Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns - Bayern.de

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Nachrichten
                           aus den Staatlichen Archiven Bayerns
                                                               Nr. 80, Juli 2021

                       Aus dem Inhalt:
                       Mitarbeiter*innen der Staatlichen Archive Bayerns im Einsatz gegen
                       die Corona-Pandemie (S. 3)
                       Workshop „XArchiv – Automatisierung und Standardisierung bei der
                       digitalen Archivierung“ (S. 6)
                       Als das Staatsarchiv Amberg noch königlich war (S. 9)

80Umschlag2.indd 2-3                                                                        21.06.2021 12:32:02
Nachrichten • Nr. 80/2021

                                                                                      Inhalt
                Mitarbeiter*innen                                         Historisch-politische                                   Bildersammlung Nachlass
                                                                                                                                  Josef Brennfleck............................ 33
                                                                          Bildungsarbeit und
                                                                                                                                  Bildersammlung Nachlass
                Aktuelles                                                 Ausstellungen                                           Eugen von Frauenholz.................. 34
                Mitarbeiter*innen der                                     Ausstellung zu den deutsch-                             Nachlass Udo Ehling
                Staatlichen Archive Bayerns                               sprachigen Urkunden Kaiser                              erschlossen................................... 36
                im Einsatz gegen die Corona-                              Ludwigs des Bayern im Staats-
                Pandemie......................................... 3       archiv Augsburg ............................ 18         Max Mannheimer – eine be-
                                                                                                                                  sondere Begegnung...................... 38
                Besuch des Generalkonsuls                                 P-Seminar zur Geschichte der
                der Islamischen Republik Iran                             Abtei Seligenthal im Staats­                            Nachlass der angeblichen
                im Bayerischen Hauptstaats-                               archiv Landshut ............................ 20         „Zarentochter“ Anastasia............. 39
                archiv............................................... 4                                                           Adolf Hitlers Speiseplan von
                Zum 100. Geburtstag von                                                                                           1943 im Bayerischen Haupt-
                Sophie Scholl – Bayerisches
                                                                          Veranstaltungen                                         staatsarchiv................................... 42
                Hauptstaatsarchiv bewahrt                                 Das Staatsarchiv Augsburg als
                Erinnerung an die Weiße Rose....... 4                     Gastgeber einer internationa-                           Staatsarchiv Amberg
                                                                          len Tagung zu Europäischen                              Bestandsneuaufbau im
                Workshop „XArchiv – Automa-
                                                                          Kanzleisprachen des Mittel­                             Bereich der Staatlichen
                tisierung und Standardisie-
                                                                          alters im Vergleich......................... 22         Bauverwaltung..............................44
                rung bei der digitalen Archivie-
                rung“ ............................................... 6
                                                                                                                                  Staatsarchiv Bamberg
                Staatliche Archive Bayerns                                Archivpflege                                            Erweiterungsbau des Staats-
                beteiligen sich am Tag der
                                                                          Rückgabe Gemeindedepot                                  archivs Bamberg in einem
                Provenienzforschung ..................... 7
                                                                          Maineck an die Gemeinde                                 Jahr zu zwei Dritteln gefüllt..........46
                Amtswechsel im Staatsarchiv                               Altenkunstadt ............................... 25
                Nürnberg.......................................... 8                                                              Staatsarchiv Coburg
                                                                                                                                  Alte Bände in neuem Gewand
                                                                          Übernahme, Erschlie-                                    – Vorläufer der Grundbücher
                Fundstücke
                                                                          ßung und Nutzbarma-                                     im Staatsarchiv Coburg neu
                Als das Staatsarchiv Amberg                                                                                       aufgestellt......................................48
                noch königlich war.......................... 9            chung                                                   Erschließung von Adelsarchi-
                Inkunabel in der Amtsbiblio-                              Bayerisches Hauptstaatsarchiv                           ven im Staatsarchiv Coburg......... 49
                thek des Bayerischen Haupt-
                staatsarchivs (wieder)entdeckt...... 9                    Bestand Kloster Höglwörth                               Staatsarchiv München
                                                                          abschließend bearbeitet.............. 26
                                                                                                                                  Zeitgeschichte, Kunstge-
                                                                          Karten und Pläne der Bayeri-                            schichte und Prominenz in
                Archive Digital                                           schen Berg-, Hütten- und Salz-                          Steuerakten des Staatsarchivs
                                                                          werke AG erschlossen................... 28              München........................................ 51
                Citizen Science Projekt im
                Staatsarchiv München zur                                  Wie Kriegsfolgen bewältigt                              Digitale Unterlagen des
                Autobahngeschichte .................... 12                wurden – Teilbestand zur                                Jobcenters München über-
                                                                          finanziellen Abwicklung der                             nommen........................................ 54
                Kulturgutdigitalisierung kon-
                                                                          Napoleonischen Kriege................ 29
                kret: EDV-Tag(e) digital erst-
                mals komplett im Livestream....... 14                     Plansammlung des Kriegs­                                Staatsarchiv Würzburg
                                                                          archivs neu verpackt.....................30             Bestandsbildung im Bereich
                „Digital History“ im virtuellen
                Vorlesungsbetrieb ........................ 16             Digitalisierung der Bilder-                             der „Regierung des Unter-
                                                                          und Postkartensammlung                                  mainkreises“ (1817–1837)
                BayernWLAN im Staatsarchiv                                                                                        abgeschlossen.............................. 55
                                                                          des Bayerischen Kriegsminis-
                Landshut........................................ 17
                                                                          teriums........................................... 32

Nachrichten80-13.indd 1                                                                                                                                                            22.06.2021 09:58:39
Nachrichten • Nr. 80/2021

                Bestandserhaltung                                      Archivamtsrat a.D. Anton Grau
                                                                       wenige Monate nach seinem
                Schadenserfassung: wichtige                            hundertsten Geburtstag ver-
                Vorarbeit archivischer Digitali-                       storben........................................... 63
                sierungsprojekte........................... 57
                                                                       Archivdirektor a.D. Prof. Dr.
                                                                       Franz Machilek – ein Nachruf......64
                Aus- und Fortbildung,                                  Tanja Augustin plötzlich aus
                Bayerische Archiv-                                     dem Leben gerissen..................... 65

                schule                                                 Nachruf auf Archivdirektor a.D.
                                                                       Dr. Hans Jürgen Wunschel ........... 65
                Zwei Ausbildungskurse legen
                Abschlussprüfung ab.................... 59
                14. Internationale Herbst­                             Schriftgutverwaltung
                archivschule des International                         Fortschreibung des
                Institute for the Archival                             EAPlAufbew.................................... 66
                Science Triest (Italy) – Maribor
                (Slovenia) ...................................... 59
                                                                       Neue Veröffentli-
                Personalia und                                         chungen
                Interna
                Amtszeit 2016–2021 des                                 Terminvorschau
                Bezirkspersonalrats endet .......... 61
                Unterzeichnung der Inklusi-
                onsvereinbarung........................... 61          Impressum
                Neue Dienstvereinbarung zur
                Wohnraumarbeit........................... 62

                Mitarbeiter*innen
                Dr. Katharina Aubele M.A. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Christoph Bachmann M.A.
                (Staatsarchiv München). – Ulrich Baur M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Leander Beil M.A. (Bayerisches
                Hauptstaatsarchiv). – Dr. Thomas Engelke M.A. (Staatsarchiv Augsburg). – Gerhard Fürmetz M.A. (Bayerisches
                Hauptstaatsarchiv). – Joachim Glasner (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Bernhard Grau M.A. (Bayerisches
                Hauptstaatsarchiv). – Stephanie Günther M.A. (Staatsarchiv München). – Hildegard Hagen (Bayerisches Haupt-
                staatsarchiv). – Karin Hagendorn (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Martina Haggenmüller
                M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Johannes Haslauer M.A. (Staatsarchiv Bamberg). – Renate Herget (Bay-
                erisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Julian Holzapfl M.A. (Staatsarchiv München). – Birgit Hufnagel (Staatsarchiv Co-
                burg). – Dr. Christian Kruse (damals Staatsarchiv Bamberg; nun Staatsarchiv Nürnberg). – Dr. Margit Ksoll-Marcon
                M.A. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Irmgard Lackner M.A. (Staatsarchiv Landshut). – Dr.
                Johannes Moosdiele-Hitzler M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Thomas Paringer M.A. (Bayerisches Haupt-
                staatsarchiv). – Dr. Johann Pörnbacher M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Klaus Rupprecht (Staatsarchiv
                Würzburg). – Dr. Maria Rita Sagstetter M.A. (Staatsarchiv Amberg). – Ingrid Sauer M.A. (Bayerisches Hauptstaatsar-
                chiv). – Mag. Dr. Laura Scherr (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Klemens Schlindwein (Staats-
                archiv Nürnberg). – Dr. Markus Schmalzl M.A. (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns). – Dr. Till Strobel
                (Staatsarchiv Amberg). – Heinz-Jürgen Weber (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Elisabeth Weinberger M.A.
                (Bayerisches Hauptstaatsarchiv). – Dr. Alexander Wolz M.A. (Staatsarchiv Coburg).

