Werbegeschenke - oder Wunscherfüllung? - Erinnerungsmarker Doch wer wirtschaftet, verschenkt nichts - Erinnerungsmarker oder ...
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Fachaufsatz zum Vortrag ! ! TREND 2004 in Düsseldorf ! ! Werbegeschenke - Erinnerungsmarker oder Wunscherfüllung? Doch wer wirtschaftet, verschenkt nichts ! ... ? Dipl.rer.com. Helga Burgstahler Kommunikationswissenschaftlerin und Ökonomin www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Sehr geehrte Damen und Herren! Ihr Geschäft ist es, sich jeden Tag - in allen Nuancen – mit den Vor- und Nach- teilen des „Werbeartikels“ im Werbemarkt bzw. als ein Werbemittel im integrier- ten Kommunikationskonzept zu befassen. Darüber zu sprechen wäre „Eulen nach Athen“ tragen. Andererseits ist das Werben mit Gegenständen en vogue, aber nicht nur als imagefördernde Werbeartikel, sondern überall werden Ge- schenke und Prämien versprochen. Als Ökonom schwöre ich, dass die Wirtschaft nichts zu verschenken hat! Aus Sicht der Unternehmenskommunikation frage ich nach der Wirkung von Kom- munikationsmitteln beim Empfänger. Kann ich damit die Aufmerksamkeit errei- chen und ihn zum für mich relevanten Tun aktivieren? Vielleicht hat Sie der Untertitel Wer wirtschaftet, verschenkt nichts stutzig ge- macht – Sie bejahen das oder Sie sind skeptisch. Das Fragezeichen signalisiert Aufklärung. Eingeteilt habe ich meinen Vortrag in drei Segmente: • Der Einstieg weist auf die aktuelle „Schenk-Hysterie“ im Marketing hin. • Zweitens geht es um Selbst- und Fremdbilder. Welche Ausdruckselemente muss ich einsetzen im Impression Management, um einen günstigen Ein- druck beim Empfänger zu erreichen? Dieser wird überwiegend durch menta- le Schemata gesteuert. Unerlässlich ist dabei das Denken in Ursprüngen, um ein Thema in seiner heutigen Ausprägung zu verstehen. Für die Werbeartikel-Branche und für die werbenden Unternehmen ist es wichtig zu ergründen, welche traditionellen und kulturellen Bezugssysteme unser Denken und Handel sowie unsere ö- konomischen Rollen steuern. • Diese Erkenntnisse öffnen drittens den Blick für Kreativitätsreserven und stimulieren zum Nachdenken. Es geht um zwischenmenschliche Beziehun- gen im Business, um Maßnahmen zur Gewinnung von Loyalität und Vertrau- en. Ein Feld für Impression Management. 1. Halb geschenkt – gratis für Sie! Diese Collage ist aus Schnipseln von Werbepost und Zeitungsanzeigen zusam- mengestellt. Jeden Tag gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, dass die Her- steller und Händler mehr zu verschenken haben als zu verkaufen. Durch die Liberalisierung der Wettbewerbsgesetze gibt es Zugaben, Rabatte, Preisverlosung, Gratisproben, Gutscheine, Prämien und Geschenke im Überfluss. Da frage ich mich: ___________________________________________________________________________ 2 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ • Hebt diese neue Marktpolitik das „Schenktabu“ in der Ökonomie auf? • Stehen Eigennutz und Profitdenken als proklamierte Motive des Wirtschaf- tens jetzt im Schatten? • Ist die brüske Vorhaltung - wer wirtschaftet, verschenkt nichts – verstummt? Seither lag das Primat des Schenkens bei der Familie und im Freundeskreis. Ohne Eigennutz-Denken sollen sich alle zum gegenseitigen Wohlwollen ver- pflichten. Der Kode im Privaten heißt Gemeinnutz. In der freien Marktwirt- schaft, im Kapitalismus, wäre das persönliche Mitgefühl mit den Konsumenten ein ökonomischer Hemmschuh. Der Kode im Wirtschaftssystem heißt Geld. Darum geht es in der Verkaufsförderung. Wert-Versprechen werden chaotisch gemischt, ohne auf die rechtliche Abgrenzung zu achten: • Zugaben sind an den Verkauf gekoppelt, • Werbegeschenke/Werbeartikel werden ohne Kaufbedingungen abgegeben, in der Hoffnung auf Goodwill und spätere Kundschaft – eine Investition voller Unsicherheit. • Warenproben fördern den Qualitätsvergleich im Leistungswettbewerb. Schwierig ist es, bei Kaufentscheidungen die weiteren Gratis-Serviceleistungen wie Busfahrt, Kindergarten, Parken, Hör- und Sehtest mitzubedenken. Einfacher wäre es für die Unternehmen, sich nur auf die Preispolitik zu fokussieren. Preis- senkungen sind eindeutige Signale. Wer in der Werbung „Geschenke“ anpreist, schafft Mehrdeutigkeit – bewusst o- der ohne Nachzudenken. Denn Menschen verbinden mit diesem Alltagswort ganz individuell ein Meer von Gefühlen und Assoziationen – positive und nega- tive. Im Begriff „Schenken“ werden die sozialen Beziehungen, das verpflichtende Geben und Nehmen, mitgedacht. Es sind mindestens zwei Partner im Spiel. Das Geben und Nehmen ist Teil unserer Sozialerziehung, wobei der Schenkakt ein spezielles, symbolisches Subsystem ist, eingefügt in den Gesellschaftsrah- men. Und jeder kennt dessen wichtige Bedeutung im kulturellen Gewebe, denn Geschenke sind Symbole und Zeichen. Sie signalisieren Zuneigung, Vertrauen, Ehrung, Wertschätzung oder Etikette und Manieren. Unternehmen möchten sehr gerne die Wertschätzung ihrer Kundschaft errei- chen. Doch die Erwartungen an gegenseitiger Wertschätzung im Wirtschaftsle- ben sind viel geringer und weniger emotional im Vergleich zum familiären Ge- ben und Nehmen. Denn Anbieter und Nachfrager wissen um die Zweckorientie- rung des Geschäftsverkehrs und wissen um die Beeinflussungsversuche über Werbung und Public