Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopf-falter im württembergischen Allgäu - Bamann Faunistik

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Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopf-falter im württembergischen Allgäu - Bamann Faunistik
Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

                 Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopf-
Originalarbeit

                 falter im württembergischen Allgäu
                 Grundlagen wirkungsvoller Pflegemaßnahmen auf Streuwiesen
                 Von Myrielle Hely, Nils Anthes und Thomas Bamann
                 Eingereicht am 03. 05. 2018, angenommen am 22. 08. 2018

                     Abstracts
                     Der Heilziest-Dickkopffalter (Carcharodus flocciferus) ist eine in                Early mowing supports the Tufted Skipper in southwest Germany
                     Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohte Tagfalterart, die                       The Tufted Skipper butterfly (Carcharodus flocciferus) strictly
                     auf nährstoffarme Streuwiesen angewiesen ist. Im Rahmen der                       depends on nutrient-poor litter meadows and is considered
                     Umsetzung des Artenschutzprogramms des Landes Baden-Würt-                         threatened by local extirpation in the German federal state of
                     temberg (ASP) wurde in 16 Gebieten auf 144 experimentell                          Baden-Württemberg. In the framework of a regional species
                     bewirtschafteten Patches die Bedeutung früher Mahdzeitpunk-                       conservation programme, we investigated the effect of early
                     te auf die Eiablage der Art untersucht. Früh gemähte Flächen                      versus traditional late mowing on the species’ egg deposition in
                     wiesen signifikant geringere Vegetationsdichten und -höhen auf.                   144 experimental patches spread over 16 study sites. 94 % of all
                     94 % der Eier konnten in Frühmahdbereichen gefunden werden,                       eggs were found in early mowing patches, and 71 % of these
                     71 % davon in kleinflächigen Frühmahdparzellen. Die Anzahl                        where early mowing was applied on small patches integrated
                     der Eier stieg mit geringerer Vegetationsdeckung und -höhe. Von                   into late-mown areas rich in nectar resources. Within early mow-
                     78 untersuchten Streuwiesen mit Heilziest-Vorkommen wurden                        ing patches, egg numbers significantly increased when vegetation
                     nur 15 (19 %) als sehr gut für C. flocciferus geeignet eingestuft.                density and height decreased, but were independent of the num-
                     Die verbliebenen Populationsgruppen sind räumlich stark isoliert                  ber of available Purple Betony (Betonica officinalis) host plant
                     und unterliegen daher einem hohen Aussterberisiko. Die Unter-                     shoots. Only 15 out of 78 surveyed litter meadow sites (19 %)
                     suchung untermauert die Bedeutung nährstoffarmer Streuwiesen                      were assigned as suitable habitat for C. flocciferus. The current-
                     mit lückiger Vegetationsstruktur. Diese Ausprägungen werden                       ly known populations are spatially fragmented and thus exposed
                     aufgrund von Nährstoffeinträgen aus angrenzenden Flächen und                      to an elevated extinction risk. Our study confirms the importance
                     über die Luft immer seltener. Eine partielle frühe Mahd kann                      of nutrient poor litter meadows with open vegetation structure,
                     helfen, die Nährstoffgehalte der Streuwiesen zu reduzieren und                    but these are increasingly difficult to conserve owing to direct
                     gleichzeitig die von der Art zur Eiablage präferierten voll                       and indirect nutrient influx. We suggest partial early mowing
                     besonnten Blattrosetten des Heilziests (Betonica officinalis) zur                 to buffer against nutrient accumulation and provide sun-exposed
                     Verfügung zu stellen. Langfristig sollten großzügige Pufferzonen                  Betony shoots as preferred by egg-deposing Tufted Skippers.
                     mit extensivierter Nutzung und verringertem Düngemitteleinsatz                    Long-term habitat optimization additionally requires broad
                     die Nährstoffeinträge dauerhaft reduzieren.                                       buffer zones to permanently limit nutrient input.

                 1      Einleitung                                              ein. In der Folge ging der Flächenanteil       Konsequenz sind dicht- und hochwüchsige
                                                                                nährstoffarmer Lebensräume wie Mager-          Vegetationsbestände mit einer häufig hin
                 Nährstoffarme Lebensräume sind Zentren                         rasen oder streugemähter Niedermoore           zu stickstoffliebenden Pflanzenarten ver-
                 großer Artenvielfalt. Die geringen Nähr-                       stark zurück, da sie durch Düngung und         schobenen Zusammensetzung (Quinger
                 stoffgehalte der Böden ermöglichen das                         – im Fall der Niedermoore – Entwässerung       et al. 1995).
                 Wachstum unterschiedlichster Pflanzenar-                       melioriert und einer intensiveren Nutzung          Der Heilziest-Dickkopffalter (Carcharo-
                 ten, die durch den Nährstoffmangel einen                       zugeführt wurden (Konold & Hackel              dus flocciferus) ist eine der Arten, die auf
                 Konkurrenzvorteil gegenüber stickstofflie-                     1990). Die heute noch vorhandenen Reste        nährstoffarme Lebensräume angewiesen
                 benden Pflanzen erhalten. Diese Vielfalt an                    nährstoffarmer Niedermoore sind akut           sind. Aufgrund seines stetig rückläufigen
                 meist krautigen Pflanzenarten sowie die                        durch passive Nährstoffeinträge bedroht,       Bestandes gilt er deutschlandweit als „stark
                 günstigen mikroklimatischen Verhältnisse,                      die über intensive Düngung angrenzender        gefährdet“ (Reinhardt & Bolz 2011), in
                 die in der häufig schütteren und lückigen                      Flächen, in die Gebiete hinein entwässern-     Baden-Württemberg als „vom Aussterben
                 Vegetationsmatrix nährstoffarmer Lebens-                       de Gräben und Drainagen sowie atmosphä-        bedroht“ (Ebert et al. 2005). Seit Beginn
                 räume herrschen, ermöglichen die Existenz                      rische Stickstoffeinträge auf die häufig in    der Aufzeichnung lepidopterologischer
                 einer artenreichen Fauna, besonders wech-                      Senkenlage befindlichen Niedermoore            Daten in Baden-Württemberg wurden
                 selwarmer Gruppen wie der Insekten.                            wirken. Allein der letzte dieser Posten be-    glaubhafte Nachweise ausschließlich süd-
                    Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts                         trägt im Voralpenraum derzeit ca. 13 kg pro    lich der Donau bekannt, weitere Funde
                 herrschte im landwirtschaftlich geprägten                      ha und Jahr (Schaap et al. 2018) und er-       werden auf Verwechslungen mit dem sehr
                 Mitteleuropa akuter Nährstoffmangel. Erst                      reicht damit bereits die Untergrenze der       ähnlichen Malven-Dickkopffalter (Carcha-
                 seit der Entwicklung verschiedener Dün-                        für Streuwiesen als critical load (kritische   rodus alceae) zurückgeführt (Albrecht et
                 geformen schränkt Nährstoffmangel die                          Belastung) erachteten 15–25 kg pro ha und      al. 1999, Ebert & Rennwald 1991). Im
                 landwirtschaftliche Produktion nicht mehr                      Jahr (AG Immissionsschutz 2012). Die           nördlichen Oberschwaben (Umgebung Bi-