Nachrichten80-13.indd 2                                                                                                                               22.06.2021 09:58:39
Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                       3

                                                             Aktuelles
                Mitarbeiter*innen der Staatlichen                              gründeten Abteilung 7 „Öffentlicher Gesundheits-
                                                                               dienst“ des Staatsministeriums tätig.
                Archive Bayerns im Einsatz gegen
                die Corona-Pandemie                                            Eine Kollegin wurde in der Task Force Corona Lage
                                                                               (später Abteilung 6: „Gesundheitssicherheit“) ein­
                Per Ministerratsbeschluss wurden die bayerischen               gesetzt, wo viele Informationen aus den Gesund-
                Behörden aufgerufen, Unterstützungskräfte zur Be-              heitsämtern und Forschungsinstituten zusammen-
                kämpfung der Corona-Pandemie an das Staatsmi-                  kommen und täglich in Datenblättern aufbereitet
                nisterium für Gesundheit und Pflege abzuordnen.                werden. Zweimal wöchentlich erscheint der landes-
                                                                               weite Lagebericht, der die Grundlage für politische
                Auf eine Abfrage meldeten sich zwei Beamtinnen
                                                                               Entscheidungen bildet.
                sowie zwei Beschäftigte des Staatsarchivs Mün-

                   Standorte des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
                   (© Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege).

                chen bzw. des Bayerischen Hauptstaatsarchivs so-               Obwohl naturgemäß im abordnenden Archiv Arbeit
                wie ein Beamter aus dem Staatsarchiv Nürnberg.                 liegen bleibt oder von Kolleg*innen übernommen
                Von Ende November 2020 bis Ende April 2021 wa-                 werden muss, war es sehr spannend dort mitzuwir-
                ren sie am jeweiligen Dienstsitz des Staatsministe-            ken, wo Bund-Ländersitzungen und Ministerrats-
                riums im Einsatz.                                              vorlagen vorbereitet oder auch Pressekonferen­zen
                                                                               in verschiedenen Regierungsbezirken mit Hinter-
                Zwei Kolleginnen brachten sich beim Aufbau ein-
                                                                               grundinformationen versorgt werden. Hinzu kam
                heitlicher Softwarestrukturen bei den Gesund-
                                                                               die Zuarbeit zu Ministerbüro, Landtag und Staats-
                heitsämtern ein. Eine Kollegin half mit bei der Um-
                                                                               kanzlei. Interessante Einblicke in das Zusammen-
                setzung des Projekts Gesundheitsregionen plus,
                                                                               wirken der verschiedenen Ressorts weiteten den
                das Initiativen zur gesundheitlichen und pflegeri-
                                                                               Blick, jedoch ging es darum, den bestmöglichen
                schen Versorgung vor Ort unterstützt. Ein Kollege
                                                                               Beitrag zur Bekämpfung der vielfältigen Herausfor-
                beschäftigte sich mit Grundsatzangelegenheiten
                                                                               derungen der Pandemie geleistet zu haben.
                des öffentlichen Gesundheitsdienstes, speziell mit
                Aus- und Fortbildung. Sie waren alle in der neu ge-                                                  Ingrid Sauer

Nachrichten80-13.indd 3                                                                                                         22.06.2021 09:58:39
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                Besuch des Generalkonsuls der
                Islamischen Republik Iran im
                Bayerischen Hauptstaatsarchiv
                Am 22. Oktober 2020 stattete der Generalkonsul
                der Islamischen Republik Iran in München, Herr
                Amirreza Sherkat, dem Bayerischen Hauptstaats-
                archiv einen Kennenlern- und Informationsbesuch
                ab. Er folgte damit dem Beispiel seines Vorgängers,
                des Generalkonsuls Abdollah Nekounam Ghadirli,
                der Ende 2017 im Hauptstaatsarchiv empfangen
                worden war. Dem Gast wurden Stellung und Funk-                   Mausoleum des Imamzedeh Mohamad Mahruq in
                tion des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, die ar-                 Neyshabur, Aquarell Oskar Ritter von Niedermayers
                chivrechtlichen Rahmenbedingungen sowie die                      vom 1. Mai 1913 (Bayerisches Hauptstaatsarchiv,
                außergewöhnliche Breite der verwahrten Bestände                  Abt. IV Kriegsarchiv, BS II, Friedensbilder 36/22).
                erläutert. An konkreten Beispielen wurden histori-
                sche Kontakte aufgezeigt, die zwischen Bayern und               Diese Aufenthalte sind durch einen reichhaltigen
                dem Iran bzw. Bayern und Persien bestanden ha-                  Fundus an Quellen zur Person Niedermayers, aber
                ben. Auf besonderes Interesse des Generalkonsuls                auch zu seinen Expeditionen dokumentiert, der
                stießen dabei die Expeditionen des bayerischen                  heute in der Abteilung IV (Kriegsarchiv) des Baye-
                Offiziers Oskar Ritter von Niedermayer nach Afgha-              rischen Hauptstaatsarchivs verwahrt wird. Im Jahr
                nistan und Persien in den Jahren 1912 bis 1917.                 2014 zeigte das Bayerische Hauptstaatsarchiv
                                                                                eine kleine Lehrausstellung zu Oskar Ritter von
                                                                                Niedermayer. Im Kriegsarchiv finden sich auch die
                                                                                Tagebücher seines Bruders, Friedrich von Nieder-
                                                                                mayer, der ihn auf einigen seiner Expeditionen be-
                                                                                gleitet hat (vgl. Nachrichten Nr. 69/2015, S. 43).
                                                                                Von ganz besonderer Qualität sind die in der Bil-
                                                                                dersammlung verwahrten Sammelkassetten mit
                                                                                insgesamt 42 Aquarellen Oskar Ritter von Nieder-
                                                                                mayers. Sie dokumentieren die Landschaft, aber
                                                                                auch wichtige Sehenswürdigkeiten dieser Region
                                                                                und sind bislang öffentlich noch kaum bekannt.
                                                                                                                           Bernhard Grau

                                                                                Zum 100. Geburtstag von Sophie
                                                                                Scholl – Bayerisches Hauptstaats-
                                                                                archiv bewahrt Erinnerung an die
                                                                                Weiße Rose
                                                                                Am 9. Mai 2021 jährt sich der Geburtstag von So-
                                                                                phie Scholl, dem wohl bekanntesten Mitglied der
                                                                                studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße
                                                                                Rose“, zum hundertsten Mal. Sie wurde am 22.
                                                                                Februar 1943 als Einundzwanzigjährige für die
                                                                                Verbreitung regimekritischer Flugblätter von der
                   Besuch des Generalkonsuls der Islamischen Republik Iran,     NS-Justiz zum Tode verurteilt und noch am selben
                   v.l.n.r. Generalkonsul Amirreza Sherkat, Dr. Bernhard Grau
                   (Foto: Doris Wörner, Bayerisches Hauptstaatsarchiv).
                                                                                Tag hingerichtet. Mit ihr starben ihr Bruder Hans
                                                                                Scholl und Christoph Probst. In einem zweiten Pro-

Nachrichten80-13.indd 4                                                                                                                22.06.2021 09:58:39
Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                           5

                   Büste Sophie Scholls in der Walhalla
                   (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, NL Kronawitter, Hildegard 237, Foto: privat).

