichungen,          zess (Matching) maximale Abweichungen
                                               die aus dem Spiel des Bohrers innerhalb       zwischen DICOM- und Oberflächendaten-
NACHHOLBEDARF AN                               der Bohrhülse resultieren.                    satz von 9,1 mm bei einer mittleren Abwei-
INFORMATIONSPOLITIK                                Tatsächlich werden zurzeit zu häufig      chung von 0,7 mm ermittelt. Dieser Pro-
Das Informationsmanagement der Herstel-        In-vitro-Studien publiziert, die den An-      zess wurde manuell von nur vier Chirurgen
ler von softwarebasierten Navigationssys-      schein der Zuverlässigkeit der aktuellen      durchgeführt. Die Ausreißer bei der Über-
temen steht vor der Herausforderung, die       „Navigationssysteme“ darlegen. Da sie         lagerung nach automatischer Segmentie-
erfolgskritischen Informationen an die End-    aber meist nur auf kontrollierten Labor-      rung waren noch höher. Es zeigte sich,
kunden zu vermitteln. In diesem Zusam-         prüfständen durchgeführt werden, unter-       dass das Können und die Interpretations-
menhang wird von den Herstellern immer         suchen sie nur den Herstellungsprozess        fähigkeit des jeweiligen Anwenders die
wieder die Frage gestellt, wie viel Informa-   der Bohrschablone, nicht aber die Ge-         entscheidende Rolle dabei spielen, wie
tionen ein Kunde verträgt und wann die         brauchstauglichkeit der Systeme unter         hoch der Versatz im Überlagerungspro-
Grenze zum Informationsoverload über-          Praxisbedingungen.                            zess ausfällt. Die ermittelten Werte lassen
schritten ist. Bei einem Overload stehen           Die Hersteller weisen natürlich auf die   den Schluss zu, dass sie im Gegensatz zu
dem Kunden so viele Informationen zur          Möglichkeit der Abweichungen hin, die         den Fertigungstoleranzen von Bohrschab-
Verfügung, dass die Hersteller befürchten,     durch mangelnde Qualität der Arbeitsun-       lonen sehr viel höher ausfallen können.
dass der Kunde vom Medizinprodukt (in          terlagen entstehen können und betonen,        Diese Studien müssen noch vielfach nach-
diesem Fall die Navigationssoftware bzw.       dass sich dies außerhalb ihres Zuständig-     geholt werden, da die MDR-Gebrauchs-
dessen Produkt) Abstand nimmt.                 keitsbereichs ereigne. Mit diesem Hinweis     tauglichkeitsakten für jedes Medizinpro-
    Welchem Risiko der Patient oder die        bescheinigen die Hersteller möglicherwei-     dukt vorschreiben.
Patientin bei der Anwendung des Naviga-                                                           Eingeschränkt wird die Gebrauchs-
tionssystems ausgesetzt ist, wird aus mei-                                                   tauglichkeit von Implantat-Bohrschablo-
ner Sicht nicht immer ausreichend kommu-                                                     nen durch zahlreiche Einflussparameter,
niziert. Denn ungewollte Abweichungen                                                        die die Prozessstabilität stark reduzieren:
von der geplanten Implantatposition kön-         Erst die patientenindivi-                   – Qualität der Arbeitsunterlagen: Abdrücke,
nen bei manchen Systemen immer wieder          duelle Genauigkeitsprüfung                       intra- oder extraorale Scans, DVTs oder
trotz genauester Planung und Anwendung                                                          CTs
