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Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns Nr. 80, Juli 2021 Aus dem Inhalt: Mitarbeiter*innen der Staatlichen Archive Bayerns im Einsatz gegen die Corona-Pandemie (S. 3) Workshop „XArchiv – Automatisierung und Standardisierung bei der digitalen Archivierung“ (S. 6) Als das Staatsarchiv Amberg noch königlich war (S. 9) 80Umschlag2.indd 2-3 21.06.2021 12:32:02
Nachrichten • Nr. 80/2021 Inhalt Mitarbeiter*innen Historisch-politische Bildersammlung Nachlass Josef Brennfleck............................ 33 Bildungsarbeit und Bildersammlung Nachlass Aktuelles Ausstellungen Eugen von Frauenholz.................. 34 Mitarbeiter*innen der Ausstellung zu den deutsch- Nachlass Udo Ehling Staatlichen Archive Bayerns sprachigen Urkunden Kaiser erschlossen................................... 36 im Einsatz gegen die Corona- Ludwigs des Bayern im Staats- Pandemie......................................... 3 archiv Augsburg ............................ 18 Max Mannheimer – eine be- sondere Begegnung...................... 38 Besuch des Generalkonsuls P-Seminar zur Geschichte der der Islamischen Republik Iran Abtei Seligenthal im Staats Nachlass der angeblichen im Bayerischen Hauptstaats- archiv Landshut ............................ 20 „Zarentochter“ Anastasia............. 39 archiv............................................... 4 Adolf Hitlers Speiseplan von Zum 100. Geburtstag von 1943 im Bayerischen Haupt- Sophie Scholl – Bayerisches Veranstaltungen staatsarchiv................................... 42 Hauptstaatsarchiv bewahrt Das Staatsarchiv Augsburg als Erinnerung an die Weiße Rose....... 4 Gastgeber einer internationa- Staatsarchiv Amberg len Tagung zu Europäischen Bestandsneuaufbau im Workshop „XArchiv – Automa- Kanzleisprachen des Mittel Bereich der Staatlichen tisierung und Standardisie- alters im Vergleich......................... 22 Bauverwaltung..............................44 rung bei der digitalen Archivie- rung“ ............................................... 6 Staatsarchiv Bamberg Staatliche Archive Bayerns Archivpflege Erweiterungsbau des Staats- beteiligen sich am Tag der Rückgabe Gemeindedepot archivs Bamberg in einem Provenienzforschung ..................... 7 Maineck an die Gemeinde Jahr zu zwei Dritteln gefüllt..........46 Amtswechsel im Staatsarchiv Altenkunstadt ............................... 25 Nürnberg.......................................... 8 Staatsarchiv Coburg Alte Bände in neuem Gewand Übernahme, Erschlie- – Vorläufer der Grundbücher Fundstücke ßung und Nutzbarma- im Staatsarchiv Coburg neu Als das Staatsarchiv Amberg aufgestellt......................................48 noch königlich war.......................... 9 chung Erschließung von Adelsarchi- Inkunabel in der Amtsbiblio- Bayerisches Hauptstaatsarchiv ven im Staatsarchiv Coburg......... 49 thek des Bayerischen Haupt- staatsarchivs (wieder)entdeckt...... 9 Bestand Kloster Höglwörth Staatsarchiv München abschließend bearbeitet.............. 26 Zeitgeschichte, Kunstge- Karten und Pläne der Bayeri- schichte und Prominenz in Archive Digital schen Berg-, Hütten- und Salz- Steuerakten des Staatsarchivs werke AG erschlossen................... 28 München........................................ 51 Citizen Science Projekt im Staatsarchiv München zur Wie Kriegsfolgen bewältigt Digitale Unterlagen des Autobahngeschichte .................... 12 wurden – Teilbestand zur Jobcenters München über- finanziellen Abwicklung der nommen........................................ 54 Kulturgutdigitalisierung kon- Napoleonischen Kriege................ 29 kret: EDV-Tag(e) digital erst- mals komplett im Livestream....... 14 Plansammlung des Kriegs Staatsarchiv Würzburg archivs neu verpackt.....................30 Bestandsbildung im Bereich „Digital History“ im virtuellen Vorlesungsbetrieb ........................ 16 Digitalisierung der Bilder- der „Regierung des Unter- und Postkartensammlung mainkreises“ (1817–1837) BayernWLAN im Staatsarchiv abgeschlossen.............................. 55 des Bayerischen Kriegsminis- Landshut........................................ 17 teriums........................................... 32 Nachrichten80-13.indd 1 22.06.2021 09:58:39
Nachrichten • Nr. 80/2021 Bestandserhaltung Archivamtsrat a.D. Anton Grau wenige Monate nach seinem Schadenserfassung: wichtige hundertsten Geburtstag ver- Vorarbeit archivischer Digitali- storben........................................... 63 sierungsprojekte........................... 57 Archivdirektor a.D. Prof. Dr. Franz Machilek – ein Nachruf......64 Aus- und Fortbildung, Tanja Augustin plötzlich aus Bayerische Archiv- dem Leben gerissen..................... 65 schule Nachruf auf Archivdirektor a.D. Dr. Hans Jürgen Wunschel ........... 65 Zwei Ausbildungskurse legen Abschlussprüfung ab.................... 59 14. Internationale Herbst Schriftgutverwaltung archivschule des International Fortschreibung des Institute for the Archival EAPlAufbew.................................... 66 Science Triest (Italy) – Maribor (Slovenia) ...................................... 59 Neue Veröffentli- Personalia und chungen Interna Amtszeit 2016–2021 des Terminvorschau Bezirkspersonalrats endet .......... 61 Unterzeichnung der Inklusi- onsvereinbarung........................... 61 Impressum Neue Dienstvereinbarung zur Wohnraumarbeit........................... 62 Mitarbeiter*innen Dr. Katharina Aubele M.A. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Christoph Bachmann M.A. (Staatsarchiv München). – Ulrich Baur M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Leander Beil M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Thomas Engelke M.A. (Staatsarchiv Augsburg). – Gerhard Fürmetz M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Joachim Glasner (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Bernhard Grau M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Stephanie Günther M.A. (Staatsarchiv München). – Hildegard Hagen (Bayerisches Haupt- staatsarchiv). – Karin Hagendorn (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Martina Haggenmüller M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Johannes Haslauer M.A. (Staatsarchiv Bamberg). – Renate Herget (Bay- erisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Julian Holzapfl M.A. (Staatsarchiv München). – Birgit Hufnagel (Staatsarchiv Co- burg). – Dr. Christian Kruse (damals Staatsarchiv Bamberg; nun Staatsarchiv Nürnberg). – Dr. Margit Ksoll-Marcon M.A. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Irmgard Lackner M.A. (Staatsarchiv Landshut). – Dr. Johannes Moosdiele-Hitzler M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Thomas Paringer M.A. (Bayerisches Haupt- staatsarchiv). – Dr. Johann Pörnbacher M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Klaus Rupprecht (Staatsarchiv Würzburg). – Dr. Maria Rita Sagstetter M.A. (Staatsarchiv Amberg). – Ingrid Sauer M.A. (Bayerisches Hauptstaatsar- chiv). – Mag. Dr. Laura Scherr (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Klemens Schlindwein (Staats- archiv Nürnberg). – Dr. Markus Schmalzl M.A. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Till Strobel (Staatsarchiv Amberg). – Heinz-Jürgen Weber (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Elisabeth Weinberger M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Alexander Wolz M.A. (Staatsarchiv Coburg). Nachrichten80-13.indd 2 22.06.2021 09:58:39
