Gamification und Nudging - Wie können die Motivation von Lernenden und die Anwendbarkeit von Lehrmethoden verbessert werden?

Die Seite wird erstellt Oliver Beyer
 
WEITER LESEN
Gamification und Nudging - Wie können die Motivation von Lernenden und die Anwendbarkeit von Lehrmethoden verbessert werden?
Gamification und Nudging
 Wie können die Motivation von Lernenden und die
Anwendbarkeit von Lehrmethoden verbessert werden?

                 Bachelorarbeit
                         ausgearbeitet von
                    Simon Ludwig Schulte

              zur Erlangung des akademischen Grades
                 Bachelor of Science (B.Sc.)

                          im Studiengang
                Medieninformatik (Bachelor)

                                 bei
            Erster Prüfer/in:   Prof. Dr. Christian Kohls
                                Technische Hochschule Köln

           Zweiter Prüfer/in:   Uwe Müsse, M.Sc.
                                Technische Hochschule Köln

                          vorgelegt an der
               Technischen Hochschule Köln
          Informatik und Ingenieurwissenschaften
                  Campus Gummersbach
                Gummersbach, am 8. März 2022
Gamification und Nudging - Wie können die Motivation von Lernenden und die Anwendbarkeit von Lehrmethoden verbessert werden?
2

Adressen:   Simon Ludwig Schulte
            ORCID:
            https://orcid.org/0000-0002-9490-569X

            Prof. Dr. Christian Kohls
            Technische Hochschule Köln
            Cologne Institute for Digital Ecosystems
            Steinmüllerallee 1
            51643 Gummersbach
            christian.kohls@th-koeln.de

            Uwe Müsse (M.Sc.)
            Technische Hochschule Köln
            Advanced Media Institute
            Steinmüllerallee 1
            51643 Gummersbach
            uwe.muesse@th-koeln.de
3

Kurzfassung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu beantworten, wie Lehrmethoden durch die Anwen-
dung von Gamification und Nudging verbessert werden können, um so die Motivation der
Lernenden und die Anwendbarkeit der Lehrmethoden zu verbessern.
Dazu wird der Einfluss von Gamification auf die menschliche Motivation anhand von eta-
blierten Literaturquellen analysiert. Weiterführend erfolgt die Betrachtung der mensch-
lichen Fehlbarkeiten und dem damit verbundenen Einsatz von Nudging zur Etablierung
eines intendierten normativen Verhaltens.
Aufbauend auf dem Behavior Modell von B. J. Fogg wird im Anschluss daran ein einheitli-
ches Vorgehen in Form eines Canvas entwickelt und beschrieben. Dieses bezieht sowohl den
Kontext einer Lehrmethode als auch das aktuelle sowie das intendierte Verhalten einer fest
definierten Zielgruppe ein. Ausgehend von dieser Grundlage können mögliche Ansätze für
Befähigungen und Motivationen identifiziert und daraus resultierend geeignete Nudging-
und Gamification-Ideen im Brainstorming-Verfahren generiert werden.
Die Nutzbarkeit des Canvas wird abschließend anhand von vier exemplarisch ausgewähl-
ten Lehrmethoden dargestellt, untersucht und die Ergebnisse reflektiert. Dabei kann eine
schnelle Identifizierung von Nudging- und Gamification-Ideen bezogen auf die betrachte-
ten Lehrmethoden beobachtet werden. Die Qualität der Ergebnisse gilt es jedoch noch in
einer darauf aufbauenden Evaluation zu ermitteln.
4

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung                                                                                                                                           6
  1.1 Motivation . . . . . . . .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    6
  1.2 Relevanz . . . . . . . . .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    6
  1.3 Ziel und Forschungsfrage        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    7
  1.4 Vorgehensweise . . . . .        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    7

2 Begriffsdefinitionen                                                                                                                               9
  2.1 Motivation . . . . . . .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   . 9
  2.2 Gamification . . . . . .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   . 12
  2.3 Octalysis-Framework .       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   . 14
  2.4 Spiel-Design-Elemente       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   . 19