Relations! ___________________________________________________________________________ 3 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Bei einer früheren Umfrage gaben über 90 % der Unternehmen an, dass sie aus Imagegründen und zur Verkaufsförderung „Werbegeschenke“ einsetzen. Das ist keine ungewöhnliche Quote, denn Weihnachten und Neujahr waren bereits im 18. Jahrhundert bevorzugte Anlässe für Bäcker und Metzger, ihre Kunden mit kleinen Gaben zu verwöhnen. Sie wollten den Glanz der bürgerlichen Schenk- kultur für ihre Beziehungspflege nutzen. Denn Kundenzufriedenheit resultiert nicht nur aus dem sachlich-rationalen Tauschvertrag, sondern Vertrauen formt sich auf der menschlich-persönlichen Ebene. Über 50 % der Anzeigenwerbung versucht deshalb mit emotionalen Schlüsselreizen diese Ebene zu stimulieren. Wenn die Verkäufer ihre Verteidigungsschlacht um Kunden zu sehr auf Preispo- litik und unentgeltliche Gaben im Marketing-Mix ausrichten, dann nehmen die Verbraucher dies sicherlich mit ambivalenten Schlussfolgerungen auf: • Waren die Preise vorher überhöht? • Sind diese Wert-Reize jetzt der Normalfall? • Ist es ein fröhliches Ritual mit der Gratis-Banane beim Bananen-Joe auf dem Volksfest? Begriff Werbung taucht nicht auf! Es fällt auf, dass bei der Ansprache von Kon- sumenten weder in Werbebriefen noch in Anzeigen und Spots die Begriffe „Wer- be-Geschenk oder Werbeartikel“ auftauchen. Vielleicht ist es die Angst davor, die profane Assoziation „Kuli und Kalender“ hervorzurufen? Bevorzugt wird im Moment der Alltagsbegriff „Geschenk“. Vielleicht um damit das Bild von Luxus zu beschwören und so einen Neiddruck aufzubauen – bei den Konsumenten und bei den Wettbewerbern? Zugleich impliziert das Wort den Di- alog der Partner, da Geschenke nach Sitte und Brauch eine Gegengabe auslösen. Erwähnen muss man, dass Geschenke bzw. Werbeartikel nicht immer ein Quell hoffnungsvoller Investition ist. Es bestehen Gefahren: • Empfänger sind misstrauisch und sehen darin eine milde Form der Best- echung oder unerwünschte moralische Verpflichtung. • Die Kunden gewöhnen sich an die Gaben und fordern sie geradezu. • Der Wettbewerber versucht zu übertrumpfen. Was ein Kunde wirklich WERT ist, zeigt erst die Summe der Erfahrungen in Markttransaktionen und der Grad der Kundenzufriedenheit. Mit Marketing und Public Relations Maßnahmen versuchen deshalb Unternehmen ihre Ziel- und Anspruchsgruppen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Darauf reagiert das Publi- kum zuweilen recht eigensinnig und sogar launisch. Es interpretiert die Bot- schaften individuell und „schenkt“ nur wenigen Botschaften die Aufmerksam- keit. ___________________________________________________________________________ 4 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 2. Impression Management Impression Management ist eine Strategie der Inszenierung und Beeinflussung, die auf Bekanntheit, Reputation und Profil abzielt. Das Selbstbild soll sich mög- lichst im Fremdbild spiegeln. Ändert sich die Marketingstrategie - wie jetzt mit dem riesigen Aufgebot an Wertreklame -, dann bewirkt dies gerade in den emo- tionalen Bezügen ein Perspektivenwechsel. Woher stammt der Begriff Impression? Einen entscheidenden Perspektiven- wechsel gab es im 19. Jahrhundert in der Malerei: Kathedrale von Rouen. Claude Monet (1840 – 1926) malte Licht und Atmosphäre. Die optische Szenerie ändert sich unablässig über den Tag. Im Jahre 1874 hatte er erstmals sein Bild mit dem Titel „Impression, soleil levant“ ausgestellt. Sinn- bild der Impressionisten ist die ewig im Fluss befindliche Natur. Die wahrgenom- mene Wirklichkeit wird in eine Abfolge einzelner Momente zerlegt. Das Image bildet sich aus der Summe der Eindrücke, welche der Verbraucher o- der Geschäftspartner vom Unternehmen hat. Deshalb ist eine ganzheitliche Un- ternehmenskommunikation angesagt. Die Informationsverarbeitung wird vor- herrschend durch gespeicherte Schemata gesteuert. Das sind komplexe Wis- senseinheiten. Sie entlasten unsere Hirntätigkeit und erstellen ein subjektives Bild vom Unternehmen. Solche Images lenken unsere Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung und letztlich die Kaufentscheidung. Der Interessent oder Partner selektiert, interpretiert und bewertet den Auftritt des Unternehmens am Markt und in der Öffentlichkeit. Maßstab sind die eigenen Erwartungen und Erfahrun- gen, gegossen in mehr oder weniger festen Einstellungen und Meinungen, nur teilweise sichtbar im Verhalten. Als Schemata stehen ganze Klassen von Ereignissen, Objekten Handlungen zur Verfügung. So ein Ereignisschemata ist wie ein Drehbuch. Wir haben sog. Sozial- bilder, d.h. Erwartungen von Verhalten, Rollenbilder, Abläufe, Rituale und Bot- schaften im Kopf im Zusammenhang mit Ereignissen wie Schulanfang, Hochzeit, Friseurbesuch, Olympische Spiele, Geschäftseröffnung oder Preisverleihung. Von Kin- desbeinen an prägt sich uns das mannigfaltige Erlebnisschema „Schenkkultur“ ein. 2.1 Denken in Ursprüngen: Wertreklame bzw. Werbeartikel zwischen Marketing und Recht Der Begriff Wertreklame ist hundert Jahre alt. Seither gibt es immer wieder hef- tige Diskussion in Politik, Recht und Wirtschaft wegen oftmals wettbewerbs- hemmenden Auswüchsen bei der gegenständlichen Werbung. Es gibt in der christlichen Moral den Scheideweg: Entweder sein Kreuz zu