Für ein klimaneutrales Berlin Dokumentation zum 2. Stadtdialog Energie und Klimaschutz am 28. September 2015 - Stadtentwicklung Berlin

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Für ein klimaneutrales Berlin Dokumentation zum 2. Stadtdialog Energie und Klimaschutz am 28. September 2015 - Stadtentwicklung Berlin
Für ein klimaneutrales Berlin
Dokumentation zum 2. Stadtdialog
Energie und Klimaschutz am
28. September 2015
Für ein klimaneutrales Berlin Dokumentation zum 2. Stadtdialog Energie und Klimaschutz am 28. September 2015 - Stadtentwicklung Berlin
Inhalt
1      Einführung ........................................................................................................... 4
2      Ablauf der Veranstaltung ................................................................................... 4
    2.1 Begrüßung durch Herrn Staatssekretär Christian Gaebler,
    Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin......... 4
    2.2 Vortrag von Prof. Dr. Bernd Hirschl, Institut für ökologische
    Wirtschaftsforschung ............................................................................................. 5
    2.3 Interaktive Diskussionsrunde mit IFOK.ideactive: Schwerpunkt
    „Verkehr – Veränderungen des Modal Splits“...................................................... 8
       2.3.1        Impulsreferat: Patrick Klemm, VMZ Berlin Betreibergesellschaft
       mbH          8
       2.3.2        Handlungsfeldbotschafter: Wolter te Riele, Berenschot .................. 8
       2.3.3 Fragen zu den einzelnen Maßnahmen des Handlungsfelds
       „Verkehr – Veränderungen des Modal Splits“ .............................................. 11
       2.3.4 Allgemeine Anmerkungen zum Maßnahmenbündel Modal Split im
       Handlungsfeld Verkehr .................................................................................... 16
       2.3.5 Abschließende Bewertung des Handlungsfelds „Verkehr –
       Veränderungen des Modal Splits“ .................................................................. 18
    2.4 Interaktive Diskussionsrunde mit IFOK.ideactive: Schwerpunkt
    „Energetische Gebäudesanierung" .................................................................... 20
       2.4.1 Impulsreferat: Dr. Julika Weiß, Institut für ökologische
       Wirtschaftsforschung ...................................................................................... 20
       2.4.2        Handlungsfeldbotschafter: Jochen Icken, Märkische Scholle ....... 21
       2.4.3 Fragen zu den Maßnahmenbündeln "Energetische
       Gebäudesanierung“ ......................................................................................... 24
       2.4.4 Allgemeine Anmerkungen zu den Maßnahmenbündeln der
       „Energetischen Gebäudesanierung“ .............................................................. 27
       2.4.5 Abschließende Bewertung des Handlungsfelds „Energetische
       Gebäudesanierung" ......................................................................................... 28
    2.5 Interaktive Diskussionsrunde mit IFOK.ideactive: Schwerpunkt
    „Wissen, Wertschöpfung, Innovation“ ............................................................... 29
       2.5.1 Impulsreferat: Prof. Dr. Bernd Hirschl, Institut für ökologische
       Wirtschaftsforschung ...................................................................................... 29
       2.5.2        Handlungsfeldbotschafter: Marco Peise, Sunride ......................... 30
Für ein klimaneutrales Berlin Dokumentation zum 2. Stadtdialog Energie und Klimaschutz am 28. September 2015 - Stadtentwicklung Berlin
2.5.3 Fragen zu den Maßnahmen des Schwerpunkts „Wissen,
      Wertschöpfung, Innovation“ .......................................................................... 31
      2.5.4 Allgemeine Anmerkungen zu den Maßnahmen des Schwerpunkts
      „Wissen, Wertschöpfung, Innovation" ........................................................... 32
      2.5.5 Abschließende Bewertung des Handlungsfelds „Wissen,
      Wertschöpfung, Innovation“ .......................................................................... 33
    2.6     Gemeinsamer Abschluss und Ausblick ................................................... 34
3     Feedback und Hinweise ................................................................................... 34
    3.1     Allgemeine Hinweise zur Veranstaltung ................................................ 34
    3.2     Übergeordnete Hinweise zum Beteiligungsprozess .............................. 35
4     Impressionen ................................................................................................... 37
5     Teilnehmende des Zweiten Stadtdialogs ...................................................... 40
Für ein klimaneutrales Berlin Dokumentation zum 2. Stadtdialog Energie und Klimaschutz am 28. September 2015 - Stadtentwicklung Berlin
1 Einführung
Der Zweite Stadtdialog im Rahmen des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms am 28.09.2015
widmete sich ausgewählten Schwerpunktmaßnahmen aus drei der fünf Handlungsfelder. Dabei
handelte es sich um eine der letzten Veranstaltungen im Rahmen des Erarbeitungsprozesses des
BEK, bis am 1. Dezember auf der Abschlussveranstaltung der finale BEK-Abschlussbericht vorgelegt
werden soll.

Während der Veranstaltung hatten alle Teilnehmenden die Möglichkeit, über das Online-Tool
IFOK.Ideactive mittels Smartphone, iPad o.ä. Fragen, Hinweise und Kommentare in die
Veranstaltung einzubringen. Alle Rückmeldungen sind im Protokoll aufgeführt.

Auf den folgenden Seiten findet sich die Zusammenfassung der Ergebnisse des Zweiten
Stadtdialogs.

2 Ablauf der Veranstaltung
2.1   Begrüßung durch Herrn Staatssekretär Christian Gaebler, Senatsverwaltung für
      Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Herr Christian Gaebler, Staatssekretär für Verkehr und
Umwelt in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin, die Gäste des
Zweiten Stadtdialogs Energie und Klimaschutz und dankte Ihnen für Ihr Engagement und Ihre
bisherige Mitarbeit.

Herr Gaebler machte darauf aufmerksam, dass das Jahr 2015 von extremen Temperaturen und
Wetterereignissen auch in Deutschland geprägt war. Der Klimaschutz und die Eindämmung der
Auswirkungen des Klimawandels nähmen daher eine wichtige Position auf der politischen Agenda
ein. Der Veranstaltungsort der ufaFabrik sei als Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit im Kleinen ein
geeigneter Veranstaltungsort.

Der Staatssekretär wies darauf hin, dass das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK)
neben dem Berliner Energiewendegesetz eine zentrale Säule der Berliner Klimaschutzpolitik sei. Das
Grundziel des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms sei dabei die Klimaneutralität bis 2050.
Gemeinsam mit dem Konzept zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (AFOK), handele es
sich somit um ein zentrales Instrument der Berliner Klimapolitik. Weiterhin führte Herr Gaebler aus,
dass das BEK auch als Innovationsmotor verstanden werden solle. Die Maßnahmen seien eine gute
Möglichkeit, auch die wirtschaftliche Entwicklung Berlins voranzutreiben.

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Im Anschluss an die Rede von Herrn Gaebler begrüßte die Moderatorin der Veranstaltung, Lena
Judick von der IFOK GmbH die Teilnehmenden. Frau Judick stellte kurz das BEK und den aktuellen
Stand der Erarbeitung vor und ordnete den Zweiten Stadtdialog in den Arbeitsprozess ein. Weiterhin
erläuterte sie die Ziele der Veranstaltung und erklärte die Funktionsweise des Tools für die Live-
Onlinebeteiligung. Danach stellte sie den Ablauf der Veranstaltung und die im zweiten Stadtdialog
im Fokus stehenden Schwerpunktthemen vor. Im Anschluss übergab Frau Judick an Herrn Prof. Dr.
Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), dem Leiter des Fachprojekts.

