FORSCHUNG UND GESELLSCHAFT | 17 - MODERNE BILDGEBENDE VERFAHREN DAS UNSICHTBARE SICHTBAR MACHEN - Österreichische ...
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WWW.OEAW.AC.AT FORSCHUNG UND GESELLSCHAFT | 17 MODERNE BILDGEBENDE VERFAHREN DAS UNSICHTBARE SICHTBAR MACHEN
INHALTSVERZEICHNIS INHALT EDITORIAL GEORG BRASSEUR .......................................................................................................................................................................... 5 HERBERT MATIS .............................................................................................................................................................................. 5 BEGRÜSSUNG GEORG BRASSEUR .......................................................................................................................................................................... 7 EINLEITUNG HERBERT MATIS (Moderation) ...................................................................................................................................................... 9 VORTRÄGE URSULA SCHMIDT-ERFURTH Künstliche Intelligenz im Auge – und in der Medizin ................................................................................................................. 13 KLAUS ACHTERHOLD Ich sehe was, was du nicht siehst. Neue Möglichkeiten der Röntgen-Bildgebung (Aus urheberrechtlichen Gründen konnte der Beitrag leider nicht abgedruckt werden). GERT REITER Trends in der Magnetresonanz-Bildgebung .................................................................................................................................. 31 NOTBURGA GIERLINGER Raman-Mikroskopie an Pflanzenzellen: Chemische Bilder basierend auf Molekülschwingungen ....................................... 43 WOLFGANG NEUBAUER Forensik trifft Archäologie. Bildgebende Verfahren für den nichtinvasiven Blick in den Boden ........................................... 57 FRANZ KERSCHBAUM Das unsichtbare Universum ............................................................................................................................................................ 71 RESÜMEE HERBERT MATIS .............................................................................................................................................................................. 83 ÖAW 3
EDITORIAL EDITORIAL GEORG BRASSEUR HERBERT MATIS „What we know is a drop, what we don’t taken to promote the Search of Know (Fotorezeptoren), deren Erregungs- know is an ocean.“1 Mit diesen Worten ledge. Some other kind of Art for Inquiry zustand durch die unterschiedlichen charakterisierte Isaac Newton, wohl than what hath been hitherto made use Wellenlängen elektromagnetischer einer der größten Gelehrten in der of, must be discovered; the Intellect is not Strahlung aus dem sichtbaren Spek- Wissenschaftsgeschichte, im 17. Jahr- to be suffer’d to act without its Helps, trum verändert wird. Es handelt sich hundert das Dilemma jeglicher but is continually to be assisted by some dabei um einen kognitiven Prozess, wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Method or Engine …“2 der es ermöglicht, über die aufgenom- wir trotz ungeheurer Erkenntnisfort- Das menschliche Auge ist ein hoch- menen optischen Reize unsere Um- schritte, die seither gemacht wurden, empfindliches Sinnesorgan zur Auf- welt zu visualisieren. nur einen Bruchteil dessen erkennen nahme und Verarbeitung optischer Schon seit der Renaissance wurden können, was – um Johann Wolfgang Reize mit Hilfe von 2 mal 132 Millio- technische Geräte entwickelt, um die von Goethe zu zitieren – „die Welt nen3 lichtempfindlichen Nervenzellen menschlichen Sinneswahrnehmun- im Innersten zusammenhält“ (Faust I, gen, die es uns erlauben, Informa Vers 382 f.). tionen aufzunehmen, im Gehirn 2 “The Present State of Natural Philosophy, Ein Zeitgenosse Newtons, der eng- and wherein it is deficient”. The Posthumous weiter zu verarbeiten. Dabei wurden lische Universalgelehrte Robert Works of Robert Hooke ed. By Richard die für das menschliche Auge erkenn- Hooker, hat bereits einen Ausweg Waller, 1705, pp. 6–7. https://books.google. baren elektromagnetischen Wellen at/books?id=6xVTAAAAcAAJ&printsec= aufgezeigt, wie man durch den Ein- im Frequenzbereich des Lichtes ein- frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_ satz von neuen Methoden, Maschi- r&cad=0#v=onepage&q&f=false, access 6. Sep. gesetzt, um den Mikro- und Makro nen und Geräten unsere Erkennt- 2020. kosmos mit Hilfe von Mikroskopen nismöglichkeiten erweitern könnte: 3 Antonio Bergua, „Das Menschliche Auge in „Some other Course therefore must be Zahlen“, Springer-Verlag, 2017, pp. 100–105. https://books.google.at/books?id= VUfMAKHVBPBywQ6AEwAXoECAMQ M n I q D w A A Q B A J & p g = PA 1 0 5 & d q = Ag#v=onepage&q=menschliches%20Auge 1 https://beruhmte-zitate.de/zitate/1969058- menschliches+Auge+Rezeptoren+anzahl& %20Rezeptoren%20anzahl&f=false, access isaac-newton, access 6. Sep. 2020. hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwi3j8Kp7dTrAh 6.9.2020. ÖAW 5
EDITORIAL und Teleskopen zu erkunden. Der Weg ging dann weiter, indem man neben dem Licht auch andere elektro magnetische Strahlungen mit unter schiedlichen Wellenlängen dazu nutzte, durch Visualisierung unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu erwei- tern, vor allem um das Unsichtbare sichtbar zu machen. ÖAW 6
BEGRÜSSUNG BEGRÜSSUNG GEORG BRASSEUR Meine sehr geehrten Damen und der Rednerinnen und Redner über- Herren, liebe Kolleginnen und Kolle- nimmt Herbert Matis im Anschluss. gen, ich begrüße Sie heute im Namen Ich bedanke mich bei den Mitarbei- des Präsidiums der Österreichischen terinnen im Aktuariat – vor allem bei Akademie der Wissenschaften ganz Frau Julia Weilinger – für die Vorbe- herzlich zum Symposium „Moderne reitung dieses Symposiums. bildgebende Verfahren. Das Un- Zu Beginn stelle ich kurz die Öster- sichtbare sichtbar machen“ hier im reichische Akademie der Wissen- Sitzungssaal unserer Akademie. Ein schaften vor. besonderer Gruß und Dank gilt dem Durch das Akademiegesetz hat die Organisator der Veranstaltung, dem ÖAW schon in der Kaiserzeit den wirklichen Mitglied Herbert Matis. wichtigen Auftrag erhalten, die Er ist Professor emeritus des Instituts Wissenschaft in jeder Hinsicht zu Georg Brasseur ist Professor für Elektri für Wirtschafts- und Sozialgeschichte fördern. 1847 wurde die Gelehrten- sche Messtechnik und Messsignalverar der Wirtschaftsuniversität Wien und gesellschaft gegründet. Sie umfasst beitung an der Technischen Universität wird die Moderation übernehmen. gegenwärtig 770 Mitglieder und Graz. 2012 wurde er zum wirklichen Mit Gerne möchten wir die Diskussionen 1.700 Mitarbeitende, die sich der glied der ÖAW gewählt. Seit 2013 ist er lebhaft gestalten und laden Sie ein, innovativen Grundlagenforschung, Präsident der mathematisch-naturwissen nach den Vorträgen viele Fragen zu dem interdisziplinären Wissensaus- schaftlichen Klasse. stellen. tausch und der Wissensvermittlung Ich begrüße die Referentinnen und widmen, mit dem Ziel, Wissenschaft Referenten des heutigen Tages, und gesellschaftlichen Fortschritt zu Ursula Schmidt-Erfurth, Klaus fördern. Die Mitglieder pflegen einen Achterhold, Gert Reiter, Notburga regen fachübergreifenden Austausch Gierlinger, Wolfgang Neubauer und wichtiger Zukunftsfragen, beraten Franz Kerschbaum. Die Vorstellung die Politik und die Gesellschaft und ÖAW 7
