Falscher Klima-Populismus

Die Seite wird erstellt Karin Rauch
 
WEITER LESEN
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Falscher Klima-Populismus
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Bozen – Greta Thunberg ist ein Phänomen. Die 16-Jährige hat – samt der Maschinerie, die hinter ihr steht – geschafft, was
vor ihr niemandem gelungen ist. Sie hat den Klimaschutz zum Topthema gemacht. Das ist gut so. Allerdings droht die
Klimaschutzwelle in einen Klima-Populismus auszuarten, der die Welt nicht weiterbringt. Die Politiker rauben uns die
Zukunft, weil sie die Wirtschaft nicht einbremsen, lautet die vereinfachende Botschaft. Und die passende Forderung dazu:
Die Politiker müssen dafür sorgen, dass weniger geflogen, weniger gefahren, weniger konsumiert, mehr verzichtet und mehr
verboten wird. Nur so kann die Welt gerettet werden.

Das ist ein Irrglaube! Paradoxerweise ist ausgerechnet dieser Klima-Populismus der ärgste Feind für die an und für sich
sinnvolle Klimaschutzwelle. Er könnte sie zerstören, ehe sie Früchte trägt, weil er die Menschen gegen den Klimaschutz
aufbringt. Erstens werden sich die Milliarden Menschen in den ärmeren Ländern, die um mehr Wohlstand nach dem Vorbild
der Industrieländer streben, kaum für eine Selbstbeschränkung gewinnen lassen. Zweitens werden sich auch in den
Wohlstandsländern nicht genügend Idealisten finden, die das freiwillig zu tun bereit sind bzw. sich dazu zwingen lassen.
Drittens würde ein wirtschaftlicher Rückbau, so denn sich die Konsumenten dieser Welt wider Erwarten darauf einigen
würden, zwangsläufig Arbeitsplätze kosten und für soziale Verwerfungen sorgen. Eine „decrescita felice“, wie es in
Italienisch heißt, also ein glückliches Schrumpfen der Wirtschaft, gibt es nicht. Sonst müssten die Italiener*innen die
glücklichsten Menschen der Welt sein, seit ihre Wirtschaft ab 2009 geschrumpft ist. Stattdessen bringt jede Rezession
Arbeitslosigkeit und Resignation.

Wir brauchen Klima-Realismus statt Klima-Populismus. Federico Giudiceandrea, der Präsident des Unternehmerverbandes
UVS, liegt richtig, wenn er den jungen Klimastreikern in einem offenen Brief zuruft: „Wir müssen nach vorne schauen und
nicht zurück.“ Der wirtschaftliche Fortschritt hat die Welt bereits zu einem besseren Ort gemacht, trotz allem.

Die Klimawende wird nur mit der Wirtschaft zu schaffen sein, nicht gegen sie. Wirtschaft darf daher nicht als etwas
verstanden werden, das bekämpft gehört, sondern als Teil der Lösung.

Edition: 38-19

Bares & Wahres
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Finanzminister Roberto Gualtieri setzt wie seine Vorgänger auf den Kampf gegen die Schattenwirtschaft. Die
vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung von bargeldlosen Zahlungen sind jedoch kein probates Mittel. Die schwarzen
Schafe werden sich von wenigen Prozent Ersparnis kaum davon abhalten lassen, nur Bares als Wahres anzusehen. Und alle
anderen werden eine Begünstigung in Anspruch nehmen, deren Gewährung ein bürokratisches Monstrum zu werden droht.
Die Umschichtung von Kaufkraft zum Staat würde es diesem obendrein bloß ermöglichen, weiterzuwursteln. Das, was der
Schattenwirtschaft abgeknöpft wird, muss in Form von Steuererleichterungen jenen zugutekommen, die brav ihre Steuern
bezahlen und daher recht wenig Luft zum Atmen haben.

                                                                                                             Seite 1 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Edition: 38-19

Herrliche Kreditzeiten
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Bozen – Die EZB hält den Leitzinssatz seit Jahren bei null Prozent, und sie drängt die Banken, Unternehmen und private
Haushalte mit Geld zu versorgen. Mehr Investitionen und mehr Konsum sollen das Wirtschaftswachstum anregen.
Tatsächlich sind die Finanzierungsbedingungen heute beinahe traumhaft. „Das Umfeld ist für investitionsfreudige
Unternehmer sehr gut. Die Zinsen für langfristige Investitionskredite sind sehr niedrig, und daran dürfte sich unter normalen
Umständen in den kommenden zwei Jahren wenig ändern“, fasst Matthias Fulterer, der Vizedirektor der Raiffeisenkasse
Kastelruth-St. Ulrich, die Lage zusammen.

Die Banken halten sich mit detaillierten Angaben zu den Ausleihungszinsen, die sie verlangen, aus naheliegenden Gründen
zurück. Sie wollen nämlich einerseits Kunden, die relativ hohe Zinsen zahlen müssen, nicht durch die Nennung der
bestmöglichen Konditionen gegen sich aufbringen, und sie wollen auch nicht die verlangten Höchstzinsen nennen, weil
dadurch Interessenten abgeschreckt würden, die weit günstigere Darlehen erhalten könnten. Dennoch: Die Volksbank, die
Sparkasse, die Raiffeisen Landesbank und die Raiffeisenkassen Bruneck und Kastelruth haben auf Anfrage der SWZ Auskunft
gegeben, wenn sie auch nicht alle konkrete Zahlen nennen – und wenn, immer verbunden mit dem Hinweis auf eine nicht
unerhebliche Schwankungsbreite. Deshalb verzichten wir auf möglicherweise wenig hilfreiche Angaben, zumal die einen
Banken ihre Durchschnittszinsen in einem bestimmten Prozentbereich nennen, die anderen ihre Höchst- und Niedrigstzinsen
oder auch nur verallgemeinernde Angaben machen. Fest steht: Das Zinsniveau der einzelnen Banken variiert nicht stark.
Dies muss allerdings nicht heißen, dass ein Kreditnachfrager nicht bei einer Bank etwas bessere Konditionen erhält als bei
einer anderen, denn in der Beurteilung gibt es immer feine Unterschiede. Die Höhe der Zinsen hängt aber eindeutig weniger
von der Bank ab als von den Kreditnehmern.

