WISSEN KOMPAKT 2019/20 MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - MES Wissen Kompakt 2019/20
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www.it-production.com Das Industr ie 4.0 Magaz in WISSEN KOMPAKT 2019/20 MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - Systemauswahl und Rollout - IoT, Plattformen und Microservices - Produktionsplanung - Digitaler Zwilling - Kennzahlen und Reporting - M2M-Kommunikation - Branchenlösungen IN KOOPERATION MIT:
Konstruierter Konflikt zwischen MES und IoT Im Werk ist es schon aufregend genug M anufacturing Execution Systems und das Industrial Internet of Things werden gerne als Konkurrenten dargestellt, die um die Hoheit der Werks-IT-Ebene rin- gen. Diese Sicht macht die Welt der industriellen IT noch ein Stück spannender, räume ich gerne ein. Ich tippe aber auch darauf, dass diese Zuschreibungen eher von Journalisten, Forschern und Systemanbieter kommen, als von den Produktionsleitern in den Werken. Denn wo eine MES-Software arbeitet, dürfte es auch ohne kon- kurrierende IT-Systeme aufregend genug sein. Im Epizen- trum der gesellschaftlichen Wertschöpfung muss alles laufen. Fehler kosten Zeit, Geld und können im schlimms- ten Fall sogar zu Unfällen führen. Diese kritischen Ab- läufe über eine Software zu lenken, erfordert großes Vertrauen in die Sorgfalt des Systemanbieters und sein Domänenwissen. Dieses Knowhow erarbeiten sich die MES-Anbieter seit Jahren – und mit Blick auf die Markt- entwicklung ist es gefragt wie nie. Das Optimierungspotenzial rund um das IIoT links liegen bietet einen Rundumblick auf das spannende Feld der zu lassen, können sich Fertigungsunternehmen freilich MES-Anwendungen. Von der Systemauswahl über die ebenfalls kaum erlauben. Aber selbst sehr innovative Pro- Optimierung bis hin zur Erweiterung etwa mit Micro Ser- duzenten rollen aktuell als Basis für ihre Industrie-4.0-Pi- vices möchten wir Ihnen Eindrücke und Ideen vermitteln, lotprojekte und Use Cases MES-Lösungen renommierter wie Sie zu einer harmonischen Systemumgebung gelan- Hersteller in ihren Werken aus. Aus gutem Grund, finde gen. Der weltweite Wettbewerb der produzierenden In- ich, denn gerade in Zeiten des technischen Wandels müs- dustrie ist schließlich aufreibend genug – auch ohne ri- sen die zentralen Abläufe auf einem robusten Fundament valisierende IT-Systeme in der eigenen Fabrik. stehen. Dabei heißt robust keineswegs geschlossen. Die aktuellen Systeme müssen sich mehr denn je vertikal und Informative Lektüre der MES Wissen Kompakt horizontal vernetzen lassen. Sie sollen schließlich viele wünscht Ihnen wie immer von den Use Cases unterstützen, die mithilfe von IIoT- Technik gerade erprobt werden. Die Anforderungen an MES-Anwendungen sind also hoch: robust, offen und sicher sowieso. Umso wichtiger ist es, einen Rollout sorgfältig zu planen und noch sorg- Patrick C. Prather (pprather@it-production.com) fältiger umzusetzen. Diese Wissen Kompakt-Ausgabe Redaktionsleiter, IT&Production 3
Inhalt Erfolgreiche MES-Auswahl S.16 Die Basis für das Digitalisierungsprojekt S.6 Produktion nach Prioritäten planen Hohe Termintreue trotz Produktionsabweichungen S.10 Bild: ©industrieblick/Fotolia.com MES-Projekte enden nicht mit dem Go-Live Nach dem Spiel ist vor dem Spiel S.14 MES zur Montageplanung und -steuerung Gut geplant ist halb gesteuert S.16 Bebauungsplan statt Automatisierungspyramide Das MES benötigt Gesellschaft S.20 Manufacturing Execution Systems mit Fokus auf Montageabläufe sollten eine leistungs- Machine Learning starke Personaleinsatzplanung unterstützen. Aus Erfahrungen lernen S.24 Werksnahe IT und der digitale Zwillling Offene Systemgrenzen für das digitale Abbild S.26 S.20 Vom Event-Streaming zur belastbaren Prognose Daten erfassen ist nur der Anfang S.30 Nutzen abwägen und gezielt investieren Respekt zeigen vor Best Practices S.34 Bild: HIR GmbH Reporting und Analysen mit MES Blindflug vermeiden mit Kennzahlen S.36 Tipps für den MES-Rollout Gibt es einen logischen Weg zur Smart Fac- Der Weg zum digitalen Werk S.39 tory? Ja, und er lässt sich entlang der Begriffe Zielbild und Bebauungsplan nachzeichnen. Machine-2-Machine-Anwendungen Automatische Kommunikation zwischen Maschinen S.42 Sensorik im Maschinenpark Auf die Stimme der Maschine hören S.44 S.49 Das Modell Smart Factory Elements Vernetzter Regelkreis in der Fertigung S.46 Bild: © Damir Karan/Fotolia.com Automatisiertes Risikomanagement mit Qualitätsdaten Gefahr erkannt, Gefahr gebannt S.49 Ransomware- und andere Cyberattacken MES benötigt Cybersicherheit S.52 Chatbot als Assistenzsystem Wenn Werker Bots beim Wort nehmen S.55 Ein MES ermöglicht die vertikale und hori- zontale Datenintegration. Richtig kombiniert, Institutionen & Verbände Ansprechpartner für die Industrie S.58 kann man aus diesem Datenpool ein auto- matisiertes Risikomanagement der Produk- Impressum S.86 tion entwickeln. 4 MES Wissen Kompakt
Anbieter und Produkte S.63 A+B Solutions GmbH 62 Bild: ©gorodenkoff/istockphoto.com ; Böhme & Weihs Systemtechnik GmbH & Co. KG 63 Böhme & Weihs Systemtechnik camLine GmbH 64 camLine Dresden GmbH 65 Carl Zeiss MES Solutions GmbH 66 FASTEC GmbH 67 gbo datacomp GmbH 68 GFOS mbH 69 IDAP Informationsmanagement GmbH 70 IGH Infotec AG 71 S.76 IGZ Ingenieurgesellschaft Bild: Maschinenfabrik Reinhausen GmbH/ für logistische Informationssysteme mbH 72 Industrie Informatik GmbH 73 iTAC Software AG 74 Helmut Koch KÖHL Maschinenbau AG 75 Maschinenfabrik Reinhausen GmbH 76 MPDV Mikrolab GmbH 77 PROXIA Software AG 78 sedApta concept GmbH 79 SIM-ERP GmbH 80 S.85 STIWA Group 81 T.CON GmbH & Co. KG 82 Bild: ©zapp2photo/Fotolia.com Technische Informationssysteme GmbH 83 Trebing & Himstedt Prozeßautomation GmbH & Co. KG 84 znt Zentren für Neue Technologien GmbH 85 5