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Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

                                                                                                        2      Material und Methoden

                                                                                                                                                                Originalarbeit
                                                                                                        2.1 Autökologie des
                                                                                                            Heilziest-Dickkopffalters

                                                                                                        Der Heilziest-Dickkopffalter (Abb. 1) besie-
                                                                                                        delt in Mitteleuropa fast ausschließlich
                                                                                                        streugemähte Niedermoore mit Vorkom-
                                                                                                        men der hier einzigen Wirtspflanze, des
                                                                                                        Heilziests (Betonica officinalis). Meist han-
                                                                                                        delt es sich um wechseltrockene Pfeifen-
                                                                                                        gras-Streuwiesen, die in feuchte Ausprä-
                                                                                                        gungen von Magerwiesen und Borstgrasra-
                                                                                                        sen übergehen können (Albrecht & Kraus
                                                                                                        2013, Ebert & Rennwald 1991) (Abb. 2).
                                                                                                        Gemein ist diesen Lebensräumen eine nied-
                                                                                                        rigwüchsige und schüttere Vegetations-
                                                                                                        struktur. Häufig sind Sonderstrukturen wie
                                                                                                        mineralische Kuppen, Böschungen und
                                                                                                        stark entwässerte Grabenränder in die Ha-
                                                                                                        bitate integriert, die für eine erfolgreiche
                                                                                                        Entwicklung der Präimaginalstadien beson-
                                                                                                        ders günstig sind (Albrecht et al. 1999).
Abb. 1: Weibchen des Heilziest-Dickkopffalters (Carcharodus flocciferus) auf einer Heilziest-Blüte
                                                                                                           Die Weibchen der etwa von Ende Mai
.                                    © Thomas Bamann, 11.07.2013, Umgebung Neukirch (Bodenseekreis)
                                                                                                        bis Mitte Juli fliegenden Falter legen ihre
                                                                                                        Eier meist einzeln an die Oberseite der
berach a. d. Riß) wurde die Art zuletzt in         Vorkommen des Falters (letzte Funde zwi-             Grundrosettenblätter freistehender, voll
den 1970er-Jahren nachgewiesen (Alb-               schen 1995 und 2001) überprüft. Unter-               besonnter Heilziest-Pflanzen ab, bevorzugt
recht et al. 1999, Ebert & Rennwald                sucht wurden die Effekte von Früh- versus            an die Mittelrippe des Blattes (Abb. 3, vgl.
1991). Im südlichen Oberschwaben sind              Spätmahd auf die Eidichten des Falters,              Kissling & Rey 2016). Die Raupen schlüp-
die Vorkommen im Bodensee-Raum (z. B.              deren Korrelation mit Vegetations- und               fen etwa zwei Wochen später und bauen
Bodanrück, Deggenhausertal und Eriskir-            Strukturparametern sowie der räumliche               eine sie schützende Blatttüte, die nur zur
cher Ried) seit den 1970er-Jahren erlo-            Verbund zwischen aktuell besiedelten Ge-             Nahrungsaufnahme verlassen wird und in
schen (Albrecht et al. 1999, Ebert &               bieten. Daraus werden Vorschläge für wir-            der sie überwintern. Die Verpuppung er-
Rennwald 1991). Somit existiert derzeit            kungsvolle Pflegemaßnahmen in den                    folgt im kommenden Frühjahr im Mai. In
nur noch eine kleine Populationsgruppe im          Streuwiesen abgeleitet.                              warmen Sommern kann es zur Ausbildung
württembergischen Allgäu zwischen Neu-
kirch im Westen und Wangen im Allgäu im
Osten, mit zwölf bekannten Vorkommen
im Zeitraum 2000–2017 [unveröffent-
lichte Daten des Arten- und Biotopschutz-
programms (ASP) des Landes Baden-Würt-
temberg].
    Im Rahmen des ASP werden daher alle
bekannten Vorkommen durch speziell an-
gepasste Maßnahmen gefördert. Grund-
lage hierfür sind Beobachtungen im West-
allgäuer Hügelland (Albrecht et al. 1999),
dass bereits zur Flugzeit der Art gemähte
Randbereiche von Streuwiesen mit Heil-
ziest-Vorkommen auffallend häufig mit
Eiern belegt werden. Entsprechend wird
seit 2014 in 20–30 Gebieten auf wechseln-
den Teilflächen eine Frühmahd vorgenom-
men, bisher allerdings ohne stichhaltige
Anhaltspunkte dafür, ob diese Maßnahme
tatsächlich positive Effekte auf die Popula-
tionsentwicklung des Heilziest-Dickkopf-
falters hat.
    In der vorliegenden Studie wurden              Abb. 2: Oberer Langenbergweiher in der Umgebung von Neukirch (Bodenseekreis). Die nur 1,4 ha große
Frühmahd-Effekte daher anhand kontrol-             Streuwiese beherbergt eines der individuenstärksten Vorkommen von C. flocciferus in Baden-Württem-
lierter Mahdversuche in acht aktuell beleg-        berg. Der Lebensraum ist von intensiv genutztem Grünland (bereits gemähte Bereiche) umgeben und da-
ten sowie acht als verwaist eingestuften           her durch Nährstoffeinträge stark beeinträchtigt.                            © Myrielle Hely, 16.05.2017

                                                                                           50 (12) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andscha f ts p l a n un g 465
Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopf-falter im württembergischen Allgäu - Bamann Faunistik
Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

                                                                                                                                     f Deckungsgrad der Vegetation (Schätz-
Originalarbeit

                                                                                                                                     wert in %),
                                                                                                                                     f Höhe der Kraut- und Grasschicht (Mess-
                                                                                                                                     werte in cm),
                                                                                                                                     f Anzahl der Heilziest-Pflanzen.

