Prozessautomatisierung mit Chatbot, Workflow-Engine und Robot Process Automation (RPA) - Evaluierung anhand eines Use Cases der Landesmesse ...
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Prozessautomatisierung mit Chatbot, Workflow-Engine und Robot Process Automation (RPA) – Evaluierung anhand eines Use Cases der Landesmesse Stuttgart GmbH Janine Springer Frank Morelli Stefan Bantscheff Landesmesse Stuttgart GmbH Hochschule Pforzheim Landesmesse Stuttgart GmbH Messepiazza 1 Tiefenbronner Straße 65 Messepiazza 1 70629 Stuttgart 75175 Pforzheim 70629 Stuttgart Janine.Springer@messe-stuttgart.de Frank.Morelli@hs-pforzheim.de Stefan.Bantscheff@messe-stuttgart.de ABSTRACT Diese Arbeit befasst sich mit der Prozessautomatisierung durch eine Kombination verschiedener IT-Lösungen. Dabei wird auch auf den von Gartner geprägten Begriff der „Hyperautomatisierung“ eingegangen. Zielsetzung ist es, eine End- to-End Geschäftsprozessoptimierung durch Automatisierung zu generieren. Darunter fällt die Schaffung geeigneter Rah- menbedingungen für die Ausgestaltung einer zukünftigen Kooperation zwischen Menschen und Maschinen, wodurch sich die Arbeitsweise in vielen Bereichen grundlegend verändern wird. In den Unternehmen gibt es viele Abläufe, welche abhängig von komplizierten regelbasierten Entscheidungen sind, mehrere Systeme einbinden oder in denen ein Zusam- menspiel von Mensch und Maschine sich als erforderlich erweist. Erfahrungen über eine effektive und effiziente Umset- zung zugehöriger Prozessautomatisierungen sind bisher lediglich in geringem Maße vorhanden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen aus den Use Case will der vorliegende Artikel hierzu einen Beitrag leisten. SCHLÜSSELWÖRTER (RPA) oder spiegeln lediglich subjektives Empfinden wi- der. Ferner fehlt ein Konzept für die Ausgestaltung des Prozessautomatisierung, Hyperautomatisierung, Chat- Zusammenspiels zwischen Mensch und Maschine. bot, Robot Process Automation (RPA), Workflow Ma- nagement System Die anwendungsorientierte Umsetzung eines integrierten Prozessautomatisierungsansatzes wird als zentrale For- EINLEITUNG schungsfrage innerhalb dieses Artikels thematisiert. Eine Digitalisierung und Automatisierung sind bereits seit ge- Darlegung der damit einhergehenden Möglichkeiten und raumer Zeit elementare Bestandteile in den Unterneh- Herausforderungen runden die ganzheitliche Betrach- men. Die Mitarbeiter lernten sich im Laufe der Zeit an tung ab. Mit zwei weiteren Unterfragen soll ein weiterer maschinelle Gegebenheiten in ihrem Arbeitsalltag anzu- Fokus auf eine mögliche zukünftige Kooperation zwi- passen. Verschiedene Veränderungen in grafischen Be- schen Usern und IT-Systemen gelegt werden. Hierbei nutzungsoberflächen (engl. Graphical User Interfaces) stehen Conversational Interfaces in Form einer Chatbot- führten zu einer erhöhten Bedienerfreundlichkeit, den- Technologie im Vordergrund, da diese bereits im priva- noch ist der Mensch gefordert, sich mit einer Vielzahl ten Umfeld zunehmend genutzt werden und eine Integra- von unterschiedlichen Interaktionsschnittstellen ausei- tion dieser Technologie deshalb auch im geschäftlichen nanderzusetzen und einen adäquaten Umgang zu erler- Umfeld ein Chancenpotenzial in der Ausgestaltung von nen. Neue Technologien, darunter Chatbots, ermöglichen Geschäftsprozessen beinhaltet. eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Danach müssen sich hauptsächlich Ma- schinen an die Menschen und ihre Art zu arbeiten anpas- sen, da der Austausch dieser Schnittstelle auf menschen- ähnlicher Kommunikation basiert (Ward-Dutton, 2020). Unter dem von Gartner geprägten Begriff Hyperautoma- tisierung ist insbesondere die Kombination von Techno- logien zur Prozessautomatisierung zu verstehen. Im Sinne einer ganzheitlichen Prozessautomatisierung spielt dabei auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse der Recherche zum Stand der Forschung zeigen jedoch, dass hierzu bisher Abbildung 1: Forschungsfragen in Bezug auf Prozessautoma- kaum Erfahrungen in Wissenschaft und Praxis vorliegen. tisierung Zugehörige Aussagen beziehen sich zumeist auf bishe- Die Untersuchungsmethodik stützt sich auf eine qualita- rige Erfahrung in Bezug auf Robotic Process Automation tive Forschung nach Mayring (Mayring, 2015). Es erfolgt Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 80
eine Analyse der insgesamt acht durchgeführten leitfa- doch das nachfolgende Begriffsverständnis zugrunde ge- dengestützten Experteninterviews, sowie eine Betrach- legt: „Process automation is defined as the level of hu- tung des durchgeführten Use Cases in Kooperation mit man interaction with equipment and technology during der Landesmesse Stuttgart GmbH (LMS). Das Ziel der the value-creation process. In general, the goals of auto- Experteninterviews besteht in der Einbeziehung außen- mation are to minimize total system cost by reducing la- stehender Experten, was eine externe Informationsge- bor cost, and to improve process stability and system re- winnung weiterer Aspekte über ganz-heitliche Prozess- liability” (Wang, Mileski, & Zeng, 2019). automatisierung ermöglicht. Die Einzelfallstudie entwi- ckelt im Rahmen des Use Cases im Sinne einer pragma- Eine Thematisierung der methodisch-anwendungsorien- tischen Vorgehensweise eine zugehörige Umsetzungs- tierten Herangehensweise an die Prozessautomatisierung möglichkeit in der Praxis. erfolgt anhand eines Automatisierungszyklus (Gartner, 2019). Der Ansatz nach Gartner zeigt mit seinen sieben Phasen einen Weg für