                zess wurden mit Kurt Huber, Alexander Schmorell                    sche Hörer gerichtet war. Der Text des sechsten
                und Willi Graf weitere Mitglieder des Freundeskrei-                Flugblatts wurde Mitte 1943 von alliierten Flugzeu-
                ses Weiße Rose verurteilt und im Juli bzw. Oktober                 gen unter dem Titel „Ein deutsches Flugblatt“ hun-
                1943 ebenfalls hingerichtet.                                       derttausendfach über Deutschland abgeworfen.
                                                                                   Man kann davon ausgehen, dass die Widerstands-
                Die von christlichem Gedankengut geprägte Grup-
                                                                                   handlung der Weißen Rose somit schon während
                pe von Studierenden und Dozenten wollte einen
                                                                                   des Krieges großen Teilen der deutschen Bevölke-
                geistigen Neuaufbruch anstelle der totalitären NS-
                                                                                   rung bekannt war.
                Ideologie. Sie wählten das Medium der Flugblätter,
                die sie seit Mitte 1942 vorwiegend auf dem Post-                   Die Originale der Flugblätter selbst aber waren zum
                weg verschickten. Bei der offenen Verteilung des                   Entstehungszeitpunkt kompromittierendes Materi-
                sechsten Flugblatts in der Münchner Universität                    al – verständlich, dass sie in keinem Nachlass der
                wurden die Geschwister Scholl entdeckt und fest-                   Weiße-Rose-Mitglieder zu finden sind. Auch für die
                genommen. Innerhalb weniger Tage organisierte                      Empfänger oder Finder der Flugblätter war der Be-
                die NS-Justiz einen Schauprozess des Volksge-                      sitz brisant. Die vom Regime gewünschte Reaktion
                richtshofs in München, der zur Verurteilung führte.                war selbstverständlich die Weitergabe und Anzeige
                Sophie Scholl versuchte dabei, die Hauptschuld                     an die Ermittlungsbehörden, vielfach aber werden
                auf sich zu nehmen und damit den Freundeskreis                     die Flugblätter einfach möglichst unauffällig ver-
                zu schützen. Durchdrungen von der Überzeugung,                     nichtet worden sein. Heute sind sie somit vorwie-
                das Richtige getan zu haben, ging sie aufrecht in                  gend im Zusammenhang mit Ermittlungs- bzw. Pro-
                den Tod.                                                           zessakten überliefert.
                Informationen über die Widerstandshandlung der                     Das ehrende Gedenken an die Mitglieder der Wei-
                Gruppe verbreiteten sich aufgrund der Bericht-                     ßen Rose und insbesondere an die Geschwister
                erstattung nicht nur in Deutschland, sondern ge-                   Scholl begann unmittelbar nach Kriegsende. Be-
                langten bald unter anderem an die amerikanische                    reits im Herbst 1945 hielt Romano Guardini in
                Presse. Selbst Thomas Mann im Exil erwähnte die                    München eine vielbeachtete Gedenkrede. Den-
                Weiße Rose in seiner BBC-Sendung, die an deut-                     noch bleibt die Aufarbeitung und Einordnung der

Nachrichten80-13.indd 5                                                                                                             22.06.2021 09:58:40
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                Widerstandsleistung ein dauerndes Bemühen. Das        Workshop „XArchiv – Automatisie-
                Bayerische Hauptstaatsarchiv unterstützt dieses
                                                                      rung und Standardisierung bei der
                Bestreben seit längerem aktiv und hat dafür sogar
                einen Erwerbungsschwerpunkt für nichtstaatliches      digitalen Archivierung“
                Archivgut formuliert. Mit seiner Bestandsgruppe
                                                                      Am 27. Januar 2021 fand der Workshop „XArchiv –
                des „Weiße Rose Archivs“ sorgt es für den Erhalt
                                                                      Automatisierung und Standardisierung bei der digi-
                originärer Quellen zur Weißen Rose. Darin ver-
                                                                      talen Archivierung“ der Generaldirektion der Staat-
                wahrt es derzeit die Nachlässe der Weiße-Rose-
                                                                      lichen Archive Bayerns statt. Pandemiebedingt tra-
                Mitglieder Alexander Schmorell, Christoph Probst
                                                                      fen sich die Teilnehmer*innen im virtuellen Raum.
                und Willi Graf, außerdem der Angehörigen Annelie-
                                                                      In acht Beiträgen stellten Archivar*innen aus ver-
                se Knoop-Graf und Bernhard Knoop. Um auch die
                                                                      schiedenen Archivsparten best practices der auto-
                Bemühungen um eine angemessene Erinnerungs-
                                                                      matisierten Übernahme, Validierung, Ingestierung,
                arbeit zur Weißen Rose künftig dokumentieren zu
                                                                      Strukturierung, Protokollierung und Erschließung
                können, wurde erst vor kurzem eine Archivierungs-
                                                                      elektronischer Informationen vor. Erwartungs-
                vereinbarung mit der Weiße Rose-Stiftung e.V. ab-
                                                                      gemäß traf der Workshop auf großes Interesse
                geschlossen.
                                                                      der Fachcommunity und der Wissenschaft. 185
                Deren Vorsitzende, Dr. Hildegard Kronawitter, ist     Teilnehmer*innen aus Archiven, Bibliotheken, Uni-
                selbst seit langem in diesem Bereich engagiert.       versitäten, Behörden und Forschungseinrichtun-
                Als Abgeordnete des Bayerischen Landtags ergriff      gen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und
                sie im Jahr 2000 die Initiative und beantragte die    Tschechiens diskutierten engagiert Herausforde-
                Aufnahme von Sophie Scholl in die Walhalla, wo        rungen, Grenzen und Desiderate der Standardisie-
                seit der Gründung durch Bayerns König Ludwig I.       rung und Automatisierung bei der elektronischen
                die Büsten „rühmlich ausgezeichneter Teutscher“       Langzeitarchivierung und deren Bedeutung für
                aufgestellt sind. Gegen alle Widerstände, die sich    den Aufbau einer Nationalen Forschungsdatenin­
                hauptsächlich in formalen Argumenten wie Antrags-     frastruktur. Dr. Daniel Baumann (Stadtarchiv Mün-
                fristen und Wartelisten niederschlugen, schmie-       chen) stellte Freud und Leid der standardisierten
                dete sie ein breites Bündnis an Unterstützern, so     Archivierung anhand der Archivierungsschnittstelle
                dass in Rekordzeit und auf den Tag genau zum          Scope OAIS dar. Johannes Renz (Landesarchiv Ba-
                60. Todestag am 22. Februar 2003 die Büste des        den-Württemberg) präsentierte mit dem Tool DIWI
                Künstlers Wolfgang Eckert enthüllt werden konnte.     eine teilautomatisierte Lösung für die Archivie-
                Damit erfüllte sich zugleich eines der Hauptargu-     rung von Webseiten. Dr. Kristina Starkloff (Archiv
                mente, das Hildegard Kronawitter in ihrem Antrag      der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
                vorgebracht hatte: „Mit der Person Sophie Scholls     Wissenschaften e.V.) erörterte Chancen der Stan-
                wird auch die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ in       dardisierung und Automatisierung bei der E-Mail-
                angemessener Weise gewürdigt und in der Walhal-       archivierung anhand des Tools EMiLiA, an dessen
                la in eine Reihe mit den herausragendsten Persön-     Realisierung auch die Generaldirektion der Staatli-
                lichkeiten deutscher Geschichte gestellt“.            chen Archive Bayerns beteiligt ist. Dr. Annekathrin
                Ein weiteres Motiv für die Aufnahme Sophie Scholls    Miegel (Hessisches Landesarchiv) und Dr. Zbyšek
                in die Walhalla war für Hildegard Kronawitter au-     Stodůlka (Tschechisches Nationalarchiv Prag) führ-
                ßerdem die Tatsache, dass sie eine Frau war. Frau-    ten mit dem DIMAG-Ingestprozessmodul und dem
                en und ihre Leistungen sind in der Walhalla noch      Nationalen Archivportal Tschechiens übergeord-
                deutlich unterrepräsentiert. Das Thema Frauenför-     nete Lösungen der Übernahme und Verarbeitung
                derung war und ist für Frau Kronawitter stets ein     vor. Kristina Plabst und Michael Volpert (Archiv
                großes politisches Anliegen, das belegen die Unter-   der Erzdiözese München und Freising) zeigten auf,
                lagen in ihrem umfangreichen schriftlichen Vorlass,   dass Standardisierung und Automatisierung sehr
                den das Bayerische Hauptstaatsarchiv ebenfalls        wohl auch weitere archivische Fachbereiche und
                bereits verwahrt. Dies ist auch deshalb besonders     Workflows betrifft, die toolgestützt optimiert wer-
                erfreulich, weil der Anteil von Frauennachlässen im   den können. Dr. Puchta und Dr. Schmalzl (General-
                Bayerischen Hauptstaatsarchiv mit rund 10 Pro-        direktion der Staatlichen Archive Bayerns) stellten
                zent nach wie vor sehr ausbaufähig ist.               den bereits produktiven xdomea-Client sowie den
                                                                      ab Herbst 2021 zur Verfügung stehenden generali-
                                                 Thomas Paringer      sierten XML-Client der Staatlichen Archive Bayerns

Nachrichten80-13.indd 6                                                                                                22.06.2021 09:58:40
Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                          7

                für die automatisierte Archivierung von Daten aus               ckung noch bestehender Lücken und Desiderate
                eAktensystemen bzw. Fachverfahren und Daten-                    wurden identifiziert. Allerdings machen Bedarfe
                banken vor. Das große Interesse am Workshop                     nach Standards und Automatisierung nicht bei In-
                und die rege Diskussion der Teilnehmer*innen                    gest und Erschließung Halt. Zahlreiche Desiderate
                zeigten den Bedarf an fachlichem Austausch zu                   und Themen harren der fachlichen Diskussion und
                diesem Thema. Notwendigkeiten zur Weiterent-                    Klärung. Dies betrifft nicht nur die Fragen nach feh-
                wicklung der vorgestellten Tools bzw. zur Abde-                 lenden Standards, wie verbindlich Archive sich an
                                                                                Standards orientieren sollten und wie diese sinn-
                                                                                voll weiterentwickelt werden können. Vielmehr gilt
                                                                                es ebenfalls vermeintlich nachgelagerte Bereiche,
                                                                                etwa die Veränderung archivischer Aufgaben und
                                                                                des Berufsbilds in den Blick zu nehmen. Viele frü-
                                                                                her händisch durchgeführte Tätigkeiten sind heu-
                                                                                te automatisiert, fachliche Aufgaben haben sich
                                                                                deutlich verändert, werden aber nicht weniger. Der
                                                                                fachliche Austausch und die Diskussion der auch
                                                                                außerhalb der Archivcommunity entwickelten An-
                                                                                sätze sollen deshalb intensiviert werden.
                                                                                                                   Markus Schmalzl