Nachrichten • Nr. 80/2021 3 Aktuelles Mitarbeiter*innen der Staatlichen gründeten Abteilung 7 „Öffentlicher Gesundheits- dienst“ des Staatsministeriums tätig. Archive Bayerns im Einsatz gegen die Corona-Pandemie Eine Kollegin wurde in der Task Force Corona Lage (später Abteilung 6: „Gesundheitssicherheit“) ein Per Ministerratsbeschluss wurden die bayerischen gesetzt, wo viele Informationen aus den Gesund- Behörden aufgerufen, Unterstützungskräfte zur Be- heitsämtern und Forschungsinstituten zusammen- kämpfung der Corona-Pandemie an das Staatsmi- kommen und täglich in Datenblättern aufbereitet nisterium für Gesundheit und Pflege abzuordnen. werden. Zweimal wöchentlich erscheint der landes- weite Lagebericht, der die Grundlage für politische Auf eine Abfrage meldeten sich zwei Beamtinnen Entscheidungen bildet. sowie zwei Beschäftigte des Staatsarchivs Mün- Standorte des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (© Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege). chen bzw. des Bayerischen Hauptstaatsarchivs so- Obwohl naturgemäß im abordnenden Archiv Arbeit wie ein Beamter aus dem Staatsarchiv Nürnberg. liegen bleibt oder von Kolleg*innen übernommen Von Ende November 2020 bis Ende April 2021 wa- werden muss, war es sehr spannend dort mitzuwir- ren sie am jeweiligen Dienstsitz des Staatsministe- ken, wo Bund-Ländersitzungen und Ministerrats- riums im Einsatz. vorlagen vorbereitet oder auch Pressekonferenzen in verschiedenen Regierungsbezirken mit Hinter- Zwei Kolleginnen brachten sich beim Aufbau ein- grundinformationen versorgt werden. Hinzu kam heitlicher Softwarestrukturen bei den Gesund- die Zuarbeit zu Ministerbüro, Landtag und Staats- heitsämtern ein. Eine Kollegin half mit bei der Um- kanzlei. Interessante Einblicke in das Zusammen- setzung des Projekts Gesundheitsregionen plus, wirken der verschiedenen Ressorts weiteten den das Initiativen zur gesundheitlichen und pflegeri- Blick, jedoch ging es darum, den bestmöglichen schen Versorgung vor Ort unterstützt. Ein Kollege Beitrag zur Bekämpfung der vielfältigen Herausfor- beschäftigte sich mit Grundsatzangelegenheiten derungen der Pandemie geleistet zu haben. des öffentlichen Gesundheitsdienstes, speziell mit Aus- und Fortbildung. Sie waren alle in der neu ge- Ingrid Sauer Nachrichten80-13.indd 3 22.06.2021 09:58:39
4 Nachrichten • Nr. 80/2021 Besuch des Generalkonsuls der Islamischen Republik Iran im Bayerischen Hauptstaatsarchiv Am 22. Oktober 2020 stattete der Generalkonsul der Islamischen Republik Iran in München, Herr Amirreza Sherkat, dem Bayerischen Hauptstaats- archiv einen Kennenlern- und Informationsbesuch ab. Er folgte damit dem Beispiel seines Vorgängers, des Generalkonsuls Abdollah Nekounam Ghadirli, der Ende 2017 im Hauptstaatsarchiv empfangen worden war. Dem Gast wurden Stellung und Funk- Mausoleum des Imamzedeh Mohamad Mahruq in tion des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, die ar- Neyshabur, Aquarell Oskar Ritter von Niedermayers chivrechtlichen Rahmenbedingungen sowie die vom 1. Mai 1913 (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, außergewöhnliche Breite der verwahrten Bestände Abt. IV Kriegsarchiv, BS II, Friedensbilder 36/22). erläutert. An konkreten Beispielen wurden histori- sche Kontakte aufgezeigt, die zwischen Bayern und Diese Aufenthalte sind durch einen reichhaltigen dem Iran bzw. Bayern und Persien bestanden ha- Fundus an Quellen zur Person Niedermayers, aber ben. Auf besonderes Interesse des Generalkonsuls auch zu seinen Expeditionen dokumentiert, der stießen dabei die Expeditionen des bayerischen heute in der Abteilung IV (Kriegsarchiv) des Baye- Offiziers Oskar Ritter von Niedermayer nach Afgha- rischen Hauptstaatsarchivs verwahrt wird. Im Jahr nistan und Persien in den Jahren 1912 bis 1917. 2014 zeigte das Bayerische Hauptstaatsarchiv eine kleine Lehrausstellung zu Oskar Ritter von Niedermayer. Im Kriegsarchiv finden sich auch die Tagebücher seines Bruders, Friedrich von Nieder- mayer, der ihn auf einigen seiner Expeditionen be- gleitet hat (vgl. Nachrichten Nr. 69/2015, S. 43). Von ganz besonderer Qualität sind die in der Bil- dersammlung verwahrten Sammelkassetten mit insgesamt 42 Aquarellen Oskar Ritter von Nieder- mayers. Sie dokumentieren die Landschaft, aber auch wichtige Sehenswürdigkeiten dieser Region und sind bislang öffentlich noch kaum bekannt. Bernhard Grau Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl – Bayerisches Hauptstaats- archiv bewahrt Erinnerung an die Weiße Rose Am 9. Mai 2021 jährt sich der Geburtstag von So- phie Scholl, dem wohl bekanntesten Mitglied der studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“, zum hundertsten Mal. Sie wurde am 22. Februar 1943 als Einundzwanzigjährige für die Verbreitung regimekritischer Flugblätter von der Besuch des Generalkonsuls der Islamischen Republik Iran, NS-Justiz zum Tode verurteilt und noch am selben v.l.n.r. Generalkonsul Amirreza Sherkat, Dr. Bernhard Grau (Foto: Doris Wörner, Bayerisches Hauptstaatsarchiv). Tag hingerichtet. Mit ihr starben ihr Bruder Hans Scholl und Christoph Probst. In einem zweiten Pro- Nachrichten80-13.indd 4 22.06.2021 09:58:39
Nachrichten • Nr. 80/2021 5 Büste Sophie Scholls in der Walhalla (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, NL Kronawitter, Hildegard 237, Foto: privat). zess wurden mit Kurt Huber, Alexander Schmorell sche Hörer gerichtet war. Der Text des sechsten und Willi Graf weitere Mitglieder des Freundeskrei- Flugblatts wurde Mitte 1943 von alliierten Flugzeu- ses Weiße Rose verurteilt und im Juli bzw. Oktober gen unter dem Titel „Ein deutsches Flugblatt“ hun- 1943 ebenfalls hingerichtet. derttausendfach über Deutschland abgeworfen. Man kann davon ausgehen, dass die Widerstands- Die von christlichem Gedankengut geprägte Grup- handlung der Weißen Rose somit schon während pe von Studierenden und Dozenten wollte einen des Krieges großen Teilen der deutschen Bevölke- geistigen Neuaufbruch anstelle der totalitären NS- rung bekannt war. Ideologie. Sie wählten das Medium der Flugblätter, die sie seit Mitte 1942 vorwiegend auf dem Post- Die Originale der Flugblätter selbst aber waren zum weg verschickten. Bei der offenen Verteilung des Entstehungszeitpunkt kompromittierendes Materi- sechsten Flugblatts in der Münchner Universität al – verständlich, dass sie in keinem Nachlass der wurden