Entscheidend sind nach übereinstimmenden Aussagen mehrere Faktoren, nämlich das Rating des Kreditnehmers
(Bewertung des Unternehmens, des Businessplans, der Rückzahlungsfähigkeit etwa aufgrund des Ebitda zur Überprüfung
der Rentabilität usw.), die Laufzeit (fünf Jahre sind günstiger zu haben als zehn oder 15), der Anteil der vom Unternehmen
aufgebrachten Eigenmittel oder die Besicherungen (etwa durch Hypotheken oder eine Garantiegenossenschaft). Mit anderen
Worten: Ein Unternehmen, das mit soliden Bilanzkennzahlen aufwartet, eine überzeugende Strategie mit ebensolchen
Berechnungen des return on investment innerhalb eines betriebswirtschaftlich vernünftigen Zeitraums präsentiert und
umfangreiche Sicherstellungen gewährt, kann mit einem deutlich niedrigeren Zinssatz bedient werden; wer dagegen
diesbezüglich den einen oder anderen Schwachpunkt aufweist, muss tiefer in die Tasche greifen. Je höher das Risiko für die
Bank, desto höher die Zinsen, lautet der Grundsatz (falls überhaupt eine Finanzierung gewährt werden kann).

Dies ist insofern nachvollziehbar, als die Banken je nach Güte des Kreditnehmers unterschiedlich viel Eigenkapital
unterlegen müssen. Und je mehr Eigenkapital erforderlich ist, desto geringer kann der Umfang aller Kredite sein, die gewährt
werden können, was es notwendig macht, einen höheren Zinssatz zu verlangen – vom Ausfallrisiko ganz zu schweigen.

Im Schnitt können Unternehmen heute mit recht günstigen Konditionen rechnen. Dazu tragen alle Rahmenbedingungen bei,
nämlich die Zinspolitik der EZB, die insgesamt recht erfreuliche wirtschaftliche Lage in Südtirol und der ausgeprägte
Wettbewerb zwischen den Lokal-, Regional- und Großbanken. Insbesondere solide Unternehmen mit zukunftsträchtigen
Vorhaben erhalten sehr billiges Geld, denn „einen guten und risikoarmen Kunden wollen alle haben“ (Fulterer).

                                                                                                              Seite 2 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

In einem umkämpften Markt gelten Zinssätze von etwa zwei Prozent als üblich, aber bonitätsstarke Kunden können derzeit
mit Zinssätzen auch deutlich unter zwei Prozent rechnen. Die Zinssätze bewegen sich von 1,6 bis 2,5 Prozent und sind damit
recht unterschiedlich, teilt eine der Banken mit. Aber auch dabei handelt es sich um Durchschnittswerte. Je geringer das
Gesamtrisiko für die Bank, desto besser die Konditionen für den Kunden; die Zinsen können im Einzelfall auch nur 1,5
Prozent oder sogar noch weniger ausmachen, verlautet aus einer Bank. Eine andere nennt für langfristige Investitionskredite
(fünf bis zehn Jahre) einen durchschnittlichen maximalen Aufschlag auf den Euribor (Basis null, sofern negativ) von 3,5 und
einen durchschnittlich minimalen Aufschlag von 1,65 Prozent. Auch diese Aussage schließt nicht aus, dass im Einzelfall
weniger (oder auch mehr) berechnet wird. Eine weitere Bank schreibt: „Bei einer Laufzeit von zehn Jahren beträgt der
variable Zinssatz zwei Prozent bei guter Bonitätsklasse, bei einer Laufzeit von fünf Jahren hingegen 1,75 Prozent, immer mit
variablem Zinssatz.“ Dabei handelt es sich ebenfalls um Durchschnittswerte und nicht um Grundsätze, denen alle
Nachfrager im gleichen Maße unterliegen.

Unternehmen, die investieren, haben jedoch auch Anrecht auf Förderungen, insbesondere auf ein Darlehen oder ein Leasing
aus dem Rotationsfonds für Wirtschaftsförderung. Dabei gelten bestimmte Höchstgrenzen (Investitionssummen von 1,2 für
kleine und von zwei Millionen für mittlere und große Unternehmen sowie maximale Förderäquivalente im Sinne der EU-
Regeln), und der Landesanteil an dem von einer Vertragsbank gewährten Darlehen variiert deutlich. Geht man einmal davon
aus, dass der Landesanteil mit 40 Prozent bemessen wird und die Bank bei einer Laufzeit von zehn Jahren zwei Prozent
Zinsen verlangt, bedeutet dies, dass 400.000 Euro zinsfrei bleiben und die zwei Prozent nur für 600.000 Euro anfallen.
Demnach belaufen sich die Jahreszinsen ohne allfällige Nebenkosten auf 12.000 Euro, das sind, gemessen am
Gesamtdarlehen, lediglich 1,2 Prozent.

Die Banken haben in ihren Antworten auf die Informationsnachfrage der SWZ auch betont, dass in letzter Zeit recht wenige
Kreditanträge abgelehnt werden. Einmal wird betont, die Zahl der Annahmen liege bei Weitem über jener der Ablehnungen,
eine andere Bank nennt einen Anteil von weniger als drei Prozent, eine dritte spricht von wenigen Ablehnungen, da es klare
Kreditvergaberichtlinien gebe und „unsere Berater im Vertrieb bereits im Vorfeld die Kunden umfassend betreuen, so dass
die gemeinsam erstellten Kreditanträge in der Regel auch angenommen werden“. Die Abnahme der ablehnenden Bescheide
wird darauf zurückgeführt, dass „die Unternehmen in den letzten Jahren bessere Bilanzen geschrieben haben“, „die
Unternehmer zunehmend professionell aufgestellt und daher auch die vorgelegten Projekte entsprechend gut ausgearbeitet
sind“ oder „wir in den letzten Jahren eine große Professionalisierung unter den Unternehmen festgestellt haben und in den
Kreditgesprächen sehr gut vorbereitete Unternehmer treffen, die genau und umfassend über ihre Projekte Auskunft geben“.

Edition: 38-19

Anfänger am Ruder?
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Christian Pfeifer meint
Zweifel an den Alleskönnern
Giovanni Tria, der Wirtschafts- und Finanzminister der gescheiterten M5s-Lega-Regierung, hat es vor zwei Wochen sehr
deutlich gesagt: „Ero un principiante in un governo di principianti.“ Es war das offene Eingeständnis, überfordert gewesen zu
sein mit der verantwortungsvollen Aufgabe. Als Tria begann, sich zurechtzufinden, musste er sein Büro nach nur 15 Monaten
schon wieder räumen.