BEGRÜSSUNG informieren die Öffentlichkeit über plexe Prozesse, die für unsere Augen Öffentlichkeit bekannt gemacht und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. wahrnehmbar sind, in eindrucksvol- Interesse geweckt werden. Im Okto- Die 27 Forschungsinstitute arbeiten len Bildern in unserem Bewusstsein ber wird der Nobelpreis für Physik im Bereich der anwendungsoffenen entstehen zu lassen. Wir sind also vergeben. Ich bin gespannt, ob das Grundlagenforschung in den Geistes-, richtige „Augentiere“. Die Metapher Forscherteam, dem es gelungen ist, Kultur-, Sozial- und Naturwissen- „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“ den direkten visuellen Nachweis für schaften. Sie setzen Impulse, indem sie drückt diese Fähigkeit sehr gut aus. supermassenreiche schwarze Löcher zukunftsweisende Forschungsthemen Es liegt vermutlich in der Natur des – in dem Fall war es ein schwarzes aufgreifen und Verantwortung für die Menschen, dass wir versuchen, mög- Loch aus dem Zentrum der gewalti- Wahrung und die Interpretation des lichst alles in Bilder – vielleicht sogar gen Galaxie Messier 87 – zu liefern, kulturellen Erbes übernehmen. in bewegte Bilder – umzuformen, heute auch Erwähnung finden wird. Die Akademie der Wissenschaften ist weil man so sehr viele Informationen Dieses Team hat es geschafft, etwas ein lebendiger Ort, an dem wissen- in sehr kurzer Zeit sehr einprägsam zu visualisieren, was wirklich un- schaftliche Leistungen und Erkennt- vermitteln kann. Es wurde zum Bei- sichtbar ist. Es ist auch ein Beispiel nisse vermittelt werden. Sie bietet spiel 2017 der Nobelpreis für Physik für moderne bildgebende Verfahren; intellektuellen Raum für Diskussion an drei US-Forscher für den ersten Verfahren, die Informationen für den und fördert die Gesellschaft. Vor direkten Nachweis von im All entste- Menschen perfekt aufbereiten kön- allem fördert sie die Offenheit für henden Gravitationswellen vergeben. nen und damit das Unsichtbare sicht- Wissenschaft und Technologie. Die Wahrscheinlich hat ein Großteil der bar machen. verschiedenen Veranstaltungen, die Bevölkerung vorher nicht gewusst, Ich darf damit auch schon das Wort wir vor allem auch für junge Men- was Gravitationswellen sind. Diese an Professor Herbert Matis weiter schen ausrichten, sollen die Faszina- periodische Krümmung des Raumes geben. tion für Wissenschaft, Forschung und ist eine Folge von sich sehr schnell Technologie wecken. bewegenden Massen, auch wenn Ich komme zurück zum heutigen diese sehr, sehr weit weg sind. Mit Symposium „Moderne bildgebende diesem Phänomen hätte die Bevölke- Verfahren“. Unsere Augen sind ein rung vorher gar nichts anfangen kön- unwahrscheinlich leistungsfähiges nen. So etwas entzog sich der Vorstel- optisches Instrument. Ein optischer lungskraft der meisten Bürgerinnen Sensor, insbesondere wenn man und Bürger. Erst durch die grafische diese geniale Bildverarbeitung mit- Aufbereitung, wie beispielsweise auf berücksichtigt, die uns von der dem Deckblatt der Einladung zum Natur mitgegeben worden ist. Diese heutigen Symposium ersichtlich, Bildverarbeitung ist imstande, kom- konnten Gravitationswellen in der ÖAW 8
EINLEITUNG EINLEITUNG HERBERT MATIS Meine Damen und Herren, Sie wer- realisieren, und es ist ja auch jemand den sich vielleicht fragen, wie ein von „Siemens Healthcare“ für das Wirtschaftshistoriker dazu kommt, heutige Symposium nominiert wor- sich mit dem Thema „Moderne bild- den. Georg Brasseur und ich wollten gebende Verfahren“ auseinanderzu- aber das Thema „ Moderne bildge- setzen. Hierzu kurz die Vorgeschich- bende Verfahren“ an der Akademie te: Ich war gemeinsam mit dem bewusst in einen größeren Zusam- Generaldirektor von Siemens Öster- menhang stellen und auch ein breite- reich, Wolfgang Hesoun, bei einem res Anwendungsgebiet ansprechen, Abendessen nach einem Besuch im wodurch sich fächerübergreifend Naturhistorischen Museum, und er auch Vertreterinnen und Vertreter war mein unmittelbares Gegenüber ganz unterschiedlicher Disziplinen am Tisch. Wir sind ins Reden gekom- angesprochen fühlen können. Herbert Matis ist Professor der men, und ich habe ihm erzählt, dass Es zeigt ja den großen Vorzug einer Wirtschafts- und Sozialgeschichte an ich vor Jahren einmal medizinische Gelehrtengesellschaft wie der Aka- der Wirtschafts universität Wien. 1995 Röntgenaufnahmen gesehen habe, demie der Wissenschaften auf, dass wurde er zum wirklichen Mitglied der die mich schon damals sehr beein- hier immer wieder interessante The- ÖAW gewählt. 2003 bis 2009 war er druckten, und dass seither moderne men quer über die einzelnen wissen- Vizepräsident der Akademie. bildgebende Verfahren in der Medi- schaftlichen Disziplinen diskutiert zin wohl einen unerhörten Fortschritt werden, also nicht nur rein fachspe- erlebt hätten. Ich habe Herrn Hesoun zifisch, sondern mit vielen möglichen sodann gefragt, ob er sich vorstellen Zugängen. Visualisierung, das Un- könne, moderne bildgebende Verfah- sichtbare sichtbar machen, wie ja der ren aus dem Healthcare-Bereich an Untertitel der Veranstaltung lautet, der Akademie der Wissenschaften ist ein solches Thema. Es ist bekannt, vorzustellen. Er meinte, dies ließe sich dass in der Medizin wahrscheinlich ÖAW 9