                                                                                                                                     2.3 Statistische Analyse

                                                                                                                                     Die statistischen Analysen beruhen auf ge-
                                                                                                                                     mischten linearen Modellen unter Verwen-
                                                                                                                                     dung des lme4-packages (Bates et al. 2015)
                                                                                                                                     für das Statistik-Paket R v.3.4.2 (R Core
                                                                                                                                     Team 2017). In diesen Modellen bilden
                                                                                                                                     „zufällige Faktoren“ die hierarchische Da-
                                                                                                                                     tenstruktur ab, in unserem Fall die drei
                                                                                                                                     Messungen für jedes der drei Mahdregimes
                                                                                                                                     innerhalb eines Untersuchungsgebietes.
                                                                                                                                     Dabei wurden pro Untersuchungsgebiet
                                                                                                                                     unterschiedliche Effekte der Mahdregimes
                                                                                                                                     zugelassen (sog. random slopes). Die Über-
                                                                                                                                     prüfung des Mahdregime-Effektes erfolgte
                                                                                                                                     mittels Chi²-Test über einen hierarchischen
                                                                                                                                     Vergleich eines Modells mit und ohne die-
                                                                                                                                     sen Faktor. Paarweise Mittelwertvergleiche
                 Abb. 3: Junge Blätter des Heilziests (Betonica officinalis) mit jeweils einem Ei des Heilziest-Dickkopffalters
                                                                                                                                     zwischen den drei Mahdregimes erfolgten
                 an der Blattbasis (Mittelrippe).       © Thomas Bamann, 06.07.2016, Umgebung Neukirch (Bodenseekreis)
                                                                                                                                     unter Verwendung der ursprünglichen Mo-
                                                                                                                                     delle mittels Tukey-HSD-Posthoc-Tests im
                 einer partiellen zweiten Generation im                         Frühmahdparzellen). Insgesamt wurden                 lsmeans-package (Lenth 2016). Die unter-
                 August kommen (Albrecht et al. 1999).                          auf diese Weise also 144 je 1 m² große Pat-          suchten Vegetationsparameter folgten
                                                                                ches angelegt (Abb. 5), für 141 davon lie-           ausreichend den Annahmen normalverteil-
                 2.2 Detailuntersuchungen                                       gen Daten vor. In jedem Patch wurden                 ter Modellresiduen. Modelle mit der An-
                                                                                folgende Parameter aufgenommen:                      zahl gefundener Eier pro Patch als Ant-
                 In jedem der 16 Untersuchungsgebiete                           f Lage (Koordinaten, Exposition),                    wortvariable wurden dagegen als Poisson-
                 wurden drei strukturell unterschiedliche                       f Anzahl der Eier pro Pflanze und Blatt,             Regressionen modelliert. Letztere Analy-
                 Mahdregimes untersucht:                                        f Lage der Eier auf dem Blatt (Blattspreite,         sen waren grundsätzlich auf Untersu-
                    (i) Flächenhafte Frühmahd (auf 0,1–                         Blattbasis, Mittelrippe),                            chungsgebiete mit mindestens einem Ei-
                 0,6 ha), die entsprechend den aktuellen
                 ASP-Vorgaben zwischen dem 20. Mai und
                 dem 10. Juni 2017 durchgeführt wurde.
                    (ii) Frühmahd in Kleinstparzellen (pro
                 Gebiet drei Parzellen à 9 m² Fläche, vgl.
                 Abb. 4), die zeitlich parallel mit der Motor-
                 sense inmitten der ansonsten spät gemäh-
                 ten Teilfläche ausgemäht wurden. Diese
                 Flächen dienten dazu, neben einem Ver-
                 gleich flächiger Früh- und Spätmahd auch
                 die Bedeutung kleinflächiger Strukturhe-
                 terogenität zu erfassen.
                    (iii) Traditionelle Spätmahd (jeweils
                 die verbleibenden gut 2/3 der Gebiete), mit
                 der üblichen Streuwiesenmahd ab Anfang
                 September.
                    Die untersuchten Flächen umfassten
                 unterschiedliche Ausprägungen hinsicht-
                 lich Vegetationsstruktur und -zusammen-
                 setzung sowie Exposition und Inklination,
                 um das gesamte Spektrum vorhandener
                 Mikrohabitate abdecken zu können. Die
                 Eisuche und Charakterisierung der Vege-
                 tationsstruktur erfolgte in jedem der 16
                 Untersuchungsgebiete in jeweils neun                           Abb. 4: Mit der Motorsense gemähte Frühmahdparzelle (3 × 3 m²) im Spätmahdbereich. Das Mahdgut wur-
                 1-m²-Patches (jeweils drei im Spätmahd-                        de direkt nach der Mahd abgeräumt. Der 1-m²-Patch wurde zentral in die Mitte der Fläche gelegt.
                 bereich, im Frühmahdbereich und in den                                                                                © Myrielle Hely, 29.05.2017, Hüttenweiler Weiher

                 466 N AT U RS C H U TZ u nd L a nd s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 12) | 2018
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Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

fund beschränkt, da nur in besiedelten

                                                                                                                                                              Originalarbeit
Gebieten ein Effekt der Mahd auf das Ei-
ablageverhalten feststellbar ist. Für die
Analyse der Auswirkungen von Vegetati-
onscharakteristika auf die Eizahlen sowie
Korrelationen innerhalb der Vegetations-
charakteristika wurden ausschließlich Pat-
ches in Frühmahd berücksichtigt, und
damit solche Patches, die grundsätzlich für
die Eiablage bevorzugt werden und zum
Zeitpunkt der Erhebungen bereits ein Mal
gemäht waren.

