"Flüchtlingsbegriff im Wandel" 2 8 - Osar
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L .ch Y ANG 26. JAHRG AS www.osar ER SONDERNUMM 28. JULI 2011 SCHWEIZERISCHE ZEITSCHRIFT FÜR ASYLRECHT UND -PRAXIS REVUE SUISSE POUR LA PRATIQUE ET LE DROIT D’ASILE Tagungsband zum 4. Schweizer Asylsymposium vom 19. und 20. Januar 2011 – gleichzeitig Festschrift zum 60. Jahrestag der GFK und von UNHCR und zum 75. Geburtstag der SFH «Flüchtlingsbegriff im Wandel» Schweizerische Flüchtlingshilfe Organisation Suisse d’Aide aux Réfugiés CH-3001 Bern Stämpfli Verlag AG CH-3001 Bern
2 ASYL Inhaltsverzeichnis/sommaire Editorial 3 60 Jahre Flüchtlingskonvention – kein Grund zum Feiern Susin Park und Beat Meiner Tagungsbericht/Compte rendu du symposium 5 «Flüchtlingsbegriff im Wandel – neue Herausforderungen für den Flüchtlingsschutz», Tagungsbericht zum 4. Schweizer Asyl symposium vom 19. und 20. Januar 2011, Weltpostverein Bern Susanne Bolz, Dr. Constantin Hruschka und Annemarie Raemy-Ruef Referate/Exposés 19 Garder les portes ouvertes – préserver l’espace d’asile dans le monde contemporain António Guterres 23 (Völker-)rechtliche und humanitäre Verpflichtungen der Schweiz Bundesrätin Simonetta Sommaruga 27 Wer verdient Schutz? Der Flüchtlingsbegriff im Lichte aktueller Herausforderungen Prof. Dr. Walter Kälin 33 Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration – wo steht die Schweiz? Botschafter Claude Wild 36 Das Ergebnis der Klimakonferenz in Cancún und Migration Botschafter Franz Xaver Perrez 40 Un statut juridique pour les déplacés environnementaux? Prof. Dr Jean-Pierre Marguénaud 44 Changement climatique et nouvelles formes d’apatridie Prof. Dr Etienne Piguet 49 Speak Out! – Partizipation von unbegleiteten minderjährigen MigrantInnen am gesellschaftspolitischen Diskurs in der Schweiz Emilie Graff Workshop-Berichte/Rapports des ateliers 51 igrationsbewegung und Migrationsmanagement: Die Rolle der M Schweiz im Rahmen einer verstärkten internationalen Zusammen‑ arbeit im Bereich Migration und Entwicklung – Dr. Eduard Gnesa Workshop 3 54 ie Schweiz und der Flüchtlingsbegriff, Rückblick und Ausblick – D Prof. Dr. Alberto Achermann und Dr. Stephan Parak Workshop 4
Editorial ASYL 3 60 Jahre Flüchtlingskonvention – kein Grund Land im westlichen Europa, das diesen Schutzbedürftigen zum Feiern einen positiven Status verweigert. Da die Diskussion um das Asylgesetz wieder neu und umfassend eröffnet ist, wäre Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen es sinnvoll, diese Problematik nochmals zu analysieren. (UNHCR) ist 60 Jahre alt, die Genfer Flüchtlingskonven- Die Jugendlichen des «Speak out!»-Projekts haben am tion (GFK) wird ebenfalls 60, und dies genau am heutigen Asylsymposium aufs Eindrücklichste gezeigt, wie unzu- Tag, dem 28. Juli 2011. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe mutbar die Unsicherheit ist, die mit ihrer Situation einher- (SFH) besteht gar seit 75 Jahren. Diese Sondernummer der geht. Neben der langen Wartezeit auf das Ergebnis des Zeitschrift ASYL ist als Festschrift diesen Jubiläen ge Asylverfahrens ist sie eines der Hauptprobleme, die eine widmet. Gleichzeitig ist sie Tagungsdokumentation des eigenständige Lebensgestaltung verhindern und sich nega- 4. Schweizer Asylsymposiums, das von der SFH und dem tiv auf die Integration und das Leben dieser Personen gene- UNHCR als Einstieg ins Jubiläumsjahr im Januar 2011 rell auswirken. gemeinsam veranstaltet wurde. Wir müssen uns fragen, welche Massnahmen nötig sind, Wir nehmen diese Jahrestage zum Anlass, sowohl Rück- um den Schutzbedarf und die Aufnahme von Personen mit schau zu halten auf die Entwicklungen der letzten 60 Jahre besonderen Schutzbedürfnissen, wie zum Beispiel Kin- als auch eine aktuelle Standortbestimmung vorzunehmen dern, zu erkennen und entsprechend auf sie zu reagieren. und den Fokus zu weiten für die Herausforderungen der Welche Vorgaben und Garantien muss ein Asylverfahren Zukunft. erfüllen, damit es tatsächlich fair und glaubwürdig ist, auch Die Jubiläen sind eigentlich kein Grund zum Feiern. Ur- für Dublin-Fälle? sprünglich war das Mandat des UNHCR auf drei Jahre Ist es sinnvoll, dass sich die Schweiz auch in anderen Fra- befristet. Bis 1954 – so stellte sich die Staatengemeinschaft gen als «cavalier seul» – wie es im Französischen so treffend vor – sollte das UNHCR seine Aufgaben erledigt und das heisst – konträr zu den Entwicklungen im europäischen Flüchtlingsproblem in Folge des Zweiten Weltkriegs gelöst Raum verhält, wie es zum Beispiel beim Flüchtlingsbegriff sein. im Hinblick auf die Wehrdienstverweigerung geplant ist? Dass wir von der Lösung des Weltflüchtlingsproblems Dieses Vorgehen steht im Übrigen auch im Gegensatz zum heute weit entfernt sind, bestreitet niemand. Mittlerweile praktischen und schutzorientierten Umgang mit dem ge- sind es 43,7 Millionen auf der Welt, die gewaltsam vertrie- meinsamen völkerrechtlichen Rahmen für Flüchtlinge, wie ben oder auf der Flucht vor Gewalt sind. Die allermeisten ihn die Genfer Flüchtlingskonvention fordert. Warum also von ihnen befinden sich ausserhalb Europas. ein restriktives Sonderrecht einführen für Personen, deren Das Symposium hat gezeigt, dass viele Faktoren zu be- Schutzbedarf weitgehend unbestritten ist? denken sind, will man sich mit dem Flüchtlingsbegriff zu Wir brauchen eine ehrliche Kommunikation darüber, Beginn