Projektvorbereitung Erfolgreiche MES-Auswahl Die Basis für das Digitalisierungsprojekt Mit der Digitalisierung verbessern Firmen ihre Effizienz und schaffen den Rahmen für neue Geschäftsmodelle. Doch es gilt die Stellgrößen Technik, Organisation und Prozesse genau zu justieren. D ie Fertigungsindustrie stellt sich der Digitalisierung, um weiterhin weltweit wettbewerbsfähig zu pro- duzieren. Womit fängt man am besten an? Zumal die Un- größe gelten die Prozesse des Unternehmens, die ent- lang der ganzen Wertschöpfungskette betrachtet wer- den müssen, um die digitale Transformation zu durchlau- ternehmen IT-seitig ganz unterschiedlich aufgestellt sind. fen. Dies bedeutet im Zusammenhang einer Industrie- Bei einigen Vorreitern wird bereits Amazons Alexa als di- 4.0-Umsetzung auch den angestrebten Automatisie- gitale Sprachassistenz in der Produktion eingestetzt, um rungsgrad. Welche Prozesse sind bereits weitestgehend etwa Problemlösungen für den Instandhaltungsvorgang automatisiert und wo gibt es Potential? Sind die wert- zu erhalten. In anderen Unternehmen ist die Digitalisie- schöpfenden Prozesse herausgearbeitet und im Hinblick rung jedoch erst rudimentär angekommen: Die Auftrags- auf IT-unterstützende Werkzeuge bewertet, lassen sich bücher sind voll und warum soll man sich mit diesem deutlich leichter Ziele definieren, die in einem Projekt er- schwierigen Thema auseinandersetzen? reicht werden können. Auch der Nutzen eines Vorhabens wird so deutlicher. Die Stellgrößen der Digitalisierung Stellgrößen der Digitalisierung lassen sich also vereinfachen auf: (S)tellgrößen = (T)ech- nik + (O)rganisation + (P)rozesse - S=T+O+P. Oftmals scheuen sich Unternehmen davor, ihren Digita- lisierungsprozess aktiv voranzutreiben. Es gibt viele Stu- Schwierige Umsetzung dien, die diesen Zustand dokumentieren. Insbesondere im internationalen Vergleich belegt Deutschland im Ran- Auf Grundlage der beschriebenen Stellgrößen der Digitali- king nicht einmal das Mittelfeld. Nach dem sogenannten sierung gilt es folgende Punkte näher zu bearbeiten: Digitalisierungsfaktor liegt Deutschland bei Forschung, Technologie, Bildung und Infrastruktur weit zurück. Eine • Formulierung einer klaren Zielsetzung für das Digitalisie- große Schwachstelle ist der stockende Breitbandausbau. rungsvorhaben (Organisation). Hier ist Deutschland eines der am schlechtesten versorg- • Aktive Begleitung der entstehenden Veränderungen im ten Länder in ganz Europa. Auch die ansonsten agile Fer- Unternehmen durch das Management (Organisation). tigungsindustrie ist von diesem gesellschaftlichen Um- • Analyse und Bewertung der bestehenden IT-Systeme, feld beeinflusst. Technik ist schließlich die wesentliche Maschinen und Anlagen inklusive Technologie und Mög- Stellgröße der Digitalisierung. Die zweite Stellgröße ist lichkeiten (Technik). die Organisation. Keine Veränderung wird ohne eine • Betrachtung des gesamten Geschäftsprozesses zur Ge- Antwort auf die Frage der Mitarbeiterinnen und Mitar- samtbewertung der erzielbaren Nutzeneffekte (Prozesse). beiter ‘Wozu ist das notwendig?’ erfolgreich sein. Die • Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Antwort steht im direkten Zusammenhang mit der un- Dienstleistern und anschließend Umsetzung der Strategie. ternehmerischen Zielsetzung für ein Projekt und dient letztlich dazu, die Organisation insgesamt auf den Weg Unternehmer sollten erst nach der Prozessanalyse und mit des Digitalisierungsprojektes zu bringen. Als dritte Stell- festen Zielen im Blick in ihr Digitalisierungsvorhaben starten. 6 MES Wissen Kompakt
Bild: F.EE Industrieautomation GmbH & Co. KG Vor der Auswahl eines passenden Manufacturing Execution Systems ist die Vorbereitung entscheidend. Veränderungen aktiv begleiten auf Standards, wie OPC UA, verwiesen, die etwa eine ein- heitliche Datenschnittstelle für Spritzgießmaschinen und Um Digitalisierungsprojekte erfolgreich umzusetzen, ist Leitrechner in Form der Euromap 77 bieten. Softwarelö- eine förderliche Unternehmenskultur notwendig. Alle Mit- sungen sollten im Sinne einer zukunftssicheren Investi- arbeiterinnen und Mitarbeiter sind von den Führungskräf- tion den OPC- UA-Standard unterstützen. ten so früh wie möglich einzubeziehen und die umsetzen- den Projektbeteiligten aktiv zu begleiten. Dabei ist es sehr Die eigene IT-Infrastruktur prüfen wichtig, die notwendigen finanziellen und personellen Res- sourcen zur Verfügung zu stellen. Die Geschäftsleitung Ähnlich wie der Maschinenpark sind die IT-Systeme der muss zu 100 Prozent hinter dem Projekt stehen. Unternehmen meist historisch gewachsen und Erweite- rungen daran sind kompliziert. Häufig existieren viele Analysieren und bewerten Subsysteme, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Um einen Datenaustausch sicherzustellen, sind entspre- In den meisten Fällen verfügen Firmen über heterogene chende Schnittstellen zu schaffen. Eine Initiative zur Maschinenparks, was die einheitliche Digitalisierung kom- Standardisierung der IT-Landschaft hilft dabei, diese plizierter, aber nicht unmöglich macht. Zunächst müssen leichter administrieren zu können. Eventuell können die technischen Anlagen, Produktionslinien, also alle Sta- viele Subsysteme durch eine integrierte Lösung ersetzt tionen des Herstellungsprozesses, abgebildet und be- werden. Weiterhin gibt es heute viele intelligente schrieben werden. Technische Rahmenbedingen wie die Steuerungssysteme und Sensoren, die übergeordneten Datenanbindung an die Maschinenebene müssen defi- Systemen Informationen bereitstellen und mit geringem niert und ggf. mit Maschinenlieferanten oder Automati- Ressourcenaufwand installiert werden können. Einige sierungsspezialisten geklärt werden. Es existieren heute MES-Lösungen bieten modulare Ansätze, die einen vielfältige Technologien, um Maschinendaten zu erfassen schrittweisen Ausbau mit den damit verbundenen IT-In- und Anwendungen bereitzustellen. An dieser Stelle sei frastrukturen ermöglichen. 7
Projektvorbereitung Bild: ©PKM1/istockphoto.com In den meisten Fällen verfügen Firmen über heterogene Maschinenparks, die eine einheitliche Digitalisierung erschweren. Die Datenanbindung muss dann vorab genau definiert werden. Passende Lösungen und Partner Steht die Einführung eines Manufacturing Execution Sys- Neben dem Funktionsumfang der Lösung ist insbesondere tems an, sollte auch die Auswahl der Lösung und des Imple- auf die Erfahrung des künftigen Partners zu achten. Für mentierungspartners systematisch erfolgen. Die notwendi- viele Firmen und Projekte ist es nämlich sinnvoll, wenn der gen Prozessschritte gliedern sich grob in folgende Stufen: IT-Dienstleister auch Automatisierungskompetenz mit- bringt. Der Vorteil liegt auf der Hand: Unternehmen haben • Projekteinrichtung und Erhebung der Ist-Situation. lediglich mit einem Partner zu tun und somit auch nur • Erstellung des Soll-Konzepts. einen Ansprechpartner für ihr Digitalisierungsprojekt. ■ • Definition von Anforderungen und K.O.-Kriterien. • Marktüberblick der Lösungen und Anbieter. • Software und Partnerauswahl in drei Stufen: Grob-,Fein- und Endauswahl. • Softwareeinführung. www.fee.de Autor Werner Pospiech ist Vertriebsmanager bei der F.EE GmbH. 8 MES Wissen Kompakt
CONNECTED INDUSTRY ES GIBT UNZÄHLIGE WEGE RICHTUNG DIGITALISIERUNG – VIELE FÜHREN NUR ÜBER DAS MES VON iTAC Besuchen Sie uns: iTAC bietet internetfähige Informations- und Kommunikations- technologien für die weltweit produzierende Industrie. Durch seine zukunftsweisenden Produkte setzt iTAC Maßstäbe in den Bereichen MES und IoT und unterstützt die Zielsetzung einer Produktionswelt im Sinne der Industrie 4.0. Halle 7 | Stand A34 www.itacsoftware.com