                                                aller Bohrschablonen und
der höchstmöglichen Zahl geführter Im-                                                       – Qualität des Matchingprozesses, auch
plantatbohrer mit sukzessive steigendem
                                               die Freigabe vom Chirurgen                       mitunter starke personenbezogene
Durchmesser auftreten.                         ermöglichen eine akzeptable                      Unterschiede in der Softwareanwen-
    Aktuelle In-vivo-Studien ermittelten         Gebrauchstauglichkeit.                         dung
nach Anwendung der über den digitalen                                                        – Herstellungsqualität (3D-Druck oder
Workflow und stereolithografisch herge-                                                         Herstellung über ablative Verfahren)
stellten Bohrschablone Abweichungen bis                                                      – fehlende Kontrollmöglichkeiten
zu 2,2 mm an der Implantatschulter und                                                       – fehlende Freigabeentscheidung
bis zu 2,5 mm am Implantatapex. Die            se eine mangelnde Gebrauchstauglich-               Eine verbesserte Prozessstabilität durch
Standardabweichungen liegen in der Re-         keit, die mit der Einführung der MDR jetzt    Änderung des Workflows und eine Überprüf-
gel bei ein bis zwei Millimetern [16].         in den Fokus gerückt ist. Diese uner-         barkeit während des Herstellungsprozesses
    Bei Zygoma-Implantaten ist sogar           wünschten Ereignisse beruhen auf Bedie-       der Bohrschablone und des Endergebnisses
schon eine Maximalabweichung von               nungsfehlern und ggf. auf einer hohen         können da wirksame Abhilfe schaffen.
9,7 mm an der Implantatspitze gemessen         Techniksensitivität im rein digitalen Work-        Eine Rückbesinnung auf die ursprüng-
worden, obwohl die einzelnen Implantat-        flow.                                         lich zeitgleich entwickelten Implantatnavi-
bohrer mit zunehmendem Durchmesser                 Die techniksensitive Prozesskette         gationssysteme, die eine Röntgenschab-
alle geführt wurden [3].                       zeichnet sich dadurch aus, dass sie unter     lone benutzen, wäre hilfreich und zielfüh-
    Die möglicherweise starken Abwei-          Laborbedingungen gut funktionieren, aber      rend.
chungen belegen somit die geringe Ge-          im realen Praxisbetrieb versagen kann.             Diese Navigationssysteme sind leider,
brauchstauglichkeit vieler aktueller „Navi-    Diese Techniksensitivität ist bei „Rapid-     bis auf wenige Ausnahmen, nicht konse-
gationssysteme“, denn der Herstellungs-        Prototyping-Systemen“ besonders stark         quent weiterentwickelt worden. Letztlich
prozess der einzelnen Schablonen findet        ausgeprägt und bedarf höchster Präzision      muss diese Technik als Messlatte für andere
in einem weit genaueren Umfang statt. Es       aller Beteiligten [14].                       Systeme dienen. Denn dieses System kann
liegt also nicht an der Genauigkeit inner-         Zurzeit gibt es kaum Studien, die die     durch Anwendung einer Röntgenschablone
halb der Bohrschablonengeometrie, son-         Gebrauchstauglichkeit (Usability) von         auch bei Metallartefakten in der Tomografie
dern eher an dem Sitz der Bohrschablone        Bohrschablonen untersuchten. Die Studie       und bei stark zahnreduziertem oder zahnlo-

Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01                     - 17 -
I REVIEW I

sem Kiefer auf Genauigkeit überprüft, eine
Freigabeentscheidung kann getroffen und
umgesetzt werden. Damit sind Systeme für
die Forderung der MDR nach höchster Risi-
kominimierung verfügbar.
    Die Weiterentwicklung von Konzepten
zur Herstellung von Bohrschablonen aus
einer Röntgenschablone, die auch vor Ort
realisiert werden könnten, ist daher mit
Blick auf die MDR unbedingt zu fordern.

IEC 62366 – DIE ANWENDUNG
VON USABILITY ENGINEERING
Der internationale Standard IEC 62366 –
die Anwendung von Usability Engineering
auf Medizinprodukte – ist ein Standard,             Abb. 3: Wenn auf eine Scanschablone verzichtet wurde, muss der fehlende Bezug
der Usability-Anforderungen für die Ent-            über ein fehlerträchtiges Matching kompensiert werden. Die in der Praxis auftretende
wicklung von Medizinprodukten spezifi-              unterschiedliche Qualität der Arbeitsunterlagen und auch stark differierende persön-
ziert. Damit besteht für jeden Hersteller die       liche Fähigkeiten des Behandlers, den Matchingprozess zu interpretieren, können er-
Pflicht, eine normenkonforme Gebrauchs-             heblichen Einfluss auf die Genauigkeit der Bohrschablone und somit auf das Implanta-
                                                    tionsergebnis haben.
tauglichkeitsakte zu erstellen.
     Um in Zukunft eine hohe Gebrauchs-
tauglichkeit gewährleisten zu können, wer-
den die Navigationsbohrschablonen fol-
gende Eigenschaften aufweisen müssen:
– Kontrollprozesse während und nach der
   Herstellung der Schablonen
– patientenindividuelle Genauigkeitsprü-
   fung und anschauliche Präsentation der
   Ergebnisse
– Freigabeentscheidung der Bohrschab-
   lone durch den Chirurgen anhand der
   oben ermittelten Ergebnisse
     Betroffen sind aus Sicht des Autors alle
Navigationssysteme, die auf Röntgen-
schablonen ohne Not verzichten und den              Abb. 4: Zukünftig gibt es kein Medizinprodukt ohne klinische Bewertung mehr. Sie führt
fehlenden Bezug von Modell und Tomogra-             einen systematischen und geplanten Prozess zur kontinuierlichen Generierung, Samm-
fie mithilfe eines Matchingprozesses simu-          lung, Analyse und Bewertung der klinischen Daten zu einem Produkt ein, mit dem Si-
lieren. Um für diesen Matchingprozess eine          cherheit und Leistung einschließlich des klinischen Nutzens des Produkts bei vom Her-
Oberfläche im dreidimensionalen Röntgen-            steller vorgesehener Verwendung überprüft werden.

bild zu erzeugen, müssen im DVT oder CT
Grauwertabstufungen in den Schnittbildern
der Tomografie interpretiert werden. Zu die-
sen ermittelten Oberflächendaten oder
Grauwertabstufungen werden die Oberflä-          möglichst gering zu halten (Abb. 3). Da die-    Medizinprodukte präsentieren und veröf-
chendaten eines Modells gelegt. Dieser           ser Prozess aber auch mit Inspektionsfens-      fentlichen müssen. Über die UDI (Unique
Schritt ist sehr fehlerträchtig. Eine transpa-   ter kaum überprüft werden kann, ist der Sitz    Device Identification) wird in Kürze in Europa
rente Identifizierung von Fehlern in syste-      der Schablone auf Zähnen und Kiefer zu-         jedes Medizinprodukt transparent, da die
matischer, quantifizierter Weise fehlt.          nächst unbekannt, und das vergrößert die        Zertifikate in der öffentlich zugänglichen Eu-
     Es wird zwar versucht, den Fehler zwi-      Möglichkeit für Deviationen des Bohrstol-       damed Databank einzusehen sind. Diese
schen dem virtuellen Zusammenführen der          lens nach Anwendung der Bohrschablone           Datenbank soll für alle zugänglich gemacht
beiden digitalen, aber unterschiedlichen         zum Einbringen von Zahnimplantaten.             werden. Die klinischen Daten der verschie-
dreidimensionalen Daten und dem realen                Zu begrüßen ist, dass sich die Informa-    denen Medizinprodukte können dann direkt
Aufsetzen einer aus virtuellen Modelldaten       tionspolitik der Hersteller insofern ändern     miteinander verglichen werden.
erstellten Bohrschablone auf dem Kiefer-         wird, als sie in Zukunft nach den Vorgaben          Die klinische Bewertung zählt zu den
kamm bzw. der Zahnreihe des Patienten            der MDR explizit klinische Ergebnisse ihrer     wichtigsten Dokumenten einer jeden tech-

                                                                   - 18 -                               Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
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