des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts be- wer in der Schweiz als schutzbedürftig anerkannt wird. schäftigen – und wie sehr sich einfache Lösungen verbieten. Von den Asylgesuchen, die in den letzten Jahren materiell Die Genfer Flüchtlingskonvention ist lebendig und hat entschieden worden sind, wurden etwa die Hälfte positiv sich als sehr anpassungsfähig erwiesen. Wir sind überzeugt, entschieden und die Gesuchstellenden als schutzbedürftig dass sie auch in Zukunft für den Flüchtlingsschutz wegwei- aufgenommen – entweder als Flüchtlinge oder mit einer send sein wird und im Asylbereich eine sehr bedeutsame vorläufigen Aufnahme. Rolle spielen muss. Die Zukunft hält neue grosse Herausforderungen be- Weiter gehende Lösungsansätze sind jedoch gefragt, reit – unter anderem den Klimawandel. Zusammen mit an- zum Beispiel für Personen, die vor Krieg und allgemeiner deren Megatrends wird er dazu führen, dass Flucht und Gewalt fliehen. Sie haben häufig einen ähnlichen Schutzbe- Vertreibung auch in Zukunft weiter zunehmen. Zu diesem darf wie Flüchtlinge. Die vorläufige Aufnahme, die ihnen in Thema benötigen wir dringend einen konstruktiven Dialog der Schweiz gewährt wird, reicht möglicherweise nicht aus, und einen ehrlichen Umgang mit Fakten und Zahlen. An- um diesem Schutzbedarf gerecht zu werden. Es ist allge- statt Katastrophenszenarien für Europa zu entwerfen, mein anerkannt, dass diese Menschen sich in einer ver- sollte anerkannt werden, dass die grosse Mehrheit der be- gleichbaren Situation wie Flüchtlinge befinden und norma- troffenen Menschen – wie bereits heute – weiterhin inner- lerweise auch dauerhaft im Fluchtland bleiben. Man denke halb des eigenen Landes oder in ihren Herkunftsregionen an die vielen Konflikt- und Gewaltvertriebenen, die auf- verbleiben wird. Nur ein sehr kleiner Prozentsatz wird grund der lang andauernden Konflikte und Gewaltsitua‑ überhaupt nach Europa oder in die Schweiz gelangen. tionen in Ländern wie Irak, Afghanistan und Somalia nicht Vor diesem Hintergrund ist die Schweiz als industriali- zurückkehren können. Ehrlicher und vielleicht auch leich- siertes Land in der Pflicht und in der Position, andere Län- ter verständlich wäre es, diesen schutzbedürftigen Men- der zu unterstützen: Ein Beispiel könnte die permanente schen eine «humanitäre Aufnahme» als p ositiven Status zu Einrichtung eines Neuansiedlungsprogramms (Resettle- gewähren, statt sie als abgelehnte Asylsuchende mit ausge- ment), als Baustein der internationalen Kooperation, dar- setztem Wegweisungsentscheid auf Jahre in der Unsicher- stellen. Die Diskussionen am Symposium haben diesem heit zu belassen. Die Schweiz ist inzwischen das einzige Thema zu neuer Dynamik verholfen. Aber auch die Hilfe
4 ASYL Editorial vor Ort, die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszu- Unser Wunsch als Veranstalter und Gastgeber ist es, dass sammenarbeit müssen fortgeführt und in Kooperation mit diese Diskussionen, wie sie jetzt auch in dieser Sondernum- den Aufnahmeländern ausgebaut werden. mer der Zeitschrift ASYL abgebildet werden, dem Asylbe- Dies sind einige Gedanken und Lösungsansätze, die wir reich in der Schweiz zu einem positiveren Image verhelfen aus dem für uns inhaltlich sehr anregenden Symposium ge- mögen. zogen haben. In vielerlei Hinsicht erinnert die Bilanz des Der Schutz von Schutzbedürftigen ist in erster Linie hu- Symposiums anlässlich des 60. Jahrestages der Flüchtlings- manitäre Errungenschaft und Verpflichtung. Dieses Be- konvention an die Bilanz zum 50. Geburtstag. Damals kenntnis sollte für alle in diesem Bereich Tätigen die Richt- hatte das UNHCR die Global Consultations durchgeführt schnur für ihr tägliches Handeln sein – unabhängig von und nach der heutigen Relevanz der Flüchtlingskonvention Funktion und Institution. gefragt sowie nach Lösungsansätzen für neu aufkommende Abschliessend möchten wir an dieser Stelle all jenen dan- oder nicht gelöste Probleme und Herausforderungen auf ken, die dem 4. Schweizer Asylsymposium zum Erfolg ver- globaler Ebene gesucht. Entsprechend den internationalen holfen haben. Wir danken den engagierten Mitarbeitenden Bemühungen wurde auch in der Schweiz eine Arbeitsgrup- der SFH und des UNHCR ebenso herzlich wie allen Fach- pe zur «Agenda for Protection» eingerichtet, die sich mit personen, die als Referentinnen und Referenten, als Po den weltweiten und den nationalen Problemen des Flücht- diumsteilnehmende oder als Verantwortliche für die Work- lingsrechts beschäftigte und sowohl staatliche als auch shops zum Gelingen des Symposiums beigetragen haben. nichtstaatliche Akteure an einem Tisch vereinte. Wir danken auch allen Institutionen, welche das Sympo Das Symposium und sein sehr breiter Teilnehmerkreis sium finanziell unterstützt haben. haben gezeigt, dass ein Bedarf und ein Interesse an einem Dialog sowie an konstruktiver Diskussion und am gemein- samen Erarbeiten von Lösungen bestehen. Nicht nur für Susin Park, Leiterin UNHCR-Büro für die heutige, sondern auch für zukünftige Herausforderungen. Schweiz und Liechtenstein Dieses Signal verstehen wir gleichzeitig als Auftrag und als Beat Meiner, Generalsekretär Verpflichtung, an diesem konstruktiven, gemeinsamen Er- Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH arbeiten von Lösungen festzuhalten und die Zusammenar- beit zu vertiefen – trotz aller unterschiedlichen Aufgaben und Positionen.