2.4 Räumliche Habitatkonfiguration

Die Untersuchungsgebiete wurden auf
Grundlage der o. g. Parameter, ihrer Flä-
chengröße sowie der Ausprägung und Aus-
dehnung potenziell geeigneter Larvalhabi-
tate in drei Eignungskategorien (sehr gut
geeignet, mäßig geeignet, ungeeignet)
eingeteilt. Ebenso wurde mit 62 weiteren
Flächen verfahren, die im Umkreis von
2 km um die untersuchten Habitate liegen
                                                 Abb. 5: 1-m²-Patch im Spätmahdbereich mit lila Blütenständen des Heilziests und sehr wüchsiger Vegeta-
und gemäß der §-30-Biotopkartierung Vor-
                                                 tionsstruktur.                                                               © Myrielle Hely, 28.06.2017
kommen des Heilziests aufweisen. Die ge-
wählte Distanz können die Falter noch mit
einiger Wahrscheinlichkeit überwinden
(Albrecht et al. 1999).
   Mit Hilfe eines geografischen Informa-
tionssystems (ArcGIS 10.5.1, ESRI Inc.)
wurden Distanzen zwischen den einzelnen
Gebieten errechnet. Hierdurch ließen sich
einzelne Populationsgruppen sowie für
eine Vernetzung notwendige Trittstein-
habitate erkennen.

3    Ergebnisse

3.1 Bewirtschaftung und
    Vegetationsstruktur

Erwartungsgemäß zeigten die Mahdre-
gimes deutliche Auswirkungen auf die Ve-
getationsstruktur in den untersuchten
Patches. Im Vergleich mit den Flächen in
Frühmahd zeigten Spätmahdflächen eine
dichtere Vegetationsdeckung (Abb. 6a,
Mahdregime-Effekt im gemischten Modell:
chi² = 36,0, df = 2, P < 0,001) sowie größere
Wuchshöhen der Grasschicht (Abb. 6b,
chi² = 33,3, df = 2, P < 0,001) und der Kraut-
schicht (Abb. 6c, chi² = 23,7, df = 2,
P < 0,001). Keinen signifikanten Unter-
schied gab es hingegen in der mittleren
Anzahl Heilziest-Pflanzen pro Patch
(Abb. 6d, chi² = 4,8, df = 2, P = 0,09).

3.2 Eifunde
                                                 Abb. 6: Vegetationsparameter in den drei untersuchten Mahdregimes. Datengrundlage sind die Erhebungen
                                                 aus allen 16 Untersuchungsgebieten mit meist drei untersuchten Patches pro Mahdregime (gesamt-n = 141).
In acht der 16 (50 %) Gebiete konnten ins-       Box-Plots zeigen den Median (zentrale Linie), die zentralen 50 % der Daten (Box), Wertespannen (Fahnen)
gesamt 66 Eier nachgewiesen werden.              sowie Extremwerte (Einzelpunkte). Signifikante paarweise Unterschiede zwischen den Mahdregimes sind
Hiervon befanden sich 18 Eier (27 %) in          durch unterschiedliche Buchstaben unter den Boxen indiziert (Tukey-HSD-post-hoc-Tests).

                                                                                         50 (12) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andscha f ts p l a n un g 467
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Originalarbeit

                 Abb. 7: Eifunde in Abhängigkeit von den experi-
                 mentellen Mahdregimes. Datengrundlage sind
                 Funde aus den acht besiedelten Untersuchungsge-
                 bieten mit meist drei untersuchten Patches pro
                 Mahdregime (gesamt-n = 69 Patches). Zur Darstel-
                 lung s. Abb. 6.

                 Frühmahdflächen, 44 Eier (67 %) in ma-
                 nuell gemähten Frühmahdparzellen und
                 vier Eier (6 %) in den Spätmahdflächen.
                 Maximal wurden sieben Eier in einer ein-
                 zigen Frühmahdparzelle und 21 Eier in
                 einem Untersuchungsgebiet gefunden.
                    Innerhalb der besiedelten Gebiete hatte
                 das Mahdregime einen signifikanten Ein-
                 fluss auf die Eizahl pro Patch (Mahdregime-
                 Effekt im gemischten Modell: chi² = 39,9,                       8
                 df = 2, P < 0,001, Abb. 7). Dabei wurden
                 sowohl in den Frühmahdflächen (Post-hoc
                 Z = –2,99, p = 0,008) als auch in den
                 Frühmahdparzellen (Z = –4,71, p < 0,001)
                 signifikant mehr Eier gefunden als bei Spät-
                 mahd. Frühmahdparzellen hatten im
                 Schnitt etwas höhere Eizahlen als Frühmah-
                 dflächen (Z = 2,79, p = 0,015).
                    Die Eier wurden zu 41 % an der Blatt-
                 basis, zu 54,5 % entlang der Mittelrippe
                 abseits der Blattbasis und zu 4,5 % auf der
                 Blattspreite abgelegt. In 6,6 % der Fälle
                 gelang der Nachweis von mehreren Eiern
                 pro Blatt. Zweimal konnte eine Eiablage in
                 die Blütenstände des Heilziests beobachtet
                 werden.

                 3.3 Korrelationen von Eiablage und
                     Vegetationsstruktur

                 Innerhalb der primär zur Eiablage genutz-
                 ten Frühmahdflächen und -parzellen war                                                  Abb. 8: Eifunde pro Patch in Abhängigkeit von
                 die Anzahl gefundener Eier unabhängig                                                   Vegetationscharakteristika. Datengrundlage
                 von der Anzahl verfügbarer Heilziest-Pflan-                                             sind die Funde innerhalb der Patches mit
                 zen (gemischtes Modell: chi² = 0,14, df = 1,                                            Frühmahd in den acht besiedelten Untersu-
                 P = 0,71, Abb. 8d) und der Höhe der Kraut-                                              chungsgebieten (gesamt-n = 45). Die Vorhersa-
                                                                                                         gen der gemischten Modelle sind dargestellt als
                 schicht (chi² = 1,1, df = 1, P = 0,29, Abb. 8c),
                                                                                                         Regressionsgeraden (schwarze Linien) sowie
                 sie sank jedoch mit dem Deckungsgrad der                                                deren 95 % Konfidenzintervall (grau schattiert).
                 Krautschicht (chi² = 6,7, df = 1, P = 0,0098,                                           Abb. 9: Zusammenhänge ausgewählter Vegeta-
                 Abb. 8a) sowie tendenziell mit der Höhe                                                 tions-Charakteristika innerhalb von Frühmahd-
                 der Grasschicht (chi² = 3,4, df = 1, P = 0,067,                                         patches in allen 16 Untersuchungsgebieten
                 Abb. 8b).                                                       9                       (gesamt-n = 93). Zur Darstellung s. Abb. 8.