die Geschwister Scholl entdeckt und fest- Weiße-Rose-Mitglieder zu finden sind. Auch für die genommen. Innerhalb weniger Tage organisierte Empfänger oder Finder der Flugblätter war der Be- die NS-Justiz einen Schauprozess des Volksge- sitz brisant. Die vom Regime gewünschte Reaktion richtshofs in München, der zur Verurteilung führte. war selbstverständlich die Weitergabe und Anzeige Sophie Scholl versuchte dabei, die Hauptschuld an die Ermittlungsbehörden, vielfach aber werden auf sich zu nehmen und damit den Freundeskreis die Flugblätter einfach möglichst unauffällig ver- zu schützen. Durchdrungen von der Überzeugung, nichtet worden sein. Heute sind sie somit vorwie- das Richtige getan zu haben, ging sie aufrecht in gend im Zusammenhang mit Ermittlungs- bzw. Pro- den Tod. zessakten überliefert. Informationen über die Widerstandshandlung der Das ehrende Gedenken an die Mitglieder der Wei- Gruppe verbreiteten sich aufgrund der Bericht- ßen Rose und insbesondere an die Geschwister erstattung nicht nur in Deutschland, sondern ge- Scholl begann unmittelbar nach Kriegsende. Be- langten bald unter anderem an die amerikanische reits im Herbst 1945 hielt Romano Guardini in Presse. Selbst Thomas Mann im Exil erwähnte die München eine vielbeachtete Gedenkrede. Den- Weiße Rose in seiner BBC-Sendung, die an deut- noch bleibt die Aufarbeitung und Einordnung der Nachrichten80-13.indd 5 22.06.2021 09:58:40
6 Nachrichten • Nr. 80/2021 Widerstandsleistung ein dauerndes Bemühen. Das Workshop „XArchiv – Automatisie- Bayerische Hauptstaatsarchiv unterstützt dieses rung und Standardisierung bei der Bestreben seit längerem aktiv und hat dafür sogar einen Erwerbungsschwerpunkt für nichtstaatliches digitalen Archivierung“ Archivgut formuliert. Mit seiner Bestandsgruppe Am 27. Januar 2021 fand der Workshop „XArchiv – des „Weiße Rose Archivs“ sorgt es für den Erhalt Automatisierung und Standardisierung bei der digi- originärer Quellen zur Weißen Rose. Darin ver- talen Archivierung“ der Generaldirektion der Staat- wahrt es derzeit die Nachlässe der Weiße-Rose- lichen Archive Bayerns statt. Pandemiebedingt tra- Mitglieder Alexander Schmorell, Christoph Probst fen sich die Teilnehmer*innen im virtuellen Raum. und Willi Graf, außerdem der Angehörigen Annelie- In acht Beiträgen stellten Archivar*innen aus ver- se Knoop-Graf und Bernhard Knoop. Um auch die schiedenen Archivsparten best practices der auto- Bemühungen um eine angemessene Erinnerungs- matisierten Übernahme, Validierung, Ingestierung, arbeit zur Weißen Rose künftig dokumentieren zu Strukturierung, Protokollierung und Erschließung können, wurde erst vor kurzem eine Archivierungs- elektronischer Informationen vor. Erwartungs- vereinbarung mit der Weiße Rose-Stiftung e.V. ab- gemäß traf der Workshop auf großes Interesse geschlossen. der Fachcommunity und der Wissenschaft. 185 Deren Vorsitzende, Dr. Hildegard Kronawitter, ist Teilnehmer*innen aus Archiven, Bibliotheken, Uni- selbst seit langem in diesem Bereich engagiert. versitäten, Behörden und Forschungseinrichtun- Als Abgeordnete des Bayerischen Landtags ergriff gen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und sie im Jahr 2000 die Initiative und beantragte die Tschechiens diskutierten engagiert Herausforde- Aufnahme von Sophie Scholl in die Walhalla, wo rungen, Grenzen und Desiderate der Standardisie- seit der Gründung durch Bayerns König Ludwig I. rung und Automatisierung bei der elektronischen die Büsten „rühmlich ausgezeichneter Teutscher“ Langzeitarchivierung und deren Bedeutung für aufgestellt sind. Gegen alle Widerstände, die sich den Aufbau einer Nationalen Forschungsdatenin hauptsächlich in formalen Argumenten wie Antrags- frastruktur. Dr. Daniel Baumann (Stadtarchiv Mün- fristen und Wartelisten niederschlugen, schmie- chen) stellte Freud und Leid der standardisierten dete sie ein breites Bündnis an Unterstützern, so Archivierung anhand der Archivierungsschnittstelle dass in Rekordzeit und auf den Tag genau zum Scope OAIS dar. Johannes Renz (Landesarchiv Ba- 60. Todestag am 22. Februar 2003 die Büste des den-Württemberg) präsentierte mit dem Tool DIWI Künstlers Wolfgang Eckert enthüllt werden konnte. eine teilautomatisierte Lösung für die Archivie- Damit erfüllte sich zugleich eines der Hauptargu- rung von Webseiten. Dr. Kristina Starkloff (Archiv mente, das Hildegard Kronawitter in ihrem Antrag der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der vorgebracht hatte: „Mit der Person Sophie Scholls Wissenschaften e.V.) erörterte Chancen der Stan- wird auch die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ in dardisierung und Automatisierung bei der E-Mail- angemessener Weise gewürdigt und in der Walhal- archivierung anhand des Tools EMiLiA, an dessen la in eine Reihe mit den herausragendsten Persön- Realisierung auch die Generaldirektion der Staatli- lichkeiten deutscher Geschichte gestellt“. chen Archive Bayerns beteiligt ist. Dr. Annekathrin Ein weiteres Motiv für die Aufnahme Sophie Scholls Miegel (Hessisches Landesarchiv) und Dr. Zbyšek in die Walhalla war für Hildegard Kronawitter au- Stodůlka (Tschechisches Nationalarchiv Prag) führ- ßerdem die Tatsache, dass sie eine Frau war. Frau- ten mit dem DIMAG-Ingestprozessmodul und dem en und ihre Leistungen sind in der Walhalla noch Nationalen Archivportal Tschechiens übergeord- deutlich unterrepräsentiert. Das Thema Frauenför- nete Lösungen der Übernahme und Verarbeitung derung war und ist für Frau Kronawitter stets ein vor. Kristina Plabst und Michael Volpert (Archiv großes politisches Anliegen, das belegen die Unter- der Erzdiözese München und Freising) zeigten auf, lagen in ihrem umfangreichen schriftlichen Vorlass, dass Standardisierung und Automatisierung sehr den das Bayerische Hauptstaatsarchiv ebenfalls wohl auch weitere archivische Fachbereiche und bereits verwahrt. Dies ist auch deshalb besonders Workflows betrifft, die toolgestützt optimiert wer- erfreulich, weil der Anteil von Frauennachlässen im den können. Dr. Puchta und Dr. Schmalzl (General- Bayerischen Hauptstaatsarchiv mit rund 10 Pro- direktion der Staatlichen Archive Bayerns) stellten zent nach wie vor sehr ausbaufähig ist. den bereits produktiven xdomea-Client sowie den ab Herbst 2021 zur Verfügung stehenden generali- Thomas Paringer sierten XML-Client der Staatlichen Archive Bayerns Nachrichten80-13.indd 6 22.06.2021 09:58:40
