Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal

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Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Ausgabe 1 / 2020                                                       www.medizin-edv.de   ISSN 1619-0629   Preis: 12 Euro

                   Datenschutz –
                   Fluch oder Segen?

                   Bundesverband
                   der Krankenhaus
                   IT-Leiterinnen / Leiter e. V.   ENTSCHEIDERFABRIK
Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Editorial

Der Preis: das Wohl des Patienten!
Seit Mai 2018 gilt europaweit die einheitliche Datenschutz-Grund-
verordnung (DSGVO). Die festgelegten Vorgaben verlangen jeder
Branche einiges ab. Für das Gesundheitswesen ist es besonders
relevant, da es sich bei der Datenverarbeitung zum größten Teil um
personenbezogene Daten handelt. Datenschutzverstöße werden
mit hohen Bußgeldern belegt.

Die Umsetzung und Einhaltung der Verordnung beinhaltet einen                                                                    Dagmar Finlayson
hohen Aufwand - zeitlich, personell und finanziell.

Die sensiblen Daten müssen einerseits geschützt, andererseits
aber zugänglich gemacht werden. Die Digitalisierung im Gesund-
heitswesen in Deutschland kann nur fortschreiten, wenn die Daten
genutzt werden dürfen. Auch um im internationalen Wettbewerb
zu bestehen. Unsere Gesundheitsdaten haben großen Wert, aber zu
welchem Preis?                                                                                                                    Hartmuth Wehrs

Der Bundesgesundheitsminister setzt auf datengetriebene Gesund-
heitsforschung. Und überhaupt auf eine richtige digitale Offensive,
damit vor allem eins verbessert wird: die Versorgung und das Wohl
des Patienten und der Gesellschaft!

                                                   Herzliche Grüße, Dagmar Finlayson

                                                                                                                                           Kim Wehrs

Impressum                                                                                                                  Fotonachweis
Antares Computer Verlag GmbH,
Gießener Straße 4, D - 63128 Dietzenbach                                                                                    Adobe Stock
E-Mail: antares@medizin-edv.de, www.medizin-edv.de                                                                        S. 1, 25, 39, 45, 64
Verlagsleitung und Herausgeber Hartmuth Wehrs (hw),
Geschäftsführer Kim Wehrs (kw). Tel.: 0 60 74 / 25 35 8, Fax: 0 60 74 / 2 47 86                                       S. 5 Siemens Healthineers;
Redaktion, Chefredakteurin Dagmar Finlayson (df) (verantwortlich) 0 60 74 / 25 35 8                                         S. 58 Antares;
Mitglied der Chefredaktion Wolf-Dietrich Lorenz, Berlin
Redaktionelle Mitarbeit Kai Wehrs (Fotos und Onlineredaktion) (kaw)                                              S. 59 Universitätsklinikum Frankfurt;
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Lektorat Maike Buchholz, Jügesheim
Druck und Versand: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH,                                                                  S. 66 Nao;
Mörfelden-Walldorf                                                                                                 S. 67, 68, 69 Messe Düsseldorf;
Erscheinungsweise 6 x jährlich Einzelpreis EUR 12,00 -zzgl. EUR 1,80 Versand
Abonnement: 60,00-zzgl. EUR 11,00 Versand jährlich.                                                                  S. 70 Siemens Healthineers;
Verbandsorgan des Bundesverbandes der Krankenhaus - IT Leiterinnen/Leiter e. V.                                   S. 71 Hyperfine; S. 72, 73, 74 Uslu;
Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels (VK Nr. 14815 Verlag, 32320 Buchhandel)
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Meinung des Autors, nicht in jedem Fall auch die Meinung des Verlages wieder. Eine Haftung für die Richtigkeit              S. 81 Antares.
und Vollständigkeit der Beiträge und zitierten Quellen wird nicht übernommen. Bei den im Kapitel
„Aus dem Markt“ abgedruckten Beiträgen handelt es sich um Industrieinformationen.

Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

                                                                                                                                                         03
Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Titelstory                                             Offline-Spracherkennung
     Datenschutz-Fluch oder Segen?                     6    Sprich mit mir!                                       39

     Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und
     Datenschutz                                       8    Künstliche Intelligenz /Robotik
                                                            Roboter ROGER trainiert mit Patienten
     Niemand hat nichts zu verbergen und deswegen           erfolgreich das Laufen                                45
     nichts zu befürchten                              10

     Geduld ist gefragt                                14
                                                                  Verbandsseiten KH-IT
     Datenschutz und Gesundheitsschutz                 16
                                                                   Aufbruch in eine neue Zeit                            46

     Datenschutzmanagement im Krankenhaus              18          KH-IT-Frühjahrstagung 2020                            48

     „Probleme zeitnah angehen“                        20          Kostet Digitalisierung Jobs in der IT?                51

     Datenschutz im Interesse der Allgemeinheit        20          Auszeichnung zum CIO des Jahres 2019
                                                                   des IDG-Verlages                                      52
     IT-Management
                                                                   Erster Health IT-Talk Nordbayern des KH-IT e.V.
     Der ISMS-Ratgeber –
                                                                   und des BVMI e.V.                                     53
     ein Leitfaden für die Praxis (Teil 9)             22

     Virtuelles Krankenhaus soll Gesundheitssystem
     verbessern                                        26

     Telematikinfrastruktur: Nur so sicher, wie Ihre
     bestehende Krankenhaus-IT

      Studie „Benchmark Krankenhaus-IT“
                                                       28
                                                                                                             39
     -- Luft nach oben --                              30

     Auf dem Weg zu neuen Geschäftsmodellen in
     der Medizintechnik                                34

     Ein ideales Umfeld für die Digitalisierung im
     Krankenhaus                                       37

                                                                                       Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

04
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70
Startups /Junge Szene
Der eHealth-Branche zum Durchbruch verhelfen      56   Von der Kunst, Künstliche Intelligenz
                                                       zu orchestrieren					75
Veranstaltungen
Meeting-am-Meer 2020: Impulse für                      Aus dem Markt
Führungsverantwortliche				58                          MEET OSM: Faktor Mensch in der digitalen
                                                       Transformation – wie Fortschritt zum Erfolg wird!   77
Veranstaltungen der Entscheiderfabrik 		          60
                                                       Verantwortung abgeben, Sicherheit gewinnen          79
Gesundheitsdaten in der Cloud – mit den richtigen
Rahmenbedingungen der Schritt in die Zukunft      62
                                                       Vor Ort
"Datenschutz in der Medizin- Update 2020"         64   Wie das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau seine
                                                       Postprozesse optimiert 				                         81
Translation für digitalisierte
Gesundheitsversorgung				65

MEDICA 2019 unauffällig auf
dem neuesten Stand       			                      67

Radiologie/RSNA

                                                                                                           81
KI ist das beste Zugpferd im RSNA-Stall		         70

Die Radiologie bleibt Spielfeld für Innovatoren   73

Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

                                                                                                                05
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Titelstory

              Datenschutz – Fluch oder Segen?
               Die Digitalisierung ist in vollem Gang und entwickelt sich rasant. Für das Gesundheitswesen
                 bietet sich hierbei die Chance für enorme Fortschritte für alle Akteure. Doch die großen
              Datenmengen, die tagtäglich generiert werden und werden sollen, müssen sinnvoll und sicher
              genutzt, gespeichert und gehandhabt werden. Seit Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 sind
                auch die Krankenhäuser verpflichtet, entsprechende Maßnahmen für den Datenschutz zu
                  beachten und umzusetzen, zumal es sich beim Hauptteil der Datenverarbeitung in den
                          Häusern um personenbezogene Daten handelt. Von Dagmar Finlayson

             Das legt Art. 9 der DSGVO fest. Datenschutzrechtlich gehören
             Gesundheitsdaten also in die Kategorie der personenbezoge-
             nen Daten, die besonders schutzbedürftig sind. Und diese dür-
             fen somit nur unter strengen Vorgaben und im Regelfall nur mit
             der Einwilligung der jeweils Betroffenen verwendet werden.
             Die Gesundheitsdaten sind nicht nur signifikant, sondern auch
             in höchstem Maße brisant. Bei so einem sensiblen Thema ist
             der Datenschutz ein sehr wichtiger Aspekt.