EINLEITUNG die spektakulärsten Anwendungen Infrarot-, Ultraviolett-, Röntgen-, Licht auch das gesamte Spektrum stattfinden, und es ist zweifellos inte- Gammastrahlung und so weiter. Die elektromagnetischer Strahlung für ressant, auch andere Disziplinen, bei jeweilige Wechselwirkung dieser Visualisierungszwecke einzusetzen. denen Visualisierung ebenfalls eine elektromagnetischen Wellen bezie- Sie wissen, dass etwa im Bereich große Rolle spielt, in die Betrachtung hungsweise Strahlung mit Materie des sichtbaren Lichtes Linsenfern- miteinzubeziehen und damit ein macht es möglich, viele für das Auge rohre, Riesen- und Spiegelteleskope breiteres Spektrum abzudecken. normalerweise unsichtbaren Eigen- eingesetzt wurden zur Beobachtung Moderne bildgebende Verfahren gibt schaften eines Körpers, respektive ferner Himmelskörper. Darüber es also, wie gesagt, in sehr unter Materials, sichtbar zu machen. Wir hinaus kam es später noch zur Mes- schiedlichen Bereichen, und die Fülle hätten ohne Zweifel in diesem Zu- sung der extraterrestrischen Radio-, der wissenschaftlichen Anwendun- sammenhang auch sehr schöne Bei- Ultraviolett-, Infrarot-, Röntgen- und gen reicht natürlich auch über das spiele in unserem ÖAW-Institut für Gammastrahlung. Und auch bei den hinaus, was wir hier heute in dieser Materialwissenschaften in Leoben Mikroskopen hat es weitere Ent- Veranstaltung vorstellen können. In gefunden. wicklungen gegeben, die das ganze unserem Symposium werden Bei- Am Beginn der wissenschaftlichen Spektrum ausgedehnt haben. Im Fre- spiele aus der Medizin und der Bio- Visualisierungsbemühungen standen quenzbereich des Lichtes kommen logie bis hin zur Archäologie und optische Verfahren, mit welchen die zum Beispiel die Endoskopie und die zur Astronomie gebracht. Daneben dem menschlichen Auge zugäng optische Tomografie zum Einsatz. Im gibt es natürlich auch viele andere lichen elektromagnetischen Wellen Bereich der Röntgenstrahlung das Felder, die man hier beleuchten im Frequenzbereich des Lichtes ge- klassische Röntgen und die Compu- könnte. Was interessant ist, ist der sammelt und gebündelt werden soll- tertomografie. Bei der Kernspinto- Umstand, dass alle in diesem Zu- ten. Sie kennen alle die Instrumente, mografie werden Wasserstoffatomen sammenhang vorgestellten Verfah- die dazu konstruiert wurden: für den durch Radiowellen starke Magnetfel- ren auf einer gemeinsamen Grund- Mikrokosmos das Mikroskop, für der angelegt. Sie sehen also, das alles lage beruhen. Herr Brasseur hat es den Makrokosmos das Teleskop. Da- hat sich enorm weiterentwickelt. schon gesagt: Der Mensch ist ein mit konnten Phänomene sichtbar ge- Die wohl spektakulärsten Erfolge Augenwesen, das seine Umgebung macht werden, die ohne diese techni- erzielen, wie ich bereits gesagt habe, vor allem über dieses Sinnesorgan schen Hilfsmittel dem menschlichen bildgebende Verfahren im Bereich wahrnimmt. Und um das Unsicht- Auge nicht zugänglich sind. Diese der Medizin, wo ebenfalls mithilfe bare sichtbar zu machen, bedient klassischen optischen Verfahren sind von den Körper durchdringender sich die Wissenschaft vor allem der weiterentwickelt worden und sind elektromagnetischer Strahlung ganz elektromagnetischen Strahlung mit natürlich auch heute noch in Verwen- neue Möglichkeiten der nichtinva- unterschiedlichen Wellenlängen, dung. Aber die Entwicklung ging vor siven Diagnostik eröffnet wurden. etwa der Radiowellen, Mikrowellen, allem in die Richtung, neben dem Dabei liefert die Wechselwirkung ÖAW 10
EINLEITUNG der Strahlung mit den Körpern, ver- für Augenheilkunde an der Univer- schiedenen Detektionseinrichtungen sität Lübeck, bevor sie dann 2004 sowie Kontrastmitteln ein Bild des nach Wien berufen wurde. Die Liste Köperinneren, wobei die einzelnen ihrer Publikationen ist mehr als be- bildgebenden Verfahren entspre- eindruckend. Die Auflistung der chend dem Frequenzbereich der Herausgeberschaften, internationa- Strahlenquellen jeweils verschiedene len Patente, Auszeichnungen und physikalische Effekte messen kön- Mitgliedschaften umfassen darüber nen. Wir haben heute die Möglich- hinaus mehrere eng beschriebene keit, durch die einzelnen Referate Seiten; alles aufzuzählen würde den des Symposiums verschiedene An- Rahmen hier sprengen. Die Öster- wendungsbereiche kennenzulernen, reichische Akademie der Wissen- in denen durch moderne Methoden schaften ist jedenfalls stolz, dass wir der Visualisierung ganz neue Er- Ursula Schmidt-Erfurth zu unseren kenntnisse gewonnen wurden. Wie wirklichen Mitgliedern zählen dür- der Titel es verheißt: Das Unsichtbare fen. Der heutige Vortrag behandelt wird sichtbar gemacht. das Thema „Künstliche Intelligenz Ich darf nun als erste Vortragende im Auge – und in der Medizin“, und Frau Ursula Schmidt-Erfurth näher wir sind schon alle gespannt auf den vorstellen. Sie ist Professorin an Vortrag. Bitte, Frau Schmidt-Erfurth. der Medizinischen Universität in Wien und Leiterin der Abteilung für Ophthalmologie und Optometrie am Allgemeinen Krankenhaus sowie Leiterin eines Christian-Doppler- Labors für „Ophthalmic Image Analysis“, kurz OPTIMA, ebenfalls in Wien. Sie absolvierte das Medizin studium in München, daran schlos- sen sich mehrfache Auslandsauf- enthalte an, unter anderem auch an der Harvard Medical School und am Massachusetts General Hospital in Boston. Es folgte eine Professur ÖAW 11
EINLEITUNG ÖAW 12
URSULA SCHMIDT-ERFURTH KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IM AUGE – UND IN DER MEDIZIN URSULA SCHMIDT-ERFURTH Vielen Dank für die freundliche Vor- des „New Yorker“ Magazins mit stellung, die Einladung und die Auf- dem Smartphone fotografiert und nahme in die Akademie der Wissen- sie mir geschickt – das ist ja nicht schaften. Da ist der Stolz natürlich unbedingt eine Hauspostille für Au- ganz auf meiner Seite. genärzte –, und da liest man: „[...] Ursula Schmidt-Erfurth ist Professorin Außerdem freue ich mich darüber, the same technology that knows für Augenheilkunde und Optometrie an dass in der Einleitungsrede schon your dog from your cat“, und sieht der Medizinischen Universität Wien. neunmal das Wort „Auge“ aufge- die entsprechenden Google-Bilder. Sie ist hier auch Leiterin des Christian taucht ist. Das ist natürlich genau das Und wenn man dann die andere Doppler Labors für „Ophthalmic Image Mikrouniversum, in dem ich mich Seite anschaut, wundert man sich Analysis“ (OPTIMA). 2019 wurde sie bewege und in das ich Sie nun gerne schon ein bisschen mehr. Da steht zum wirklichen Mitglied der ÖAW ge einladen möchte. nämlich: “[...] helps doctors know a wählt. Künstliche Intelligenz und Auge, healthy eye from an at risk one”. Und diese beiden sind jetzt vielleicht nicht dann steht da auch noch darunter, etwas, was man automatisch zusam- dass eben genau dieses Google- menbringt. System krankhafte Gefäße erken- Vor drei Monaten hat meine Toch- nen kann, am Augen hintergrund ter die zweite und die dritte Seite von 420 Millionen Diabetikerinnen ÖAW 13