Tagungsbericht/Compte Rendu du Symposium ASYL 5 Susanne Bolz, SFH, Dr. Constantin Hruschka, UNHCR, und liche Lösungsansätze auf nationaler wie internationaler Annemarie Raemy-Ruef, SFH* Ebene zu entwickeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand Einigkeit darüber, «Flüchtlingsbegriff im Wandel – neue Heraus dass Menschen vor Verfolgung geschützt werden müssen. forderungen für den Flüchtlingsschutz», Auch während des Kalten Krieges wurden Flüchtlinge – Tagungsbericht zum 4. Schweizer Asyl besonders aus Osteuropa – wohlwollend aufgenommen. In symposium vom 19. und 20. Januar 2011, den 1980er-Jahren wandelten sich die Herkunftsregionen Weltpostverein Bern und die Fluchtgründe. Flüchtlinge kamen vermehrt aus der südlichen Hemisphäre. Viele mussten wegen interner Kon- Am 19./20. Januar 2011 fand in Bern das 4. Schweizer Asyl- flikte und Situationen allgemeiner Gewalt ihre Heimat ver- symposium statt, das in diesem Jahr im Zeichen gleich lassen. Das Verständnis des Flüchtlingsbegriffs entwickelte dreier Jubiläen stand: Die Genfer Flüchtlingskonvention sich unter anderem im Bereich der so genannten nichtstaat- (GFK) – seit 1951 Grundlage für den Schutz von Flüchtlin- lichen und geschlechtsspezifischen Verfolgung weiter, und gen weltweit – und das Hochkommissariat der Vereinten zusätzliche Schutzformen wurden geschaffen. Das dem Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) feiern ihr 60-jähriges Flüchtlingsbegriff zu Grunde liegende Abkommen über Bestehen, die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) be- die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (die so genann- geht 2011 ihr 75-Jahre-Jubiläum. te Genfer Flüchtlingskonvention) hat sich damit im Laufe Unter dem Titel «Flüchtlingsbegriff im Wandel – neue der Zeit als «living Instrument» erwiesen, mit dem auf die Herausforderungen für den Flüchtlingsschutz» wurden jeweils aktuellen Herausforderungen reagiert werden diese Jahrestage zum Anlass genommen, eine Standortbe- konnte. stimmung vorzunehmen und über aktuelle Herausforderun- Heute sieht sich die internationale Staatengemeinschaft gen und Entwicklungen im Flüchtlingsbereich sowie mögli- erneut mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Glo- che Lösungsansätze auf nationaler wie internationaler Ebene bale Megatrends wie die Bevölkerungsentwicklung, Urba- zu diskutieren. 200 Fachleute aus dem Asyl- und Migrati- nisierung, Nahrungsmittel- und Trinkwasserknappheit, onsbereich folgten der Einladung. Besondere Beachtung fan- Rohstoffmangel und vor allem der Klimawandel verursa- den die Themen Flucht und Vertreibung auf Grund des Kli- chen und verschärfen Konfliktsituationen und zwingen mawandels, Neuansiedlung von Flüchtlingen sowie die Menschen, ihre Heimat zu verlassen. In Europa sind die Frage der Notwendigkeit von Rechtsänderungen in der Auswirkungen der europäischen Asylrechtsharmonisie- Schweiz. rung und insbesondere die Wirkungen von Schengen/Dub- Das Asylsymposium wurde 2004 vom UNHCR-Büro lin von besonderer Bedeutung. Des Weiteren sind neue für die Schweiz und Liechtenstein und der SFH ins Leben Begriffe in der Debatte zu hören, wie zum Beispiel «Klima- gerufen und wird seither rund alle zwei Jahre von diesen ge- flüchtlinge» oder «Katastrophenflüchtlinge». Es stellt sich meinsam organisiert. Die Tagung versteht sich als Ort der die Frage, wie mit den in diesen Begriffen enthaltenen Begegnung und des Austausches ausserhalb der üblichen Tä- Herausforderungen umgegangen werden soll. tigkeit. Sie will Gelegenheit zum vorurteilsfreien Dialog bieten, um so ein besseres Verständnis für unterschiedliche Positionen zu ermöglichen und eine konstruktive Aus 2 Die Plenarveranstaltungen1 einandersetzung mit den aktuellen Themen zu fördern. Das Asylsymposium richtete sich mit seinem Programm, den Re- Der erste Tag des Asylsymposiums stand im Zeichen der feraten und Plenardiskussionen sowie den Workshops an Genfer Flüchtlingskonvention. Dem Flüchtlingsbegriff – Fachleute und interessierte Personen aus Verwaltung, Zivil- sowohl in seiner historischen Perspektive als auch in sei- gesellschaft, Politik, Hilfswerken, Anwaltschaft, Wissen- nem heutigen und künftigen Verständnis – und, damit zu- schaft und auch an die Medien. sammenhängend, den aktuellen und kommenden Heraus forderungen im Flüchtlingsbereich wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 1 Thematische Schwerpunkte Mit Professor Dr. Walter Kälin vom Institut für öffent liches Recht der Universität Bern konnte für das Eröff- Auch 60 Jahre nach Inkrafttreten der Genfer Flüchtlings- nungsreferat ein ausgewiesener Experte in Flüchtlingsfra- konvention und der Gründung des UNHCR sowie 75 Jah- gen gewonnen werden. Aus seiner Sicht hat sich der re nach Gründung der SFH hat das Thema des Schutzes von Personen, die in ein anderes Land fliehen, nicht an Ak- tualität verloren. Allerdings haben sich die Fluchtgründe * Susanne Bolz, Leiterin Protection SFH, Dr. Constantin Hruschka, Rechts- im Lauf der Jahre verändert; sie werden immer komplexer berater UNHCR-Büro für die Schweiz und Liechtenstein, und Annemarie Raemy-Ruef, Generalsekretariat SFH. und sind mit anderen Fragen verwoben. Die Jahrestage 1 Für die Erstellung der Protokolle zu den Plenarveranstaltungen danken boten Anlass, über aktuelle Herausforderungen und Ent- wir: Richard Greiner (SFH), Nula Frei (UNHCR) und Delphine Schmutz wicklungen im Flüchtlingsbereich zu diskutieren und mög- (UNHCR).
6 ASYL Tagungsbericht/Compte Rendu du Symposium Flüchtlingsbegriff grundsätzlich als genügend flexibel er- gration und Arbeitsmigration, die sich negativ auf den wiesen, um trotz geänderter Rahmenbedingungen relevant Flüchtlingsbegriff auswirke. Rassistischen Anwürfen seien zu bleiben. Die Flüchtlingskonvention habe in den letzten beide Migrantengruppen gleichermassen ausgesetzt. Erfor- 60 Jahren vielen verfolgten Menschen zu Schutz verholfen. derlich sei aus seiner Sicht ein pragmatischer flexibler An- «An dieser Errungenschaft gilt es festzuhalten und sie zu satz, um auch künftigen Herausforderungen zu begegnen. verteidigen», so Kälin. Handlungsbedarf sieht er im Hin- Botschafter Franz Perrez, Chef der Abteilung Interna blick auf eine weitere Verbesserung des Schutzregimes für tionales des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), berichtete, Betroffene von Gewaltkonflikten wie auch bei der Schutz- dass die Staaten am Weltklimagipfel in Cancún erstmals den gewährung für Personen, die auf Grund der negativen Fol- Zusammenhang zwischen Umwelt, Klima und Migration gen des Klimawandels und von Naturkatastrophen in ein anerkannt hätten. Diese erweiterte Optik, dass klimatischer anderes Land flüchten mussten. Wandel eine Ursache für Migration sei und damit einherge- Professorin Dr. Olivia Romppainen-Martius vom hend einen Einfluss auf die Menschenrechte der Betroffe- Oeschger Centre for Climate Change Research der Univer- nen habe, sei wesentliche Voraussetzung für weitere Schrit- sität Bern, dem nationalen Kompetenzzentrum in Fragen te. Seiner Ansicht nach ist