Fünfzig Jahre Landesverein Badische Heimat

Die Seite wird erstellt Fiete Böttcher
 
WEITER LESEN
Fünfzig Jahre Landesverein Badische Heimat
                                   Von E u g e n F is c h e r , Freiburg i. ßr.

   Zum 50. Geburtstag des Landesvereins                   sozusagen Gedankengänge und Gefühle der
„Badische H eim at“ dürfte ein Rückblick über             Rom antiker wieder lebendig geworden. An
seine Entstehung und sein Leben berechtigt                hiesiger Hochschule haben drei Germanisten,
sein. Ich folge daher gerne der freundlichen              Friedrich Kluge, Elard Hugo Meyer und Frid­
Aufforderung des gegenwärtigen Landesvor­                 rich Pfaff, deren wissenschaftliche Pflege über­
sitzenden, Herrn Prof. Dr. Schwarzwebers, aus             nommen; sie bildeten eine kleine A rbeits­
meinen     persönlichen Erinnerungen      seine           gemeinschaft und gaben einen Fragebogen
Schicksale zu erzählen. Es soll also hier keine           zur V olkskunde heraus, der an die Lehrer und
lückenlos getreue Geschichte des Vereins ver­             Pfarrer im Lande hinausging. Ganz besondere
sucht werden, vielmehr seien die handelnden               Pflege fand die V olkskunde bei Professor
Personen und das Leben des Vereins so ge­                 Pfaff, Bibliothekar an der Freiburger U niversi­
zeichnet, wie ich sie erlebt habe. V on den               tätsbibliothek. Er wurde einer der besten K en­
M itgliedern der beiden alten, sozusagen                  ner dieses Gebietes, während in Heidelberg
Elternvereine, werden nur noch ganz wenige                Prof. Kahle in Schrift und Unterricht dasselbe
leben, und von den V orstands- und Ausschuß­              Ziel verfolgte. Diese beiden Forscher grün­
mitgliedern der ersten Jahre unseres Vereines             deten zur Erweckung allgemeinen Interesses
bin ich wahrscheinlich der einzige. Ich war               im Juni 1904 in Baden-Baden einen Badischen
damals der Jüngste.                                       Verein für V olkskunde. Der V orsitz sollte
Unser Landesverein (LV) ist bekanntlich aus               jährlich zwischen den beiden Herren wechseln.
der Verschmelzung des damaligen „Badischen                   Um 1900 war auch ich in den Kreis von
Vereins für V olkskun de“ und des „Vereins                Prof. Pfaff gekommen. Nähere Bekanntschaft
für ländliche W ohlfahrtspflege in Baden“ ent­            wurde in der U niversitätsbibliothek geschlos­
standen. Die Verschmelzung wurde auf Lan­                 sen, wo Pfaff mich, den neugebackenen Privat­
desversammlungen der beiden Vereine be­                   dozenten, in größter Hilfsbereitschaft in die
schlossen und trat auf 1. Januar 1909 in Kraft.           Geheimnisse der K ataloge und Bücherregale
Die erste Landesversammlung des neuen Lan­                 einführte. Er warb mich bald als M itglied und
desvereins, der sich den Namen             „Badische       meine     damaligen    prähistorischen   Arbeiten
H eim at“ gab, fand dann in Achern am 3. Juli              (Ausgrabung der „Löhbücke“ , Gräber aus der
1909 statt. Der neue Verein zählte etwa 1400               H allstattzeit, bei Ihringen) gaben mir erste
M itglieder. Zum ersten Landesvorsitzenden                 Themen zu werbenden V orträgen im jungen
wurde Prof. Dr. Fridrich Pfaff, zum zweiten                V olkskundeverein, und so holte mich Pfaff
Prof.     Dr. Eugen Fischer, zu Schriftführern             bald in den engeren V orstand. Die beratenden
Dr. H. Flamm und Sekretär E. Glatz gewählt.                Sitzungen im engen Kreis pflegte Pfaff in der
Rechner war Obersteuerkom m issär Fuchs und                gemütlichen alten W einstube im „Storchen“ ,
als    Beisitzer wählte     man   M onsignore      Dr.     außen am Schwabentor, abzuhalten. Da lernte
Werthmann,        D ekan Nuzinger        und   Privat-     ich ihn     als   Menschen   näher   kennen   und
D ozent Dr. Konrad Guenther.                               schätzen. Er stamm te aus einem hessischen
      Zunächst ein Blick auf die eben angedeutete          Forsthaus, und seine stille Liebe gehörte zeit­
Vorgeschichte. Um die Jahrhundertwende wa­                 lebens der „grünen Farbe“ . Er trug stets einen
ren in neuerwachendem Interesse für V o lk s­              grünen Hut, eine grüne Kraw atte, in der
kunde      (Folklore),   V olkslieder,   Naturschutz       eine N adel mit zwei Hirschkränen steckte.
Bildnis Eugen Fischer 1959
In größerer Gesellschaft etwas scheu und         über Sagen und Geschichte der alten Burg,
ungewandt, war er im kleinen Kreis und bei       oder ich konnte bei der Ehrentrudiskapelle
einem guten V iertele ein anregender Erzähler.   berichten, wie einst am Fuß des Tuniberg-
   Geradezu mitreißend war sein Planen für       abfalles in der abklingenden Eiszeit Rentier­
die V ereinstätigkeit. Damals galt seine ganze   jäger hausten, deren Gerätereste der Anatom
A rbeit einer Feuerprobe m it dem sog. feuer­    Alexander Ecker und der A potheker Kübler in
sicheren Gernentz-Strohdach. Sämtliche alten     Munzingen aufgedeckt haben. Und die K ennt­
Höfe im Schwarzwald trugen noch das tief-        nis von Sage und Vorgeschichte bildete auch
herabreichende, mächtige Strohdach, das im       eine Wurzel für Denkmalpflege und H eim at­
Winter das ganze Haus warmhielt und im           kunde. Dann vereinigte eine K affeetafel oder
Sommer kühlte. Aber ein Brand wurde durch        ein Dämmerschoppen im ländlichen W irtshaus
ein solches Dach fast immer zur furchtbaren      die Ausflügler fast wie eine große Familie.