                 468 N AT U RS C H U TZ u nd L a nd s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 12) | 2018
Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopf-falter im württembergischen Allgäu - Bamann Faunistik
Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

                                                                                                                                                                    Originalarbeit
Abb. 10: Räumliche Verteilung von Streuwiesen mit Heilziest-Vorkommen im württembergischen Allgäu. Nur 15 der 78 bewerteten Gebiete wurden als „sehr gut“
und damit für C. flocciferus besiedelbar eingestuft. Auf diese Gebiete bezogen ergibt sich ein deutlich fragmentiertes Habitatnetz, das von größeren Bereichen
ohne geeignete Habitate (mäßige und schlechte Ausprägung) unterbrochen wird.

    Auf den früh gemähten Patches ergaben             Kissling & Rey 2016, diese Studie) kom-               gegangener Untersuchungen (Albrecht
sich starke Korrelationen zwischen den                men nur die 15 sehr gut geeigneten Flächen            et al. 1999, Kissling & Rey 2016) von Ei-
verschiedenen Vegetationscharakteristika.             als Habitate in Frage. Hierdurch ergibt sich          ablagen in früh gemähte Bereiche können
Der Deckungsgrad der Vegetation korre-                ein deutlich aufgelöstes Habitatnetz mit              wir damit auch in größerem Maßstab sowie
lierte stark positiv mit der Höhe der Kraut-          einzelnen, voneinander getrennten Meta-               auf Basis eines experimentellen Mahdre-
schicht (gemischtes Modell: chi² = 16,7,              populationsgruppen (Abb. 10). Die Abstän-             gimes bestätigen.
df = 1, P < 0,001, Abb. 9a) und die Anzahl            de zwischen diesen Populationsgruppen                    Dieser Eiablagepräferenz können unter-
der Ziest-Pflanzen schwach positiv mit der            betragen zwischen 2,5 und 3,4 km. Das                 schiedliche Ursachen zugrunde liegen:
Vegetationsdeckung (chi² = 5,7, df = 1,               Vorkommen im NSG Gießenmoos östlich                   Zunächst dürften die durch Mahd freige-
P = 0,017, Abb. 9b). Die Anzahl der Ziest-            von Wangen im Allgäu ist sogar 6,5 km von             stellten Rosetten des Heilziests für Weib-
Pflanzen korrelierte dagegen nicht mit der            den nächsten bekannten baden-württem-                 chen besonders gut auffind- und anfliegbar
Höhe der Krautschickt (chi² = 1,7, df = 1,            bergischen Populationen entfernt.                     sein und damit die Eiablage erleichtern.
P = 0,19, Abb. 9c).                                                                                         Weiterhin könnten die voll besonnten Ro-
                                                      4     Diskussion                                      setten ein besonders günstiges Mikroklima
3.4 Räumliche Habitatkonfiguration                                                                          aufweisen und eine rasche und erfolgreiche
                                                      4.1 Mikrohabitate                                     Entwicklung der Präimaginalstadien er-
Von den 78 bewerteten Flächen (vgl. Ma-                                                                     möglichen. Eine Bevorzugung offener,
terial und Methoden) wurden 15 Flächen                Für C. flocciferus konnte im Rahmen dieser            lückiger Strukturen und warmer Mikro-
(19 %) als „sehr gut geeignet“, 28 Flächen            Untersuchung eine deutliche Eiablageprä-              klimate für die Eiablage und die Larvalent-
(36 %) als „mäßig geeignet“ und 35 Flä-               ferenz für früh gemähte Bereiche innerhalb            wicklung ist auch für zahlreiche weitere
chen (45 %) als „ungeeignet“ eingestuft.              der traditionell spät gemähten Streuwiesen            Tagfalterarten belegt (Übersicht in Fart-
Bei mäßig geeigneten oder ungeeigneten                nachgewiesen werden – 94 % der Eifunde                mann & Hermann 2006).
Flächen waren Heilziest-Bestände fast aus-            gelangen hier, bevorzugt in Bereichen mit                Auffällig war eine Häufung von Eifun-
schließlich in dicht- und hochwüchsiger               besonders geringer Vegetationsdeckung                 den in den kleinflächigen 9-m²-Frühmahd-
Vegetation und/oder nur vereinzelt vor-               und damit offenstehenden, voll besonnten              patches gegenüber flächig gemähten Früh-
handen. Aufgrund der Habitatansprüche                 Grundblattrosetten des Heilziests. Die                mahdbereichen. Dies deutet an, dass klein-
von C. flocciferus (Albrecht et al. 1999,             stichprobenhaften Beobachtungen voran-                flächig früh gemähte Bereiche innerhalb

                                                                                               50 (12) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andscha f ts p l a n un g 469
Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

                 traditioneller Spätmahd für die Weibchen                       spruchsvolle Art geeignete Habitate derart     sind, sind aufgrund der geringen Förder-
Originalarbeit