URSULA SCHMIDT-ERFURTH und Diabetikern, die es auf der Welt genug, um sich für das Sehvermögen der klinischen Labordiagnostik. Das gibt und die alle im Lauf des Lebens und für die Netzhaut zu engagieren, ist schon einmal eine bedeutende Ge- eine diabetische Netzhauterkran denn die ist letztlich das, was hier be- wichtung. kung entwickeln werden. Das wis- schädigt wird. Vom Auge, wie gesagt, gibt es beson- sen wir. Und was ich besonders Hier hilft die künstliche Intelligenz. ders riesige Bildmengen. Diese Bild- lustig finde, ist, dass darunter steht: Die künstliche Intelligenz ist eine mengen kommen zum Beispiel von “[...] empowering doctors through relativ neue Entwicklung, es gibt sie der Optischen Kohärenz-Tomografie, diagnosis, with a little help from noch nicht so lange. Zwar existiert OCT abgekürzt. Sie wird mit einem Google”. Es ist immer schön, wenn der Terminus schon viel länger, als sehr schnellen Laserscanner durch- man „a little help from Google“ hat. es Artificial Intelligence wirklich geführt. Alle von Ihnen, die in der Und jetzt zeige ich Ihnen, was wir gibt. Denn erst mit der Entwick- letzten Zeit beim Augenarzt waren, ohne „little help from Google“ hier in lung der großen IT-Anwendungen haben wahrscheinlich so ein OCT Wien machen. kam langsam das Machine-Learning gemacht bekommen. Das spürt man Warum sind wir auf diesem Ge- dazu – und in der Zwischenzeit mit kaum, es dauert nur 1,2 Sekunden, biet überhaupt so engagiert? Weil den riesigen Datenmengen, die jetzt und es werden in dieser Zeit Bild wir wissen, dass das Sehen bedroht digital zur Verfügung stehen, auch daten aufgenommen, die ungefähr ist. Die Ursachen oder die Häufun- das Deep Learning. Deep Learning in 60 bis 80 Millionen Pixel haben, mit gen von einem schweren Sehverlust Healthcare ist etwas, was zu sehr viel einer Auflösung von fünf Mikro in moder nen Zeiten, mit einer so Einsichten und zu sehr viel Publika- metern, nicht invasiv, ohne Farbstoff gehypten modernen Medizin, sind tionen führt, gerade in dieser moder- und es kostet nichts. Das ist etwas, steigend. Und zwar gibt es 25 Pro- nen Zeit. Besonders in der Medizin was es in der Medizin in keinem zent Zunahme an schwerem Sehver- ist die artifizielle Intelligenz ein ganz anderen Fachbereich gibt, eine so lust. Das ist schon mehr als depri- relevantes Thema. Warum? Weil das hochauflösende Darstellung von mierend. Was sind das für Menschen, diagnostische Imaging in der Medi- mikroskopisch kleinen Veränderun- die da betroffen sind? Das sind in zin in vielen Bereichen praktiziert gen im Auge. Im OCT sieht man erster Linie Menschen, die älter wer- wird, hier ist nicht nur die Radio- diese vielen kleinen Flüssigkeitsver- den, also wir alle. Es gibt im Moment logie zu nennen, sondern auch die änderungen, die bei einer Makula- 600 Millionen Menschen, die über Ophthalmologie, bei der 90 Prozent degeneration feststellbar sind, der 65 Jahre alt sind, und das wird noch der Diagnosen aufgrund von digi- Laserscanner rast dabei über die zen- steigen. Und dann gibt es die Diabe- talen Bildern gestellt werden. Der tralen drei Millimeter des hinteren tikerinnen und Diabetiker, die zu der Anwendungsbereich der Artificial Augenpols hinweg. Es sind die ein- Gruppe der arbeitstätigen Bevölke- Intelligence, gerade in der Bildver- zelnen Netzhautschichten erkennbar. rung zählen, bei der es am häufigsten arbeitung, ist wesentlich größer als So kann die Netzhaut also dargestellt zur Erblindung kommt. Also Gründe der der genetischen Diagnostik oder werden, in all ihren mikroskopisch ÖAW 14
URSULA SCHMIDT-ERFURTH kleinen Veränderungen. Und nur zur wirklich nützt. Die meisten Erkran- viel schlechter. Das wundert einen Erinnerung: Die Makula, das ist der kungen, wie zum Beispiel Alterungs- ein bisschen, denn wir haben doch Teil des schärfsten Sehens, ohne den prozesse und Diabetes, sind chroni- so eine hervorragende Diagnostik, man weder lesen noch Gesichter er- sche Erkrankungen. Das heißt, die in der wir eigentlich alles erkennen kennen kann. Das sind lediglich die Patientinnen und Patienten, die zu können und jede einzelne Flüssig- zentralen 1,5 Millimeter. Und es ist uns kommen, bleiben ihr Leben lang keitsblase sofort behandeln könnten. klar verständlich, dass eine so hohe in unserer Betreuung und müssen Dass dies in der realen Welt nicht so Auflösung – ohne dass man irgend- zum richtigen Zeitpunkt die richtige gut ist, liegt daran, dass in den klini- welche radioaktiven Mittel verwen- Behandlung erhalten, damit kein schen Studien etwas arbeitet, was ich den muss, ohne dass es lange dauert Netzhautschaden entsteht, der nicht hier in Wien 2006 gegründet habe, und ohne dass es viel kostet – schon mehr rückgängig zu machen ist. Wie nämlich ein sogenanntes „Reading ein riesiges Angebot ist. spielen hier die Diagnostik und die Center“. Ein Reading Center sammelt Das andere, was in der Augenheil- Therapie zusammen? Im OTC ist Bilder, die von allen klinischen Sites, kunde wahrzunehmen ist, ist neben klar erkennbar, was der Diabetes be- allen „Centers of Excellence“ in der der Diagnostik die hoch entwickelte wirkt und was die feuchte Makula Welt kommen. Das Wiener Reading Therapie. Die häufigste Therapie in degeneration macht, dass nämlich Center an meiner Abteilung ist mit der Augenheilkunde besteht in Injek- die n eurosensorischen Netzhaut- 600 Netzhautkliniken weltweit ver- tionen von Antikörpern direkt in das schichten schwer verändert sind. knüpft, auf allen fünf Kontinenten, betroffene Auge. Wir machen das an Durch die Injektion kann man diese auf digitale Art und Weise. So erhal- der Wiener Augenklinik 50- bis 60-mal Flüssigkeit vertreiben und dann die ten wir digitale Bilder von der Netz- pro Tag. Sie können hochrechnen, Netzhaut wieder trocken machen. haut von Millionen von Patientinnen wie oft wir das im Jahr machen. Das heißt, es ist eine Therapie, die und Patienten, die wir auswerten Und in Österreich waren es im Jahr gesteuert wird von Bildern. Und das – und das vor allen Dingen für klini- 2016 80.000 Injektionen. Heute sind sind sehr hochauflösende Bilder. sche Studien. Und deswegen sind die wir s icher allein in Österreich schon In den klinischen Studien, die all klinischen Studienergebnisse auch so bei einer halben Million Injektio- diese neuen Therapien eingeführt besonders gut. nen in Augen von Patientinnen und haben, sieht man, dass hier der In der wirklichen klinischen Routine Patienten, die sonst aufgrund ihrer Visus-Gewinn besonders hoch ist. aber sitzen Millionen von Augenärz- Netzhauterkrankung erblinden wür- All diese Patientinnen und Patienten tinnen und Augenärzten in ihren den. Das ist auch der sogenannte sahen deutlich besser, nachdem sie abgedunkelten Ordinationen, erzeu- „biggest budget drain in medicine“, behandelt wurden, aber eben nur in gen Hunderte und Aberhunderte weil diese Antikörper natürlich sehr Studien. In der „wirklichen Welt“ – von Bildern. Aus diesen versuchen viel Geld kosten und weil man sie und die wirkliche Welt ist halt eine sie dann abzuleiten, ob die Patientin nur dann injizieren will, wenn es millionenfache – sind die Ergebnisse oder der Patient jetzt eine Behand- ÖAW 15