Wenn Tria – ein Ökonom – mit dem Wirtschaftsministerium überfordert war, dann stellt sich die Frage, wie sich sein

                                                                                                             Seite 3 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Nachfolger Roberto Gualtieri fühlen muss: Er ist ein Historiker und Uniprofessor für zeitgenössische Geschichte. Immerhin
war er in den vergangenen fünf Jahren Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) im
Europaparlament, was ihn vielleicht doch noch zum Wirtschafts- und Finanzminister befähigt. Was aber einen Luigi Di Maio
befähigt, zuerst ein guter Arbeitsminister zu sein und jetzt im Handumdrehen ein guter Außenminister, ist noch fraglicher.

Di Maio ist ein gutes Beispiel dafür, dass in der Politik andere Faktoren zählen, um Karriere zu machen, als in der freien
Wirtschaft. Unternehmen wählen ihr Führungspersonal – meistens – nach Erfahrung, nach Referenzen, nach Ausbildung,
nach Fachkompetenz aus. Im Politbetrieb zählen Wahlergebnisse, Parteizugehörigkeiten, Freundschaften, Zufälle deutlich
mehr.

Es ist dies eine Schwäche der Politik, die wohl nicht zu ändern ist, die aber nichtsdestotrotz eine Schwäche bleibt. Es darf
bezweifelt werden, dass Unternehmen erfolgreich wären, wenn sie ihre Chefs nach ähnlichen Kriterien auswählen würden.
Und umgekehrt muss bezweifelt werden, dass die Politik mit ebendiesen Kriterien die bestmöglichen Resultate liefern kann.

Auch in Südtirol würde so mancher Gemeindeausschuss anders aussehen, wenn allein die Affinität zu diesem oder jenem
Zuständigkeitsbereich zählen würde. Die Landesregierung würde ebenfalls anders aussehen. Wenn der Landeshauptmann
seine Landesrät*innen und der Bürgermeister seine Gemeindereferent*innen aussucht, dann gilt es zunächst,
Vorzugsstimmenergebnisse, Parteirichtungen, Bezirke/Fraktionen und Frauenquoten zu berücksichtigen – und erst aus dem
Puzzle, das da entsteht, werden die Zuständigkeitsbereiche den jeweils Geeignetsten zugewiesen. Da bleibt wenig
Spielraum.

Wenn die Entscheidungsträger eine ganze Legislaturperiode lang – also fünf Jahre – im Amt bleiben dürfen, dann mag das
noch vertretbar sein, weil die Zeit reicht, um sich zuerst einzuarbeiten und dann Akzente zu setzen. Wenn aber alle paar
Jahre oder sogar alle paar Monate das Führungspersonal ausgetauscht wird, so wie dies in Italiens Politik der Fall ist, dann
kann das nicht gut gehen. Man stelle sich vor, ein Unternehmen würde alle paar Monate die Chefetage austauschen.

Aber zurück zur Fachkompetenz. In der Wirtschaft arbeiten sich die allermeisten CEOs die Karriere- bzw. Unternehmensleiter
hoch, bis sie auf der obersten Sprosse ankommen. Sie lernen ihr Unternehmen und ihren Tätigkeitsbereich in- und
auswendig. Wenn Geschäftsführer von anderen Unternehmen kommen, dann meist von branchenverwandten Unternehmen.
Oder aber sie werden mit organisatorischen und strategischen Aufgaben betraut, für die kein spezifisches Branchenwissen
vonnöten ist.

Politiker hingegen sollen Alleskönner sein, die von einem zum anderen Zuständigkeitsbereich wechseln, als wäre das ein
Kinderspiel. Dabei wäre Branchenwissen in der Politik mindestens gleich wichtig wie in der Wirtschaft, wenn sinnvolle
Akzente gesetzt werden sollen.

Das Argument, wonach hinter den wechselnden Politikern ja ein permanenter Beamtenapparat Kontinuität und
Fachkompetenz garantiert, sticht nur bedingt: Die ureigenste Aufgabe von Führungskräften – egal, ob in der Wirtschaft oder
in der Politik – ist es, Akzente zu setzen. Kann das jemand in einem Kompetenzbereich, in dem er nicht zu Hause ist? Oder
läuft er Gefahr, von den fachkundigen Mitarbeitern ferngesteuert zu werden, ohne es zu merken?

Quereinsteiger haben auch Vorzüge, denn sie bringen neue Ideen ein. Aber die Quereinsteiger dürfen nicht die Regel sein. In
der Politik sind sie es. Das Ergebnis kennen wir.

Simone Treibenreif meint
Es braucht mehr als die entsprechende Ausbildung
Die Politik folgt ihren eigenen Regeln – darüber ob das gut oder schlecht ist, kann diskutiert werden. Doch es ist eine
Tatsache, die sich nicht leugnen lässt. Deshalb ist nicht jeder Gesundheitsminister Mediziner, nicht jeder Landesrat für
Raumordnung Jurist und nicht jeder Bürgermeister Experte für die öffentliche Verwaltung.

Das wäre in der Praxis auch schlecht möglich, weil die Bürger bei Wahlen – egal, ob es nun auf kommunaler, regionaler oder
nationaler Ebene ist – ihre Kreuze immer öfter nicht bei den kompetentesten Kandidaten machen, sondern bei jenen, die am

                                                                                                             Seite 4 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

lautesten schreien oder sich am besten verkaufen können. Kurz: Wenn die Marke und die Vermarktung passen, ist
Fachwissen nicht vonnöten, um in der Politik erfolgreich zu sein.

Ist die Wahl erst mal geschlagen, dann geht es für politische Entscheidungsträger darum, in Entscheidungsgremien für
Mehrheiten zu sorgen und damit für Entscheidungsfähigkeit. Hier ist die Kompetenz ebenso oft zweit- oder gar drittrangig.
Vielmehr wird auf Partei- bzw. Parteiflügelzugehörigkeit, geografische Herkunft und manchmal auch Frauenquoten oder
sonstige den lokalen Gegebenheiten geschuldete Auswahlkriterien geachtet. Wird die Kompetenz diesen Faktoren
vorgezogen, gibt es in der Regel massive Kritik aus der Bevölkerung, den Koalitionsparteien und ihren regionalen
Unterorganisationen oder den verschiedenen „Flügeln“ oder von sonst wem.