tragen ohne Murren oder die Welt der Gegenstände zu bevorzugen. Dabei verkörpern Gegenstände in der Moralvorstellung die sinnliche Lust und Macht und pflastern den Weg zum hölli- schen Flammenpfuhl. ___________________________________________________________________________ 5 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Schwarz-Weiß-Konflikte dieser Art scheinen häufig beim strittigen Thema „Schenken in der Wirtschaft“ bzw. bei der Übergabe von imagefördernden Wer- beartikeln aufzutreten. Das gilt für den Bereich Gesetz und Recht. Das gilt für die Kulturgeschichte des Schenkens. Wir denken selten darüber nach, dass in unse- rer modernen, rationalen Zeit viele Rituale aus archaischen Zeiten stammen: Gastgeschenke bei Geschäftseröffnungen, Opferkerzen, Werfen von Bonbons und Konfet- ti, Holzklopfen zur Neidvermeidung der Götter, Ringschmuck oder Firmensticker als An- gebinde und das Küssen der Olympia-Medaillen - als ob dieses Stückchen Metall göttliche Macht besitze. • Ist der Untertitel „Wer wirtschaftet, verschenkt nichts“ ein ökonomisches Dogma? Der Leitsatz Ein Kaufmann hat nichts zu verschenken wurde in der Weltwirtschafts- krise der Jahre 1929 - 1930 formuliert. Alles brach zusammen, die New Yorker Börse, das ungesunde amerikanische Kreditgebäude, das internationale Zah- lungssystem und damit auch die Wirtschaften in Europa. Kein Wunder, dass die Händler sagten: Wir haben selber nichts, folglich haben wir erst rechts nichts zu ver- schenken. Das Reichsgericht sah in der Wertreklame sachfremde Lockmittel. Was in den 1930er Jahren gerechtfertigt schien, kann in unserer Überflussgesell- schaft, die uns gesättigte Märkte beschert, nicht mehr gelten. Die Anbieter müs- sen sich heute weniger auf die Bedürfnisse konzentrieren, sondern mehr auf die Wünsche der Konsumenten. Das sind aber gefühlsbelastete Fiktionen, die mit rationaler Werbung schwer zu erreichen sind. Wenn also Gegenstände „sinnliche Lust und Macht“ verströmen, wer will es den Unternehmen verdenken, dass sie diese als Anreiz zur Schaffung von Aufmerksamkeit und freundlicher Stimmung einsetzen. ___________________________________________________________________________ 6 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ • Gesetze zu „Werben“ und „Schenken“ Der Staat steuert über die Wirtschaftspolitik und Rechtsprechung die Harmonie im Wirtschafts-Wettbewerb. Werden die nachfolgenden vier Gesetze im Gesamt- zusammenhang gesehen, offenbaren sich Überkreuzungen. Gabenökonomie - übertragen auf die Sphären Politik und Ökonomie - hat oft den Geruch der Affä- re, der Bestechung und Korruption. Nicht umsonst erneuerte die Bundesbank ihren Verhaltenskodex und die Pharmaindustrie übt freiwillige Selbstkontrolle. 1. Strafgesetzbuch Das Strafgesetz weist in den §§ 331 ff. auf die strafrechtliche Relevanz hin bei der Annahme von Geschenken oder anderen unentgeltlichen Zuwendungen für Beamte und im Treueverhältnis stehende Personen. Es geht um die Büro- kratieprinzipien: Nachvollzug der Vorgänge, Überprüfbarkeit des Verwaltungs- handelns und Gleichbehandlung der Bürger. 2. Steuerrecht § 4 Abs. 5 Ziff. 1 Einkommensteuergesetz Das ist wohlbekannt hier im Raum wegen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von betrieblich veranlassten Aufwendungen für Kunden-Geschenke und Wer- beartikel. Bisher fehlt eine Eindeutigkeit bei der Begriffsbestimmung und der Anerkennung als normales Werbemittel im Reigen der Kommunikationsmaß- nahmen einer Organisation. 3. Wettbewerbsrecht steht als Leitidee Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von 1909 setzt Schran- ken zur Erhaltung der „guten Sitten“. Die Generalklausel § 1 ist der große Wegzeiger in unserer Rechtsprechung: Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Eine sehr of- fene Formulierung. Damit wurden die Auswüchse des ruinösen Wettbewerbs eingedämmt und die Formierung von Kartellen erschwert. Im Jahre 1957 kam dann noch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB - Kartellver- bot) hinzu. 4. BGB Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 Auf einer anderen Denkebene ist das BGB angesiedelt und stiftet oftmals Ver- wirrung in Sachen „Werbemittel“. Im §§ 516 ff. wird die Schenkung behandelt als besonderes Schuldverhältnis mit einer Vermögensminderung und Vermö- gensbereicherung. Die Zuwendung erfolgt unentgeltlich. Weder der Dank des Beschenkten, noch die Gesinnung des Schenkers ist wesentlich für den Rechtsakt. Der Widerruf der Schenkung kann nur durch Nachweis einer schweren Verfehlung gegen den Schenker erfolgen. Dieses Gesetz hat die Basis im Römischen Recht. Dort waren Personen und Sachen noch verbunden. Eine Gabe zwischen Geber und Nehmer wurde als Seelenbindung verstanden. ___________________________________________________________________________ 7 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ • Richterrecht im Wettbewerb Im Wirtschaftsleben haben Gerichtsurteile nicht nur einen weitreichenden Ein- fluss auf Geschäftspraktiken, sonder auch auf das Denken und Handeln in Poli- tik und Behörden. Hinzu kommt, dass Rechtsprechung konservativ ist, obgleich seit 1900 die Einstellung sich an die politischen Systeme und wirtschaftspoliti- schen Leitmotive anpasste. Ab 1900 standen trotz der Auswüchse durch den Wirtschaftsliberalismus die Richter der Wertreklame