                 besonders attraktiv sind. Verhaltensbeob-                      verinseln lassen, dass ein Austausch zwi-      summen und der regionalen Wasserkreuz-
                 achtungen zeigen, dass Weibchen zwischen                       schen den verbliebenen fünf Vorkommens-        kraut-Problematik aktuell stark rückläufig
                 einzelnen Eiablagen häufig Nektar aufneh-                      Clustern äußerst unwahrscheinlich ist, vor     (LEV Ravensburg 2016).
                 men (Albrecht et al. 1999). Eine mosaik-                       allem da es sich bei C. flocciferus um einen      Zudem sollten die im Rahmen des ASP
                 artige Vernetzung zwischen Nektarhabita-                       ortstreuen K-Strategen handelt (Albrecht       etablierten, jahrweise wechselnden
                 ten in spät gemähten Streuwiesen und                           et al. 1999).                                  Frühmahdflächen beibehalten und auf wei-
                 Eiablagehabitaten in den Frühmahdpat-                              Es ist davon auszugehen, dass vor 1950     tere Standorte ausgeweitet werden. Sie
                 ches deutet sich daher als optimale Verzah-                    nährstoffarme und relativ stark entwässer-     stellen momentan die am besten geeigne-
                 nung gemäß den Ansprüchen der Falter                           te Streuwiesen der Regelfall im württem-       ten Reproduktionshabitate für C. flocciferus
                 sowie ihrer Larvalstadien an (vgl. Bräu &                      bergischen Allgäu waren (Konold &              dar und können helfen, die Bestände an
                 Nunner 2003 für weitere Insektenarten).                        Hackel 1990, Quinger et al. 1995). Zu-         den rezenten Vorkommensorten zumindest
                     Keinen Einfluss auf die Eifunde hatte                      dem wurden angrenzende mineralische            zu stabilisieren. Um eine Ausbreitung
                 dagegen innerhalb der früh gemähten Be-                        Standorte nur extensiv bewirtschaftet, so-     zu ermöglichen, sollten entsprechende
                 reiche die verfügbare Anzahl an Heilziest-                     dass für C. flocciferus besonders attraktive   Frühmahdbereiche auch auf benachbarten
                 Pflanzen. Möglicherweise sind die Bestän-                      Habitate im fließenden Übergang von            Streuwiesen etabliert werden, die sich ak-
                 de der Wirtspflanze in den hier untersuch-                     Feucht- zu Trockenstandorten existierten       tuell in keinem geeigneten Pflegezustand
                 ten Gebieten grundsätzlich ausreichend                         (Bräu & Nunner 2013). Zu dieser Zeit           befinden und unbesiedelt sind. Die
                 groß, um den eher geringen Nahrungsbe-                         dürfte der Heilziest-Dickkopffalter deutlich   Frühmahd für C. flocciferus muss – im Ge-
                 darf der meist einzeln an einer Futter-                        weiterverbreitet gewesen sein. Durch die       gensatz zur Frühmahd zur Aushagerung
                 pflanze sitzenden Jungraupen zu decken                         in den 1950er- und 1960er-Jahren erfolg-       wüchsiger und/oder verschilfter Vegetati-
                 (vgl. Albrecht et al. 1999, Kissling & Rey                     te flächige Intensivierung landwirtschaft-     onsbestände – auch auf augenscheinlich
                 2016). Viele Tagfalterarten meiden sogar                       licher Nutzung (Entwässerung, Meliorie-        intakten Teilflächen von Streuwiesen statt-
                 kräftige Dominanzbestände ihrer Wirts-                         rung, Aufdüngung vieler Niedermoor- und        finden, da der Heilziest bevorzugt in diesen
                 pflanze (z. B. Hermann 1999). Die Einbet-                      fast aller mineralischen Standorte, Erhö-      Bereichen wächst. Als optimaler Mahdzeit-
                 tung der Wirtspflanze in die Vegetations-                      hung der Schnittzahlen) und die dadurch        raum erscheint Ende Mai bis Anfang Juni,
                 struktur und die damit verbundenen mik-                        bedingte Eutrophierung der Streuwiesen-        da dann die Heilziest-Blattrosetten bis zum
                 roklimatischen Bedingungen sind demnach                        reste änderte sich dieses Bild grundlegend.    Beginn der Flugzeit Mitte Juni etwas nach-
                 für eine erfolgreiche Entwicklung wichtiger                    Die schwindende Bedeutung der Streuwie-        getrieben haben und die Streuwiesen-
                 als das Vorhandensein großer Bestände der                      senkultur und das (oft aus gutem Grunde)       Vegetation bis zum Herbst noch ausreifen
                 Wirtspflanze.                                                  negative „Image“ von Entwässerungen            kann (Bamann 2017).
                                                                                führten außerdem dazu, dass alte Graben-          Ergänzend sollte eine Hochsommer-
                 4.2 Gefährdung                                                 und Entwässerungssysteme nicht mehr            mahd im Juli oder August in Betracht ge-
                                                                                unterhalten wurden. Diese sind noch heu-       zogen werden, wie sie traditionell auf
                 Unsere Daten deuten an, dass der Rück-                         te in vielen Niedermoorgebieten zu erken-      wechseltrockenen Streuwiesen mit Ten-
                 gang von C. flocciferus durch einen Mangel                     nen, erfüllen aber ihren Zweck aufgrund        denz zur Heuwiese stattfand (Bräu & Nun-
                 an geeigneten Eiablagestellen und Mikro-                       langjähriger Pflegedefizite nicht mehr.        ner 2003, Quinger et al. 1995). Diese
                 habitaten für die Entwicklung der Präima-                      Viele streugenutzte Niedermoore wurden         dient insbesondere zur Aushagerung und
                 ginalstadien gefördert wird. Die präferier-                    somit offenbar aufgrund von Eutrophie-         sollte wie die Frühmahd nur an geeigneten
                 ten geringen Deckungsgrade und Auf-                            rung und Vernässung zunehmend un-              Standorten und auf wechselnden Teil-
                 wuchshöhen von Gras- und Krautschicht                          attraktiver für den Heilziest-Dickkopffalter   flächen durchgeführt werden. Für die zu-
                 sind in Folge der großflächig hohen Nähr-                      – die Ausdehnung von für die Art geeigne-      künftige Umsetzung des ASP ist ein ent-
                 stoffeinträge inzwischen sehr selten gewor-                    ten Streuwiesen in Baden-Württemberg           sprechender Ansatz eingeplant.
                 den. Dies führt offenbar dazu, dass auch in                    umfasst nur noch wenige Hektar.                   Bei der Grabenpflege ist eine geeignete
                 den nährstoffarmen Streuwiesen die tradi-                                                                     Frequenz entscheidend. Zu häufige und
                 tionell im Spätsommer durchgeführte                            4.3 Pflegeempfehlungen                         tiefe Grabenräumungen führen zu über-
                 Mahd nicht mehr ausreicht, um Wirtspflan-                                                                     mäßiger Entwässerung der Fläche und
                 zen in genügend lückiger Vegetationsstruk-                     Die größte Herausforderung für den Erhalt      begünstigen die Torfmineralisation. Daraus
                 tur bereitzustellen. Nur wenige besonders                      des Heilziest-Dickkopffalters in Baden-        resultieren eine weitere Nährstofffreiset-
                 aufwuchs- und nährstoffarme Streuwiesen                        Württemberg ist, die Nährstoffgehalte in       zung sowie irreversible Strukturverände-
                 sowie kleinflächige Sonderstrukturen                           den Streuwiesen dauerhaft zu reduzieren,       rungen des Torfbodens (Briemle 1985,
                 (Rohbodenbereiche, Böschungskanten,                            um die benötigte schwachwüchsige und           Quinger et al. 1995). Zu seltene Graben-
                 Grabenränder) bieten der Art noch geeig-                       lückige Vegetationsstruktur zu schaffen.       räumungen führen dagegen zu übermäßi-
                 nete Reproduktionsbedingungen. Diese                           Langfristig erfordert dies Anpassungen der     ger Vernässung, die die Bewirtschaftbarkeit
                 sind im württembergischen Allgäu inzwi-                        landwirtschaftlichen EU-Förderpolitik zur      einschränkt und die Vegetationszusam-
                 schen in so geringer Zahl und räumlich                         Reduktion der direkt ausgebrachten bzw.        mensetzung in Richtung Klein- und Groß-
                 derart isoliert vorhanden, dass eine Ver-                      über die Luft eingetragenen Düngemittel.       seggenrieden verschiebt. Letzteres ist ge-
                 knüpfung geeigneter Habitate im Sinne des                      Kurzfristig kann die Einrichtung möglichst     rade in Naturschutzgebieten häufig zu
                 Metapopulationsprinzips (Hanski 1998)                          breiter Pufferzonen mit düngungsfreier         beobachten, da Grabenräumungen auf-
                 nicht mehr gegeben ist. Der Streuwiesen-                       Bewirtschaftung die Nährstoffeinträge in       grund ihres negativen „Images“ (s. o.) in
                 schwund auf ca. 2–5 % ihrer ursprüng-                          die Streuwiesen reduzieren (Quinger            der Vergangenheit stark vernachlässigt
                 lichen Ausdehnung (Quinger et al. 1995,                        2003). Gerade diese Pufferzonen, in denen      wurden. Eine Wiederaufnahme einer ab-
                 Seiffert & Konold 1998) hat für die an-                        meist Feucht- und Nasswiesen ausgebildet       schnittsweisen und schonenden Graben-