die digitale Transformation auf, je- HYPERAUTOMATISIERUNG vs. HOLISTISCHE doch lässt dieser Automatisierungszyklus aus Sicht der Autoren noch einen relevante Aspekt aus: Einen zukünf- PROZESSAUTOMATISIERUNG tigen Interaktionspunkt sowie eine Regulierung des Zu- Hyperautomatisierung sammenspiels zwischen Mensch und Maschine, für bei- spielsweise anstehende Entscheidungen in einem auto- Der Marktanalyst Gartner definiert Hyperautomatisie- matisierten Prozess, thematisiert keine der genannten rung als Ansatz für ganzheitliche Automatisierung. Ab- Phasen ausdrücklich. Dahingegen haben UiPath (UiPath, hängig vom Marktforschungsanalysten wird man auf un- kein Datum) und KPMG (Ginner, 2020) eine solche terschiedliche Begriffe für einen solchen Ansatz treffen, Phase in ihren abgewandelten Automatisierungszyklen wie beispielsweise Intelligente Prozessautomatisierung unter dem englischen Begriff „Engage“ (deutsch Beteili- von IDC oder digitale Prozessautomatisierung von For- gen) aufgenommen und ordnen diese Phase thematisch rester. Im Vordergrund steht eine Kombination aus ver- zwischen Ausführung bzw. Produktivsetzung und dem schiedenen „intelligenten“ Automatisierungslösungen, Monitoring eines Prozesses ein. Die Phase „Engage“ be- dazu gehören robotergestützte Prozessautomatisierungen rücksichtigt die Interaktion bzw. Regulierung zwischen oder intelligente Geschäftsprozesssysteme, darunter sind Mensch und Maschine isoliert, z. B. in Form von Work- aber auch fortschrittliche Technologien zu verstehen, die flows oder Chatbots. auf Bereichen der Künstlichen Intelligenz (KI) basieren. Ein solches Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Werkzeuge ermöglicht eine bessere Abbildung mensch- licher Fähigkeiten, wobei das Ziel einer immer stärker KI-gestützten Entscheidungsfindung verfolgt wird (Gartner, 2019). Bei der Idee der Hyperautomatisierung handelt es sich um einen jungen und weitgehend unerforschten Automa- tisierungsansatz, deshalb liegt nahezu keine wissen- schaftliche Literatur vor. Veröffentlichte Artikel wurden zumeist von Praktikern verfasst, d.h. von Marktfor- schungsunternehmen, Unternehmensberatungen, Soft- wareunternehmen oder Zeitungen. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Recherche von oberflächlichen Er- kenntnissen ist zwar gegeben, jedoch sind die Aussagen solcher Artikel kritisch zu würdigen, da die Darstellun- gen häufig in einem positiven Licht anstatt in einer in- Abbildung 2: Phasen des Automatisierungslebenszyklus nach tersubjektiv nachvollziehbaren Betrachtung gehalten Gartner werden. Im vorliegenden Beitrag wird deshalb von ganz- heitlicher Prozessautomatisierung gesprochen. Rahmenbedingungen für eine integrierte Prozessau- Prozessautomatisierung und Automatisierungszyklus tomatisierung Zweck einer Prozessautomatisierung ist die Verbesse- Die Etablierung eines ganzheitlichen Automatisierungs- rung und Vereinfachung der Prozessausführung, die sich ansatzes erfordert eine Betrachtung verschiedener Rah- positiv auf den Prozessablauf, die Produkt- oder Dienst- menbedingungen. leistungsvielfalt oder die Prozessgeschwindigkeit aus- • Rechtliche Aspekte wirkt (Lexa, 2021). Zwar gibt es in der einschlägigen Li- Im Zuge der digitalen Transformation sind Unternehmen teratur keine einheitliche Definition, dem Artikel wird je- in der Verantwortung sich mit unterschiedlichen rechtli- Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 81
chen Anforderungen wie z.B. der Datenschutz-Grund- − Neben dem Autonomierisiko bestehen das Verbund- verordnung (DSGVO) auseinanderzusetzen. Die jeweili- und Vernetzungsrisiko durch die Digitalisierung. gen Regelungen von Gesetzen und Rechten werden in Das Verbundrisiko greift die Problematik einer in- den meisten Fällen innerhalb einer Compliance-Richtli- tensiven Mensch-Maschine-Kooperation auf, wobei nie für das gesamte Unternehmen festgehalten. Automa- in diesem Fall insbesondere eine Interaktion zwi- tisierungen von Geschäftsprozessen sehen in der Regel schen den beiden Akteuren im Vordergrund steht, z. eine Modellierung der entsprechenden Abläufe vor, was B. in Form eines Chatbots. Eine enge Verflechtung eine Reduzierung von denkbaren Verstößen gegen Vor- von Mensch und Maschine führt dazu, dass sich eine schriften ermöglicht. Der modellierte Prozess durchläuft Identifikation der Einzelhandlungen als schwierig häufig eine Freigabe von unterschiedlichen Personen, bzw. unmöglich gestaltet. Eine zukünftige Lösungs- wodurch eine Sicherstellung der entsprechenden Vor- möglichkeit hierfür wäre die Einführung eines schriften erfolgt (Allweyer, 2020). Mensch-Maschinen-Verbundes, woraus sich eine gemeinsame Zurechnungseinheit ergeben würde Außerdem wird diese Thematik auch durch Regulierun- (Cornelius, 2020). gen seitens der Politik gesteuert. Hierfür wurde eine ein- heitliche Strategie zur Cybersicherheit in der EU entwi- − Das Vernetzungsrisiko beschäftigt sich mit Risi- ckelt, welche ein hohes Sicherheitsniveau für Netz- und ken, die aus einer Vernetzung mehrerer IT- Informationssysteme vorsieht, sowie Mindeststandards Anwendungssysteme entstehen können. Auch hier- bezüglich Sicherheitsfragen und Meldepflichten bei erweist sich eine Zurechnung der verantwortli- (Rosenthal, 2018). Das Ziel dieser Strategie ist unter an- chen Handlungsträger als schwierig. Die Diskussion derem den Aufbau einer soliden Cybersicherheitsstruktur über eine mögliche Regelung bewegt sich dahinge- in der EU voranzubringen. Eine konkrete Maßnahme hend nicht einen einzelnen Entscheidungsträger als sieht