3 Verhalten                                                                                                                                           22
  3.1 Das menschliche Verhalten . . . . . . . . . .                               .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   22
  3.2 Die Fehlbarkeit des menschlichen Verhaltens                                 .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   23
  3.3 Beeinflussung von Verhalten . . . . . . . . .                               .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   25
  3.4 Nudging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   25

4 Praxisprojekt                                                                        27
  4.1 Ziel des Praxisprojektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
  4.2 Ergebnis des Praxisprojektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

5 Lehrmethoden                                                                                                                                        29
  5.1 Theorie Roman Rackwitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                      .   .   .   .   .   .   29
  5.2 Wirkung von Gamification und Nudging im Lehrkontext . . . .                                                             .   .   .   .   .   .   29
  5.3 Analyse der Lehrmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                      .   .   .   .   .   .   31
  5.4 Optimierung der Lehrmethoden mit Gamification und Nudging                                                               .   .   .   .   .   .   34
  5.5 Anwendung des Canvas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                      .   .   .   .   .   .   38
      5.5.1 Lehrmethode Screencast . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                        .   .   .   .   .   .   38
      5.5.2 Lehrmethode Ausprobieren . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                        .   .   .   .   .   .   40
      5.5.3 Lehrmethode Brainstorming . . . . . . . . . . . . . . . .                                                         .   .   .   .   .   .   42
      5.5.4 Lehrmethode Live-Coding . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                         .   .   .   .   .   .   43

6 Fazit und Ausblick                                                                      45
  6.1 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
  6.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Abbildungsverzeichnis                                                                                                                                 48

Tabellenverzeichnis                                                                                                                                   49

Literaturverzeichnis                                                                                                                                  50
5

Anhang                                                                                                                                           55

A Menschliche Fehlbarkeit                                                                                                                        56

B Spiel-Design-Elemente                                                                                                                          63
  B.1 Elemente nach Kapp . . . . . . . . . . . . .                                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   63
  B.2 Elemente nach Marczewski . . . . . . . . . .                                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   66
       B.2.1 Elemente für alle Spielertypen . . . .                                      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   66
       B.2.2 Zeitgebundene Belohnungs-Elemente                                           .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   68
       B.2.3 Elemente für Socialiser . . . . . . . .                                     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   68
       B.2.4 Elemente für Free Spirits . . . . . . .                                     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   70
       B.2.5 Elemente für Achiever . . . . . . . .                                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   71
       B.2.6 Elemente für Philanthropists . . . . .                                      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   72
       B.2.7 Elemente für Player . . . . . . . . . .                                     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   73
       B.2.8 Elemente für Disruptor . . . . . . . .                                      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   74
  B.3 Elemente nach Yu-Kai Chou . . . . . . . . .                                        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   75
       B.3.1 Elemente des ersten Core Drive . . .                                        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   75
       B.3.2 Elemente des zweiten Core Drive . .                                         .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   76
       B.3.3 Elemente des dritten Core Drive . . .                                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   77
       B.3.4 Elemente des vierten Core Drive . . .                                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   78
       B.3.5 Elemente des fünften Core Drive . .                                         .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   78
       B.3.6 Elemente des sechsten Core Drive . .                                        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   79
       B.3.7 Elemente des siebten Core Drive . . .                                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   80
       B.3.8 Elemente des achten Core Drive . . .                                        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   81
  B.4 Game-Design-Elemente vereinheitlicht . . .                                         .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   82

C Spielertypen nach Marczewski                                                                                                                   85

D Lehrmethoden                                                                                                                                   87
  D.1 Impulsvortrag .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   87
  D.2 Screencast . . .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   87
  D.3 Live-Coding . .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   87
  D.4 Feedback . . . .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   88
  D.5 Diskussion . . .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   88
  D.6 Lehrgespräch .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   89
  D.7 Brainstorming .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   89
  D.8 Open Space . .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   90
  D.9 Quiz und Rätsel    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   91
  D.10 Ausprobieren .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   91

E Gamification/Nudging Canvas                                                                                                                    93
  E.1 Elemente nach Hans Fleisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                   98
6

1 Einleitung
In diesem Kapitel wird die Motivation und die Relevanz des Themas dargelegt. Außerdem
wird die Zielsetzung der Arbeit und die dafür aufgestellte Forschungsfrage erläutert. Nach-
folgend betrachtet das Kapitel die Vorgehensweise, welche zur Erreichung der Zielsetzung
und Beantwortung der Forschungsfrage dient.