URSULA SCHMIDT-ERFURTH lung braucht, ob eine Erkrankung möchte ich am Ende des Vortrags den wir das jetzt auf diagnostische vorliegt, ob er oder sie frisch erkrankt auch noch einmal kurz zurückkom- Bilder an. Wie machen wir das? Im ist, ob die Erkrankung schon älter ist, men. Das Sehen an sich ist ja nichts OPTIMA-Labor kann man automa- ob sie chronisch ist, ob die Prognose anderes als Bilderkennung. Wenn tisch segmentieren, man kann die gut oder schlecht ist. Sie sind damit ein Baby geboren wird, wenn ein pathologischen Läsionen quantifizie- relativ hilflos. Zu viele Fälle, zu viele Mensch geboren wird, hat er keine ren. So etwas war bisher überhaupt OCT, die Technologie geht immer Vorstellung davon, was er sieht. Die nicht möglich. Natürlich können aus weiter. In der Zwischenzeit erzeu- Verknüpfung zwischen dem, was der Tausenden von Daten auch Krank- gen die Scans nicht nur 60 Millionen optische Eindruck ist, und dem, was heitsmuster erkannt werden, und Pixel, sondern 400 Millionen Pixel das Bild wirklich bedeutet, entsteht damit kann die Pathogenese von Er- in 1,4 Sekunden. Das kann natürlich erst durch das Lernen im Gehirn. So krankungen viel besser verstanden ein Mensch auch mit einem geübten kann man das, was wir mit der arti- werden. Es können prognostische Auge nicht gut auswerten Und viele fiziellen Intelligenz machen und mit Aussagen gemacht werden, und dieser Daten werden gar nicht ge- diesen neuronalen Netzwerken und wir können verstehen, welche Ver- nützt. Obwohl es viele Publikationen Filtern differenzieren, eigentlich änderungen in der Netzhaut dann und immer mehr Einsichten gibt, ist genau gleichsetzen mit dem, was überhaupt zu funktionellen Ver das Problem der Datenflut nicht ge- visuelle Wahrnehmung in der phy- änderungen führen. Dafür habe ich löst. Vielleicht brauchen wir doch siologischen Welt bedeutet. 2013 das „Christian-Doppler-Labor „a little help from our friends“ und Das heißt, es entsteht irgendwo für Ophthalmologische Bildanalyse“ etwas, was zumindest Google-Style ein Bild, das aus Bilddaten besteht. gegründet. Wir sind also schon ist. Google ist ein Spezialist und hat Und diese Bilddaten werden dann sieben Jahre aktiv in diesem Labor, mit der Bilderkennung angefangen. über die Sehbahn und über diverse mit sehr gescheiten Menschen aus Der Begriff „ImageNet“ ist Ihnen neuronale Filter im Kopf jeder Be- aller Welt, die alle entweder eng- vielleicht bekannt. „ImageNet“ ist trachterin und jedes Betrachters ins lisch miteinander sprechen oder gar eine riesige Bilddatenbank, die von Gehirn geschickt. Im Gehirn sind nicht. Wenn man in das große Labor der Universität Stanford initiiert 31 Zentren gleichzeitig online da- hineinkommt, tippt jeder etwas in wurde. Dazu wurden in den Jahren mit verbunden, Bildverarbeitung zu seinen Laptop. Und dann sage ich: 2009 bis 2015 viele nicht akademische machen. Des wegen bin ich immer “Why don’t you guys talk to each Bildmacher und Computerfreaks dafür, die künstliche Intelligenz other?” Und dann schauen sie mich eingeladen, Bilder zu schicken und gar nicht künstliche Intelligenz zu an und sagen: “But that’s what we diesen Bildern gleichzeitig ein Label nennen. Sie ist eine etwas billigere are doing.” Weil sie, obwohl sie im zu geben. Darauf beruht die Bilder- Kopie von dem, was an biologi- selben Raum sitzen, sich nur digital kennungsweisheit von Google größ- scher Intelligenz ohnehin schon bei unterhalten, das sei nämlich effizien- tenteils, und auf dieses „ImageNet“ der Bilderkennung stattfindet. Wen- ter, sagen sie. Und das stimmt auch, ÖAW 16
URSULA SCHMIDT-ERFURTH weil sie in der Zwischenzeit schon sehr viele schöne Algorithmen ent- wickelt haben. Einer dieser Algorithmen, der wahr- scheinlich wichtigste, ist der, den wir jetzt in die klinische Routine brin- gen werden. Er schaut sich an, was Flüssigkeit in der Netzhaut macht. Diabetes, feuchte Makuladegenera- tion, Gefäßverschlüsse verursachen Flüssigkeit in und unter der Netz- haut, unter dem Sehpigment und diverse andere exsudative Verände- rungen. Und das ist eine Netzhaut, die nicht mehr funktionieren kann und das Sehen verliert und die be- handelt werden muss. Zum richtigen Moment. Jetzt kann die Augenärztin oder der Augenarzt wie gesagt d iese vielen kleinen Zysten, im OCT als rote Kugeln erkennbar, gar nicht alle durchzählen. Das sind nämlich jeweils mehrere Hundert, und von solchen Patientinnen und Patienten Abb.: Schmidt-Erfurth, U., Sadeghipour, A., Gerendas, B.S., Waldstein, S.M., Bogunovic, sieht man je ungefähr 80 bis 90 am H., 2019. Artificial intelligence in retina. Progress in Retinal Eye Research 67, 1–29. Tag. Es braucht also ein kluges Sys- tem, das diese Information über die Flüssigkeit herauszieht. Dafür haben mehr markiert werden muss und bei Encoder-Decoder-Architecture oder wir Algorithmen entwickelt, die auf der die braven, fleißigen Lieschen im eine U-net-Architecture, das ist in Deep Learning basieren. Das nennt Reading Center gar nicht mehr dort der Zwischenzeit ein Standardbegriff man dann End-to-End-Learning, sitzen und „Malen nach Zahlen“ im Deep Learning geworden –, wo und das ist der besonders „fancy“ auf jedem Scan durchführen müs- Veränderungen in Form von Flüssig- Teil von Deep Learning oder Bild sen. Sondern dieser Algorithmus er- keit in der Netzhaut sind. Er kann sie analyse, bei der nämlich gar nichts kennt selbst – über eine sogenannte lokalisieren und auch quantifizieren. ÖAW 17
URSULA SCHMIDT-ERFURTH Diese Art der artifiziellen Intelligenz, Algorithmus ein Ranking gemacht nicht nur die Morphologie, sondern des Deep Learning in der Medizin werden, und das zeigt uns, welche auch die Funktion an. wurde 2015 entdeckt, das heißt, da Art von Flüssigkeit überhaupt die Das macht nun vieles möglich. Wir waren wir schon zwei Jahre in diesem relevante für das Sehvermögen ist: können nämlich voraussagen, wie oft Bereich aktiv und sonst niemand, nämlich die „intraretinal fluid“, wie eine Patientin oder ein Patient behan- das können wir mit Stolz sagen. Da man im Ranking der 20 wichtigs- delt werden muss. Ich habe bereits waren wir die Pioniere. Das wurde ten Ursachen sieht. Dieses Ranking gesagt, das sind alles lebenslange benannt als eine der “worldchanging geht noch viel weiter, weil die Bild Behandlungen, die auch sehr teuer ideas which will change and improve analyse natürlich sehr viele Para- sind. Allein an der Augenklinik am the world – and not only healthcare”. meter findet. Was wir damit gezeigt AKH geben wir drei Millionen Euro Was haben wir mit diesem Algorith- haben, ist, dass nur die Flüssigkeit im Jahr nur für diese Medikamente, mus lernen und zeigen können? Wir in der Netzhaut wichtig ist. Das ist diese Antikörper, aus – ein großer haben zeigen können, dass bei all die- dummerweise gerade