Advanced Planning and Scheduling Bild: ©industrieblick/Fotalia.com Produktion nach Prioritäten planen Hohe Termintreue trotz Produktionsabweichungen Viele Fertigungsunternehmen planen ihre Produktion mit PPS- oder APS-Software. Doch nicht jede Methode liefert gleich gute Ergebnisse. Vielversprechend ist der Ansatz, Aufträge nach Prioritäten einzuplanen. So kann im Extremfall verhindert werden, dass die Planungslösung eine minutenlange Störung zu einer wochenlangen Terminverschiebung eskaliert. V iele Unternehmen setzen bereits auf eine Software zur Produktionsplanung. Das wesentliche Ziel ist dabei fast immer eine Verbesserung der Termintreue Lücken für die einzelnen Arbeitsgänge. Wenn eine Ein- planung in der Vergangenheit erfolgen würde, wird auf eine Vorwärtsplanung umgestellt, die die frühesten ver- und damit eine valide Prognose über Liefertermine. Na- fügbaren Lücken belegt. Genau wie bei einer Terminver- turgemäß möchte man einerseits einen möglichst frü- einbarung bei Outlook führt dies zu folgenden Effekten: hen Liefertermin nennen, um den Auftrag nicht zu ge- fährden – andererseits führt der Verzicht auf Puffer zu • Die Einplanung führt zu Lücken zwischen den Terminen. einer Gefährdung von Terminen. Neben diesem grund- • Häufig reicht die Kapazität in Summe zwar aus, um einen sätzlichen Dilemma, welches von der Unternehmens- Auftrag einzuplanen, aber die Lücken sind alle zu kurz, um strategie abhängt, gibt es jedoch auch in den verwen- die lange Bearbeitungszeit eines Auftrages einzuplanen. deten Algorithmen der eingesetzten Lösungen Fallstri- • Aufträge mit geringen Bearbeitungszeiten von weni- cke. Viele gängige Systeme planen analog zu dem Ter- gen Minuten lassen sich leicht einplanen. Je größer minkalender in Outlook: Das System rechnet vom aber die notwendige Lücke ist, umso schwieriger wird Wunschtermin rückwärts und sucht im Belegungsplan die Angelegenheit. 10 MES Wissen Kompakt
Die farbigen Markierungen zei- gen den Anteil der Kundenauf- träge, die zwischen zwei Pla- Bild: SIM-ERP GmbH nungsläufen verschoben wer- den mussten. Rot= Verschiebung > 24 Stunden Gelb= Verschiebung < 24 Stunden Grün= Frühere Fertigstellung Grau = unverändert Kurze Störung, lange Verschiebung baren, werden Prioritäten vergeben. So ist Auftrag A wichtiger als B und dieser wiederum wichtiger als C. Im Fall einer Störung – wie sie unvermeidlich in der Pro- Wenn sich jetzt A um einige Minuten verzögert, wird duktion durch Krankheit oder Maschinenausfall entstehen niemand auf die Idee kommen, mit Auftrag C weiterzu- können – wird der Algorithmus erneut angewandt. Dabei arbeiten und Auftrag B neu und in ferner Zukunft einzu- finden sich neue Termine häufig wesentlich später. So kann planen. Stattdessen werden alle Termine von B und C um eine Verschiebung um wenige Minuten an der Maschine die Dauer der Störung verschoben. Auch wenn einzelne zu einer Änderung des Kundentermins von einigen Wo- Störungen nicht vorhersehbar sind, haben die Unterneh- chen führen – obwohl die Kapazitäten prinzipiell vorhan- men doch in der Regel eine sehr gute Datenbasis, was den sind. Dies geschieht immer dann, wenn die verfügba- ihre Produktivität und die mittlere Anzahl an Störungen ren Lücken zwischen bereits verplanten Aufträgen zu kurz betrifft. Somit kann pauschal ein entsprechender Puffer sind um eine längere Bearbeitungsdauer einzuplanen. So eingeplant werden. Dazu muss die Kapazität auf die gibt es vielleicht am Montag eine Lücke über 40 Minuten, durchschnittliche Produktivität angepasst werden. Auf am Dienstag zwei über je 20 Minuten und am Mittwoch diese Weise kann die geringfügige Verschiebung von eine von 45 Minuten. Obwohl also insgesamt 125 Minuten vielen Aufträgen effizient aufgefangen werden. Diese freie Kapazität zur Verfügung steht, ist kein Zeitabschnitt Planung auf Basis von Prioritätsregeln ist zwar bekannt, lang genug für die Bearbeitungsdauer von einer Stunde. wurde bislang aber immer nur für einzelne Aufträge und Somit wird die nächste längere Lücke erst sehr viel später nicht für mehrstufige Produktionsnetzwerke eingesetzt. gefunden, etwa am Freitag. Die Konsequenz besteht einer- Gerade im Maschinen- und Anlagenbau ist die Koordina- seits darin, dass die Systeme die Maschinen planerisch tion verschiedener Komponenten jedoch eine wesentli- nicht voll auslasten und andererseits auf geringfügige Stö- che Herausforderung und eine Planung von Einzelaufträ- rungen mit großen Terminabweichungen reagieren. gen meist nicht zielführend. Eine Planung von einzelnen Aufträgen – wie sie in vielen Leitständen vorgenommen Prioritäten vergeben wird – führt dann oft dazu, dass einzelne Komponenten sehr früh fertig gestellt werden und anschließend im Eine Alternative zum geschilderten Verfahren ist aus Lager warten, bis die anderen Teile gefertigt sind. Dies dem täglichen Leben bekannt: Statt Termine zu verein- widerspricht nicht nur dem Just-in-Time-Gedanken und 11
Advanced Planning and Scheduling Bild: ©Monkey Business/Fotalia.com Planungsläufe eines mittelständischen Unternehmens von zwei aufeinanderfolgenden Tagen verglichen. Dabei wurden nur Kundenaufträge berücksichtigt, die bereits seit einiger Zeit im System waren und kundenseitig un- verändert waren. Terminabweichungen zwischen den Planungsläufen konnten nur durch die Fertigung selber verursacht worden sein. Dann wurde einmal mit einer APS-Anwendung nach dem System Outlook und einmal mit einer Software nach dem Prioritäten-System geplant. Im Ergebnis verschob das klassische System jeden fünf- ten Auftrag der nächsten 24 Stunden. Streng genommen hätte jedem fünften Kunden ein neuer Termin zugeteilt werden müssen – und zwar täglich. Das System, das nach Prioritäten geplant hatte, konnte diesen Effekt auf unter fünf Prozent reduzieren, also jeden 20. Auftrag. Im Eine Software zur Produktionsplanung ist besonders wichtig, wenn etwas im Werk gerade nicht glatt läuft. Fall des untersuchten Unternehmens konnte die Termin- Um die Qualität der eingesetzten Instrumente einzuschätzen, treue im Gegensatz zur alten PPS-Software um mehr als lohnt also der Blick auf das System, wie es auf eine kleinere zehn Prozent verbessert werden. Störung reagiert. Genau hinschauen lohnt Während die Anzahl an Verschiebungen natürlich von erhöht die Lagerbestände, sondern führt auch dazu, dass der Unternehmensstruktur und der Zahl an Störungen Aufträge liegen bleiben, die sich früher hätten bearbei- abhängt, gehen die verschiedenen Planungslösungen ten lassen. Die Gesamtausbringung sinkt, während die ganz unterschiedlich mit diesen Störungen um. Oft wird Lieferzeiten steigen. bei der Auswahl entsprechender Anwendungen