2.2   Vortrag von Prof. Dr. Bernd Hirschl, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung

Prof. Dr. Bernd Hirschl erläuterte die bisherigen Schritte der Erarbeitung des BEK und präsentierte
den aktuellen Sachstand. Der Zweite Stadtdialog sei der letzte Schritt eines umfangreichen
Beteiligungsprozesses. Hirschl erläuterte, dass die Ergebnisse der Onlinebeteiligung und des ersten
Stadtdialogs im Rahmen der Konsolidierungsphase über den Sommer ausgewertet, inhaltlich
ergänzt und in das BEK integriert wurden. Diese Überarbeitung findet sich nun im aktuellen Entwurf
des Maßnahmensets (Version 4.0). Im Anschluss ging Herr Hirschl näher auf das Vorgehen und die
Methodik der Konsolidierungsphase ein. So wurden die Maßnahmen nach der inhaltlichen
Erweiterung und Anpassung jeweils einer Wirkungsabschätzung, einer Kostenkalkulation und
schließlich auch einer Evaluierung unterzogen. Mit Blick auf die Zielwerte für 2020/30 und die
Zielerreichung 2050 wurde dabei auf maßgebliche Schlüsselfaktoren, wie den EE-Ausbau,
Stromeinsparung, Energieträgermix etc. geachtet. Weiterhin seien auch soziale, ökologische und
kulturelle Aspekte der Auswirkungen der Maßnahmen untersucht worden.

Anhand der fünf Handlungsfelder veranschaulichte Herr Hirschl kurz die aktuelle Ausgangslage, die
Ziele und Strategien sowie die Maßnahmenschwerpunkte und legte mit dieser Kurzvorstellung des
Maßnahmensets in der Fassung 4.0 eine inhaltliche Grundlage für die nachfolgende Diskussion.

Prof. Dr. Hirschl beendete seinen Vortrag mit der Vorstellung der vorläufigen Einsparpotentiale, die
mit der Umsetzung des Maßnahmensets 4.0 erreicht werden könnten. So betonte er, dass bei
Anwendung der Maßnahmen aus dem Set 4.0 Berlin bis 2050 das Klimaneutralitätsziel erreichen
könne. Wichtig sei dafür, dass alle Handlungsfelder zur Reduktion des Energieverbrauchs und der
CO2-Emissionen beitrügen. Herr Hirschl verwies darauf, dass neben dem BEK noch weitere Elemente
zu einer energie- und klimapolitischen Strategie für das Land Berlin gehörten, darunter auch das
Berliner Energiewendegesetz. Es sei wichtig, die Energiewende zu institutionalisieren und die
Berliner Interessen diesbezüglich auch auf Bundesebene deutlich zu artikulieren. Unumgänglich sei
dabei auch die Einbeziehung der Wirtschaft in den Klimaschutz. Die Umsetzung der Maßnahmen
und deren Finanzierung müssten unbedingt konsequent und langfristig geschehen und die
Öffentlichkeit weiterhin Möglichkeiten zur Beteiligung an der Steuerung und Weiterentwicklung des
BEK gegeben werden. Die Folien zum Vortrag finden Sie unter folgendem Link .

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Im Anschluss an die thematische Einführung durch Prof. Hirschl hatten die Teilnehmenden die
Möglichkeit über das Onlinetool IFOK.Ideactive ihre Fragen zu stellen, die durch die Moderation
aufgegriffen und an Prof. Hirschl gespielt wurden.

Fragen an Prof. Hirschl:

      Welcher prozentualen CO2 -Einsparung des Ziels für 2050 entspräche es, wenn Berlin alle
       Maßnahmen des Programms (im aktuellen Stand) komplett umsetzen würde? Sicherlich
       können nicht 100% der Maßnahmen umgesetzt werden. Wieviel Prozent
       "Sicherheitspuffer" bietet das BEK bei aktuellem Stand?
            Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ist die Zielerreichung der Klimaneutralität
               bis 2050 möglich und das sogar, obwohl an einigen Stellen konservativ gerechnet
               wurde und zukünftige Innovationen nur in geringem Maße mit eingerechnet sind.
               Die im Programm enthaltenen Maßnahmen sind für die kurze bis mittlere Frist
               recht genau in ihren Einsparpotentialen berechnet. Je weiter man jedoch in die
               Zukunft schaut, desto ungenauer können Entwicklungen vorausgesagt und Werte
               dementsprechend berechnet werden.
      Heute in der Presse: Die Enquete-Kommission fordert den Kohleausstieg in Berlin bis 2020.
       Wie passt das zu 2030 als BEK Ziel?
            Im BEK wird davon ausgegangen, dass in Berlin bis 2030 aus der Kohleverstromung
               ausgestiegen werden muss. Nach unseren Informationen ist das auch der
               Zeitraum, den die Enquete-Kommission derzeit diskutiert; die Arbeiten der
               Kommission sind jedoch – wie diejenigen des BEK – noch nicht abschließend
               abgestimmt und veröffentlicht.
      Wie weit werden bei den Maßnahmen im öffentlichen Sektor die Tätigkeiten in den Schulen
       berücksichtigt? Zum Beispiel: Schulfahrten mit dem Flugzeug?
            Das BEK wird eine Reihe Maßnahmen für den öffentlichen Sektor vorschlagen,
               darunter auch die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude inkl. der Schulen.
      Wo soll das Biogas herkommen? Mais? Wir müssen klar machen, das Biogas nicht gleich
       Biogas ist. Die Biomasse der Stadt muss sauber erfasst und in Kaskaden genutzt werden.
            Die Maßnahme E-30 aus dem aktuellen BEK Maßnahmenset adressiert dieses
               Thema und ist gleichzeitig eine der Maßnahmen, die über den Online-
               Beteiligungsprozess angereichert worden ist. In der Maßnahme ist beispielsweise
               der Umstieg von der klimabelastenden Kompostierung von Bioabfällen zu ihrer
               klimafreundlichen Vergärung dargestellt. Das aus dem Bioabfall erzeugte Biogas
               kann dann nach entsprechender Aufbereitung in das Erdgasnetz eingespeist
               werden. Das energetische Biomassekonzept des BEK sieht primär die Nutzung der
               endogenen, also in der Stadt selbst erzeugten Biomasse vor, so dass keine
               zusätzlichen Anreize für eine Vermaisung gesetzt werden.
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(Im Übrigen ist hier der Bundesgesetzgeber im Rahmen der letzten EEG-Novellen diesbezüglich
auch aktiv geworden.)
    Haben Sie Bürgermeister Müller hinter sich?
            Die Erarbeitung des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms ist ein zentraler
               Pfeiler des Berliner Energiewendegesetzes. Der Regierende Bürgermeister Michael
               Müller hatte bereits in seiner vorherigen Position als Senator für Stadtentwicklung
               und Umwelt den Startschuss für die Erarbeitung des Programms gegeben und wird
               auch im Rahmen der Abschlussveranstaltung des BEK am 1. Dezember den BEK-
               Abschlussbericht entgegennehmen.
      Berlin startet bezüglich der erneuerbaren Energien von einem schlechten Startpunkt. So
       liegt der Anteil von Photovoltaik in Berlin nur bei 1%. Gleichzeitig muss man bedenken,
       dass 49% des Energieverbrauchs in Berlin für die Beheizung von Wohnraum genutzt
       werden. Wie sollen diese ersetzt werden, wenn gleichzeitig die Stromproduktion
       heruntergefahren wird?
            Es ist richtig, dass Berlin von einem recht geringen Anteil an Photovoltaik aus
               startet. Dennoch erkennen mittlerweile viele Studien an, dass Solarenergie in
               urbane Räume gehört. Die Maßnahmen sind entsprechend darauf zugeschnitten.
               Genaueres zu den Anteilen der Erneuerbaren Energien und zur Umsetzung finden
               Sie auch in der Machbarkeitsstudie Klimaneutrales Berlin 2050 sowie in den
               aktuellen Unterlagen des HF Energieversorgung im BEK. Im Übrigen gehen wir von
               einer gesteigerten Stromproduktion in Berlin aus, durch erhöhte KWK- und PV-
               Anteile.
      Die Förderprogramme in Sachen KWK und das Solardachprogramm haben anscheinend
       nicht wirklich gegriffen. Wurde dies in der Erarbeitung des BEK mit einbezogen?
            Tatsächlich gab es in Berlin in vielen Förderbereichen eine unterdurchschnittliche
               Inanspruchnahme der Fördermittel. Die Maßnahmen des BEK versuchen daher,
               Hemmnisse abzubauen und zielgruppenspezifische Anreize zu setzen. Dadurch soll
               an verschiedenen Schrauben gedreht werden, um die Problematik anzugehen.
               Wichtig ist dabei, in den relevanten Potenzialbereichen eine Marktentwicklung in
               Gang zu setzen, die dann zu einem eigendynamischen weiteren Ausbau führt.