             Bessere Versorgung durch Digitalisierung
              Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist ein großer Ver-
                                                                                    Prof. Dr. Hans-Hermann Dirksen, Professor für das Recht der
             fechter der Digitalisierung und er macht Druck – die digitale          Digitalisierung und Rechtsanwalt für Wirtschaftsrecht: „ Daher
             Transformation bringt er mit vielen Gesetzesplänen auf den             ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)
             Weg. Das von ihm eingeführte und im November letzten                   als eines der wichtigen Instrumente zum gegenwärtigen Schutz
              Jahres beschlossene Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) soll             unserer Persönlichkeit zu bezeichnen.“
             „die Versorgung besser machen“, so Spahn. Ermöglicht durch
             Gesundheitsapps auf Rezept, Videosprechstunden, Patienten-         Daten im Visier
              daten für die Forschung. Auch wenn der Bundesgesundheits-         Manfred Weitz, Jurist und früherer Mitarbeiter des Hessischen
              minister das Gesetz als durchweg positiv sieht und versichert,    Datenschutzbeauftragten, erklär t: „Die Gesundheitsdaten
              dass der „Datenschutz auf höchstem Standard“ eingehalten          spielen eine essenzielle Rolle und geraten manchmal schnell
             werde, so sehen Datenschützer und Gesundheitsverbände              unter die Räder handfester Gewinnabsichten.“ In Kliniken
              erhebliche Mängel und Nachbesserungsbedarf. Kritik besteht        lassen sich notwendige Investitionen und betrieblicher Daten-
             am Patientendatenschutz, denn das DVG sieht nicht vor,             schutz scheinbar nicht immer vereinbaren, doch bieten sie ein
             Widerspruch gegen Weitergabe der Daten an die Forschung            durchaus attraktives Ziel für kriminelle Hacker, wie Ereignisse
             zu verhindern. Doch die Europäische Datenschutzgrundver-           in jüngster Zeit gezeigt haben.
              ordnung (EU-DSGVO) gibt explizit ein Widerspruchsrecht
             für forschungsbezogene Datenverarbeitungen vor. So könnte
              das DVG eigentlich im Einklang mit der DSGVO stehen, sieht
              es doch eine Anonymisierung und Pseudonymisierung der
              Patientendaten vor. Doch Prof. Dr. Hans-Hermann Dirksen,
              Professor für das Recht der Digitalisierung und Rechtsanwalt
             für Wirtschaftsrecht, mahnt, „dass es aufgrund der Menge an
             vergleichbaren Datensätzen in absehbarer Zeit kaum möglich
              ist, die Daten in einer solchen Form zu anonymisieren, dass
             sie wirklich nicht mehr zuordenbar sind.“ Oftmals werden die
              Daten für die Forschung unbrauchbar, wenn alle identifizieren-
                                                                                   Manfred Weitz, Jurist und früherer Mitarbeiter des Hessischen
              den Merkmale gelöscht werden, so Prof. Dirksen. Für ihn ist die
                                                                                   Datenschutzbeauftragten: „Strenge Rahmenbedingungen zur
              DSGVO ein wichtiges Instrument zum gegenwärtigen Schutz              Verarbeitung der Gesundheitsdaten und effiziente
              unserer Persönlichkeit.                                              IT-Sicherheitsmaßnahmen können hier also durchaus als
                                                                                   „Segen“ angesehen werden.“

                                                                                                              Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

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Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
„Die Kommerzialisierung der Gesundheitsdaten von Versi-
 cherten muss verhindert werden.“, so Dr. Dr. Fabian-S. Frielitz,
Universität zu Lübeck, Zentrum für Bevölkerungsmedizin
 und Versorgungsforschung. Hier muss ausreichend investiert
werden, um solche Szenarien zu verhindern. Doch Thomas
Petri, Landesbeauftragte für Datenschutz in Bayern, sagt dass
 es wünschenswert sei, wenn Krankenhäuser mit ihrer daten-
schutzrechtlichen Verantwortlichkeit nicht allein gelassen wer-
 den, denn es fehle nicht am guten Willen, sondern vielmehr an
 der hinreichend finanziellen Ausstattung. Das betrifft vor allem      Ariane Schenk,                 Dr. Dr. Fabian-S. Frielitz,
 kleine und mittelgroße Häuser, die nicht auf wichtige Förder-         Referentin                     Universität zu Lübeck,
                                                                       Health&Pharma,                 Zentrum für Bevölkerungsmedizin
 mittel für die IT-Sicherheit zugreifen können. „Ein wirksames
                                                                       Bitkom                         und Versorgungsforschung
Datenschutzmanagement bedarf der Einsicht der Entschei-
 dungsträger, dass die Einhaltung der Anforderung der DSGVO
 mit dem Bereitstellen nicht unerheblich zeitlicher, personeller
 und finanzieller Ressourcen einhergeht.“, erklärt Sven Venzke-
Caprerese, Prokurist und Senior Berater Datenschutz bei der
 datenschutz nord GmbH. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für
 den Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), erklärt, dass
 die Patienten sehr von der Digitalisierung profitieren, wenn der
Datenschutz von Anfang an mitgedacht wird. Bei jeder tech-
 nischen Lösung bleibt die Datensicherheit eine Daueraufgabe,
so Kelber. Er warnt davor, dass es keine Abstriche geben darf,
 um bestimmte Anwendungen fristgerecht einzuführen.
                                                                       Thomas Petri,                     Juliane Dannewitz,
                                                                       Landesbeauftragter für            Volljuristin, Consultant
Daten für Fortschritt
                                                                       Datenschutz in Bayern             Datenschutz, intersoft
Sehen Datenschützer und Gesundheitsverbände noch viel                                                    consulting services AG
Nachholbedarf bei den neuen Gesetzen, geht den Indust-
rieverbänden das DVG noch nicht weit genug. So sagt Ari-            Schutz ist nicht umsonst
ane Schenk, Referentin Health&Pharma beim Bundesverband             Die Chancen der Digitalisierung sind enorm und versprechen
Informationswirtschaft Bitkom: „Pseudonymisierte Gesund-            viele Vorteile, dennoch sind auch Angriffe auf den Gesund-
heitsdaten müssen auch für die privatwirtschaftliche Forschung      heitssektor inzwischen keine Einzelfälle mehr. Gesundheits-
sowie für Hersteller von Medikamenten und Gesundheitsan-            daten sind sensibel und wertvoll und rücken somit mehr und
wendungen zugänglich gemacht werden, damit wir einen ech-           mehr in den Fokus.
ten und zukunftsfähigen medizinischen Fortschritt erreichen              Unzureichender Schutz hängt oft mit einem großen Finanz-
können.“ Bitkom sieht in dem Digitale-Versorgung-Gesetz den         druck zusammen. Kostengünstige Lösungen und Konzepte, die
Durchbruch für die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung        unter zeitlichem und finanziellen Druck angestrebt werden,
und erwartet eine Weiterentwicklung und eine pragmatische           bringen oft nicht das angestrebte Ergebnis oder führen gar
Umsetzung. So sieht das auch der Bund der Industrie (BDI),          zu unerwünschtem Mehraufwand. Die Regularien legen den-
dessen Hauptgeschäftsführung sagt, die größte Gefahr bestehe        noch Fristen fest, die eingehalten werden sollten oder müssen,
nicht im Datenmissbrauch, sondern darin, Daten gar nicht            denn Verantwortliche werden dann nicht mehr nur verwarnt,
erst zu nutzen.                                                     vielmehr werden Bußgelder verhängt. Der Datenschutz darf
    Der Datenschutz hindert nicht medizinische Innovationen,        weder außer Kraft gesetzt noch als Schutzschild zur Vermei-
erklärt Juliane Dannewitz, Volljuristin, Consultant Datenschutz,    dung unbequemer Investitionen werden, das Gesundheits-
intersoft consulting services AG: „Datenschutz verbietet tech-      system muss den medizinischen Fortschritt mitgehen. Doch
nischen und medizinischen Fortschritt nicht, sondern legt nur       die Akteure im Gesundheitssektor bewegen sich hierbei
die Regularien fest, um die Interessen und Rechte des Einzel-       auf einem Minenfeld, der Schutz der hochsensiblen Daten
nen hinreichend zu schützen.“. Da es sich beim Datenschutz          durch ein wirksames Konzept ist unumgänglich und uner-
im Gesundheitswesen um ein extrem komplexes Thema han-              lässlich. Der Datenschutz ist ein segensreicher Fluch und ein
delt, bietet es sich an, externe Fachexpertise zu Rate zu ziehen.   verfluchter Segen. df

Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

                                                                                                                                     07
Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Titelstory

             Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und
             Datenschutz
             Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) soll dem deutschen Gesundheitswesen einen erneuten Impuls
             für den stattfindenden Digitalisierungsprozess geben. Patienten sollen künftig digitale Gesundheits-
             Apps vom Arzt auf Kassenkosten verschrieben bekommen, Patienten sollen die Möglichkeit erhalten,
             ihre Gesundheitsdaten in einer elektronischen Patientenakte (ePA) speichern zu lassen.