Katastrophe. Dieses Strohdach mit seinen         Vielleicht hat dann Prof. Konrad Guenther
ökonomischen und unerhört ästhetischen und       noch über Vogelschutz gesprochen, oder man
traditionellen Werten zu erhalten, war das       hörte Pläne zur Erhaltung bedrohter D enk­
Ziel einer chemischen Imprägnation, die das      mäler. Und befriedigt zog die ganze G esell­
Stroh unbrennbar macht. Der kurze Hinweis        schaft zum Lokalbahnhof und fuhr nach Hause.
muß genügen. Pfaff erreichte es, daß im N o ­    Heute führt unser LV seine M itglieder in be­
vember 1909 eine polizeilich genehmigte          quemen großen Wagen über die Alpenpässe
Feuerprobe vorgenomm en wurde. Am Sand­          oder ins Herz Frankreichs und man lernt die
fangweg zwischen Kartäuser- und Schwarz­         H eimat auch am fremden Beispiel kennen und
waldstraße, damals weithin unbebautes G e­       schätzen. Andere Zeiten — andere Sitten.
biet, wurden eine Reihe kleiner Häuschen auf­       Zwei Jahre früher als der V olkskundeverein
gebaut, die mit Stroh und Holz gefüllt waren     hatte sich (1902) in Karlsruhe ein „V erein für
und die verschiedensten Dächer trugen, Ziegel,   ländliche W ohlfahrtspflege in Baden“ gebildet,
Schindeln, gewöhnliches Stroh, imprägniertes     der die materielle und vor allem die geistige
Stroh usw. Unter den Zuschauern waren an-        K ultur unseres Bauernstandes zu pflegen und
dere Vereine, vor allem der Architekt- und       hegen sich mit Erfolg bemühte. An der Spitze
Ingenieurverein, der Landeskomm issär, der       stand der Freiburger Professor für N ation al­
Am tsvorstand, der Karlsruher O berbaurat        ökonom ie Dr. Fuchs, die tätigsten M itarbeiter
Stürzenacker, Stadtbaum eister Thoma und an­     waren die nachher genannten Herren des
dere vertreten, und halb Freiburg war hinaus­    späteren V orstandes. Ich selbst trat, von
geström t. Die Probe legte einwandfreies         Prof. Fuchs geworben, dem Verein bei und
Zeugnis für die Brauchbarkeit und Sicherheit     wurde 1907 in dessen geschäftsführenden
des feuerfesten Strohdaches ab.                  Ausschuß kooptiert.
   Wenn ich heute das damalige Vereinsleben         Ich sehe jene Männer in den Ausschuß­
ins Gedächtnis zurückrufe, kommt ein Lächeln     sitzungen noch vor mir. Die vornehme Art,
über den damaligen, an Biedermeierzeit er­       in der Herr Prälat Werthmann seinen klugen
innernden Stil. Die M itglieder, dreißig oder    R at gab, auch im Widerspruch vornehm, über­
vierzig, großenteils mit ihren Frauen oder       zeugend und sachgemäß. Dekan Nutzinger,
größeren Kindern, sammelten sich zu einem        für alle allgemeinen Fragen sehr aufgeschlos­
wissenschaftlichen Ausflug am Bahnhof, ein       sen und kenntnisreich. Der D irektor des
„L ok alzu g“ führte uns nach Emmendingen        Badischen Bauernverbandes, Dr. Aengenheister,
oder Schallstadt, und wir wanderten nach der     Sohnrey, der berühmte Vorkäm pfer für unser
Hochburg oder im anderen Fall zur Tuniberg-      Landvolk, Architekt Luckscheiter mit seinen
kapelle. Herr Pfaff hielt oben einen V ortrag    Plänen für moderne Bauernhofbauten, Excel.
Ferd. von Beck, sehr korrekt und für rück­       habe und den Ruf annehmen werde und bat
sichtsvolles Vorgehen, und andere, saßen in      mich um die Erlaubnis, mich als seinen Nach­
bunter Reihe. Prof. Fuchs wohnte damals in       folger im Verein vorzuschlagen. Ich hatte
dem schönen Flause an der Ecke Goethestraße      stärkste Bedenken, mir lagen die Aufgaben des
bis herüber zur Kronenstraße, gegenüber der      V olkskundevereins näher. Doch es kam anders.
Dreisambrücke. Im vorigen Jahr wurde es vom      Im Anschluß an die Frage, wieweit die Re­
Evang. Seminar für W ohlfahrtspflege und G e­    gierung, die beide Vereine mit Zuschüssen
meindedienst, dem es schon lange als Heim        unterstützte, zum Ausbau der Zeitschriften er­
diente, umgebaut, eine eigene Fügung, wie        heblich höhere Beihilfen geben wolle, wurde
hier Wurzeln der W ohlfahrtspflege zusammen­     auf den Vorschlag des Herrn M inisterialrat
laufen: Im Garten dieses Anwesens stand da­      Bartning, der unsere Belange sehr wohlwollend
mals, dem alten Freiburger Brauch des 18.        und sachverständig vertrat, eine Verschmel­
Jahrhunderts nachgeahmt, ein kleines G arten­    zung der beiden Vereine vorgeschlagen. Sie
haus, ein steinernes kleines Häuslein mit        fand großen Anklang. Nach allerlei Beratungen
barockem Ziegeldach, etwas altertümlichen        wurde sie auf 1. Januar 1909 vollzogen. Prof.
Fenstern, aber einem großen gemütlichen Zim ­    Pfaff wurde Erster Landesvorsitzender des
mer im Erdgeschoß. Hierher verlegte Prof.        neuen LV, ich wurde Zweiter, die übrigen M it­
Fuchs die Vorstandssitzungen und an schönen      glieder der bisherigen V orstände traten in
Sommerabenden tagten wir in idyllischer Um­      den engeren und weiteren Ausschuß des V er­
gebung, in behaglichem Raum bei offenen          eins ein. Die ganze Schwerkraft des Vereins
Türen und Fenstern, fast im verträum ten         lag nun noch mehr als bisher in Freiburg. Die
Garten.                                          schönen Bestrebungen waren allmählich der
   Der gewissenhafte und stille Schriftführer    breiten Ö ffentlichkeit bekannt und von ihr
des Vereines war Dr. Flamm. Er war auf der       anerkannt worden. Die M itgliederzahl stieg
Volksschule mein Schulkamerad gewesen.           langsam, das erste Tausend war überschritten.