nur ge- prüft, ob die Planung rechnerisch richtig ist, also ob sie Ereignisdiskrete Simulation Kapazitätsgrenzen beachtet, und welche logistischen Kennzahlen sie plant. Zentral ist es jedoch, dass die inge- Dieses Dilemma kann dadurch gelöst werden, dass die setzte Anwendung auch im Störfall realistische Ergeb- Auftragsfreigabe die Komponenten systematisch zurück- nisse abliefert und langfristig zur Termintreue beiträgt. hält, die ansonsten zu früh geliefert würden. Gemeinsam Fertigungsbetriebe sollten einmal genau hinschauen, wie mit dem Forschungsinstitut für Rationalisierung wurde sensibel die Produktionsplanung auf geringfügige Stö- auf der Konferenz ‘Advances in Production Management rungen bei einzelnen Aufträgen reagiert. ■ Systems’ in Seoul eine Untersuchung zu den verschiede- nen Planungsansätzen vorgestellt: Es wurden dazu die www.sim-erp.de Autor Ernst-August Stehr ist Geschäftsführer der SIM-ERP GmbH. Kontakt über info@sim-erp.de oder auf der Hannover Messe in Halle 05, Stand E30. 12 MES Wissen Kompakt
Projektierung MES-Projekte enden nicht mit dem Go-Live Nach dem Spiel ist vor dem Spiel Viele MES-Wegweiser wollen Firmen mit Leitfäden und Checklisten helfen, ein MES-Projekt In-Time und In-Budget abzuwickeln. Leider schließt die Literatur zu oft mit dem Go-Live. Was ist mit dem Leben danach? Das Leben nach dem Go-Live S chaut man aus der Vogelperspektive auf Industrie 4.0, ähneln die prognostizierten Cyber-Physical Systems einem sich ständig wandelnden Kaleidoskop. Werkstücke Warum ist der Fokus auf Wandelbarkeit so wichtig? Weil er und Produktionsmittel kommunizieren in zwangloser in vielen Industriebetrieben und Projektorganisationen Anarchie und Produktionsreihenfolgen purzeln wie zufäl- stiefmütterlich behandelt wird. Das Problem ist der über- lig durcheinander. Wie von Geisterhand finden die intel- mäßige Fokus auf das Initialprojekt. Ist der Go-Live voll- ligenten Bauteile ihren Weg durch die Fertigung und bracht, kommt es nach einer kurzen sogenannten Hyper- wandeln sich Schritt für Schritt zu einem qualitativ hoch- Care-Phase zur drastischen Entschleunigung bis hin zum wertigen Endprodukt. Grundlage des kreativen Kommu- Stillstand. Viele Projektstrukturen lösen sich auf und der nikationschaos ist keineswegs Magie, sondern ein über kontinuierliche Verbesserungsprozess kommt nicht in Fahrt. alle Wertschöpfungsebenen hochvernetztes Manufactu- Dieser ist jedoch die entscheidende Grundlage für Wand- ring-Execution-System. Als Schaltzentrale interagiert es lungsfähigkeit, für Lessons Learned sowie prozessspezifi- mit allen Prozessteilnehmern und sorgt auf diese Weise sche oder marktgetriebene Folgeprojekte. Nur so sind Un- für die notwendige Automatisierung und Flexibilität. Es ternehmen in der Lage, elastisch und effizient zu agieren – ist also nicht verwunderlich, dass die Lastenhefte nahezu sei es im Zuge neuer Produkte und Produktionstechniken, aller MES-Ausschreibungen beeindruckende Ausmaße be- veränderter Kundenanforderungen oder der Verlegung von sitzen. Schließlich gilt es, ein enorm leistungsfähiges und Firmenstandorten. vor allem zukunftsfähiges System zu evaluieren. Leider wird dabei oftmals vergessen, dass Funktionsumfang, In- Migration oder Evolution tegrations-Kompetenz und Branchen-Know-how alleine nicht reichen, um einer weiteren 4.0-Forderung Rechnung Doch auch der Softwarepartner und die MES-Anwendung zu tragen: der Wandlungsfähigkeit des Produktionsge- müssen sich wandlungsfähig zeigen – etwa beim Ände- schehens. Gemeint ist damit nicht nur die Flexibilität rungsmanagement von Funktionen, dem Aufwand bei Re- einer Anlage, sich auf eine Modellvariante umrüsten zu lease-Wechseln sowie der Update-Strategie hinsichtlich lassen, sondern sich auf völlig neue Produkte und inno- kunden- oder prozessspezifischer Systemanpassungen. Die vative Herstellungsverfahren einzustellen. Diese Fähigkeit zentrale Frage: Verfolgt der IT-Partner in seiner Entwick- ist alleine mit IT nicht zu erreichen. Sie erfordert eine fest lungsstrategie das Konzept der Migration oder Evolution? verankerte unternehmerische Kultur des Wandels. Doch Welche Aufwände entstehen bei der Realisierung notwen- was genau ist damit gemeint? Eines ganz sicher nicht: Ein diger Integrations- bzw. Automatisierungsschritte oder der MES, das sein Dasein und seine Zukunft an vergangenen Einführung mobiler Anwendungen? Migration hat zur Lastenheften ausrichtet. Ein perfekter Go-Live – In-Time Folge, dass die zugrundliegende Softwarelandschaft in Tei- und In-Budget – ist selbstverständlich weiterhin wün- len – in Modulen, Benutzeroberflächen, Schnittstellen und schenswert. Doch er ist nur eine Momentaufnahme in so weiter – erneuert werden muss. Es können hohe Kosten einem ansonsten hochdynamischen Ökosystem aus ver- beim Änderungsmanagement von Funktionen sowie der netzten, globalen Chancen und Risiken. Update-Strategie hinsichtlich kunden- oder prozessspezi- 14 MES Wissen Kompakt
Bild: Carl Zeiss MES Solutions GmbH fischer Systemanpassungen anfallen. Evolutionär hingegen schen Produkts, so dass R&D-Abteilungen Vorhersagen bedeutet, dass sich ein System elastisch gegenüber Markt- und Analysen zu Sicherheit, Stabilität und Potenzial von und Prozessmutationen verhält. Gemäß dem Prinzip ‘never Produkt und Prozess ableiten können. Darüber hinaus löst touch a running system’ dienen Datenmodell, Bedienober- über eine direkte Integration in die umgebenden IT-Sys- flächen und Funktionen als Fundament, das Zusätze ergän- teme die Mutation des digitalen Abbildes eine Änderung zen kann. Das schützt die Investition, in Software gegosse- im Produktionsprozess in Echtzeit aus. Schaut man nun auf nes Wissen bleibt erhalten und die Interaktion mit der um- die notwendige Datenstruktur, die eine solche Kultur der gebenden IT-Landschaft bleibt unangetastet. Wandlungsfähigkeit notwendig macht, stößt man unwei- gerlich auf das MES-Konzept der integrierten Datenhal- Der Zwilling und die Datenbasis tung. Eine integrierte Datenbank über alle qualitäts- und produktionsrelevanten Informationen liefert das notwen- Wie wichtig das kulturelle und technische Zusammenspiel dige Produkt- und Prozesswissen für ein agiles Gesamt- in puncto Wandlungsfähigkeit ist, zeigt sich auch am Bei- system. Und dieser Wissenspool kann nur gedeihen, spiel des digitalen Zwillings. Wie kaum ein anderer Begriff wenn die Innovationskultur eines Unternehmens den steht er für das Verschmelzen von realen und virtuellen konsequenten Wandel umschließt. ■ Produktionsumgebungen bzw. von aktuellen Gegebenhei- ten und künftigen Möglichkeiten. Er umfasst sämtliche Pro- dukt-, Prozess- und Produktionsmerkmale eines physi- www.guardus.de Autorin Simone Cronjäger ist Geschäftsführerin der Carl Zeiss MES Solutions GmbH. 15