             Der Ausbau der Telematik-Infrastruktur wird vorangetrieben,        Betreiber werden ein Datenschutzkonzept vorhalten müssen,
             indem Apotheken und Krankenhäuser verpflichtet werden,             einschließlich einer leicht verständlichen und nicht zu lan-
             sich anschließen zu lassen. Telemedizinische Angebote wie die      gen, aber den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden
             Videosprechstunden sollen leichter genutzt werden können.          Datenschutz- und Einwilligungserklärung. Trotz der zahlreichen
             Abrechnungsdaten der Krankenkassen sollen durch ein sog.           und engen Datenschutzvorgaben sollte der Datenschutz als
             Forschungsdatenzentrum für Forschungszwecke in anonymi-            Herausforderung verstanden werden. Anbieter, die zukünftig
             sierter Form auf Antrag zur Verfügung gestellt werden.            für höchstpersönliche und sensible Daten eine entsprechende
                 Für alle vorgesehenen Neuerungen und möglichen Ände-          Verschlüsselung (AES-256-Bit-Verfahren) vorhalten können,
             rungen durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) gilt, dass      werden einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewer-
             die Datenschutzkonformität gewahrt sein muss. Der Daten-           bern haben, die diese nicht vorweisen können. Der strenge
             schutz wird zum Nadelöhr.                                          Datenschutz kann für die deutsche Gesundheitsindustrie eine
                 Gerade für Anbieter von sog. Gesundheits-Apps sind            Chance sein, wenn es gelingt, die Vereinbarkeit zwischen hohen
             Datenschutzvorgaben oftmals ein „Fluch“ bei der Umsetzung          datenschutzrechtlichen Standards und der benötigten Gewäh-
             möglicher innovativer Versorgungskonzepte in der Praxis. Das       rung von Datenverarbeitung und -speicherung bei maximaler
             Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)        Digitalisierung zu schaffen.
             nimmt nach dem DVG eine Schlüsselstellung ein, indem Funkti-            Auch wenn ein „Datenschutzbewusstsein“ vermutlich
             onstauglichkeit, Qualität und in besonderer Weise die Aspekte      noch stärker wachsen muss, so steht heute bereits fest, dass
             Datensicherheit und Datenschutz geprüft werden. Damit tre-         jegliche Gesundheitsdaten, die erhoben werden, letztlich
             ten zukünftig noch stärker datenschutzrechtliche Fragen in         einen Teil unserer „Gesundheitsidentität“ darstellen, die uns
             den Fokus bei Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von           ein Leben lang begleitet. Immer neue Datenspannen und
             Gesundheitsdaten. Anbieter sind verpflichtet, i.S.d. Art. 4 Nr.   -skandale zeigen die potenzielle Gefahr, wie Daten und Pro-
             7 DSGVO gegenüber den Aufsichtsbehörden nachzuweisen,             file, die zunächst als anonym gelten, von Usern durch die Ver-
             dass die Vorgaben der DSGVO eingehalten werden. Die Verar-         netzung von Datenmosaiken eine eindeutige Identifizierung
             beitung von Gesundheitsdaten ist nur dann rechtmäßig, wenn         und Zuweisung ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass die
             ein angemessenes Verhältnis zu dem verfolgten Ziel besteht         angekündigte Novellierung des Datenschutzgesetzes unsere
             (Art. 9 Abs. 2 DSGVO). Sollten bestimmte Apps auf den Markt       Gesundheitsdaten genauso gut schützt wie bisher und dabei
             kommen, die potenziell für 73 Millionen Versicherte geeignet       die Potenziale digitaler Versorgung nicht zu sehr einschränkt.
             sein werden, wird man dem Datenschutz die gleiche Aufmerk-         Der Datenschutz darf als „Segen“ verstanden werden, wenn
             samkeit schenken müssen, wie der Frage nach der Verwendung         es gelingt, eine Kommerzialisierung der Gesundheitsdaten von
             von Routinedaten für Forschungszwecke.                            Versicherten zu verhindern.

             Datenschutzrechtliche Fragen für Gesundheits-Apps:
             ■ Wo werden die Daten gespeichert – direkt lokal im Gerät?
             ■ Welche Daten müssen für die Funktionalität aber auch für
                die Evaluation der Gesundheits-App übermittelt werden?
                Besteht Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Datenmini-
                mierung? (Art. 5 DSGVO)
             ■ Welche Zugriffsrechte werden für die Gesundheits-App
                benötigt?
             ■ Wie wird das Recht der Nutzer auf Löschung sicherge-
                stellt? - (Art. 17 DSGVO)
             ■ Haftung und Recht auf Schadenersatz - (Art. 82 DSGVO)

                                                                                  Dr. Dr. Fabian-S. Frielitz, LL.M., M.A., MBA, MHEd

                                                                                                             Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

  08
Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Think Medical!
Act Digital!

                               21.–23. April 2020
                               Messegelände Berlin
Connecting Digital Health      www.dmea.de
 GOLD Partner                   SILBER Partner

Veranstalter    Organisation   In Kooperation mit   Unter Mitwirkung von
Datenschutz - Fluch oder Segen? - www.medizin-edv.de Preis: 12 Euro - Krankenhaus-IT Journal
Titelstory

             Niemand hat nichts zu verbergen
             und deswegen nichts zu befürchten
             In einer Sternstunde der Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht 1983 ein neues
             Grundrecht erfunden: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ausgangspunkt für das
             Bundesverfassungsgericht war dabei das sog. allgemeine Persönlichkeitsrecht, also Art. 2 Abs.
             1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG: „Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
             wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar,
             in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie
             weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information
             dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch
             solche Verhaltensweisen aufzufallen“ (BVerfG, Urt. v. 5.12.1983-1 BvR209/83).

             Bedrohung unserer Daten?
             Dem Grundgesetz liege demnach die Vorstellung zugrunde,
             dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen
             selbständigen Wert besitze. Der einzelne Mensch und seine
             Würde stünden im Mittelpunkt einer wertgebundenen Ord-
             nung. Der Mensch sei aber auch eine mit der Fähigkeit zu
             eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte Persönlich-
             keit. Dieses widerspräche der Vorstellung, durch die moderne
             Datenverarbeitung eine ständige Überwachung befürchten zu
             müssen.
                 Damit hat das Bundesverfassungsgericht aber auch klar
             gemacht, dass die einzelnen Daten/Informationen, die die
             natürliche Person beschreiben (sog. personenbezogene
             Daten), nicht dieser Person gehören. Eine Sichtweise, die bis
             heute Bestand hat. Daten sind nicht das persönliche Eigentum
             der betroffenen Person. Stattdessen ist es so, dass die tatsäch-
                                                                                    Prof. Dr. Hans-Hermann Dirksen, Professor für das Recht
             liche Verfügungsgewalt zu großen Teilen beim Datenverarbei-            der Digitalisierung, FOM – Hochschule für Oekonomie und
             ter liegt, während der Einzelne sein Selbstbestimmungsrecht            Management; Rechtsanwalt, LIEBENSTEIN LAW – Kanzlei für
             dahingehend ausübt, zu entscheiden, ob der Datenverarbeiter            Wirtschaftsrecht, Eschersheimer Landstr. 351, Frankfurt/M.,
             diese Informationen überhaupt erhalten sollte.                         www.liebenstein-law.de, mail@liebenstein.law.de
                 Im Kontext informationeller Selbstbestimmung bedeutet
             das, dass für jeden Menschen die aus den Daten gewinnbaren         Möglichkeit, diese Daten miteinander zu vergleichen und
             Informationen kontrollierbar und beherrschbar sein müssen.         auszuwerten.
             Nun, bald 40 Jahre später, im Jahr 2020, kommt die Bedro-              Durch den digitalen Zugriff und die Auswertbarkeit von
             hung für unsere Daten – von wenigen Ausnahmen abgese-              Daten ist es möglich, Zusammenhänge von personenbezoge-
             hen – nicht mehr vom Staat, sondern vielmehr und in einem          nen Daten herzustellen, die den immer befürchteten gläsernen
             geballten nie vorgestellten Ausmaß von Unternehmen aus der         Menschen nun tatsächlich zur Realität werden lassen. Der frü-
             Privatwirtschaft. Die Möglichkeit dazu hat das als „Big Data“      here Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein,
             bezeichnete Phänomen erschaffen, die nahezu unbegrenzte            Thilo Weichert, hatte daher bereits 2014 erklärt, dass das
             Speichermöglichkeit von Daten und die damit einhergehende          Recht auf informationelle Selbstbestimmung für den Schutz