Nachrichten • Nr. 80/2021 7 für die automatisierte Archivierung von Daten aus ckung noch bestehender Lücken und Desiderate eAktensystemen bzw. Fachverfahren und Daten- wurden identifiziert. Allerdings machen Bedarfe banken vor. Das große Interesse am Workshop nach Standards und Automatisierung nicht bei In- und die rege Diskussion der Teilnehmer*innen gest und Erschließung Halt. Zahlreiche Desiderate zeigten den Bedarf an fachlichem Austausch zu und Themen harren der fachlichen Diskussion und diesem Thema. Notwendigkeiten zur Weiterent- Klärung. Dies betrifft nicht nur die Fragen nach feh- wicklung der vorgestellten Tools bzw. zur Abde- lenden Standards, wie verbindlich Archive sich an Standards orientieren sollten und wie diese sinn- voll weiterentwickelt werden können. Vielmehr gilt es ebenfalls vermeintlich nachgelagerte Bereiche, etwa die Veränderung archivischer Aufgaben und des Berufsbilds in den Blick zu nehmen. Viele frü- her händisch durchgeführte Tätigkeiten sind heu- te automatisiert, fachliche Aufgaben haben sich deutlich verändert, werden aber nicht weniger. Der fachliche Austausch und die Diskussion der auch außerhalb der Archivcommunity entwickelten An- sätze sollen deshalb intensiviert werden. Markus Schmalzl Staatliche Archive Bayerns beteili- gen sich am Tag der Provenienzfor- schung Pandemiebedingt fand der vom Arbeitskreis Pro- venienzforschung veranstaltete 3. Tag der Proveni- enzforschung am 14. April 2021 rein virtuell statt. Der Forschungsverbund Provenienzforschung Bay- ern (FPB), zu dessen Gründungsmitgliedern die Ge- neraldirektion der Staatlichen Archive Bayerns ge- hört, beteiligte sich mit einem reichhaltigen ganztä- gigen Veranstaltungsprogramm. Den Auftakt machten in der Vormittagssektion die Staatlichen Archive Bayerns mit vier Vorträgen zu den Quellen, die Provenienzforscher*innen in den acht Staatsarchiven und dem Bayerischen Haupt- staatsarchiv zur Verfügung stehen. Nach einer all- gemeinen Vorstellung des Forschungsverbundes durch Dr. Johannes Gramlich (Bayerische Staatsge- mäldesammlungen) übernahm Dr. Julian Holzapfl (Staatsarchiv München) die Moderation. Er erklärte zunächst allgemein Funktion und Aufbau der staat- lichen Archive und führte dann in seinem Vortrag „Provenienzrecherche am Staatsarchiv München – Bestände, Suchstrategien und Service“ in die im Staatsarchiv München verfügbaren Quellen ein. Maria Stehr M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv) Der Tag der Provenienzforschung wurde auf Twitter rege übernahm diese Einführung für die Bestände des begleitet, Ausschnitt aus dem Twitter-Account der Staatli- Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Dr. Laura Scherr chen Archive Bayerns. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns) Nachrichten80-13.indd 7 22.06.2021 09:58:40
8 Nachrichten • Nr. 80/2021 setzte fort mit einem Kurzvortrag über die Bedeu- Die Betreuung der Sanierungs- und Baumaßnah- tung des im Staatsarchiv Würzburg verwahrten Be- men wird eine der zentralen Aufgaben des neuen standes „Gestapostelle Würzburg“ für die Proveni- Leiters sein. Dr. Christian Kruse, in Kiel geboren, enzforschung sowie die Maßnahmen, die für den studierte an den Universitäten Erlangen und Wien Originalerhalt dieses wichtigen Bestandes getrof- Geschichte und Deutsch für das Lehramt an Gym- fen wurden. Den Vortragsreigen beendete Gerhard nasien. Er wurde mit einer Arbeit über „Franz Fried- Fürmetz M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv) mit rich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1750– seinen Ausführungen zu „Jüdische Standesregister 1806“ in Erlangen promoviert. Nach der Ausbildung aus Bayern – Überlieferung, Digitalisierung, Quel- zum wissenschaftlichen Archivar an der Bayeri- lenwert“. Das Nachmittagsprogramm bestritten schen Archivschule 1988 bis 1991 arbeitete er von die im Forschungsverbund Provenienzforschung 1991 bis 2002 im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, vertretenen Museen und Sammlungen sowie das von 2002 bis 2005 im Staatsarchiv Augsburg und Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Alle Angebote anschließend bis 2007 im Staatsarchiv Nürnberg. wurden von einem wechselnden Publikum sehr en- 2007 bis 2008 war Dr. Kruse als ständiger Vertre- gagiert wahrgenommen und lockten zwischen 40 ter des Leiters im Staatsarchiv München tätig, von und 150 Teilnehmer*innen vor die Bildschirme. 2008 bis 2018 war er in der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns als Abteilungsleiter für Laura Scherr Archivbau, Bestandserhaltung, Veröffentlichungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und vertrat die Staatlichen Archive Bayerns in Bund-Länder-Gremi- Amtswechsel im Staatsarchiv en. In diese Zeit fielen auch die ersten Planungen Nürnberg für die Generalsanierung des Staatsarchivs Nürn- berg. Seit 1. Dezember 2018 leitete er das Staats- Mit Wirkung zum 1. Mai 2021 wurde Archivdirektor archiv Bamberg. Das Staatsarchiv Nürnberg erhält Dr. Christian Kruse unter gleichzeitiger Beförde- mit Dr. Kruse einen erfahrenen und engagierten rung zum Ltd. Archivdirektor zum Leiter des Staats- Archivar als neuen Leiter. archivs Nürnberg bestellt. Er folgt damit Ltd. Archiv- direktor Prof. Dr. Peter Fleischmann nach, der mit Margit Ksoll-Marcon 31. Januar 2021 nach 37 Dienstjahren in den Ru- hestand getreten ist. Prof. Dr. Fleischmann leitete das Staatsar- chiv Nürnberg seit 1. Dezember 2012 mit großer Souveränität. Er kehrte damit nach Stationen im Staatsarchiv Augsburg und Staatsarchiv München – in beiden Staats- archiven hatte er die Leitung inne – wieder an das Staatsarchiv zurück, in dem seine berufliche Tätigkeit nach seiner Ausbildung an der Bayerischen Archivschule begonnen hatte. In seinem letzten Dienstjahr oblag Prof. Fleischmann in Folge der anstehenden Generalsanierung des Staatsarchivs die Verlagerung der Archivbestände auf die Au- ßenstelle Lichtenau des Staatsarchivs, die Staatsarchive Augsburg und Landshut und schließ- Ltd. Archivdirektor Dr. Christian Kruse, neuer Leiter des lich der Altbestände in das Landeskirchliche Archiv Staatsarchivs Nürnberg der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: Agnes Zettel, Staatsarchiv Nürnberg). Nachrichten80-13.indd 8 22.06.2021 09:58:40
Nachrichten • Nr. 80/2021 9 Fundstücke Als das Staatsarchiv Amberg noch königlich war Auf Vermittlung eines langjährigen Benutzers be- kam das Staatsarchiv Amberg aus privater Hand ein Emailleschild mit der Aufschrift „Kgl. Kreisar- chiv der Oberpfalz“ (Format 15 x 21 cm) geschenkt, das seit 1875 (oder später) am ehemaligen Archiv- standort in der Amberger Altstadt als Behörden- schild gedient haben dürfte. Als das Staatsarchiv Amberg sich noch „Kgl. Kreisarchiv der Oberpfalz“ Eingang des 1910 bezogenen Neubaus des Staatsarchivs Amberg (Foto: Peter Litvai, Atelier für Fotografie Landshut). schien dem Hausmeister oder einem Handwerker das gebrauchte Schild zum Wegwerfen zu schade, weshalb es die Zeiten in Privatbesitz überdauerte und schließlich mehr als 100 Jahre später in das Eigentum des Archivs zurückgelangte. Die alte Bezeichnung „Kreisarchiv“ wurde nach dem Ende der Monarchie durch Verordnung vom 16. Juli 1921 in „Bayerisches Staatsarchiv“ geän- dert. Seit 1970 lautet der offizielle Behördenname Behördenschild aus Emaille, im Gebrauch zwischen 1875 „Staatsarchiv Amberg“. und 1910 (Foto: Maria Rita Sagstetter). Maria Rita Sagstetter nannte, befand es sich in einem Gebäudekomplex in der Regierungsstraße, der heute vom Landge- richt Amberg genutzt wird. Historischer Kern der Inkunabel in der Amtsbibliothek Anlage ist die unter Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz im Renaissancestil erbaute Regierungskanz- des Bayerischen Hauptstaatsar- lei, die 1547 bezogen werden konnte. Wegen zu- chivs (wieder)entdeckt sätzlichen Raumbedarfs wurden um 1600 zwei angrenzende Privatgebäude gekauft und zu einem Immer wieder machen Archive spannende Ent- „Archivum“ ausgebaut. Seit Ende des 18. Jahrhun- deckungen in ihren eigenen Beständen. Zuletzt derts diente zusätzlich das benachbarte Rentmeis- beispielsweise das Stadt- und Stiftsarchiv Aschaf- terhaus der Lagerung von Archivgut. 