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2.3   Interaktive Diskussionsrunde mit IFOK.ideactive: Schwerpunkt „Verkehr –
      Veränderungen des Modal Splits“

2.3.1 Impulsreferat: Patrick Klemm, VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH

Zum Handlungsfeld Verkehr übernahm Patrick Klemm, VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH und
Handlungsfeldverantwortlicher von Seiten der wissenschaftlichen Begleitung, das Impulsreferat
zum ersten Themenschwerpunkt. Der Fokus seines Impulses lag dabei auf dem Modal Split. Der
Modal Split beschreibt die Aufteilung der zurückgelegten Wege auf die einzelnen Verkehrsmittel. Er
sei ein wesentlicher Hebel im Handlungsfeld Verkehr. Ziel ist es, eine Verlagerung vom (privaten)
Pkw hin zum Umweltverbund zu erreichen. Als Zielwerte sind hierbei ein MIV‐Anteil von 22,5% für
das Jahr 2030 und langfristig 17% für das Jahr 2050 (‐13%‐Punkte gegenüber 2013), einhergehend
mit einer entsprechenden Verlagerung auf den Umweltverbund, anzusetzen.

Im Vergleich zu anderen Städten sehe der Modal Split in Berlin bereits sehr positiv aus. So nutzten
die Berliner 2013 nur für 29,6% der Wege den Motorisierten Individualverkehr (MIV). Immerhin
26,9% der Wege wurden mit dem Öffentlichen Verkehr (ÖV), 12,5% mit dem Rad und 31% zu Fuß
zurückgelegt. Damit entfielen auf den Umweltverbund bereits über 70%. Die größten Potentiale zur
Steigerung dieses Anteils sehe man beim Radverkehr. Eine geringe Steigerung scheine auch beim
ÖV möglich. Notwendig dafür sei es, die Alternativangebote zum privaten Pkw auszubauen und den
Fuß- sowie Radverkehr attraktiver und sicherer zu gestalten. Ebenso wichtig sei es über Alternativen
zu informieren und die Nutzung des MIV, beispielsweise durch geeignetes Parkraummanagement,
unattraktiver machen.

2.3.2 Handlungsfeldbotschafter: Wolter te Riele, Berenschot

Als weiterer Impulsgeber stellte Herr Wolter te Riele, von der niederländischen Beratungsfirma
Berenschot, zwei Beispiele aus den Niederlanden vor, bei denen mit einfachen Maßnahmen eine
deutliche Veränderung des Modal Split erreicht werden konnte. Die Argumente von Klimaschutz und
Energieeinsparung wären dabei aber hintergründig gewesen. Im Vordergrund der Maßnahmen
hätten vor allem finanzielle und soziale Gründe gestanden. So wollte man den Zugang zu Mobilität
verbessern und günstiger gestalten, so Herr te Riele. Die Entscheidung, den Modal Split zu Gunsten
des Umweltverbundes zu verändern, sei dabei vor allem dadurch zustande gekommen, dass
Investitionen für den ÖV und den Fahrradverkehr deutlich günstiger und effizienter seien als
Investitionen für den MIV. Zur Erhöhung des Modal Split Anteils des Umweltverbundes müsse vor
allem die Intermodalität durch die Integration der Mobilitätskette verbessert werden. Dazu seien
Investitionen in schwache Knotenpunkte zwischen den Verkehrsnetzen der Metropolregion
geeignet. Diese Investitionen haben sich in den Niederlanden als sehr effektiv erwiesen. Daneben
habe man in die Verbesserung und den Neubau von Park-and-Ride-Plätzen (P+R) investiert und die
Umsteigemöglichkeiten in den ÖPNV verbessert.
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Dazu gehörten auch die Harmonisierung der Fahrpläne und die Verbesserung der
Informationsangebote für Reisende. Als besonders wichtige Maßnahme wurde die Schaffung von
sicheren Fahrradparkplätzen adressiert. Trotz komplexer notwendiger Koordination zwischen
verschiedenen Gemeinden, Verkehrsunternehmen und Verbänden, konnten in den Niederlanden
gute Ergebnisse erzielt werden. Durch die P+R-Plätze habe die Nutzung des ÖPNV zugenommen,
während der Anteil des MIV abgenommen habe. Dies läge vor allem daran, dass der ÖPNV und das
Fahrrad vor allem auf kürzeren Strecken (bis 7km) mit dem Auto in Konkurrenz treten können.
Ein weiteres Beispiel war der Hoogwaardig openbaar vervoer-Bus (HOV-Bus, eine Schnellbuslinie) in
Utrecht, der als Doppelgelenkbus das hohe Aufkommen an Reisenden am Hauptbahnhof gut
bewältigt und durch eine hohe Frequenz die Nutzung des ÖPNV deutlich erhöhen konnte. So seien
15% der Nutzerinnen und Nutzer vom MIV auf den Bus umgestiegen, um zum Bahnhof zu gelangen.
Weiterhin gaben bis zu 20% der Bus-Nutzer an, das Fahrrad zu nehmen, um zum Bus zu gelangen.

Herrn te Riele zufolge würden in den Niederlanden inzwischen 45% der Fahrten zum Bahnhof und
15% der Fahrten vom Bahnhof zum Zielort mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dies liege nicht zuletzt
an den OV-Fiets, den Mietfahrrädern der Niederländischen Eisenbahnen. Mit 100.000 Abonnenten
und mehr als 1,4 Millionen Vermietungen pro Jahr wurde das Angebot sehr gut angenommen. In
einer repräsentativen Umfrage hätten 18% der Teilnehmer geantwortet, aufgrund dieses Angebots
nicht mehr das Auto, sondern stattdessen Zug und Rad zu nutzen.

Nicht zuletzt seien auch die hohen Parkgebühren von 5€ pro Stunde in Amsterdam und anderen
Städten für die starke Nutzung des ÖV verantwortlich. Die Erlöse von Parkgebühren und Geldbußen
bei Nichtzahlung würden als kommunale Einnahmen behandelt und flössen als Investitionen in die
Fahrradinfrastruktur.

Fragen an Herrn te Riele:

      Was waren die finanziellen und personellen Erfolgsfaktoren für die vorgestellten Projekte?
            Zuerst sollte erwähnt werden, dass Deutschland was Umweltfragen und die
               Energiewende angeht, schon sehr weit ist. Bei der Verkehrs- und Fahrradpolitik
               handelt es sich jedoch um eine kommunale Politik. In den Niederlanden gibt es ein
               nationales Programm welches die „Bessere Benutzung“ von Infrastruktur fördert
               (Programm „Beter Benutten“). Ursprünglich zur Förderung von Autobahnen
               eingerichtet, können Kommunen dort auch Gelder für den Ausbau des ÖV und der
               Fahrradinfrastruktur beantragen, wenn Sie nachweisen, dass ihre Investitionen
               effektiver als Investitionen in die Autoinfrastruktur sind und zur Minderung von
               Staus führen.
      Wo liegt aus niederländischer Sicht das größte Hindernis für die Schaffung eines
       ausgewogenen Modal Splits in Berlin?