Migration eine mögliche Form, des Klimawandels, machte klar: «Die Klimaveränderung auf Klimaveränderungen zu reagieren. Unerlässlich seien findet statt.» Sehr eindrücklich illustrierte sie, wie sich die Unterstützungshilfen für die betroffenen Gebiete und Län- Folgeerscheinungen des Klimawandels, darunter extreme der. Ferner stehe ausser Frage, dass die Menschenrechte bei Dürreperioden, Naturkatastrophen wie Wirbelstürme und der Umsetzung der Klimapolitik zu achten sind. das Ansteigen des Meeresspiegels, auf Wasser- und Nah- Professor Jean-Pierre Marguénaud betonte nochmals die rungsmittelversorgung sowie auf die Gesundheit der be- Notwendigkeit, für den Schutz der Klimavertriebenen ei- troffenen Menschen auswirken und damit Faktoren für nen eigenen internationalen Statuts neu zu schaffen. Die globale Flucht- und Migrationsströme schaffen. Angesichts Leugnung des Problems bezeichnete er als realitätsfremd. dieser Realitäten sind die Staaten aufgerufen, Lösungen für Schon heute sei die Situation dramatisch genug. Das Recht die damit einhergehenden Herausforderungen zu finden. habe die Aufgabe, die Welt mit Worten zu ändern. Fraglich Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen forderte sei nur, wie gross die Vision sein dürfe. Im Sinne der 1968er Professor Dr. Jean-Pierre Marguénaud von der Faculté de vertrete er die Auffassung «soyons réaliste, demandons Droit et des Sciences Économiques der Université de Li- l’impossible». moges (F) ein eigenes internationales Schutzregime für Für Michelle Laubscher von Alliance Sud ist klar, dass Umweltvertriebene. die Schweiz ihren Beitrag leisten und Klimaflüchtlinge auf- Im anschliessenden, von Prof. Kälin moderierten Po nehmen sollte. Ziel müsse sein, den Klimawandel zu stop- dium zum Thema «Der Flüchtlingsbegriff seit 1951: Funk pen, dafür bedürfe es aber Begleitmassnahmen. Am Bei- tion und Wirkungen der Genfer Flüchtlingskonvention spiel von Bangladesch zeigte sie das Ausmass der schon (GFK)» gingen Fachleute der grundsätzlichen Frage nach, heute bestehenden – internen – Wanderungsbewegungen welche Personen Schutz verdienen und welche Rahmenbe- auf Grund des Anstiegs des Meeresspiegels auf. Dieser Pro- dingungen dafür künftig nötig sind. zess sei kaum aufzuhalten. Zweifellos sei die internationale Zu Beginn stellte der Direktor des Bundesamtes für Mi- Gemeinschaft gefordert, sich der Problematik anzuneh- gration (BFM), Alard du Bois-Reymond, die von allen an- men – umso mehr als es sich um grenzüberschreitende Pro- deren Diskutierenden im Folgenden abgelehnte These in bleme handeln könne. Daneben benötigten jedoch auch die den Raum: «Der Flüchtlingsbegriff ist tot.» Seiner Auffas- Menschen Schutz, die sich nur innerhalb der Grenzen ihres sung nach ist die Anzahl der «echten Flüchtlinge» im Sinne Staates bewegen – viele Staaten seien mit dem Ausmass der der Konvention gering im Vergleich zu den Menschen, die Problematik überfordert. Eine Verpflichtung besteht aus sich aus anderen Motiven auf den Weg gemacht haben. Die Sicht von Laubscher nicht nur, sofern Flüchtlinge eine bestehenden Herausforderungen stellten sich vor allem Grenze überschreiten, sondern auch für andere Fälle be- durch die so genannten «Mixed Migration Flows». Die dürfe es Regelungen zum Schutz und zur Lastenverteilung. Problematik der Klimavertriebenen ist seiner Ansicht nach Aus Sicht von Botschafter Claude Wild, dem Leiter der nicht juristisch zu lösen, die Unterstützung müsse eine Politischen Abteilung IV des Eidgenössischen Departe- andere Form finden. Naturkatastrophen würden spontane ments für auswärtige Angelegenheiten (EDA), findet im Solidaritätsbewegungen auslösen, die langfristigen Folgen Bereich Migration ein Paradigmenwechsel statt. Als we- des Klimawandels dagegen nicht. sentliche Komponenten seien Frieden, Achtung der Men- Für Professor Georg Kreis hat sich die Praxis zum Flücht- schenrechte, humanitäre Aspekte sowie internationale lingsbegriff in den letzten 60 Jahren entwickelt. Eine weitere Migrationspolitik zu berücksichtigen. Den Vorschlag der Anpassung an die neuen Realitäten sei notwendig. Neben Schaffung eines neuen Statuts bezeichnete er als «visionär» den klassischen Verfolgungsmotiven aus religiösen und poli- und begrüsste den inspirierenden Ansatz, bezweifelte je- tischen Gründen sind auch andere Verfolgungsszenarien doch die kurzfristige Umsetzbarkeit dieser Vision. Fraglich entstanden. Die Tendenz gehe vom Einzelnen zur Gruppe. sei, ob die bestehenden Instrumente beizubehalten oder gar Festzustellen sei auch eine Konkurrenz zwischen Asylmi zu verbessern seien. Wie könne denen geholfen werden, die
Susanne Bolz, Constantin Hruschka und Annemarie Raemy-Ruef Tagungsbericht/Compte Rendu ASYL 7 heute nicht unter den Schutz der bestehenden rechtlichen potenzials durch Öffentlichkeit und Politik: «Die Schweiz Instrumente fallen? «Toutes les personnes qui souffrent will dazu beitragen, dass die Debatte zum Thema Klimawan- sont des personnes pour lesquelles la diplomatie suisse doit del und Migration verstärkt wird», so Botschafter Wild. avoir une réponse et une vision protectrice», so Wild. Bezo- Anschliessend wurden verschiedene Themen in Work- gen auf den Migrationsbereich vertrat er die Auffassung, shops vertieft; diese werden weiter unten im dritten Kapitel dass die Menschenrechte von Migrantinnen und Migran- vorgestellt. ten, unabhängig von ihrem Status, zu achten seien. Die in- Der zweite Tag fokussierte die nationale Ebene, es wur- ternationale Gemeinschaft sei gehalten, diese Menschen zu den aktuelle Fragestellungen bezüglich der Umsetzung des schützen und ihnen Hilfe vor Ort zukommen zu lassen. Flüchtlingsschutzes in der Schweiz diskutiert. Im Zentrum Die jüngsten Entwicklungen bedürften pragmatischer standen die (völker-)rechtlichen und humanitären Ver- und realistischer Lösungen. Die Flüchtlingskonvention pflichtungen der Schweiz, Flüchtlinge und andere Schutz- würdigte Wild als Erfolgsstory – 50 Millionen Menschen bedürftige zu schützen, sowie die Herausforderung, im wurden mit ihrer Hilfe geschützt. Die Idee einer neuen nationalen Verfahren mit denjenigen Schutzbedürftigen Konvention sei mutig, jedoch bestünden berechtigte umzugehen, die nicht unter den Flüchtlingsbegriff und den Zweifel, dass die Staaten schnell zu einem Konsens finden Schutzbereich der EMRK fallen. können. Vielversprechender und angemessener seien ge- Mit seinem Impulsreferat zu Beginn des zweiten Tages meinsame Leitprinzipien, welche den Staaten Richtlinien zum Thema der Aktualität des Flüchtlingsschutzes in Eu- für ihr Engagement böten. ropa stellte António Guterres, Flüchtlingshochkommis- Angesprochen auf die Wirksamkeit der Entwicklungs- sar der Vereinten Nationen, eine Verbindung zu den am zusammenarbeit antwortete Michelle Laubscher, dass Ver- ersten Tag behandelten Themen her und gab Hinweise auf besserungen auf Ebene der Millenniumsziele angepeilt zukünftige Herausforderungen. «Es ist notwendig, dass werden, dass jedoch die präventiven Massnahmen noch die Staaten ihr Engagement in Bezug