1910 konnte fenburg, das im Sommer 2020 bei einem Digita- das Amberger Archiv am heutigen Standort in der lisierungsprojekt eine jahrzehntelang verschollene Archivstraße einen für archivische Zwecke errich- Urkunde Kaiser Ottos II. aus dem Jahr 982 wieder- teten Neubau beziehen, der in allen Funktionsbe- entdeckte. Man fragt sich stets, wie es sein kann, reichen eine erhebliche Verbesserung bedeutete. dass derart Einzelstücke im eigenen Haus einfach verschwinden konnten. Die Antwort war hier – wie Nach dem Auszug des Archivs scheint die Email- in den meisten derartigen Fällen – denkbar ein- letafel am bisherigen Standort zurückgeblieben zu fach: Das Stück wurde irgendwann einmal an der sein, da den Eingang zum neuen Gebäude neben falschen Stelle eingestellt. Meist hilft in diesen Fäl- dem Wappen des Königreichs als Supraporte auch len nur noch ein glücklicher Zufall oder Magazin- ein neues Behördenschild zierte. Vermutlich er- Nachrichten80-13.indd 9 22.06.2021 09:58:41
10 Nachrichten • Nr. 80/2021 personal, das in der Kunst des Findens geübt ist, Das Handbuch der Historischen Buchbestände in um wieder darauf zu stoßen. Deutschland (1996) weist für die Amtsbibliothek des Bayerischen Hauptstaatsarchivs lediglich zwei Ein ähnlicher Fall hat sich nun auch im Bayerischen Inkunabeln aus: Die Reformation der Stadt Nürn- Hauptstaatsarchiv ereignet. Im Rahmen einer um- berg von 1479 (Nürnberg: Anton Koberger 1484) fassenden Revision ihres Magazinbereichs stieß und die Historiarum Romani Imperii decades III die Restaurierungswerkstatt auf einen schwer des Flavius Blondus (Venedig: Octavianus Scotus beschädigten Band aus der Amtsbibliothek, dem 1483). Bei der damaligen systematischen Erfas- ein Auftragsschein aus dem Jahr 1981 beilag. Auf- sung und Beschreibung des Bibliotheksbestands grund vordringlicherer konservatorischer Arbeiten war die nun wieder aufgefundene Inkunabel nicht an Archivalien war seine Restaurierung offenbar mehr an ihrem Fach gewesen, da sie bereits seit immer wieder zurückgestellt worden, so dass das über zehn Jahren zur Restaurierung bereit lag. Buch über die Jahrzehnte und mehrere Generati- Dass das Bayerische Hauptstaatsarchiv nun nicht onswechsel hinweg sowohl dem Bibliotheks- als nur eine dritte Inkunabel, sondern zugleich das äl- auch dem Restaurierungspersonal schlichtweg teste Druckwerk in seinem Bibliotheksbestand wie- aus dem Blickfeld geraten war. Kurioserweise war der aufgefunden hat, ist eine mehr als erfreuliche auch im Bibliothekskatalog kein Hinweis auf das Nachricht. Buch zu finden, so dass es nicht einmal vermisst wurde. Der 39 cm hohe, 28,5 cm breite und 16 cm starke Band wies vor allem an Buchdeckeln und Einband teils erhebliche Schäden auf. Der Rückendeckel ist in der Mitte gebrochen und nur noch zur Hälf- te vorhanden, weswegen sich der hintere Teil des Buchblocks gewellt und die Seiten an den Ecken eingerollt hatten. Die Buchverbindungen zum De- ckel und die Heftung im hinteren Buchblock waren weitgehend gerissen, das insgesamt stark verhorn- te Einbandleder war über dem Rücken teilweise brüchig. Neben der Verunreinigung vor allem des Buchschnitts waren stellenweise alte Feuchtig- keitsschäden festzustellen. Im Inneren erwies sich der Buchblock aber als ausgesprochen sauber und sehr gut erhalten. Der Band (außen) nach der Restaurierung (Foto: Tanja Augustin, Bayerisches Hauptstaatsarchiv). Die lange Wartezeit auf eine Restaurierung erwies sich als Glücksfall für das wertvolle Stück, ist es Bei genauerem Hinsehen ließ sich rasch ermitteln, doch dadurch einem konservatorischen Maß- dass es sich bei dem stattlichen Band um das nahmenpaket entgangen, das von der heutigen gedruckte Repertorium utriusque iuris des itali- Restaurierungsethik – Vermeidung von Eingriffen enischen Rechtsgelehrten Johannes Calderinus in die Originalsubstanz, Kenntlichmachung ergänz- († 1365) handelt (Abb. s. Umschlagrückseite) – ei- ter Stellen usw. – noch weit entfernt war. So war nen im Spätmittelalter relativ weit verbreiteten ju- 1981 etwa vorgesehen, den Band komplett ausei- ristischen Kodex –, und somit um eine Inkunabel! nander zu nehmen und neu zu heften, die Buchde- Als Inkunabeln oder Wiegendrucke werden Bücher ckel mit auf alt getrimmtem Holz zu ergänzen und und Einzeldrucke aus der Frühzeit des Buchdrucks die fehlenden Schließen zu ersetzen. bis zum Jahr 1500 bezeichnet. Wie sich über den Stattdessen wurde die Inkunabel nun behutsam Gesamtkatalog der Wiegendrucke (www.gesamt- und umfassend nach den heutigen Standards katalogderwiegendrucke.de) und durch den Ver- restauriert. Einband und Buchblock wurden gerei- gleich mit dort verlinkten Digitalisaten anderer nigt, die verformten Ecken wieder ausgelegt, geris- Exemplare leicht feststellen ließ, ist das im Baye- sene Fälze gesichert, gelöste Heftungen erneuert, rischen Hauptstaatsarchiv wieder aufgetauchte die Bünde stabilisiert. Anstatt das fehlende Holzteil Buch im Jahr 1474 in Basel gedruckt worden und des Rückendeckels zu ergänzen, wurde ein Schutz- in 91 (bzw. nun 92) Exemplaren in öffentlichen Ein- umschlag mit einer passgenauen Einlage angefer- richtungen weltweit überliefert. tigt, die das fehlende Teil ausgleicht. So musste Nachrichten80-13.indd 10 22.06.2021 09:58:41