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 Der ÖV in Berlin ist bereits sehr gut ausgebaut. Problematisch ist vor allem die
               vorherrschende „Autokultur“. So gibt es überall in der Stadt Autos und Parkplätze.
               Es müssten mehr P+R-Plätze außerhalb der Stadt eingerichtet werden und diese
               beispielsweise mit Gratistickets für die Nutzer der Plätze verbunden werden.
      Wie sieht die Akzeptanz der Nutzung von Fahrrädern in den Niederlanden aus?
            Bei Strecken bis zu 8km nutzen viele Niederländer das Rad.
      Wie verhält es sich mit der sozialen Stigmatisierung des ÖV in den Niederlanden?
            Eine derartige Stigmatisierung gibt es in den Niederlanden für den Zugverkehr
               nicht. Beim Autobusverkehr hingegen schon. Daher sind die neuen Buslinien als
               „Luxusbuslinien“ mit einem eigenen Markenkonzept eingeführt worden, um den
               Ruf des Verkehrsmittels zu verbessern und attraktiv zu gestalten.
      Gibt es in den Niederlanden auch einen Steuerbonus für Pkw-Pendler?
            Nein, einen derartigen Bonus gibt es nicht. Auch sind Autos in den Niederlanden
               teurer als in Deutschland. Es gibt hingegen Programme, welche Pendler, die das
               Fahrrad zur Arbeit nehmen, finanziell belohnen. Diese laufen über eine App.
      Die Stärkung des Radverkehrs ist nur bei entsprechender Witterung möglich. Ansonsten
       müsste auf den ÖV umgestiegen werden. Wie teuer sind der ÖV in den Niederlanden und
       das erwähnte Mietrad?
            In den Niederlanden gibt es für die Nutzung des ÖV eine sogenannte„Smart-Card‘“,
               die für alle öffentlichen Verkehrsmittel gilt (Bus, Bahn, Straßenbahn, U-Bahn sowie
               das Mietrad) nutzen. Das erwähnte Mietrad kostet 3,15 Euro pro 24 Stunden
               (maximal 72 Stunden; danach zahlt man 8,15 Euro pro 24 Stunden).
      Haben Sie Empfehlungen für Berlin?
            Es ist wichtig auf Maßnahmen für die ganze Region zu setzen. Dabei sollte vor
               allem in die Knotenpunkte der Verkehrsnetze investiert werden. Dabei sollten auch
               Investitionen ohne größere Infrastrukturänderungen getätigt werden, da diese
               kostengünstiger und einfacher umzusetzen sind.

Bereits während der beiden Impulsvorträge konnten die Teilnehmenden über das Online-Tool
IFOK.Ideactive Fragen einreichen und Hinweise zur Diskussion stellen. Diese Anmerkungen wurden
von der Moderation aufgegriffen und an beide Referenten gegeben. Im Folgenden finden Sie eine
Darstellung dieser Fragen und Antworten.

                                               10
2.3.3 Fragen zu den einzelnen Maßnahmen des Handlungsfelds „Verkehr – Veränderungen
        des Modal Splits“

E- Mobilität:

       Das häufigste Argument gegen E-Mobilität ist die geringe Reichweite, was kann dagegen
        argumentiert werden? Ist an eine Vereinfachung der Bereitstellung von Flächen im
        öffentlichen Raum gedacht um Ladeinfrastruktur zur ermöglichen?
             Die Ladeinfrastruktur steht in den Maßnahmen bezüglich des Schlüsselfaktors
                Flottenaufteilung im Vordergrund. Dabei geht es um die Bereitstellung von
                alternativen Kraftstoffen bzw. Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum. Der
                Aufbau der Ladeinfrastruktur nach dem „Berliner Modell“ wird vorangetrieben. Bis
                zum Jahr 2016 sollen 400 Ladesäulen aufgebaut werden, nach Bedarf sollen 700
                weitere folgen.
       Wie kann die Versorgung durch regenerativen Strom bei der Pedelec-Ladeinfrastruktur
        gesichert werden?
             Die flächendeckende Versorgungsmöglichkeit alternativer Kraftstoffe wird in der
                Maßnahme V-13 adressiert. So muss ein Aufbau von Erzeugungskapazitäten für
                Strom aus erneuerbaren Energien erfolgen.
       Ist die E-Mobil-Spur wie eine Busspur eine Option?
             Langfristig sollen durch freiwerdende Kapazitäten (im Zuge der Verstetigung des
                Verkehrs und der Abnahme des MIV-Anteils) im Straßenraum Flächen für den
                Umweltverbund zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin ist es langfristiges Ziel,
                den Anteil konventionell betriebener Kfz durch alternative Antriebe zu ersetzen
                (vgl. Maßnahme V-11). Gesonderte E-Mobil-Spuren sind im Rahmen des BEK nicht
                definiert.
       Sind Kleintransporter für kleine und mittelständische Unternehmen auf E-Basis ein
        förderfähiges Model? In Spanien nutzt die öffentliche Verwaltung solche Kfz.
             Fördermaßnahmen (z. B. in Form von Abschreibungen) sind in der Regel
                Bundesaufgaben. Berlin hat hierbei nur indirekten Steuerungseinfluss. Im Rahmen
                der bestehenden Bundesinitiativen (Schaufensterprojekt E-Mobilität) sind aber
                Förderungen im Rahmen von Modellprojekten bereits möglich. So wurden im
                Projekt "Urbaner logistischer Wirtschaftsverkehr" in Stuttgart der Einsatz von
                Elektromobilität im Rahmen unterschiedlicher Logistikkonzepte im
                innerstädtischen Lieferverkehr untersucht. In Berlin existieren bereits Ansätze zur
                Elektrifizierung der landeseigenen Flotte. Dies soll im Rahmen des BEK mit der
                Maßnahme V-19 weiter fortgeführt werden.

                                                 11
ÖPNV:

       Ist eine Nahversorgung auch außerhalb der BVG angedacht?
            Die Verbesserung der Nahversorgung wird in der Maßnahme V-2 des BEK
                  behandelt (s. Maßnahmenset ). Eine „Stadt der kurzen Wege“ soll somit im
                  Einkaufsverkehr, aber auch beim Begleit- und Freizeitverkehr das Zu-Fuß-Gehen
                  und das Radfahren unterstützen.
       Sind Tarifmodelle auch in Form von Rabattsystemen denkbar, häufiger fahren, weniger
        zahlen?
            Es handelt sich dabei durchaus um eine wichtige Stellschraube, um Personen dazu
                  zu bewegen, den ÖV zu nutzen. Im BEK wird die Möglichkeit der Verbesserung
                  bestehender und die Schaffung gesonderter Tarifangebote, aber auch die Kopplung
                  von Tarifen behandelt. Diese müssen im Rahmen der weiteren Feinplanung
                  genauer ausgearbeitet werden.
       Welche Rolle könnte die Straßenbahn auch im Westen Berlins spielen, um Dieselbusse zu
        substituieren?
            Die Angebotsausweitung des ÖPNV umfasst als einen Schwerpunkt den Ausbau des
                  Straßenbahnnetzes. Hierbei ist ebenfalls der Westteil Berlins mit eingeschlossen.
                  Die konkrete Linienplanung ist Aufgabe der zukünftigen Feinplanungen.
       Straßenbahn- und U-Bahn-Ausbau haben lange Vorlaufzeiten. Welche konkreten
        Maßnahmen zum Ausbau des ÖV sind geplant? Gibt es konkrete Planungen außer der
        aktuell im Bau befindlichen U5 und kleinen Erweiterungen bei der Straßenbahn (Ostkreuz,
        Turmstraße, Wista 2)?
            Im Rahmen der Maßnahme V-4 zur Angebotsausweitung des ÖPNV werden auch
                  der Ausbau des Straßenbahnnetzes auf Nachfrageachsen mit hohem
                  Verkehrsaufkommen oder auch der Aus- und Neubau von Bahnhöfen adressiert.
       Wann gibt es die erste Hochleistungs-Bustrasse in Berlin?
            Im Rahmen der Angebotsausweitung und Attraktivitätssteigerung des ÖPNV sind
                  beschleunigende Maßnahmen (Ausnutzung von Grünzeitpotenzialen,
                  Haltestellencaps, Kontrolle von Bussonderfahrstreifen etc.) vorgesehen, um den
                  straßengebundenen ÖPNV leistungsfähig zu gestalten. Hochleistungsbustrassen
                  (Bus Rapid Transit System) nach dem Vorbild z. B. von Brasilien (Belo Horizonte)
                  sind im Rahmen des BEK nicht definiert. Gleichwohl sollen durch freiwerdende
                  Kapazitäten (im Zuge der Verstetigung des Verkehrs und der Abnahme des MIV-
                  Anteils) im Straßenraum langfristig Flächen für den Umweltverbund zur Verfügung
                  gestellt werden. Dies schließt auch den Busverkehr mit ein.