                                                                                Staatliche Archive Bayerns beteili-
                                                                                gen sich am Tag der Provenienzfor-
                                                                                schung
                                                                                Pandemiebedingt fand der vom Arbeitskreis Pro-
                                                                                venienzforschung veranstaltete 3. Tag der Proveni-
                                                                                enzforschung am 14. April 2021 rein virtuell statt.
                                                                                Der Forschungsverbund Provenienzforschung Bay-
                                                                                ern (FPB), zu dessen Gründungsmitgliedern die Ge-
                                                                                neraldirektion der Staatlichen Archive Bayerns ge-
                                                                                hört, beteiligte sich mit einem reichhaltigen ganztä-
                                                                                gigen Veranstaltungsprogramm.
                                                                                Den Auftakt machten in der Vormittagssektion die
                                                                                Staatlichen Archive Bayerns mit vier Vorträgen zu
                                                                                den Quellen, die Provenienzforscher*innen in den
                                                                                acht Staatsarchiven und dem Bayerischen Haupt-
                                                                                staatsarchiv zur Verfügung stehen. Nach einer all-
                                                                                gemeinen Vorstellung des Forschungsverbundes
                                                                                durch Dr. Johannes Gramlich (Bayerische Staatsge-
                                                                                mäldesammlungen) übernahm Dr. Julian Holzapfl
                                                                                (Staatsarchiv München) die Moderation. Er erklärte
                                                                                zunächst allgemein Funktion und Aufbau der staat-
                                                                                lichen Archive und führte dann in seinem Vortrag
                                                                                „Provenienzrecherche am Staatsarchiv München
                                                                                – Bestände, Suchstrategien und Service“ in die im
                                                                                Staatsarchiv München verfügbaren Quellen ein.
                                                                                Maria Stehr M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv)
                   Der Tag der Provenienzforschung wurde auf Twitter rege
                                                                                übernahm diese Einführung für die Bestände des
                   begleitet, Ausschnitt aus dem Twitter-Account der Staatli-   Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Dr. Laura Scherr
                   chen Archive Bayerns.                                        (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns)

Nachrichten80-13.indd 7                                                                                                            22.06.2021 09:58:40
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                setzte fort mit einem Kurzvortrag über die Bedeu-        Die Betreuung der Sanierungs- und Baumaßnah-
                tung des im Staatsarchiv Würzburg verwahrten Be-         men wird eine der zentralen Aufgaben des neuen
                standes „Gestapostelle Würzburg“ für die Proveni-        Leiters sein. Dr. Christian Kruse, in Kiel geboren,
                enzforschung sowie die Maßnahmen, die für den            studierte an den Universitäten Erlangen und Wien
                Originalerhalt dieses wichtigen Bestandes getrof-        Geschichte und Deutsch für das Lehramt an Gym-
                fen wurden. Den Vortragsreigen beendete Gerhard          nasien. Er wurde mit einer Arbeit über „Franz Fried-
                Fürmetz M.A. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv) mit         rich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1750–
                seinen Ausführungen zu „Jüdische Standesregister         1806“ in Erlangen promoviert. Nach der Ausbildung
                aus Bayern – Überlieferung, Digitalisierung, Quel-       zum wissenschaftlichen Archivar an der Bayeri-
                lenwert“. Das Nachmittagsprogramm bestritten             schen Archivschule 1988 bis 1991 arbeitete er von
                die im Forschungsverbund Provenienzforschung             1991 bis 2002 im Bayerischen Hauptstaatsarchiv,
                vertretenen Museen und Sammlungen sowie das              von 2002 bis 2005 im Staatsarchiv Augsburg und
                Zentralin­stitut für Kunstgeschichte. Alle Angebote      anschließend bis 2007 im Staatsarchiv Nürnberg.
                wurden von einem wechselnden Publikum sehr en-           2007 bis 2008 war Dr. Kruse als ständiger Vertre-
                gagiert wahrgenommen und lockten zwischen 40             ter des Leiters im Staatsarchiv München tätig, von
                und 150 Teilnehmer*innen vor die Bildschirme.            2008 bis 2018 war er in der Generaldirektion der
                                                                         Staatlichen Archive Bayerns als Abteilungsleiter für
                                                        Laura Scherr
                                                                         Archivbau, Bestandserhaltung, Veröffentlichungen
                                                                         und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und vertrat die
                                                                         Staatlichen Archive Bayerns in Bund-Länder-Gremi-
                Amtswechsel im Staatsarchiv                              en. In diese Zeit fielen auch die ersten Planungen
                Nürnberg                                                 für die Generalsanierung des Staatsarchivs Nürn-
                                                                         berg. Seit 1. Dezember 2018 leitete er das Staats-
                Mit Wirkung zum 1. Mai 2021 wurde Archivdirektor         archiv Bamberg. Das Staatsarchiv Nürnberg erhält
                Dr. Christian Kruse unter gleichzeitiger Beförde-        mit Dr. Kruse einen erfahrenen und engagierten
                rung zum Ltd. Archivdirektor zum Leiter des Staats-      Archivar als neuen Leiter.
                archivs Nürnberg bestellt. Er folgt damit Ltd. Archiv-
                direktor Prof. Dr. Peter Fleischmann nach, der mit                                             Margit Ksoll-Marcon
                31. Januar 2021 nach 37 Dienstjahren in den Ru-
                hestand getreten ist.
                Prof. Dr. Fleischmann leitete das Staatsar-
                chiv Nürnberg seit 1. Dezember 2012 mit
                großer Souveränität. Er kehrte damit nach
                Stationen im Staatsarchiv Augsburg und
                Staatsarchiv München – in beiden Staats-
                archiven hatte er die Leitung inne – wieder
                an das Staatsarchiv zurück, in dem seine
                berufliche Tätigkeit nach seiner Ausbildung
                an der Bayerischen Archivschule begonnen
                hatte. In seinem letzten Dienstjahr oblag
                Prof. Fleischmann in Folge der anstehenden
                Generalsanierung des Staatsarchivs die
                Verlagerung der Archivbestände auf die Au-
                ßenstelle Lichtenau des Staatsarchivs, die
                Staatsarchive Augsburg und Landshut und schließ-
                                                                          Ltd. Archivdirektor Dr. Christian Kruse, neuer Leiter des
                lich der Altbestände in das Landeskirchliche Archiv       Staatsarchivs Nürnberg
                der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.            (Foto: Agnes Zettel, Staatsarchiv Nürnberg).

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Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                                   9

                                                        Fundstücke
                Als das Staatsarchiv Amberg noch
                königlich war
                Auf Vermittlung eines langjährigen Benutzers be-
                kam das Staatsarchiv Amberg aus privater Hand
                ein Emailleschild mit der Aufschrift „Kgl. Kreisar-
                chiv der Oberpfalz“ (Format 15 x 21 cm) geschenkt,
                das seit 1875 (oder später) am ehemaligen Archiv-
                standort in der Amberger Altstadt als Behörden-
                schild gedient haben dürfte. Als das Staatsarchiv
                Amberg sich noch „Kgl. Kreisarchiv der Oberpfalz“

                                                                            Eingang des 1910 bezogenen Neubaus des Staatsarchivs
                                                                            Amberg (Foto: Peter Litvai, Atelier für Fotografie Landshut).