bspw. vor, eine europäische Zertifizierung für Cy- Zurechnungseinheit zu bestimmen, sondern die bersicherheit einzuführen, sodass dadurch eine höhere Handlung selbst als autonome Entscheidung zu ver- Transparenz und Sicherheit für digitale Produkte und antworten, wodurch ein kollektives Risikomanage- Dienstleistungen entstehen. Die EU hat in diesem The- ment entsteht (Cornelius, 2020). menspektrum jedoch noch großen Aufholbedarf insbe- sondere bei der Harmonisierung von rechtlichen Ver- • Personelle Aspekte bindlichkeiten in Bezug auf Cyberkriminalität (Bendiek, Bossong, & Schulze, 2017). Humanressourcen-bezogene Thematiken stehen an erster Stelle, denn viele Unternehmen wenden die digitalen Der Umgang mit technischen Risiken und Verantwor- Technologien lediglich an, anstatt eine echte Verände- tungslücken erfordert neue Maßnahmen für die beste- rung im Mindset voranzutreiben. Die Aufgabe liegt hier- hende Rechtslage, wie beispielsweise einen eigenen bei beim Führungspersonal der Unternehmen. Diese sind Rechtsstatus für Softwareagenten, da geltende Rechte für in der Verantwortung eine Richtung einzuschlagen, in Menschen nicht ausreichen: welcher Technologien die menschlichen Fähigkeiten un- terstützen (Westerman, 2020). − Das sogenannte Autonomierisiko thematisiert die schwierige Nachvollziehbarkeit von korrekten Re- Im Sinne eines effektiven Change Managements erweist gulierungen aufgrund möglicher willkürlicher Ent- es sich als erforderlich, die Mitarbeiter von Anfang an scheidungsmechanismen durch digitale Lösungen aktiv miteinzubeziehen, sodass eine durchgehende Be- unter Einsatz von KI. Dabei sind Fairnessaspekte, gleitung in den digitalen Wandel erfolgt. Neben dem Ein- die z.B. durch Bias-Effekte bei Machine Learning satz etablierter Instrumente des Change-Managements (ML)-Systemen beeinträchtigt werden können, zu ergibt sich die Notwendigkeit neue Anforderungsprofile berücksichtigen. Ein Lösungs-ansatz versucht dieses für eine digitale Arbeitswelt zu entwickeln (Kreher & Risiko zu minimieren, indem vorgegebene Varian- Roth, 2019). ten i.S.v. Entscheidungen unter Unsicherheit hinter- legt werden. Eine getroffene Entscheidung basiert Zunächst ist eine konzeptionelle und planerische Vorbe- dann auf gewichteten Kriterien der zugrundeliegen- reitung hinsichtlich der kommenden Veränderungen er- den Programmierung, sowie der eigenen Lernleis- forderlich, sodass die Entwicklung eines Stufenplans für tung durch die künstliche Intelligenz (Cornelius, die tatsächliche Transformation erfolgen kann. Weiterhin 2020). Ferner vermag das Konzept der erklärbaren zeigt sich eine durchgängige, transparente Kommunika- KI („Explainable Artificial Intelligence“ – XAI), das tion als notwendig: Ein erfolgreiches Veränderungsma- zugehörige Risiko weiter einzugrenzen. Hierzu ste- nagement beinhaltet beispielsweise die Aufklärung über hen verschiedene generische Ansätze (Ante hoc-, Auswirkungen auf die tägliche Arbeit der Mitarbeiter. Design- und Post-hoc-Konzepte) sowie die Möglich- Eine mangelnde Veränderungsbereitschaft seitens der keit, diese untereinander zu kombinieren, zur Verfü- Mitarbeiter entsteht in den meisten Fällen durch ein man- gung (Waltl, & Vogl, 2018). gelndes Verständnis der anstehenden Herausforderungen für das Unternehmen, was zudem durch Furcht anstehen- Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 82
der Konsequenzen verstärkt wird, sowie durch Entzie- auf die unterschiedlichen Unternehmenseinheiten, wobei hung des Einflusses auf die Arbeitsgestaltung die Steuerung und Verantwortung dort jeweils angesie- (Hagenloch, Müller, & Scherber, 2013). delt ist. Beim hybriden Modell handelt es sich um einen Mix aus der zentralen und der dezentralen Vorgehens- • Organisatorische Aspekte weise: Hierbei übernehmen die Geschäfts- bzw. Funkti- onsbereiche die operative Prozessverantwortung, wäh- Die organisatorische Gestaltung dient einer erfolgreichen rend die zentrale Instanz strategische Themen steuert Skalierung der digitalen Transformation im gesamten (Beuckes & Liesert, 2019). Unternehmen. Die Ziele einer solchen organisatorischen Aufstellung sind einerseits auf den bereits existierenden Erkenntnissen aufzubauen. Andererseits ist die Erfüllung • IT-Aspekte der Unternehmensanforderungen in Bezug auf Sicher- heit, Qualität, Governance und Compliance etc. zu ge- Eine moderne IT-Infrastruktur bildet das Herzstück der währleisten. Ein probates Betriebsmodell stellt das soge- digitalen Transformation, deshalb erweisen sich flexible nanntes Center of Excellence (CoE) dar. Hierdurch wird und innovative IT-Infrastrukturen als notwendig. Als gemeinschaftliches Wissen mithilfe von Best-Practice- Tendenz lässt sich der Ausbau und Betrieb eigener IT- Anleitungen in Kombination mit Schulungen gebündelt, Zentren unter einer zunehmenden Nutzung von Cloud- sowie eine zentral gelenkte Richtung auf übergeordnete Services erkennen, was sich aus einer von Bitkom durch- Ziele und Strategien des Unternehmens eingeschlagen. geführten Befragung ergibt (Bitkom, 2019). Auch die Verwaltung von Softwarelizenzen, sowie das dazugehörige Upgrade-Management gehören in den zu- Die neuen IT-Betriebsmodelle externer IT-Dienstleister gehörigen Verantwortungsbereich. Außerdem fungiert beruhen auf Cloud-Services und bieten im Allgemeinen ein CoE auch als Prüfungs- und Genehmigungsinstanz, drei unterschiedliche Arten an, um Unternehmen bei der sodass eine Einhaltung relevanter Standards und definier- digitalen Transformation zu unterstützen (Lindner, ter Praktiken erfolgt (Ward-Dutton, 2020). Niebler, & Wenzel, 2020): • Infrastructure-as-a-Service: Die grundlegenden Das White Paper von Horváth & Partners zeigt die ein- IT-Ressourcen fallen unter diesen Service, wie bei- zelnen Stufen des Reifegrades zur Bildung eines Auto- spielsweise Speicherplatz, Prozessoren, Betriebssys- mation Center of Excellence auf (vgl. Abb. 3). Hierfür teme oder Netzwerke. starten zunächst erste Pilotprojekte, zumeist in Finanzbe- • Plattform-as-a-Service: Dieser Service stellt dem reichen, was nach erfolgten, erfolgreichen Abschlüssen Nutzer eine Entwicklungsumgebung bereit, zu Automatisierungsprojekten in mehreren Funktionsbe- wodurch sich eigene Anwendungen innerhalb des reichen führt. Für ein weiteres Vorantreiben von Skalie- Unternehmens entwickeln lassen. rungseffekten und Kosteneinsparungen ist die Bildung • Software-as-a-Service (Software): Bei diesem Ser- einer zentralen Instanz im Sinne eines CoE vorgesehen vice stellt der IT-Dienstleister seine eigenen Anwen- (Beuckes & Liesert, 2019). dungen für die Nutzung bereit, welche direkt über das Internet bzw. den Browser erreichbar sind. Es ist keinerlei Aufwand für eine technische Infrastruktur, sowie Installation oder Ausführung von Updates der Anwendung seitens der Nutzer notwendig. Zu den technischen Rahmenbedingungen zählt außerdem auch noch der Umgang mit Programmierschnittstellen (engl. Application Programming Interfaces, APIs). Dies ermöglicht eine Kombination bzw. Integration von ver- schiedenen Technologien und IT-Anwendungssystemen durch den automatisierten Datenaustausch. Die Ma- schine-zu-Maschine-Kommunikation lässt sich z.B. Abbildung 3: Reifegradmodell zum Automation Center of durch den REST (Representational State Transfer-Archi- Excellence [Eigene Darstellung in Anlehnung an (Beuckes & tekturstil) umsetzen, welcher die Kommunikation zweier Liesert, 2019)] Webanwendungen über das World Wide Web ermög- licht. Der REST-Ansatz hat sich in den letzten Jahren aufgrund seiner einfachen Prinzipien durchgesetzt und Eine solche Einbindung erfolgt in zentraler, dezentraler gegenwärtige Entwicklungen von Webservices dadurch oder hybrider Form in eine Organisationstruktur. Das stark verändert (Golubski, 2020). zentrale Modell sieht das CoE als einzige Instanz vor, die eine Steuerung und Verantwortung für die gesamten Au- tomatisierungsprojekte in Zusammenarbeit mit Ge- CHATBOTS schäfts- bzw. Funktionsbereichen übernimmt. Dahinge- gen enthält das dezentrale Modell keine zentrale Instanz, Im Laufe der Zeit entwickelten sich unterschiedliche For- sondern eine Verteilung der Automatisierungsprojekte men von Benutzungsschnittstellen zwischen Menschen Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 83
und Maschinen. Insbesondere die sogenannten Conver- Im ersten Schritt ist die Nutzung von Verfahren zur Ana- sational Interfaces (CI) weisen seit mehreren Jahren eine lyse und Verarbeitung textbasierter Sprache erforderlich: rasche Weiterentwicklung auf. Die Interaktion zwischen (Singh, Ramasubramanian, & Shivam, 2019) Benutzer und IT-System kann generell in geschriebener oder gesprochener Form erfolgen. Dies führt zu einer • Natural Language Processing (NLP): Diese Techno- Differenzierung zwischen Sprachassistenten und Chat- logie führt eine Analyse des Textes im Hinblick auf bots (Stanoevska-Slabeva, 2018). bestimmte Schlüsselwörter durch. • Natural Language Understanding (NLU): Zugehö- rige Algorithmen ermöglichen die Interpretation ei- nes Textes auf Sinn und Kontext. Der Chatbot ist dadurch in der Lage, die Nutzerabsicht in Form eines Freitextes automatisch zu erschließen. Diese Abbildung 4: Conversational Interfaces Fähigkeit erlernt der Chatbot anhand von verschiedenen hinterlegten Intent-Varianten: Für ein Intent (Anliegen) sind unterschiedliche Freitexte, d.h. eine Auswahl an Durch die Ausgestaltung von Benutzungsschnittstellen, möglichen Fragen zu einem bestimmten Anliegen des die sich an einem natürlichsprachlichen Dialog ausrich- Nutzers, hinterlegt. Ein neues Intent muss der Chatbot ten, besteht das Potenzial für eine attraktive und effizi- erst erlernen, bevor er auf dieses reagieren kann. Dies er- ente Art der Kommunikation (Stanoevska-Slabeva, folgt auf der Basis von ML-Algorithmen: Das neue Intent 2018). Der User hat die Möglichkeit, sein Anliegen ge- ist in der Datenbank mit unterschiedlichen Beispielen zu genüber der Maschine direkt zu äußern. Das IT-System hinterlegen. Diese dienen dem ML Programm als Trai- „versteht“ und reagiert auf das gewünschte Anliegen. ningsdatensatz, sodass auch mit Abweichungen im prak- Dem Nutzer wird hierdurch das bei grafischen Benutzer- tischen Einsatz umgegangen werden kann. Im zweiten oberflächen übliche Suchen und Durchklicken erspart Schritt hat der Chatbot auf den Input entsprechend zu re- (Kabel, 2020). Im Sinne der Reziprozität beinhaltet der agieren. Hierzu wird der Output entweder durch explizit Ansatz eine richtungsweisende Veränderung – da bei die- formulierte Regeln (Human Teaching) oder mithilfe von sem Paradigma weniger der Mensch die Interaktion mit ML-Verfahren generiert. (Stanoevska-Slabeva, 2018). der Maschine erlernt, als sich die Maschine an die Inter- aktion mit dem Menschen anpassen muss (Alder, et al., Die dritte Komponente beinhaltet die interne oder ex- 2018). terne Wissensdatenbank des Chatbots. Das Conversati- onal Knowledge stellt dem Chatbot die notwendigen Da- ten bzw. Schnittstellen für eine Antwortgenerierung be- reit. Diese Schnittstellenanbindung dient auch dem An- stoßen von weiteren Prozessen in