Montagesysteme steuern Bild: ©industrieblick/Fotolia.com MES-Funktionalitäten zur Montageplanung und -steuerung Gut geplant ist halb gesteuert In vielen Branchen müssen Manufacturing Execution Systeme spezifische Herausforderungen besonders gut bewältigen. Soll ein System etwa die Montage abbilden, muss es meist eine äußerst leistungsstarke Planung des Personalseinsatzes unterstützen. M anufacturing Execution Systeme (MES) sind aus dem Wunsch nach einer detaillierten Planung, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen Produktionsprozesse ent- here Stückzahl erreicht sowie weitgehend frei von Taktvor- gaben ist. Bei der Suche nach einem geeigneten MES für ein Montagesystem sind eine Reihe von Besonderheiten zu be- standen. Im Brennpunkt stand dabei ursprünglich die Not- achten, die eine erfolgreiche Auswahl zu einer Herausforde- wendigkeit, komplexe Regeln zur Kapazitätsterminierung in rung machen. Diese Besonderheiten lassen sich quer durch der Teilefertigung zu beherrschen. Viele der aktuell auf dem die in der VDI-Richtlinie 5600 beschriebenen Aufgabenbe- Markt befindlichen ME-Systeme erfüllen diese Aufgabe mit reiche eines ME-Systems verfolgen. unterschiedlichen Schwerpunkten. Neben der Planung und Steuerung der Teilefertigung steht in vielen Unternehmen Woher kommen die Auftragsdaten? des Maschinen- und Anlagenbaus die Montage des Pro- dukts im Mittelpunkt des planerischen Interesses, wie bei- Die für die Montage zur Verplanung stehenden relevan- spielsweise größere Hersteller von Kunststoffspritzmaschi- ten Aufträge und Arbeitsgänge stammen typischer- nen, Holzverarbeitungsmaschinen oder Bearbeitungszen- weise aus einem übergeordneten System, z.B. einem tren, deren Montage eine größere Komplexität und eine hö- ERP-System (Enterprise Resource Planning). Die Kunden- 16 MES Wissen Kompakt
aufträge werden in Produktionsaufträge umgewandelt nen soll, oder ob die gegenseitigen Abhängigkeiten über und anschließend nach bestimmten Regeln durch Frei- einen MRP-Lauf des übergeordneten Systems ausreichend gabe an das ME-System übertragen. Eine Herausforde- abbildbar sind. Die Verplanung der darunterliegenden Ar- rung ergibt sich durch die Abgrenzung von gegebenen- beitsgänge folgt umfangreicheren Regeln als bei der Teile- falls bereits auf Ebene des ERPs angelegten Projekten, fertigung. In letzterer stellt Technologie und Materialfluss im wie sie sich für Montagen insbesondere von kunden- Wesentlichen eine zwangsweise Vorgänger-Nachfolger-Be- spezifischen Sonderausstattungen anbieten. Die ziehung zwischen den Arbeitsgängen. Im Montageablauf je- Schnittstellen zum ME-System müssen in diesen Fällen doch muss das Planungssystem mit vielfältigen Anord- unter Umständen Elemente verschiedenen Ursprungs zu nungsbeziehungen umgehen können. Vorgänger-Nachfol- einem Montageauftrag zusammenführen können. gerbeziehungen zwischen den Arbeitsgängen können die Komplexität eines Netzwerks besitzen. Verschiedene Bezie- Werker sind wichtigste Ressource hungen zwischen Anfang und Ende beliebiger Arbeitsgänge, bestimmte oder wahlfreie Parallelitäten, ja sogar die völlige Eine Besonderheit in der Planung und Steuerung von Mon- planerische Unabhängigkeit einzelner Arbeitsgänge können tagen besteht darin, dass vorwiegend die Personalressour- Gegenstand der Planungsregeln sein. Arbeitsgänge können cen als Planungsobjekte relevant sind. Daraus ergibt sich zudem mehrere Vorgänger oder mehrere Nachfolger besit- gleichzeitig die Notwendigkeit, entsprechende Qualifika- zen. Hier wird offenbar, dass das auszuwählende ME-System tionen im System zu verwalten und in geeigneter Form an dieser Stelle besonderen Anforderungen genügen muss. zum Gegenstand der Planung zu machen. Praxisgerecht sind hier Modelle, die mindestens die grundlegenden Per- Macht Platz sonalstammdaten inklusive der Schichtmodelle und der Ar- beitszeitkalender aus dem übergeordneten System über- Neben der Verplanung der Personal- beziehungsweise nehmen und verwalten können. Dazu gehört eine Sicht, die Qualifikationsressourcen offenbart sich in vielen Unterneh- die resultierende beplanbare Kapazität quantitativ darstellt, men das Problem limitierter Montageflächen, aus welchem ohne den Planer zu nötigen, auf Personenebene namentlich der Wunsch resultiert, auch diese als Ressourcen verplanen zu planen, solange dies nicht gewünscht ist. Die Erfassung und für die Montage optimieren zu können. Es stellt sich der geleisteten Arbeitsinhalte erfolgt in der Regel in einfa- also im einzelnen Auswahlfall die Frage, welche Ressource cher Form in geleisteten Stunden. Einige Ansätze ermögli- eigentlich die für die Verplanung führende ist. Einige Sys- chen die Rückmeldung des Arbeitsfortschritts, wobei dieser teme auf dem Markt besitzen bereits Ansätze zur Verpla- in der Regel vom Montagepersonal nur geschätzt werden nung der Montagefläche. Diese Ansätze beschränken sich kann. Ein direkter Zusammenhang ergibt sich zwischen der jedoch meist auf eine einfache Flächenprüfung im Ver- Erfassung der Personalzeitdaten und den Betriebsdaten gleich zur zu montierenden Maschine. Flexiblere Planun- zum Montageauftrag. Eine Geht-Meldung unterbricht gen, z.B. die Montage von zwei Maschinen auf einer Mon- selbstverständlich die auf den Auftrag erfasste Zeit; eine tagefläche, erfordern nicht nur das Wissen des Planers, Kommt-Meldung kann den am Vortag unterbrochenen Auf- sondern auch die entsprechende Freiheit im Planungssys- trag automatisch wieder anmelden, solange dieser noch tem. Eine systemgestützte Optimierung der Montageflä- nicht als abgeschlossen gemeldet wurde. chen in der Art eines Zuschnittoptimierers wäre aus Sicht vieler Anwenderbetriebe wünschenswert, dürfte aber auf- Gesetze der Arbeitsgangreihenfolge grund vieler denkbarer zusätzlicher Randbedingungen den Planungsalltag stark überspannen. Die Planung der Die aus dem übergeordneten System stammenden Monta- Belegungsreihenfolge der Montageflächen sollte zumin- geaufträge sollten in ihrer Struktur mindestens in Vormon- dest mit Hilfestellung des Systems optimierbar sein. Dabei tage(n), Endmontage und Inbetriebnahme unterscheiden. ist im Vorfeld ein möglicher Zielkonflikt mit der Optimie- Werden diese als Dispositionsstufen geführt, stellt sich die rung der Personalauslastung oder der Optimierung der Ter- Frage, ob das ME-System das gesamte Auftragsnetz verpla- mintreue zu prüfen. Viele ME-Systeme bieten den Ansatz, 17