Jetzt nahmen wir die alte Beziehung wieder          Aber noch immer war die Tätigkeit des
auf. Er trug mit bewundernswerter Geduld eine    neuen Vereines in der Hauptsache belehrend,
auf frühe überstandene Kinderlähmung zu­         werbend und nur in kleinem Umfang in den
rückgehende Verkürzung eines Beines, so daß      einzelnen Fällen drohender Zerstörung von
er schwer gehemmt am Stock gehen mußte.          Denkmälern für deren Erhaltung eintretend.
Sein scharfer V erstand und seine reichen        Das V erdienst, m it aller K raft in die Fragen
Kenntnisse kamen den Zeitschriften des V er­     des Heimatschutzes und der Denkmalpflege
eines sehr zugute, die in sehr bescheidener      einzugreifen, gebührt dem damaligen neu­
Form und kleinem Umfang, mit dem Titel           ernannten Custos (später D irektor) der Städt.
„D orf und H o f“ monatlich erschienen, zusam­   Sammlungen Dr. M ax W ingenroth (1872 bis
men mit den „Badischen H eim atblättern“ des     1922). Er stellte sein großes Wissen und
V olkskundevereins, die Vorgänger unseres        seine stürmische Energie rückhaltlos dem LV
späteren reichen Schrifttums. Leider hat Dr.     zur Verfügung. A uf der Landesversammlung
Flamm, noch nicht 44 Jahre alt, am 17. Januar    in Haslach, 1918, legte H ofrat Prof. Pfaff
1915 sein Leben beenden müssen, von schwe­       aus Gesundheitsgründen den Landesvorsitz
rer Krankheit heimgesucht. Seine Freunde, Dr.    nieder. Er wurde damals zugleich mit Pfarrer
Münzel und Dr. Schwarzweber, schrieben dem       Hansjakob zum Ehrenmitglied ernannt. Mich
verdienten Manne hier ihre Nachrufe.             wählte man zum Ersten Landesvorsitzenden,
   Auf einem gemeinsamen Heimweg von             welches Am t ich mit großen Bedenken wegen
einem V ortrag vertraute mir Prof. Fuchs an,     meiner sehr starken beruflichen Belastung
daß er eine Berufung nach Tübingen erhalten      annahm. Ich rechnete stark auf W ingenroths
M itarbeit, und ich täuschte mich nicht. Der     M itgliederzahl kletterte auf 3, auf 4 und
tem peramentvolle Pfälzer aus alter M ann­       5 Tausend. Ich kann die Namen aller derer,
heimer Familie verband m it großem kunst­        die ihre ganze A rbeitskraft zur Verfügung
geschichtlichem und geschichtlichem Wissen       stellten, nicht alle nennen, es seien nur die
eine ehrliche Begeisterung für die A uf­         alten M itarbeiter Werthmann, Nuzinger,
gaben der Denkmalpflege. Aus der Schule          Guenther, Ferdinand von Beck, Kümmel, Eck­
eines Franz Xaver Kraus und Thode, ge­           hardt und andere, die oben schon erwähnt
bildet im Nürnberger Museum und in der           sind, genannt, jetzt traten stärker hervor:
Karlsruher Sammlung, kannte er im ganzen         M etzger Überlingen, Prof. Dr. Sauer, D irektor
Land Kunst- und Naturdenkm äler wie              Dr. Schindler, Prof. Linde, die M aler Liebich
kaum ein anderer. Und er kannte ganz un­         und Hasemann, Prof. Wetz, Prof. John Meier,
glaublich rasch all die Männer und Frauen, die   Architekt C. A. Meckel, Prof. Mombert,
als M itarbeiter gewonnen werden konnten und     Eisenlohr, Bankier Krebs und viele andere.
mußten — irgendeinen Gemeindeschreiber im           Es war ein frohes Schaffen, das mir mit
letzten Schwarzwalddorf, der Sinn hatte für      W ingenroth beschert war. Und es war vor
den alten Uhrenbau, einen Landpfarrer, der       allen Stücken für unsere Zeitschriften unter
seine Ortsgeschichte schrieb, einen Geheimen     der außerordentlich geschickten Redaktion
Regierungsrat, der sich geschichtlich-litera­    W ingenroths ein glänzender Erfolg. Der
risch betätigte, einen Lehrer, der Natur-        Schriftwechsel für diese, aber besonders der
geschichtler war, und nicht zuletzt einen ver­   mit Behörden und Einzelpersonen in Fragen
ständnisvollen Industriellen, dem begeisternde   des Heimatschutzes wuchs gewaltig an. Ich
Beredsam keit einige Tausend für die V ereins­   kann hier die einzelnen Aufgaben, am Schluch­
kasse entlocken konnte. A lle waren M ax         see, am H ohenstoffeln, an Heimatmuseen,
W ingenroth bekannt, alle zog er in den Kreis    gegen Verunstaltungen der Landschaft (Re­
und D ienst der Badischen Heimat. Wir mach­      klameschilder, Starkstrom leitungen usw.) un­
ten zusammen zahllose Reisen und hielten         möglich im einzelnen aufzählen. M it W ingen­
V orträge.                                       roth besprach ich alle Pläne und die V o r­
   In vielen Eingaben an staatliche und kom ­    bereitungen der Landesversammlungen. Wir
munale Stellen, in Beratungen ländlicher         mußten dazu — tagsüber beruflich unabköm m ­
Bürgermeister oder privater Bauherren oder       lich — von Zeit zu Z eit abendliche Sitzungen
Industrien versuchten wir, das Denkmalgut,       einrichten, teils nur wir beide, teils unter
wo es gefährdet war, zu retten, das D orfbild,   Zuzug von Fachberatern. O ft saß ich mit
Kirchen oder Schlösser, Rathäuser, Fachwerk­     W ingenroth in der W einstube zum Hirschen
häuser, Brücken, W asserfälle, Pflanzen und      in der Bertoldstraße in wirklich eingehenden
Tiere und was alles zu schützen war. Man         Beratungen. Und dabei lernte ich den fein­
muß sich erinnern, daß es damals weder ein       sinnigen Künstler und den warmherzigen
Schutzgesetz noch ein staatliches Denkmalam t    Menschen W ingenroth kennen. Leider mußten
noch eine geregelte Einsetzung von Denkm al­     wir den Mann, dem wir so viel für den LV ver­
pflegern gab. Es galt, das öffentliche Denken    dankten, allzu früh verlieren. Er selbst hatte,
und Gewissen mit den Begriffen Denkm al­         wie ich heute, so lange nach seinem Hin­
schutz und Naturschutz überhaupt erst zu         scheiden, wohl verraten darf, schon einige
füllen und es dafür zu begeistern. W ingenroth   Zeit schwere Todesahnungen, die den sonst
stellte das ganze Schrifttum darauf ein, und     so fröhlichen Gesellschafter o ft still werden
diese Werbungen hatten glänzenden Erfolg.        ließen.