                                                                                                             Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

 010
der Privatsphäre auch in Zukunft von großer Bedeutung                  Es gibt wenig so Mächtiges, Belohnendes und Aufregendes
sein werde, faktisch derzeit aber ein solches Recht nicht              wie zwischenmenschliche Kommunikation und Anerkennung.
vorhanden sei.                                                         Das Internet gewährt Ausdrucksmöglichkeiten für Menschen,
    Fataler noch ist der Umstand, dass es aufgrund der Menge           denen sonst keiner zuhört. Damit wird das Bedürfnis gestillt,
an vergleichbaren Datensätze in absehbarer Zeit wohl gar               Teil von etwas zu sein und mitreden zu können. Obwohl wir
nicht mehr möglich sein wird, Daten in einer solchen Form zu           also wissen, wie unsicher unsere Informationen im Internet
anonymisieren, dass die Daten wirklich nicht mehr zuordenbar           sind, geben wir dennoch mehr Daten und Details aus unserem
sind.                                                                  Privatleben preis als je zuvor.
    Andererseits ist eine absolute Anonymisierung insbeson-
dere im Gesundheitsbereich und im Rahmen der wissen-                   Wirksamer Datenschutz
schaftlichen Forschung wiederum sehr unbefriedigend. Oft-              Aufgrund dieser unterschiedlichen Faktoren erscheint es
mals werden Daten für die Forschung unbrauchbar, wenn alle             nur folgerichtig und wichtiger denn je, einen wirksamen und
den Probanden identifizierenden Merkmale gelöscht werden               schlagkräftigen Datenschutz in Europa zu etablieren. Nur so
müssen.                                                                kann dem unbedarften und allzu leichtfertigen Umgang mit
                                                                       unseren eigenen Daten Einhalt geboten werden. Und nur so
Wir tun es trotzdem                                                    kann dem Missbrauch unserer Daten vorgebeugt werden.
Hinzu kommt der Umstand, dass eine erhebliche Diskrepanz               Daher ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-
zwischen der hohen abstrakten Wertschätzung des Daten-                 GVO) als eines der wichtigen Instrumente zum gegenwärtigen
schutzes einerseits und eine demgegenüber sehr geringe                 Schutz unserer Persönlichkeit zu bezeichnen.
Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung oder zum Verzicht auf                  Wenn man der DS-GVO dennoch auch einen Vorwurf
Kommunikation zugunsten des Datenschutzes andererseits                 machen muss, dann den, dass die Verordnung, die ihrerseits
zu konstatieren ist. Diese Feststellung, die wir alle täglich selbst   transparente Datenschutzerklärungen fordert, selbst mitnich-
erleben, ist auch aus einem anderen Grund bemerkenswert:               ten transparent und übersichtlich ist. Leider sind auch einige
Offensichtlich haben sich die Bundesverfassungsrichter im Jahr         wichtige Regelungen nicht so gestaltet, dass sie wirklich durch-
1983 bei der Einschätzung der Befindlichkeiten der Bürger              setzbar sind.
getäuscht. Wir werden von den Suchmaschinen im Inter-                      Als Beispiel mag hier das Prinzip des „Privacy by Design“
net und den sozialen Medien in einem Umfang überwacht,                 genannt werden (Art. 25 DS-GVO). Die Bestimmung dieses
getrackt und gespeichert, wie es keiner der Richter sich damals        Prinzips soll bedeuten, dass Privatsphäre und Schutz im gesam-
hätte auch nur in seinen kühnsten (Alp-)Träumen hätte vor-             ten Lebenszyklus der Technologien einzubetten sind. Das heißt,
stellen können.                                                        dass sie bereits im frühen Entwurfsstadium über die Entwick-
     Dennoch ist es mitnichten zu einer Verhaltensänderung             lung hin bis zum Gebrauch und zur Beendigung einzubauen
von uns Bürgern gekommen. Jeden Tag nutzen wir die Such-               sind; eine wichtige Voraussetzung für den datenschutzkonfor-
maschinen, die uns zum Dank verfolgen, und posten fleißig              men Betrieb der meisten Medizinprodukte. Leider ist dieses
Bilder in den Social Media. Und das, obwohl diese uns in ihren         Prinzip nicht bußgeldbewehrt, sodass Verstöße dagegen nicht
AGB sogar erklären, was sie alles mit unseren Bildern machen           geahndet werden können.
werden. Und ja, wir nutzen sogar den Messenger-Dienst mit                  Das ist sehr unangenehm für alle Betreiber in Gesund-
ungetrübter Freude, von dem wir wissen, dass er selbst die             heitseinrichtungen, denn diese wiederum haften sehr wohl für
Telefonnummer von Oma Erna aus unserem Adressbuch                      Datenschutzverstöße der von ihnen verwendeten Medizin-
ziehen wird, die noch nicht mal weiß, wie das Wort Internet            produkte. Gegenwärtig kann man hier aus der Not nur eine
überhaupt buchstabiert wird. Und das sogar im Bewusstsein,             Tugend machen und als Hersteller darauf hinweisen, dass bei
dass es andere Messenger-Dienste gibt, die das nicht tun               der Konzeption der Geräte das „Privacy by Design“ beachtet
(oder heimlich doch?). Wenn die Richter von damals also recht          wird, und daraus sogar ein Alleinstellungsmerkmal machen.
gehabt hätten, würde niemand solche Funktionen des Inter-              Überhaupt lassen sich aus der genauen Kenntnis der DS-
nets in Anspruch nehmen und schon gar nicht unsichere Apps             GVO eine ganze Reihe Wettbewerbsvorteile gewinnen. Die
zur Nutzung auf das Smartphone laden.                                  Verordnung bietet in Wirklichkeit eine Menge Möglichkeiten,
                                                                       personenbezogene Daten rechtskonform (z.B. nach Art. 6
Kommunikation als menschliches Bedürfnis                               DS-GVO oder für Gesundheitsdaten nach Art. 9 DS-GVO)
Über dieses Verhalten ist viel spekuliert worden. Die Internet-        zu verarbeiten. Auch für kleinere KMU ist möglich, mit einem
nutzung ist ganz offensichtlich zum Ausdruck eines fundamen-           überschaubaren Aufwand ein adäquates Datenschutzmanage-
talen menschlichen Bedürfnisses nach Kommunikation gewor-              ment aufzubauen.
den. Dieses Bedürfnis scheint stärker zu sein als die Angst                Die DS-GVO selbst spricht nicht davon, dass jede kleine
vor dem Eingriff in die stets behütete subjektive Privatsphäre.        Unternehmung einen bombensicheren Serverkeller etc. haben

Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

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Titelstory

             muss. Vielmehr wird ein angemessenes den Umständen ver-           müssen, warum man nicht im Vorfeld adäquate Maßnahmen
             hältnismäßiges Schutzniveau für die Datensicherung gefordert      getroffen hat.
             und als ausreichend erachtet (Art. 32 DS-GVO). Wenn eine              Zum anderen – und das ist weitaus Wesentlicher – muss
             Aufforderung zum Löschen durch einen Kunden oder Pati-            man sich immer wieder darüber klar werden, dass der Daten-
             enten kommt, muss nicht gleich panisch der Delete-Button          schutz und die weiteren Verordnungen für Handel und Verkehr
             gedrückt werden. Es sollte vielmehr zunächst in Ruhe geprüft      im Internet in der Zeit von Big Data wirklich eins der wenigen
             werden, ob es nicht vielleicht rechtliche Gründe gibt, warum      Bollwerke sind, mit denen versucht wird, unsere Identität und
             man diese Daten möglicherweise doch behalten darf (Art. 17        damit unser Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu
             DS-GVO).                                                          schützen. Nach Gesagtem drängt es sich auf, dass der Daten-
                  Viele dieser Aspekte sehen Verantwortliche leider nicht,     schutz Aufmerksamkeit verdient und dass er, soweit es eben
             weil sie für den ungeliebten Datenschutz kein Geld investie-      angemessen ist, adäquat gehandhabt wird, auch und gerade
             ren möchten und daher, statt einen erfahrenen Datenschutz-        durch seine vielen Möglichkeiten. Auch wenn es vielleicht
             berater zu konsultieren, den Billiganbieter aus dem Internet      pathetisch klingt, die Investition in den Datenschutz dient dem
             beauftragen.                                                      Fortbestand unserer Freiheit und unserer persönlichen Unab-
                  Aber wenn man später betrachtet, was solche Anbieter oft     hängigkeit! Und dieses wertvolle Gut sollte uns Zeit und Auf-
             liefern, kann man den Geschäftsführer nur bedauern, wenn er       wand wert sein!
             über einem Stapel unausgefüllter Formulare sinniert und sich          Es wäre daher zu begrüßen, wenn der Datenschutz in sei-
             darüber ärgert, wie viele Extrastunden er bei dem nun gar         ner Wirkung und in seinen Vorteilen gesehen würde und ihm
             nicht mehr billigen Anbieter dazukaufen muss, um zu verste-       nicht nur deswegen zähneknirschend Aufmerksamkeit gewid-
             hen, was er mit den Formularen anfangen soll. Passend dazu,       met wird, weil 20 Millionen Euro Bußgeld drohen. Das hat die
             werden auf LegalTech-Messen „Wunder-Apps“ zum Ausfüllen           DS-GVO tatsächlich nicht verdient.
             aller Datenschutzformulare angeboten. Fakt ist jedoch: Daten-         Mögen sich also die Richter des Bundesverfassungsgerichts
             schutzfolgeabschätzung (Art. 35 DS-GVO), gemeinsam Ver-           bei der Einschätzung der Auswirkungen von „Big Data“ auf das
             antwortliche (Art. 26 DS-GVO) und Outsourcing in die Cloud        Verhalten der Bürger geirrt haben, sahen sie zumindest einen
             können diese Helferlein nicht.                                    Punkt auf fast schon visionäre Weise voraus: Ohne das Recht
                                                                               auf informationelle Selbstbestimmung ist eine eigenverant-
             Professionelles Datenschutzmanagement                             wortliche Lebensgestaltung in unserer heutigen Gesellschaft
             Insofern kann man nur zu der Feststellung gelangen, dass eine     kaum denkbar.
             erfolgreiche Beratung im Datenschutz derzeit nicht auto-
             matisch von LegalTech-Anwendungen oder von Formular-
             generatoren umgesetzt werden kann. Nicht, weil es keine
             Anwendungen gäbe, die ordentliche Musterformulare liefern
             würden – viele Verantwortliche wissen schlicht nicht, wie sie
             sie ausfüllen sollen. Um seine Rechenschaftspflicht aus der       LITERATURHINWEISE:
             DS-GVO erfüllen zu können, muss allerdings jedem Geschäfts-       Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 6. Auflage 2019,
             führer geraten werden, einen Rechtsberater zu beauftragen,        Nomos Verlag
             der in der Lage ist, ein genau auf die Situation des jeweiligen   Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 10. Auflage 2018,
             Unternehmens angepasstes Datenschutzmanagement imple-             C. H. BECKVerlag
             mentieren zu können. Dieser übernimmt damit auch die              Ehmann, Datenschutz kompakt, Loseblattsammlung, 2019
             Haftung für die Richtigkeit und die stetige Pflege des Daten-
                                                                               WEKA Verlag
             schutzmanagementsystems.
                                                                               Kongehl/Federrath/Greß/Weck, Datenschutz-Management,
                 In der Konsequenz lassen sich dadurch teure Bußgelder
                                                                               Loseblattsammlung, 2019, Haufe Verlag
             vermeiden, die in den letzten Monaten bemerkenswert zuge-
             nommen haben. Gegenwärtig sind die Landesdatenschutz-             Auer-Reinsdorff / Conrad, Handbuch IT- und
             beauftragten noch sehr stark belastet, aber spätestens dann,      Datenschutzrecht, 3. Auflage 2019 C.H.BECK Verlag
             wenn es in einem Unternehmen und insbesondere in einer            Kühling / Buchner, Datenschutz-Grundverordnung,
             Gesundheitseinrichtung zu einem Datenleck kommt, steht            Bundesdatenschutzgesetz: DS-GVO/BDSG, Kommentar 2.
             der Landesdatenschutz vor der Tür und man wird erklären           Auflage 2018 C.H.BECK Verlag

                                                                                                             Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

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                                                                                                                                                 Digi
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Digitale_Loesungen_213x303.indd 1                                                04.06.2019 13:08:43
Titelstory

             Geduld ist gefragt
             Zum aktuellen Titelthema nimmt Manfred Weitz, Jurist und früherer Mitarbeiter des Hessischen
             Datenschutzbeauftragten Stellung. Er ist der Initiator der Tagungsreihe „Update Datenschutz“, die
             mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten den Datenschutzpraktikern, vor allem betrieblichen
             Datenschutzbeauftragten, möglichst konkrete Handlungshilfen in aktuellen und komplexen Prob-
             lemkreisen, wie etwa dem Beschäftigtendatenschutz, Datenschutz in der Medizin usw. vermittelt.

             D      as Titelhema „Datenschutz – Fluch oder Segen?“ darf
                    eine solche, etwas überspitzte Fragestellung bieten, um
             ein möglichst breites Spektrum an grundsätzlichen Einschät-
                                                                              Mehr und mehr Ärzte und Kliniken können berichten von
                                                                              Erpressungssoftware in ihren Systemen (sogenannte ransom-
                                                                              ware), der Preis illegal erworbener Mengen von Gesundheits-
             zungen zur heutigen Bedeutung des Datenschutzes im medizi-       daten steigt dauerhaft.
             nischen Bereich anzusprechen.                                       Strenge Rahmenbedingungen zur Verarbeitung der
                  Die Antwort zu dieser Frage muss aber naturgemäß sehr       Gesundheitsdaten und effiziente IT-Sicherheitsmaßnahmen
             differenziert ausfallen, und sie hängt auch ab vom Blickwinkel   können hier also durchaus als „Segen“ angesehen werden.
             des von der Umsetzung des Datenschutz jeweils Betroffenen.
             Die Gesundheitswirtschaft in Deutschland ist eine der größten    Rechtlicher Rahmen
             Wirtschaftssektoren und wegen der täglich in Medien nachles-     Zunächst soll genauer eingegangen werden auf den allgemei-
             baren Digitalisierungswelle zudem ein besonders dynamischer,      nen und besonderen rechtlichen Rahmen, der für den Daten-
             profitabler Wachstumsmarkt. Gesundheitsdaten spielen hier        schutz im medizinischen Sektor gilt.
             eine essenzielle Rolle und geraten manchmal schnell unter             Nach jahrelangen quälenden Diskussionen, die auch
             die Räder handfester Gewinnabsichten. Ein Klinikmanager, der      gezeichnet waren durch eine recht erfolgreiche Einflussnahme
             plötzlich hohe Geldbeträge in eine Aufrüstung der IT-Sicher-     von Lobbyisten, konnten die EU-Gremien 2016 ein neues
             heit der Klinik bereitstellen soll, wird naturgemäß das Thema     Regelwerk zum EU-weit geltenden Datenschutz verabschieden,
             Datenschutz kritischer angehen als der betriebliche Daten-        die “Europäische Datenschutz-Grundverordnung“(DSGVO),
             schutzbeauftragte, der zumindest inhaltlich verantwortlich ist    die nach einer längeren Übergangszeit am 25.8.18 in allen
             für die betriebliche Beachtung der Normen zur IT-Sicherheit.      EU-Staaten voll in Kraft trat und alle entsprechenden natio-
             Gesundheitsdaten erfreuen sich zudem einer stark zunehmen-        nalen Regelwerke außer Kraft setzte, soweit sie der DSGVO
             den Attraktivität im kriminellen Sektor.                         widersprachen.
                                                                                   Die DSGVO stellt im Datenschutz eine Zeitenwende dar,
                                                                              weil zahlreiche neue Vorschriften den bislang geltenden Daten-
                                                                              schutzstandard zum Teil nun verschärfen und gänzlich neue
                                                                              formale Regeln dem Betrieb, der personenbezogene Daten
                                                                              verarbeitet, Handlungspflichten auferlegen, die von vorherein
                                                                               einen höheren Stellenwert im betrieblichen Ablauf erfordern.
                                                                                   Wer nun fragt, welche Behörde all das kontrollieren und
                                                                               einen Regelverstoß mit Sanktionen belegen soll, erhält einen
                                                                               Hinweis, der durchaus blutdrucksteigernd wirken kann: wird
                                                                              - veranlasst durch Beschwerden, zufällig oder bei Prüfbesu-
                                                                               chen - ein Rechtsverstoß festgestellt, muss im Regelfall die
                                                                              zuständige Aufsichtsbehörde ein Bußgeldverfahren einleiten
                                                                              (Art. 83, DSGVO), das mit schmerzvollen Bußgeldern enden
                                                                               kann, bis zu 4% des weltweiten Jahresumsatzes (www.enforce-
                                                                               menttracker.com). Zudem wird der Personalbestand der Auf-
                                                                              sichtsbehörden spürbar aufgestockt, sodass Kontrollen wahr-
                                                                              scheinlicher werden. Es gäbe also für die „Täter“ Anlass zu
                                                                               einem Fluch.