Montagesysteme steuern die Montagefläche als Parallelressource zu beplanen. Dabei nigen Stellen müssen ganze Messwertreihen aufgenom- ist jedoch zu prüfen, ob und welche Optimierungsparame- men und zu der produzierten Maschine oder einer ihrer ter auch für diese Ressourcenart zur Verfügung stehen. Komponenten gespeichert werden können. Zudem weist die Montagefläche als Ressource die Beson- derheit auf, dass sie bei Unterbrechung oder Fertigmeldung Wohin die Daten gehen eines Arbeitsgangs oder Auftrags natürlich nicht ohne wei- teres direkt für alternative Belegungen verfügbar ist. Die Planungs- und Steuerungslösung wird durch den Rück- lauf an das übergeordnete System abgerundet. Dabei müs- Daten zum Montageplatz sen die auch für die Unternehmensebene erforderlichen Daten zurückgereicht beziehungsweise durchgereicht wer- Obwohl die Betriebsdatenkommunikation vielfach durch den. Im Planungsstadium sind dies die auf Ebene des MES spezielle Subsysteme realisiert wird, gehört dieser Aufga- ermittelten Details bezüglich Auftrag und Arbeitsgängen, benbereich zwingend zur Planung und Steuerung durch ein um etwa Informationen für den Vertrieb zurückzuschreiben. ME-System. Die Aktualität des Auftragsvorrats und die ent- Dabei muss sichergestellt sein, dass das ERP-System mit sei- sprechende Ausstattung mit begleitenden Dokumenten am nen Funktionalitäten zum MRP-Lauf nicht zu einer Endlos- Montageplatz ist Voraussetzung einer verzugsfreien Pla- schleife beiträgt. Es ist also empfehlenswert, hierfür zusätz- nung und die möglichst fehlerfreie Umsetzung der Arbeits- liche Felder zu bemühen, die keine weiteren Prozesse aus- inhalte. Der Auftragsvorrat stellt die durchzuführenden Ar- lösen. Es ist allerdings in diesem Fall zu klären, wie mit Ma- beitsgänge in einer sinnvollen Reihenfolge zur Verfügung. terialbedarfen umzugehen ist, die arbeitsgangbezogen am Der Monteur muss die wesentlichen Zusatzinformationen Montageplatz zur Verfügung gestellt werden sollen. In jeder auf einfache Weise abfragen können. Dazu gehören insbe- Hinsicht muss das übergeordnete System alle Informationen sondere Zeichnungen, Darstellungen und Hinweise, die erhalten, die eine zweifelsfreie Materialverfügbarkeit am dem jeweils für den Auftrag gültigen Revisionsstand ent- Montageplatz ermöglichen. Die erfassten Betriebs- und Per- sprechen müssen. Dazu kann auch die Erfassung von Seri- sonalzeitdaten werden an das übergeordnete System wei- ennummern gehören, die erst bei Einbau in die Maschine tergegeben. Dort benötigt man sie nicht nur für die Doku- aufgenommen werden. Während die Erfassung der Monta- mentation, sondern auch für die weiterführende Kosten- gezeiten bereits weit mit der Erfassung der Personalzeiten rechnung im Sinn einer Nachkalkulation. Die während der In- verbunden ist, gehört die Erfassung der bei der Inbetrieb- betriebnahme erfassten Messdaten sollten wahlweise auf nahme ermittelten Daten und Messwerte zu den weiteren Ebene und mit Mitteln des MES auswertbar sein oder in den Voraussetzungen eines für die Montage geeigneten ME- entsprechenden Bereich der Qualitätssicherung des ERP- Systems. Diese Art der Erfassung ist typischerweise nicht Systems bzw. eines angeschlossenen QM-Systems gespielt an andere Zustandsmeldungen (Start, Unterbrechung, werden. Alle ermittelten Daten müssen für alle Beteiligten Ende) geknüpft. Auch müssen beliebig viele Datensets de- auswertbar und nachvollziehbar sein, damit die an der Mon- finierbar sein, die im Laufe der Inbetriebnahme erfasst wer- tage beteiligten Personen ihre Erfahrung bestmöglich ein- den sollen. Eine große Rolle spielt hier die Möglichkeit, bringen und austauschen können. ■ diese Erfassung mobil zu gestalten und weitestgehend kun- den- und produktspezifisch konfigurieren zu können. An ei- www.trovarit.de Autor Christian Müller ist Senior Consultant im Trovarit Competence Center MES. 18 MES Wissen Kompakt
www.gfos.com/mes INDUSTRIE 4.0 01-05 APRIL IHR SOFTWARE-PARTNER FÜR DIE INDUSTRIE Sind Sie bereit für Industrie 4.0? GFOS bietet das MES zur smarten Steuerung H A N N OV E R HALLE 7 Ihrer Produktion. S TA N D B 2 6
Systemlandschaften Bebauungsplan statt Automatisierungspyramide Das MES benötigt Gesellschaft Digital versierte Produzenten lösen sich zunehmend von der Automatisierungspyramide und MES-Software gilt vielen als Übergangstechnologie. Andere betonen die Rolle dieser Anwen- dungen als Enabler für Industrie 4.0 und die digitale Fabrik. Was ist nun Vision oder Wunsch, wie sieht die Praxis aus und wie ein logischer Weg zur Smart Factory? Bild: HIR GmbH E s hat zwar noch nie gestimmt, aber beim Thema MES ist nach wie vor die Meinung weit verbreitet, dass Richtli- nien wie die VDI5600 Prozesse definieren, die sich durch ein fertigung handelt, unterschiedlich komplexe Produkte mit unterschiedlicher Fertigungstiefe berücksichtigt werden müssen, wenn verschiedene Fertigungstechnologien mit geeignetes MES eines Anbieters weitgehend abdecken las- unterschiedlichen Automatisierungsgraden, oder die Be- sen und das mit diesem MES dann auch eine umfängliche herrschung spezieller Fertigungsprozesse mit Alleinstel- Standardisierung und Harmonisierung der produktionsun- lungsmerkmalen eine Rolle spielen. Auch eine Unterneh- terstützenden IT-Systeme über (nahezu) alle Produktions- mensstruktur mit global verteilten Produktionsstandorten bereiche und global verteilte Produktionsstandorte eines stellt zumeist eine Herausforderung dar. Eine unterneh- Unternehmens möglich ist. Die MES-unterstützten, unter- mens- bzw. konzernweite Standardisierung und Harmoni- nehmensweit harmonisierten und standardisierten Prozesse sierung von Prozessen funktioniert unter derart erschwer- sollen dann die Voraussetzung und die Basis für die digitale ten Randbedingungen nur noch auf den oberen Leveln Fabrik sein. Aus naheliegenden Gründen haben die MES-An- eines Prozessmodels, aber nicht mehr auf den unteren Pro- bieter zumeist kein großes Interesse daran, dieses Bild zu zess- und Prozessschrittebenen, auf denen die MES-Funk- korrigieren, aber leider beruht es auf Irrtümern. tionen zugeordnet sind und die Anwender unterstützen sollen (siehe Abbildung 1. Prozesspyramide). Der zweite Irr- Klassische Irrtümer tum bezieht sich auf das gegebenenfalls favorisierte MES selbst. Auch funktional sehr breit aufgestellte Standard- Der erste von drei relevanten Irrtümern besteht in der An- MES mit vielen integrierten Modulen decken in aller Regel nahme, dass bei dieser Herangehensweise die legitimen nur einen Teil der Anforderungen ab, die eine Produktion differierenden Anforderungen unterschiedlicher Geschäfts- an die IT-Unterstützung hat. Meist hat ein MES Schwer- einheiten und Produktionsbereiche berücksichtigt werden punkte und eignet sich für bestimmte Prozesse besonders können. Dies ist leider selten der Fall und gilt umso weni- gut, für andere weniger. Hier liefern die Herkunft eines Sys- ger, wenn es sich sowohl um Massen-, als auch um Einzel- tems, die wichtigsten Referenzkunden und die Ausprägung 20 MES Wissen Kompakt