D as öffentliche Ansehen und die Bedeutung          Er beriet mit mir im Frühsommer 22 die
des LV s stieg wirklich im ganzen Land, die      bevorstehende Bruchsaler Tagung und das

102
Bildnis Prof. Wingenroth

„K raichgau-H eft", an dem damals zum ersten­     Finger der Schnitter Tod sein heißes, pläne­
mal auch Hermann Eris Busse im A uftrag           volles, heim atliebes Herze für immer still.
W ingenroths m itgearbeitet hat. Wir hatten       Er hatte noch wenige Stunden vor dem letzten
das N ötige beredet und p lau d e rttJ noch bei   Atemzug an die Bruchsaler Tagung gedacht
einem letzten Glas Wein im Hirschen. Ich          und seine Genesung bis dahin erhofft.
wollte gehen — „ach, noch ein allerletztes",         Ich fuhr nach der Beerdigung auf dem
meinte er — „ich möchte lieber heim " — da        Freiburger Friedhof zur Versamm lung nach
vertraute er mir seine trüben Gedanken an,        Bruchsal, über der nun die schwarze Trauer
er glaube, er müsse bald sterben. Das lag nun     lag.
seiner sonstigen und auch meiner fröhlichen          A ber die Heim atarbeit durfte ja nicht
Natur so fern, daß ich freundschaftlich offen     stehen bleiben. Ich erinnere mich gut daran,
ihn des „Jam m ers" als Folge unseres genos­      daß wir auf der Bahnfahrt — Excellenz von
senen Weines zieh. Und wir gingen zusammen        Beck, C. A. Meckel, Bankier Krebs, und einige
heimwärts. — Ich sollte ihn erst wieder auf       andere, — lebhaft erörterten, ob der noch
dem K rankenbett sehen, auf das ihn eine          recht junge Hermann Eris Busse als Nach­
wohl auf einem Familienausflug zugezogene         folger W ingenroths schon geeignet wäre, ob
Erkältung, die eine Lungenentzündung ver­         er es wohl schaffen könnte. Ich selbst war
ursachte, geworfen hatte. Drei T age vor Be­      sehr dafür, man solle auf junge K raft „setzen ",
ginn jener Versamm lung stellte mit sanftem       mindestens zur Probe. Einige Tage später
berief ich eine Sitzung des engeren A us­          uns immer besser kennen und wurden Freunde.
schusses. Wir tagten damals im Bibliotheks­        Er bereitete immer wieder irgendwo im Land
saal der nach der Bombenzerstörung (im             einen Heimatabend oder einen V ereinstag
Jahrei 1917) neu errichteten Anatomie, deren       vor, gewann einen Redner und organisierte
Direktor ich 1918 geworden war. Als in der         das Programm. Dann fuhren wir beide hin,
Tagesordnung der Punkt „N achfolge Wingen-         ich leitete und eröffnete als Landesvorsitzen­
roth s“ gekommen war, bat ich Herrn Busse,         der, ich besuchte den Landrat, die Bürger­
uns eine Weile zu verlassen, das kleine Zim ­      meister, Pfarrer oder einflußreiche Privat­
mer neben der Bibliothek stehe ihm zur             personen und wir saßen später im Kreis der
Verfügung. Busse bekam einen tiefroten Kopf        Einheimischen. Wir waren bald sozusagen
und verließ, sichtbar gekränkt, den Saal. —        populäre Figuren, „der große Mann mit dem
Viel später, als wir gute Freunde geworden         kleinen Hut und der kleine Mann mit dem
waren, erzählte er mir, er habe eine gewaltige     großen H u t.“ Zur untersetzten Körperform
Wut bekommen, daß man ihn „rausgeschm is­          Busses gehörte ein großer schwarzer Schlapp­
sen“ , also beleidigt habe. Er kannte damals       hut, gehörte eine dicke Zigarre, gehörte eine
den allgemeinen Brauch bei der Behandlung          N elke im Knopfloch. Und ich trug und trage
solcher Personalfragen nicht.                      heute noch wie seit mehr als 50 Jahren aus­
    Er wurde gewählt, und die nächste Landes­      schließlich dieselbe Form eines ganz flachen
versammlung bestätigte ihn als stellvertre­        braunen Hutes, den meine Studenten als das
tenden Landesvorsitzenden. Und es war nie          „A natom enhütle“ bezeichneten.
zu bereuen. Was W ingenroth an kunsthisto­           W underbar verstand es Busse spendewillige
rischen Fachkenntnissen und an Erfahrung           oder von ihm allmählich zum Spenden über­
über den Stand der Denkmäler des Landes            redete Persönlichkeiten aufzuspüren, denn das
voraushatte, ersetzte Busse durch sein Schauen     Schrifttum und das Leben des Vereins kosteten
als Dichter, durch sein feines künstlerisches      sehr viel Geld und wir hatten es immer. Der
 Urteil und dann durch eine ganz ungeheure         LV wuchs, in den ersten zwei Jahren von
A rbeitskraft. Unm ittelbar nach Übernahme         Busses T ätigkeit stieg die M itgliederzahl von
 seines Amtes brachte er den Band „Kraich-         7000 auf 12 000, im folgenden Jahr auf 13 000.