Ohne Zweifel ist es von Vorteil, wenn politische Führungskräfte bestimmte Fachkompetenzen mitbringen. Doch ob der
manchmal komplexen und mehrschichtigen Aufgabenfelder, die einzelne Politiker zu verantworten haben, ist dieser Idealfall
oft schlicht nicht gegeben. Denn auch Politiker sind meist keine eierlegenden Wollmilchsäue, sondern einfach nur Menschen.
Insofern ist es wichtig, dass Politiker Interesse für den ihnen übertragenen Aufgabenbereich mitbringen, den Ansporn, sich in
diesen einzuarbeiten, und den Willen, Herausforderungen anzugehen, Ziele zu setzen und den Bereich weiterzuentwickeln.

Denn letztlich sollten die Beamten die Experten und „Arbeiter“ sein, die die Vorgaben und Visionen ihres gewählten
Vorgesetzten umsetzen bzw. zu realisierbaren, gesetzeskonformen Initiativen machen. Zu den Aufgaben der Beamten
gehört es auch, ihrem gewählten Chef Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen.

Was die politischen Chefs sehr wohl imstande sein müssen: ihre Mitarbeiter so zu führen, dass sie auch gewillt sind,
umzusetzen und zu arbeiten. Es geht also um die viel zitierte Leadership-Kompetenz, die der Minister oder der Landesrat
genauso braucht wie der Chef im kleinen Handwerksbetrieb mit zwei Mitarbeitern oder der CEO eines internationalen
Konzerns mit Tausenden Mitarbeitern.

Wie Politiker, die als Fachfremde Aufgabenbereiche übertragen erhalten, gibt es auch in der Wirtschaft die sogenannten
Quereinsteiger oder Umsteiger. Es gibt Buchhalter, die sich zum Marketingbeauftragten berufen fühlen, Kellner, die in den
Verkauf gehen, und Unfallchirurgen, die einen Rennstall im Motorsport leiten. Sicher, es gibt Kompetenzen und Fähigkeiten,
die in vielen Berufen vonnöten oder von Vorteil sind – aber die Ausbildungen unterscheiden sich.

Doch um einen Beruf erfolgreich auszuüben, braucht es nicht alleine die entsprechende Ausbildung. Es braucht Freude am
Tun, Engagement, eigenständiges Denken, Lernwillen und -fähigkeit – und ja, auch Flexibilität und das „Schauen über den
Tellerrand hinaus“. Das klingt anstrengend, ist es aber nicht, weil durch eine positive Einstellung das Arbeiten – in Politik und
Wirtschaft – leichter von der Hand geht. Wer faul und unwillig ist, hat weder da noch dort etwas verloren.

Und Fehlbesetzungen gibt es überall, nicht nur in der Politik, und dabei sind es beileibe nicht nur „Quereinsteiger“, die sich
in ihrem Aufgabenbereich als unfähig erweisen.

Edition: 38-19

Mehr Zeit für die Reform
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Bozen – Noch will die zuständige Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer den Aufschub nicht offiziell bestätigen. Sie bestätigt
aber, dass sie der Landesregierung den Aufschub vorschlagen wird. Das neue Landesgesetz für Raum und Landschaft, das

                                                                                                                  Seite 5 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

der Landtag im Juni 2018 nach einem dreieinhalbjährigen partizipativen Marathon abgesegnet hat, soll demnach nicht am 1.
Jänner 2020 in Kraft treten, sondern erst irgendwann nach den Gemeindewahlen im Frühjahr. Das Gesetz ist die Grundlage
für die künftige landschaftliche, wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Entwicklung Südtirols.

Der Aufschub liegt seit Monaten in der Luft. So offen wie jetzt im Gespräch mit der SWZ hat ihn die Landesrätin aber noch
nie erwähnt. Laut Kuenzer muss die Landesregierung am Gesetz „zirka 30 Artikel anpassen“ (von insgesamt 107) –
einerseits, weil sonst eine Anfechtung durch die Regierung in Rom drohe, andererseits, weil bei der Arbeit an den
Durchführungsverordnungen Abstimmungsbedarf aufgetaucht sei. Und im Zuge dieser Anpassungen „würde es sich
anbieten“, auch gleich den Termin für das Inkrafttreten des Gesetzes zu verschieben.

Die Zeit wird nämlich knapp. Erstens müssen die Gesetzesänderungen, welche die Landesregierung vornimmt, dann noch
vom Landtag abgesegnet werden. Zweitens fehlen nach wie vor mehrere Durchführungsverordnungen, die für die praktische
Umsetzung der Reform in den einzelnen Gemeinden unerlässlich sind. Und drittens sehen sich viele Gemeindebauämter
außer Stande, bis 1. Jänner 2020 die notwendigen Umstellungen über die Bühne zu bringen – zum Beispiel in Sachen digitale
Bauakte.

Kurzum, weder das Land noch die Gemeinden sind so weit, eine reibungslose Umsetzung der Reform zu gewährleisten.
Abgesehen davon haben die Gemeinden – mit Ausnahme der sieben Pilotgemeinden Lana, Kurtatsch, Klausen, Corvara,
Taufers im Münstertal, Ratschings und Welschnofen – noch nicht mit der Ausarbeitung der vorgesehenen Entwicklungspläne
sowie mit der (heiklen) Definition der Siedlungsgrenzen begonnen, die der Kern der Reform sind. „Es macht wenig Sinn,
wenn Gemeinderäte kurz vor Ende der Amtsperiode so weitreichende Entscheidungen treffen“, meint Hochgruber Kuenzer.

Natürlich stellt sich die Frage, warum in der Landesregierung erst jetzt ein Aufschub debattiert wird. Skeptiker warnen seit
Monaten, dass der Termin zum 1. Jänner 2020 zu ehrgeizig gesteckt sei. Die Unsicherheit machte vielen Bürgern und
Unternehmern zu schaffen, weshalb Wirtschaftsring- Präsident Hannes Mussak in einem SWZ-Interview forderte: „Es wäre
höchst an der Zeit, dass die Politik für Planungs- und Rechtssicherheit sorgt.“ (SWZ 36/19 vom 20. September, nachzulesen
auf SWZonline und über die SWZapp).

Vehement einen Aufschub forderte Ende September der Bozner Vizebürgermeister Luis Walcher bei einem Treffen seines
SVP-Bezirkes mit der Landesrätin. In der Landeshauptstadt würden die personellen Ressourcen für die notwendige
Umstrukturierung des Bauamtes fehlen, und es seien grundlegende Durchführungsbestimmungen ausständig.