die, die mit so Teil des Budgets. Und das wollen wir sen Erkrankungen, wie diabetische vielen Zysten vorkommt und von der natürlich sinnvoll verwenden, und Makulopathie, choroidale Neovas- Ärztin, vom Arzt besonders schlecht wir wollen das so machen, dass so kularisation und Gefäßverschlüssen, quantifiziert und überhaupt entdeckt viel behandelt wird wie nötig, aber häufig bei allen Gesellschaftserkran- werden kann. Wir haben auch ge- so wenig wie möglich, „pro re nata“ kungen, hier Flüssigkeit in der Netz- zeigt, dass man nur, wenn man diese also. Bisher war es nicht möglich, das haut in kleinsten Mengen gemessen intraretinale Flüssigkeit misst, dass genau zu bestimmen. Der Algorith- werden kann. Wir haben gezeigt, 100 Nanoliter – wir sind wirklich in mus kann es aber, der Algorithmus dass die „area under the curve“, das einem klitzekleinen Labor hier in der ist hier auch besser als der Mensch. heißt die Präzision, hier bei 96 Pro- Makula – zu einem Sehverlust von Somit können wir natürlich unser zent liegt. Das ist wahnsinnig hoch, vier Buchstaben auf einem standardi- Wissen über die Erkrankung deutlich denn wir befinden uns hier in einem sierten Sehtest führt. Vergleicht man erweitern und damit auch die Behand- menschlichen Mikrouniversum. den tatsächlichen Visus, der am lung. Und wir können der P atientin Wir haben das außerdem auch in lebenden Patienten gemessen wor- oder dem Patienten auch sagen, der Auswertung verknüpft, indem den ist, und das, was der Algorith- was sie beziehungsweise er für eine wir geschaut haben, welche Art von mus misst, sieht man, wie eindrück- Prognose hat. Das ist in der Medizin Flüssigkeit sich findet. Wo ist diese lich genau der Algorithmus – wenn ja immer ganz besonders wichtig. Vor Flüssigkeit in diesem kleinen Bereich er nur die Netzhautbilder vorlie- allen Dingen, wenn es sich um so eine genau, diesen zentralen 1,5 Milli gen hat und die Patientin oder den lebenslange Behandlungs- und Be- metern der Netzhaut, und zu wel- Patienten nie gesehen hat – sagen treuungsaufgabe handelt. chem Zeitpunkt befindet sie sich kann, wie deren oder dessen Sehver- Was wir als Letztes gemacht haben, dort? Dann kann mit einem anderen mögen ist. Das heißt, er schaut sich war eine ganz große Studie, die soge- ÖAW 18
URSULA SCHMIDT-ERFURTH nannte AREDS-Studie. Bei ihr wur- auf die kommt es an, die müssen bieten kann, und das ist natürlich den diese Medikamente in einer nied- wir messen. Die andere Flüssigkeit allein von der visuellen Erkennung rigen und einer hohen Dosis gegeben ist dagegen unter der Netzhaut und schon ein sehr gutes diagnostisches und entweder monatlich ständig, unter dem Sehpigment, das sind viel Bild. Und jeder dieser kleinen Flüssig- was natürlich in der „normalen Welt“ größere Poolings, aber für das Sehen keitseinschlüsse ist unter fünf Mikro unbezahlbar und undurchführbar ist, nicht relevant, wie wir gezeigt ha- meter groß, also wirklich winzig oder nach einer „loading dose“ drei- ben. Mit diesen Studiendaten und klein. Wir haben das in dieser Studie mal injiziert, dann nur nach Bedarf. dem entsprechenden Follow-up aufgrund des großen Datensets ge- Nämlich dann, wenn Flüssigkeit in konnten wir demonstrieren, dass die nau messen können. Wir sehen, dass der Netzhaut war. Wenn man be- intra-retinale Flüssigkeit auf die erste unser Algorithmus sehr genau misst. denkt, dass das 1.097 Patientinnen Injektion hin bereits verschwindet Er erkennt hier nämlich sehr genau, und Patienten sind und dass diese und dass wir das auch noch genau dass dort, wo die Dosis geringer ist, 1.097 Personen über zwei Jahre jeden messen können. auch mehr Flüssigkeit übrig bleibt, Monat so ein OCT bekommen haben, Ich möchte noch einmal darauf das heißt, es ist wesentlich effizien- dann endet man bei 25.300 Volumen hinweisen, dass es sich hier um ter, wenn man die Dosis erhöht. Und scans, die Millionen von Pixeln Nanoliter handelt. Es ist ja in der vor allen Dingen kann man, wenn haben, und man endet bei 3,1 Millio Medizin kaum einmal so, dass man man die Frequenz der Wiederbe- nen von Einzelbildern, also einer so kleine Veränderungen im Gewebe handlung erhöht, wesentlich effizien riesigen Menge. auch wirklich messen kann. Dann ist ter behandeln. Es geht natürlich in Damit man überhaupt über den Zeit- es die Flüssigkeit unter der Netzhaut, diesem großen Pharma-Markt, wo verlauf ein Follow-up machen kann, auch sie geht weg unter Therapie. Es es sehr viele Produkte gibt und sehr braucht es wieder einen anderen ist sehr viel mehr Flüssigkeit unter viele Substanzen, die alle wahnsin- Algorithmus, nämlich zur Registrie der Netzhaut vorhanden. Für die nig viel kosten, darum, dass man das rung, sodass man wirklich von Sehschärfe ist sie aber nicht wich- bestmögliche Medikament identifi- Untersuchung zu Untersuchung tig. Und das, was viele Kolleginnen ziert. Das kann man auf diesem Wege und auch zwischen den Patientinnen und Kollegen in der Welt auch noch machen. Jetzt ist, wenn die Netz- und Patienten die Bilder genau über behandeln, ist Flüssigkeit unter dem haut schon so mit Flüssigkeit über- einanderlegen kann. Auch das ist gar Sehpigment. Man sieht aber in der schwemmt ist, eigentlich das Kind nicht so trivial. So bekommt man ein Messung, das kann man gar nicht schon in den Brunnen gefallen. D iese dreidimensionales Volumen, und wegbehandeln. Da ist man sehr Menschen sehen schon nur noch hier kann man dann die Flüssigkeit schlecht beraten, wenn man hier ungefähr zehn Prozent. Für das nor- in der Netzhaut, das sind eben diese jedes Mal der Patientin oder dem male Lesen von Buchdruck braucht roten kleinen Poren oder Zysten im Patienten eine Spritze ins Auge gibt. man 40 Prozent. Mit zehn Prozent OCT, separat erkennen. Und genau Das ist das, was die Bildbearbeitung kann man nicht allzu viel anfangen. ÖAW 19