auf die Grundprin- nicht das gewollte Niveau erreicht haben. Nötig seien orga- zipien des Flüchtlingsschutzes und ihre Verpflichtungen, nisatorische Strukturen auf lokaler Ebene. Die Schweiz die sie durch die Unterzeichnung von Schlüsselinstru- sollte ihrerseits auch für unqualifizierte Drittausländerin- menten eingegangen sind, bekräftigen und erneuern», er- nen und -ausländer Zugang gewähren. klärte er. Angesichts der globalen Trends bei Flucht- und Professor Marguénaud trat nochmals für die Schaffung Migrationsbewegungen müssten künftig Wege gefunden eines rechtlichen Instruments für Umweltvertriebene ein, werden, jene zu schützen, die Schutz benötigen, aber nicht betonte aber, dass die Flüchtlingskonvention in keiner Wei- unter die aktuelle Definition des Flüchtlingsbegriffs fal- se als unnötig angesehen werden könne, angesichts der Tat- len. Von der Schweiz wünschte sich der Flüchtlingshoch- sache, dass sie das Leben von 50 Millionen Flüchtlingen kommissar die Wiederaufnahme der bewährten Kontin- gerettet hat. Für Professor Kreis illustriert der Umgang mit gentspolitik («Resettlement») und das Bekenntnis zu dieser Problematik erneut, wie wenig ernst es die Staaten einem Asylwesen, welches das internationale Flüchtlings- mit ihrem humanitären Engagement meinten. Es sei – gera- recht respektiert und die humanitäre Tradition des Landes de in einem Land mit direkter Demokratie – äusserst be- weiterführt. denklich, wenn solch wichtige Themen innenpolitisch kei- Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des ne Resonanz fänden. Aus seiner Sicht setzt das BFM die Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), von Botschafter Wild geforderten Prinzipien in der Migra- erinnerte daran, dass die Schweiz ein Land mit einer langen tionsaussenpolitik nicht genügend um. und starken humanitären Tradition ist. Diese will sie heute Abschliessend resümierte Botschafter Wild, dass die ir- und in Zukunft bestärken. Sie sprach sich für ein schnelles reversiblen Folgen der derzeit stattfindenden klimatischen und faires Asylverfahren aus, das jenen Schutz gewährt, die Veränderungen bereits absehbar seien. Eine wirksame Ent- ihn benötigen, gleichzeitig aber auch die Glaubwürdigkeit wicklungshilfe könne sich stabilisierend auswirken. Gerade des Systems aufrechterhält. Darüber hinaus benötige die kleine Staaten hätten ein grosses Interesse daran, dass Schweiz eine aktive Asylaussenpolitik. Dazu gehören ge- die völkerrechtlichen Verpflichtungen umgesetzt werden. mäss Bundesrätin Sommaruga auch Migrationspartner- BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond bemerkte, dass schaften, Schutz vor Ort und die Neuansiedlung von nur ein glaubwürdiges System auch die Akzeptanz der Ak- Flüchtlingen in der Schweiz. teure geniessen werde und die Schweiz selbstverständlich Der Input dreier Jugendlicher aus dem Projekt für unbe- denen die Hand reichen wolle, die schutzbedürftig und gleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) «Speak out!» schutzwürdig sind. zeigte die Sicht von direkt Betroffenen auf. Die Jugendli- Den Nachmittag des ersten Tages eröffnete das Referat chen machten deutlich, dass die oft langen Wartezeiten auf von Botschafter Claude Wild, Leiter der politischen Abtei- ein Ergebnis des Asylverfahrens sich generell negativ auf lung IV des EDA. Er betonte in Anlehnung an die Podi- die Integration und das Leben der Betroffenen auswirken. umsdiskussion die Notwendigkeit einer stärkeren Vernet- Auch die Unsicherheit, die mit einer vorläufigen Aufnahme zung aller relevanten Akteure und die Anerkennung des einhergeht, ist ein grosses Problem für die eigenständige mit dem Klimawandel einhergehenden Migrations Lebensgestaltung.
8 ASYL Tagungsbericht/Compte Rendu du Symposium Auf dem anschliessenden Podium diskutierten Exper- Akzeptanz stosse, zum Beispiel dasjenige von Muslimen. tinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Ver- Dem wiederum entgegnete Minh Son Nguyen, dass die waltung die praktischen Herausforderungen der Flücht- Aufnahme von serbischen Staatsangehörigen, welche or- lingsaufnahme in der Schweiz. Unter der Moderation der thodox seien, auch problematisch gewesen sei. Kommunikationsexpertin Myriam Holzner diskutierten Des Weiteren diskutierten die Podiumsteilnehmer über Gottfried Zürcher, Leiter der Abteilung Migrationspolitik die Situation von vorläufig aufgenommenen Personen in des BFM, der Genfer Nationalrat Carlo Sommaruga, Tho- der Schweiz. Mehrere Teilnehmer betonten die Schwierig- mas Facchinetti, Migrationsbeauftragter des Kantons keiten, mit welchen diese Personen konfrontiert sind, etwa Neuenburg, Simon Röthlisberger, Beauftragter für Migra- bei der Arbeitssuche. Simon Röthlisberger forderte, dass tion des Schweizer Evangelischen Kirchenbundes und die Integration gefördert und die Rechtsstellung von Perso- Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Migra nen mit vorläufiger Aufnahme verbessert werden solle. tionsfragen, Professor Gianni d’Amato, Direktor des Minh Son Nguyen schlug vor, die Umwandlung einer Schweizer Forums für Migrations- und Bevölkerungs F-Bewilligung in eine B-Bewilligung zu vereinfachen. studien (SFM), sowie Professor Minh Son Nguyen, Direk Gottfried Zürcher betonte, dass es zu viele verschiedene tor des Zentrums für Migrationsrecht. Status gebe und dass es im Asylbereich eigentlich nur drei Zum Einstieg in die Diskussion bat die Moderatorin die Kategorien geben sollte: Personen mit permanentem Teilnehmer, ihre Einschätzung zur Frage abzugeben, ob Schutz, Personen mit befristetem Schutz sowie Personen sich die Schweiz im Vergleich zu früher gegenüber Asylsu- ohne Schutzbedürfnisse, welche kein Anwesenheitsrecht in chenden und Verfolgten verschliesse oder ob sie offener der Schweiz hätten. Dazu bemerkte Minh Son Nguyen, geworden sei. Grundsätzlich stimmten die Teilnehmer da dass die wenigsten der Sans-Papiers abgewiesene Asylge- rin überein, dass eine Schliessung gegenüber Ausländern suchstellende seien, sondern dass die meisten eine Arbeit und Asylsuchenden wahrnehmbar sei, wobei Simon Röth- hätten und nicht ausgewiesen würden, da ein wirtschaftli- lisberger darauf hinwies, dass auch ein humanitärer Dis- cher Bedarf nach ihnen bestehe. kurs im Gange sei, etwa bezüglich der Wiederaufnahme Gianni d’Amato betonte das Recht souveräner Staaten von Resettlement. Thomas Facchinetti ergänzte, dass sich auf Regelung der Einwanderung, wies jedoch darauf hin, die Schweiz gleichzeitig auch weiter öffne, insbesondere dass auch die soziale Realität und die Menschenrechte die- gegenüber der Europäischen Union und Einwandererin- ser Personen anerkannt werden müssten. Die Härtefall nen und Einwanderern aus EU-Ländern, während sie sich praxis sei in jedem Kanton anders, und es lasse sich beob- für Migrantinnen und Migranten aus Nicht-EU-Ländern achten, dass sich mehr Sans-Papiers bei den Behörden verschliesse. Gottfried Zürcher hingegen war der Ansicht, meldeten, je offener diese mit Härtefällen umgingen. Carlo dass die Aufnahmebereitschaft über die Zeit betrachtet