gau “ heraus, den er als ersten als H eraus­       Vielleicht war aber noch erfreulicher, wie
geber zeichnete. Und nun prägte er unserem         Ansehen und Bedeutung und unser Ruf bei
 Schrifttum ganz seinen originalen Stempel         den übrigen Heimatvereinen im Reich ge­
 auf. Systematisch wurden die einzelnen Gaue       wachsen sind.
und Städte unseres Badenerlandes von be­              Dem Landesvorsitzenden hat, wie man
rufenen Sachkennern in je einem Band nach          sieht, Busse die A rbeit leicht gemacht. Er
ihrer Natur- und G eistesart geschildert. Das      mußte nur in bestimmten Dingen eingreifen,
gab eine Reihe von M onographien, die fast         er mußte in zahllosen Beratungen entschei­
einzig in ihrer A rt sind und auf die für alle     den. Busse sprudelte nur so von Plänen, Bes­
Z ukunft immer wieder zurückgegriffen wer­         serungen, neuen Vorschlägen usw. Er scheute
den wird. Auch „M ein H eim atland“ , dann         die Mühe nicht, mich alle paar Tage nach
die Hefte „V om Bodensee zum M ain“ und            12   Uhr,   dem Ende meiner V orlesung, in
der Kalender „E kkh art“ wuchsen unter seiner      meiner A natom ie aufzusuchen, und wir be­
Hand.                                              sprachen das Wichtigste. Es eilte, denn ich
  Unermüdlich bereiste Busse das ganze Land,       hatte stets um 2 Uhr wieder Unterricht und
besuchte   die   Ortsgruppen,   gründete   neue.   dazwischen mußte ich beim Essen meine Fa­
Wir arbeiteten wunderbar zusammen, lernten         milie sehen. Gründlichere Beratungen fanden
dann alle paar Wochen im „R öß le“ statt, wo      wohl, über 30 Jahre und heute noch, Frl. D or­
wir dann bis tief in die Nacht hinein bei­        ner. Auch des langjährigen Buchhalters Emil
sammen saßen. Da durfte ich dann auch den         Busse, Bruders von Herrn. Eris, sei dankbar
Menschen und Dichter kennen lernen und in         gedacht, sowie des Hausmeisters Krüger.
beginnender Freundschaft Einblick tun in sein        Nur angedeutet soll hier die dauernd wach­
dichterisches Schaffen. Er sprach nur ab und      sende Arbeit werden, die der N atur- und
zu und zögernd von den Menschen und Schick­       Denkmalschutz erforderte: Eingaben, G ut­
salen, die vor seiner Dichterseele langsam        achten, die von Fachkennern erbeten wurden,
Leben annahmen und der D arstellung in            Tagfahrten und Sitzungen. Wir haben zu
seinen Romanen harrten. Es ist hier nicht         jeder auf tauchenden Frage Stellung genom­
Raum und Aufgabe, den Dichter zu schildern,       men und konnten schöne Erfolge verzeichnen.
ich stand bewundernd vor dem gewordenen              Erwähnt sei auch die große Arbeit, die Herr
und werdenden Werk. Als die gemeinsame            Landrat Strack der Einführung der Familien­
A rbeit angefangen hatte, im Sommer 1922,         forschung widmete.
machte ich mit meiner Frau meinem neuen              Ich schreibe es nicht zuletzt der denkm al­
Stellvertreter einen Besuch. D as Ehepaar Busse   pflegerischen Arbeit des LV zu, daß Staat und
wohnte damals sehr bescheiden beim „Kohler-       Gemeinde und private K reise die Aufgaben
beck“ in Oberlinden. Eine alte Holztreppe         der Denkmalpflege, des Naturschutzes usw.
führte vom Hof ins Hinterhaus hinauf, und         auch als die ihren erkannten. Es kamen V er­
da lernten wir auch Frau Erika (Eris) Busse       ordnungen und Gesetze zustande, bis schließ­
kennen, deren Vorname der Dichter seinem          lich auf Grund der großen sachgemäßen und
eigenen zugesetzt hat. Frau Eris war eine sehr    gründlichen Arbeit des Herrn M inisterialrats
feinsinnige,   ihn   verstehende,   fördernde     Dr. A sal ein Denkmalschutzgesetz geschaffen
wahre Lebenskameradin und M itarbeiterin.         wurde, das allerdings erst 1949 in K raft trat.
Später haben wir V ier manches schöne K affee­       Als ich 1927 Freiburg verließ, einem Ruf
stündchen bei jenen erleben dürfen — da           an die U niversität und an ein Kaiser-W ilhelm-
waren Busses inzwischen in das „H aus der         Forschungsinstitut nach Berlin folgend, nahm
Badischen H eim at“ übergesiedelt, das die        ich zunächst die Wiederwahl an, nachdem ich
eigenwillige hohe K unst des Architekten Carl     die Zusage erhalten hatte, daß mein Freund
Anton Meckel dem Verein an der H ansjakob-        Dr. Heinrich Brenzinger für alle Fälle meine
Straße errichtet hatte. Hier hatte Busse im       Stellvertretung übernehmen würde. Aber ich
Erdgeschoß und bei Tage seinen Arbeitsraum        sah bald, daß dies bei aller Einsatzfreudigkeit
für den LV, und er stellte immer größere          der M itarbeiter auf die Dauer kein guter Z u­
Ansprüche, und oben den Tisch, an dem sein        stand war, ich trug das Amt und andere die
dichterisches Werk in nächtlicher A rbeit ge­     Arbeit. So erbat ich 1929 meinen Rücktritt.
formt wurde. Hier hatte jetzt auch die ge­        Herr Landeskomm issär Paul Schwoerer über­
waltig gewachsene Geschäftsstelle mit ihren       nahm mein Amt. Auch ihm hielt Busse, der
fleißigen   M itarbeiterinnen   schönen   Raum    unermüdliche      M itarbeiter,     die    eigentliche
erhalten, nachdem sie so lange recht ungün­       Seele der Heimatbewegung, die Treue.
stig in Hinterzimmern des alten A ugustiner­        Er   war   es   auch,   der     damals   die   erste
museums vorlieb nehmen mußten.                    „Alemannische Woche“ — später auch eine
  Es sei hier dankbar aller jener gedacht,        „Pfälzische Woche“ in Mannheim — einführte
insbesondere der Fräulein Aschoff, Dorner,        und glänzend organisierte. Sie verlief in den
Heer, Schüler, die alle lange Jahre treu und      ersten M aitagen 1928 in Freiburg und war ein
gewissenhaft ihre A rbeit taten — am längsten     großer Erfolg.