URSULA SCHMIDT-ERFURTH Man kann vor allen Dingen nicht die voraussagen können, bei welchen Ausstattung, früher oder später in einmal Auto fahren oder Gesichter Veränderungen – und die sind auch jedem Fall sein Sehvermögen auf- erkennen. wieder nach Häufigkeit gerankt – es grund dieser trockenen Makula Eigentlich ist die Aufgabe der Augen so eine feuchte Makuladegenera degeneration oder geografischen ärztin oder des Augenarztes, dass tion gibt, also jene Form, die mit den Atrophie verlieren wird. Das heißt, sie beziehungsweise er erkennt, wer Spritzen behandelt werden muss. es besteht hier wirklich ein ganz gro- so eine Erkrankung entwickelt. Das Das sind alles Veränderungen, die ßer Bedarf, so etwas rechtzeitig zu kann man im OCT jetzt viel besser mit diesen Drusen, diesen Wellen im erkennen. voraussehen. Man kann nämlich be- Sehpigment, zu tun haben, die sehr Jetzt kann man das OCT noch ge reits in einem Stadium, in dem die gehäuft auftreten. Wir entdecken sie, nauer machen, nämlich mit Adaptive- Patientinnen und Patienten noch gar indem wir den Algorithmus das ein- Optics-Methoden. Das kennt mein nichts merken, in dem sie noch einen fach ganz genau nachmessen lassen. Kollege aus der Astronomie noch vollen Visus haben, erkennen, dass Obwohl: Einfach ist hier gar nicht sehr viel besser als ich. Er richtet das im Vergleich zum normalen Auge die einfach, weil es sich, wie gesagt, Teleskop in das Weltall. Unser All ist äußeren Netzhautschichten deutlich immer um Millionen von Bildpunk- die Netzhaut, und hier sieht man, verbogen sind. Auch das sieht man ten handelt. dass beim normalen Altern d iese nur im OCT. Das sieht die Augenärz- Es lassen sich aber auch andere Ver- grünen und roten Punkte, nämlich tin oder der Augenarzt nicht, wenn änderungen feststellen, die man kli- die Stäbchen und Zapfen, schon ein sie bzw. er ins Auge schaut. nisch gar nicht sehen kann. Hier sind bisschen unregelmäßig werden, aber Wenn wir ein OCT einer feuch- wir im subklinischen Raum. Das ist beim pathologischen Altern zerfallen ten Makuladegeneration von dem gar nicht sichtbar für den Kliniker, die Sinneszellen dann und verlassen Algorithmus schichtweise aufberei- nur für das OCT-Gerät. Und hier dann eben den Ort des Geschehens, ten lassen, dann erkennen wir nicht auch nur, wenn der Algorithmus das verlassen ihre Reihe und laufen weg. nur, dass dort viele kleine Bogen sind heraussucht, erkennbar als kleine, Migration nennt man das. – sie werden Drusen genannt und helle Punkte. Diese hellen Punkte Das ist etwas Neues, das hat es vor- sind einfach nur Ablagerungen –, sind Sehpigment, das wegläuft, her nicht gegeben. Kein Mensch sondern wir sehen, dass die neurona- wenn es krank wird, und das ist das, hat bislang verstanden, woher die len Schichten in der Netzhaut bereits was das Altern an der menschlichen Makula degeneration kommt, und massiv zerstört sind. Das ist eine Netzhaut macht. Daraus entwickelt durch diese künstliche Intelligenz, wichtige Erkenntnis. Das heißt, dass sich dann eine sogenannte geografi- angewendet auf den hochauflösen- die Erkrankung wesentlich früher be- sche Atrophie. Hier ist das Alter ein den Bildern, kommen wir der Sache ginnt, und zwar genau dort, wo die ganz, ganz wichtiger Faktor. Das be- sehr viel näher. Was hat der Augen- Netzhaut am sensibelsten ist. Dafür deutet, dass jeder Mensch im Lauf arzt oder die Augenärztin bisher gibt es wieder andere Algorithmen, seines Lebens, je nach genetischer gemacht? Man hat sich den Augen- ÖAW 20
URSULA SCHMIDT-ERFURTH hintergrund angesehen. Selbst solche zellen dann der dunkle Ausfall, die dazu verwendet, hier ganz andere digitalen Fotos haben nur eine be- dunkle Stelle, wo Sehen nicht mehr Informationen herauszuziehen, die grenzte Auflösung, bestehen nur aus möglich ist, stattfindet. mit einer Augenerkrankung nichts zwei Millionen Pixeln – oder Voxeln So hat man eine wunderbare Mög- zu tun haben. Wenn z. B. ein Augen- in dem Fall. Was man also sehen lichkeit, die Erkrankungspathologie arzt, auch der größte Experte, es sich kann, muss mindestens 100 Mikro- wirklich sichtbar zu machen, und ansieht, wird er sagen: „Na ja, das meter groß sein. Das, was das OCT überall dort, wo die Sinneszellen ist ein Patient, er ist wahrscheinlich sehen kann, ist fünf Mikrometer groß weglaufen, die sich tatsächlich im mittelalt, und es handelt sich um ein oder sogar noch kleiner. Das ist unsichtbaren Raum befinden, wird rechtes Auge, das ist ganz klar, denn natürlich ein Quantensprung. dann diese Stelle entstehen, an der der Sehnerv ist auf der rechten Seite, Es gibt jetzt verschiedene Möglich- die Netzhaut komplett zerstört ist aber mehr kann ich darüber wirklich keiten, hier Künstliche-Intelligenz- und auch nicht wiederkommt. nicht sagen.“ Wenn man den Algo- Algorithmen anzuwenden. Ein wenig Das ist alles Ophthalmologie. rithmus darüber laufen lässt, dann habe ich bereits davon erzählt. Man Ophthalmologie – vielleicht sagen sagt dieser: „Dieser Mensch ist 75, er misst die Netzhautschichten und Sie: „Ja, der Elfenbeinturm Medizi- ist weiblich, er hat früher geraucht, da vor allen Dingen die neuronalen nische Universität.“ So ist es aber raucht jetzt nicht mehr. Das ist sein Schichten. Hier gibt es übrigens nicht. Künstliche Intelligenz ist in Blutzuckerwert, sein Blutdruck ist denselben Aufbau wie im Gehirn, der M edizin durchaus schon ange- 140 zu 90, und die Wahrscheinlich- dieselben elf Schichten des kortikalen kommen. In „Nature“ gibt es e inen keit, dass er in den nächsten fünf Jah- Hirns, und deswegen ist die Wahr- Artikel von Dermatologen, den ren einen Herzinfarkt erleidet, liegt scheinlichkeit groß, dass man auch haben sie lustigerweise „Lesions bei 75 Prozent.“ das neurologische oder das Gehirn Learnt“ benannt. Eben durch dieses Vielleicht wollen wir das alles gar altern hier repräsentativ an den Deep Learning ist es möglich, zum nicht wissen, aber wenn man sich Netzhautschichten wird verfolgen Beispiel allein mit einer App ein Foto einmal mit der Idee angefreundet können. Man sieht, wie im Zeitver- von einem Hautmal zu machen, und hat, wäre es doch ganz nützlich. Das lauf sich diese Sehpigmente oder der Algorithmus sagt dann mit einer ist natürlich viel besser als jede klini- neuronalen Zellen, die Sinneszellen, unwahrscheinlichen Genauigkeit, sche Expertin und jeder klinische Ex- bei der geografischen Atrophie auf- die wesentlich besser ist als der Blick perte. Das entsprechende Paper dazu machen und wegwandern. Wenn ein einer Hautärztin oder eines Hautarz- wurde publiziert, darin ist auch nach- Mensch nicht dazu neigt oder noch tes, ob es gutartig oder bösartig ist. zulesen, mit welcher Genauigkeit ge- nicht in diesem Stadium ist, hat er Ein einfaches Foto vom Augenhin- messen wird. „Predicting cardiovas- diese Punkte im OCT nicht. Wir kön- tergrund wird im Moment bei uns cular risk“ ist eine der ganz großen nen sie messen und dann zeigen, wie an der Wiener Klinik und an einzel- Anwendungen der Zukunft, hier durch dieses Weglaufen dieser Seh- nen anderen ausgewählten Zentren sind wir gerade dabei, uns mit den ÖAW 21