                                                                           schien dem Hausmeister oder einem Handwerker
                                                                           das gebrauchte Schild zum Wegwerfen zu schade,
                                                                           weshalb es die Zeiten in Privatbesitz überdauerte
                                                                           und schließlich mehr als 100 Jahre später in das
                                                                           Eigentum des Archivs zurückgelangte.
                                                                           Die alte Bezeichnung „Kreisarchiv“ wurde nach
                                                                           dem Ende der Monarchie durch Verordnung vom
                                                                           16. Juli 1921 in „Bayerisches Staatsarchiv“ geän-
                                                                           dert. Seit 1970 lautet der offizielle Behördenname
                   Behördenschild aus Emaille, im Gebrauch zwischen 1875   „Staatsarchiv Amberg“.
                   und 1910 (Foto: Maria Rita Sagstetter).
                                                                                                                Maria Rita Sagstetter

                nannte, befand es sich in einem Gebäudekomplex
                in der Regierungsstraße, der heute vom Landge-
                richt Amberg genutzt wird. Historischer Kern der
                                                                           Inkunabel in der Amtsbibliothek
                Anlage ist die unter Kurfürst Friedrich II. von der
                Pfalz im Renaissancestil erbaute Regierungskanz-           des Bayerischen Hauptstaatsar-
                lei, die 1547 bezogen werden konnte. Wegen zu-             chivs (wieder)entdeckt
                sätzlichen Raumbedarfs wurden um 1600 zwei
                angrenzende Privatgebäude gekauft und zu einem             Immer wieder machen Archive spannende Ent-
                „Archivum“ ausgebaut. Seit Ende des 18. Jahrhun-           deckungen in ihren eigenen Beständen. Zuletzt
                derts diente zusätzlich das benachbarte Rentmeis-          beispielsweise das Stadt- und Stiftsarchiv Aschaf-
                terhaus der Lagerung von Archivgut. 1910 konnte            fenburg, das im Sommer 2020 bei einem Digita-
                das Amberger Archiv am heutigen Standort in der            lisierungsprojekt eine jahrzehntelang verschollene
                Archivstraße einen für archivische Zwecke errich-          Urkunde Kaiser Ottos II. aus dem Jahr 982 wieder-
                teten Neubau beziehen, der in allen Funktionsbe-           entdeckte. Man fragt sich stets, wie es sein kann,
                reichen eine erhebliche Verbesserung bedeutete.            dass derart Einzelstücke im eigenen Haus einfach
                                                                           verschwinden konnten. Die Antwort war hier – wie
                Nach dem Auszug des Archivs scheint die Email-             in den meisten derartigen Fällen – denkbar ein-
                letafel am bisherigen Standort zurückgeblieben zu          fach: Das Stück wurde irgendwann einmal an der
                sein, da den Eingang zum neuen Gebäude neben               falschen Stelle eingestellt. Meist hilft in diesen Fäl-
                dem Wappen des Königreichs als Supraporte auch             len nur noch ein glücklicher Zufall oder Magazin-
                ein neues Behördenschild zierte. Vermutlich er-

Nachrichten80-13.indd 9                                                                                                                     22.06.2021 09:58:41
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                personal, das in der Kunst des Findens geübt ist,        Das Handbuch der Historischen Buchbestände in
                um wieder darauf zu stoßen.                              Deutschland (1996) weist für die Amtsbibliothek
                                                                         des Bayerischen Hauptstaatsarchivs lediglich zwei
                Ein ähnlicher Fall hat sich nun auch im Bayerischen
                                                                         Inkunabeln aus: Die Reformation der Stadt Nürn-
                Hauptstaatsarchiv ereignet. Im Rahmen einer um-
                                                                         berg von 1479 (Nürnberg: Anton Koberger 1484)
                fassenden Revision ihres Magazinbereichs stieß
                                                                         und die Historiarum Romani Imperii decades III
                die Restaurierungswerkstatt auf einen schwer
                                                                         des Flavius Blondus (Venedig: Octavianus Scotus
                beschädigten Band aus der Amtsbibliothek, dem
                                                                         1483). Bei der damaligen systematischen Erfas-
                ein Auftragsschein aus dem Jahr 1981 beilag. Auf-
                                                                         sung und Beschreibung des Bibliotheksbestands
                grund vordringlicherer konservatorischer Arbeiten
                                                                         war die nun wieder aufgefundene Inkunabel nicht
                an Archivalien war seine Restaurierung offenbar
                                                                         mehr an ihrem Fach gewesen, da sie bereits seit
                immer wieder zurückgestellt worden, so dass das
                                                                         über zehn Jahren zur Restaurierung bereit lag.
                Buch über die Jahrzehnte und mehrere Generati-
                                                                         Dass das Bayerische Hauptstaatsarchiv nun nicht
                onswechsel hinweg sowohl dem Bibliotheks- als
                                                                         nur eine dritte Inkunabel, sondern zugleich das äl-
                auch dem Restaurierungspersonal schlichtweg
                                                                         teste Druckwerk in seinem Bibliotheksbestand wie-
                aus dem Blickfeld geraten war. Kurioserweise war
                                                                         der aufgefunden hat, ist eine mehr als erfreuliche
                auch im Bibliothekskatalog kein Hinweis auf das
                                                                         Nachricht.
                Buch zu finden, so dass es nicht einmal vermisst
                wurde.                                                   Der 39 cm hohe, 28,5 cm breite und 16 cm starke
                                                                         Band wies vor allem an Buchdeckeln und Einband
                                                                         teils erhebliche Schäden auf. Der Rückendeckel
                                                                         ist in der Mitte gebrochen und nur noch zur Hälf-
                                                                         te vorhanden, weswegen sich der hintere Teil des
                                                                         Buchblocks gewellt und die Seiten an den Ecken
                                                                         eingerollt hatten. Die Buchverbindungen zum De-
                                                                         ckel und die Heftung im hinteren Buchblock waren
                                                                         weitgehend gerissen, das insgesamt stark verhorn-
                                                                         te Einbandleder war über dem Rücken teilweise
                                                                         brüchig. Neben der Verunreinigung vor allem des
                                                                         Buchschnitts waren stellenweise alte Feuchtig-
                                                                         keitsschäden festzustellen. Im Inneren erwies sich
                                                                         der Buchblock aber als ausgesprochen sauber und
                                                                         sehr gut erhalten.
                  Der Band (außen) nach der Restaurierung (Foto: Tanja
                  Augustin, Bayerisches Hauptstaatsarchiv).              Die lange Wartezeit auf eine Restaurierung erwies
                                                                         sich als Glücksfall für das wertvolle Stück, ist es
                Bei genauerem Hinsehen ließ sich rasch ermitteln,        doch dadurch einem konservatorischen Maß-
                dass es sich bei dem stattlichen Band um das             nahmenpaket entgangen, das von der heutigen
                gedruckte Repertorium utriusque iuris des itali-         Restau­rierungsethik – Vermeidung von Eingriffen
                enischen Rechtsgelehrten Johannes Calderinus             in die Originalsubstanz, Kenntlichmachung ergänz-
                († 1365) handelt (Abb. s. Umschlagrückseite) – ei-       ter Stellen usw. – noch weit entfernt war. So war
                nen im Spätmittelalter relativ weit verbreiteten ju-     1981 etwa vorgesehen, den Band komplett ausei-
                ristischen Kodex –, und somit um eine Inkunabel!         nander zu nehmen und neu zu heften, die Buchde-
                Als Inkunabeln oder Wiegendrucke werden Bücher           ckel mit auf alt getrimmtem Holz zu ergänzen und
                und Einzeldrucke aus der Frühzeit des Buchdrucks         die fehlenden Schließen zu ersetzen.
                bis zum Jahr 1500 bezeichnet. Wie sich über den          Stattdessen wurde die Inkunabel nun behutsam
                Gesamtkatalog der Wiegendrucke (www.gesamt-              und umfassend nach den heutigen Standards
                katalogderwiegendrucke.de) und durch den Ver-            restau­riert. Einband und Buchblock wurden gerei-
                gleich mit dort verlinkten Digitalisaten anderer         nigt, die verformten Ecken wieder ausgelegt, geris-
                Exemplare leicht feststellen ließ, ist das im Baye-      sene Fälze gesichert, gelöste Heftungen erneuert,
                rischen Hauptstaatsarchiv wieder aufgetauchte            die Bünde stabilisiert. Anstatt das fehlende Holzteil
                Buch im Jahr 1474 in Basel gedruckt worden und           des Rückendeckels zu ergänzen, wurde ein Schutz-
                in 91 (bzw. nun 92) Exemplaren in öffentlichen Ein-      umschlag mit einer passgenauen Einlage angefer-
                richtungen weltweit überliefert.                         tigt, die das fehlende Teil ausgleicht. So musste

