ZZI Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie - Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
ZZI 1/2019 Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie / JDI Journal of Dental Implantology www.online-zzi.de MEDIZINPRODUKTE- VERORDNUNG 14 Chancen und Grenzen von Zirkonoxidimplantaten 26 Effizientes Überweiserkonzept 30 - U1 - Herausgeber/Editor: Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich e.V. und Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V. und Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 Organ der Österreichischen Gesellschaft für Implantologie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. This journal is regularly listed in SCOPUS and CCMED/LIVIVO.
Besuchen Sie uns auf der IDS 2019 Halle 4.2 Stand G-80 K-89 Straumann® CARES® Digital Solutions 3Shape TRIOS® Intraoral Scanner Jeden Ton aufzeichnen PATIENTEN- EFFIZIENZ PRÄZISION KOMFORT Zeitersparnis Digitale Präzision und Schnell und präzise und mehr Vermeidung erstellte Abformungen Behandlungen manueller Fehler in naturgetreuen Farben Weitere Informationen zu 3Shape TRIOS® erhalten Sie von Ihrem Straumann® Vertriebsmitarbeiter vor Ort. Oder besuchen Sie www.straumann.de/trios. - U2 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I EDITORIAL I 25. GEBURTSTAG: GEWAPPNET FÜ R DIE ZUKUNFT 25 Jahre ist ein gutes Alter, um die Weichen für eine weitere, langfristige Entwicklung zu stellen. Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz Ihrer Altersgruppe nach gehört die DGI zur Generation Y, den sogenannten Millennials. Diesen wird nach- gesagt, dass sie Dinge gerne hinterfragen. Ebenso gelten die Millennials als Meister des Improvisierens. Intensives Arbeiten und lebenslanges Lernen sei für sie selbstverständlich, sagen Soziologen, aber sie hätten gelernt, mit ihren Kräften zu haushalten. Solche sympathischen Eigenschaften lassen sich in der einen oder anderen Ausprägung durchaus auch bei der DGI beobachten – präzise: bei ihren Aktivitäten. Schließlich sind es Menschen, die die DGI zu dem ge- macht haben, was sie ist: zur größten Fachgesellschaft Europas auf ihrem Gebiet. Sie treibt als ein starker Motor die Entwicklung in der Implantologie voran. Am 19. März 2019 wird die DGI 25 Jahre alt. Bei Menschen gilt der 25. Geburtstag generell als ein guter Zeitpunkt, zu überlegen, wie es weitergeht. Auch bei einer Gesellschaft, die in 25 Jahren groß und kräftig ge- worden ist, die vieles geleistet hat und dies weiterhin tut, ist es sicherlich sinnvoll, sich einige Gedanken über die Zukunft zu machen. Dies hat der Vorstand der DGI getan. Kommunikation. Wir werden sicherlich viele Dinge, die die DGI schon seit vielen Jahren gut macht, weiter ausbauen. Dazu gehört beispielsweise die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden. Auch die Kommuni- kation innerhalb unseres Vereins wollen wir intensivieren. Dies ist bei 8500 Mitgliedern durchaus eine He- rausforderung. Doch wir machen die Erfahrung, dass Gesprächsangebote gerne angenommen werden. Un- sere Einladung „Triff den Vorstand“ zum Auftakt unseres 32. Kongresses der DGI in Wiesbaden stieß auf gro- ßes Interesse, vor allem bei vielen jüngeren Mitgliedern. Viel positives Feedback bekam unser neue Fortbil- dungsreferent Dr. Christian Hammächer, als er unsere Mitglieder bat, ihm Wünsche und Vorstellungen zu schicken, wie unsere Fortbildung gemeinsam weiterentwickelt werden könnte. Einiges haben wir bereits in Angriff genommen. Kooperation. Ausbauen wollen wir eine Aktivität, die bereits in den letzten Jahren begonnen hat: die Zusam- menarbeit mit anderen Fachgesellschaften. Bereits der letzte Vorstand hat mehrere Kooperationen auf den Weg gebracht. Zuletzt unterzeichneten die amtierenden Präsidenten anlässlich des 32. Kongresses eine Ko- operationsvereinbarung zwischen der DGI und der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Zahnmedizin. Enger geworden ist der Austausch mit der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie. Gestartet wurde eine Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 -1-
I EDITORIAL I erste Zusammenarbeit von DGI und DG Paro auf der internationalen Ebene mit einer parodontologischen Gesellschaft in Spanien, der SEPA. Aber wir schauen auch über den Tellerrand der Zahnmedizin hinaus. Wir sind in Gesprächen mit der Deut- schen Gesellschaft für Innere Medizin. Diese Zusammenarbeit wird deshalb immer wichtiger, weil bei uns der Anteil von Patientinnen und Patienten wächst, die an inneren Erkrankungen leiden. Um diese gut zu behandeln, brauchen wir die Zusammenarbeit und den Austausch mit den Internistinnen und Internisten. Positionen. Weitergehen wird die Leitlinienarbeit der DGI, die auf diesem Gebiet eindeutig zu den Pionieren in der Zahnmedizin gehört. Mit den Leitlinien stehen uns Handlungsempfehlungen auf höchstmöglicher quali- tativer Ebene zur Verfügung. Sie verbinden die externe Evidenz und Studienlage mit unserer persönlichen Ex- pertise, unserer Erfahrung und Empirie sowie mit den Wünschen unserer Patienten. Das macht den besonde- ren Wert der Leitlinien aus. Die Bedeutung von Handlungsempfehlungen für die Implantologie wächst auch deshalb, weil die Kontra- indikationen schwinden und die Indikationen erweitert werden. Wenn es für uns heute eine Selbstverständlich- keit ist, bei Diabetikern zu implantieren, müssen wir uns dennoch fragen, ob wir wirklich bei allen Diabetikern die Indikation für eine Implantation stellen dürfen. Dies fragen sich auch Kolleginnen und Kollegen, wenn es um eine Implantation bei Patienten geht, die mit Antiresorptiva – etwa Bisphosphonaten oder Denosumab – be- handelt werden. Dann können Leitlinien helfen, im Einzelfall die richtige Antwort zu finden. Fortbildung. Die Fortbildung ist das Herz der DGI und ihre satzungsgemäße Aufgabe. Da sieht der DGI-Vor- stand zukünftig Entwicklungsarbeit. Wir können davon ausgehen, dass die Implantologie auch in der Zukunft kaum in der Approbationsordnung umfangreich abgebildet werden kann. Dafür reicht einfach die Zeit im Stu- dium nicht aus. Die Implantologie wird darum weiterhin als Querschnittsfach erst nach der Approbation einen zentralen Teil der Fortbildung darstellen können. Für diese Zukunft ist die DGI mit ihrem umfangreichen Fort- bildungsportfolio bestens gerüstet. Unser strukturiertes und zertifiziertes Curriculum Implantologie, das wir zusammen mit der APW anbieten, ist bislang das erfolgreichste Curriculum in der deutschen Zahnmedizin – und das soll es weiterhin bleiben. Dazu trägt unser e-Learning-Programm bei, die e.Academy. Das Curriculum richtet sich vor allem an die jungen ap- probierten Zahnärztinnen und Zahnärzte. Unser neues Mentorenprogramm, das in diesem Jahr erstmals greifen wird, soll diese jungen Kolleginnen und Kollegen auf ihrem beruflichen Weg unterstützen. Es stehen 80 Men- torinnen und Mentoren zur Verfügung, die sich bereit erklärt haben, die Teilnehmer des Curriculums sowie frü- here Absolventen, die sich auf ihre Prüfung vorbereiten, bis zur Zertifizierung zu begleiten. Die Tageskurse