                                                  12
   Neben Infrastruktur und Zugang zum ÖPNV: muss nicht auch die (soziale) Stigmatisierung
       von ÖPNV in Deutschland ('Bus fahren nur Arme') beendet werden? Inwiefern wird das im
       Rahmen des BEK diskutiert und falls ja, gibt es Lösungsansätze?
           Das BEK sieht eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV vor. Erweiterte Strecken,
              bessere Anschlusssicherung sowie erhöhte Sauberkeit und Sicherheit sollen jedem
              ermöglichen den ÖPNV nutzen zu können. Der ÖV muss als reguläres
              Verkehrsmittel dargestellt werden, welcher die Innenstadt und die
              Umlandgemeinden bedient.

Radverkehr:

      Dem Umstieg auf das Rad steht das Gesundheitsrisiko entgegen, täglich Im Abgas tief
       durchzuatmen. Was wird dagegen getan? Für wann ist ein Verbot von Dieselfahrzeugen in
       der Stadt geplant?
           Im BEK zielen die Maßnahmen des Ausbaus von Radinfrastruktur, die Erweiterung
              des Angebots im ÖPNV sowie die Attraktivitätssteigerung des Fußverkehrs und des
              ÖPNV darauf ab, den Modalsplit hin zu weniger abgasintensiver Fortbewegung zu
              verändern. Auch die Nutzung alternativer Kraftstoffe, sowie die Umsetzung
              automatisierten und autonomen Fahrens spielen hier eine Rolle. In einer
              langfristigen Perspektive wird auch in Maßnahme V-11 die Einführung einer Zero-
              Emission-Zone vorgeschlagen.
      Woher können die Flächen für Fahrradparkplätze genommen werden, wenn
       Freihalteflächen jetzt bebaut werden?
           Das BEK adressiert auch die zwingende Reduzierung der Flächenkonkurrenz
              zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern. So soll beispielsweise die
              Reduzierung des privaten Pkw-Fahrzeugbestandes dazu beitragen, dass weitere
              Flächen für den Radverkehr zur Verfügung stehen.
      Sieht das BEK Fahrradparkhäuser vor?
           Die Fahrradinfrastruktur wird in der Maßnahme V-03 behandelt. Dort heißt es:
              „Schaffung sicherer Abstellplätze (in allen Größenordnungen bis zum
              Fahrradparkhaus) an wichtigen Zielen des Freizeit-, Einkaufs-, und Berufsverkehrs.
              Auch an der Schnittstelle zu ÖV-Punkten sollen Abstellplätze geschaffen werden.
      Wie ist die Berliner Performance aktuell im Bereich Bike Sharing? Ist es angedacht im
       Rahmen des BVG-ABOS dies mitzudenken? Das funktioniert ja in anderen Städten auch mit
       Fahrradkarten.
           Bisher ist das Bike Sharing (als Bestandteil der geteilten Mobilität) in Berlin
              hinsichtlich des Anteils am gesamten Mobilitätsspektrum der Stadt
              unterrepräsentiert.

                                               13
Dementsprechend sollen auch im Rahmen der zukünftigen Gestaltung von Tarifangeboten der
Verkehrsunternehmen das Bike Sharing mit eingefasst werden (vgl. Maßnahme V-05).

MIV:

      Könnten im Autoverkehr nicht weitere Einsparungen erreicht werden, wenn wie in den
       Niederlanden weniger in die Autoinfrastruktur investiert würde?
            Die Straßeninfrastruktur dient nicht nur zur Abwicklung des MIV sondern ebenfalls
               für den Umweltverbund. Dementsprechend sind im BEK Invest-Maßnahmen
               definiert, die auf einen Ausbau der Infrastruktur (z.B. Radverkehrsstreifen) auch
               zulasten der Flächen des privaten PKW-Verkehrs (fließend und ruhend) abzielen.
      Wie hoch ist der Verkehrsanteil durch Pendler bzw. Stadtbesucher? Sind die Berufspendler
       aus Brandenburg in der Grafik berücksichtigt? Falls nicht, würde das den MIV-Anteil
       erhöhen?
            Die Grafik zeigt nur den Modal Split der Berlinerinnen und Berliner (s.
               Präsentation). Im Jahr 2012 pendelten an einem durchschnittlichen Werktag mehr
               als 250.000 Personen nach Berlin. Den Pendlern muss eine Ausweichmöglichkeit,
               gerade auf den Mittelstrecken, angeboten werden. Wichtig ist dabei auf den
               Ausbau und die Verbesserung des ÖV und somit auch des Regionalverkehrs zu
               setzen. Dazu gehören neben einer Erhöhung des Angebots auch eine verbesserte
               Linientaktung und eine allgemeine Attraktivitätssteigerung.

Luftverkehr:

      Der Flugverkehr wird bei seriöser Gewichtung mit RFI-Faktor schon 2020 die Klimawirkung
       des Sektors Verkehr in Berlin dominieren. Warum kommt der Flugverkehr dennoch nicht im
       BEK vor? Beschönigt das nicht die Berliner Energie- und CO2 -Bilanz?
            Der Arbeitsschwerpunkt des BEK im Handlungsfeld Verkehr liegt im Wesentlichen
               beim Stadtverkehr unter Beachtung aller Wechselwirkungen zwischen den
               Verkehrsträgern (Kfz, ÖV, Fuß und Rad). In diesem Segment besitzt das Land Berlin
               Gestaltungseinfluss hinsichtlich der Maßnahmenumsetzung. Der Luftverkehr wird
               nur mittelbar behandelt, da die Einflussmöglichkeiten des Landes Berlin
               diesbezüglich sehr gering sind. In Bezug auf die Reduzierung der
               Luftverkehrsemissionen ist eine gemeinsame Strategie der Länder Berlin und
               Brandenburg erforderlich.

Weitere Fragen zur Handlungsfeld Verkehr:

      Wie soll der Fußgängerverkehr gesteigert werden, wenn er jetzt schon einen
       vergleichsweise deutlich größeren Anteil im Vergleich zu anderen Metropolen hat?