positiv gegenüber und urteilten nach dem UWG. Sie legten den Grundstock für die Argumente der Sittlichkeit. Nicht die Geschenke waren sit- tenwidrig, sondern die Umstände der Vergabe: Beweggrund, Zweck und Inhalt der unentgeltliche Zuwendung. Ab 1930 Die schlechte Erfahrung mit der Weltwirtschaftskrise veränderte die Perspektive auf die Wettbewerbsmärkte. Die Zugabenverordnung und das Rabattgesetz wur- den damals erlassen, was zugleich zu einer Verwässerung der Begriffe Wertre- klame, Zugabe und Werbegeschenk führte: Alles wurde „über einen Kamm ge- schert“ und Differenzierungen unterlassen. Statt dem individuellen Wettbe- werbsfall wurde jetzt eine sozial-rechtliche Betrachtungsweise favorisiert. Die Belange der Allgemeinheit, der Volkswirtschaft, waren sehr wichtig. Der auf- kommende Wirtschaftsdirigismus im Dritten Reich führte zur starren Doktrin des Reichsgerichtes. Nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1945 orientierten sich die Richter weiterhin an der Rechtsprechung des Reichsgerich- tes. Zwar war die Sittenwidrigkeit eines Geschenkes wieder aufgehoben, aber die Umstände wurden gemessen an folgenden Argumenten: Psychologischer Kauf- zwang, anreißerische Werbung, übertriebenes Anlocken, Gewöhnung und Marktbehinde- rung, Nachahmungsgefahr. Ab 1965 wurde trotz der aufkommenden liberalen Auffassung bei „unentgeltlichen Ver- günstigungen“ am traditionellen Sittenkatalog festgehalten. Im 21. Jahrhundert gelten einige Argumente nicht mehr als zeitgemäß. Die Rechtsprechung bestätigt endlich, dass Wettbewerb und Leistungsanreize sys- tembedingte Elemente einer marktwirtschaftlichen Ordnung sind. Der Wandel in der Kommunikationsbranche ist zu offensichtlich. Trotzdem bleibt immer Unsi- cherheit, ob Richter die eigene Wahrnehmung in Urteile einfließen lassen und wo die Rechtsprechung Grenzen für „unlautere Werbung“ sieht. ___________________________________________________________________________ 8 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 2.2 Denken in Ursprüngen: Erlebnisschema „Schenkkultur“ In jeder Generation passen sich die Schemata an den gesellschaftlichen Wandel an. Doch wir haben das Schenken in den Genen – seit Eva ihrem Adam den Apfel reichte. Die wohlgemeinte Gabe geriet zur schlimmen Gabe für die Menschheit – mit der Folge der Vertreibung aus dem Paradies. Alle Kulturen praktizieren Geben – Nehmen - Erwidern. - DO UT DES ist ein archaischer Rechtsgrundsatz, durch den der Gabenkreis- lauf moralisch legitimiert wird: Ich gebe, damit du gibst. Eine Rechtsformel für gegenseitige Verträge und Grundsatz sozialen Verhaltens. - MANUS MANUM LAVAT meint, eine Hand wäscht die andere. So war das Denken z.B. der Römer gegenüber ihren Göttern - für das Opfer wird eine Gegengabe der Götter erwartet. - § 320 BGB Leistung und Gegenleistung oder Zug um Zug Die Gegenseitigkeit/Reziprozität fördert langfristige Beziehungen. Oftmals schwanken wir zwischen Pflicht und Neigung. Möglich sind Vergleiche des Schenkverhaltens und der Beziehungsgestaltung – im Hinblick auf fremde Kulturen oder in Unternehmen, wenn ich die Merkmale des Schenk-Schemas auf Gemeinsamkeiten oder Differenzen abkläre. Wir kön- nen dieses Schema uminterpretieren in Werbekonzepte, ihm eine neue Form geben und nur Teile der Strukturen und Regeln nutzen. Informationen in Form solcher traditionellen Schemata bleiben länger im Gedächtnis. Doch ohne Kenntnis des ganzen Bezugssystems bleiben blinde Flecken. • Erlebnis-Schema „Schenkkultur“ 1. Episode Vor dem Schenken – Der Geber ist gefordert Geschenke sind Präsentationen des Selbst- und Fremdbildes. Die Auswahl wirft ein zweideutiges Licht auf Schenker und Beschenkten, da spezielle Charakter- merkmale sich im Geschenk öffentlich machen. Der Status steuert die sozialen Beziehungen – hin zu Abhängigkeit oder Überlegenheit. Natürliche und kulturelle Anlässe gibt es genug: Lebenszyklus und persönliche Festtage der Menschen, spezielle Ereignisse und wiederkehrende Festtage, spon- tane Gesten. Geschenke markieren Zäsuren, betonen Feste und Zeremonien. Diese Aufrechterhaltungsriten sind unerlässlich für unser Leben, unsere Gesell- schaft. ___________________________________________________________________________ 9 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Geschenke auszuwählen erfordert Energie und Ressourcen. Schenkte der Schäfer ein Lamm, war der symbolische Wert der Geste ein- deutig : Er brachte es nicht zum Markt. Heute könnte man sich alles selbst kaufen. Durch die Auswahl zeigt sich die so- ziale Komponente. Die Gabe mutiert zum Bedeutungsträger, in dem sich die In- tensität der persönlichen Beziehung spiegelt. Die Personalisierung der Ware er- folgt symbolisch durch Verpackung, Bänder, Etiketten. Es lässt Kleines größer, Belangloses bedeutsamer erscheinen, signalisiert Aufwand, Opfer und lenkt alle Aufmerksamkeit auf das Geschenk. 2. Episode Übergabe des Geschenks Wichtig ist der richtige Zeitpunkt. Dann sind bei der Übergabe spezielle Rituale in Wort und Gestik bei Geber und Nehmer angesagt, eine feierliche Atmosphäre. Gemeinsames Erleben bekräftigt die Bindung. Unter dem Blick der anwesenden Personen wird ein Schenkakt zum öffentlichen Ereignis. Ehre will offene Bekundung. 