Nachrichten80-13.indd 10                                                                                                    22.06.2021 09:58:41
Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                         11

                zum einen die Originalsubstanz nicht angetastet                Wappenbild, das den mittelalterlichen Legenden
                werden, zum anderen schützt der Umschlag zu-                   vom Strauß als Vogel, der Eisen fressen und ver-
                gleich das wieder fixierte Rückenleder.                        dauen kann, entsprungen ist. Die Materie des Bu-
                Im Zuge der Restaurierung kamen zwei interessan-               ches (römisches und kanonisches Recht) lässt am
                te Details zum Vorschein. Im Kopfschnitt des Ban-              ehesten an einen geistlichen Vorbesitzer denken.
                des befindet sich ein etwa 2 x 3 cm großer Abdruck             Als zweite Auffälligkeit ist die besondere Textur ein-
                eines Prägestempels, der als Besitzernachweis zu               zelner Lagen festzustellen. Auf zahlreichen Seiten
                interpretieren ist. Es handelt sich um zwei heraldi-           sind Abdrücke zu erkennen, die an Gewebemuster
                sche Symbole, nämlich sehr wahrscheinlich einen                erinnern. Dieses Phänomen, das bisher nur bei
                Vogel Strauß und ein Rehhuf. Die Kombination von               Inkunabeln aus dem oberdeutschen Raum festzu-
                Vogel Strauß und Hufeisen war ein verbreitetes                 stellen war, wurde erstmals 2011 anhand der Inku-
                                                                               nabelsammlung der Universität Graz eingehender
                                                                               untersucht (vgl. Ilse Entlesberger u.a., Atypical Dis-
                                                                               colourations and Local Differences in Paper-Sur-
                                                                               face Structures, in: Journal of Paper Conservation
                                                                               12/3 [2011], S. 16–24). Die Studie kam zu dem
                                                                               Ergebnis, dass wohl tatsächlich feuchte Textilteile
                                                                               während des Druckprozesses unterlegt wurden,
                                                                               um das damals noch schwerere, eigentlich für die
                                                                               manuelle Beschreibung gedachte Papier aufnah-
                                                                               mefähiger für die Druckerschwärze zu machen.
                                                                               Dass nun auch das Bayerische Hauptstaatsarchiv
                                                                               ein schönes Beispiel für dieses bis in die jüngste
                                                                               Zeit ungeklärte Phänomen vorweisen kann, ist ge-
                                                                               wissermaßen das Tüpfelchen auf dem i.
                  Prägestempel des Vorbesitzers auf dem Kopfschnitt: Vogel
                  Strauß und Rehhuf (Foto: Tanja Augustin, Bayerisches                                 Johannes Moosdiele-Hitzler
                  Hauptstaatsarchiv).

                   Gewebemuster in der Textur (Foto: Nadine Bretz, restart).

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                                                   Archive Digital
                Citizen Science Projekt im Staats-                             die bereits seit 1924 existiert, verfügt über einen
                                                                               Querschnittsausschuss „Geschichte des Straßen-
                archiv München zur Autobahnge-
                                                                               und Verkehrswesens“, der bis zum Jahr 2014 un-
                schichte                                                       ter der Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang
                                                                               Wirth (Universität der Bundeswehr München, Neu-
                Im Staatsarchiv München läuft seit vielen Jahren
                                                                               biberg) stand. Die Früchte dieses Ausschusses in
                ein außergewöhnliches Projekt zur Autobahnge-
                                                                               Form von Publikationen zur Geschichte des Stra-
                schichte, das heute am ehesten unter dem Begriff
                                                                               ßenverkehrswesens lassen sich unter www.fgsv.de
                der „Citizen Science“ (Bürgerwissenschaft) gefasst
                                                                               abrufen. Seit der Emeritierung Prof. Wirths leitet
                werden kann. Zentrum des Projekts ist die Photo-
                                                                               nunmehr der Beigeordnete der Stadt Ludwigsha-
                thek der Autobahndirektion Südbayern, die weit
                                                                               fen, Dipl.-Ing. Alexander Thewalt, den Querschnitts-
                über 12.000 Glasplatten, Fotos, Filmrollen und
                                                                               ausschuss. Seit der Herbst-Tagung des QA 5 am
                Dias aus dem Zeitraum von 1933 bis ca. 1970 um-
                                                                               25./26. September 2019 im Bundesministerium
                fasst. Das für das Staatsarchiv München äußerst
                                                                               für Verkehr und digitale Infrastruktur in Bonn wurde
                vorteilhafte Joint-Venture wurde bereits vom ehe-
                                                                               für die Arbeiten zum Thema „Autobahngeschichte“
                maligen Amtsleiter Dr. Rainer Braun in die Wege
                                                                               ein Querschnittskreis eingerichtet, dessen Leitung
                geleitet, der dafür die Forschungsgesellschaft für
                                                                               Wolfgang F. Jäger übernahm, aufgrund seiner Pro-
                Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in Köln als
                                                                               motion zur Streckenführung der Reichsautobah-
                zentrale technisch-wissenschaftliche Organisation
                                                                               nen ein ausgewiesener Kenner der Materie.
                gewinnen konnte. Diese Forschungsgemeinschaft,

                   Beginn der heutigen Autobahn A 9 in München (Leinthaler Straße) im März 1959
                   (Staatsarchiv München, Bestand Autobahndirektion Südbayern, Akte 2058, Blatt 21).

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Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                    13

                Wie bereits erwähnt, hat die intensive Zusammen-              Lokalisierung des jeweiligen Streckenabschnittes,
                arbeit vor Ort eine lange Tradition, denn schon un-           die von außergewöhnlicher Ortskenntnis zeugt,
                ter dem ehemaligen Amtsleiter des Staatsarchivs,              auch eine technische Beschreibung, die entspre-
                Dr. Rainer Braun, begann auch die Zusammenar-                 chenden Sachverstand voraussetzt. So liegen mitt-
                beit mit Peter Gombar als „Citizen Archivist“, der            lerweile neben den Digitalisaten der Glasplatten
                ehrenamtlich Pionierarbeit bei der Lokalisierung              auch ca. 15.200 Digitalisate und Beschreibungen
                und Digitalisierung von über 7.800 Glasplatten und            der Papierbilder und der Filmrollen vor, insgesamt
                Fotos des Staatsarchivs für den Beginn des Auto-              also ca. 23.000 Digitalisate. Dieser ehrenamtli-
                bahnbaus aus der NS-Zeit leistete. Unter seiner Ägi-          chen Leistung muss an dieser Stelle gebührender
                de entstanden neben der entsprechenden Anzahl                 Dank und Respekt ausgesprochen werden.
                von Digitalisaten auch Excel-Tabellen mit umfang-
                                                                              Doch das unermüdliche Engagement der Mitglie-
                reichen Metadaten zu den Bildern. Die Tabellen
                                                                              der des Arbeitskreises Autobahngeschichte war
                enthalten neben einer exakten Beschreibung und
                                                                              damit nicht beendet, denn am 22. Januar 2020
                                                                              wurde bei einer Zusammenkunft im Bayerischen
                                                                              Hauptstaatsarchiv der QK 5.1 Autobahngeschichte
                                                                              gegründet, der sich der optimierten Erschließung
                                                                              der Akten der Autobahndirektion Süd und den
                                                                              noch ca. 8.000 unverzeichneten Bildern, der „Fehr-
                                                                              Sammlung“ widmen wird. Der feierliche Rahmen
                                                                              wurde genutzt, sich bei Herrn Gombar gebührend
                                                                              für den bisherigen Einsatz und die noch anstehen-
                                                                              den Arbeiten mit einem Präsent, einer Reproduk-
                                                                              tion eines Autobahnplans der A8, zu bedanken.
                                                                              Ziel des Staatsarchivs und auch des Arbeitskreises
                                                                              Autobahngeschichte ist es, die Bilder im Internet
                                                                              zugänglich zu machen, denn diese stellen eine
                                                                              einmalige bildliche Quelle für den Beginn des Au-
                   Gründung des FGSV-Querschnittskreises QK 5.1 Autobahn­     tobahnbaus in Deutschland dar, die eine allgemein
                   geschichte am 22. Januar 2020, v.l.n.r.: Dr. Christoph     zugängliche Nutzung für die Forschung und andere
                   Bachmann, Leiter des Staatsarchivs München, Dr. Werner     Interessenten mehr als verdient.
                   Schwarz, Enrico Heide und Peter Gombar (Foto: Dr.-Ing.
                   Wolfgang F. Jäger, Leiter QK 5.1 der FGSV, Köln).                                       Christoph Bachmann

                  Heutige Autobahn A 9 im Bereich der Anschlussstelle Eching im April 1939
                  (Staatsarchiv München, Fotobestand Autobahndirektion Südbayern, Bild 20.835).