des Continuums vermitteln das aktuelle Wissen zu verschiedenen Aspekten und im neuen Format DGI Special beleuchten Experten verschiedener Fachrichtungen gemeinsam ein Thema, das zurzeit intensiv diskutiert wird. Hinzu kommen die vielen Angebote auf der Ebene der Landesverbände und der Qua- litätszirkel, sodass letztlich für den Geschmack jedes einzelnen Mitglieds etwas dabei sein dürfte. Implantologie – das Fach mit Zukunft. Gut vorbereitet sehen wir unser Fachgebiet und die DGI für weitere (medizinische) Herausforderungen der Zukunft. Der völlig unbezahnte Patient, der nach längerer Zahnlosig- keit noch aufwendige Augmentationen benötigt, wird zunehmend zu einer Seltenheit. Diese Indikation schwindet, während andere an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig werden die Patienten älter, die wir implan- tologisch versorgen. Diese Patienten leiden jedoch häufiger an Allgemeinerkrankungen und werden oft mit einer Vielzahl von Medikamenten behandelt. Die Behandlungsoptionen bei kompromittierten Patienten blei- ben eine Herausforderung. Wir müssen uns Gedanken machen, ob ein Implantat für einen ganz alten Pa- tienten mit vielfältigen Erkrankungen bis hin zu Demenz ein Handicap darstellen kann oder nicht. Wie kommt der Patient oder das Pflegepersonal damit zurecht? Doch wenn man den Gedanken zu Ende denkt, hat das Implantat einen wichtigen Vorteil: Es ist ohne operative Eingriffe rückbaubar, wenn es nicht mehr benötigt wird. Eine Konusarbeit auf einem natürlichen Zahn hingegen kann für Pflegekräfte gefährlich werden, wenn die Prothese nicht mehr getragen wird. Die Implantologie ist also für diese Phase des Lebens der Patienten gut gewappnet. -2- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I EDITORIAL I DIE „ NEUE“ DGI Jahrestagung signalisiert Aufbruchstimmung Dr. Sonia Mansour, M.Sc. Auf der sehr erfolgreich verlaufenen Jahrestagung 2018 der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) in Wiesbaden haben die zahlreich erschienenen Mitglieder einen neuen Vorstand für die kommenden drei Jahre gewählt. Auch wir – die Redaktion der ZZI – gratulieren dem neuen Vorstand zur Wieder- und Neuwahl und wünschen gutes Ge- lingen, neue Ideen und viel Unterstützung für die Umsetzung der anstehenden Aufgaben! Mir liegt es besonders am Herzen, die Chancen, die sich der DGI im Hinblick auf Wei- terentwicklung und Innovationen bieten, hervorzuheben und den Vorstand sowie die Mitglieder zur aktiven Teilnahme an der Gestaltung der Zukunft zu motivieren. Die mo- mentanen Entwicklungen in allen Bereichen samt spannender Umbrüche und Paradig- menwechsel können wir gerade jetzt miterleben. So eröffnet uns die Digitalisierung ge- fühlt unendlich viele Möglichkeiten. Man denke nur an Konzepte, die „Augmented Rea- lity“ oder „Artificial Intelligence“ nutzen und die auch in der Zahnmedizin immer konkreter werden. Das ist längst keine Zukunftsmusik mehr: Die Musik spielt jetzt! Die Digitalisie- rung betrifft aber nicht nur die fachliche Entwicklung, sondern auch die Präsenz und die Verfügbarkeit von Inhalten der DGI. Zweifellos ist da in letzter Zeit schon viel passiert. Mit der erstmaligen Wahl einer Kollegin in den Vorstand befinden wir uns mitten in dieser zukunftsorientierten Weiterentwicklung. Dass das im 21. Jahrhundert in einem In- dustrieland überhaupt noch Erwähnung finden muss, wundert leider nicht. Die Debatte der „Frauenquote“ hat schon viele andere Industriezweige und Institutionen erreicht und wird dort ebenfalls geführt. Ich sehe das als Zeichen, dass wir das Potenzial nutzen, das sich uns bietet, egal ob männlich oder weiblich. Und trotzdem fühlt es sich gut und „richtig“ an, dass die Gesellschaft diese „Genderdiskussion“ nicht verpasst. Für meinen Ge- schmack hätte das schon viel früher stattfinden können. Denn sicherlich hilft eine Kollegin im Vorstand, dass sich die Mitglieder mit „ihrer“ Gesellschaft mehr und mehr identifizie- ren können. Und dem hat sich die DGI als gemeinnütziger Verein ja verschrieben. An der bewährten Mischung aus Wissenschaftlern und Praktikern wird festgehalten. Dies hat gerade in der DGI eine lange Tradition, die für eine Balance sorgt, die anderswo ihresgleichen sucht. Die verstärkte Repräsentanz von Prothetikern kann ich ausdrücklich nur begrüßen. Denn auch wenn noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen implantieren, mit der Implantatprothetik sind viele Zahnärztinnen und Zahnärzte sehr vertraut. Sie gehört mittlerweile zur täglichen Praxisroutine. Ich persönlich fühle eine Art „Aufbruchstimmung“ in der DGI mit dem Mut, neue Wege zu beschreiten und mit der Zeit zu gehen. Damit bleibt diese für die Zahnmedizin so wichtige Gesellschaft modern und zukunftsweisend. Ich kann es kaum erwarten, was die DGI in der Zukunft für uns parat hält, und die gesamte Redaktion der ZZI freut sich auf ei- ne weitere gute Zusammenarbeit. Die Erwartungen sind groß, packen wir’s an! Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 -3-
I INHALTSVERZEICHNIS I INHALT 1, 3 EDITORIAL 8 REDAKTIONSTEAM Röntgenbilder eignen sich nicht, um Zementreste zu erkennen: Tipps & Tricks ab Seite 40 PRAXIS & WISSENSCHAFT PROTHESENVERANKERUNG 10 PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, PD Dr. Karl M. Lehmann MEDIZINPRODUKTEVERORDNUNG 14 Dr. Axel Scheffer ZIRKONOXIDIMPLANTATE 26 Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, PD Dr. Jeremias Hey EIN EFFIZIENTES ÜBERWEISERKONZEPT 30 Dr. Dr. Dieter H. Edinger VORBEREITUNG UND LAGERUNG 36 Prof. Dr. Dr. Christian Walter VERSCHRAUBT VERSUS ZEMENTIERT 40 Dr. Alexander Müller-Busch, Dr. Frederic Kauffmann KIEFERORTHOPÄDIE ERLERNEN UND VERTIEFEN 46 PD Dr. Dr. Peer Kämmerer DER IMPLANTATPROTHETIKER ALS ARCHITEKT 48 Fabian Knüver -4- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
FÜR SOUVERÄN IN ALLEN KNOCHENQUALITÄTEN: PROGRESSIVE-LINE KNOCHEN- JOBS. SPEZIALIST FÜR WEICHEN KNOCHEN: • Apikal konischer Bereich für hohe Primärstabilität ohne Umwege NEU AB DER IDS 2019 • Gewinde bis zum Apex – ideal für Sofortimplantationen HALLE 11.3 • Sägezahngewinde mit verbreiterter Flankenhöhe STAND A010 / B019 • Flexibles Bohrprotokoll, um jede Situation zu meistern ERLEBEN SIE DEN PROGRESSIVE-EFFEKT. NEUGIERIG? TELEFON 07044 9445-479 Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 -5-
I INHALTSVERZEICHNIS I Konventionelle Versorgung des zahnlosen Unterkiefers mit zwei Implantaten: Studienzu- sammenfassung ab Seite 10 DGI NACHRICHTEN 50 TAGUNGSKALENDER DER DGI POTENZIAL DER PERSONALISIERTEN ZAHNMEDIZIN NUTZEN 54 Rückblick auf den 32. Kongress der DGI, 29.11. − 01.12.2018 VOLLE KRAFT VORAUS 62 Neuer DGI-Vorstand seit 30. November 2018 „CARPE DIEM: NUTZE DEN TAG UND DEIN LEBEN“ 64 Im Portrait: Dr. Dr. Anette Strunz, die neue Pressesprecherin der DGI „DAS ERNSTE LEBEN MIT MÖGLICHST VIEL LEICHTIGKEIT MEISTERN“ 66 Im Portrait: Dr. Christian Hammächer, der neue Fortbildungsreferent PROFESSIONELLE BETREUUNG VON IMPLANTATPATIENTEN 68 Das neue Fortbildungsangebot der DGI für zahnmedizinische Fachangestellte „MOTOREN MIT VOLLGASFUNKTION“ 70 Laudatio auf die neuen DGI-Ehrenmitglieder DIE DGI-MENTOREN 73 80 Helfer für Implantologie-Einsteiger 74 IMPLANT FILES: DGI NIMMT STELLUNG ZUR SICHERHEIT VON IMPLANTATEN 76 SEDIERUNG UND NOTFALLMANAGEMENT KONZEPTE IM WETTSTREIT 78 33. Kongress der DGI 2019 in Hamburg: hören, sehen, erleben, machen 80 MARKT 87 OFFENLEGUNG INTERESSENKONFLIKTE 88 IMPRESSUM -6- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