Drittsystemen (Stanoevska-Slabeva, 2018). Chatbots sind in der Praxis häufig im Kunden- oder Mit- arbeiterservice eingesetzt, mit dem Ziel, sowohl inner- Abbildung 5: Drei-Komponenten-Architektur [Eigene Darstel- halb als auch außerhalb eines Unternehmens einen bes- lung in Anlehnung an (Stucki, D’Onofrio, & Portmann, 2018)] seren Informationsfluss zu gewährleisten. Gegenwärtig legt man den Fokus bei der Entwicklung von Chatbots darauf, dass die generierten Lösungen einen Assistenz- Das Conversational Interface ermöglicht einen textba- Charakter haben: Anhand der Orientierung am zwischen- sierten oder einen sprachbasierten Dialog i.S.v. eingege- menschlichen Dialog liefert der Chatbot dem Nutzer die benen Fragen (Input) und ausgegebenen Antworten (Out- gewünschten Informationen (Informationsbot) und stößt put). Bei dem Einsatz eines Sprachassistenten ist es in auch bestimmte Prozesse an (Transaktionsbot). Zusam- diesem Kontext zum einen zusätzlich nötig, dass der ge- menfassend lässt sich sagen, dass der Chatbot den Nutzer sprochene Input mittels „Speech to Text“ (STT) in Text sowohl bei der Informationsfindung als auch bei der In- konvertiert wird. Zum anderen erweist es sich als erfor- formationsverarbeitung unterstützt. Dadurch lassen sich derlich, den in Textform generierten Output mittels „Text kritische Erfolgsfaktoren wie Zeit und Kosten positiv be- to Speech“ (TTS) in Sprache zu übertragen (Stanoevska- einflussen: Der Chatbot steht 24/7 zur Nutzung bereit, Slabeva, 2018). wodurch sich u.a. telefonische Nachfragen bei Service Centern oder Kollegen eindämmen lassen. Hierdurch Die Komponente Conversational Intelligence charakte- können Ressourcen letztendlich anderweitig eingesetzt risiert das Verarbeitungszentrum. An dieser Stelle lässt bzw. verlagert werden (Stucki, D’Onofrio, & Portmann, sich Input analysieren und Output generieren 2018). (Stanoevska-Slabeva, 2018). Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 84
USE CASE Herausforderung besteht darin, eine digitale Lösung zu entwickeln, welche sowohl den Anforderungen des Con- Nach Mayring gehören auch Einzelfallstudien zu quali- trollings als auch denen der Projektteams gerecht wird. tativen Analysemöglichkeiten. Diese lassen sich in eine Dies soll in der vorgegebenen Zeit von drei Monaten er- offene, deskriptive und interpretative Methodik einord- folgen. Die Grundidee einer digitalen Kontierungshilfe, nen, wodurch man Möglichkeiten und Grenzen der prak- welche die Verantwortlichen in einem geführten Dialog tischen Implementierung aufzeigen kann (Mayring, (Chat) unterstützt, stellt somit den Ausgangspunkt der di- 2015). Ein Use Case dient danach zur Veranschaulichung gitalen Lösung seitens der Anforderung des Controllings einer Thematik anhand der Durchführung eines prakti- dar. schen Fallbeispiels, was eine greifbare und sichtbare Be- trachtung von Prozessautomatisierung ermöglicht. Der 3. Vorgehensweise im Projekt Anwendungsfall befasst sich mit der prozessorientierten Kostenrechnung anhand der Nutzung von Projektstruk- Die Durchführung des Projekts findet im Rahmen eines turplanelementen (PSP-Elementen), welche dem SAP Vorgehensmodells mit Meilensteinen am Ende jeder ERP-PS Projektmodul angehören. Phase statt. Abbildung 7 zeigt die einzelnen Arbeits- schritte der Vorbereitungsphase auf, sowie eine Einord- 1. Einordnung der PSP-Elemente an der LMS nung einzelner Phasen des Automatisierungszyklus nach Gartner: Die Landesmesse Stuttgart GmbH (LMS) nutzt Projekt- strukturpläne (PSP) in ihrem SAP-ERP-System, um ihre verschiedenen Veranstaltungen abzubilden. Die einzel- nen PSP-Elemente geben in diesem Zusammenhang eine Erlös- bzw. Kostenstruktur für einzelne Veranstaltungen vor, welche man je nach Bedarf zusammenstellen kann. Die PSP-Elemente dienen der LMS als Erlös- bzw. Kos- tensammler für die verschiedenen Veranstaltungen. Eine Abbildung 7: Vorgehensweise PSP-Projekt Abrechnung dieser Elemente erfolgt anhand von vorge- gebenen Abrechnungsvorschriften durch das Controlling • Verstehen der PSP-Thematik innerhalb des Project Builders im Project System (PS)- Im ersten Schritt erweist es sich als notwendig, eine Ein- Modul in SAP. Ein PSP-Element an der LMS kann aus führung in die PSP-Thematik zu erhalten, sodass ein bis zu 7 unterschiedlichen Ebenen bestehen, wobei die Grundverständnis und ein Gesamtüberblick resultieren. einzelnen Ebenen in Ziffernblöcken abgebildet werden. Dafür findet einerseits ein Austausch mit dem Control- ling als prozessverantwortliche Organisationseinheit und 2. Beschreibung der Problemstellung andererseits eine Auswertung bzw. Analyse der vorhan- denen Hilfsmittel statt. Eine Kontierung dient der Zuordnung von angefallenen Kosten und Erlösen auf Kontierungsobjekten, hier PSP- • Generieren von Ideen Elemente, in Kostenrechnungssystemen, was ein Kosten- Auch die Mitglieder des Messe-Projektteams, als zuge- management ermöglicht. Hierfür ist eine verursachungs- hörige End-User, werden in den Entwicklungsprozess gerechte Kontierung erforderlich, sodass sich korrekte anhand einer durchgeführten Nutzerbefragung eingebun- Aussagen über z. B. Ressourcenverbrauch oder Kosten- den. Die Auswertung der Nutzerbefragung stellt rele- einflussgrößen treffen lassen (Friedl, 2019). vante Erkenntnisse aus Sicht der End-User für die The- matik des Use Cases (PSP-Elemente), aber auch über die neuartige Mensch-Maschine-Kooperation (Chatbot) fest. • Modellieren der PSP-Projekte Die Ergebnisse der Anforderungsdiagnose werden da- raufhin in einem kommentierten Soll-Modell