Sommaruga erklärte, dass das Individuum ins Zentrum etwa gleich geblieben sei, und verwies auf die Solidaritäts- gestellt werden solle, und forderte kollektive Regularisie- welle während der Kosovo-Krise. Es herrsche Aufklä- rungen. Es gäbe Bestrebungen im Parlament, doch noch sei rungsbedarf gegenüber der Bevölkerung, etwa dazu, auf nicht klar, ob diese eine Mehrheit finden würden. welcher Basis das BFM seine Entscheide fälle. Der Aufklä- Aus dem Publikum stellte Thomas Näcke von der Dele- rungsbedarf und die Sensibilisierung der Bevölkerung wur- gation der Europäischen Kommission in Bern die Frage an den während der Diskussion mehrmals thematisiert, wobei Carlo Sommaruga, ob die Asylpolitik den Preis für die eu- darüber Einigkeit herrschte, dass die Aufklärungspflicht ropäische Integration bezahle, da die Personenfreizügigkeit von allen involvierten Akteuren wahrgenommen werden der EU-Staatsangehörigen die Toleranz gegenüber anderen sollte, also von den Behörden, den Hilfswerken, aber auch Ausländerinnen und Ausländern verdränge. Carlo Som- von den Medien. Insbesondere sollte die Akzeptanz von maruga antwortete, dass es seiner Meinung nach die kultu- Asylsuchenden in der Bevölkerung gestärkt werden. Simon rellen Differenzen seien, welche die Schliessung gegenüber Röthlisberger betonte, dass die Bevölkerung der Aufnahme Fremden erkläre. Diese Tendenzen würden sich auch in von Resettlement-Flüchtlingen positiv gegenüberstehe, vielen anderen europäischen Ländern zeigen. wobei er erneut für eine Wiederaufnahme der Resettle- Ein Zuhörer kritisierte, dass es an differenzierter Infor- ment-Politik plädierte. Gottfried Zürcher entgegnete, dass mation mangele und er sich diese selber holen müsse. Zu- Resettlement nur ein kleiner Teil der Lösung sei, versprach dem erklärte er, dass sich seiner Meinung nach die Informa- aber, dass diesbezüglich von Seiten der Behörden noch Ant- tionspflicht des Staates direkt aus menschenrechtlichen worten folgen würden. Minh Son Nguyen erklärte, dass die Verträgen ergebe. Gottfried Zürcher antwortete, dass die Aufnahme von vietnamesischen Kontingentsflüchtlingen Schweiz natürlich die Pflicht hätte, Schutz zu gewähren, auf Grund der Vorselektion durch die Schweizer Behörden und dass dies auch kommuniziert und die Aufnahmebereit- in Malaysia von der Bevölkerung positiver gesehen worden schaft gefördert werden müsse. Jedoch gehe es nicht nur sei als diejenige von Asylsuchenden, welche heute «unge- um den Gegensatz zwischen Staat und Bürger, sondern es fragt» in die Schweiz kommen und ein Asylgesuch stellen. sei eine Pflicht der Gesellschaft als Ganzes. Thomas Facchi- Carlo Sommaruga widersprach mit dem Argument, es sei netti ergänzte, dass die Informationspflicht im Ausländer- das kulturelle Profil der Flüchtlinge, welches auf weniger recht festgehalten sei und in Zukunft verstärkt werden
Susanne Bolz, Constantin Hruschka und Annemarie Raemy-Ruef Tagungsbericht/Compte Rendu ASYL 9 müsse. Zudem trügen die Medien mit undifferenzierter Be- stellte, vorher wurden Flüchtlinge von den Staaten jeweils richterstattung zum Problem bei. dauerhaft aufgenommen. Zudem wurde betont, dass sich Zum Schluss nahm die Moderatorin die Fragen der Ju- die Mehrheit der Flüchtlinge in den von Konflikten und gendlichen aus dem «Speak out!»-Projekt wieder auf und Katastrophen betroffenen Regionen aufhalte und dass die stellte sie dem Podium. Die Frage, warum sie sich ein Zim- Unterstützung dieser Flüchtlinge vor Ort spezifische Her- mer mit Erwachsenen teilen müssen, mochte niemand be- ausforderungen beinhalte. antworten. Auf die Frage, warum nicht alle von ihnen eine Erfahrungen zeigten, dass Unterstützungsoperationen Lehrstelle finden könnten, erklärte Thomas Facchinetti, bei Rückführungs- und Wiedereingliederungsprogrammen dass mehrere Kantone Standesinitiativen lanciert hätten, in der Vergangenheit zu stark auf rein humanitäre Aspekte um jugendlichen Sans-Papiers eine Lehre zu ermöglichen. abzielten und der nachhaltige Aufbau von Wirtschaft und Gottfried Zürcher hielt fest, dass der Zugang zu Bildung Infrastruktur zu kurz kam. In vielerlei Hinsicht wurden die eine ganz wesentliche Frage sei, in die jedoch viele Akteure Betroffenen damit in eine Abhängigkeit gezwungen, die einbezogen werden müssten, unter anderem die Kantone, sich als sehr negativ für die wirtschaftliche Entwicklung die Gemeinden und die Arbeitgeber. Auf die Frage, warum von Post-Conflict-Ländern erwiesen habe. Deshalb ist auf ihre Asylverfahren so lange dauerten, antwortete Gottfried der Suche nach nachhaltigen Lösungen in diesem Zusam- Zürcher, dass die Verfahren rasch, fair und konsequent sein menhang ein ganzheitlicher, aktiver Ansatz wichtig, wel- müssten und in diesem Punkt noch keine befriedigende Lö- cher der Komplexität der Rückkehrthematik gerecht wird. sung gefunden sei. Dies wird mit dem «Comprehensive Approach» angestrebt, Die Referate, Podien und Workshops wurden durch die der die Interdependenz und die Vernetztheit unterschiedli- Ausstellung «KLIMAFLUCH – KLIMAFLUCHT» er- cher Faktoren zu berücksichtigen versucht. Auf der Suche gänzt. Diese vom Münchner Flüchtlingsrat (D) konzipierte nach nachhaltigen Lösungen für Flüchtlinge im Sinne von Ausstellung weist auf eines der grössten Probleme im Zu- «Comprehensive Solutions» ist es zudem sinnvoll, heimat- sammenhang mit dem Klimawandel hin: dass Menschen ge- staatorientiert und auf regionaler Ebene zu arbeiten und die zwungen werden, ihre Heimat zu verlassen und zu fliehen. strategischen Wechselwirkungen von freiwilliger Rück- Die Ausstellung informiert über die Verbindung von Klima- kehr, Eingliederung vor Ort und Resettlement zu berück- wandel und Flucht, stellt den aktuellen Stand der Diskussion sichtigen. dar und zeigt, wo Handlungsbedarf ist. Die elf Ausstellungs- Dazu gehört unter anderem die Untersuchung der tafeln werden begleitet von diversen Bildtafeln. Für das Gründe, warum die Menschen überhaupt gezwungen wa- Asylsymposium 2011 wurde die Ausstellung zudem mit ren, ihren Heimatstaat zu verlassen. Meistens handelt es spezifischen Daten und Angaben zur Schweiz ergänzt. sich um strukturelle und systemische Schwierigkeiten, die Die Ausstellung ist auf dem Web abrufbar und kann dazu führen, dass der Heimatstaat eines Flüchtlings nicht beim Münchner Flüchtlingsrat ausgeliehen werden.2 mehr in der Lage ist, den «effektiven Schutz» und die Siche- rung der Grundbedürfnisse seiner Staatsbürgerinnen und -bürger zu gewährleisten. Das verdeutlicht, dass eine dau- 3 Die Arbeitsgruppen3 erhafte Lösung nur dann erreichbar ist, wenn verschiedene Akteure (u.a. der Aufnahme- und der Herkunftsstaat, ver- Der Nachmittag des ersten Veranstaltungstages war für die schiedene NGOs und das UNHCR) sowohl auf der vertiefte Diskussion einzelner Fragestellungen in Arbeits- Makro- als auch auf der Mikroebene eng zusammenarbei- gruppen reserviert. Den Teilnehmenden wurden sieben ten. Workshops angeboten, der ursprünglich geplante Work- Im Rahmen einer konfliktsensitiven Herangehensweise shop 6 «Access to