Weniger kritisch gibt sich Sebastian Helfer, Bürgermeister von Ratschings, das sich als eine der sieben Pilotgemeinden
bereits intensiv mit der Reform beschäftigt. Zwar beklagt auch Helfer, dass Durchführungsbestimmungen fehlen. „Aber im
Großen und Ganzen kommen wir gut weiter“, sagt Helfer. Die Arbeit am Entwicklungsplan, der eine Art Leitbild für die
nächsten zehn Jahre ist und Einzelpläne wie den Ensembleschutzplan, den Gefahrenzonenplan, den Mobilitätsplan und den
Tourismusplan enthält, sei im Gange – vielfach müssten nur bestehende Pläne aktualisiert werden. Die Abgrenzung der
Siedlungsgebiete will der Bürgermeister „innerhalb Oktober“ in einem partizipativen Prozess mit den Bürgern in den
einzelnen Fraktionen abschließen, wobei er weiß, dass es wird Kompromisse geben müssen.

In der größten Pilotgemeinde, Lana, sind die Sorgen wiederum größer. „Wir kommen Schritt für Schritt weiter, aber es zeigt
sich, dass der gesteckte Zeitplan sehr ambitioniert ist und gerade im Detail viele Widrigkeiten stecken“, fasst Bürgermeister
Harald Stauder zusammen.

Ein Aufschub der Reform scheint die einzig richtige Entscheidung.

Edition: 38-19

                                                                                                              Seite 6 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Esther Ausserhofer: „Wir Frauen müssen lauter
sein“
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Burgstall/Bozen – Eine offene Treppe dominiert den Firmensitz von Dr. Schär in Burgstall. Sie verbindet die vier Stockwerke
des zwei Jahre alten Gebäudes. 300 Mitarbeiter finden hier Platz, wobei auch bei den Büros auf Offenheit und Transparenz
geachtet wurde. Alles ist auf Kommunikation ausgerichtet, unter anderem die Mensa. Dort gibt es Gesundes, natürlich auch
Glutenfreies, wo Dr. Schär doch europaweit führend in der Herstellung dieser Lebensmittel ist.

Maßgeblich an der Entwicklung des Headquarters beteiligt war eine junge Frau, Esther Ausserhofer, Tochter von
Vizepräsident Walter Ausserhofer, Nichte des langjährigen Präsidenten Ulrich Ladurner, und heute selbst Verwaltungsrätin.
Ausserhofer, Jahrgang 1985, wuchs in Sand in Taufers auf. Ihre Mutter Helga Thaler Ausserhofer saß von 1994 bis 2013 im
Senat der Republik. Geschwister hat Ausserhofer keine, „leider“, wie sie selbst sagt, dafür eine Menge Cousins und
Cousinen, außerdem ihre Pferde. „Meine gesamte Jugend habe ich im Reitstall verbracht“, schmunzelt sie.

Ausserhofers Curriculum spiegelt ihre vielfältigen Interessen wider. Nach Abschluss des Realgymnasiums in Bruneck studiert
Ausserhofer an der Bocconi in Mailand, knüpft dort Kontakte und schließt Freundschaften, die bis heute bestehen. Zwischen
Bachelor und Master nimmt sie sich eine Auszeit von der Uni, absolviert Praktika in den USA – und in Großbritannien, wo sie
sich schließlich für den Studiengang „International Business“ einschreibt. Mit dem Diplom in der Tasche geht sie für zwei
Monate nach Spanien, um ihre Sprachkenntnisse auszubauen, danach belegt sie einen Landwirtschaftskurs in Bruneck – „für
den Pferdestall“. Zum ersten Mal kommt sie dann ins Grübeln: Noch mal weg? Ins Ausland? In einem großen Unternehmen
lernen? Doch Ulrich Ladurner überzeugt sie: „So viel lernen wie bei uns kannst du sonst nirgends.“ So beginnt ihre Karriere
bei Dr. Schär als Assistentin des CFO.

Für ihr erstes Projekt pendelt sie über eineinhalb Jahre lang zwischen Südtirol und Spanien, wo sie am Aufbau der Dr.-Schär-
Filiale mitarbeitet. „Ich war sozusagen die Brücke zwischen der akquirierten Firma und unserem Unternehmen“, erklärt
Ausserhofer. In dieser Zeit habe sie einen 360-Grad-Blick in die unternehmerische Tätigkeit erhalten, am spannendsten sei
für sie jedoch der zwischenmenschliche und interkulturelle Aspekt gewesen. In der Folge hilft sie auch beim Aufbau anderer
Filialen, unter anderem in Frankreich, den USA und Brasilien. „Wir haben immer im Team gearbeitet, eines ist aber fast
immer an mich weitergegeben worden – der Personalbereich“, erinnert sie sich.

Genau in diesen Bereich rutscht sie so immer mehr hinein, beschäftigt sich mit Themen, die sie persönlich bewegen –
effektive Zusammenarbeit, kontinuierliche Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Selbst Mutter von eineinhalbjährigen Zwillingsmädchen kennt Ausserhofer die Doppelbelastung nur zu gut. „Eltern Teilzeit
anzubieten“, sagt sie, „ist die Voraussetzung dafür, dass sie nach der Geburt eines Kindes wieder in den Beruf zurückkehren
können.“ Sie sagt bewusst Eltern, denn nur wenn sowohl Väter als auch Mütter Teilzeit in Anspruch nähmen, würde sich in
der Gesellschaft wirklich etwas verändern. Mit einer Teilzeit von 80 Prozent könne man sich noch sehr gut im Job einbringen.
„Natürlich muss man sich eingestehen, dass man etwas zurückschrauben muss, zugleich arbeitet man aber auch
effizienter“, zeigt sie sich überzeugt. Noch sei es jedoch „traurige Realität“, dass bei Vorstellungsgesprächen und
Beförderungen Frauen und Männer nicht vollkommen gleich beurteilt werden, oft auch unbewusst. „Die Umstände sind
einfach noch nicht so, dass es total außer Acht gelassen wird. Dazu muss sich die Rolle des Mannes ändern. Das müssen wir
Frauen zum einen einfordern, zum anderen aber auch zulassen.“

Um die eigenen Mitarbeiter*innen zu unterstützen, brachte Ausserhofer bei der Planung des Hauptsitzes in Burgstall den Bau
einer firmeneigenen Kita ein. „Der Vorschlag wurde gleich von allen angenommen“, sagt sie. Rund 14 interne und 4 externe
Kinder werden mittlerweile dort betreut. Zugleich appelliert Ausserhofer an die Politik, mehr in diesen Bereich zu investieren.