                                                14
 Das Steigerungspotential im Fußgängerverkehr ist mit 1% relativ gering. Dennoch
           kann auch hier durch Schaffung einer Stadt der kurzen und schönen Wege noch
           eine Vergrößerung des Anteils erreicht werden, vor allem im Bereich der
           Nahmobilität von 1-3km. Größere Potentiale werden im Radverkehr gesehen.
   Gab es ernsthafte Diskussionen des Szenarios "Innerer Berliner Ring Autofrei" und wenn
    ja, mit welchen Ergebnissen / Perspektiven?
        Im Rahmen des BEK wurde die Einführung einer Zero-Emission-Zone diskutiert, die
           sich nun in Maßnahme V-11 wiederfindet. Ziel der Maßnahme ist durch eine
           Zufahrtsbeschränkung für Fahrzeuge mit fossilen Antrieben die Beschleunigung
           der Marktdurchdringung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zu erreichen.
           Diese umfasst eine Umsetzung der Zone ab 2030 auch innerhalb des gesamten
           Berliner S-Bahn-Rings.
   Die Übersicht der Maßnahmen deutet einen deutlichen Fokus auf softe (pull) Maßnahmen
    an. Die Effektivität solcher Maßnahmen wird grundsätzlich als unterlegen im Vergleich zu
    harten (push) Maßnahmen betrachtet, obgleich die öffentliche Akzeptanz softer
    Maßnahmen in der Regel höher ausfällt. Sollten push Maßnahmen angesichts der
    Dringlichkeit des Problems globaler Klimawandel nicht deutlich mehr Gewicht erhalten?
        Das gesamte Maßnahmenset im Handlungsfeld Verkehr mit den „Stellschrauben“
           Modal Split, Flottenaufteilung und Kraftstoff- bzw. Energieverbrauch umfasst
           sowohl softe (pull) als auch harte (push) Maßnahmen, denn nur mit einem
           Zusammenspiel dieser beiden Varianten werden die Ziele der Klimaneutralität in
           Berlin erreicht werden. Auch die Maßnahmen im Bereich der Verhaltensänderung
           sind ebenfalls wichtige Bausteine.
   Die Effektivität von Verkehrspolitiken (ausgeführte pro-umwelt Verhaltensänderung) ist in
    hohem Maße von der öffentlichen Akzeptanz bestimmt. Maßnahmen die eine geringe
    Akzeptanz aufweisen werden demnach nicht zu verändertem Verhalten führen. Können Sie
    eine Abschätzung der öffentlichen Akzeptanz vorgeschlagener BEK-Maßnahmen geben
    bzw. wie Sie diese Akzeptanz gemessen/abgeschätzt haben?
        Es wird von einer hohen Akzeptanz der Maßnahmen ausgegangen. Dies liegt
           insbesondere daran, dass ein großer Teil der aufgezeigten Maßnahmen bereits in
           der Stadtpolitik verankert ist. Auch der Umstand, dass im Rahmen der Erarbeitung
           des BEK umstrittene Maßnahmen kontrovers diskutiert werden konnten, und
           daraufhin die Maßnahmenpakete entwickelt werden konnten, erhöht die
           Akzeptanz. Es geht nun darum, dass die Programmpunkte von der Stadtpolitik
           auch umgesetzt werden.
   Warum ist die Novellierung der Stellplatz-Verordnung nicht Teil des Programms?
    Ohne klare Vorgaben machen die Investoren bekanntlich nichts.

                                           15
 Auch wenn das BEK sich nicht konkret mit der Stellplatz-Verordnung
               auseinandersetzt, so wird dennoch im Rahmen der Maßnahme zur
               Parkraumbewirtschaftung der Umgang mit Stellplätzen in der Stadt behandelt. Im
               Rahmen der Bewirtschaftung stehen neben der Generierung von Einnahmen auch
               die Verlagerung auf andere Verkehrsträger und die Einrichtung von E-Ladesäulen
               an den Parkplätzen im Vordergrund.
      Sind die finanziellen Mittel für die Umsetzung des BEK vorhanden?
            Bereits jetzt wurden in der Kostenabschätzung erste Kosten ausgewiesen. Es ist
               anzumerken, dass im Handlungsfeld Verkehr eine starke Kostendifferenzierung
               besteht. So sind einige Maßnahmen, darunter besonders umfängliche bauliche
               Maßnahmen wesentlich investitionsintensiver als andere. Gerade bei diesen muss
               dementsprechend geschaut werden ob gegebenenfalls der Haushalt aufgestockt
               werden muss.
      Warum schafft Berlin nicht einmal diese geringinvestiven Maßnahmen?
            Berlin als wachsende Stadt hat unter anderem Probleme mit der Personaldecke der
               Verwaltung. Das ist auch der Grund dafür, dass zum Beispiel beim Ausbau der
               Radverkehrsinfrastruktur im letzten Jahr nicht die gesamten finanziellen Mittel
               ausgeschöpft werden konnten. Im Rahmen des BEK muss klar sein, dass noch mehr
               Projekte über die Bestehenden hinaus auf uns zukommen.

Im Folgenden sind allgemeine Anmerkungen und Hinweise zum Maßnahmenbündel Modal Split
aufgelistet. Die Reihenfolge der Anmerkungen stellt keine Priorisierung oder Bewertung dar.

2.3.4 Allgemeine Anmerkungen zum Maßnahmenbündel Modal Split im Handlungsfeld
       Verkehr

      Die Planungsprozesse dauern zu lange!
      Es ist mehr Personal in der Verwaltung für Planung von Radverkehrsinfrastruktur
       erforderlich. Sowohl auf Bezirks- als auch auf Hauptverwaltungsebene.
      Weshalb werden gerade demnächst die Umwelttickets besonders erhöht? Das führt ja
       gerade zur Rückkehr zum Auto!
      Die Fahrradsicherheit muss erhöht werden. Dafür müssen die Autoparkplätze sofort
       drastisch reduziert werden. Einparkende und ausparkende Autos stellen ein hohes
       Sicherheitsrisiko für Radfahrer dar. Es muss sofort mehr Parkraumbewirtschaftung in
       Berlin durchgeführt werden. Parkplätze müssen zugunsten anderer Projekte abgeschafft
       werden. Auch sollten Verkehrssünder viel stärker finanziell zur Kasse gebeten werden.
      Mehr Fahrradverkehr kann nur durch erhöhte Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer
       erreicht werden:

                                               16
 1. Ampelschaltung für Geradeausfahrer Rad und Rechtsabbieger PKW LKW, wenn
           Radspur weiterhin Rechts angeordnet bleiben sollte. Viele Radfahrer an der Ampel
           bei Grünphase verhindern Rechtsabbieger, die vielleicht erst bei der übernächsten.
           Grünphase abbiegen können.
        2. Das Rad und der motorisierter Verkehr haben zwei Geschwindigkeiten, was eine
           gegenseitige Behinderung bewirkt.
   S-Bahnen mit extra Fahrradabteilen (eigene Zugabteile) könnten weiterhelfen, um auch
    aus den Außenbezirken das Fahrrad mit in die Stadt zu nehmen.
   Den ÖPNV sicher und erschwinglich zu machen ist unabdingbar, auch das Linienblatt zu
    erweitern. Angesichts der älter und ärmer werdenden Stadtbewohner ist der Fokus auf das
    Fahrrad zu kurz. Auch das Radfahren muss sicherer werden. ´
   Eine aktuelle Problematik wird nicht einbezogen. Die Schadstoffwerte der Autos, auch CO2,
    sind durch technische Manipulation und konsequentes Wegsehen der Behörden sehr viel
    höher als geschätzt. Eine städtische Sofortmaßnahme müsste sein, sofort die
    Schadstoffschleudern zu stoppen. Berliner Behörden greifen nicht wirklich konsequent
    durch. Es ist schade, dass dies nicht angesprochen wird.
   Carsharing führt zur verstärkten Nutzung von Autos in der Stadt. Das ist nicht gut für den
    Klimaschutz.
   Es wäre wichtig die Emissionen kleinräumig Straße pro Straße in Echtzeit offenzulegen.
    Dann können Verursacher aufgespürt werden.

                                            17
2.3.5 Abschließende Bewertung des Handlungsfelds „Verkehr – Veränderungen des
      Modal Splits“

Am Ende der Debatte zum ersten Schwerpunkt wurden die Teilnehmenden gebeten, mit Blick auf
die diskutierten Aspekte folgende Frage zu beantworten und dem Fachprojekt aus ihrer Sicht
relevante Hinweise für die Umsetzung mitzugeben:

Sollte so weiterverfolgt werden, weil:
    -   Aus Kostengründen !
    -   nicht nur weiterverfolgt, sondern stark erweitert werden. Es spart nicht bloß ein wenig CO2
        ein, sondern ist wichtiger und prominenter Faktor bezüglich der Bewusstseinsänderung,
        die in anderen Bereichen dringend benötigt wird und dahin wirken könnte. Vorbild
        Niederlande, wo immer es geht!
    -   Weil der Trend von unten schon da ist und die Maßnahmen gering investiv sind, da die
        Infrastruktur bereits vorhanden ist.
    -   Es ist alles bekannt und alle Strategien und Maßnahmen Schwerpunkte benannt. Jetzt
        bitte umsetzen und Geld bereitstellen.