                                                                                                   105
filigran, das ist großdeutsches Ausgleichglück
                                                 in unserer einsamen Südwestecke. Daß ein
                                                 modernes Mädchen mit einem feinen Bubikopf
                                                 einen der Steuerer des großen Alemannen­
                                                 schiffes bittet, sie mit einem der Vorarlberger
                                                 bekannt zu machen, weil diese doch wirklich
                                                 am vornehmsten tanzten im ganzen Saal, das
                                                 ist Stammesstolz, der sich zu seiner Wurzel
                                                 bekennt. Daß ein Intendant staunend vor
                                                 dem Leben und Weben zwischen U niversitäts­
                                                 professoren und Bauernmädchen, K ünstler­
                                                 töchtern und Riedburschen in die W orte aus­
                                                 bricht:     ,Endlich  wieder    einmal   kein
                                                 T h eater!', das ist ein Zeugnis, das nur der
                                                 geheimnisvollen Erscheinung innerer Nähe
                                                 zwischen Menschen gleichen Blutes gilt.
                                                     Die Alemannenwoche war aber m e h r a l s
                                                  H e i m a t p f 1 e g e. Sie war der Weg vom
                                                  Alemannen zum Menschen . . .“ Fendrich be­
                                                  wundert dann die Lörracher Schülerchöre mit
                                                  ihren M undartliedern und noch mehr: „Daß
                                                  die Hanauer und Peterstäler Kapellen wieder
                                                  ihre gut genähten weißen Jacken mit den
H. E. Busse
                                                 Fuchspelzmützen und die rot gefütterten
                                                 schwarzen Schoßröcke tragen, das könnte
                                                 auch gute und kostspielige M askerade sein.
   Ich kann nicht widerstehen, eine Bespre­      Aber daß sie ihr Blech, bei dem auch das
chung großenteils im W ortlaut hier anzu­        Fagott nicht fehlte, so blasen, daß zwei
führen, weil kein geringerer als der be­         alte M usikpedanten sich sprachlos verwun­
kannte sozialdemokratische Politiker und fein­   dert in die Augen sahen ob solcher letzten
sinnige Schriftsteller Anton Fendrich in der     Glockenreine und Fülle des Tons und solcher
Frankfurter Zeitung (vom 17. 5. 28) sie          mitreißenden Stahlschärfe des Rhythmus, das
geschrieben hat, und sein Urteil ist ganz        war die herrlich-bedrohliche K raft in diesem
gewiß erhaben über jeden Verdacht beson­         vermeintlichen Trachtenrepräsentanten. Daß
derer Zuneigung zu den V eranstaltern und        der sozialdemokratische Redakteur und Frei­
ihren bürgerlichen Kreisen. Fendrich schreibt:   burger Stadtrat es sich in der Alemannenwoche
„ . . . festlich straff der Begrüßungsabend in   nicht nehmen ließ, zu dem seit einem Jahr­
der alten immer noch schönen Sängerhalle.        hundert in Hausen stattfindenden Hebelmahl
Aber nicht erst im Tanz lockerte er sich auf     zu wallfahrten, das ist ein Zeichen der um­
zu einem großen Sichfinden. Daß wir die          schlingenden K raft und U niversalität dieses
Österreicher bei uns haben können wie V et­      vermeintlichen Talpatriotism us. Es gibt auch
tern und Basen, die nervigen, hochgewach­        einen kategorischen Imperativ des V olkes,
senen Bregenzerwälder mit ihren keck auf         langsam aus den Tiefen steigend, aber von
dem K opf sitzenden Tuchzylindern und die        sprengender und doch erfüllender Wucht.
schon südlich vollen M ontafonerinnen mit        Wir erleben zur Zeit Ähnliches in seinen A n ­
den mächtigen Haubenkronen aus Gold-             fängen in Rußland. Sie werden sich wundern,

106
die maschinenzahmen Menschen, die im Rauch          die wogenden Chorschleier gewebt, nicht den
der Technik ihre Gottähnlichkeit entdecken,         Menschen hört, der ein Übergang ist, den
wenn das alles einmal aufsteht und die M asse       n e u e n M e n s c h e n , dem ist nicht zu
Mensch neu durchflutet und durchwärmt.              helfen. Der Eichendorff-Zyklus Franz Philipps
   Alles das, nur in ganz anderen Worten,           ist die vernehmbare Offenbarung, daß der
sagte Eugen Fischer, der A nthropologe, in seiner   alemannische K osm os nicht eine Idee, son­
Rede am Begrüßungsabend. Sie war ein Ereig­         dern lebendige W irklichkeit ist." Es mag mit
nis, weil es eben keine R e d e war. Er s a g t e   diesem, ganz der Eigenart Fendrichs entspre­
etwas. Der W issenschaftler stand da, ohne          chendem Bericht gezeigt werden, wie stark
Pult und ohne M anuskript, zusammenge­              damals die Heimatbewegung in den breiten
krümmt unter der Wucht des Unaussprech­             Schichten unseres V olkes wirkte und verbrei­
lichen und sich wieder aufreckend in der            tet war. Die alemannische Woche bot damals
Befreiung durch die Sprache. M it dem Wort          eine größere Anzahl V orträge namhafter G e­
,Erbliniengut‘ spannte er das Geheimnis nur         lehrter und Lesungen von Dichtern in den
auf wie einen großen toten Falter. Aber sel­        Räumen der U niversität, abendliches Theater,
ber im tiefsten eine glühende Dichternatur          Führungen im Münster und in Museen, A us­
ließ er den geheimnisvollen Schmetterling in        flüge und gesellige Abende, und am Sonntag
der Hand wieder lebendig werden und ent­            fehlten nicht die Gottesdienste. Es war w irk­
fliegen, weit über den Saal und alles Aleman-       lich keine Unterhaltungswoche, sondern ein
nentum hinaus. Nahe am Flammenrand des              Sichbesinnen auf die ewigen Werte der Hei­
Metaphysischen hinschreitend, wies er auf           mat, des eigenen V olkes, seiner V ergangen­
den Reichtum des anderen Blutes rings um            heit und vielleicht seiner Zukunft. Ein Be­
unseren großen Kreis zwischen Lech und den          kenntnis zu den seelischen und geistigen
V ogesen, zwischen Murg und dem Gotthard            W erten in unserem V olk stellte sich gegen­
hin, das die Heimat, aber eben nur die Heimat       über und inmitten des unerhörten Hetzens um
einzuschmelzen die K raft und oft auch die          materielle Gewinne vor die Teilnehmer und
siegreiche Lust habe. Tief stieg er hinein in       vor alle, die im Land etwas davon vernahmen.