                                                                                                                Seite 7 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Es brauche nicht nur eine umfangreichere Kleinkindbetreuung, sondern vor allem ein besseres Angebot für Kindergarten-
und Schulkinder. „In der Kita können die Kinder noch recht flexibel hingebracht und abgeholt werden, danach wird es
schwierig.“ Sie sei unter anderem auch deshalb dafür, die Arbeitszeiten verstärkt an die Bedürfnisse der verschiedenen
Mitarbeiter anzupassen.

Als Verwaltungsrätin bringt sie diese und andere Vorschläge aktiv ins Unternehmen ein. Der Zukunft blickt sie optimistisch
entgegen. Der Hype um glutenfreie Lebensmittel vor fünf Jahren habe die Konkurrenz verstärkt. „Das belebt das Geschäft“,
stellt Ausserhofer fest. Und schließt: „Wenn du nicht überlebst, hast du etwas falsch gemacht.“

Edition: 38-19

Mit Mac fängt man Mäuse
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Es fing ja ganz harmlos an. 2008 war mein damaliger Laptop fast zehn Jahre alt, ein Dinosaurier, ein klobiges, dickes
Ungetüm. Ein neuer musste her. Damals wohnten wir in Chur, der Hauptstadt von Graubünden, mein Mann arbeitete dort an
der Stadtschule. Einer seiner Kollegen hatte einen guten Tipp für mich. Wenn du ein neues, verlässliches Gerät suchst, das
noch ein paar tolle Extras mitbringt, warum nicht ein MacBook Pro ausprobieren? Es gäbe da zurzeit ein gutes Angebot, das
er selbst jedenfalls nutzen werde.

Ich war skeptisch. Ein Apple-Gerät? Hieß es nicht immer, die seien so teuer? Der Kollege beruhigte: Erstens: Das gute
Angebot! Und zweitens: Da ist ganz viel drin. Außerdem: Wolltest du nicht schon längst eine eigene Homepage machen? Das
MacBook Pro hat ein Programm für so etwas!

Na schön, ich ließ mich weichklopfen. Das MacBook wurde gekauft. Ich nannte es „Hugo“, weil vorerst mal mein Erspartes
für den Hugo war (ja, das ist genau mein Humor). Und dann legte ich los. Ich richtete mein Apple-Konto ein, baute meine
Homepage, und schon nach kürzester Zeit waren Hugo und ich gute Freunde. Er verwaltete meine E-Mails, meine Fotos,
meine Zugangscodes und Passwörter, und er lief, und er lief, und er lief. Ich schrieb meine Bücher auf ihm, ich nahm ihn zu
Vorträgen mit, er leistete mir auf Bahnfahrten Gesellschaft, immer verlässlich, freundlich, unaufdringlich. Nicht ein einziges
Mal hatte ich einen Virusalarm, Hugo stürzte nie ab, stellte mich nie vor anderen bloß, er war einfach für mich da. Bis er an
einem kalten Jännertag im Jahr 2013 nicht mehr einzuschalten ging. Bumm. Tot. Das Ende einer fünfjährigen Freundschaft,
abrupt und unwiderruflich.

Ich geriet natürlich in Panik. Ich brauchte mein Gerät! Ich brauchte meine E-Mails, meine Dokumente! Smartphone hatte ich
damals noch keines, und nun stand ich plötzlich völlig hilflos da. Was jetzt?

Na, was wohl. Innerhalb von drei Tagen kaufte ich mir ein neues MacBook. Ich nannte es Dumeng, weil wir mittlerweile im
Engadin wohnten und ich den Gedanken lustig fand, meinen Laptop „Du Mensch“ (so wird „Dumeng“ ausgesprochen) zu
schimpfen.

Dank der TimeMachine-Funktion konnte ich meine Backup-Festplatte an Dumeng anschließen, mit der alle Inhalte des
verstorbenen Hugo übertragen werden konnte, und ein paar Stunden später konnte ich reibungslos weiterarbeiten, als ob
nie etwas geschehen wäre. Sogar das Desktop-Hintergrundbild war dasselbe.

Bis hierher klingt das alles wie ein Apple-Werbetext, nicht wahr? Keine Sorge, jetzt kommt die Wende. Dumeng zu kaufen,

                                                                                                               Seite 8 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

war eine notwendige, aber schmerzhafte Entscheidung. Seit 2008 hatten sich die Preise von Apple-Geräten immer weiter
vom übrigen Laptop-Markt entfernt. Und wenn ich nun mit Dumeng irgendwo auftauchte, wurde ich von selbsternannten
oder tatsächlichen Kennern mit schrägem Grinsen bemitleidet. Oh, eine Apple-Jüngerin. Gibt zweimal so viel Geld als
notwendig für ein Gerät aus, das gar nicht so viel kann. Den Spruch hab ich oft gehört. Selbstverständlich liebe ich Dumeng
genauso, wie ich Hugo geliebt habe, er ist mein Freund, mein Gefährte, mein Vertrauter, läuft jeden Tag den ganzen Tag.
Aber der nagende Zweifel bleibt: Rechtfertigt das den hohen Preis?

Diesmal, so schwor ich mir, würde ich es anders machen. Nicht warten, bis mein MacBook mich plötzlich schmählich im Stich
lässt. Sondern gerüstet sein.

2017 schien es, als wäre es bald so weit. Dumeng wurde langsamer, nach nur vier Jahren Dauerbetrieb, das Homepage-
Programm wurde eingestellt und lief nicht mehr (seither schläft meine Webseite den Dornröschenschlaf). Ich hielt den
Zeitpunkt für gekommen, mir ein neues Gerät anzuschaffen und mich allmählich umzustellen. Ich nenne die Marke nicht, es
reicht zu sagen, dass es eben mit Windows arbeitet statt mit MacOS. Ganz billig war es übrigens auch nicht, weil ich doch
recht anspruchsvoll bin. Kurz und gut, ich nahm es in Betrieb. Richtete das E-Mail-Konto ein, übertrug Dokumente,
importierte Fotos, kaufte mir eine Filmschneide-App (iMovie gab’s ja nicht mehr). Überlegte mir sogar einen Namen für das
Gerät. Umsonst. Nach wenigen Wochen musste ich es zurückgeben. Das Motherboard hatte einen Fehler und musste
komplett ausgetauscht werden. Ich erhielt dasselbe Gerät, aber in neu. Alles, was ich eingerichtet hatte, war weg. Ich
musste von vorne anfangen. Ich war sauer.