3. Episode Nach dem Schenken – Der Nehmer Seit der Antike wird über die Pflicht zum Dank philosophiert. Dankbarkeit ge- hört zur sozialen Wertschätzung, zur Etikette. Eine Pflicht zur Gegengabe besteht nur informell. Es ist ein wirksamer Mechanismus zur Beziehungssteuerung. Eine Unterlassung zieht sicherlich eine soziale Missachtung nach sich. • Etymologie – Wandel der Wortbedeutungen Hinter Begriffen stehen immer Konzepte, die sich über Jahrhunderte in ihrer Be- deutung ändern können! Sind heute die Begriffe „Wirtschaft“ und „Schenken“ im Sinngehalt gegensätzlich, so war der Sinngehalt in früherer Zeit ganz eng beieinander. Die Erklärungen verdanken wir Jacob Grimm (1785 – 1863), Begrün- der des Deutschen Wörterbuchs. Wirtschaft – Wirt im Sinne von schmausen, fröhliches Essen und Trinken, üppiges Leben und Ge- nießen. Das festliche Mahl in der Gemeinschaft. Der Wirtschafter war der Tisch- genosse. Aus dem sorgenvollen Haus-Vater wurde der Haus-Wirt und später der „kluge Planner und rationale Wirtschafter“. ___________________________________________________________________________ 10 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Gast – der Fremde war Feind. Das Dilemma wurde mit dem Gastrecht gelöst. Der Gast erhielt den Willkom- menstrunk, Essen und Trinken war frei und den Becher gab es beim Abschied als Ehrengabe. Zugleich brachte die Freizügigkeit dem Wirt Ruhm und Ehre. Geschenk – Wort seit 1569 belegt Eine freiwillige Gabe. Die Absicht der Bindung zeigt sich im „Angebinde“ oder als symbolisches Band in Form von Ringen. Die Gabe als Seelenbindung. Schenken hatte die Bedeutung des „Einschenkens, Eingießen“. Schenken in der Grundbe- deutung von Schiefhalten der großen Kanne beim Einschenken der Becher durch den Wirt. Sie kennen die Ableitungen „Schank-Wirtschaft, Schenke“. Der Mundschenk erhielt vom König oder Kaiser den „Schenkenbecher“ und einen Erbtitel wie Schenk von Limpurg gleich dazu. Im 21. Jahrhundert steigt die Tendenz, dass zwar der Sinngehalt von „Wirt- schaft“ und „Schenken“ different bleibt, aber beide Begriffe im Wirtschaftsleben wieder ohne Aufruhr nebeneinander existieren können. • Historie der Schenkkultur ganz grob geordnet am Sinngehalt von Gaben und sozialem Verhalten. In heutigen Ritualen schimmern die verinnerlichten Traditionen durch. Der Akt der Symbolisierung einer Ware zu einem imagefördernden Werbemittel hat hier seine historischen Wurzeln. Archaische Zeiten • Die Naturvölker Götter welche geben und erwidern, sind dazu da, etwas Großes für etwas Kleines zu ge- ben. In Götter und Geister der Toten sahen die Menschen die wahren Eigentümer der Dinge. Der Austausch mit ihnen war zwingend. Durch Brandopfer, Vergrabungen und ins Meer werfen kehrten die Gaben zurück zum Ursprungsort, um im nächsten Jahr wiederzukehren. Dinge hatten magische Kräfte. • Die Clans und Stämme Alles kommt und geht in einem fortwährenden Austausch. Das archaische Tauschsys- tem nannte der Ethnologe Marcel Mauss POTLATSCH, ein indianischer Ausdruck für den Vernichtungswettstreit der eigens angesammelten Güter zwischen den Stämmen. Prahlerei und Ehre des Häuptlings und des Clans waren die Antriebs- kräfte. ___________________________________________________________________________ 11 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ • Die Hochkulturen Das Gegenüber ist mächtiger, ich muss es beschwichtigen, mir günstig gesonnen machen, es mit Demut bestechen. Die Menschen lebten in staatsähnlichen Organisationen mit religiösem Herrschaftsanspruch, ausgedehntem Handel und Tempelwirt- schaft. Das Land und Lebewesen gehörten der Gottheit. Im Sühneopfer wurden zugleich die Bitten um Schutz vor Unheil und Gewährung des Positiven integ- riert. - Der Glaube an die Seelenbindung zwischen Personen und Sachen ging in die Rechts- und Wirtschaftsordnung der Römer ein. Sachen im Haus hießen fa- milia, Vieh auf der Weide pecunia. Familiensiegel markierten die Gegenstände. • Die Religionen betonen den Bund mit Gott Gott schenkte die Gesetzestafeln, Manna vom Himmel, opferte seinen Sohn zur Tilgung der Erbsünde. Ehren die Menschen Gott durch ihre Liebe, bewirkt dies einen Bund. Die spätere Verteilung der Opfergaben an arme Menschen erfolgte im Sinne der Gerechtigkeit und des Mitleids. Freigebigkeit wurde zur Tugend, Geiz zur Unmoral. Die Armen bekamen Almosen und dienten so den Spendern, diese Tugenden zu leben. Mittelalter geprägt von den doppelten Gaben: Tribut/Privilegien und Almosen/Largesse Nur der Adel sollte die Kunst des Schenkens in ritterlicher Freigebigkeit ausle- ben dürfen. Dadurch erwarben sich die Ritter Ruhm und Ehre. Geizhälse galten als Schande, da sie den Kreislauf unterbrachen. • Tributzahlungen wurden zur Ehrengabe. Dafür erhielten die Vasallen Privile- gien. Diese horizontale Legitimation durch den Herrscher erzwang eine • vertikale Geste des Schenkens an das Volk: wie der Sämann den Samen auf das Feld streut, so warf der Herold von oben herab unter dem Ruf „Freigebig- keit - LARGESSE – d.h. reichlich im Überfluss – Münzen und andere Dinge. Der Adel erfreute sich an der Gier der Meute, die sich auf dem Boden balgte. Erst in der Epoche der Aufklärung endeten solche Sitten. Die Kirche forderte zu Spenden und Stiftungen auf, damit das Seelenheil im Jenseits ins Positive gewendet wird. Neuzeit 18./19. Jahrhundert Individualismus und Kapitalismus Zwei Welten: Privatheit/Bürgertum und Öffentlichkeit/Ökonomie