Individualisierte Knochenregeneration Innovative Lösungen für komplexe Knochendefekte Yxoss CBR® Yxo herg hergestellt von ® R ReOss Yxoss CBR® Backward 3D animiertes Implantation mit Chirurgie-Video Orientierungshilfe Kombinierte 3D Implantat- und Augmentatplanung Einbringen von Augmentationsmaterial, Bitte senden Sie mir: wahlweise vor oder nach der Fixierung Geistlich Biomaterials Produktkatalog Informationsmaterial YXOSS CBR® Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH per Fax an 07223 9624-10 Schneidweg 5 | 76534 Baden-Baden Tel. 07223 9624-15 | Fax 07223 9624-10 info@geistlich.de | www.geistlich.de Praxisstempel ZZI 01/2019 www.geistlich.de/yxoss Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 www.reoss.eu -7-
I REDAKTIONSTEAM I ZZI-REDAKTIONSTEAM → PROF. DR. DR. BILAL AL-NAWAS → PD DR. JEREMIAS HEY → PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER Chefredakteur Schriftleitung Bereich Prothetik Schriftleitung Bereich Chirurgie → DR. FREDERIC KAUFFMANN → DR. SONIA MANSOUR, M.SC. → PROF. DR. DR. CHRISTIAN WALTER Schriftleitung Bereich Parodontologie Schriftleitung Bereich Digitales Schriftleitung Bereich Chirugie → DR. KARL-LUDWIG ACKERMANN → PROF. DR. GERMÁN GÓMEZ-ROMÁN → PROF. DR. MARTIN LORENZONI Erweiterte Schriftleitung Erweiterte Schriftleitung Erweiterte Schriftleitung → PD DR. KARL M. LEHMANN → DR. AXEL SCHEFFER → DR. DR. DIETER H. EDINGER Autor Autor Autor → DR. ALEXANDER MÜLLER-BUSCH → BARBARA RITZERT → GABRIELE SCHUBERT Autor DGI-Nachrichten Redaktionelle Koordination -8- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
ISQ als Orientierungshilfe bei der Implantation Besser ist das neue gut Das Osstell Beacon hilft Ihnen dabei, die Implantatstabilität objektiv festzustellen und den Grad der Osseointegration zu messen – ohne den Heilungsprozess zu gefährden. Patienten mit Risikofaktoren Unnötig lange Behandlungs- Besser vorhersehbare erfolgreich behandeln dauer vermeiden Ergebnisse erzielen Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 -9- W&H Deutschland GmbH, t 08682 8967-0 wh.com
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I PROTHESEN- VERANKERUNG Nur ein Implantat zur Stabilität von Unterkiefervollprothesen? PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, PD Dr. Karl M. Lehmann EINLEITUNG plantaten vorgeschlagen, was zu guten führen, dass mehr Menschen von dieser Bei im Unterkiefer zahnlosen Patienten ist Langzeitergebnissen führt. Allerdings Behandlung profitieren könnten. In einer die fehlende Retention und Stabilität von können Kosten sowie ein möglicherweise systematischen Literaturanalyse und Me- Unterkiefervollprothesen ein Faktor, der eingeschränktes Knochenangebot gegen taanalyse von 2016 bestätigten Sriniva- zu vielfältigen Problemen – beginnend bei diese Versorgung sprechen. Eine Alter- san et al., dass die vorhandene wissen- der eingeschränkten Kaufähigkeit bis hin native stellt eventuell die chirurgische schaftliche Evidenz für den Einsatz von zu einer reduzierten Lebensqualität, ei- Einbringung eines einzigen Implantats durch ein einziges Implantat gestützten nem verminderten Selbstwertgefühl und dar, das nach der entsprechenden prä- Unterkiefervollprothesen noch unzurei- schließlich eingeschränkten Sozialkon- operativen Diagnostik in die Mittellinien- chend ist – insbesondere im Vergleich mit takten – führen kann. Im Gegensatz dazu Symphysenregion der Mandibula inse- 2 Implantaten. Bevor diese Behandlung bieten mit Implantaten im zahnlosen Un- riert und zur Verankerung des Zahnersat- für zahnlose Unterkiefer empfohlen wer- terkiefer befestigte Vollprothesen ihren zes im Sinne der Reduzierung einer nega- den könne, seien daher Langzeitbeob- Trägern Komfort, Optimismus und insge- tiven Prothesenmobilität verwendet wird. achtungen erforderlich, und es wurden samt eine deutliche Erleichterung. Ge- Diese weniger invasive und kostengünsti- größere patientenorientierte klinische wöhnlich wird eine Mindestzahl von 2 Im- gere Intervention würde potenziell dazu Studien vorgeschlagen. Das Ziel der vor- - 10 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I liegenden Literaturanalyse ist es daher, Gruppen frakturierte jeweils eine Vollpro- Eine randomisierte klinische Studie zu die neu entstandene Evidenz für diese these. Nach 3 und 6 Monaten war die Pa- mundbezogener Lebensqualität, peri- Versorgungsmodalität herauszuarbeiten tientenzufriedenheit zwischen den Grup- implantären und kinesiografischen Pa- und zu bewerten. pen ähnlich, wobei nach 12 Monaten in der rametern bei Trägern von Unter- Gruppe mit 2 Implantaten signifikant höhe- kiefertvollprothesen, die auf einem oder LITERATURÜBERSICHT re Werte erreicht wurden: Dies lag vor al- zwei Implantaten verankert sind. lem an der geringeren Retention, die mit A Randomized Clinical Trial of Oral Paleari AG, Oliveira Junior NM, Marin nur einem Implantat erreicht werden konn- Health-Related Quality of Life, Peri-Im- DOM, Rodriguez LS, Ariolo Filhi JN, Pero te. Die Kauleistung war in der Gruppe mit plant and Kinesiograph Parameters in AC, Compagnoni MA einem Implantat zu allen Zeiträumen Wearers of One- or Two-Implant Mandibu- Einjährige prospektive klinische Studie schlechter als nach Verwendung von 2 Im- lar Overdentures zum Vergleich der Patientenzufrieden- plantaten. J Prosthodont 2018 Apr 20. DOI: heit und der Kauleistung von Unterkiefer- 10.1111/jopr.12796. [Epub ahead of print] vollprothesen, die entweder durch ein Zusammenfassung: oder durch zwei Implantate verankert Sowohl im Bereich der Patientenzufrie- Art der Studie: sind. denheit als auch im Bereich der Kauleis- Klinische prospektive randomisierte Fall- One-year prospective clinical study com- tung wurden für die Gruppe mit 2 Implanta- Kontroll-Studie paring patient satisfaction and masticatory ten bei einer Nachsorgezeit von 12 Mona- performance of mandibular overdentures ten im Vergleich zu der Gruppe mit einem Fragestellung: supported by one versus two implants Implantat in der Mitte signifikante Vorteile Existieren Unterschiede in der mundbe- J Appl Oral Sci 2018 Oct 4;26:e20160628 gesehen. zogenen Lebensqualität, den periimplan- tären und den kinesiografischen (Bewe- Art der Studie: Beurteilung: gungen der Prothese beim Kauen) Para- Prospektive, randomisierte Fall-Kontroll- Statistisch ist bei einer Fallzahl von < 14 metern zwischen Patienten, bei denen ei- Studie Patienten pro Untersuchungsgruppe von ne Unterkiefervollprothese mit einem einer Power der Analyse von < 80 % aus- oder mit zwei Implantaten verankert wur- Fragestellung: zugehen. Das Erhalten von „echten“ sta- de? Unterscheiden sich die Patientenzufrie- tistischen