Dumeng lief übrigens immer noch, und ich benutzte ihn zwischendurch weiterhin. Vor allem für E-Mails diente er mir nach
wie vor verlässlich, während mein Windows-Laptop nur herumzickte. Ich verabschiedete mich schließlich von Windows-Mail
und richtete Thunderbird als Mail-Programm ein. Dem Apple-Mail-Programm kann jedoch auch das nicht das Wasser reichen.

Heute, zwei Jahre später, läuft Dumeng noch immer. Zwar nicht mehr so gut wie vorher, er hat so manches Zipperlein. Aber
ich nehme ihn nach wie vor zur Arbeit mit. Daheim am Schreibtisch steht mein Windows-Laptop. Ich liebe ihn nicht. Ich habe
ihm auch keinen Namen mehr gegeben. Ich beschimpfe ihn manchmal, und er treibt mich in den Wahnsinn. Ich weiß, wenn
Dumeng den digitalen Geist aushauchen wird, gibt es kein neues MacBook mehr für mich. Die Preise sind meiner Kaufkraft
davongeklettert. Ich werde mit dem Windows-Gerät weiterwursteln. Und immer ein bisschen traurig sein. Eines weiß ich
aber: Hätte ich das nötige Kleingeld, dann hätte ich mich sicher nicht aus meinem Apfel-Paradies vertreiben lassen.
Womöglich hätte ich sogar ein iPhone, auch wenn die Fenster-Fans über mich den Kopf schütteln würden. Ich wäre gefangen
im Apple-Ökosystem, aber ziemlich sicher nicht unglücklich.

Prada-Handtaschen oder teure Autos können mir gestohlen bleiben. Wenn ich aber irgendwo das Apfel-Logo sehe, werde ich
nostalgisch. Hach.

Ich wette, dass es auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ganz ähnlich geht, oder? Manchmal ist es eben doch nicht nur
eine Marke.

Edition: 38-19

Komplexer Nachweis
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Rom/Brüssel – Eine der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen (ig) Lieferungen ist der

                                                                                                             Seite 9 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Umstand, dass der gelieferte Gegenstand physisch von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat vom Lieferer oder
Abnehmer selbst befördert oder auf deren Rechnung versendet wird. Bislang gab es weder in der MwSt-Systemrichtlinie (RL
2006/112, MwStSystRL) noch in der MwSt-Durchführungsverordnung (MwSt-VO Nr. 282/2011) eine entsprechende Regelung.

Dieser Nachweis wurde in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. In Italien gab es dazu keine
gesetzlichen Bestimmungen, sondern verschiedene Aussagen aus der Verwaltungspraxis, so letzthin die Auskunft der
Einnahmenagentur Nr. 100 vom 8. April 2019. Wesentlich ist dazu auch die ständige Rechtsprechung des
Kassationsgerichtshofes (unter anderem die Urteile Nr. 13457/2012, Nr. 12964/2013 und Nr. 9717/2019), wonach der
Lieferer den Nachweis für die Beförderung/Versendung in das EU-Ausland zu erbringen hat. Es reichen dazu nicht die
Rechnung, die Zahlung derselben und der gute Glauben.

Die MwStVO wird nun mit Wirkung 1. Jänner 2020 durch die Richtlinie 2018/1912 entsprechend ergänzt (neuer Art. 45a
MwStVO). Es wird eine auf Unionsebene einheitliche Regelung vorgesehen, mit der eine Vermutungsregelung vorgesehen
wird. Die Steuerbehörden können die Vermutungsdokumente widerlegen, aber nur wenn sie Hinweise auf falsche
Dokumente haben oder dass die Ware nicht das Abgangsland verlassen hat.

Für die MwSt-Durchführungsverordnung ist keine Umsetzung in nationales Recht erforderlich, da die entsprechenden
Regelungen unmittelbar anzuwendendes Recht darstellen. Trotzdem erwartet man sich hier Klarstellungen der
Einnahmenagentur, zumal die Neuregelung eine Reihe von zusätzlichen Dokumenten gegenüber den
Nachweisanforderungen der bisherigen Verwaltungspraxis verlangt und die neue Nachweisregelung in einigen Fällen nicht
anwendbar ist, insbesondere wenn eine Beförderung durch den Lieferer oder durch den Empfänger vorliegt. Es müssen dann
Nachweise ermöglicht werden, die im jeweiligen Mitgliedstaat oder in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vorgesehen sind. So zumindest die Ausführungen, die im Kommentarentwurf der EU-Kommission zu den ab 2020
geltenden Neuerungen enthalten sind.

Die Neuregelung (Art. 45a) der Durchführungsverordnung sieht eine umfangreiche Nachweispflicht vor, die in der Praxis oft
schwierig, oft kaum oder überhaupt nicht zu erfüllen ist. Man unterscheidet dabei zwischen (a) Beförderung oder
Versendung durch den Lieferer und (b) Beförderung oder Versendung durch den Erwerber bzw. Abnehmer.

a) Beförderung oder Versendung durch den Lieferer: Werden die Gegenstände vom Lieferer oder für seine Rechnung von
einem Dritten befördert oder versendet, kann der Nachweis des grenzüberschreitenden Transports wie folgt erfolgen: durch
Unterlagen zum Versand oder zur Beförderung der Gegenstände oder durch einen alternativen Nachweis.

Im ersten Fall sind mindestens zwei nicht einander widersprechende Unterlagen erforderlich, die von zwei verschiedenen
Parteien ausgestellt wurden. Die Parteien müssen vom Verkäufer und vom Erwerber und auch voneinander unabhängig sein.
Es handelt sich dabei um folgende Dokumente (Buchst. a von Art. 45a MwStVO): Unterzeichneter CMR-Frachtbrief,
Konnossement (Schiffsfrachtbrief), Luftfracht-Rechnung oder Rechnung des Beförderers der Gegenstände (vgl. beistehende
Tabelle). Unklar ist hier noch, ob der CMR-Frachtbrief, um als Nachweis zu genügen, nur vom Spediteur bzw. dem
Transportunternehmen zu unterzeichnen ist (für die Warenübernahme), oder ob auch die Unterschrift des Abnehmers
erforderlich ist.

Im zweiten Fall (alternativer Nachweis) kann der Nachweis durch eines der vorhergehenden Dokumente (laut Buchst. a) und
eines der weiteren nachfolgenden Dokumente erbracht werden, mit welchen der Versand oder die Beförderung bestätigt
werden. Auch hier müssen die Dokumente von zwei verschiedenen Parteien ausgestellt werden, die voneinander und vom
Verkäufer und vom Erwerber unabhängig sind.