                 470 N AT U RS C H U TZ u nd L a nd s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 12) | 2018
Myrielle Hely et al., Frühe Mahd fördert den Heilziest-Dickkopffalter im württembergischen Allgäu

                                                        –, Treiber, R., Goldschalt, M. (1999): Der Heil-        –, Schwab, U., Ringler, A., Bräu, M., Strohwas-
Fazit für die Praxis                                       ziest-Dickkopffalter (Carcharodus floccifera Zel-       ser, R., Weber, J. (1995): Lebensraumtyp Streu-

                                                                                                                                                                        Originalarbeit
                                                           ler, 1847) (Lepidoptera, Hesperiidae). Morpho-          wiesen. Landschaftspflegekonzept Bayern, Band
• Artenschutzmaßnahmen imitieren oft                       logie, Verbreitung, Ökologie, Biologie, Verhalten,      II.9, 396 S.
    traditionelle Bewirtschaftungsformen                   Lebenszyklus, Gefährdung und Schutz einer in-        R Core Team (2017): R: A language and environ-
    wie etwa die Spätmahd in Streuwiesen.                  teressanten Tagfalterart. Nachr. entomol. Ver.          ment for statistical computing. R Foundation for
    Am Beispiel des Heilziest-Dickkopffalters              Apollo N.F., Supplementum 18, 1-256.                    Statistical Computing. http://www.R-project.
    zeigt sich, dass diese Praxis die Ansprüche         Bamann, T. (2017): Die Tagfalter und Widderchen            org/
                                                           der Streuwiesen im württembergischen Allgäu          Reinhardt, R., Bolz, R. (2011): Rote Liste und
    wichtiger Zielarten des Naturschutzes nur
                                                           – Arten, Verbreitung, Gefährdung und Schutz.            Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera)
    teilweise abbilden kann.                               Carolinea 75, 89-106.                                   (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea)
•   Spätmahd schafft nur unzureichende Ha-              Bates, D., Maechler, M., Bolker, B., Walker, S.            Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz
    bitatheterogenität und begünstigt auf-                 (2015). Fitting Linear Mixed-Effects Models             (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen
    grund indirekter Nährstoffeinträge eine                Using lme4. J. Stat. Software 67, 1-48.                 und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose
    schleichende Habitatverschlechterung.               Blachnik, T., Saller, S. (2015): Arnica montana            Tiere (Teil 1). Naturschutz und Biologische Viel-
                                                           – Revitalisierung und Nutzung als Heilpflanze           falt 70 (3), 167-194.
•   Für C. flocciferus kann rotierende
                                                           im Bayerischen Vogtland und nördlichem Fich-         Schaap, M., et al. (2018): PINETI-III: Modellierung
    Frühmahd, bevorzugt auf kleinen Teilflä-               telgebirge. Schlussbericht Bundesprogramm               und Kartierung atmosphärischer Stoffeinträge
    chen, optimal geeignete Eiablagestandor-               Biologische Vielfalt, 48 S.                             von 2000 bis 2015 zur Bewertung der ökosystem-
    te innerhalb reichhaltiger Nektarressour-           Bräu, M., Nunner, A. (2003): Tierökologische An-           spezifischen Gefährdung von Biodiversität in
    cen bereitstellen.                                     forderungen an das Streuwiesen-Mahdmanage-              Deutschland. Abschlussbericht an das Umwelt-
                                                           ment mit kritischen Anmerkungen zur Effizienz           bundesamt, URL: https://gis.uba.de/website/
                                                           der derzeitigen Pflegepraxis. Lauf. Seminarbeitr.       depo1/ (gesehen am 30.10.2018).
                                                           1/03, 223-229.                                       Seiffert, P., Konold, W. (1998): Landschaftswan-
räumung würde Habitate für Arten wech-                  –, Nunner, A. (2013): Feuchte Offenlandlebens-             del in Kißlegg (Allgäu). Naturschutz und Land-
                                                           räume. In: Bräu, M., Bolz, R., Kolbeck, H.,             schaftsplanung 30 (10), 315-323.
seltrockener Streuwiesen schaffen und
                                                           Nunner, A., Voith, J., Wolf, W. (Hrsg.): Tag-
gleichzeitig die Gräben für die Besiedlung                 falter in Bayern. Ulmer, Stuttgart, 582-607.
verschiedener gefährdeter Libellenarten                 Briemle, G. (1985): Vegetations- und Standortent-
öffnen (Bamann 2017).                                      wicklung auf Niedermoor unter dem Einfluss
                                                           verschiedener Pflegemaßnahmen, erste Tenden-           KO N TA K T
    Maßnahmen, die rein dem Individuen-
                                                           zen nach fünf Versuchsjahren. Telma 15, 197-
schutz dienen (z. B. Verwendung von Bal-                                                                                          Myrielle Hely ist Geoökologin
                                                           221.
kenmähern, große Mahdhöhen, Abstand-                                                                                              und hat im Rahmen ihrer
                                                        Ebert, G., Rennwald, E. (Hrsg.) (1991): Die
halterkufen), sind aus Sicht der Autoren                                                                                          Masterarbeit an der Universität
                                                           Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 1,
                                                                                                                                  Tübingen die hier vorgestellten
nicht geeignet, die Art nachhaltig zu för-                 Tagfalter 1. Ulmer, Stuttgart.
                                                        –, Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A.,                              Eiablagepräferenzen des
dern. Bei längerfristigem Einsatz können                                                                                          Heilziest-Dickkopffalters
                                                           Trusch, R. (2005): Rote Liste der Schmetterlin-
sich derartige Maßnahmen durch Ver-                        ge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3.                           untersucht. Derzeit tätig im