                Manfred Weitz

                                                                                                            Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

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Datenschutz als Segen                                             die sich gerade ergeben aus dem notwendigen Schutz der
Dieser Aspekt soll aber den Blick nicht verstellen auf das eher   Patientendaten vor nicht von Vorschriften gedeckten, medi-
präventive Grundanliegen der DSGVO, das mit diesem neuen          zinisch orientierten Verwendungszwecken. Außerhalb dieser
Regelwerk wahrscheinlich etwas näher gerückt ist: den Schutz      kann nur eine aufgeklärte Einwilligung eine Zulässigkeit der
der personenbezogenen Daten als einem Aspekt der Men-             Datenverwendung vermitteln. Die Grundsatzentscheidungen
schenrechte im Wirtschaftsleben noch effizienter zu gestalten,    trifft der Gesetzgeber, dem beratend die Datenschutzbehör-
gerade im Hinblick auf die viel zitierte Erkenntnis, dass Daten   den zur Seite stehen. Je geregelter die begleitenden Daten-
das Öl des 21. Jahrhunderts darstellen. Interpretiert man erste   schutzregeln ausfallen, desto größer ist die Akzeptanz des Pro-
Einschätzungen der deutschen Aufsichtsbehörden zur Effizienz      jekts bei den Patienten und Ärzten.
der DSGVO richtig, sehen diese spürbare Fortschritte seit              Welche Kräfte wirken bei der Frage, wie die Digitalisierung
dem 25.8.18.                                                      ohne Gefährdung des Patienten recht sinnvoll weiterentwi-
     Also käme nun der „Segen“ des neuen Datenschutzrechts        ckelt werden kann?
eher zum Tragen.                                                        Die E-health-Politik der Bundesregierung setzt sicher
      Möchte man an der Stelle auf die Gesundheitsdaten einge-    normativ den entscheidenden Impuls für gewünschte Neue-
hen, wird der Ansatz des „Segens“ noch deutlicher.                rungen, wie das als Meilenstein anzusehende „ Digitale Versor-
     Ausgangspunkt der Betrachtung ist zunächst ein Tausende      gungsgesetz“ von Ende 2019 zeigt. Bei den Details der Umset-
Jahre alter Grundsatz, dessen überragende Bedeutung von nie-      zungsfragen wirkt der Bundesbeauftrage für Datenschutz und
mandem bestritten würde: vom Arzt erhobene und regelmä-           Informationsfreiheit mit, um die Beachtung der DSGVO zu
ßig dokumentierte Gesundheitsdaten des Patienten genießen         garantieren. Er will Neuerungen aber nicht verhindern, son-
den Schutz der ärztlichen Schweigepflicht. Sie kommt in zahl-     dern ihre Umsetzung rechtskonform gestalten.
reichen Vorschriften zum Tragen, insbesondere im § 203 STGB.            Die gewünschte zeitnahe Umsetzung der Gesetze stößt
      Die DSGVO hat den Gesundheitsdaten (Art 4 Nr. 15) als       aber oft auf vorhersehbare Hemmnisse.
Daten „besonderer Kategorie“ zahlreiche Sondervorschriften              Soweit Behörden technische Neuerungen wie z.B. medi-
gewidmet und ihre Verarbeitung im Vergleich zu nicht sensib-      zinische Apps genehmigen müssen, braucht die Beschäftigung
len Daten unter besonders strenge Vorrausetzungen gestellt        mit neuen, zum Teil noch zu entwickelnden komplizierten
(Art. 9, Abs. 2-4). Wer also Gesundheitsdaten verarbeiten         Normen Zeit ebenso wie bei der Prüfung der komplexen IT-
möchte, muss sicherstellen, dass er eine Rechtsgrundlage vor-     Sicherheitsfragen.
weisen kann und ein besonderer Ausnahmetatbestand erfüllt              Zum weiteren muss die IT-Landschaft in der Anwendungs-
ist. Eine solche oftmals nicht einfache Rechtsprüfung mag man-    ebene, also z.B. in den Arztpraxen, auf die Neuerungen ein-
chen Schweißtropfen verursachen, ist aber im Hinblick auf die     gestellt werden. Hier ist eine nicht unwesentliche Verzögerung
überragende Bedeutung der Gesundheitsdaten sicher zumut-          auszumachen. Denn der Arzt muss die Hardware beschaffen
bar.                                                              können und den Digitalisierungsprozess aktiv fördern wollen,
      Eine praktische Folge der DSGVO ist z.B. die spürbare       einschließlich entsprechender Schulungen.
Zunahme von dem Arzt nun dringlich gewordenen Einwilli-                 Schon jetzt bringt die Bürokratie die Arztpraxis oft an den
gungserklärungen, die der Patient ihm überlassen soll für die     Rand der Belastbarkeit.
gewünschte Weitergabe der Diagnosedaten an Dritte, z.B. das             Schlussendlich muss der Patient auch mitspielen, da er
ärztliche Verrechnungszentrum.                                    grundsätzlich beim Umgang mit den neuen Techniken Herr
      Im Hinblick auf die normative Seite des medizinischen       seiner Daten bleiben soll. Technik-affine Personen fördern den
Datenschutzes und seine Auswirkung auf die Praxis stellen sich    Digitalierungstrend sicher intensiver.
für den unbefangenen Betrachter der Entwicklungen einige
interessante Fragestellungen, auf die hier kurz eingegangen       Fazit
werden soll.                                                      Zusammenfassend kann also etwas recht Banales festgestellt
      Behindern medizinische Datenschutzregeln die fortschrei-    werden: Selbst wenn neue IT-Techniken die medizinische
tende Digitalisierung in Deutschland?                             Behandlung verbessern und Verwaltungsprozesse effizienter
      Jein. Zum einen ist der Datenschutz nun mit der DSGVO       werden können: Je mehr Akteure an den Entwicklungen betei-
eine europäische Angelegenheit.                                   ligt sind, desto mehr Geduld ist gefragt.
Große Firmen, die europaweit im medizinischen IT-Markt                 Fachtagungen zum Thema helfen bei der Klärung zahlrei-
agieren, haben nun den Vorteil, dass sie in allen EU-Ländern      cher Detailfragen, wie z.B. die Fachtagung “Datenschutz in der
gleiche Spielregeln vorfinden.                                    Medizin-Update 2020“ am 4. Juni 2020 in Wiesbaden (Infor-
     Zum zweiten setzt der Datenschutz gewünschten Zielen         mationen unter esturias.de).
der sehr aktiven IT-Branche bei der Digitalisierung Grenzen,

Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

                                                                                                                                      015
Titelstory

             Datenschutz und Gesundheitsschutz                                   stellt einen zentralen Datenschutzgrundsatz dar, für die der
             Eine Großklinik versendet trotz entsprechender Hinweise immer       Krankenhausbetreiber verantwortlich ist.
             wieder Arztbriefe an falsche Adressen.1 Ungeschwärzte Pati-               Im Ergebnis geht es dabei nicht darum, dem Klinikpersonal
             entenunterlagen landen auf der Straße.2 Etwa 60 Prozent der         Datenzugriffe zu verweigern, die es für eine effektive Behand-
             Kliniken E-Mail- und Passwort-Kombinationen sollen im Darknet       lung benötigt. Vielmehr sollen unbefugte Zugriffe im Rahmen
             wiederzufinden sein.3 985 Beschäftigte eines Klinikums haben        des technisch Möglichen erschwert werden. Um es ausdrück-
             Zugriffsrechte in der Rolle eines Arztes, obwohl nur knapp 300      lich klarzustellen: Natürlich soll Klinikpersonal gerade in Not-
             Ärzte angestellt sind4. Beschäftigte greifen aus Neugier auf die    fallsituationen möglichst schnell und vollständig auf Patienten-
             Behandlungsdaten Prominenter zu5. Aufgrund des Befalls von          daten im Klinikinformationssystem zugreifen können. Allerdings
             Schadsoftware6 müssen mehrere Kliniken ihre Klinik-IT-Systeme       darf im digitalen Zeitalter dieser legitime Bedarf nicht dazu
             tagelang vom Netz nehmen, neue Patienten können nicht mehr          führen, dass Kliniken mehr oder weniger aus Bequemlichkeits-
             aufgenommen und Operationen müssen verschoben werden.7              gründen grundlegende Datenschutz- und Datensicherheits-
             Hackerangriffe und Schadsoftware erzeugen häufig derartige          vorgaben gänzlich außer Acht lassen. Die eingangs genannten
             mehrtägige Ausfälle der befallenen Klinik-IT, weil zu oft Klinik-   Beispiele verdeutlichen, dass die zentralen datenschutzrechtli-
             netzwerke immer noch nicht die von IT-Sicherheits- und Daten-       chen Prinzipien Brandschutzmauern darstellen, die heutzutage
             schutzbehörden geforderten Netzwerksegmentierung aufweisen,         für eine stabile klinische Gesundheitsversorgung unabdingbar
             die die Ausbreitung von Schadcode im eigenen Netz begrenzt.         sind. Angesichts zahlreicher schwerwiegender Sicherheitsvor-
             Häufig werden veraltete und unsichere Betriebssystem- und Soft-     fälle wirkt es auf mich etwas skurril, wenn immer noch mantra-
             wareversionen verwendet und keine ausreichenden Maßnahmen           mäßig ein angeblich zu strenges Datenschutzreglement beklagt
             zum Virenschutz umgesetzt. Die Zahl der bekannten Pannen            und behauptet wird, dieses würde effektive Heilbehandlungen
             bei Datensicherheit und Datenschutz in Kliniken nimmt mitt-         verhindern. Das Gegenteil ist der Fall: Letztlich trägt die Ein-
             lerweile dramatisch zu. Die Entwicklung allein in 2019 verdeut-     haltung der zentralen datenschutzrechtlichen Prinzipien dazu
             licht: Viele Krankenhäuser setzen zentrale datenschutzrechtli-      bei, dass auch im Zeitalter der Datenvernetzung, App-Nutzung,
             che und sicherheitstechnische Vorgaben nicht ausreichend um.        elektronischer Patientenakten und KI eine flächendeckende
                  Nach der Datenschutz-Grundverordnung (EU) 2016/679             stabile Gesundheitsversorgung durch sichere und daten-
             (DSGVO) dürfen personenbezogen Daten nur verarbeitet                schutzgerechte IT-Systeme möglich bleibt.
             werden, wenn es dafür eine Rechtsgrundlage gibt. Und schon               Allerdings wäre es wünschenswert, wenn Krankenhäuser
             die Möglichkeit des Zugriffs ist als Bereitstellung personen-       mit ihrer datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit nicht allein
             bezogener Daten eine solche schutzwürdige Verarbeitung im           gelassen werden. Kliniken fehlt es oft weniger am guten Willen,
             Sinne der DSGVO. Patientendaten sind überdies Gesundheits-          sondern vielmehr an der hinreichenden finanziellen Ausstat-
             daten, die nach Art. 9 DSGVO besonders zu schützen sind. Sie        tung.8 Das gilt namentlich für kleinere Häuser, die nicht auf
             werden auch strafrechtlich durch § 203 Strafgesetzbuch und          wichtige Fördermittel für IT-Sicherheit zugreifen können. So
             durch z.B. § 9 MBOÄ berufsrechtlich geschützt.                      manche kleine oder mittelgroße Klinik steht damit vor der Ent-
                 Zur Absicherung einer rechtskonformen Verarbeitung von          scheidung, ob sie einen zweiten Server zur Absicherung des
             Gesundheitsdaten verlangt das Datenschutzrecht gemäß Art.           Klinik-Informationssystems oder ein zusätzliches MRT-Gerät
             24, 25 und 32 DSGVO spezifische technisch-organisatorische          anschaffen kann. Gegenwärtig dürften sich die meisten Kliniken
             Schutzmaßnahmen auf mehreren Ebenen: Dies betrifft zum              für das zusätzliche MRT-Gerät entscheiden. Noch.
             einen die Basis-IT-Sicherheit der eingesetzten Netzwerke,                                                    Autor: Thomas Petri, Landesbeauftragter
             Komponenten und Software, zum anderen auch die speziel-                                                                   für Datenschutz in Bayern
             len Anforderungen an ein datenschutzgerechtes Klinikinfor-
                                                                                 1 Vgl. NDR, Patientendaten an falsche Empfänger verschickt, Bericht vom 3.12.2019 (www.ndr.de). Alle
             mationssystem. Hierzu gehört auch die beim Klinikpersonal           zitierten online-Quellen wurden vom Autor zuletzt am 21.1.2020 abgerufen.
             unbeliebte Beschränkung des Zugangs zu den personenbezo-            2 Auch in 2019. Siehe z.B. General-Anzeiger, Patientenakten in der Godesberger City entsorgt, vom 3.7.2019
                                                                                 (www.general-anzeiger-bonn.de), allerdings wohl bezogen auf eine Arztpraxis. Ähnliche Vorfälle, die auch
             genen Daten innerhalb der verantwortlichen Stelle. Sie lässt        Kliniken betrafen, veranlassten die beiden bayerischen Datenschutzbehörden im Jahr 2016 dazu, einen
             sich vereinfacht durch das Need-to-Know-Prinzip ausdrücken.         Leitfaden herauszugeben (BayLfD/LDA Bayern, Leitfaden: Auftragsverarbeitung bei der Aktenverwaltung in
             Personal, das keinen Zugang zu den Daten haben muss, etwa           bayerischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Krankenhäusern; abrufbar unter www.datenschutz-bayern.de).
                                                                                 3 Vgl. GDV (Herausgeber), Branchenreport Cyberrisiken bei Ärzten und Apotheken, abrufbar unter www.
             weil es nicht an der Behandlung der Patienten beteiligt ist, darf   gdv.de.
             insoweit auch keinen Zugang zu den Patientendaten erhal-            4 So angeblich ein portugiesisches Klinikum, gegen das laut Nachricht vom 23.10.2018 ein Bußgeld in Höhe
                                                                                 von 400.000 Euro verhängt wurde, vgl. https://www.datenschutz-recht-medizin.de/bussgeld-krankenhaus-dsgvo/
             ten. Die Klinikverantwortlichen haben diese Beschränkung            5 Zu einem vergleichbaren Fall in den Niederlanden siehe https://www.datenschutz-recht-medizin.de/460000-
             auf erforderliche Zugriffe im Rahmen von Berechtigungskon-          euro-bussgeld-krankenhaus-wegen-datenschutzverstoss/.
                                                                                 6 Vgl. Der Landesbeauftragte für Datenschutz Rheinland-Pfalz, Aktueller Sicherheitsvorfall zeigt Verwundbarkeit
             zepten sicherzustellen. Sie sind ein elementarer Baustein des       von Krankhaus-IT, Pressemitteilung vom 19.7.2019.
             technisch-organisatorischen Datenschutzes und eine zentrale         7 Vgl. z.B. www.dhpg.de, Emotet: Klinikum, Uni und Onlineshops gehackt, abrufbar unter www.dhpg.de;
                                                                                 Bayerischer Rundfunk, Klinikum Fürth wurde Opfer von Trojaner "Emotet", abrufbar unter www.
             Voraussetzung für den Schutz der Integrität und Vertraulichkeit     br.de (Bericht
                                                                                 vom 20.12.2019), Klinikum Fürstenfeldbruck, abrufbar www.heise.de (Bericht vom 16.11.2018).
             von Patientendaten. Der Schutz vor unbefugter Verarbeitung