Signifikanzen kann also ange- denheit und die Kauleistung bei zahnlosen zweifelt werden. Vorteilhaft wirkt sich die Material und Methoden: Patienten mit einer Verankerung der Un- Verwendung von Schablonen zur Positio- 21 komplett zahnlose Patienten erhielten terkieferprothesen auf einem oder auf nierung der Implantate im Sinne einer op- neue Oberkiefer- und Unterkiefervoll- zwei Implantaten? timalen Prothesenunterstützung aus. Zur prothesen und wurden randomisiert mit 1 Retention der Prothesen wurde – analog (n = 11) oder mit 2 Implantaten (n = 10) im Material und Methoden: zu vielen anderen Studien – ein wenig re- Unterkiefer versorgt. Ausgeschlossen Eingeschlossen wurden 21 komplett tentives O-Ring-Element verwendet. Der wurden Patienten mit Parafunktionen, zahnlose Patienten ohne Parafunktionen, Einsatz anderer Retentionsmöglichkeiten vorherigen Implantatbehandlungen, un- vorherige Implantate, nicht eingestellten hätte eventuell zu anderen, besseren Er- kontrolliertem Diabetes mellitus, Alkohol- Diabetes mellitus, Alkohol- und/oder Niko- gebnissen geführt. In beiden Gruppen und Tabakabusus sowie mit Herzschritt- tinabusus und Einschränkungen der sys- wurden im Übrigen die gleichen Elemente machern. Nach einer Einheilzeit von un- temischen Gesundheit. 30 Tage nach Her- eingesetzt. Darüber hinaus werden keine gefähr 4 Monaten wurden die Implantate stellung und Eingliederung neuer Ober- Informationen zur prothetischen Verfah- freigelegt und mittels O-Ring-Retentions- und Unterkiefervollprothesen erhielten rensweise, insbesondere zur Bestimmung elementen in die Prothesen eingearbei- 11 ein und 10 zwei Implantate im Unterkie- der Kieferrelationen, oder zu okklusalen tet. Nach 3, 6 und 12 Monaten wurden die fer, die 4–5 Monate später in die Prothe- Konzepten aufgeführt. Dies hat maßgeb- mundbezogene Lebensqualität (Frage- sen eingearbeitet wurden. Nach 3, 6 und lichen Einfluss auf die Funktionsweise und bogen), die periimplantären Parameter 12 Monaten fanden Nachsorgeuntersu- vor allem die Belastung der Prothesen, (Plaque-Index, Blutung auf Sondierung chungen statt, zu denen die Patientenzu- was durchaus als studienrelevant aufzu- und Sondierungstiefe) sowie die Bewe- friedenheit (Fragebogen) und die Kauleis- führen wäre. Dennoch handelt es sich um gungen der Ober- und Unterkiefervollpro- tung (Kauen von Mandeln über 20 Kauzy- eine randomisierte, kontrollierte, prospek- these beim Kauen von weicher und harter klen) überprüft und verglichen wurden. tive Studie mit vergleichsweise hoher Kost evaluiert. Wertigkeit. Ergebnisse: Ergebnisse: In beiden Gruppen ging in der Nachsor- Policastro VB, Paleari AG, Perin Leite AR, Die mundbezogene Lebensqualität war gezeit ein Implantat verloren (Überleben Mendoza-Marin DO, Balestrero Cassiano nach 12 Monaten höher in der Gruppe mit 1-Implantat-Gruppe: 91 %, Überleben AF, Machion Shaddox L, Compagnoni 2 Implantaten, während zwischen den pe- 2-Implantat-Gruppe: 95 %). In beiden MA, Pero AC riimplantären Parametern und den masti- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 - 11 -
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I katorischen Bewegungen keine Unter- haltung bei mit 1 Implantat verankerten eignissen auf lange Sicht die Notwendig- schiede zu beobachten waren. Unterkiefervollprothesen? keit einer engmaschigen Nachsorge. Zusammenfassung: Material und Methoden: Beurteilung: Während Patienten mit einer auf lediglich Bei 45 komplett zahnlosen Patienten wur- Es handelt sich um eine gut durchgeführte 1 Implantat verankerten Unterkiefervoll- de jeweils ein Implantat im Unterkiefer in- Studie mit vergleichsweise hohen Fallzah- prothese eine geringere mundbezogene seriert. Ausgeschlossen wurden Patien- len und klaren Ergebnissen, wobei aller- Lebensqualität als die Vergleichsgruppe ten mit „lokalen Bedingungen, die eine Im- dings das Fehlen einer entsprechenden mit 2 Implantaten aufwiesen, scheinen die plantatversorgung ausschließen“, mit Kontrollgruppe und die geringe Informa- Versorgungen bezogen auf die periim- mentalen Einschränkungen, die eine Ko- tionslage zur prothetischen Vorgehens- plantären Gewebsveränderungen und die operation erschweren würden, sowie mit weise den Wert einschränken. Insbeson- Bewegungen beim Kauen (am Oberkiefer Alkohol- und/oder Tabakabusus. Neue dere die hohe Zahl an erfolgreichen So- analysiert) nicht unterschiedlich. Vollprothesen wurden angefertigt, wenn fortversorgungen zeigt, dass es sich bei die alte Versorgung als insuffizient erach- einem Implantat – bei den oben genann- Beurteilung: tet wurde. In Fällen hoher Primärstabilität ten Limitationen – um eine gute und zuver- Auch in dieser Studie ist bei einer geringen fand eine Sofortversorgung mittels lässige Option der Stabilisierung von Un- Patientenzahl nur mit einer entsprechend O-Ring-Retentionselement statt (n = 38), terkiefervollprothesen handelt. niedrigen Power (< 80 %) zu rechnen. Die während in den anderen Fällen (n = 7) die statistischen Berechnungen wurden kor- Unterkiefervollprothese nach 3 Monaten Nogueira TE, Schimmel M, Leles CR rekt durchgeführt. Positiv wirken sich im eingegliedert wurde. Nach 3, 6, 12 und 24 Veränderungen in der Kauleistung bei Sinne des funktionellen Aspektes die Er- Monaten wurden die mundbezogene Le- zahnlosen Patienten, die mit durch ein Im- fassung der Unterkieferbewegungen und bensqualität (Fragebogen) sowie die klini- plantat verankerten Unterkiefervollpro- die einheitliche Gestaltung des okklusalen schen und prothetischen Komplikationen thesen und mit konventionellen Unter- Konzeptes (bilateral balancierte Okklu- bestimmt. kiefervollprothesen versorgt wurden. sion) aus. Interessanterweise zeigten die Changes in masticatory performance of Patienten in der Gruppe mit nur einem Im- Ergebnisse: edentulous patients treated with single-im- plantat bereits früher einen Rückgang von Die mittlere Zufriedenheit der Patienten plant mandibular overdentures and con- Schmerz und operationsbedingten Be- stieg nach der implantologischen Versor- ventional complete dentures schwerden, was wahrscheinlich auf das gung signifikant an und blieb über die J Oral Rehabil 2018; 1–6 weniger invasive Vorgehen zurückzufüh- Nachbeobachtungszeit nahezu konstant. ren ist. Auch in dieser Studie könnten die Zwei Patienten waren allerdings derart un- Art der Studie: im Verlauf schlechteren Werte der mund- zufrieden mit dem einen Implantat, dass Prospektive randomisierte Fall-Kontroll- bezogenen Lebensqualität in der Gruppe sie ein weiteres erhielten. Sowohl in der Studie mit 1 Implantat auf die schlechtere Reten- Sofortbelastungsgruppe als auch in der tion der Unterkiefervollprothesen zurück- konventionellen Gruppe gingen 2 Implan- Fragestellung: zuführen sein. tate verloren (Überlebensrate insgesamt: Bestehen Unterschiede in der Kauleistung 91,1 %). In 66 Fällen musste die Matrix über die Zeit im Vergleich von Patienten mit Nogueira TE, Oliveira Aguiar FM, de Bar- des Retentionselements gewechselt wer- konventionellen und mit durch ein Implan- celos BA, Leles