Nachrichten80-13.indd 13                                                                                                      22.06.2021 09:58:42
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                Kulturgutdigitalisierung konkret:                             erstmals komplett digital zu gestalten. Mit einem
                                                                              kompakten, auf einen Tag verkürzten Programm
                EDV-Tag(e) digital erstmals kom-
                                                                              unter Studiobedingungen konnte das Format als
                plett im Livestream                                           Livestreaming-Event funktionieren, und zwar bes-
                                                                              ser als per Videokonferenz. Und so war es dann
                Geht das? Sollen wir es wagen? Kann im Herbst                 auch – über 200 Teilnehmer*innen meldeten sich
                2020 überhaupt eine Tagung stattfinden? Vor die-              bereits im Vorfeld zur Tagung an, insgesamt belie-
                sen Fragen stand das kleine Organisationsteam                 fen sich die Live-Abrufe auf über 600. Das positive
                der EDV-Tage – Sybille Greisinger M.A. von der Lan-           Feedback gab uns recht. Die Technik hielt – vor
                desstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern,          allem dank des versierten Einsatzes von Michael
                Michael Bergeler M.A. vom Haus der Bayerischen                Bergeler M.A. Und doch mangelte es an einigen
                Geschichte (HdBG) und Gerhard Fürmetz M.A. vom                Dingen: Die so wichtige Diskussion der Beiträge im
                Bayerischen Hauptstaatsarchiv – spätestens im                 größeren Kreis gelang nur ansatzweise – nur zö-
                März/April 2020, als der erste Corona-Lockdown                gerlich kamen Fragen und Kommentare per Twit-
                kam. Die Planungen für das übliche Dreitagespro-              ter, YouTube oder E-Mail. Schmerzlich vermisst
                gramm (16.–18.9.2020) waren bereits weit ge-                  wurde natürlich der fachliche Austausch zwischen
                diehen, ein neuer Tagungsort gefunden. Mit dem                den Tagungsteilnehmer*innen vor Ort, etwa beim
                Haus bzw. Museum der Bayerischen Geschichte in                Round-Table-Gespräch – seit jeher prägend für die
                Regensburg stand ein perfektes Ausweichquartier               EDV-Tage mit ihrem Stammpublikum aus den ver-
                für die EDV-Tage bereit, denn das Kulturschloss               schiedensten Kulturgutinstitutionen. Dafür konn-
                Theuern wird nach wie vor saniert, und das dortige            ten wir dank des virtuellen Formats ein größeres
                Bergbau- und Industriemuseum fiel wegen eines                 Publikum erreichen als sonst, besonders aus klei-
                Wechsels an der Spitze als aktiver Mitveranstalter            neren Einrichtungen aus ganz Deutschland und
                aus.                                                          dem benachbarten Österreich.
                                                                              Insgesamt standen am Veranstaltungstag (Don-
                                                                              nerstag, 17.9.2020) sieben Vorträge auf dem Pro-
                                                                              gramm. Vier davon wurden live über die Webseite
                                                                              der EDV-Tage und diverse Social-Media-Plattformen
                                                                              aus dem Regensburger HdBG-Studio übertragen.
                                                                              Ein weiterer Referent wurde per Videoaufzeichnung
                                                                              aus Berlin zugeschaltet, und auch der „Praxisblick“
                                                                              musste vorproduziert werden. Die Moderation
                                                                              übernahm Gerhard Fürmetz M.A., die digitale Kom-
                                                                              munikation Sybille Greisinger M.A. Sämtliche Vor-
                                                                              träge samt der anschließenden Diskussionen kön-
                                                                              nen mittlerweile über die Webseite der EDV-Tage
                                                                              (www.edvtage.de) abgerufen werden.
                                                                              Worum ging es inhaltlich? Digitalisierung ist all-
                                                                              gegenwärtig – gerade im Kulturbereich. Im Fo-
                   Motiv des Tagungsflyers 2020 (Foto: Haus der Bayerischen   kus standen daher Fragen der Digitalisierung von
                   Geschichte/www.altrofoto.de; Icon: Flaticon.com erstellt   analogem Kulturgut, die Museen und Archive glei-
                   von Freepik).                                              chermaßen betreffen. Wo stehen wir? Mit welchen
                                                                              Strategien gehen wir vor? Wie organisiert man ein
                Schnell waren wir uns einig: Die traditionsrei-               Digitalisierungsprojekt? Welche Standards sollten
                chen EDV-Tage für Museen und Archive dürfen                   beachtet werden? Wie kann man wertvolle Objekte
                der Pandemie nicht gänzlich zum Opfer fallen.                 vor Schäden beim Digitalisieren schützen?
                Eine Fachtagung zum IT-Einsatz im Kulturbereich
                                                                              Zum Auftakt des EDV-Tags sollte Dr. Kathrin Zim-
                muss selbst unter außergewöhnlichen Umstän-
                                                                              mer, Leiterin der Koordinierungsstelle für Digi-
                den organisierbar sein, notfalls auch ohne Pub-
                                                                              talisierung in Kunst und Kultur im Bayerischen
                likum. Unter Verwendung eines professionellen
                                                                              Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst,
                Livestreaming-Equipments des Hauses der Bayeri-
                                                                              grundsätzlich zum Stand der Kulturgutdigitalisie-
                schen Geschichte schien es möglich, die EDV-Tage
                                                                              rung in Bayern sprechen. Ihr Vortrag musste leider

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Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                                          15

                  Blick auf den technischen Aufbau im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg mit den drei Organisatoren
                  (Foto: Stephanie Santl, Haus der Bayerischen Geschichte).

                ausfallen, wurde aber nachträglich hochgeladen.               Die Nachmittagsvorträge waren eher praktisch ori-
                Den programmatisch-konzeptionell ausgerichteten               entiert. Marco Klindt vom Forschungs- und Kom-
                Vormittag eröffnete stattdessen Diplomrestaurator             petenzzentrum Digitalisierung Berlin digiS analy-
                Andreas Weisser, tätig beim Doerner Institut Mün-             sierte die größten Missverständnisse, die bei der
                chen sowie Inhaber von Preservation as a Service.             Vergabe von Digitalisierungsaufträgen an externe
                Er plädierte für nachhaltige Digitalisierungsstra-            Dienstleister entstehen können. Entscheidend sei
                tegien im musealen Bereich. Evaluieren, Zustand               eine genaue Definition der technischen Parameter,
                erfassen, priorisieren, Leistungen definieren, in-            die er im Detail erläuterte. Der materialreiche Vor-
                telligent speichern und dabei nie die potenziellen            trag und die Präsentation dürften sich gerade auch
                Nutzer aus dem Blick verlieren, lautete sein Credo,           zum nachträglichen Studium auf der Webseite der
                das er im Leitspruch „Eine Kopie ist keine Kopie!“            EDV-Tage lohnen, will man ein zu spätes „Ah, das
                zusammenfasste. Daran knüpfte Dr. Laura Scherr                ist damit gemeint“ vermeiden. Über internationale
                unmittelbar an, als sie die Digitalisierungsstrate-           Standards der Digitalisierung in Museen berichtete
                gie der Staatlichen Archive Bayerns vorstellte. Im            anschließend Jan Behrendt M.A. vom Militärhisto-
                archivischen Kontext seien die Schritte ähnlich,              rischen Museum Berlin. Er verwies insbesondere
                dennoch liefe manches anders ab, weil sich die                auf das CRM (Conceptual Reference Model) von CI-
                Aufgaben der Archive und die Beschaffenheit von               DOC (Comité International pour la Documentation),
                Archivgut nicht nur begrifflich von musealen Zwe-             ICOMs (Internationales Komitee für Dokumentation
                cken und Objekten unterschieden. In erster Linie              im Museumsbereich). Neben standardisierten Me-
                sollten stark nachgefragte und akut gefährdete                tadaten und kontrolliertem Vokabular sei es wich-
                Archivalien digitalisiert werden, kombiniert mit              tig, eine digitale Strategie zu entwickeln und ob-
                der Retrodigitalisierung analoger Findmittel. Ange-           jektgerecht zu digitalisieren. Man müsse zwischen
                sichts der riesigen Mengen an Archivgut komme es              Digitalisaten (von analogen Objekten) und „Digita-
                darauf an, die vorhandenen Mittel nachhaltig ein-             lifakten“ (im Sinne von „born digitals“) unterschei-
                zusetzen. Wichtig seien zudem Vernetzungen und                den – was die virtuell anwesenden Archivar*innen
                e-learning-Tools. Der Vortrag endete mit der Ideen-           begrüßten.
                kulisse, dass das Archiv der Zukunft wohl nur zum
                                                                              Wie man die Originale beim Digitalisieren best-
                Teil digital sein werde, der Lesesaal der Zukunft ein
                                                                              möglich schützt, erläuterte in der letzten Runde
                Multifunktionsraum.
                                                                              Dr. Katrin Marth, Referentin für Archivtechnik im
                                                                              Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Konservatorische