Im Aufschwung der Industrialisierung spaltete sich das Familienleben in Arbeit und Heim. Die Kleinfamilie galt als Hort des moralischen Verantwortungsbewusstseins im Gegensatz zu den materiellen Zwängen im kapitalistischen Wirtschaftssystem. ___________________________________________________________________________ 12 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Schon Adam Smith, einer der Begründer des Wirtschaftsliberalismus, sah das Eigennutz-Denken als Antrieb für Profitstreben und Ursache für den Wohlstand der Nation. Der Protestantismus förderte die Individualität und, obgleich der Luxus verur- teilt wurde, war das Gewinnstreben gottgewollt. Die Nutzlosigkeit des Überflus- ses wurde zugunsten der sozialen Anerkennung durch Almosen, Spenden und Stiftungen eingesetzt. Die Frauen mussten Haushalt und Kindererziehung si- cherstellen. Geschenke dienten nicht nur als Beziehungszement, sondern als pädagogische Gabe. Weihnachten wurde zum Fest der Familie. Daraus erwuchsen auch neue Handwerksbereiche für Süßigkeiten und Spielzeug. Schon die barocke Schenk- freudigkeit mit Luxusgütern gab vielen Handwerkern ein Einkommen. Moderne Zeiten In der Überflussgesellschaft wird gerne das Zueinander beklagt, das durch ein nüchternes Sachverhältnis ersetzt würde. Nicht mehr das Gefühl der Sympathie verbinde den Menschen miteinander, sondern ein Zweck- und Nutzeffekt, be- stimmt von Individualinteressen. Das Geschenk wandelt sich in Zahlung. In der Wohltätigkeit sieht man ein Ventil für freiwillige Zuwendungen an ano- nyme Empfänger, gespendet vielleicht aus Angst vor gleichen Lebensverhältnis- sen oder Loskauf für das Gewissen. Durch die Ökonomisierung der bürgerlichen Schenkkultur steigt der Verdacht von unlauteren Absichten. Denn im Schenken sind ein Bündel von Motiven ent- halten, eine Vielfalt von Perspektiven. In Sprichwörtern spiegelt sich diese Viel- falt wieder: Geschenke erhalten die Freundschaft. Der geschenkte saure Apfel gilt für süß. Geschenke müssen sich gleich bleiben oder wachsen. Ich bringe ein Ei und hätte gerne zwei. Geschenke bringen Ränke. Wer nicht empfängt, braucht nicht wieder zu geben. Eins ums andere, nichts umsonst. ___________________________________________________________________________ 13 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 3. Kreativitätsreserven Warum verteilen Unternehmen Werbegeschenke? Wenn Unternehmen „schenken“ – so eine Umfrage von 1994, dann wollen sie • die Geschäftsbeziehungen pflegen • Freude bereiten • Dank und Wertschätzung ausdrücken • das Unternehmen präsentieren • Konventionen erfüllen • den Bekanntheitsgrad erhöhen • sich entschuldigen. 84 % der befragten Unternehmen bejahten die betriebliche Gabe. Favorisiert wurde auf Seiten der Empfänger die Geschenke, die ihre Persönlichkeit spiegeln oder zumindest Funktionalität aufzeigen. WIE kann das Unternehmen dies alles einlösen, wenn zugleich die Gabe als Vehikel für Unternehmensbotschaften dient? Eine schwierige Aufgabe im Impression Management. 3.1 Transfer-Modell Geschäftsverkehr und Gütertausch Hier zeigen sich die relevanten Bruchstellen, an denen aufgrund unterschiedli- cher Tauschvorgänge auch unterschiedliche Kommunikationssphären zusam- mentreffen. Geschäftsprozesse werden meist unter dem Aspekt der technischen Optimierung durchleuchtet und weniger, um quantitative und qualitative Merkmale zu bewerten. In der Unterscheidung von „Geld-Ökonomie“ und „Gaben-Ökonomie“ werden unsichtbare Grenzlinien zweier „Märkte“ transparent. 1. Transfer Selektion von Gütern - Vertrag Geld gegen Dienstleistung / Ware / Werbeartikel Hier erfolgt die Auswahl von geeigneter Ware als „Werbeträger mit Sinngehalt“ aus der Masse von Produkten, wobei die Werbeartikel- Branche mit Rat und Tat unterstützt. Es ist ein normaler Kaufakt zwischen Anbieter und Nachfrager nach rationalen Prinzipien und Gegnerschaft: Jeder möchte den optimalen Preis erzielen. Mit der Begleichung der Rechnung ist die Transaktion abgeschlossen. ___________________________________________________________________________ 14 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 2. Transfer Akt der Symbolisierung der Güter durch das schenkende Unternehmen Es ist eine De-Kontextualisierungsphase und Umwertung, die Güter werden aus seiner ursprünglichen Funktion des alltäglichen Ver- brauchs oder Gebrauchs herausgelöst. Das unternehmerische Leitbild und das daraus folgende Kommunikationskonzept zeigen auf, welche Gegenstände für den Transfer der Unternehmens-Botschaften geeig- net erscheinen. Zur Symbolisierung der Güter stehen viele Instrumente offen: die Eigenschaften der Ware selbst, Aufdrucke, Verpackungen, Insze- nierungen – abgestimmt auf unternehmerische Zielsetzung und im Verbund mit anderen Werbeformen. 