1.1 Motivation
Lehrmethoden werden nicht immer bewusst gestaltet und angewendet. Manche eignen
sich mehr als Andere zur Erreichung des Lernziels. Werden Lehrmethoden unbedacht an-
gewendet, können diese demotivieren oder Überwindung kosten, sodass ein Lernverhalten
bei den Studierenden ausbleiben kann.
In seinem Praxisprojekt mit dem Titel „Vermeidung von Bulimie-Learning im Studium:
Einordnung des Potentials unterschiedlicher Lehrmethoden für Verhaltensänderungen“,
welches an der TH Köln am Campus Gummersbach, verfasst wurde, ordnete Schulte
(2021) Lehrmethoden aus dem Hochschulkontext in das Verhaltensmodell nach Fogg
(2019) ein. Dadurch konnte er eine ungefähre Aussage darüber treffen, wie motivierend
und zugänglich einzelne Lehrmethoden sein können. Denn häufig zeigen Studierende ein
sogenanntes Bulimie-Learning, bei dem das Gelernte wieder vergessen wird. Ursachen da-
für sind eine zu geringe Motivation oder unzugängliche Methoden, wodurch Studierende
sich weniger freiwillig mit den Inhalten eines Studiums beschäftigen. Durch die Einord-
nung der Methoden in das Verhaltensmodell konnte eine Vermutung aufgestellt werden,
welche Lehrmethoden sich dafür eignen, solch ein Verhalten zu ändern.
Aus dieser Einordnung ergab sich die Idee, die Motivation und die Zugänglichkeit von
Lehrmethoden zu steigern, sodass sich diese noch mehr dazu eignen, dass studentische
Lernverhalten zu verändern, weg vom Bulimie-Learning hin zu einem intrinsisch moti-
vierten Lernen.

1.2 Relevanz
Laut Cheong u. a. (2013) beeinträchtigen Umweltfaktoren den Lernprozess von Studie-
renden. Dies können familiäre Einflüsse, Freunde oder auch Computerspiele sein (vgl.
Cheong u. a., 2013, S.2). Fogg (2019) spricht in diesem Zusammenhang von gegensätz-
lichen Motivatoren. Das würde bedeuten, dass selbst bei einer vorhandenen Motivation
zum Lernen bei den Studierenden, diese Umweltfaktoren immernoch einen größeren Moti-
vator darstellen können und somit zu einem anderen Verhalten führen, als das gewünschte
Lernverhalten (vgl. Fogg, 2019, S.44 f.). Laut einer Studie der Uni Hildesheim (2020) ga-
ben 37,8% der Befragten mehr Ablenkungsfaktoren als Grund dafür an, dass sie weniger
Veranstaltungen im Sommersemester 2020 besuchen konnten.
7

Weiter sorgt die aktuelle Covid-19-Pandemie (Stand: 2021) dafür, dass die Hochschulleh-
re hauptsächlich online stattfinden konnte (vgl. Handke, 2020, S.7). Dadurch entsteht ein
größerer organisatorischer Aufwand bei den Studierenden, da sie sich beispielsweise Lern-
inhalte beschaffen müssen oder Probleme bei technischen Angelegenheiten haben (vgl.
Uni Hildesheim, 2020). Um diesen Aufwand zu stemmen, bedarf es einer erhöhten Mo-
tivation gegenüber dem Studium. Diese zusätzliche Motivation könnte durch eine höhere
Attraktivität und Zugänglichkeit der einzelnen Lehrmethoden angehoben werden.