                                                                                                                                       Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

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health

                                                                                                            Wir digitalisieren
                                                                                                             und entwickeln
                                                                                                              Unternehmen

                        GESUNDHEITSWESEN
           Im Zeitalter der Digitalisierung stehen Klinik-Einrichtungen vor großen
    Herausforderungen. Ärzte und Pflegekräfte müssen in ihrer täglichen Arbeit optimal
      unterstützt werden. Bezüglich der Digitalisierung gilt es, Rahmenbedingungen zu
   beachten und kreative Lösungen zu entwickeln. Hier setzt die birkle IT AG an, indem wir
       unsere Kunden beraten und gemeinsam mit ihnen intelligente Lösungen finden.

    IT-Beratung von der Analyse über die Implementierung bis zur Umsetzung
    Digitalisierung von Prozessen in der Medizin und Verwaltung
    KI-basierte Software-Lösungen für Input-Management (Auslesen von Dokumenten etc.)
    Evaluation und Ablösung von Alt-/Bestandssystemen
    Data Warehousing und Business Intelligence
    Individuelle Software-Lösungen (Cloud-Systeme, OCR/ICR etc.)
    …

                                               Martin von Hummel
                                            CEO der ATOS - Klinikgruppe
“Die birkle IT AG hat als Spezialist in der Digitalisierung durch Innovationskraft, Agilität, Wirtschaftlichkeit und eine
 ebenso unkomplizierte Zusammenarbeit von Anfang an überzeugt. Die ersten Entwicklungen mit dem digitalen
Patientenfragebogen mit Dashboard sind bereits nach kurzer Zeit produktiv und ersetzen vollständig das Papier.“

     Leopoldstraße 16
                                             Telefon: +49 89 413251156                   E-Mail: info@birkle-it.com
     80802 München
Titelstory

             Datenschutzmanagement
             im Krankenhaus
             Die Datenschutzgrundverordnung                                    Vereinfacht dargestellt muss grundsätzlich gewährleistet wer-
                                                                               den, dass nur die Personen Zugriff auf Patientendaten erhalten,
             (DSGVO) ist nunmehr seit über eineinhalb                          die diese unmittelbar zur Aufgabenerfüllung benötigen (need
             Jahren wirksam. Die meisten Kranken-                              to know Prinzip). Datenzugriffe im Rahmen der Aufnahme und
             hausbetreiber sollten sich mittlerweile                           Behandlung müssen klar geregelt sein, wobei z.B. auch zwi-
                                                                               schen Verwaltungs-, Pflegepersonal- und Arztzugriffen unter-
             mit den wichtigsten Punkten der DSGVO                             schieden werden muss. Außerdem sollten sämtliche Lese- und
             auseinandergesetzt und bestenfalls ein                            Schreibzugriffe protokolliert sowie anlassbezogen überprüft
             Datenschutzmanagementsystem mit klarer                            werden. Sofern übergreifende Notfallzugriffe eingerichtet wer-
                                                                               den, sollten diese nicht nur anlassbezogen, sondern regelmäßig
             Aufgabenverteilung und festen Prozessen                           überprüft werden. Behandelt das Krankenhaus Personen
             etabliert haben.                                                  von öffentlichem Interesse oder eigene Mitarbeiter, muss der
                                                                               Zugriff auf die Patientendaten ggf. weiter eingeschränkt wer-
                                                                               den können. Es muss zudem geregelt werden, wie die Daten
             Hohes Bußgeldrisiko wird konkret                                  nach Abschluss des Behandlungsfalls eingeschränkt und wann
             Im Rahmen eines wirksamen Datenschutzmanagements ist              sie gelöscht werden. Darüber hinaus müssen Prozesse exis-
             nicht nur ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess erforder-     tieren, die dafür sorgen, dass ausgeschiedenes Personal keine
             lich. Es bedarf zusätzlich auch der Einsicht der Entscheidungs-   Zugriffsrechte mehr besitzt.
             träger, dass die Einhaltung der Anforderungen der DSGVO
             mit dem Bereitstellen nicht unerheblicher zeitlicher, perso-      Konkrete Fälle
             neller und finanzieller Ressourcen einhergeht. Wird dies nicht    Wie schwer die Umsetzung der differenzier ten Anforde-
             erkannt, drohen hohe Risiken: Erst vor kurzem haben die           rungen an das Krankenhausinformationssystem ist, bzw. wie
             Datenschutzaufsichtsbehörden ein „Konzept zur Bußgeldzu-          schlecht einige Krankenhäuser aufgestellt sind, zeigen insbe-
             messung“ (https://www.datenschutz.rlp.de/fileadmin/lfdi/Kon-      sondere die folgenden in der Presse öffentlich gewordenen
             ferenzdokumente/Datenschutz/DSK/Bussgeldkonzept_DSK.              Verfahren:
             pdf) vorgelegt, wonach Bußgelder künftig am konzernweiten         ■■ Gegen ein Krankenhaus in den Niederlanden wurde
             Umsatz bemessen werden sollen. In der Praxis führt dies dazu,         ein Bußgeld in Höhe von 460.000 € erlassen, da die
             dass bei großen Einrichtungen selbst kleine Verstöße zu Buß-          Leserechte nicht hinreichend eingeschränkt und die
             geldern in Millionenhöhe führen können.                               Zugriffe auf Patientendaten nicht durch eine Zwei-Fak-
                                                                                   tor-Authentisierung abgesichert worden sind. Im konkre-
             Krankenhausinformationssystem                                         ten Fall hatten mehrere Mitarbeiter unbefugt auf Patien-
             Auch die Überprüfung der Krankenhaus-IT muss vor diesem               tendaten einer prominenten Person zugreifen können.
             Hintergrund betrachtet werden. Es darf u.a. die Frage gestellt
             werden, ob die eingesetzte Software die Anforderungen der         ■■ Gegen ein Krankenhaus in Portugal wurde ein Bußgeld
             DSGVO erfüllt, also z.B. ob diese angemessen sicher ist, über        in Höhe von 400.000 € verhängt, nachdem die Aufsichts-
             die geforderten Funktionen verfügt und diese Funktionen auch         behörde feststellte, dass über 900 aktive Nutzer mit der
             richtig genutzt werden. Momentan scheint dabei insbesondere          Rolle „Arzt“ registriert waren, obwohl das Krankenhaus
             das Krankenhausinformationssystem (KIS) von Aufsichtsbehör-          nur knapp 300 Ärzte beschäftigte.
             den in den Fokus genommen zu werden. Hier gelten in der
             Praxis sehr hohe Anforderungen, welche durch die Aufsichts-       Dass die Bußgelder auch in Deutschland grundsätzlich hoch
             behörden bereits im Jahr 2014 in der sogenannten „OHYPER-         ausfallen würden, zeigt ein Fall aus Rheinland-Pfalz. Hier wurde
             LINK "https://www.datenschutzzentrum.de/uploads/medizin/          ein Bußgeld in Höhe von 105.000 € verhängt, nachdem eine
             OH_KIS.pdf"rientierungshilfe HYPERLINK "https://www.daten-        Patientenverwechslung im Rahmen der Aufnahme systemati-
             schutzzentrum.de/uploads/medizin/OH_KIS.pdf"KIS“ (https://        sche Fehler offenbarte.
             www.datenschutzzentrum.de/uploads/medizin/OH_KIS.pdf)
             konkretisiert wurden.

                                                                                                              Krankenhaus-IT Journal 01 /2020

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