als gemein- Abbildung 6: Aufbau eines PSP-Elements an der LMS same Kommunikationsgrundlage festgehalten. Die Er- stellung erfolgt in der Geschäftsprozessmodellierungs- Die bisherige Vorgehensweise einer Kontierungsdurch- sprache BPMN 2.0, da diese sich auch als Grundlage für führung an der LMS lässt den Verantwortlichen viele eine spätere Automatisierung eignet. Freiheiten offen, was unter anderem zu Unsicherheiten führt, beispielsweise durch mangelndes Wissen oder • Treffen von Vorbereitungen durch fehlerhafte Interpretation. Eine vom Controlling in Nachdem das Zusammentragen der theoretischen Grund- der Vergangenheit durchgeführte Kostenartenanalyse auf lagen für eine Umsetzung der Kontierungshilfe im Sinne Ebene der einzelnen Kategorien bzw. Unterkategorien einer integrierten Prozessautomatisation mithilfe unter- (PSP-Elemente) zeigte erhebliche Diskrepanzen auf. schiedlicher Methodiken stattgefunden hat, erfolgen die Dieser Anlass hat den Wunsch nach einer geführten digi- notwendigen Vorbereitungen für eine praktische Umset- talen Lösung verstärkt, bei welcher das Controlling einen zung. Hierfür fungiert ein Online-Projektplaner in Micro- größeren Einfluss auf die Kontierung ausüben kann. Die soft Teams, der die erforderlichen Arbeitspakete für die Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 85
jeweiligen Teilprojekte (FAQ, Kontierungshilfe, Neuan- mithilfe einer einzigen Anlaufstelle (Chatbot) verein- lage) enthält, als Basis. Die Darstellung der Teilprojekte facht. Mit dieser Vorgehensweise lassen sich Medienbrü- erfolgt in sogenannten Buckets, was eine separate Be- che verhindern. trachtung des Fortschritts der einzelnen Teilprojekte er- möglicht. Eine Klassifizierung der Arbeitspakete erfolgt Damit gewährleistet der Chatbot eine flexible Kontie- anhand der betroffenen Technologie, wodurch eine ge- rung in einem vorgegebenen Rahmen wie auch dem zielte Abarbeitung in den einzelnen Anwendungen statt- End-User eine Einhaltung der Mindestanforderungen findet. für eine Kontierung seitens des Controllings. 4. Vorstellung der digitalen Lösung Die entwickelte digitale Kontierungshilfe ermöglicht ei- • Workflow-Management-System nerseits eine geführte Unterstützung für den End-User Der Wunsch nach einer Einbeziehung von Projektteam und andererseits eine gewünschte Eingrenzung der Kon- und Controlling in den Prozess wird mit der Wahl eines tierungsoptionen für das Controlling. Workflow-Management-Systems umgesetzt. Mithilfe dieser Technologie ist die Abbildung eines Entschei- dungsmanagements in Form einer menschlichen Geneh- migungsinstanz möglich. Der Workflow sieht in diesem Fall eine zweistufige Genehmigung vor, wobei die erste Instanz die Projektleitung und die zweite Instanz das Controlling einnimmt. Die Prozessverantwortlichen er- halten die notwendigen Daten anhand eines aggregierten Formulars, was den Entscheidungsprozess erleichtert und beschleunigt. Zudem wird die abteilungsübergrei- Abbildung 8: Zusammenarbeit zwischen Mensch und Ma- fende Betreuung der einzelnen Projektteams in Bezug auf schine in der Prozessautomatisierung die Projektstruktur für das Controlling an einem Ort zentralisiert, was ein übersichtlicheres und nachvollzieh- Der Prozess erfordert eine Kooperation zwischen bareres Management seitens des Controllings ermög- Mensch und Maschine, was mit einer Auswahl der nach- licht. Das Controlling kann hierdurch seiner beratenden folgenden Kombination von Low-Code-Anwendungen Aufgabe im Zuge eines effizienten Kostenmanagements gelungen ist. intensiver nachkommen. • Chatbot • Robotic Process Automation (RPA) Als Benutzungsschnittstelle für den End-User bietet sich Für den letzten Schritt im Gesamtprozess eignet sich der in diesem Fall die Wahl einer interaktiven Kommunika- Einsatz eines RPA-Bots. Die RPA-Technologie ermög- tion in Form eines Chatbots an, denn die Zusammenstel- licht eine Automatisierung von sich wiederholenden und lung eines PSP-Elements ist von vielen unterschiedlichen regelbasierten Prozessen und Aufgaben. RPA ist eine Faktoren abhängig. Hierbei erfolgt die Ermittlung einer- vorkonfigurierte Software-Instanz, die Geschäftsregeln seits durch ein festgeschriebenes bzw. vordefiniertes und vordefinierte Aktivitäts-Choreografien verwendet, Rahmenwerk und andererseits durch das eigene Ermes- um ein Ergebnis mithilfe einer autonomen Ausführung sen des Projektteams. Mithilfe dieses Lösungswegs ist von Prozessen, Aktivitäten, Transaktionen und Aufgaben der End-User nicht nur auf sein eigenes Verständnis an- in einem oder mehreren unabhängigen Softwaresystemen gewiesen. Vielmehr kann er in Form eines automatisier- und mithilfe menschlichem Ausnahmemanagement zu ten Dialogs zusammen mit der Maschine Schritt für erzielen (IEEE 2017). Schritt das notwendige PSP-Element für den Sachverhalt bestimmen. RPA verwendet sogenannte Roboter bzw. Bots, um die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Bei den Robotern unter- Die Ergebnisse der Nutzerbefragungen haben zur Ent- scheidet man zwischen „Attended Robots“ (Desktop- scheidung für einen Klick-Chatbots geführt, welcher RPA) und „Unattended Robots“ (sog. RPA-Plattformen): ganzheitlich mit einem geführten Dialog ausgestattet ist. Dies gewährleistet eine zielführende Nutzung des Chat- • „Attended Robots“ repräsentieren (häufig von Mit- bots für die End-User. arbeitern oder dem verantwortlichen RPA-Team) programmierte Neuentwicklungen, die auf einem Des Weiteren ist es wichtig, bei der Einführung einer ausgewählten Computer oder mobilen Gerät lokal neuen Technologie das Risiko von Frustration oder Ab- ausgeführt werden (Langmann und Turi 2020). lehnung so gering wie möglich zu halten. Dies wird durch • „Unattended Robots“ werden i.d.R. durch ein Pro- die Wahl eines Klick-Chatbots gewährleistet, denn hier- jektteam entwickelt und zentral über virtuelle Ma- durch ist die Gestaltung eines intuitiv geführten Dialogs schinen verwaltet (Langmann und Turi 2020; anhand von Buttons und gezielten Eingabefeldern mög- Smeets et al. 2019; Koch und Fedtke 2020). lich. Der Gesamtprozess wird speziell für den End-User Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 86