Nachrichten • Nr. 80/2021 11 zum einen die Originalsubstanz nicht angetastet Wappenbild, das den mittelalterlichen Legenden werden, zum anderen schützt der Umschlag zu- vom Strauß als Vogel, der Eisen fressen und ver- gleich das wieder fixierte Rückenleder. dauen kann, entsprungen ist. Die Materie des Bu- Im Zuge der Restaurierung kamen zwei interessan- ches (römisches und kanonisches Recht) lässt am te Details zum Vorschein. Im Kopfschnitt des Ban- ehesten an einen geistlichen Vorbesitzer denken. des befindet sich ein etwa 2 x 3 cm großer Abdruck Als zweite Auffälligkeit ist die besondere Textur ein- eines Prägestempels, der als Besitzernachweis zu zelner Lagen festzustellen. Auf zahlreichen Seiten interpretieren ist. Es handelt sich um zwei heraldi- sind Abdrücke zu erkennen, die an Gewebemuster sche Symbole, nämlich sehr wahrscheinlich einen erinnern. Dieses Phänomen, das bisher nur bei Vogel Strauß und ein Rehhuf. Die Kombination von Inkunabeln aus dem oberdeutschen Raum festzu- Vogel Strauß und Hufeisen war ein verbreitetes stellen war, wurde erstmals 2011 anhand der Inku- nabelsammlung der Universität Graz eingehender untersucht (vgl. Ilse Entlesberger u.a., Atypical Dis- colourations and Local Differences in Paper-Sur- face Structures, in: Journal of Paper Conservation 12/3 [2011], S. 16–24). Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass wohl tatsächlich feuchte Textilteile während des Druckprozesses unterlegt wurden, um das damals noch schwerere, eigentlich für die manuelle Beschreibung gedachte Papier aufnah- mefähiger für die Druckerschwärze zu machen. Dass nun auch das Bayerische Hauptstaatsarchiv ein schönes Beispiel für dieses bis in die jüngste Zeit ungeklärte Phänomen vorweisen kann, ist ge- wissermaßen das Tüpfelchen auf dem i. Prägestempel des Vorbesitzers auf dem Kopfschnitt: Vogel Strauß und Rehhuf (Foto: Tanja Augustin, Bayerisches Johannes Moosdiele-Hitzler Hauptstaatsarchiv). Gewebemuster in der Textur (Foto: Nadine Bretz, restart). Nachrichten80-13.indd 11 22.06.2021 09:58:41
12 Nachrichten • Nr. 80/2021 Archive Digital Citizen Science Projekt im Staats- die bereits seit 1924 existiert, verfügt über einen Querschnittsausschuss „Geschichte des Straßen- archiv München zur Autobahnge- und Verkehrswesens“, der bis zum Jahr 2014 un- schichte ter der Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Wirth (Universität der Bundeswehr München, Neu- Im Staatsarchiv München läuft seit vielen Jahren biberg) stand. Die Früchte dieses Ausschusses in ein außergewöhnliches Projekt zur Autobahnge- Form von Publikationen zur Geschichte des Stra- schichte, das heute am ehesten unter dem Begriff ßenverkehrswesens lassen sich unter www.fgsv.de der „Citizen Science“ (Bürgerwissenschaft) gefasst abrufen. Seit der Emeritierung Prof. Wirths leitet werden kann. Zentrum des Projekts ist die Photo- nunmehr der Beigeordnete der Stadt Ludwigsha- thek der Autobahndirektion Südbayern, die weit fen, Dipl.-Ing. Alexander Thewalt, den Querschnitts- über 12.000 Glasplatten, Fotos, Filmrollen und ausschuss. Seit der Herbst-Tagung des QA 5 am Dias aus dem Zeitraum von 1933 bis ca. 1970 um- 25./26. September 2019 im Bundesministerium fasst. Das für das Staatsarchiv München äußerst für Verkehr und digitale Infrastruktur in Bonn wurde vorteilhafte Joint-Venture wurde bereits vom ehe- für die Arbeiten zum Thema „Autobahngeschichte“ maligen Amtsleiter Dr. Rainer Braun in die Wege ein Querschnittskreis eingerichtet, dessen Leitung geleitet, der dafür die Forschungsgesellschaft für Wolfgang F. Jäger übernahm, aufgrund seiner Pro- Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in Köln als motion zur Streckenführung der Reichsautobah- zentrale technisch-wissenschaftliche Organisation nen ein ausgewiesener Kenner der Materie. gewinnen konnte. Diese Forschungsgemeinschaft, Beginn der heutigen Autobahn A 9 in München (Leinthaler Straße) im März 1959 (Staatsarchiv München, Bestand Autobahndirektion Südbayern, Akte 2058, Blatt 21). Nachrichten80-13.indd 12 22.06.2021 09:58:42
Nachrichten • Nr. 80/2021 13 Wie bereits erwähnt, hat die intensive Zusammen- Lokalisierung des jeweiligen Streckenabschnittes, arbeit vor Ort eine lange Tradition, denn schon un- die von außergewöhnlicher Ortskenntnis zeugt, ter dem ehemaligen Amtsleiter des Staatsarchivs, auch eine technische Beschreibung, die entspre- Dr. Rainer Braun, begann auch die Zusammenar- chenden Sachverstand voraussetzt. So liegen mitt- beit mit Peter Gombar als „Citizen Archivist“, der lerweile neben den Digitalisaten der Glasplatten ehrenamtlich Pionierarbeit bei der Lokalisierung auch ca. 15.200 Digitalisate und Beschreibungen und Digitalisierung von über 7.800 Glasplatten und der Papierbilder und der Filmrollen vor, insgesamt Fotos des Staatsarchivs für den Beginn des Auto- also ca. 23.000 Digitalisate. Dieser ehrenamtli- bahnbaus aus der NS-Zeit leistete. Unter seiner Ägi- chen Leistung muss an dieser Stelle gebührender de entstanden neben der entsprechenden Anzahl Dank und Respekt ausgesprochen werden. von Digitalisaten auch Excel-Tabellen mit umfang- Doch das unermüdliche Engagement der Mitglie- reichen Metadaten zu den Bildern. Die Tabellen der des Arbeitskreises Autobahngeschichte war enthalten neben einer exakten Beschreibung und damit nicht beendet, denn am 22. Januar 2020 wurde bei einer Zusammenkunft im Bayerischen Hauptstaatsarchiv der QK 5.1 Autobahngeschichte gegründet, der sich der optimierten Erschließung der Akten der Autobahndirektion Süd und den noch ca. 8.000 unverzeichneten Bildern, der „Fehr- Sammlung“ widmen wird. Der feierliche Rahmen wurde genutzt, sich bei Herrn Gombar gebührend für den bisherigen Einsatz und die noch anstehen- den Arbeiten mit einem Präsent, einer Reproduk- tion eines Autobahnplans der A8, zu bedanken. Ziel des Staatsarchivs und auch des Arbeitskreises Autobahngeschichte ist es, die Bilder im Internet zugänglich zu machen, denn diese stellen eine einmalige bildliche Quelle für den Beginn des Au- Gründung des FGSV-Querschnittskreises QK 5.1 Autobahn tobahnbaus in Deutschland dar, die eine allgemein geschichte am 22. Januar 2020, v.l.n.r.: Dr. Christoph zugängliche Nutzung für die Forschung und andere Bachmann, Leiter des Staatsarchivs München, Dr. Werner Interessenten mehr als verdient. Schwarz, Enrico Heide und Peter Gombar (Foto: Dr.-Ing. Wolfgang F. Jäger, Leiter QK 5.1 der FGSV, Köln). Christoph Bachmann Heutige Autobahn A 9 im Bereich der Anschlussstelle Eching im April 1939 (Staatsarchiv München, Fotobestand Autobahndirektion Südbayern, Bild 20.835). Nachrichten80-13.indd 13 22.06.2021 09:58:42
14 Nachrichten • Nr. 80/2021 Kulturgutdigitalisierung konkret: erstmals komplett digital zu gestalten. Mit einem kompakten, auf einen Tag verkürzten Programm EDV-Tag(e) digital erstmals kom- unter Studiobedingungen konnte das Format als plett im Livestream Livestreaming-Event funktionieren, und zwar bes- ser als per Videokonferenz. Und so war es dann Geht das? Sollen wir es wagen? Kann im Herbst auch – über 200 Teilnehmer*innen meldeten sich 2020 überhaupt eine Tagung stattfinden? Vor die- bereits im Vorfeld zur Tagung an, insgesamt belie- sen Fragen stand das kleine Organisationsteam fen sich die Live-Abrufe auf über 600. Das positive der EDV-Tage – Sybille Greisinger M.A. von der Lan- Feedback gab uns recht. Die Technik hielt – vor desstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, allem dank des versierten Einsatzes von Michael Michael Bergeler M.A. vom Haus der Bayerischen Bergeler M.A. Und doch mangelte es an einigen Geschichte (HdBG) und Gerhard Fürmetz M.A. vom Dingen: Die so wichtige Diskussion der Beiträge im Bayerischen Hauptstaatsarchiv – spätestens im größeren Kreis gelang nur ansatzweise – nur zö- März/April 2020, als der erste Corona-Lockdown gerlich kamen Fragen und Kommentare per Twit- kam. Die Planungen für das übliche Dreitagespro- ter, YouTube oder E-Mail. Schmerzlich vermisst gramm (16.