der Module zwar häufig gute Hinweise, aber die Einschränkung für das Ziel einer einzigen unterneh- mensweiten Lösung ist damit nicht ausgeräumt. Die beiden genannten Irr- tümer sind die Klassiker und haben in der Praxis schon immer den Einsatz eines einzelnen MES als unternehmens- und kon- Bild: HIR GmbH zernweite Lösung behin- dert und in den allermeis- ten Fällen auch verhindert. Der dritte Irrtum hat seine Abb. 1: Prozesspyramide Ursachen in dem aktuellen Industrie 4.0- und IIoT-Hype und der allumfassenden Ver- oben auf den ERP-Layer zu schauen und Abgrenzungen vor- marktung aller auch nur halbwegs dazu passenden Kon- zunehmen. Reicht die ERP-/MRP-getriebene oder eventuell zepte, Produkte und Dienstleistungen. Unabhängig vom sogar APS-unterstützte Generierung, Planung und Steue- tatsächlichen Inhalt, wird jedes Angebot unter dem Label rung der Fertigungsaufträge, oder bedarf es einer ergänzen- Smart Factory vermarktet, am besten im Zusammenhang den Feinplanung und Steuerung gegen begrenzte Kapazi- mit einem Use-Case, der gemäß eines Reifegrad-Index ein täten durch fertigungsnahe Leitstände? Ähnliche Fragen gilt Zukunftsszenario darstellt. Aus diesen einzelnen Puzzletei- es häufig für die Themen Instandhaltung, Qualitätssicherung len die eigene smarte Fabrik der Zukunft zu entwickeln ist und z.B. das Werkzeugmanagement zu klären. Auch in Rich- schwierig. Auch die bekannte Darstellung der sich auflö- tung Scada-Ebene ist es sinnvoll, klare Abgrenzungen vor- senden Automatisierungspyramide hilft in der Praxis nicht zunehmen. Ist beispielsweise die Steuerung von automati- weiter (siehe Abbildung), weil sie nicht zwischen Stan- sierten Fertigungslinien noch eine MES-Aufgabe oder eher dard- und agilen Prozessen unterscheidet und darüber hi- etwas für die Automatisierungstechnik im Unternehmen. naus ohnehin noch keine marktreifen Manufacturing Platt- Darüber hinaus gilt es auf dem MES-Layer selbst zu klären, formen mit entsprechenden Apps für die wesentlichen wie mit vorhandenen und zukünftigen Tools/Anforderungen Shop-Floor-Prozesse existieren. Vor diesem Hintergrund ist verfahren werden soll. Hier bietet es sich an, zwischen zen- es nachvollziehbar, dass einzelnen Digitalisierungsinitiati- tral betreuten, unternehmensweiten Best-Practice-Lösun- ven und -projekten im Unternehmen häufig der strategi- gen, lokalen Speziallösungen, Übergangslösungen und Ab- sche Zusammenhang fehlt. lösekandidaten zu unterscheiden. Damit ist der erste Schritt zur Festlegung des Bebauungsplans und Definition des Ziel- Bebauungsplan und Zielbild bilds für das eigene Unternehmen getan. Soviel zu den Irrtümern und Herausforderungen, aber gibt Der entscheidende Schritt es nun einen logischen Weg zur Smart Factory und wenn ja, wie sieht er aus? Es gibt ihn und er lässt sich auch gut struk- Mit Blick auf die geplante Smart Factory ist der folgende Ar- turieren, indem man die Begriffe Bebauungsplan und Ziel- beitsschritt entscheidend. Nun gilt es zu klären, welche Pro- bild einführt. Man beginnt mit dem MES-Layer in der guten zesse im Unternehmen eher Standardcharakter haben und alten Automatisierungspyramide – über ihre Auflösung spä- Stabilität aufweisen, die dann durch ein Standard-MES ab- ter mehr. Zunächst gilt es, für den Bebauungsplan nach gedeckt werden können und welche eher individuelle, dy- 21
Systemlandschaften namische Prozesse mit Alleinstellungsmerkmalen und Po- Hierarchie angelegt ist und On-Premise oder in der Cloud in- tentialen des Unternehmens darstellen, die dann Zug um stallierte Services orchestriert. Abbildung 2 zeigt die grund- Zug mit agil entwickelten oder zugekauften Micro-Services legende Struktur eines Smart Factory-Bebauungsplans mit und Micro-Apps unterstützt werden sollten. Ein gutes Bei- allen Plattformen und Systemen im Zusammenhang. Aber spiel aus der ERP-Welt ist die Finanzbuchhaltung. Kein nor- was hat es nun mit dem Argument auf sich, dass sich in der males Industrieunternehmen käme heute noch auf den Ge- Smart Factory die Automatisierungspyramide auflöst? Tat- danken, dafür eine Individuallösung zu entwickeln, ähnlich sächlich ist dies der Fall, allerdings nicht für die Manufactu- könnte es sich mit einem Leitstand zur Feinplanung und - ring-Standardprozesse mit einer eher statischen, datensatz- steuerung und einer Personaleinsatzplanung oder der klas- und transaktionsorientierten Verarbeitung, sondern eher für sischen Betriebsdatenerfassung eines MES verhalten. Diese Prozesse, die neue, dynamisch-agile und individuelle funk- MES-Kernmodule stellen dann eine einheitliche Plattform tionale Anforderungen aufweisen und häufig auch noch für unternehmensweit standardisierte und harmonisierte eine real-time Verarbeitung erfordern. Die Abbildung 3 zeigt, Prozesse dar, auch wenn das MES selbst dezentral installiert wie die Automatisierungspyramide mit ihrer hierarchischen werden soll. Im Gegensatz dazu zielt der Einsatz von Micro- Struktur hier in den Hintergrund tritt und einer offenen Ma- Services und Micro-Apps weniger auf stabile, unterneh- nufacturing-Integrationsplattform weicht. mensweit standardisierbare und harmonisierbare Prozesse, sondern soll eher neue, dynamische und individuelle Anfor- Systeme und derungen unterstützen, z.B. Predictive Maintenance oder Plattformen koexistieren eine dynamische, agentenbasierte Feinsteuerung von AGVs auf dem Shop Floor. Dennoch benötigen auch Microservices Als Resümee bleibt festzuhalten, dass ein MES für eine und Apps eine Integrationsplattform, die offen und ohne vernetzte Produktion nicht ausreichen wird, sondern dass Bild: HIR GmbH Abb. 2: Struktur des Smart-Factory-Bebauungsplans mit allen Plattformen und Systemen 22 MES Wissen Kompakt