filzung der unteren Vegetationsschicht                     Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetter-                        Büro Emch + Berger Umwelt
und einem daraus resultierenden Mangel                     linge Baden-Württembergs. Band 10, Ergän-                              Karlsruhe in der Umwelt- und
an Offenbodenstellen sogar negativ aus-                    zungsband. Ulmer, Stuttgart, 110-133.                Landschaftsplanung.
wirken. Vielmehr sollte geprüft werden,                 Fartmann, T., Hermann, G. (2006): Larvalökologie        > myrielle.hely@web.de
                                                           von Tagfaltern und Widderchen in Mitteleuropa.
ob durch tief gestellte Schwader oder Ver-                 Abh. Westf. Mus. Naturkde. 68 (3/4), 83-122.                             Dr. Nils Anthes, Evolutions-
wendung eines Sportplatz-Strieglers (oder               Hanski, I. (1998): Metapopulation dynamics. Na-                             biologie und Landschafts-
ähnlicher Gerätschaften) die Bodendecke                    ture 396, 41–49.
                                                                                                                                    ökologe, lehrt und forscht an
aufgelockert werden kann, um die Kei-                   Hely, M. (2017): Untersuchungen zum Schutz des
                                                                                                                                    der Universität Tübingen,
                                                           Heilziest-Dickkopffalters (Carcharodus floccife-
mung des Heilziests zu fördern und Offen-                                                                                           u. a. zur visuellen Ökologie
                                                           rus, Zeller 1847) im württembergischen Allgäu
bodenstellen zu schaffen. Derartige Maß-                   – Einfluss früher Mahdzeitpunkte und Metapo-
                                                                                                                                    mariner Lebensräume sowie
nahmen förderten in Bayern beispiels-                      pulationsanalyse. Unveröff. Masterarbeit an der                          den Effekten von Landnutzung
weise die Arnika (Arnica montana), die                     Eberhard-Karls-Universität Tübingen, 57 S.                               und Artenschutzmaßnahmen
                                                        Hermann, G. (1999): Methoden der qualitativen                               auf die Biodiversität insbe-
dem Heilziest vergleichbare Lebensrau-
                                                           Erfassung von Tagfaltern. In: Settele, J., Feld-     sondere in Agrarlandschaften. Hat u. a. über die
mansprüche besitzt (Blachnik & Saller                                                                           Larvalhabitate verschiedener Tagfalter im Voralpen-
                                                           mann, R., Reinhardt, R. (Hrsg.): Die Tagfalter
2015).                                                     Deutschlands – Ein Handbuch für Freilandöko-         raum gearbeitet.
                                                           logen, Umweltplaner und Naturschützer. Ulmer,        > nils.anthes@uni-tuebingen.de
                                                           Stuttgart, 124-143.
Literatur                                               Kissling, T., Rey, A. (2016): Artenschutzprojekt                            Dr. Thomas Bamann ist seit
                                                           für den Heilziest-Dickkopffalter Carcharodus fl-
                                                                                                                                    2012 Mitarbeiter im Regierungs-
AG Immissionsschutz (2012): Leitfaden zur Ermitt-          occifera in den östlichen Vor- und Nordalpen.
                                                                                                                                    präsidium Tübingen – Referat 56
   lung und Bewertung von Stickstoffeinträgen.             Fachstellen für Natur- und Landschaftsschutz
                                                                                                                                    „Naturschutz und Landschafts-
   Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissi-            Glarus, Nidwalden, St. Gallen, 36 S.
                                                                                                                                    pflege“, und dort seit 2016 Ge-
   onsschutz - Fachgespräch N-Deposition. Stand         Konold, W., Hackel, A. (1990): Beitrag zur Ge-
   1. März 2012.                                           schichte der Streuwiesenkultur im Alpenvorland.
                                                                                                                                    bietsreferent für die Landkreise
Albrecht, M. (2003): Zum ehemaligen Vorkom-                Z. Agrargesch. Agrarsoz. 38 (2), 176-191.                                Ravensburg und Bodenseekreis.
   men des Heilziest-Dickkopffalters (Carcharodus       Lenth, R.V. (2016): Least-Squares Means: The R                              Seit 2013 freiberuflicher Land-
   floccifera Zeller, 1847) im Rhein-Main-Gebiet           Package lsmeans. J. Stat. Software 69, 1-33.                             schaftsökologe mit faunisti-
   (Lepidoptera, Hesperiidae). Nachr. entomol. Ver.     LEV Ravensburg (2016): Geschäftsbericht 2016.           schem Schwerpunkt, u. a. Umsetzung des Arten-
   Apollo N.F. 24 (4), 215-220.                            Landschaftserhaltungsverband Landkreis Ra-           schutzprogrammes Schmetterlinge des Landes Ba-
–, Kraus, W. (2013): Heilziest-Dickkopffalter - Car-       vensburg e. V., 29 S.                                den-Württemberg. Nach dem Studium der Biologie
   charodus flocciferus (Zeller, 1847). In: Bräu, M.,   Quinger, B. (2003): Empfehlungen zur Anwendung          an der Universität Tübingen 2015 Promotion über
   Bolz, R., Kolbeck, H., Nunner, A., Voith, J.,           verschiedener Mahdmanagements zur Pflege der         Tagfalter der Gattung Erebia.
   Wolf, W. (Hrsg.): Tagfalter in Bayern. Ulmer,           Streuwiesen im bayerischen Alpenvorland. Lauf.       > Thomas.Bamann@rpt.bwl.de, t.bamann@web.de
   Stuttgart, 72-74.                                       Seminarbeitr. 1/03, 203-222.

                                                                                                   50 (12) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andscha f ts p l a n un g 471
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