Es handelt sich dabei um folgende Unterlagen (Buchst. b von Art. 45a MwStVO): Versicherungspolizze für den Versand oder
die Beförderung der Gegenstände; Bankunterlagen, die die Bezahlung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände
belegen; von einer öffentlichen Stelle wie z. B. einem Notar ausgestellte offizielle Unterlagen, die die Ankunft der
Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat bestätigen; eine Quittung, ausgestellt von einem Lagerinhaber im
Bestimmungsmitgliedstaat, durch die die Lagerung der Gegenstände in diesem Mitgliedstaat bestätigt wird.

                                                                                                         Seite 10 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

b) Beförderung oder Versendung durch den Erwerber: Werden die Gegenstände nicht vom Lieferer, sondern vom Erwerber
(Abnehmer) oder für seine Rechnung von einem Dritten befördert oder versendet, hat der Lieferer den Nachweis des
grenzüberschreitenden Transports durch die gleichen Unterlagen zu erbringen, die im Falle der Lieferung oder Beförderung
durch ihn oder in seinem Auftrag erforderlich wären (Fall a) und zusätzlich durch eine schriftliche Erklärung des Erwerbers.
Aus dieser Erklärung hat hervorzugehen, dass die Gegenstände vom Erwerber oder auf dessen Rechnung von einem Dritten
versandt oder befördert wurden, und welches der Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände ist. In dieser Erklärung sind
anzugeben: Ausstellungsdatum, Name und Anschrift des Erwerbers, Menge und Art der Gegenstände, Ankunftsdatum,
Ankunftsort, bei Fahrzeugen die Identifikationsnummer des Fahrzeugs und schließlich die Identifikation der Person, welche
die Gegenstände auf Rechnung des Erwerbers entgegennimmt.

Es handelt sich im Wesentlichen um die Angaben, die in Deutschland in der Gelangensbestätigung zu machen sind. Eine
Unterschrift ist jedoch nicht erforderlich. Zusätzlich zu dieser schriftlichen Erklärung des Empfängers werden auch die vorhin
erwähnten Unterlagen (Fall a) benötigt, die zum Versand oder der Beförderung ausgestellt werden (z.B. CMR oder Rechnung
des Beförderers), oder ein Dokument des alternativen Nachweises.

Die schriftliche Erklärung des Abnehmers muss dem Lieferer spätestens zehn Tage nach Ablauf des Liefermonats vorliegen.
Diese enge Frist bezieht sich wahrscheinlich auf die Notwendigkeit, die Rechnung spätestens innerhalb des Fünfzehnten des
Folgemonats nach der Lieferung ausstellen zu müssen. Bei der Abholung durch den Abnehmer gestaltet sich der Nachweis
also besonders schwierig: Abgesehen von der erwähnten Erklärung hat nämlich der Empfänger dem Lieferer den CMR-
Frachtbrief, die Transportrechnung oder die Versicherungspolizze oder die Zahlungsbestätigung für die Transportrechnung
zu übermitteln. Es handelt sich hier zum Teil um vertrauliche Unterlagen und um Informationen, die man nicht unbedingt
dem Geschäftspartner überlassen will.

Im Übrigen: Wenn die Beförderung durch den Lieferer oder durch den Abnehmer selbst (z.B. durch eigenen LKW)
durchgeführt wird, können die Nachweise bzw. die angeführten Dokumente, wie sie von der Durchführungsverordnung
verlangt werden, gar nicht vorgelegt werden. Es liegt dann nämlich kein CMR-Frachtbrief, keine Rechnung des Spediteurs
oder eine Versicherungspolizze vor. Laut Kommentarentwurf der EU-Kommission können dann die Nachweisbestimmungen
angewandt werden, wie sie in den einzelnen Mitgliedstaaten bislang vorgesehen waren. In Italien müsste man sich dazu auf
die bisherige Verwaltungspraxis stützen. Man erhofft sich dazu eine eindeutige Auflistung der möglichen Nachweise, die in
Form eines Rundschreibens veröffentlicht werden könnte.

Edition: 38-19

Incoterms 2020 veröffentlicht
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Paris – Die Internationale Handelskammer (ICC) hat die neue Fassung der internationalen Handelsklauseln (Incoterms)
veröffentlicht, die ab 2020 in Kraft treten werden. Die Klausel EXW (ab Werk) ist beibehalten worden, auch wenn diese
anfänglich abgeschafft werden sollte. Sie birgt nämlich aus steuerlicher Sicht die größten Risiken für den Verkäufer,
insbesondere hinsichtlich des Ausfuhrnachweises bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Edition: 38-19

                                                                                                              Seite 11 von 12
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 8. Mai 2020

Kommentarentwurf zu Quick fixes
KLIMA – In den Wohlstandsländern rollt die Klimaschutzwelle. Dabei wird verkannt, dass die Wirtschaft nicht das Problem ist,
sondern ein Teil der Lösung. Die Verherrlichung des wirtschaftlichen Rückbaus ist genauso falsch wie das Leugnen des
Klimawandels.

Brüssel – Die mit den Richtlinien 2018/1910 und 2018/1912 eingeführten Neuerungen im Bereich der Reihengeschäfte, der
Konsignationslager und der Nachweise für die innergemeinschaftlichen Lieferungen werden auch als „Quick fixes“
bezeichnet. Dazu hat kürzlich die Arbeitsgruppe GFV (Group oft the future of VAT) den Entwurf für einen Kommentar zu den
mit Wirkung 2020 geltenden Änderungen an der MwSt-System-Richtlinie vorgelegt (GFV n. 89; 11.9.2019).

In einem ersten Teil werden die Ziele der Neuerungen erläutert. Danach wird die einheitliche Regelung der
Konsignationslager behandelt, und es werden praktische Fragen zu Vernichtung, Diebstahl und Rücksendung der
eingelagerten Waren beantwortet. Die wesentlichen Neuerungen bei den Reihengeschäften betreffen, abgesehen von der
erstmaligen Definition, die Zwischenhändler und bei diesen die Zuordnung der steuerfreien ig Lieferung. Im letzten Teil
werden die Nachweise für die ig Lieferung und die notwendige grenzüberschreitende Beförderung mit einer Reihe von
praktischen Fragen behandelt.

Edition: 38-19

                                                                                                            Seite 12 von 12
Sie können auch lesen