URSULA SCHMIDT-ERFURTH Kardiologen kurzzuschließen. „The matische Tool gibt es jetzt in Öster Tatsache, dass wir viel zu wenig five coolest things on earth“, dazu reich. Wir haben diesen Scanner Augenärztinnen und Augenärzte zählte vor sechs Monaten die Zulas- in Zusammenarbeit mit unseren haben. Nur wenn die „removed“ wer- sung des IDX-Geräts, das ist das erste Kolleginnen und Kollegen in Iowa den, weiß man, was das Geschäftsmo- autonome, voll AI-basierte diagnosti- jetzt in den Diabetes-Kliniken auf- dell ist. Das heißt gut, dass Sie mich sche Gerät. Es gibt in keinem Bereich gestellt. Wenn Sie eine Person ken- noch eingeladen haben, nächstes Jahr in der Medizin, auch nicht in der nen, die Diabetes hat, schicken Sie bin ich vielleicht schon eingespart. Radiologie, auch nicht in der Patho- sie in die Diabetes-Klinik des AKH „We demonstrate performance that logie, die Möglichkeit, dass ein Gerät oder in die Rudolfstiftung oder in reaches and exceeds that of experts“ ohne Arzt oder technische Hilfskraft das Kaiser-Franz-Josef-Spital, dort ist natürlich kein Abendgebet, son- eine genaue Diagnose stellt. Und es kann sie eine genaue Augendiagnos- dern es ist eine klare Marktansage. ist von der FDA und der EMA zuge- tik erhalten. Wie gesagt, sie ist bes- Was hier in diesem Paper gezeigt lassen. Nur dieses IDX-Gerät, eine ser als die bei der Augenärztin oder wird, ist der Algorithmus, er hat eine autonome Kamera, macht Bilder der beim Augenarzt, aber das sagen Sie Fehlerrate von fünf Prozent. Das ist ja Netzhaut, erkennt dann dort patho dort bitte nicht, denn sonst kriege an sich auch schon nicht beruhigend, logische Stellen – besonders bei ich gleich wieder einen bösen Brief denn wenn man zur Ärztin oder zum Menschen mit Diabetes findet man von der Ärztekammer geschickt. Die Arzt geht, möchte man nicht zu den diese – und kann mit einer riesigen Ärztekammer sollte sich am besten fünf Prozent gehören, bei denen die Genauigkeit feststellen, ob jemand nicht mit bösen Briefen aufhalten, Diagnose falsch ist. Wenn Sie aber in eine diabetische Retinopathie hat sondern sie sollte dieses vor fünf eine richtige Augenarztpraxis gehen, und behandelt werden muss. Und Monaten erschienene Paper wahr- dann sehen Sie, wo die „Error Rate“, auch das hat wieder gezeigt, dass das nehmen, das von Google stammt. die Falschdiagnoserate, in Wirklich- wesentlich besser ist, als die mensch- Google beziehungsweise die Ver keit in der „wirklichen Welt“ liegt. liche Expertin oder der menschliche öffentlicher des Papers zeigen hier, Und das, so glaube ich, ist ein ziem Experte es jemals könnte. dass sie 50 Diagnosen am Augen- licher Albtraum – dass Sie bei einer Die menschlichen Expertinnen hintergrund stellen können, und sie Augenärztin oder einem Augenarzt und Experten im „Vienna Reading sagen aber: “Work removes previous landen, wo jede vierte Diagnose falsch Center“, das sind, glaube ich, die barriers to wider clinical use.” Warum ist. Als niedergelassener Mensch, als Menschen, die sich am meisten in kommen zum Beispiel in Österreich niedergelassene Augenärztin, zumin- ihrem Leben bereits mit Bildern von nur 15 Prozent aller Menschen mit dest jeden zweiten Donnerstag im diabetischen Augenhintergründen Netzhauterkrankungen rechtzeitig Monat, muss ich mich dem Eindruck haben herumschlagen müssen; und in die Augenarztpraxis? Das ist die leider anschließen. trotzdem sind sie wesentlich schlech- klinische Barriere des „wider use“, es So, das ist jetzt, während wir darüber ter als der Algorithmus. Das auto- sind die Augenarzttermine, es ist die sprechen, alles schon kalter Kaffee, ÖAW 22
URSULA SCHMIDT-ERFURTH denn jetzt machen wir „Unsupervised sichtsspielraum kann durch d iese Ich habe „ImageNet“ gesagt. „Image- Learning“, das heißt, da trainieren „Unsupervised“-Methoden noch Net“, die Bilderkennung, gibt es wir den Algorithmus gar nicht, wir wesent lich erweitert werden, und schon länger. Das hier ist Gesichtser- sagen dem Algorithmus nicht, was in dass das alles ziemlich „unlimited“ kennung. Gesichtserkennung ist das der Netzhaut falsch ist, sondern wir ist, ist, so glaube ich, klar geworden. Stichwort aus der künstlichen Intel- lassen ihn selbst suchen. Das ist natür- Wir haben ein wenig allgemein darü- ligenz, das besonders häufig in den lich noch wesentlich besser, weil wir ber publiziert. Das können Sie, wenn allgemeinen Medien auftaucht. Die alle natürlich an der Lehrmeinung, Sie möchten, auch lesen. „Artificial US-amerikanische Armee hat bereits der alten Schulmedizin, hängen und Intelligence in Retina“ ist letztes 1991 Gesichtserkennung durchge- nur bestimmte Dinge wahrnehmen. Jahr bei PRER herausgekommen. führt. Das ist schon etwas länger her. Man sieht ja nur das, was man weiß. Hier werden die Methoden erklärt Sie sehen, das Interesse geht schon In der Wissenschaft ist das ein wich- und das, worum es geht. Ich denke, weit zurück und kommt natürlich tiger Punkt. Viele Dinge wissen wir eigentlich sollte jede Patientin und sehr deutlich aus dem militärisch- nicht, weil wir sie nie gesehen haben. jeder Patient das im Warteraum in industriellen Komplex. Jetzt ist das Da lassen wir jetzt den Algorithmus die Hand gedrückt bekommen, da- alles wesentlich weiter fortgeschrit- die Bilder an schauen und Muster mit sie und er weiß, wo die Medizin ten. Es gibt natürlich sehr viel mehr erkennen. „Unsupervised Learning“ eigentlich schon sein könnte – näm- Bilder. Das ist „face recognition now heißt das also. Das wollen wir jetzt in lich in einer Evolution von immer here and there in the US, and China”. die Klinik einfädeln, wir machen es besserer Entwicklung. Ob das beim Und alle Systeme, die sich dafür auch schon für Screenings und dann Roboter landet, wissen wir nicht, interessieren. auch für Monitoring, das heißt, um aber hier sind wir sicher im Moment Im Moment findet in der „Fondazione die Behandlung zu steuern, um es schon angekommen und die Evolu Prada“ in Mailand eine großartige vollautomatisch zu benutzen – das tion lässt sich ja bekanntlich nicht Ausstellung statt, von Trevor Paglen geschieht individuell und ist nicht aufhalten. Deep learning has just und Kate Crawford, die aus Stanford nur Ärztinnen und Ärzten vorbe- begun. Das ist jetzt die Aufgabe. Wir ist. Die beiden zeigen, wie Bilder, halten. Es geht darum, den richtigen müssen CE-Zulassungen haben. Wir Gesichtsbilder, von normalen Men- Patienten bzw. die richtige Patientin müssen ein Decision-Support-Sys- schen in dieses System eingegeben zur richtigen Zeit mit der richtigen tem schaffen, damit die Ärztin und wer den können – „ImageNet“-Ge Therapie zu behandeln. Das müs- der Arzt es verwenden und besser sichtserkennung. Wie ist „ImageNet“ sen wir machen, weil in der moder- werden können. Und wir müssen das wirklich entstanden? “Through the nen Medizin sonst die Budgets sehr möglichst evidenzbasiert machen. Crowd-Sourcing Service of Amazon, schnell ausgelaufen sind. Damit auch geglaubt wird, was der Mechanical Turk. They earned Ob das „superhuman“ ist? Man Algorithmus sieht, darf das kein pennies for each photo they labeled, muss es fast vermuten, ja. Unser Ein- Blackbox-Algorithmus sein. scanning through hundreds of texts ÖAW 23
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