Sollte weiterverfolgt werden, aber mit folgenden Änderungen/Hinweisen:
    -   Sicherheit für abgestellte Fahrräder muss gewährleistet werden.
    -   Es sollte eine bessere Balance zwischen harten und weichen Maßnahmen hergestellt
        werden, demnach eine Erhöhung des Anteils regulativer Maßnahmen.
    -   Einfache Umsetzung mit hoher Wirkung und dadurch höhere Lebensqualität im
        Stadtraum.
    -   Gute Ansätze die personell untersetzt werden müssen.
    -   Es sollten auf jeden Fall Fahrrad-Parkhäuser mit Förderung durch den Senat geschaffen
        werden.

                                                 18
-   Die Maßnahmen sollten konkreter werden und man sollte sofort mit der Umsetzung
    beginnen.
-   Die gesundheitlichen Risiken von Fuß- und Radverkehr sollten berücksichtigt werden
-   Besser: ÖTV Flatrate
-   Es muss dabei darauf geachtet werden, dass E-Mobilität vor allem im ÖPNV verstärkt zum
    Einsatz kommt.
-   Bitte BENE (Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung) berücksichtigen,
    Förderprogramm bis 2020.
-   Wichtig ist, auch gute Kombinationen von ÖPNV und Fahrrad zu schaffen, die
    Fahrradmitnahme in der BVG erleichtern und günstiger machen oder Abstellmöglichkeiten
    sicherer gestalten! Wie wäre es auch mit besseren Bike Sharing Angeboten in Kombination
    mit dem BVG Abo?!
-   Es besteht die Notwendigkeit breitere Fahrradwege zu schaffen, zum Beispiel durch die
    Umwidmung der zweiten oder dritten Fahrspur.
-   State-of-the-art Elektrobusse für eine Millionenstadt berücksichtigen. Recherchieren Sie
    mal "in motion charging"
-   Es sind schon viele gute Maßnahmen enthalten. Es fehlen weitere Maßnahmen zur Pkw
    Reduzierung (v-14. V-15) insbesondere Ampelphasen und Sicherheit.
-   Für alte „fußlahme“ Mitbürger ist das Auto oft das einzige Mittel, um noch am Stadtleben
    teilnehmen zu können. Für Taxis sollte es ggf. in Kombination mit Theaterkarten Rabatte
    geben, subventioniert von der Kulturverwaltung.
-   Der von Berlinern erzeugte Flugverkehr verursacht mit RFI-Bewertung bis 2020 im BAU-
    Szenario ca. 3,5-4 Mio. Tonnen CO2-Eq. Unter Berücksichtigung der Berliner Rückflüge
    entsprechend 7-8 Mio. Tonnen, was etwa dem Doppelten aller anderen
    Verkehrsemissionen und mehr als einem Drittel des Berliner Emissionsziels für 2020
    entspricht. Dabei sind die Emissionen beim Weiterflug nach Umsteigen und die dazu
    gehörigen Rückflüge noch nicht berücksichtigt!
-   Der Aspekt der Mitführung des Fahrrades im ÖPNV sollte stärkere Beachtung finden.
-   Mit Einflussnahme auf die Bundesgesetzgebung. Siehe auch: Link

                                            19
2.4       Interaktive Diskussionsrunde mit IFOK.ideactive: Schwerpunkt „Energetische
          Gebäudesanierung"

2.4.1 Impulsreferat: Dr. Julika Weiß, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung

Als Vertreterin des Fachprojekts beleuchtete Frau Dr. Julika Weiß vom Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung den Schwerpunkt „Energetische Gebäudesanierung“ aus dem Handlungsfeld
„Gebäude und Stadtentwicklung“. Dabei zeigte sie insbesondere auf, in welchem Rahmen der Aspekt
der Sozialverträglichkeit im BEK behandelt wird. Der Gebäudebereich emittiere pro Jahr ca. 10,3 Mio.
t CO2, 60% davon entfallen auf Wohngebäude. Um die Emissionen bis 2050 auf 1,6 Mio. t reduzieren
zu können müsse der Energiebedarf durch Sanierung und energieeffizienten Neubau reduziert
werden. Auch muss eine klimafreundliche Wärmeerzeugung geschaffen sowie eine generelle
Reduktion von Wohn- und Arbeitsfläche erreicht werden. Die dafür identifizierten zentralen
Herausforderungen seien neben der Ressourceneffizienz und dem Erhalt der Baukultur auch eine
sozialverträgliche Gestaltung von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Die Maßnahmen zur
Sozialverträglichkeit finden sich in GeS-11 und GeS-15. Ziel der Maßnahmen sei es, eine Erhöhung
der Sanierungsrate zu erreichen und gleichzeitig preisgünstigen Wohnraum zu erhalten. Dazu seien
vor       allem   Baukostenzuschüsse       und    die       Förderung   energetischer    Sanierung       in
„Millieuschutzgebieten“       und   Gebieten     der    „Sozialen   Stadt“   geeignet.   Bezüglich   der
Sozialverträglichkeit seien weiterhin Härtefallregelungen für ALG II-Beziehende („Klimabonus“) und
Wohngeldbeziehende („Klimawohngeld“) angedacht. Auch solle die Mieterhöhung nach Sanierung
begrenzt werden, zum Beispiel wenn öffentliche Förderung in Anspruch genommen wird. Neben
diesen Maßnahmen der Sozialverträglichkeit stünden weiterhin Informationsmaßnahmen zur
energetischen Sanierung und die Förderung transparenter Heizkostenabrechnungen im
Vordergrund.

Fragen an Frau Dr. Weiß:

          Wer trägt dann die nicht umlegbaren zwei Drittel der Modernisierungskosten? Der private
           Hausbesitzer? Gerade hier ist ja oft gar nicht die Finanzkraft für Investitionen vorhanden.
               Rund zwei Drittel der Modernisierungskosten entstehen durch energetische
                  Sanierung. Umgelegt werden können laut Rechtsvorschrift zurzeit 11% der
                  gesamten Modernisierungskosten. Das BEK empfiehlt eine Reduzierung der
                  Umlage auf unter 9% pro Jahr. Die Finanzierung könnte dabei zum Beispiel durch
                  eine an der erzielten Energieeinsparung orientierten Zulage finanziert werden.
                  Weitere Möglichkeiten finden Sie in der Maßnahme GeS-11.
          Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die Baukultur zu erhalten?

                                                       20
   Eine besondere Stellung bei der erforderlichen Steigerung von Sanierungsrate und
               ‐tiefe nehmen der denkmalgeschützte Bestand und besonders erhaltenswerte
               Bausubstanz ein. Zur gezielten Steigerung der Sanierungsrate baukulturell
               wertvoller Bestände (ob Wohn‐ oder Nichtwohngebäude) sollen zwei Maßnahmen
               greifen, die speziell auf die Vereinbarkeit von Gestalt und Energieeffizienz
               ausgerichtet sind (GeS‐6 und GeS‐7).
      Welche Mittel will der Senat für eine Beratung zur Verfügung stellen? Welche Rolle spielt
       die Evaluation vorhandener Projekte?
            Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Information und Beratung (insb. GeS‐18,
               GeS‐19) leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Sanierungsrate und ‐
               tiefe insbesondere bei privaten Gebäudeeigentümern. Eine Aussage in welchem
               Umfang der Senat Mittel für Information und Beratung zur Verfügung stellen wird,
               ist im Rahmen des Erstellungsprozesses des BEK nicht möglich. Der
               Wirkungsabschätzung der Maßnahmen lagen jedoch Annahmen zur
               Konkretisierung der Maßnahmen (bspw. Zahl der Quartiere oder Beratungen) zu
               Grunde, welche in die weitere Ausarbeitung einfließen und Orientierung bieten
               können.
            Vorhandene Vorhaben wurden mit beachtet.
      Wie kann im Rahmen des BEK Sozialverträglichkeit und klimaneutrale Anforderungen im
       (Quartiers-)Neubau realisiert werden? Oder gehen Aspekte der Sozialverträglichkeit vor?
            Das Leitbild des Berliner Stadtentwicklungsplans Wohnen 2025 (StEP Wohnen
               2025) gilt auch für das BEK (insb. Leitlinie 6).