den zeugenden Wirbel zwischen G ottheit und         Wäre es heute nicht um vieles nötiger?
Erde, sprach in mühsamen Glutworten einer              Der Chronist kann über die späteren Jahre
prophetischen N atur von dem Geheimnis              kurz hinweggehen, sie sind ja von der M ehr­
reiner Schöpfung, und vor ihm wurde mitten          zahl unserer Leser und der M itglieder selbst
im Festtrubel alles auf eine V iertelstunde         erlebt und in frischer, teils trauriger Erin­
ganz still. Denn hier stand einer, in dem           nerung. Paul Schwoerer hat in schönster Z u­
durch den Alemannen und den W issenschaft­          sammenarbeit die schönen A ufgaben des LVs
ler hindurch das weißglühende Schmelzgut der        im alten Geiste mit größtem Erfolg w eiter­
Ewigkeit leuchtete.                                 geführt. Aber besonders dankbar müssen wir
   Aber erst der Eichendorff-Zyklus von             Heutigen diesen beiden Männern dafür sein,
Franz Philipp tauchte den Abend in einen            daß sie und wie sie mit Klugheit, aber cha­
seltenen Glanz von Licht und Nebel. In die­         raktervoll den LV über die Z eit des H itler­
ser neuesten Schöpfung Philipps ist der R o­        reiches und dann des Zusammenbruches und
mantik mit sicherer Hand alle A ffektbetonung       die Periode der französischen M ilitärregierung
genommen, ihr inneres Leben aber dafür zu           hindurchgeleitet haben.
einer effektlosen Intensität gesteigert, daß           Schon 1934 wurde das „Führerprinzip" an­
uns der Atem ausgeht. Wer in diesem Chor­           geordnet. Der Kultusm inister Dr. Wacker
werk mit den wirren und wehen Hornrufen             „ernannte" Herrn Landeskomm issär Schwoe­
und den tröstenden Orgelwunden, locker in           rer zum Ersten Landesvorsitzenden, zum
stellvertretenden Herrn Prof. Dr. Eugen             heimtückischen Leiden. Auch nach seinem
Fehrle, M inisterialrat in seinem Ministerium,      Tode hängte sich noch Häßliches an diesen
und Hermann Eris Busse wurde zum Geschäfts-         großen Sohn Freiburgs, dessen Wirken und
führenden     Landesvorsitzenden     „b estellt".   Schaffen auch heute noch nicht die ihm ge­
Wir müssen Herrn M inister Wacker ehrlich           bührende Anerkennung gefunden hat.
dankbar sein, daß er dauernd seine schüt­              Vier Jahre schlief der Verein. 1949 wurde
zende Hand über dem LV hatte und ihm                seine W iederzulassung bei der M ilitärregie­
größere V erluste und Zwang fernhielt. M i­         rung beantragt, wurden vorschriftsmäßig neue
nister Wacker war wirklich erfüllt von echter       Satzungen vorgelegt und wurde in einer von
Heimatliebe. A ls damals ein hoher Partei­          den Herren des engeren Ausschusses des auf­
funktionär im Haus der Badischen Heimat er­         gelösten Vereins einberufenen Versammlung
schien und Herrn Busse dieA bgabe des Hauses,       im Freiburger K aufhaussaal die W iederbe­
der K asse und der Bankkonten abverlangte,          gründung auf den 1. 1. 1950 beschlossen.
lehnte dieser es kurz und bündig ab, entließ        Wir alle sind jenen Männern zu größtem
den unwillkommenen G ast und fuhr sofort            Dank verpflichtet, dem auch hier wärmster
nach Karlsruhe. Und er erreichte beim Innen­        Ausdruck gegeben werden soll. Sie erweckten
minister Pflaumer und M inister Wacker einen        das stolze und nun gebrochen am Boden
augenblicklichen Schutzbefehl für den Verein        liegende Werk wieder zum Leben. Die Herren
und sein Gut. Busse brachte noch 1940 den           Schwoerer, Schlippe, Brenzinger, Noack und
prächtigenElsaßband und im folgenden Jahr den       einige andere führten in der Versammlung
ebenso wertvollen Breisgauband heraus. Die          die W iedergründung durch. Herrn Schwoerer
Reihe hieß damals „Oberrheinische H eim at".        lehnte eine Wiederwahl aus Altersgründen
Auch ein Heft „M ein H eim atland" erschien         ab. Und es muß leider hier vorgreifend in
noch 1942, und das Jahr darauf ein letzter          tiefer Trauer gemeldet werden, daß dieser
Ekkhart. Von der Reihe „V om Bodensee zum           treue Freund der Heimatbewegung, der
M ain" waren 47 Hefte erschienen, von               15 Jahre den LV mit so großem Erfolg und
einigen auch Neuauflagen, dann hörten sie           schließlich in schwerster Z eit geführt hatte,
auf.                                                am 29. April d. J. die Augen schloß, wenige
   Im April 194 5 wurde das Haus von den            M onate vor Vollendung seines 8 5. Lebens­
Franzosen besetzt, welcher Zustand ein Jahr         jahres.