Die Ausführung einer Anlage des PSP-Elements in SAP • Digitalisierung und Automatisierung bewirken eine basiert immer auf derselben Vorgehensweise, was eine Standardisierung von Abläufen, wodurch eine automatisierte Bearbeitung durch digitale Software-Ro- systematische Bearbeitung in der festgelegten Rei- boter ermöglicht. Eine Schnittstelle zu SAP ist bei der henfolge erfolgt. Dadurch lassen sich Fehlerquellen Wahl dieser Technologie nicht erforderlich, da ein RPA- reduzieren und Effizienzgewinne realisieren. Bot die Arbeitsschritte eines Menschen nachahmt. Der • Das Monitoring von Prozessen wird vereinfacht, da RPA-Bot arbeitet auf der Ebene der grafischen Benut- die Prozesse transparenter sind und allen Beteiligten zungsoberfläche. Für den vorliegenden Anwendungsfall die relevanten Informationen zur Verfügung stehen. ist eine Vollautomatisierung ohne menschliche Interak- • Die digitale Transformation ist mithilfe eines Zu- tion vorgesehen, deshalb ist die Entscheidung auf einen sammenspiels aus verschiedenen Technologien, unattended Robot gefallen. Der Trigger für den Prozess- Werkzeugen und Methodiken möglich. Hierbei ist es start des RPA-Bots ist innerhalb des Workflows festge- wichtig, eigenes Know-how aufzubauen und Schritt legt. Sobald eine Genehmigung des Controllings vorliegt, für Schritt Veränderungen in der Organisation aus- reiht sich der entwickelte RPA-Bot in die Queue im Or- zulösen. Entsprechend lässt sich die Entwicklung ei- chestrator ein, der im Folgenden den Auftrag an den un- ner neuen Denkweise im gesamten Unternehmen ge- attended Robot weitergibt. Eine Abarbeitung der einge- währleisten. reihten Aufgabenausführung erfolgt, sobald beim Robot freie Kapazitäten vorliegen. Nachdem der RPA-Bot die Ausführung in SAP durchgeführt hat, erhält der End- Herausforderungen: User eine E-Mail über die erfolgreiche Anlage des PSP- Elements. • Low-Code-Anwendungen kommen schnell an ihre Grenzen, sodass oftmals, besonders bei komplexeren Thematiken, ein Coding-Einsatz erforderlich ist. Je- 5. Erkenntnisgewinn doch ermöglichen viele Low-Code-Anwendungen Der Use Case hat sowohl einen ersten Einblick in Chan- eine einfache Integration. cenpotenziale und Herausforderungen einer praktischen • Der alleinige Einsatz von Technologie ermöglicht Umsetzung von Prozessautomatisierung gegeben, als keine digitale Transformation. Vielmehr ist diese auch die Veranschaulichung anhand eines Beispiels er- durch innovative Ideen auszugestalten, wobei sich möglicht. Die nachfolgenden aufgezählten Aspekte stam- eine intensive Auseinandersetzung mit Prozessen men aus den Erfahrungen des hier vorgestellten Use und Menschen als notwendige Bedingung erweist. Cases und zeigen somit nur einen speziellen Ausschnitt • Eine regelmäßige Kommunikation über den Fort- der übergreifenden Prozessautomatisierungsthematik. schritt der geplanten und eingesetzten Technologien ist erforderlich, sodass Menschen ein passendes Ver- Möglichkeiten: ständnis und Akzeptanz für die kommende digitale Transformation entwickeln. • Low-Code-Anwendungen gestatten eine schnelle • Den Pflege- und Wartungsaufwand darf man bei und unkomplizierte Umsetzung, wobei auch mit we- der Kombination von IT-Technologien nicht unter- nig IT-Background durch sog. Citizen Developer schätzen, um eine hinreichende Stabilität der Ge- eine schnelle Einarbeitung in diese Anwendungen schäftsprozesse zu gewährleisten. möglich ist. • Es sind geeignete Architekturmaßnahmen hinsicht- • Mithilfe der Auswahl von unterschiedlichen Tech- lich einer flexiblen Integration von neuen Technolo- nologien lässt sich eine Automatisierung von End- gien in die bestehende IT-Infrastruktur zu treffen. to-End-Geschäftsprozessen umsetzen und mit KI- • Den Potentialen der Technologien scheinen na- bzw. ML-Anreicherung ist die Abbildung von kom- hezu keine Grenzen gesetzt zu sein. Es gilt jedoch, plexeren Prozessen denkbar. die Technologien kritisch zu beleuchten. Nur so las- • Die Integration eines Chatbots bietet eine neue Form sen sich eine adäquate Umsetzung und sinnvoller der Mensch-Maschine-Kooperation, wodurch di- Einsatz aus Unternehmenssicht erzielen. gitale unterstützende Funktionen im Arbeitsalltag re- alisierbar sind. Dies führt zu effizienteren Geschäfts- prozessen und ermöglicht eine bessere Einbindung DISKUSSION UND FAZIT der End-User in den digitalen Wandel. Außerdem Eine breitere Darlegung von Prozessautomatisierung ist lassen sich durch einen Chatbot Routine-Konversa- mit den zur Verfügung stehenden Quellen erfolgt, die tionen (teil)automatisieren, welche häufig in einem sich primär als praxisorientiert und weniger fundiert im Unternehmen anzutreffen sind, da für viele Prozesse Sinne einer wissenschaftlicher Forschungsarbeit erwei- bestimmte Informationen vorab vorliegen müssen. sen. Die dadurch gewonnenen Informationen liefern je- Ferner gestattet es die Kooperation, dass End-User doch interessante und relevante Erkenntnisse. Der Haupt- nur mit einem IT-Anwendungssystem konfrontiert fokus dieser Arbeit besteht in der Erarbeitung eigener Er- werden, im vorliegenden Fall mit „MS Teams“. Dies kenntnisse und Erfahrungen über den Forschungsgegen- führt dazu, dass die Komplexität und die Anzahl an stand, um eine objektive Ausarbeitung zu ermöglichen. genutzten Systemen signifikant abnehmen. Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 87