3. Transfer Gut gegen Gut - Symbolobjekt gegen Aufmerksamkeit Der Beziehungsaspekt verneint eine handelsübliche Gegnerschaft. Der „Bindungswunsch“ steht im Vordergrund. Das Symbolgut soll Brü- cke bilden und als Bedeutungsträger stimulieren. Es bringt keinen unmittelbaren Gewinn wie im ersten Transfer. Es ist ein Investiti- on voller Hoffnungen. Es geht um die Aufmerksamkeit als Tauschwert. Die Transaktion ist nicht beendet und nicht ausgeglichen. Interessant ist, wie das Symbolobjekt in dieser Öffentlichkeits- phase von Unternehmen bzw. der Werbebranche benannt wird. Begriffe können und wollen Programm sein. Was alles schließt das Wort „Wer- beartikel“ ein und was impliziert das Wort „Geschenk“? In der Politik wird gerade versucht, belastete Begriffe wie "Ge- schenke, Werbegeschenk" umzuformulieren. Der Korruptionsverdacht liegt oft nahe. Dadurch verschieben sich zwar nur Nuancen, doch die Wahrnehmung kann auf bisher „blinde Flecken“ gelenkt werden. Das heißt nicht, dass sich dann sofort das gewünschte Verhalten einstellt. Dieses zu beeinflussen kostet mehr Ideen und Energie als nur die Änderung eines Begriffes. ___________________________________________________________________________ 15 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 4. Transfer Nehmer und Weitergabe In einer Befragung von Unternehmensmitarbeitern kam zu Tage, dass die begünstigten Empfänger ihre erhaltenen Gaben/Geschenke oft weitervergeben 73 % an Mitarbeiter 33 % ins Unternehmen allgemein 33 % an Familie 26 % an Freunde 5 % an eigene Geschäftspartner. Wird das bei der Auswahl von Werbeartikeln und Prämien sowie bei der Personalisierung und Symbolisierung der Güter bedacht? Unterschiedliche Tauschvorgänge brauchen unterschiedliche Kommunikations- konzepte! Rechtliche Aspekte beachten In der ersten Phase ist beim Ein- und Verkauf das Steuergesetz relevant. In der dritten Phase schauen die Wettbewerbshüter auf die Umstände der Verga- be und die Wirkung beim Empfänger von unentgeltlichen Werbemitteln. Einladungen ins Moulin Rouge in Paris verneint der Gesetzgeber als "Geschenk" an Kunden , d.h. als betrieblich absetzbare Unkosten. ___________________________________________________________________________ 16 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 3.2 Globalisierung: Vielfalt Geschenk-ökonomie der Kulturen Wenn wir die Globalisierung ernst nehmen, müssen wir uns mehr mit den ge- setzlichen Werbevorschriften und mit der traditionellen Geschenkökonomie an- derer Kulturen auseinandersetzen, die sich teils gravierend unterscheiden. Un- passende Gastgeschenke ruinieren in Asien häufig jede Geschäftsverbindung. Wie kommen wir den Erwartungen entgegen? Bewirkt eine solche kulturelle Wahrnehmungserweiterung auch eine einsichtigere Diskussion um die legitime Rolle von Werbeartikeln im Reigen der klassischen Werbemitteln? Regeln im Ge- schäftsleben richten sich nach kulturellen Aspekten: Im Westen offiziell eine Geschenk-Askese Die westliche Kultur pflegt den Individualismus in einer mehr aufgabenorien- tierten Gesellschaft. Die nonverbale Kommunikation, wozu auch das Schen- ken zählt, steht hinter Information und Verträgen zurück. Geschenke werden offiziell nicht erwartet, was oft Irritationen im Geschäftsalltag verursacht. Denn zur Beziehungspflege verteilen wir sehr wohl Bedeutungsträger, sym- bolisierte Güter. Davon lebt vor allem die Werbeartikel-Branche. In anderen Ländern hochentwickelte Geschenkkulturen vor allem in Asien und Südamerika. Dort herrscht eine kollektivistische Ein- stellung, Konventionen erfahren eine hohe Wertschätzung. Durch allgemein respektierte Regeln formen sich standardisierte Verhaltensweisen aus, die wiederum die Sicherheit kultivierten Auftretens gewährleisten. In Japan z.B. sind die Schenksitten im Business dokumentiert und müssen penibel eingehalten werden. Die Gabe und die Verpackung signalisieren große Ehrbekundung, Wertschätzung und Unterordnung. Geschenke zeigen den Ernst für einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau. CRM - Customer Relations Management Seit zwei Jahren heben IT- und Marketing-Fachmagazine den großen Stellenwert von Kunden-Beziehungsmanagement als neue Leitidee hervor. Warum nicht von den Asiaten lernen und unsere historisch willkürlich gespaltene Gabenmen- talität neu ordnen? Weg von der Unsicherheit und Angst bei ökonomischer Beziehungspflege hin zum entspannten Transfers von symbolischen Gütern. Das schafft Nachfrage und Wirtschaftswachstum: Japanische Frauen beschenken Männer am Valen- tinstag. Um der Pflicht der Gegengabe genügen zu können, wurde eigenes der „White Day“ geschaffen. Der Warenkonsum boomt. ___________________________________________________________________________ 17 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ 3.3 Keine Gratiskultur im Internet, sondern Tausch Privat und Ökonomie wachsen wieder zusammen Wir erleben im Internet eine Vermischung von Privat und Kommerz, gerade so wie vor der Epoche der Arbeitsteilung und des Kapitalismus. Wir erleben eine Renaissance der archaischen und mittelalterlichen Gaben-Tra- dition. Die kooperative Grundidee des Netzes, untereinander Informationen freiwillig auszutauschen, basiert letztlich auf dem Sozialkonzept Geben – Neh- men – Erwidern/Dank. Die Form des "Dankes" für "freie" digitale Gaben erfolgt auf in unterschiedlichster "Münze" - von Aufmerksamkeit/Tausch (immateriell) bis Zahlungen/Güter (materiell). Ist es ein Rückfall in den Mythos, dass gerade die modernste Technik im 21. Jahrhundert zurückkehrt zum total sozialen Phänomen, das alle gesellschaftlichen Bereiche einschließt? Nein, dieses Gabenkonzept liegt im Kulturgen des Menschen. Immer wieder wird die egoistische Nutzeneinschätzung wird verdrängt von der sozialen Bindungsfunktion. • Mailart-Künstler setzen das Copyright außer Kraft und verschicken Ketten- briefe nach dem Motto Man