Protection: Formen des alternativen sei zudem zu berücksichtigen, dass Konflikte oft starke Mi- Zugangs zum Asylverfahren» musste auf Grund der kurz- grationsbewegungen in ganzen Regionen auslösen können. fristigen, krankheitsbedingten Absage eines Referenten Mangelt es an Ressourcen und sind die vorhandenen staat- entfallen. lichen Strukturen schwach, so entstehen grosse Spannun- gen zwischen der Gastbevölkerung und den ankommenden Flüchtlingen. Das Engagement externer Akteure (interna Workshop 1 tionaler Organisationen) hat oft Ungleichbehandlungen zur Folge: Güter werden an Flüchtlinge, nicht an die lokale Workshop 1 wurde von Ursula Keller, Leiterin KOFF/ Swisspeace, und Martin Gottwald, Division of Internatio- nal Protection, UNHCR, geleitet und widmete sich der 2 Www.muenchner-fluechtlingsrat.de/index.php/Main/Ausstellung- Thematik «Situation und Hilfe vor Ort: Konfliktsensitive Klimaflucht; Kontakt: Münchner Flüchtlingsrat, Goethestrasse 53, 80336 Flüchtlingsarbeit, Aufnahme von Flüchtlingen und die München; E-Mail: info@muenchner-fluechtlingsrat.de. 3 Für die Erstellung der Workshop-Protokolle danken wir: Seraina Nufer Auswirkungen auf Erstasylländer in der Konfliktregion». (SFH), Fiorenza Kuthan (SFH), Simone Greminger (SFH), Alexandra Geiser Zunächst wurde festgehalten, dass sich die Frage der (SFH), Maximilian Lipp (SFH), Marianne Smadja (UNHCR), Sabrina Ghiel Rückführung von Flüchtlingen erst nach dem Kalten Krieg mini (UNHCR) und Sofia Suarez (UNHCR)
10 ASYL Tagungsbericht/Compte Rendu du Symposium evölkerung verteilt. Nationale Märkte werden durch die B Nach Meinung der Workshopleiter werde das Thema bis Lieferungen von Hilfsgütern beeinflusst und verändert, heute weniger fundiert wissenschaftlich als politisch-pole- lokale Produzenten haben oft das Nachsehen. Neue Ar- misch behandelt. Dies habe schwer wiegende Konsequen- beitsmärkte und -chancen eröffnen sich, es ist zu klären, zen weit über die tatsächliche Klimamigration hinaus.4 wem diese offenstehen. Konfliktsensitives Vorgehen setzt Problematisch sei ferner, dass die Fokussierung auf das das Bewusstsein voraus, dass jede Intervention durch ex zu erwartende weltweite Phänomen von den sich bereits terne Akteure und Ressourcen Auswirkungen hat, darun- heute ereignenden Krisen ablenken würde, deren Auswir- ter auch negative. Ziel muss daher sein, positive Auswir- kungen für die von ihnen direkt Betroffenen schon jetzt kungen zu stärken und negative Auswirkungen sehr problematisch seien. abzuschwächen (Prinzip der Entwicklungszusammenar- Aus Sicht der Workshopleiter ist der Entschluss, zu mi- beit: «do no harm»). Positiv wirkt sich der Einbezug der grieren, im Einzelfall abhängig von verschiedensten Fakto- Bevölkerung des Gastlandes beziehungsweise die Berück- ren, es wäre verkürzt, dabei allein auf klimatische Verände- sichtigung ihrer Bedürfnisse aus. Sie sollten bereits in der rungen abzustellen. Anhand konkreter Beispiele wurde Planung und Konzeption berücksichtigt und miteinbezo- illustriert, wie intensiv klimatische Veränderungen, Natur- gen werden. katastrophen sowie irreversible Veränderungen der Lebens- Die Selbständigkeit von Flüchtlingen sollte zudem er- bedingungen sich auf die Migrationsbereitschaft der be- halten und gefördert werden: Es hat sich gezeigt, dass sich troffenen Bevölkerung auswirken. Auch unter schlimmsten viele vorübergehend gedachte (Not-)Lösungen in der Re- Bedingungen blieben viele Menschen am angestammten alität als viel dauerhafter erweisen mussten als ursprüng- Ort – sei es, weil sie zu arm sind, um diesen zu verlassen, sei lich geplant. Gerade Flüchtlingscamps sollen nur eine es, weil die Bindung an diesen Ort sehr stark ist. Naturka- Übergangslösung darstellen; in der Realität leben die tastrophen hätten erwiesenermassen keine Auswirkungen Flüchtlinge aber oft über mehrere Jahre dort. Hilfspro- auf die Asylgesuchszahlen in Europa. gramme müssen so konzipiert sein, dass Flüchtlinge nicht Für eine produktive Auseinandersetzung und einen an- ausschliesslich zu passiven Empfängerinnen und Empfän- gemessenen politischen Diskurs sei es unerlässlich, dass gern von Hilfsleistungen werden. Food-for-Work-Pro- nicht mit «Katastrophenvisionen», sondern mit realisti- gramme, Ausbildungsmassnahmen und die Ermöglichung schen Zahlen operiert werde. Ansonsten würden Migran- von Freizügigkeit können dazu beitragen, dass Flüchtlin- tinnen und Migranten noch stärker als bedrohliches Mas- ge ihre eigenen Kompetenzen erhalten und zukünftig auf senproblem wahrgenommen. Zukünftige Massnahmen eigenen Beinen stehen können. Dafür bedarf es genauer und Vorhaben müssten daher ausgewogen sein. Absprachen mit den Gastländern. Die Forschung über die Auswirkungen der Klimaer wärmung auf das Migrationsverhalten müsste angesichts der weit reichenden gesellschaftlichen und politischen Workshop 2 Implikationen mit grosser wissenschaftlicher Seriosität betrieben werden. Bis dato gebe es zu wenige verlässliche Workshop 2 vertiefte die Thematik «Climat, Conflit, Mig- Fallstudien, welche die einzelnen Phänomene untersuch- ration» und wurde von Professor Dr. Etienne Piguet, Uni- ten. Wesentlich sei die Tatsache, dass Klimaveränderungen versität Neuenburg, gemeinsam mit Raoul Kaenzig, Uni- nicht zwingend Migrationsbewegungen nach sich zögen. versität Neuenburg, moderiert. Massnahmen, um die lokale Bevölkerung vor den Auswir- Ausgehend von der These, dass in der Öffentlichkeit kungen des Klimawandels zu schützen beziehungsweise zwar ein diffuses Bewusstsein über die Wechselwirkungen diesen zu stoppen, seien aufwändig und kostspielig. zwischen Klimaveränderungen, Konflikten und Migra Die Workshopleiter betonten, dass das Phänomen der tionsbewegungen gewachsen sei, der öffentliche Diskurs klimainduzierten Migration dazu führen sollte, dass die jedoch noch viel zu stark von wissenschaftlich wenig fun- Staaten den Kampf gegen die Klimaerwärmung aufnehmen dierten Sensationsmeldungen gespeist werde, unternahmen – und nicht gegen Migrantinnen und Migranten. die Workshopleiter in ihrer Präsentation eine kritische An- näherung an die Beziehungen zwischen Klimawandel, Konflikten und Migration. Workshop 3 Im Überblick wurde die wissenschaftliche Entwicklung der Thematik präsentiert, und die Grenzen und Ungenau- Workshop 3 befasste sich unter der Leitung von Dr. Eduard igkeiten des Bezugsrahmens wurden aufgezeigt. Anhand Gnesa, Sonderbotschafter für internationale Migrations von aktuellen Beispielen wurden ferner die gängigen An- nahmen über das tatsächliche Ausmass klimainduzierter Migration einerseits und über Konflikte, die ihre Ursache 4 «Apocalyptic forecasts of environmental disasters leading to massive in klimatischen Veränderungen haben, anderseits über- flows of refugees might fuel anti-immigrant rhetoric and put in danger all prüft. Abschliessend wurde diskutiert, welche Schritte auf the International refugee framework painfully built since 1951 to protect the politischer Ebene angezeigt wären. victims of political oppression and violence» (Mac Gregor, 1993).