CR den (mittlere Zeit bis zum Wechsel: tat verankerten Unterkiefervollprothesen? Eine 2-jährige prospektive Studie von 11,2 Monate). In 23 Fällen kam es zu Brü- durch ein Implantat getragenen Unter- chen der Prothesen. Insgesamt traten Material und Methoden: kiefervollprothesen: von Patienten be- 124 prothetische Ereignisse auf (3,2 pro Bei Patienten, die im Rahmen einer ande- richtete Ergebnisse und prothetische Patient), die eine Intervention erforderten. ren Studie entweder mit konventionellen Ereignisse. (n = 19) oder mit durch ein Implantat ver- A 2-year prospective study of single-im- Zusammenfassung: ankerten Unterkiefervollprothesen (n = 15) plant mandibular overdentures: patient re- Innerhalb der Grenzen dieser prospekti- versorgt worden waren, wurde die Kau- ported outcomes and prosthodontic ven Studie legen die Ergebnisse nahe, leistung (Vermischung eines zweifarbigen events dass die Verankerung von Unterkiefervoll- Kaugummis nach 20 und 50 Kauzyklen) Clin Oral Implants Res 2018; 29:541–550 prothesen mit einem Implantat eine prakti- nach Einbringen der Prothesen sowie kable Alternative bei schlecht sitzenden, nach 6 und 12 Monaten untersucht. Art der Studie: rein schleimhautgetragenen Prothesen Prospektive klinische Studie ist. Obwohl die Patienten deutliche Ver- Ergebnisse und Zusammenfassung: besserungen bei dem Übergang von der Bei beiden Versorgungen ergab sich eine Fragestellung: konventionellen Prothese zu einem Ein- signifikante Verbesserung der Kauleis- Wie gestalten sich die mundbezogene Le- zelimplantat angaben, zeigt das erhöhte tung, wobei bei einer Nachsorgedauer von bensqualität und die prothetische Instand- Auftreten von prothetischen Wartungser- einem Jahr kein Unterschied zwischen - 12 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I STUDIENZUSAMMENFASSUNG I den beiden Gruppen evaluiert werden vollprothesen, die von einem einzelnen sichtigen. Des Weiteren erfordern die spe- konnte. Dennoch zeigte die Kaugummi- Implantat gestützt werden, die Patien- zifischen anatomischen Aspekte der man- vermischungsfähigkeit unter Verwendung tenzufriedenheit im Vergleich zu einer dibulären Symphyse eine sorgfältige Pa- von durch ein Implantat getragenen Unter- konventionellen Vollprothese im Unter- tientenselektion. kiefervollprothesen nach 6 Monaten eine kieferbereich signifikant verbessern. Verbesserung gegenüber der konventio- Wissenschaftliche Belege für die Zufrie- nellen Prothese. denheit mit Unterkiefervollprothesen, die von 1 Implantat statt 2 Implantaten unter- Beurteilung: stützt werden, sind in der Literatur jedoch Während in den meisten Studien die selten; es ist jedoch eine Tendenz er- mundbezogene Lebensqualität im Detail kennbar, dass UK-Vollprothesen auf subjektiv über Fragebögen evaluiert wird, 1 Implantat zwar im Vergleich zu handelt es sich bei dieser Studie um eine schleimhautgetragenen Prothesen bes- objektive Bewertung eines einzelnen sere, im Vergleich zu den auf 2 Implanta- Punktes, nämlich der Kauleistung. Es ten verankerten UK-Vollprothesen je- → PD DR. DR. PEER W. KÄMMERER Leitender Oberarzt und stellv. Klinikdirektor; zeigt sich, dass die mundbezogene Le- doch teilweise schlechtere Ergebnisse Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und bensqualität, die in anderen Studien als zeigen – vor allem hinsichtlich der mund- Gesichtschirurgie – Plastische Operationen – deutlich verbessert unter Verwendung bezogenen Lebensqualität. So kann vor der Universitätsmedizin Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de von Implantaten zur Verankerung von Un- allem die geringere Retention von Unter- terkiefervollprothesen angegeben wird, kiefervollprothesen, die von nur einem nicht unbedingt allein von der Kauleistung Implantat unterstützt werden, zusammen abhängt. Es ist ein klinisch relevantes mit dem geringeren Widerstand gegen Phänomen, dass viele Patienten auch mit horizontale Bewegungen, also eine re- dem Halt und der Funktion der rein sultierende negativere Prothesenkinetik, schleimhautgetragenen Unterkiefervoll- zu einer geringeren Stabilität der Prothe- prothesen zufrieden sind, weshalb in zu- se während des Kauens und zu einer künftigen Studien auch die jeweilige psy- verminderten Kaukraft führen. chische und anatomische Situation der Obwohl die Behandlung mit einem Im- Patienten einbezogen werden sollte. plantat zu einer Verbesserung der vorheri- → PD DR. KARL M. LEHMANN gen zahn- und implantatlosen Situation Universitätsmedizin Mainz, Praxis Bonn SYNOPSIS führt, sollte daher – ausgehend von der praxis@zahnarzt-lehmann.de Die Patientenzufriedenheit ist ein ent- analysierten Studienlage – diese Versor- scheidender Faktor, der den Erfolg der gung aufgrund der Inferiorität im Vergleich Behandlung mit Vollprothesen beein- zu 2 Implantaten mit Vorsicht angewandt flusst. Aufgrund der oft nur limitierten Re- werden. Dies gilt insbesondere für den tention und Stabilität der schleimhautge- Fall, dass auch die Insertion von 2 Implan- tragenen Unterkiefervollprothesen ist tate möglich ist. Auch die vergleichsweise diese Zufriedenheit allerdings nicht im- hohe Rate notwendiger prothetischer In- mer gegeben. Frühere und auch aktuelle standhaltung bei durch 1 Implantat fixier- Studien haben gezeigt, dass Unterkiefer- ten Unterkiefervollprothesen ist zu berück- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 - 13 -
I REVIEW I MEDIZINPRODUKTE- VERORDNUNG Neue EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und ihre Auswirkungen auf die klinische Bewertung von Rapid-Prototyping-Bohrschablonen Dr. Axel Scheffer Zusammenfassung: Die EU-Kommis- ist, könnten diese Schablonen sogar von ei- sion hat kürzlich eine neue Medizinpro- nem Marktausschluss bedroht sein. dukteverordnung (MDR) erlassen, die Für eine Anwendung der Bohrschablonen nach einer Übergangszeit im Mai 2020 in für ein Flapless-Vorgehen, bei dem der Kraft tritt und erhebliche Auswirkungen auf Behandler ohne Sicht implantiert, errei- alle Medizinprodukte hat. chen die Prozessstabilität und die Über- → Warum Sie diesen Nur noch Medizinprodukte, die nachweis- prüfbarkeit vieler Bohrschablonen noch Beitrag lesen sollten? lich anhand klinischer Daten einen Nutzen nicht die von der MDR geforderte Ge- Die neue EU-Medizinproduktever- für den Patienten bieten und verglichen mit brauchstauglichkeit, denn mit den Ände- ordung hat zum Ziel, bei allen Me- äquivalenten Medizinprodukten ein poten- rungen durch die MDR gibt es bei Medizin- dizinprodukten sämtliche ver- zielles Risiko in höchstem Maße ausschlie- produkten keine prinzipiell akzeptablen meidbaren Risiken für die Patien- ßen, sollen in der EU zugelassen sein. Sie Risiken mehr. tin oder den Patienten auszu- müssen im spezifizierten Nutzungskontext Schlüsselwörter: Medizinproduktever- schließen. Die zurzeit beliebten die spezifizierten Aufgaben effektiv, effi- ordnung; Bohrschablone; Implantatnaviga- Rapid-Prototyping-Bohrschablo- zient und zufriedenstellend erreichen. tionssystem; Guided Surgery; 3D-Pla- nen stehen dabei vor einem Auch die beliebten