2.4.2 Handlungsfeldbotschafter: Jochen Icken, Märkische Scholle

Als Vertreter der eingetragenen Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle, hat Jochen Icken
langjährige Erfahrung mit der energetischen und dennoch sozialverträglichen Sanierung von
Wohngebäuden. So stellte er als Praxisbeispiel das Sanierungskonzept der Wohnanlage
Lichterfelde vor. Die 841 Bestandswohnungen stammen zur Hälfte aus den 30er Jahren und zur
anderen Hälfte aus den 60er Jahren und wurden seit ihrem Bau nicht mehr saniert. Die Märkische
Scholle habe daher ein umfassendes Energiekonzept entwickelt, zu dem neben der Dämmung der
Gebäudehülle, der Erneuerung von Fenstern und Haustüren und der Erneuerung der Elektrik auch
die Einrichtung einer Lüftungsanlage, von Wärme- und Abluftwärmepumpen und
solarthermischen Anlagen sowie Photovoltaikanlagen gehörten. Rein rechnerisch werde die
gesamte benötigte Heiz- und Warmwasserenergie nun regenerativ am Gebäude erzeugt. Dies
geschieht durch Wärmerückgewinnung aus der Abluft, welche durch passive Sonneneinstrahlung
ebenso wie durch Abwärme der Beleuchtung, Abwärme der Nutzer, Prozesswärme der Geräte und
die Abwärme und Feuchte vom Duschen entstehe und daher ganzjährig angewandt werden könne.

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Der Energieverbrauch (inklusive Warmwasserbereitung) konnte durch diese und weitere
Maßnahmen von 210 kWh/(m2*a) auf 30 kWh/(m2*a) reduziert werden.

Wesentlicher Aspekt der Sozialverträglichkeit der Sanierung sei das Informationsmanagement
gewesen. So habe es bereits ein Jahr vor Baubeginn eine große Informationsveranstaltung
gegeben. Auch sei ein Ansprechpartner vor Ort etabliert worden. Ebenso habe man regelmäßige
Rundbriefe und eine „Mieterfibel“ publiziert. Die Einrichtung eines Umzugsmanagements, welches
die Kosten der Umzüge übernahm und Ersatzwohnungen stellte, sei ebenfalls gut angenommen
worden. Die soziale Betreuung der Bewohner bei den gesamten Sanierungsmaßnahmen habe also
oberste Priorität gehabt.

Trotz umfassender Sanierung habe man die gesetzlichen Mieterhöhungsmöglichkeiten nicht
vollständig ausschöpfen müssen. So betrug die tatsächliche Umlage nach Abzug der
Betriebskosten nur 1,90 €/ m2. Auch die Energiekosten seien stark gefallen und lägen nun bei
0,25 € bis 0,45 €. Das Projekt hat unter anderem den Berliner Umweltpreis des BUND bekommen.

Herr Icken verwies darauf, dass aus seiner Erfahrung die Kommunikation der Maßnahmen das
Wichtigste sei. So könne man frühzeitig den Ängsten der Bewohner begegnen.

Fragen an Herrn Icken:

      Welches Argument für die Sanierung wurde von den Mietern am besten aufgenommen?
           Das regenerative Energiekonzept ist häufig nicht der Hauptgrund für die
               Akzeptanz der Maßnahmen. Natürlich wird dies gerne angenommen, wenn es zum
               eigenen Vorteil ist, dennoch überzeugte unsere Mitglieder am Ende das
               Gesamtkonzept. Dazu gehört neben der energetischen Sanierung und den
               Betreuungs- und Beratungsangeboten eben auch der in den Wohnungen
               entstehende Mehrwert. Dieser wird durch den Einbau neuer Elektrik, moderner
               Bäder und die Einrichtung einer zentralen Warmwasserbereitung geschaffen. Die
               „Aha-Effekte“ zur Energieeinsparung kommen dann meist erst mit der ersten
               Stromrechnung, wenn diese um 30% günstiger ist als zuvor.
      Wie ist das Konzept wirtschaftlich auf private Vermieter übertragbar?
            Sicherlich ist das Konzept nicht zu 100% übertragbar. Die Märkische Scholle
               stützte sich bei der Finanzierung auf drei Säulen: Quersubventionierung innerhalb
               der Genossenschaft, Förderung (u.a. durch das Land Berlin, durch KfW und BAFA)
               sowie die Umlage der Modernisierungskosten. Dennoch muss auch eine
               Genossenschaft wirtschaftlich arbeiten. Die Märkische Scholle kann aber an einige
               Dinge anders herangehen. Das Ziel ist die Förderung der Mitglieder.

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Die Märkische Scholle hat bei den beschriebenen Sanierungen eine sehr gute Rückzugsquote von
85% erreicht. Ihr Vorteil ist es, kein Renditeziel zu haben. Die Rendite ist der Mehrwert für ihre
Mitglieder.

       500qm Speicher versorgen welche Mietfläche?
            Es handelt es sich um 21 Wohnungen, das heißt um ungefähr 1300m2 Wohnfläche.
       Wer betreibt und wartet die Anlagen?
               Die Anlagen werden durch die Märkische Scholle betrieben und wir übernehmen
                 auch das Monitoring. Die Wartung und Störungsbeseitigung erfolgt über eine
                 Fremdfirma, die ebenfalls über das Internet Zugriff auf die Fernauslesung der
                 Anlagen hat.
       Märkische Scholle - 1,90€ Modernisierungsumlage nur für energetische Maßnahmen?
               Die Märkische Scholle nimmt im rechtlichen Sinne bei der Sanierung in Lichterfelde
                 Süd keine Modernisierungsumlage, da mit den Mitgliedern vor Sanierungsbeginn
                 eine festgelegte Umlage in Höhe von 1,90 €/m² vereinbart wurde. Diese Umlage,
                 die nahezu warmmietenneutral (Einsparung warme Betriebskosten zw. 1,00 € und
                 1,50 €) ist, wird für die gesamte Maßnahme erhoben.
       Evaluation nach wenigen Jahren bedeutet konkret wann?
               Dies bedeutet konkret etwa 2 bis 3 Jahre (Heizperioden).
       Welche Technologie nutzt der Langzeitspeicher?
               Der Langzeitspeicher ist ein Erdspeicher in dem das vorhandene Erdreich als
                 Speichervolumen genutzt wird. Über eine Sole-Wärme-Pumpe wird hierbei die im
                 Erdreich gespeicherte Solarenergie sowie oberflächennahe Geothermie in das
                 Heizungssystem eingespeist.
       Wie sieht es mit dem Aufwand der Beantragung aus?
               Eine einfache Gestaltung der Förderanträge ist sehr wichtig. Ebenso sollte es
                 vermieden werden, in Dogmen verhaftet zu bleiben. So wäre es besser ein
                 Einsparziel festzulegen, statt beispielsweise der Dicke der Dämmung. Denn: ein
                 Zielwert kann mit verschiedenen Herangehensweisen erreicht werden, nicht
                 unbedingt nur über 16cm Dämmung.
       Wie sollte eine Förderung dann Ihrer Meinung nach gestaltet sein?
               Über die EnEV könnte ein Primärenergieverbrauch pro Quadratmeter vorgegeben
                 werden. Wie dieser erreicht wird, wäre dann dem Bauherrn überlassen. Dies ist vor
                 allem wichtig, da bei der Herstellung von Dämmmaterial sehr viel Energie
                 verbraucht wird. Diese Grauenergie sollte bei der Verwendung von Dämmung
                 immer mit einberechnet werden, da sie während des Lebenszyklus nicht unbedingt
                 durch Einsparungen ausgeglichen werden kann.

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