Mit der Durchführung eines Use Cases haben sich einer- LITERATUR seits weiterführende Informationen über die technologi- sche Thematik und andererseits relevante Auffassungen Alder, C., Asani, B., Barmettler, G., Blumenthal, P., der letztendlich betroffenen Mitarbeiter ergeben. Der hier Brügger, D., Burgunder, M., . . . Müller, K. P. wiedergegebene Use Case liefert allerdings kein Gesamt- (2018). Studie über Einsatzpotentiale und bild über die Thematik, sondern zeigt lediglich eine mög- Beispiele für Conversational Interfaces. liche praktische Umsetzung, um mit integrierter Prozess- Forschungs-, Praxis- und Venture Projekt im automatisierung in einem Unternehmen zu beginnen. Er Bereich «Digitale Kommunikation und beruht nicht – wie von Gartner durch den Hyperautoma- Geschäftsmodelle», Universität St. Gallen, tion-Begriff propagiert - auf KI-Algorithmen, sondern Institut Für Medien- und auf regelbasierten Logiken und einer Kombination aus Kommunikationsmanagement. unterschiedlichen Low-Code-Anwendungen. Die Durch- Allweyer, T. (2020). Prozessmanagement für die führung des Use Cases hat jedoch in einem hohen Aus- Digitale Transformation. Untersuchung maß zur Beantwortung der Forschungsfragen in Bezug aktueller Ansätze des auf eine ganzheitliche Prozessautomatisierung beigetra- Geschäftsprozessmanagements als Enabler für gen. Außerdem zeigt der Anwendungsfall eine Möglich- die digitale Unternehmenstransformation. keit für zukünftige Mensch-Maschine-Kooperationen Forschungsbericht, Hochschule Kaiserslautern, auf. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich jedoch Fachbereich Informatik und nicht uneingeschränkt auf andere Unternehmen übertra- Mikrosystemtechnik. gen. Vielmehr sollten sie im Hinblick auf eine zugehö- Bendiek, A., Bossong, R., Schulze, M. (2017). Die rige Eignung kritisch analysiert und hinterfragt werden. erneute Strategie der EU zur Cybersicherheit, Es ist dennoch möglich, verallgemeinerbare Aussagen in: SWP-Aktuell 72, 1-8. über die Prozessautomatisierung in Form einer Mensch- Beuckes, T., & Liesert, H. (2019). Beyond RPA: Maschine-Kooperation zu treffen. Mit diesem Use Case Intelligente Prozessautomatisierung. Auf dem lassen sich hierfür erste Erfahrungen durch eine Anwen- Weg zum großflächigen Einsatz. Horváth & dung im Unternehmen sammeln: Es erweist sich zum ei- Partners. nen als wichtig, das Technologie-Know-How unterneh- Bitkom. (2019). Cloud-Monitor 2019. Eine Studie von mensintern aufzubauen. Zum anderen ist es erforderlich, Bitkom Research im Auftrag von KPMG die Reaktionen der betroffenen Mitarbeiter wahrzuneh- Pressekonferenz. Retrieved from men und diese Stakeholder konstruktiv einzubinden. https://www.bitkom.org/sites/default/files/2019 - Erfolgreiche Prozessautomatisierung im Unternehmen 06/bitkom_kpmg_pk_charts_cloud_monitor_1 bedingt einen ganzheitlichen Rahmen für die digitale 8_06_2019.pdf Transformation. Es handelt sich dabei jedoch um eine Cornelius, K. (2020). "Künstliche Intelligenz", Entwicklung, die Schritt für Schritt in Zusammenarbeit Compliance und sanktionsrechtliche mit unterschiedlichen Technologien und Menschen er- Verantwortlichkeit. Zeitschrift für zielt werden muss. Der technologische Faktor wird sich Internationale Strafrechtsdogmatik, 51-64. in naher Zukunft rasant weiterentwickeln. Hierbei ist ins- etventure. (2019). Studie Digitale Transformation. Die besondere Rücksicht auf die Betroffenen zu nehmen, so- Zukunftsfähigkeit der deutschen Unternehmen. dass diese sich gemeinsam mit der Technologie weiter- Retrieved Dezember 10, 2020, from entwickeln können. www.etventure.com/studie2019 Friedl, B. (2019). Praxishandbuch Kostenmanagement. München: UVK Verlag. AUSBLICK Gartner. (2019). Smarter with Gartner. Gartner Top 10 Für die Thematik der integrierten Prozessautomatisie- Strategic Technology Trends for 2020. rung sowie dem jungen Terminus Hyperautomatisierung Retrieved September 21, 2020, from ergeben sich weitere Forschungsbedarfe unter dem As- https://www.gartner.com/smarterwithgartner/g pekt der KI bzw. des ML. Dabei geht es insbesondere um artner-top-10-strategic-technology-trends-for- die Entwicklung von Unternehmen in Richtung einer da- 2020 tengetriebenen Organisation. Die zugehörige Notwen- Ginner, M. (2020). Automatisch aus der Krise. digkeit zeigt sich u.a. in Form einer durchgeführten Stu- Hyperautomation. Retrieved Oktober 12, 2020, die von etventure zum Thema digitale Transformation. from Diese nimmt Bezug auf aktuelle Technologien bzw. digi- https://home.kpmg/at/de/home/insights/2020/0 tale Entwicklungen. Laut Aussage der Autoren werden 7/dimensionen-schwerpunkt-it-ist-alles- Big Data / Smart Data, Plattformökonomie und KI in Zu- automatisch-aus-der-krise.html kunft den größten Einfluss auf die Ausgestaltung von Ge- Golubski, W. (2020). Entwicklung verteilter schäftsmodellen in Unternehmen haben (etventure, Anwendungen. Mit Spring Boot & Co. 2019). Wiesbaden: Springer Vieweg. Anwendungen und Konzepte der Wirtschaftsinformatik (ISSN: 2296-4592) http://akwi.hswlu.ch Nr. 13 (2021) Seite 88
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