dauerte. Dann traf das Gesetz der M ilitär­            Die damalige Versamm lung wählte Herrn
regierung, das alle Vereine auflöste, natürlich     M inisterialrat a. D. Prof. Dr. Thoma, K arls­
auch den unsrigen, er wurde verboten.               ruhe, zum Landesvorsitzenden und Herrn
   Sehr schlecht ging es dem getreuen Ekkhart       Rudi Keller zum geschäftsführenden V orsit­
der Badischen Heimat, dem armen Hermann             zenden. M it großer Energie und bester Sach­
Eris Busse. Am 1. 1. 45 entriß ihm der Tod          kenntnis wurde der Verein wieder aufgebaut.
seinen besten Lebenskameraden, Frau Erika           Keller brachte 1950, die beiden Zeitschriften
Busse starb nach kurzem Leiden. Dieser V er­        unter dem Titel „Badische Heimat — Mein
lust, dann der Zusammenbruch der Heimat,            H eim atland" vereinigend einen I. Band, als
die ungerechte Behandlung und neidische A n ­       30. Jahrgang heraus. Seitdem erscheinen diese
schuldigungen und V erfolgungen zermürbten          schönen Hefte wieder regelmäßig, seit 1952
den Mann. Er kränkelte, aus seinem Heim             von Prof. Schwarzweber redigiert. In diesem
vertrieben, dürftig untergebracht, schließlich      Jahr gab Herr M inisterialrat Thoma sein Amt
wieder in eine Dachkammer des Hauses                wegen zu starker Belastung ab, ihm folgte
zurückgekehrt. Der Flug seiner Dichterseele         auch Herr Keller, und die in Freiburg
war gebrochen. Er erlag am 15. 8. 47 einem          tagende Hauptversammlung wählte Herrn

108
Paul Schwoerer

Prof. Schwarzweber zum Landesvorsitzenden.            Dieser unermüdlichen T ätigkeit des neuen
Er hatte auch in der eben vergangenen Zeit         Landesvorsitzenden verdankt der Verein
unermüdlich für den Verein gearbeitet, orga­       wirklich neues Leben. Der M itgliederbestand
nisatorisch und schriftstellerisch. Ihm verdankt   stieg wieder auf mehr als die H älfte seiner
auch die Freiburger Ortsgruppe, die er seit        Höchstzahl, auf rund 7000. Die V ortrags­
1926 bis heute leitet, ihren W iederaufbau.        tätigkeit und die Zeitschriften wirkten im alten
Geist, große Reisen trugen der neuen Zeit           das Pflichtbewußtsein aller öffentlichen Stel­
Rechnung.                                           len für diese Aufgabe. Heute hat sie Staat,
   V or 65 Jahren wurde ich, ein junger             Gemeinde, Verbände jeglicher A rt als selbst­
M edizinstudent, aber aus Neigung ein eifriger      verständlich übernommen.
Hörer des damaligen Professor Elard Hugo               Wir dürfen an diesem 50. Geburtstag stolz
Meyer über deutsche V olkskunde und einiger         und zufrieden auf unseren Verein zurück­
Vorlesungen des berühmten Germanisten               blicken. Aber wir blicken auch zuversichtlich
Friedrich Kluge in die V olks- und H eim at­        und hoffnungsvoll in die Zukunft, wir wollen
kunde eingeführt, 65 Jahre durfte ich Ent­          und müssen die treuen Wächter und Mahner
wicklung und Schicksal dieser schönen Be­           der Heimatpflege bleiben, die Wecker und
strebungen warmen Herzens verfolgen, davon          Förderer des Wissens um die Heimat, der
24 Jahre als Zweiter und Erster Landesvor­          Liebe zur Heimat, ist doch die Heimat die
sitzender, und seitdem als Ehrenvorsitzender.       Wurzel und eine der Kraftquellen für unser
Ich durfte sehen, wie unser LV, aus kleinen         ganzes V olk.
Anfängen erwachsen, es fertig brachte, in
unserem ganzen badischen V olk das Gewissen             D as Bildnis unseres Ehrenpräsidenten verdanken
für alle brennenden Fragen der Heimat zu            wir dem V erlag Hans Ferd. Schulz, Freiburg, der
                                                    aus dem liebensw erten und erlebnistiefen Erinne­
wecken und Schutz, Pflege, Kenntnis und
                                                    rungsbuch Eugen Fischers           „Begegnungen mit
Liebe in ihm wachzurufen. D arauf wuchs auch        T o te n “ . 1959, den Druckstock freundlichst überließ.

                                              0piegelbi(b
                             (zum Titelbilö unferee Freiburger Heltee)
                                 Motio aue öem Freiburger Staötgarten

Mein Schritt oerharrt am Weg, öenn unoermutet       Der Himmel roolhenloe, öie Luft hriftallen hlar,
trifft Öen beglückten Blich im Waffer öort -        öae Waffer unberoegt - entftieg Dem ßunöe,
oon einem lanften Wellenftrich umfluter,            geheimnieooll geroirht unö rounöerbar
umrahmt oon einem blumenreichen ßorö -               öae Spiegelbilö - öerTurm - ein Funö zur Stunöe,
befchattet nur oon meinem Augenliöe:                er kann mir nur in finftrer Nacht ertrinken,
öae Spiegelbilö öer Miinfterpyramiöe.               nie aber öer Erinnerung oerfinken.

                           Unö roae öem Münfterturme jekt gefchieht,
                           roenn um fein Haupt öie Golögefchuppten kreifen,
                           um öae, zu gleichem Spiel, ein Falke zieht —
                           fo finö öiee nicht allein öer Träume Weifen,
                           ee kommt nicht aue öem Reich öee Ungefähren —
                           auch Wirklichkeit kann grenzenloe geroähren.
                                                           Gertruö Äl br c cht

110
Sie können auch lesen