führende Systeme für Stamm- und Bewegungsdaten sein. Die unterla- gerten Manufacturing-Plattformen und -Systeme müssen sich in Bezug auf die Datenstrukturierung und Abbildung der Produktion von der ERP-Sicht emanzipieren. Dazu muss man nicht den digitalen Zwil- ling bemühen, bereits die klassi- schen Stücklisten- und Arbeitsplan- strukturen mit Arbeitsvorgängen – häufig auch noch eher konstrukti- Bild: HIR GmbH ons- als fertigungsgerecht aufge- baut – reichen nicht zur Abbildung einer digitalisierten Produktion mit Abb. 3: Digital Innovation Platform variantenreichen, serialisierten Tei- len und Baugruppen in Losgröße 1, die Smart Factory sinnvollerweise auf einem Bebauungs- hergestellt auf automatisierten Anlagen mit entsprechen- plan mit zumeist drei Systemen bzw. Plattformen basiert, den Online-Prüfschritten, oder an Arbeitsplätzen mit digi- nämlich dem Standard-ERP, einem Standard-MES sowie talisierten Arbeitsanweisungen und einzelnen Arbeits- einer offenen Integrationsplattform für Services, die On- schritten im Rahmen einer Online-Werkerführung. Sowohl Premise oder Cloud-basiert genutzt werden können. Da- das klassische MES, als auch die offene, werksnahe Platt- rüber hinaus kann es noch einzelne, integrationsfähige un- form müssen Arbeitsfolgen detaillierter abbilden können, ternehmensweite Best-Practice-Lösungen und spezielle als es im ERP-System sinnvoll und notwendig ist. Use Cases beziehungsweise domänenspezifische Applikationen die auf detaillierten Datenstrukturen basieren, sind etwa geben. Entsprechend diesem Bebauungsplan und den de- eine Werkerführung bei manuellen Prozessschritten, finierten Regeln kann dann das jeweilige Smart-Factory- Schrauberanbindungen, Pick-by-Scan-Prozesse bis hin zu Zielbild mit seinen spezifischen Ausprägungen für unter- Konfigurationsdaten für eine automatisierte, selbststeu- schiedliche Marktanforderungen, Produktgruppen, Ferti- ernde Produktion. Last but not least emanzipieren digitale gungstechnologien und Standorte entwickelt werden. Zwillinge die Produkte und das Equipment endgültig von der klassischen ERP-Datenhoheit. Nicht zuletzt aufgrund Konsequenzen für die Datenstruktur ihrer komplexeren Systemarchitektur braucht eine Fabrik der Zukunft einen passenden organisatorischen Rahmen Die dargestellte Manufacturing-System-Architektur der und personelle Strukturen. Auch mit Unterstützung spezia- Smart Factory hat natürlich Konsequenzen. Beispielsweise lisierter Berater, wird kein Unternehmen den Weg zur In- löst sich ein bislang sorgfältig gepflegtes Paradigma des dustrie 4.0 ‘so nebenbei’ erfolgreich gehen. ■ Zusammenspiels von ERP-Systemen und MES-Software auf. Das ERP-System kann nicht mehr länger alleine das www.hirgmbh.de Autor Dr.-Ing. Harald Hoff ist Geschäftsführer der HIR GmbH, Wiesbaden. 23
Künstliche Intelligenz Bild: ©jim/Fotolia.com Machine Learning Aus Erfahrungen lernen Künstliche Intelligenz, beziehungsweise maschinelles Lernen, versetzt Maschinen in die Lage, selbständig Wissen zu generieren. Die KI analysiert dabei nicht nur große Datenmengen, sondern bringt sie darüber hinaus in den richtigen Zusammenhang. L aut Definition versucht das Forschungsgebiet künst- liche Intelligenz (KI), menschliche Wahrnehmung und menschliches Handeln durch Maschinen nachzubilden. Entwicklung maßgeblich vorantreiben. Inzwischen er- reicht die Technologie auch die Fertigungshallen. Dabei ist die Thematik gerade im Maschinenbau hochaktuell. Was als Wissenschaft der Computer-Programmierung Dabei steht unter anderem der Begriff Machine Learning begann, hat sich mehr und mehr zur Erforschung des im Fokus. Durch das maschinelle Lernen erhalten IT-Sys- menschlichen Denkens entwickelt. teme die Fähigkeit, auf Basis vorhandener Datenbe- stände und Algorithmen Muster und Gesetzmäßigkeiten Machine Learning zu erkennen sowie Lösungen zu entwickeln. Diese Algo- rithmen folgen dabei nicht einfach nur streng definierten Fakt ist, die künstliche Intelligenz hat längst Einzug in Programmvorgaben, sondern treffen datengestützte zahlreiche Lebensbereiche genommen. Die IBM-Chefin Vorhersagen, indem sie auf Basis von Beispielen Wissen Ginni Rometty prophezeit sogar, dass „in wenigen Jahren generieren – also selbstständig lernen. Die Grundlage für jede größere Entscheidung – ob privat oder geschäftlich diesen Lernprozess sind Daten, die beispielsweise durch – mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und kognitiven Sensorik gesammelt werden. Die Beschaffung und Ana- Technologien fallen [wird].“ Forscher aus dem Silicon Val- lyse großer Datenmengen ist dabei zu einem entschei- ley gehen davon aus, dass KI die menschliche Intelligenz denden Faktor für den Einsatz künstlicher Intelligenz in in zehn Jahren übertreffen wird. Einige der großen Tech- der Wirtschaft geworden. Entscheidend ist dabei jedoch nologiekonzerne wie Google oder Micrososft setzen be- nicht nur die Datenmenge, sondern auch die korrekte In- reits seit einigen Jahren auf die Technologie und inte- terpretation. Nur so können aus Big Data auch Smart grieren sie in eine Vielzahl von Produkten, womit sie die Data generiert werden. 24 MES Wissen Kompakt
Bild: ©Gina Sanders/Fotolia.com Disruptive Veränderungen zu optimieren. Auf der Grundlage unterschiedlicher Informa- tionen lassen sich zukünftige Probleme an einer Maschine Auf lange Sicht ergibt sich daraus, dass sich die Ge- bereits im Voraus diagnostizieren und planbar beheben – schäftsgrundlage für den Maschinenbau verändert. Die noch bevor es zu einer Störung oder einer Produktionsun- zunehmende Austauschbarkeit einer einzelnen Maschine terbrechung kommt. Die Instandhaltung gestaltet sich somit wird in vielen Bereichen dazu führen, dass zukünftig nicht proaktiv, was planbare, störungsfreie und damit effizientere mehr die Maschine selbst, sondern die Leistung und Ver- Arbeitsprozesse ermöglicht. Die Vorteile für die Kunden lie- fügbarkeit einer Maschine verkauft wird. Folglich liegt die gen auf der Hand: Durch verkürzte Rüstzeiten sind die Ma- Priorität nicht mehr auf dem Ersatzteilgeschäft, sondern schinen besser ausgelastet und die Produktionsplanung nä- auf der Herausforderung, eine rund um die Uhr Verfüg- hert sich einer ‘Null-Fehler-Qualität’. Auch Mitarbeiter pro- barkeit zu erfüllen. Es kommt zu einer sogenannten dis- fitieren von den Vorteilen der intelligenten Systeme. Durch ruptiven Veränderung. die Integration möglicher Expertensysteme als fester Be- standteil der Maschinen kann beispielsweise eine schnellere Vorausschauende Wartung Schulung und Einarbeitung ermöglicht werden. Darüber hi- naus könnte auch die Bedienung im laufenden Betrieb der In der Praxis, beispielsweise bei der vorausschauenden War- Maschine durch eine entsprechende Unterstützung verein- tung (Predictive Maintenance), wird das Potenzial von Ma- facht werden. Dabei bietet Augmented Reality großes Po- chine Learning besonders deutlich. In der Vergangenheit tential. So können Mitarbeiter beispielsweise über eine AR- war der Instandhaltungs-Prozess häufig rein reaktiv: Es Brille Schritt für Schritt durch Prozessabläufe geführt und wurde erst reagiert, wenn Fehler und Probleme bereits auf- angeleitet werden. Gute Voraussetzungen für transparente getreten waren. Dies führte häufig zu Wartezeiten, Stillstän- und effiziente Produktionsabläufe. ■ den und somit zu Nutzugsausfällen. Durch den Einsatz intel- ligenter Software war es möglich, den Prozess grundlegend www.gfos.com Autor Burkhard Röhrig ist Geschäftsführer der GFOS mbH. 25
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