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                Aspekte müssten bei jedem Digitalisierungspro-        und Staatsarchiv Wien und Dr. Joachim Kemper
                jekt konsequent mitberücksichtigt werden. Am          vom Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg dafür,
                Beispiel mittelalterlicher und frühneuzeitlicher      Crowdsourcing und User generated content als al-
                Urkunden zeigte sie die nötigen Schritte auf: Im      ternative Methoden zur Erschließung von Archivgut
                Vorfeld Schäden erfassen und zwingende restau-        einzusetzen, anstatt diese Formen der Interaktion
                ratorische Maßnahmen einleiten, anschließend          als „Eventokratie“ abzutun. Leistungsstarke Norm-
                eine schonende Scanumgebung schaffen und das          daten bewarben Prof. Monika Hagedorn-Saupe von
                Scanpersonal konservatorisch einweisen. Entspre-      der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Dr. Alex-
                chende Grundlagenpapiere auf der Basis eines          ander Reis vom Landesarchiv Baden-Württemberg.
                DFG-Projekts finden sich im Internet. Passend dazu    Das dortige DFG-Projekt „GND4C – GND für Kultur-
                beschrieb zum Schluss Jessica Krause M.A. vom         daten“ zielt auf die spartenübergreifende Öffnung
                Haus der Bayerischen Geschichte in einem instruk-     und Weiterentwicklung der GND für nicht-bibliothe-
                tiven Praxisvideo, wie Fotografien und andere soge-   karische Einrichtungen wie Archive, Museen oder
                nannte Flachware professionell digitalisiert werden   wissenschaftliche Institutionen.
                können.
                                                                      Die dritte Tagungsrunde war 2019 der Präsentation
                Im Jahr 2019 konnten die EDV-Tage noch in ge-         gewidmet. Wie können wertvolle Museumsbestän-
                wohnter Weise stattfinden, allerdings bereits         de digital sichtbar gemacht werden? Online-Samm-
                nicht mehr wie bis 2018 in Theuern (siehe Nach-       lungen dürften schon bald neue Museumsbesu-
                richten Nr. 76/2019, S. 35–36). Die rund 80           cher anziehen, bei den Münchner Pinakotheken
                Teilnehmer*innen trafen sich stattdessen vom          ebenso wie beim kleinen Franz Marc Museum am
                18. bis 20. September 2019 im König-Ruprecht-         Kochelsee – eine Entwicklung, die seit 2020 durch
                Saal des Landratsamts Amberg-Sulzbach. Das ein-       die Pandemie-bedingte Schließung der meisten
                drucksvolle Umfeld in der historischen Amberger       Museen noch zusätzlich forciert wird. Dass auch
                Innenstadt half dabei, die viel geschätzte „Theu-     digitale Medien künftig barrierefrei sein müssen,
                ern-Atmosphäre“ nicht zu sehr zu vermissen. Wie       ist eine weitere Herausforderung.
                üblich wurden etliche Vorträge per Livestream ins
                                                                                                         Gerhard Fürmetz
                Internet übertragen, so dass man auch aus der
                Ferne neue Entwicklungen und Erfahrungen im
                Umgang mit Informations- und Kommunikations-
                technologien mitverfolgen konnte.
                                                                      „Digital History“ im virtuellen Vor-
                Hier ein kurzer inhaltlicher Rückblick: 2019 wurden   lesungsbetrieb
                drei Themenschwerpunkte behandelt. Am ersten
                Tag war der Blick auf Depots und Magazine gerich-     Die 2019 begonnene Zusammenarbeit des Staats-
                tet. Wie konzipiert man ein modernes Museums-         archivs Landshut mit der Universität Passau im
                depot? Einblicke in das virtuelle Archivmagazin       Fachbereich der „Digital Humanities“ wurde im
                der Zukunft gaben Gerhard Fürmetz M.A. vom Bay-       Wintersemester 2020/21 erfolgreich fortgesetzt.
                erischen Hauptstaatsarchiv und Michael Volpert        Aufgrund der hohen Covid-19-Infektionszahlen
                vom Archiv des Erzbistums München und Freising.       wurde der Kurs „Digitale Landesgeschichte. Eine
                Beide Häuser sind kürzlich auf eine elektronische     Einführung in die Digital History“ – wie alle Lehr-
                Magazinverwaltung umgestiegen und hatten dabei        veranstaltungen an der Universität Passau im
                zahlreiche Schwierigkeiten zu meistern. Die reale     Wintersemester 2020/21 – virtuell abgehalten.
                Situation bot sich anschließend eindrucksvoll bei     Die wissenschaftliche Übung stand als Kooperati-
                einem gemeinsamen Besuch im Staatsarchiv Am-          onsveranstaltung unter gemeinsamer Leitung von
                berg.                                                 Markus Gerstmeier M.A., wissenschaftlicher Mitar-
                Das elektronische Erschließen der Bestände be-        beiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Malte Rehbein,
                herrschte Tag zwei. Welche Methoden und Stan-         Lehrstuhl für Digital Humanities, und Prof. Dr. Brit-
                dards gibt es, um Objekte und Archivalien so ef-      ta Kägler, seit August 2020 Inhaberin der Professur
                fizient wie möglich zu erfassen und zu beschrei-      für Bayerische Landesgeschichte und europäische
                ben? Citizen Science, Normdaten und Mapping           Regionalgeschichte an der Universität Passau.
                sind Ansätze bzw. Techniken, die in der Fachwelt      Ein Schwerpunkt dieser Veranstaltung lag darauf,
                derzeit intensiv diskutiert werden. So plädierten     den Studierenden digitale Angebote der bayeri-
                etwa Hofrat Mag. Thomas Just vom Haus-, Hof-

Nachrichten80-13.indd 16                                                                                                 22.06.2021 09:58:42
Nachrichten • Nr. 80/2021                                                                              17

                schen Landesgeschichte als wichtige Instrumen-        insgesamt ca. 47 Millionen Archivalien vom Jahr
                te für Studium und Forschung vorzustellen und         777 bis heute. Derzeit sind davon ca. 1,8 Millionen
                näherzubringen. In die bereits seit 20 Jahren sich    Archivalien online recherchierbar, zu ca. 100.000
                stetig erweiternde Palette – von Historischem Lexi-   Archivalien sind Digitalisate mit insgesamt 3,5 Mil-
                kon Bayerns, der Ortsdatenbank der Bayerischen        lionen Bildern hinterlegt.
                Landesbibliothek online (BLO) bis zu den digitalen
                                                                      Als wichtige Werkzeuge lernten die Studierenden
                Protokollen des Bayerischen Ministerrats – reihen
                                                                      die Online-Findmitteldatenbank der staatlichen
                sich die digitalen Angebote der Staatlichen Archive
                                                                      Archive (https://www.gda.bayern.de/service/find
                Bayerns ein, weshalb das Staatsarchiv Landshut
                                                                      mitteldatenbank/) sowie die verschiedenen Inter-
                zwei Sitzungstermine gestaltete.
                                                                      netportale mit Beteiligung der staatlichen Archive,
                Exemplarisch für die Staatlichen Archive Bayerns      wie Bavarikon (https://www.bavarikon.de/), Mo-
                wurde das Staatsarchiv Landshut mit seinem Auf-       nasterium (https://www.monasterium.net/mom/
                gabenspektrum, seinen Beständen und deren Be-         home?_lang=deu) oder Porta Fontium (http://
                nutzung von Dr. Martin Rüth vorgestellt.              www.portafontium.de/?language=de)          anhand
                Die Staatlichen Archive Bayerns mit ihren Sprengel-   ausg­­­­ e­wählter Beispiele kennen.
                zuständigkeiten, der Bandbreite ihrer Fachaufga-                                         Irmgard Lackner
                ben und den rechtlichen Aspekten bei der Archiv-
                benutzung erläuterte Dr. Irmgard Lackner in einer
                weiteren Sitzung den Teilnehmer*innen der Veran-
                staltung. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf      BayernWLAN im Staatsarchiv
                dem Digitalen Archiv der Staatlichen Archive Bay-
                                                                      Landshut
                erns. Die Staatlichen Archive Bayerns verwahren
                                                                      Im Staatsarchiv Landshut steht seit Oktober
                                                                      2020 allen Benutzer*innen ein frei zugänglicher,
                                                                      drahtloser Internetzugang über einen Bayern­
                                                                      WLAN-Hotspot zur Verfügung. Somit können die
                                                                      Besucher*innen des Staatsarchivs Landshut kos-
                                                                      tenfrei mit ihren mobilen Endgeräten mit bis zu
                                                                      50Mbit/s in den Online-Findmitteln und digitali-
                                                                      sierten Beständen der Staatlichen Archive Bayerns
                                                                      bequem vor Ort recherchieren oder auf anderen
                                                                      Seiten im Internet surfen.
                                                                      Diese wichtige Serviceleistung für alle Be­    su­
                                                                      cher*innen des Staatsarchivs Landshut ist Teil der
                                                                      BayernWLAN-Initiative, einem Ende 2015 begon-
                                                                      nenen Programm des Bayerischen Staatsministe-
                                                                      riums der Finanzen und für Heimat zur flächende-
                                                                      ckenden Etablierung von Hotspots für frei zugäng-
                                                                      lichen drahtlosen Internetzugang in ganz Bayern.
                                                                      Damit reiht sich ein weiterer Standort der Staatli-
                                                                      chen Archive Bayerns in das Netz von kostenfrei-
                                                                      en WLAN-Hotspots des Freistaats Bayern ein, dem
                                                                      touristische Highlights, Hochschulen, Kommunen
                                                                      und Behördenstandorte angehören.
                                                                      Die Nutzung von BayernWLAN ist sicher, unkom-
                                                                      pliziert und anonym, da keine Registrierung, Pass-
                                                                      wörter oder Anmeldedaten erforderlich sind. Ein
                                                                      vorinstallierter Filter erfüllt zudem das Kriterium
                                                                      des Jugendschutzes beim Surfen.
                                                                                                         Irmgard Lackner

Nachrichten80-13.indd 17                                                                                                22.06.2021 09:58:43
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