wird reich, weil man gibt. • Open Source Idee verbindet Kommerz und Gemeinnutz. Ein spezieller Kode definiert 10 Gebote unter dem Leitmotiv: Free software ist eine Sache der Frei- heit, nicht des Preises. Striktes Verbot gilt dem Verschweigen des Quellcodes. • Free flow of Information ist seit langem ein Verlangen in der UN-Charta! Jetzt könnte dies Wirklichkeit werden. • Immer weniger User sind bereit, direkte Zahlungen zu leisten. Sie lassen sich ihre Clicks bezahlen, wenn sie einer kommerziellen Website Aufmerksam- keit „schenken“. Erst die gebündelte Aufmerksamkeit schafft für Unterneh- men den Boden zur ökonomischen Relevanz. • Das Erlebnisschemata „Schenken“ wird zum Leitmotiv der Internet-User - ein modernes Medium verschafft ihm wieder gesellschaftlichen Glanz. Auf der Telepolis-Website von www.heise.de finden Sie einige Artikel, die diese virtuelle Schenkkultur und Geschenkökonomie propagieren. ___________________________________________________________________________ 18 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Wir leben in einem Universum von Werbungen, in einer total medialen Welt mit ineinandergreifenden Kommunikationssphären. Das Öffentliche durchdringt das Private und umgekehrt. Alle diese Open-Source-Befürworter leben zugleich in einem realen sozialen Netz. Dort werden Präferenzen gebildet für Waren und Dienstleistungen. Wie um eine Braut werben Denken wir daran, dass das Wort „Werbung“ ursprünglich einen eng erotischen Sinn gehabt hat. Ringe und Kleider galten als Gabe der Verbundenheit. Seit die Welt als Ganze erotisiert ist, entschwand das aus unserem Bewusstsein. Der Reiz lässt nach. Unsere Sinne brauchen Reize um Aktivität zu bewirken. Ein Gegenstand kann zugleich Werkzeug und Reizattrappe sein. Nach der nonverbalen Kommunikation (Gestik, Mimik, Körperbewegungen) ran- gieren Gegenstände/Güter auf der Evolutionsskala an zweiter Stelle – lange vor den Medien Sprache, Schrift, Druck und Elektronik. Schon immer projizierte der Mensch seine Wünsche und Erwartungen auf Dinge - zum gegenseitigen Verste- hen, zur Selbstdarstellung und als Pfand für den Bindungswunsch. Er personifi- ziert und symbolisiert die Artefakte im Sinne seiner Kommunikationziele. Nach der Marketingphilosophie verkörpern auch Unternehmen eine Persönlich- keit. Nichts liegt näher, als durch eigene Produkte oder symbolisierte Gegen- stände die Unternehmensidentität „begreiflich“ und eindrücklich in die Außen- welt zu transportieren. Impression Management im Sinne der Schenk-ökonomie ist ein Dauerthema! Anhang: Charts zum Vortrag ___________________________________________________________________________ 19 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Eine Ballonfahrt. Wer erhält ein solches Geschenk? Familie Freundeskreis Geschäfts- freunde? Kunden? Impression Management: Wer wirtschaftet, verschenkt nichts! ... ? Vortragsablauf 1. Halb geschenkt – gratis für Sie! 2. Impression Management Denken in Ursprüngen: Marketing und Recht Erlebnisschema „Schenkkultur“ 3. Kreativreserven und Stimulanz ___________________________________________________________________________ 20 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Preisauszeichnung Welcher Eindruck soll erwecken werden? ___________________________________________________________________________ 21 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Impression Management • Identitätsbotschaften • Schemata Licht und Wahrnehmung - Art der Verkaufspräsentation Denken in Ursprüngen: Wertreklame zwischen Marketing und Recht Ökonomisches Dogma? Wer wirtschaftet, verschenkt nichts. Gesetze „Werben und Schenken“ Richterrecht im Wettbewerb ab 1900: Werbegeschenke zulässig ab 1930: Unzulässigkeit von Wertreklame ab 1945: Geschenke erlaubt, Reichsgericht Sittenkatalog ab 1965: Liberale Auffassung, Anwendung des Sittenkatalogs ___________________________________________________________________________ 22 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Denken in Ursprüngen: Erlebnisschema „Schenkkultur“ vorher : - Status Geber und Nehmer Geber - Anlässe - Auswahl und Kauf Ware - Wandlung durch Symbolik - Identität und Image Übergabe - rituelles Verhalten - Inszenierung nachher : - Zeitphasen Nehmer - Art der Gegengabe Denken in Ursprüngen: Bindung und Beziehungen Wandel der Wortbedeutungen Wirtschaft – Wirt – Gast - Geschenk – Schenken Wirtschaft Schenken ___________________________________________________________________________ 23 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
Wer wirtschaftet verschenkt nichts! ...? _______________________________________________________________________________ Denken in Ursprüngen: Bindung und Beziehungen Historie der Schenkkultur Archaische Opfer an Götter und Geister Zeiten Mittelalter Privilegien und Almosen, Stiftungen Neuzeit Individualismus - Kapitalismus Trennung Ökonomie und Privat Moderne Beziehungspflege – rational/emotional Wohltätigkeit Kreativitätsreserven: Geschäftsverkehr/Gütertausch Werbeartikel-Branche Geld gegen Ware Wirkung? Kunden Gut gegen Gut Organisation Mitarbeiter Aufmerksamkeit Familie Erinnerung - Image Freunde ___________________________________________________________________________ 24 Dipl.rer.com. Helga Burgstahler • www.burgstahler.biz
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