–18.9.2020) waren bereits weit ge- wurde natürlich der fachliche Austausch zwischen diehen, ein neuer Tagungsort gefunden. Mit dem den Tagungsteilnehmer*innen vor Ort, etwa beim Haus bzw. Museum der Bayerischen Geschichte in Round-Table-Gespräch – seit jeher prägend für die Regensburg stand ein perfektes Ausweichquartier EDV-Tage mit ihrem Stammpublikum aus den ver- für die EDV-Tage bereit, denn das Kulturschloss schiedensten Kulturgutinstitutionen. Dafür konn- Theuern wird nach wie vor saniert, und das dortige ten wir dank des virtuellen Formats ein größeres Bergbau- und Industriemuseum fiel wegen eines Publikum erreichen als sonst, besonders aus klei- Wechsels an der Spitze als aktiver Mitveranstalter neren Einrichtungen aus ganz Deutschland und aus. dem benachbarten Österreich. Insgesamt standen am Veranstaltungstag (Don- nerstag, 17.9.2020) sieben Vorträge auf dem Pro- gramm. Vier davon wurden live über die Webseite der EDV-Tage und diverse Social-Media-Plattformen aus dem Regensburger HdBG-Studio übertragen. Ein weiterer Referent wurde per Videoaufzeichnung aus Berlin zugeschaltet, und auch der „Praxisblick“ musste vorproduziert werden. Die Moderation übernahm Gerhard Fürmetz M.A., die digitale Kom- munikation Sybille Greisinger M.A. Sämtliche Vor- träge samt der anschließenden Diskussionen kön- nen mittlerweile über die Webseite der EDV-Tage (www.edvtage.de) abgerufen werden. Worum ging es inhaltlich? Digitalisierung ist all- gegenwärtig – gerade im Kulturbereich. Im Fo- Motiv des Tagungsflyers 2020 (Foto: Haus der Bayerischen kus standen daher Fragen der Digitalisierung von Geschichte/www.altrofoto.de; Icon: Flaticon.com erstellt analogem Kulturgut, die Museen und Archive glei- von Freepik). chermaßen betreffen. Wo stehen wir? Mit welchen Strategien gehen wir vor? Wie organisiert man ein Schnell waren wir uns einig: Die traditionsrei- Digitalisierungsprojekt? Welche Standards sollten chen EDV-Tage für Museen und Archive dürfen beachtet werden? Wie kann man wertvolle Objekte der Pandemie nicht gänzlich zum Opfer fallen. vor Schäden beim Digitalisieren schützen? Eine Fachtagung zum IT-Einsatz im Kulturbereich Zum Auftakt des EDV-Tags sollte Dr. Kathrin Zim- muss selbst unter außergewöhnlichen Umstän- mer, Leiterin der Koordinierungsstelle für Digi- den organisierbar sein, notfalls auch ohne Pub- talisierung in Kunst und Kultur im Bayerischen likum. Unter Verwendung eines professionellen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Livestreaming-Equipments des Hauses der Bayeri- grundsätzlich zum Stand der Kulturgutdigitalisie- schen Geschichte schien es möglich, die EDV-Tage rung in Bayern sprechen. Ihr Vortrag musste leider Nachrichten80-13.indd 14 22.06.2021 09:58:42
Nachrichten • Nr. 80/2021 15 Blick auf den technischen Aufbau im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg mit den drei Organisatoren (Foto: Stephanie Santl, Haus der Bayerischen Geschichte). ausfallen, wurde aber nachträglich hochgeladen. Die Nachmittagsvorträge waren eher praktisch ori- Den programmatisch-konzeptionell ausgerichteten entiert. Marco Klindt vom Forschungs- und Kom- Vormittag eröffnete stattdessen Diplomrestaurator petenzzentrum Digitalisierung Berlin digiS analy- Andreas Weisser, tätig beim Doerner Institut Mün- sierte die größten Missverständnisse, die bei der chen sowie Inhaber von Preservation as a Service. Vergabe von Digitalisierungsaufträgen an externe Er plädierte für nachhaltige Digitalisierungsstra- Dienstleister entstehen können. Entscheidend sei tegien im musealen Bereich. Evaluieren, Zustand eine genaue Definition der technischen Parameter, erfassen, priorisieren, Leistungen definieren, in- die er im Detail erläuterte. Der materialreiche Vor- telligent speichern und dabei nie die potenziellen trag und die Präsentation dürften sich gerade auch Nutzer aus dem Blick verlieren, lautete sein Credo, zum nachträglichen Studium auf der Webseite der das er im Leitspruch „Eine Kopie ist keine Kopie!“ EDV-Tage lohnen, will man ein zu spätes „Ah, das zusammenfasste. Daran knüpfte Dr. Laura Scherr ist damit gemeint“ vermeiden. Über internationale unmittelbar an, als sie die Digitalisierungsstrate- Standards der Digitalisierung in Museen berichtete gie der Staatlichen Archive Bayerns vorstellte. Im anschließend Jan Behrendt M.A. vom Militärhisto- archivischen Kontext seien die Schritte ähnlich, rischen Museum Berlin. Er verwies insbesondere dennoch liefe manches anders ab, weil sich die auf das CRM (Conceptual Reference Model) von CI- Aufgaben der Archive und die Beschaffenheit von DOC (Comité International pour la Documentation), Archivgut nicht nur begrifflich von musealen Zwe- ICOMs (Internationales Komitee für Dokumentation cken und Objekten unterschieden. In erster Linie im Museumsbereich). Neben standardisierten Me- sollten stark nachgefragte und akut gefährdete tadaten und kontrolliertem Vokabular sei es wich- Archivalien digitalisiert werden, kombiniert mit tig, eine digitale Strategie zu entwickeln und ob- der Retrodigitalisierung analoger Findmittel. Ange- jektgerecht zu digitalisieren. Man müsse zwischen sichts der riesigen Mengen an Archivgut komme es Digitalisaten (von analogen Objekten) und „Digita- darauf an, die vorhandenen Mittel nachhaltig ein- lifakten“ (im Sinne von „born digitals“) unterschei- zusetzen. Wichtig seien zudem Vernetzungen und den – was die virtuell anwesenden Archivar*innen e-learning-Tools. Der Vortrag endete mit der Ideen- begrüßten. kulisse, dass das Archiv der Zukunft wohl nur zum Wie man die Originale beim Digitalisieren best- Teil digital sein werde, der Lesesaal der Zukunft ein möglich schützt, erläuterte in der letzten Runde Multifunktionsraum. Dr. Katrin Marth, Referentin für Archivtechnik im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Konservatorische Nachrichten80-13.indd 15 22.06.2021 09:58:42