Susanne Bolz, Constantin Hruschka und Annemarie Raemy-Ruef Tagungsbericht/Compte Rendu ASYL 11 zusammenarbeit des EDA, mit dem Thema «Migrationsbe Eine ausführliche Darstellung der Diskussion findet sich wegung und Migrationsmanagement: die Rolle der Schweiz in diesem Band auf S. 51. im Rahmen einer verstärkten internationalen Zusammen- arbeit im Bereich Migration und Entwicklung». Der Workshop präsentierte im ersten Teil wichtige Workshop 4 Kennzahlen sowie Hintergründe und Ursachen von Migra- tion. Dabei wies der Workshopleiter anhand einiger Zahlen Prof. Dr. Alberto Achermann, Universität Bern, und zum Migrationsbereich darauf hin, dass in den gegenwärti- Dr. Stephan Parak, BFM, boten im Rahmen des Work- gen Debatten häufig nicht berücksichtigt wird, dass es shops 4 unter dem Titel «Die Schweiz und der Flüchtlings- einige Argumente und Prognosezahlen gibt, die für Zu- begriff, Rückblick und Ausblick» eine Tour d’horizon zum wanderung sprechen. Gleichzeitig wird bei der Frage der Flüchtlingsbegriff im Wandel sowie seine heutige und Hintergründe von Migration einerseits deren Komplexität künftige Bedeutung an. häufig nicht voll berücksichtigt und das notwendige grenz- Im Zentrum des Workshops stand die Frage nach den überschreitende Element der Zusammenarbeit in diesem historischen Wurzeln des Flüchtlingsbegriffs und dessen Politikfeld unterschätzt, während andererseits der natio- Wandel im schweizerischen und internationalen Kontext. nalstaatliche Handlungsspielraum der Schweiz regelmässig Der Fokus lag auf Entwicklungen im letzten Jahrhundert, überschätzt wird. die für die aktuelle Interpretation des Flüchtlingsbegriffs Daraus entwickelte der Workshopleiter Thesen zur zu- bestimmend waren. Als Grundlage der Diskussionen dien- nehmenden Mobilität in der Welt, die sich auch in der fest- ten einzelne zeittypische Textauszüge. Gestützt darauf re- stellbaren, zunehmenden Mobilität von Kapital, Handel, flektierten die Teilnehmenden in einem zweiten Schritt Technologie und Dienstleistungen zeige. Klar sei indes, über die mögliche Entwicklung des Flüchtlingsbegriffs in dass Menschen weiterhin nicht nur freiwillig migrieren 20 Jahren. Mit Blick auf die diskutierten Texte wurde dabei werden, sondern auch wegen demografischer und wirt- geäussert, dass ein weiterer Begriffswandel vollzogen wer- schaftlicher Gründe, um vor Konflikten oder als Folge des den müsse beziehungsweise sich auch laufend vollziehe. Klimawandels oder wegen fehlender menschlicher und po- Die Entwicklung sei vielschichtig und werde von heute litischer Sicherheit zu fliehen. In Europa erfolge eine Ab- nicht absehbaren Gegebenheiten beeinflusst. Mehrfach nahme der Bevölkerung. Der Migrationsdruck aus den wurde darauf hingewiesen, dass der jetzige Flüchtlingsbe- Ländern der Subsahara werde daher anhalten. In diesem griff zwar eine historische Errungenschaft darstelle, jedoch Feld bleibe die Schweiz ein attraktives Zielland für Migra- zu eng sei und einer inhaltlichen Ausweitung bedürfe. Ins- tion. In der Diskussion wurde der grundsätzliche Auftrag besondere wurde angemerkt, dass sich, wie auch die Refe- des Bundes, die Bevölkerung in migrationspolitischen The- rate im Plenum am Vormittag und die daran anschliessende men umfassend zu informieren, betont. Diskussion gezeigt hätten, die Flüchtlings- zu einer Migra- Der zweite Teil des Workshops widmete sich der Migra- tionsproblematik gewandelt habe. Einige Teilnehmer sahen tionspolitik und stellte nach einer grundlegenden Klärung die Notwendigkeit einer Neudefinition des heutigen der migrationspolitischen Interessen der Schweiz im inter- Flüchtlingsbegriffs auf internationaler Ebene mittels eines nationalen Kontext insbesondere die Instrumente der völkerrechtlichen Vertrages. Migrationspolitik in den Mittelpunkt. Deren gesetzliche Eine ausführliche Darstellung der Diskussion findet sich Grundlage ist in Artikel 100 AuG enthalten. Wichtige Ins- in diesem Band auf S. 54. trumente, die in diesem Zusammenhang vorgestellt wur- den, umfassten insbesondere Migrationspartnerschaften und den Abschluss von Memoranda of Understanding Workshop 5 (beispielsweise mit Serbien, dem Kosovo und Bosnien), Rückkehrprojekte und Konzepte zur Stärkung des Schut- L’atelier 5 dirigé par la présidente de la Cour IV du Tribunal zes von Flüchtlingen in den Herkunftsregionen (Protection administratif fédéral (TAF), Claudia Cotting-Schalch, a in the Region). Letztere seien in der Schweiz weit gehend abordé le thème: «Développement de la jurisprudence du unbekannt. Hinsichtlich der Prävention irregulärer Migra- Tribunal administratif fédéral sur le renvoi». L’atelier s’est tion gehe es primär um Aufklärung in den Herkunfts déroulé en deux parties. La première a consisté en une pré- ländern, um die Anreize zur irregulären Migration zu sentation d’une heure et la seconde partie a permis aux par- mindern. Grundsätzlich sei es zudem wichtig, sich den Zu- ticipants, dans une large majorité juristes ou avocats, de sammenhang von Migration und Entwicklung bewusst zu poser leurs questions et d’engager le débat sur des sujets machen. Konkrete Massnahmen und deren Umsetzung d’actualité juridique. seien jedoch noch schwierig und viele Fragen noch offen. Durant son intervention, scindée en quatre chapitres, So beispielsweise, ob «zirkuläre Migration» ein Hilfsmittel Mme Cotting a brièvement rappelé les changements législa- der Zukunft sein könnte. Die Praxis werde zeigen, was In- tifs intervenus récemment en matière d’asile, à savoir les strumente wie Migrationspartnerschaften in Zukunft brin- révisions partielles de la Loi sur l’asile (LAsi), entrées en gen werden. vigueur respectivement les 1er janvier 2007 et 2008, ainsi que
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