Bohrschablonensyste- nung Scheideweg. Was jetzt auf die me, die einen möglichst schlanken und für Hersteller und die Implantologen den Behandler angenehmen Workflow ver- Zitierweise: Scheffer A: Medizinproduk- zukommt, wird in diesem Bericht sprechen, werden unter diesen neuen Kri- teverordnung. Neue EU-Medizinprodukte- erklärt. terien von den Benannten Stellen, die sich verordnung (MDR) und ihre Auswirkungen voraussichtlich des Sachverstands eines auf die klinische Bewertung von Rapid- neu aufgestellten Expertengremiums be- Prototyping-Bohrschablonen. Z Zahnärztl dienen müssen, gründlich geprüft. Implantol 2019; 35: 14−24. Wenn sich dann aufgrund klinischer Daten DOI 10.3238/ZZI.2019.0014−0024 herausstellt, dass unter dem rein digitalen Workflow, der sich aufgrund vieler virtueller Prozesse noch weiter von der Realität ent- EINLEITUNG fernt hat, die Gebrauchstauglichkeit der Mit dem Einzug der dreidimensionalen Bohrschablonen gelitten hat und deshalb Röntgenbildgebung, insbesondere der di- die IEC-62366-Konformität nicht gegeben gitalen Volumentomografie, in den zahn- - 14 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I REVIEW I medizinischen Bereich wird dem Chirurgen nannte Stellen“. Benannte Stellen (engl. HYPE UM DEN „REIN die optimale chirurgische Planung von Notified Bodies) sind staatlich benannte DIGITALEN WORKFLOW“ Zahnimplantaten schon vor der bevor- und staatlich überwachte private Prüfstel- Besonders wenn eine Arbeitsweise ex- stehenden Implantation eröffnet, die er len (Auditier- und Zertifizierstellen), die im trem hervorgehoben wird und dem Medizi- virtuell am Computer durchführen kann. Staatsauftrag tätig werden, um die Konfor- ner ein angenehmeres Arbeiten als bisher Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu be- mitätsbewertung von Herstellern von In- ermöglichen soll, liegt der Verdacht nahe, grüßen. dustrieerzeugnissen unterschiedlicher Art dass bei der Entwicklung des Medizinpro- Durch die navigierte Flapless Surgery zu begleiten und zu kontrollieren. Sie üben dukts nicht die Usability, sondern vorwie- (transgingivale Implantation) anstelle der damit „mittelbare Staatsverwaltung“ aus. gend die User Experience im Vordergrund Präparation eines Mukoperiostlappens Ganz klar ist bereits, dass sich alle Her- stand. Dann müssen die Benannten Stel- können die Dauer der Implantation und die steller von Medizinprodukten zukünftig mit len zukünftig besonders kritisch prüfen, ob postoperativen Beschwerden reduziert der MDR intensiv beschäftigen müssen, nach DIN EN ISO 9241-11 tatsächlich der werden. Das Risiko ästhetischer oder peri- wenn sie nicht zivil- oder strafrechtliche klinische Nutzen für den Patienten eben- implantärer Komplikationen kann durch ei- Haftungen oder auch Marktausschlüsse falls optimiert wurde oder ob er sich even- ne optimierte Implantatpositionierung redu- ihrer Produkte durch die EU riskieren tuell sogar verschlechtert hat. ziert werden [8, 13]. Eine navigierte trans- möchten. Denn nach Ansicht der EU-Kom- Dieser Bericht soll sich allein diesem gingivale Implantation verzeiht jedoch dem mission sind vermeidbare Risiken für den Thema der softwarebasierten, schablo- Behandler keinerlei Planungs- und Pas- Patienten infolge mangelnder Gebrauchs- nengestützten „Implantatnavigation“ mit sungsfehler und lässt kaum korrektive tauglichkeit vieler Medizinprodukte noch der Herstellung von Bohrschablonen im Maßnahmen während des Eingriffs zu [10]. nicht ausgeschlossen. Rapid-Prototyping-Verfahren widmen, Um die rein virtuell erstellte Implantat- Auch die FDA (U.S. Food and Drug dem in jüngster Zeit eine erhöhte öffent- planung beim Patienten in die Wirklichkeit Administration Update Q1 2019) möchte liche Aufmerksamkeit geschenkt wird. zu überführen, bietet sich eine Vielzahl Medizinprodukte zukünftig nicht mehr ein- Dieses Verfahren wird oft etwas irrefüh- von Lösungsmöglichkeiten an. Durchge- fach deshalb zulassen, weil es ein Vorgän- rend als „statische Navigation“ bezeich- setzt haben sich die Implantatnavigations- gerprodukt gibt. Sie möchte damit die Ge- net, hat jedoch mit Navigation im engeren systeme, die zum Ziel haben, eine implan- fahr unterbinden, dass Nachahmerpro- Sinn nichts zu tun. Manche Hersteller tatbohrergeführte Schablone zu generie- dukte und veraltete Technologien und nutzen den daraus resultierenden Hype ren, um so die Implantatposition in allen Verfahren gefördert werden. und das gesteigerte Kaufinteresse des- drei Raumrichtungen, in der korrekten Manche Hersteller von Medizinpro- halb sehr gerne aus, weil vor Kurzem Winkelposition und eventuell auch in der dukten legen für eine höhere Marktakzep- auch die Schutzrechte für Patente des Rotationsposition zu übertragen. tanz zu oft den Fokus auf eine gute „User 3D-Drucks und der Stereolithografie Bei der Herstellung dieser Bohrschab- Experience“, ein positives Benutzungser- nach 20 Jahren abgelaufen sind und die lonen hat sich ein Wandel vollzogen. In letz- lebnis ihrer Anwender, statt den Fokus auf Investitionen sich somit schneller amorti- ter Zeit hat sich eine besondere, rein digita- eine große Gebrauchstauglichkeit zu le- sieren könnten. le Herstellungsweise der zur Navigation be- gen, die bei Medizinprodukten zukünftig Die hier gezeigten Sachverhalte, dass nötigten Bohrschablonen durchgesetzt. Sie vermehrt gefordert ist, um unnötige Risi- Medizinprodukte manchmal nur im Hin- erfolgt über 3D-Druck-Verfahren, im Spe- ken ausschließen zu können. blick auf eine gute „User Experience“ für ziellen Stereolithografie. Diese Herstel- den Anwender und nicht für eine verbes- lungsverfahren werden als Rapid Prototy- Definition von „User Experience“ serte Gebrauchstauglichkeit mit konse- ping bezeichnet. (Benutzungserlebnis): quenter Reduktion des Risikos für die Pa- Die ISO 9241-210:2011 definiert „User Ex- tienten entwickelt wurden, sind auch auf MEDICAL DEVICE perience“ als Wahrnehmungen und Reak- viele andere Bereiche von Medizinproduk- REGULATION (MDR) tionen einer Person, die aus der tatsächli- ten übertragbar. Der Bedarf an „Usability Die neue EU-Medizinprodukteverordnung chen und/oder der erwarteten Benutzung Engineering“, wie die Erhöhung der Ge- (Medical Device Regulation: MDR) wird eines Produkts, eines Systems oder einer brauchstauglichkeit im Qualitätsmanage- zukünftig erhebliche Auswirkungen auf die Dienstleistung resultieren. ment der Medizinprodukte genannt wird, Zulassung aller Medizinprodukte in ist mit Einführung der MDR immens groß Europa haben. Speziell in der softwareba- Definition von „Usability“ geworden. sierten Implantatnavigation könnte eine (Gebrauchstauglichkeit): Die neue europäische Medizinpro- neu definierte Freigabeentscheidung ge- In DIN EN ISO 9241-11 ist „Usability“ defi- dukteverordnung ist am 5. Mai 2017 ver- fordert werden, um den neuen Anforde- niert als Ausmaß, in dem ein System, ein öffentlicht worden und am 25. Mai 2017 in rungen der MDR nach höchstmöglicher Produkt oder eine Dienstleistung durch Kraft getreten. Sie ersetzt alle bisher gül- Risikominimierung für den Patienten bestimmte Benutzer in einem bestimmten tigen nationalen Medizinproduktegesetze Rechnung tragen zu können. Nutzungskontext genutzt werden kann, und -verordnungen der EU-Mitgliedstaa- Eine wichtige Rolle im Zulassungspro- um festgelegte Ziele effektiv, effizient und ten und hat folglich erheblichen Einfluss zess von Medizinprodukten spielen „Be- zufriedenstellend zu erreichen. auf die Zulassung und Vermarktung von Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 - 15 -