Durch die zwangsläufige Einführung der Online-Lehre musste und muss auch aktuell
(Stand: 2021) die Lehre überarbeitet werden (vgl. Statista Research Department, 2021).
Auch eine Mischform aus Präsenz- und Online-Lehre ist für die Zukunft denkbar. Durch
diese Umstrukturierung müssen auch Lehrveranstaltungen1 mit ihren Lehrmethoden2 an-
gepasst werden. Die Umgestaltung von Lehrmethoden bringt auch einen Aufwand auf
Seiten der Lehrenden mit sich. Durch die Situation, die durch Covid-19 bedingt wird,
findet bereits eine Umstrukturierung statt, sodass jetzt der richtige Zeitpunkt sein könn-
te, bei der Überarbeitung der Methoden auch eine Steigerung der Motivation und der
Zugänglichkeit zu berücksichtigen.

1.3 Ziel und Forschungsfrage
In Abschnitt 1.1 wurde auf die Vorgehensweise und die Ergebnisse des Praxisprojektes
eingegangen. Daraus entstand der Gedanke, die Motivation und die Zugänglichkeit der
Lehrmethoden zu verbessern. Daher wird in der vorliegenden Abschlussarbeit der For-
schungsfrage nachgegangen, wie eine Verbesserung der Motivation und Zugänglichkeit
erreicht werden kann und wie vor allem Gamification und Nudging dazu beitragen kön-
nen. Denn laut Rackwitz (2019) können dadurch die Achsen des Verhaltensmodell nach
Fogg (2019) beeinflusst werden (siehe Abschnitt 5.1).

Ziel dieser Arbeit ist es, eine Vorgehensweise für die Gamifizierung und das Nudging von
Lehrmethoden zu entwickeln. Dabei ist unter anderem die beispielhafte Anwendung der
Vorgehensweise auf verschiedene Lehrmethoden relevant.

1.4 Vorgehensweise
Um das Ziel der vorliegenden Arbeit erreichen und die Forschungsfrage beantworten zu
können, werden für ein gemeinsames Verständnis zuerst nötige Begriffsdefinitionen auf-
gestellt. Darunter fallen unter anderem die Erklärung des Begriffs Motivation sowie die
Definition des Begriffs Gamification. Danach wird das Octalysis-Framework eingeführt,

 1
   Lehrveranstaltung: „der Vermittlung von Kenntnissen dienende und von einer Lehrkraft geleitete Ver-
    anstaltung [...]“ (DUDEN, o Da)
 2
   Lehrmethode: „[...] bestimmte wiederkehrende Muster von Lehraktivitäten, die der Vermittlung von
    Lehrzielen und Lehrinhalten dienen, also Lernen bewirken sollen und von vielen Lehrern angewendet
    werden können.“ (Einsiedler, 1981, S.17)
8

welches dabei helfen soll, Spiel-Design-Elemente verschiedener Autoren zu vereinheitli-
chen und somit den Prozess der Gamifizierung von Lehrmethoden zu unterstützen.

Im weiteren Verlauf wird das menschliche Verhalten genauer definiert und welche Fehl-
barkeiten das Verhalten aufweisen kann. Außerdem wird der Begriff Nudge eingeführt und
erörtert, wie dieser dazu eingesetzt werden kann, Menschen in ihren Entscheidungen zu
unterstützen.

Nachdem die benötigten Grundlagen definiert und ein allgemeines Verständnis aufgebaut
ist, wird das durch den Autor Schulte (2021) durchgeführte Praxisprojektes mit dem Titel
„Vermeidung von Bulimie-Learning im Studium: Einordnung des Potentials unterschied-
licher Lehrmethoden für Verhaltensänderungen“, welches an der Technischen Hochschule
Köln am Campus Gummersbach verfasst wurde, vorgestellt. Dabei werden die Ziele er-
läutert und die Ergebnisse des Projektes vorgestellt.

Basierend auf den Erkenntnissen des Praxisprojektes wird die Theorie von Rackwitz
(2019) vorgestellt und untersucht, wie Gamification und Nudging auf das Fogg Beha-
vior Model wirken können. Außerdem wird untersucht, wie Gamification und Nudging im
Lehrkontext wirken können, um diese zu verbessern. Dazu wird eine einheitliche Vorge-
hensweise in Form eines Canvas erarbeitet und auf ausgewählte Lehrmethoden beispielhaft
angewendet.