16 Nachrichten • Nr. 80/2021 Aspekte müssten bei jedem Digitalisierungspro- und Staatsarchiv Wien und Dr. Joachim Kemper jekt konsequent mitberücksichtigt werden. Am vom Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg dafür, Beispiel mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Crowdsourcing und User generated content als al- Urkunden zeigte sie die nötigen Schritte auf: Im ternative Methoden zur Erschließung von Archivgut Vorfeld Schäden erfassen und zwingende restau- einzusetzen, anstatt diese Formen der Interaktion ratorische Maßnahmen einleiten, anschließend als „Eventokratie“ abzutun. Leistungsstarke Norm- eine schonende Scanumgebung schaffen und das daten bewarben Prof. Monika Hagedorn-Saupe von Scanpersonal konservatorisch einweisen. Entspre- der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Dr. Alex- chende Grundlagenpapiere auf der Basis eines ander Reis vom Landesarchiv Baden-Württemberg. DFG-Projekts finden sich im Internet. Passend dazu Das dortige DFG-Projekt „GND4C – GND für Kultur- beschrieb zum Schluss Jessica Krause M.A. vom daten“ zielt auf die spartenübergreifende Öffnung Haus der Bayerischen Geschichte in einem instruk- und Weiterentwicklung der GND für nicht-bibliothe- tiven Praxisvideo, wie Fotografien und andere soge- karische Einrichtungen wie Archive, Museen oder nannte Flachware professionell digitalisiert werden wissenschaftliche Institutionen. können. Die dritte Tagungsrunde war 2019 der Präsentation Im Jahr 2019 konnten die EDV-Tage noch in ge- gewidmet. Wie können wertvolle Museumsbestän- wohnter Weise stattfinden, allerdings bereits de digital sichtbar gemacht werden? Online-Samm- nicht mehr wie bis 2018 in Theuern (siehe Nach- lungen dürften schon bald neue Museumsbesu- richten Nr. 76/2019, S. 35–36). Die rund 80 cher anziehen, bei den Münchner Pinakotheken Teilnehmer*innen trafen sich stattdessen vom ebenso wie beim kleinen Franz Marc Museum am 18. bis 20. September 2019 im König-Ruprecht- Kochelsee – eine Entwicklung, die seit 2020 durch Saal des Landratsamts Amberg-Sulzbach. Das ein- die Pandemie-bedingte Schließung der meisten drucksvolle Umfeld in der historischen Amberger Museen noch zusätzlich forciert wird. Dass auch Innenstadt half dabei, die viel geschätzte „Theu- digitale Medien künftig barrierefrei sein müssen, ern-Atmosphäre“ nicht zu sehr zu vermissen. Wie ist eine weitere Herausforderung. üblich wurden etliche Vorträge per Livestream ins Gerhard Fürmetz Internet übertragen, so dass man auch aus der Ferne neue Entwicklungen und Erfahrungen im Umgang mit Informations- und Kommunikations- technologien mitverfolgen konnte. „Digital History“ im virtuellen Vor- Hier ein kurzer inhaltlicher Rückblick: 2019 wurden lesungsbetrieb drei Themenschwerpunkte behandelt. Am ersten Tag war der Blick auf Depots und Magazine gerich- Die 2019 begonnene Zusammenarbeit des Staats- tet. Wie konzipiert man ein modernes Museums- archivs Landshut mit der Universität Passau im depot? Einblicke in das virtuelle Archivmagazin Fachbereich der „Digital Humanities“ wurde im der Zukunft gaben Gerhard Fürmetz M.A. vom Bay- Wintersemester 2020/21 erfolgreich fortgesetzt. erischen Hauptstaatsarchiv und Michael Volpert Aufgrund der hohen Covid-19-Infektionszahlen vom Archiv des Erzbistums München und Freising. wurde der Kurs „Digitale Landesgeschichte. Eine Beide Häuser sind kürzlich auf eine elektronische Einführung in die Digital History“ – wie alle Lehr- Magazinverwaltung umgestiegen und hatten dabei veranstaltungen an der Universität Passau im zahlreiche Schwierigkeiten zu meistern. Die reale Wintersemester 2020/21 – virtuell abgehalten. Situation bot sich anschließend eindrucksvoll bei Die wissenschaftliche Übung stand als Kooperati- einem gemeinsamen Besuch im Staatsarchiv Am- onsveranstaltung unter gemeinsamer Leitung von berg. Markus Gerstmeier M.A., wissenschaftlicher Mitar- Das elektronische Erschließen der Bestände be- beiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Malte Rehbein, herrschte Tag zwei. Welche Methoden und Stan- Lehrstuhl für Digital Humanities, und Prof. Dr. Brit- dards gibt es, um Objekte und Archivalien so ef- ta Kägler, seit August 2020 Inhaberin der Professur fizient wie möglich zu erfassen und zu beschrei- für Bayerische Landesgeschichte und europäische ben? Citizen Science, Normdaten und Mapping Regionalgeschichte an der Universität Passau. sind Ansätze bzw. Techniken, die in der Fachwelt Ein Schwerpunkt dieser Veranstaltung lag darauf, derzeit intensiv diskutiert werden. So plädierten den Studierenden digitale Angebote der bayeri- etwa Hofrat Mag. Thomas Just vom Haus-, Hof- Nachrichten80-13.indd 16 22.06.2021 09:58:42
Nachrichten • Nr. 80/2021 17 schen Landesgeschichte als wichtige Instrumen- insgesamt ca. 47 Millionen Archivalien vom Jahr te für Studium und Forschung vorzustellen und 777 bis heute. Derzeit sind davon ca. 1,8 Millionen näherzubringen. In die bereits seit 20 Jahren sich Archivalien online recherchierbar, zu ca. 100.000 stetig erweiternde Palette – von Historischem Lexi- Archivalien sind Digitalisate mit insgesamt 3,5 Mil- kon Bayerns, der Ortsdatenbank der Bayerischen lionen Bildern hinterlegt. Landesbibliothek online (BLO) bis zu den digitalen Als wichtige Werkzeuge lernten die Studierenden Protokollen des Bayerischen Ministerrats – reihen die Online-Findmitteldatenbank der staatlichen sich die digitalen Angebote der Staatlichen Archive Archive (https://www.gda.bayern.de/service/find Bayerns ein, weshalb das Staatsarchiv Landshut mitteldatenbank/) sowie die verschiedenen Inter- zwei Sitzungstermine gestaltete. netportale mit Beteiligung der staatlichen Archive, Exemplarisch für die Staatlichen Archive Bayerns wie Bavarikon (https://www.bavarikon.de/), Mo- wurde das Staatsarchiv Landshut mit seinem Auf- nasterium (https://www.monasterium.net/mom/ gabenspektrum, seinen Beständen und deren Be- home?_lang=deu) oder Porta Fontium (http:// nutzung von Dr. Martin Rüth vorgestellt. www.portafontium.de/?language=de) anhand Die Staatlichen Archive Bayerns mit ihren Sprengel- ausg ewählter Beispiele kennen. zuständigkeiten, der Bandbreite ihrer Fachaufga- Irmgard Lackner ben und den rechtlichen Aspekten bei der Archiv- benutzung erläuterte Dr. Irmgard Lackner in einer weiteren Sitzung den Teilnehmer*innen der Veran- staltung. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf BayernWLAN im Staatsarchiv dem Digitalen Archiv der Staatlichen Archive Bay- Landshut erns. Die Staatlichen Archive Bayerns verwahren Im Staatsarchiv Landshut steht seit Oktober 2020 allen Benutzer*innen ein frei zugänglicher, drahtloser Internetzugang über einen Bayern WLAN-Hotspot zur Verfügung. Somit können die Besucher*innen des Staatsarchivs Landshut kos- tenfrei mit ihren mobilen Endgeräten mit bis zu 50Mbit/s in den Online-Findmitteln und digitali- sierten Beständen der Staatlichen Archive Bayerns bequem vor Ort recherchieren oder auf anderen Seiten im Internet surfen. Diese wichtige Serviceleistung für alle Be su cher*innen des Staatsarchivs Landshut ist Teil der BayernWLAN-Initiative, einem Ende 2015 begon- nenen Programm des Bayerischen Staatsministe- riums der Finanzen und für Heimat zur flächende- ckenden Etablierung von Hotspots für frei zugäng- lichen drahtlosen Internetzugang in ganz Bayern. Damit reiht sich ein weiterer Standort der Staatli- chen Archive Bayerns in das Netz von kostenfrei- en WLAN-Hotspots des Freistaats Bayern ein, dem touristische Highlights, Hochschulen, Kommunen und Behördenstandorte angehören. Die Nutzung von BayernWLAN ist sicher, unkom- pliziert und anonym, da keine Registrierung, Pass- wörter oder Anmeldedaten erforderlich sind. Ein vorinstallierter Filter erfüllt zudem das Kriterium des Jugendschutzes beim Surfen. Irmgard Lackner Nachrichten80-13.indd 17 22.06.2021 09:58:43
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