I REVIEW I Medizinprodukten. Das Inkrafttreten der Medical Device Regulation bewirkt den größten Wechsel in der Geschichte des Medizinprodukterechts in den vergange- nen 25 Jahren. Sie verlangt die Rezertifi- zierung auch schon auf dem Markt be- findlicher Medizinprodukte. Die regulato- rischen Anforderungen der MDR sind sehr hoch. Schaffen sie aufgrund der ver- schärften Kriterien nicht die erneute Be- wertung, könnten sie zukünftig vom Markt Abb. 1-10: Axel Scheffer ausgeschlossen werden. Die Übergangsfrist endet nach drei Jahren (am 25. Mai 2020), innerhalb de- ren die Zertifizierung von Medizinproduk- ten nach altem wie neuem Recht gültig ist. Spätestens ab dem 26. Mai 2020 Abb. 1: Der zeitliche Ablauf der Einführung der neuen europäischen Medizinproduktever- müssen Hersteller beim erstmaligen ordung (Medical Device Regulation, MDR) Inverkehrbringen von Medizinprodukten ein EG-Zertifikat nach der neuen MDR vorlegen können. Medizinprodukte mit Zertifikaten nach der alten Medizinprodukterichtlinie MDD und AIMDD verlieren spätestens am 27. Mai 2024 ihre Gültigkeit. Medizinpro- dukterichtlinien (MDD und AIMDD) nach Annex IV/4 verlieren ihre Gültigkeit bereits am 27. Mai 2022 (Abb. 1). Die neue europäische Medizinproduk- teverordnung formuliert auch die Anforde- rungen an die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten. Sie fasst zwei bisher eigenständige Medizinprodukterichtlinien zusammen und ersetzt sie. Als europäi- Abb. 2: Zukünftig wird es die EU direkt in der Hand haben, von EU-Behördenseite eine sche Verordnung, in Abgrenzung von eu- Untersagung des Inverkehrbringens eines nicht MDR-konformen Medizinprodukts auszu- ropäischen Richtlinien, ist die Medical De- sprechen. vice Regulation innerhalb der angegebe- nen Frist als europäisches, übernationa- les Recht anzuwenden. Ein zusätzliches nationales Medizinproduktegesetz als rechtliche Basis ist zukünftig denkbar gere Relevanz. Sie behalten natürlich – kürzere Meldefristen bei der Marktüber- (Abb. 2). weiterhin eine wichtige Aussagekraft be- wachung Da die Frage im Fokus steht, welcher züglich der Qualität des Herstellungspro- – Änderungen (oft Höherstufung) in der klinische Nutzen und welche möglichen zesses. Da sie aber stets nur einen Teil- Klassifizierung Risiken für den Patienten bei einem Medi- prozess der Implantatnavigation betrach- – „Scrutiny-Verfahren“ für bestimmte Im- zinprodukt in Europa vorliegen, müssen ten, der die Gebrauchstauglichkeit im plantate und Produkte mit hohem Risiko: die Hersteller sorgfältig das klinische Leis- Praxisbetrieb nicht berücksichtigt, sind Anträge auf Konformitätsbewertung für tungsversprechen formulieren und ver- sie nicht für die klinische Bewertung ei- diese Produkte werden an eine Experten- mehrt anhand klinischer Studien (d.h. aus nes statischen „Navigationssystems“ ge- kommission zur Prüfung weitergeleitet. Sicht des Autors In-vivo-Studien) nach- eignet. – Aufwendigere und zusätzliche Berichte/ weisen. Welche neuen Anforderungen kom- Pläne, z.B. Post Market Surveillance Die in der Vergangenheit für die Zu- men auf alle Hersteller von Medizinpro- Plan/Report, Summary of Safety and verlässigkeit von „Implantat-Navigations- dukten zu? Clinical Performance (SSCP) systemen“ viel zitierten In-vitro-Studien – höhere Anforderungen an die Erstellung – Einführung einer UDI-Kennzeichnung haben nach den Vorgaben der Medizin- klinischer Daten (z.B. in der klinischen (Identifizierungsnummer, die zukünftig produkteverordnung eine deutlich gerin- Bewertung) jedes Produkt haben muss) - 16 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
I REVIEW I Diese Aufzählung macht deutlich, dass im Mund des Patienten. Dort sind die Ab- von Flügge et al. kann als Gebrauchstaug- die neuen Anforderungen der MDR für vie- weichungen um ein Vielfaches höher als lichkeitsstudie gewertet werden [5]. Hier le Hersteller, die noch nicht vorbereitet die Abweichungen innerhalb der Schablo- wurden allein bei dem Überlagerungspro- sind, zur Herkulesaufgabe werden. ne beziehungsweise die Abweichungen, zess (Matching) maximale Abweichungen die aus dem Spiel des Bohrers innerhalb zwischen DICOM- und Oberflächendaten- NACHHOLBEDARF AN der Bohrhülse resultieren. satz von 9,1 mm bei einer mittleren Abwei- INFORMATIONSPOLITIK Tatsächlich werden zurzeit zu häufig chung von 0,7 mm ermittelt. Dieser Pro- Das Informationsmanagement der Herstel- In-vitro-Studien publiziert, die den An- zess wurde manuell von nur vier Chirurgen ler von softwarebasierten Navigationssys- schein der Zuverlässigkeit der aktuellen durchgeführt. Die Ausreißer bei der Über- temen steht vor der Herausforderung, die „Navigationssysteme“ darlegen. Da sie lagerung nach automatischer Segmentie- erfolgskritischen Informationen an die End- aber meist nur auf kontrollierten Labor- rung waren noch höher. Es zeigte sich, kunden zu vermitteln. In diesem Zusam- prüfständen durchgeführt werden, unter- dass das Können und die Interpretations- menhang wird von den Herstellern immer suchen sie nur den Herstellungsprozess fähigkeit des jeweiligen Anwenders die wieder die Frage gestellt, wie viel Informa- der Bohrschablone, nicht aber die Ge- entscheidende Rolle dabei spielen, wie tionen ein Kunde verträgt und wann die brauchstauglichkeit der Systeme unter hoch der Versatz im Überlagerungspro- Grenze zum Informationsoverload über- Praxisbedingungen. zess ausfällt. Die ermittelten Werte lassen schritten ist. Bei einem Overload stehen Die Hersteller weisen natürlich auf die den Schluss zu, dass sie im Gegensatz zu dem Kunden so viele Informationen zur Möglichkeit der Abweichungen hin, die den Fertigungstoleranzen von Bohrschab- Verfügung, dass die Hersteller befürchten, durch mangelnde Qualität der Arbeitsun- lonen sehr viel höher ausfallen können. dass der Kunde vom Medizinprodukt (in terlagen entstehen können und betonen, Diese Studien müssen noch vielfach nach- diesem Fall die Navigationssoftware bzw. dass sich dies außerhalb ihres Zuständig- geholt werden, da die MDR-Gebrauchs- dessen Produkt) Abstand nimmt. keitsbereichs ereigne. Mit diesem Hinweis tauglichkeitsakten für jedes Medizinpro- Welchem Risiko der Patient oder die bescheinigen die Hersteller möglicherwei- dukt vorschreiben. Patientin bei der Anwendung des Naviga- Eingeschränkt wird die Gebrauchs- tionssystems ausgesetzt ist, wird aus mei- tauglichkeit von Implantat-Bohrschablo- ner Sicht nicht immer ausreichend kommu- nen durch zahlreiche Einflussparameter, niziert. Denn ungewollte Abweichungen die die Prozessstabilität stark reduzieren: von der geplanten Implantatposition kön- Erst die patientenindivi- – Qualität der Arbeitsunterlagen: Abdrücke, nen bei manchen Systemen immer wieder duelle Genauigkeitsprüfung intra- oder extraorale Scans, DVTs oder trotz genauester Planung und Anwendung CTs aller Bohrschablonen und der höchstmöglichen Zahl geführter Im- – Qualität des Matchingprozesses, auch plantatbohrer mit sukzessive steigendem die Freigabe vom Chirurgen mitunter starke personenbezogene Durchmesser auftreten. ermöglichen eine akzeptable Unterschiede in der Softwareanwen- Aktuelle In-vivo-Studien ermittelten Gebrauchstauglichkeit. dung nach Anwendung der über den digitalen – Herstellungsqualität (3D-Druck oder Workflow und stereolithografisch herge- Herstellung über ablative Verfahren) stellten Bohrschablone Abweichungen bis – fehlende Kontrollmöglichkeiten zu 2,2 mm an der Implantatschulter und – fehlende Freigabeentscheidung bis zu 2,5 mm am Implantatapex. Die se eine mangelnde Gebrauchstauglich- Eine verbesserte Prozessstabilität durch Standardabweichungen liegen in der Re- keit, die mit der Einführung der MDR jetzt Änderung des Workflows und eine Überprüf- gel bei ein bis zwei Millimetern [16]. in den Fokus gerückt ist. Diese uner- barkeit während des Herstellungsprozesses Bei Zygoma-Implantaten ist sogar wünschten Ereignisse beruhen auf Bedie- der Bohrschablone und des Endergebnisses schon eine Maximalabweichung von nungsfehlern und ggf. auf einer hohen können da wirksame Abhilfe schaffen. 9,7 mm an der Implantatspitze gemessen Techniksensitivität im rein digitalen Work- Eine Rückbesinnung auf die ursprüng- worden, obwohl die einzelnen Implantat- flow. lich zeitgleich entwickelten Implantatnavi- bohrer mit zunehmendem Durchmesser Die techniksensitive Prozesskette gationssysteme, die eine Röntgenschab- alle geführt wurden [3]. zeichnet sich dadurch aus, dass sie unter lone benutzen, wäre hilfreich und zielfüh- Die möglicherweise starken Abwei- Laborbedingungen gut funktionieren, aber rend. chungen belegen somit die geringe Ge- im realen Praxisbetrieb versagen kann. Diese Navigationssysteme sind leider, brauchstauglichkeit vieler aktueller „Navi- Diese Techniksensitivität ist bei „Rapid- bis auf wenige Ausnahmen, nicht konse- gationssysteme“, denn der Herstellungs- Prototyping-Systemen“ besonders stark quent weiterentwickelt worden. Letztlich prozess der einzelnen Schablonen findet ausgeprägt und bedarf höchster Präzision muss diese Technik als Messlatte für andere in einem weit genaueren Umfang statt. Es aller Beteiligten [14]. Systeme dienen. Denn dieses System kann liegt also nicht an der Genauigkeit inner- Zurzeit gibt es kaum Studien, die die durch Anwendung einer Röntgenschablone halb der Bohrschablonengeometrie, son- Gebrauchstauglichkeit (Usability) von auch bei Metallartefakten in der Tomografie dern eher an dem Sitz der Bohrschablone Bohrschablonen untersuchten. Die Studie und bei stark zahnreduziertem oder zahnlo- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01 - 17 -
I REVIEW I sem Kiefer auf Genauigkeit überprüft, eine Freigabeentscheidung kann getroffen und umgesetzt werden. Damit sind Systeme für die Forderung der MDR nach höchster Risi- kominimierung verfügbar. Die Weiterentwicklung von Konzepten zur Herstellung von Bohrschablonen aus einer Röntgenschablone, die auch vor Ort realisiert werden könnten, ist daher mit Blick auf die MDR unbedingt zu fordern. IEC 62366 – DIE ANWENDUNG VON USABILITY ENGINEERING Der internationale Standard IEC 62366 – die Anwendung von Usability Engineering auf Medizinprodukte – ist ein Standard, Abb. 3: Wenn auf eine Scanschablone verzichtet wurde, muss der fehlende Bezug der Usability-Anforderungen für die Ent- über ein fehlerträchtiges Matching kompensiert werden. Die in der Praxis auftretende wicklung von Medizinprodukten spezifi- unterschiedliche Qualität der Arbeitsunterlagen und auch stark differierende persön- ziert. Damit besteht für jeden Hersteller die liche Fähigkeiten des Behandlers, den Matchingprozess zu interpretieren, können er- Pflicht, eine normenkonforme Gebrauchs- heblichen Einfluss auf die Genauigkeit der Bohrschablone und somit auf das Implanta- tionsergebnis haben. tauglichkeitsakte zu erstellen. Um in Zukunft eine hohe Gebrauchs- tauglichkeit gewährleisten zu können, wer- den die Navigationsbohrschablonen fol- gende Eigenschaften aufweisen müssen: – Kontrollprozesse während und nach der Herstellung der Schablonen – patientenindividuelle Genauigkeitsprü- fung und anschauliche Präsentation der Ergebnisse – Freigabeentscheidung der Bohrschab- lone durch den Chirurgen anhand der oben ermittelten Ergebnisse Betroffen sind aus Sicht des Autors alle Navigationssysteme, die auf Röntgen- schablonen ohne Not verzichten und den Abb. 4: Zukünftig gibt es kein Medizinprodukt ohne klinische Bewertung mehr. Sie führt fehlenden Bezug von Modell und Tomogra- einen systematischen und geplanten Prozess zur kontinuierlichen Generierung, Samm- fie mithilfe eines Matchingprozesses simu- lung, Analyse und Bewertung der klinischen Daten zu einem Produkt ein, mit dem Si- lieren. Um für diesen Matchingprozess eine cherheit und Leistung einschließlich des klinischen Nutzens des Produkts bei vom Her- Oberfläche im dreidimensionalen Röntgen- steller vorgesehener Verwendung überprüft werden. bild zu erzeugen, müssen im DVT oder CT Grauwertabstufungen in den Schnittbildern der Tomografie interpretiert werden. Zu die- sen ermittelten Oberflächendaten oder Grauwertabstufungen werden die Oberflä- möglichst gering zu halten (Abb. 3). Da die- Medizinprodukte präsentieren und veröf- chendaten eines Modells gelegt. Dieser ser Prozess aber auch mit Inspektionsfens- fentlichen müssen. Über die UDI (Unique Schritt ist sehr fehlerträchtig. Eine transpa- ter kaum überprüft werden kann, ist der Sitz Device Identification) wird in Kürze in Europa rente Identifizierung von Fehlern in syste- der Schablone auf Zähnen und Kiefer zu- jedes Medizinprodukt transparent, da die matischer, quantifizierter Weise fehlt. nächst unbekannt, und das vergrößert die Zertifikate in der öffentlich zugänglichen Eu- Es wird zwar versucht, den Fehler zwi- Möglichkeit für Deviationen des Bohrstol- damed Databank einzusehen sind. Diese schen dem virtuellen Zusammenführen der lens nach Anwendung der Bohrschablone Datenbank soll für alle zugänglich gemacht beiden digitalen, aber unterschiedlichen zum Einbringen von Zahnimplantaten. werden. Die klinischen Daten der verschie- dreidimensionalen Daten und dem realen Zu begrüßen ist, dass sich die Informa- denen Medizinprodukte können dann direkt Aufsetzen einer aus virtuellen Modelldaten tionspolitik der Hersteller insofern ändern miteinander verglichen werden. erstellten Bohrschablone auf dem Kiefer- wird, als sie in Zukunft nach den Vorgaben Die klinische Bewertung zählt zu den kamm bzw. der Zahnreihe des Patienten der MDR explizit klinische Ergebnisse ihrer wichtigsten Dokumenten einer jeden tech- - 18 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2019 I 35 I 01
Sie können auch lesen