Im Schlussteil der vorliegenden Arbeit werden alle gesammelten Erkenntnisse und Infor-
mationen in einem Fazit zusammengefasst und die Forschungsfrage beantwortet. Außer-
dem wird ein Ausblick auf zukünftige Forschungsarbeiten gegeben.
9

Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt

2 Begriffsdefinitionen
Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt
                                 „Motivation allein macht noch keinen Erfolg. Aber ohne
                                 Motivation ist Erfolg unmöglich.“

                                                         Niermeyer u. Seyffert (2011, S. 6)

Um die Motivation von Studierenden und die Anwendbarkeit bzw. Zugänglichkeit von
Lehrmethoden verbessern zu können, werden die Begriffe Motivation und Ability in diesem
Kapitel genauer erläutert. Außerdem wird auf die Begriffe Gamification und Nudging aus
dem Titel der vorliegenden Arbeit eingegangen.

2.1 Motivation
Für den Begriff Motivation gibt es keine allgemeingültige Definition. Dörnyei u. Ushio-
da (2021) schreiben, dass Motivation die Richtung und das Ausmaß des menschlichen
Verhaltens beinhaltet, welches die Wahl eines spezifischen Verhaltens, das Festhalten an
diesem und die Anstrengung, die dabei aufgebracht wird, umfasst. Die Motivation ist so-
mit verantwortlich für die Entscheidung, warum Menschen etwas tun, wie lange sie eine
Aktivität ausüben und wie hartnäckig sie dieser nachgehen. (Dörnyei u. Ushioda, 2021,
S.4)

In der Psychologie wird die Motivation unterteilt in intrinsische und extrinsische Motiva-
tion (Fogg, 2019, S.52).
Bei intrinsischen Motivatoren handelt es sich um Anreize, welche die Tätigkeit und den
Prozess selbst betreffen oder innere Bedürfnisse ansprechen. Extrinsische Motivatoren sind
Anreize, welche eintreten, wenn die Tätigkeit abgeschlossen ist. Diese sind aber auch mit
Beginn einer Tätigkeit bekannt (vgl. Rheinberg, 2010, S.367), sonst würde eine Aktivität
gar nicht erst stattfinden.
Die Motivation kann sich auch während der Ausübung einer Tätigkeit ändern. Demnach
kann eine Tätigkeit durch extrinsische Motive angestoßen werden und durch intrinsische
Motive weitergeführt werden. (Rheinberg, 2010, S.367)

Fogg (2019, S.52 ff.) hingegen definiert Motivation als „[...] a desire to do a specific be-
havior [...] or a general class of behaviors [...]“ und ordnet Motivatoren den drei Quellen
Person, Aktion und Kontext zu. Die Person repräsentiert das Verlangen von innen heraus,
eine Tätigkeit auszuführen. Beispielsweise das Schreiben guter Noten in einer Klausur.
Die Aktion meint Bestrafungen oder Belohnungen, welche der Ausübung einer Tätigkeit
folgen. Etwa die Bezahlung einer Tätigkeit. Der Kontext umfasst die Beeinflussung der
10

Motivation durch die aktuelle Umgebung. Als Beispiel wäre hier drunter vermutlich der
Einfluss einer sozialen Gruppe zu zählen. Diese drei Quellen hat Fogg (2019) in einem
Modell visualisiert (siehe Abbildung 1), welches er PAC Person nennt. (vgl. Fogg, 2019,
S.52 f.)

         Abbildung 1: Angepasste Darstellung der drei Quellen der Motivation
                            (Quelle: Fogg, 2019, S.53)

Das Modell konkretisiert die Begriffe der intrinsischen und extrinsischen Motivation weiter
(siehe Abbildung 2). Daher lässt sich dieses gut auf reale Situationen anwenden. Deshalb
wird das Modell im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwendet.

   Abbildung 2: Verschiedene Quellen von Motivatoren (Quelle: Eigene Darstellung)

Theoretisch betrachtet scheint die Motivation klar definiert. In der Realtität gibt es aber
durchaus Konflikte zwischen verschiedenen Motivationen. So können sie im absoluten Wi-
11

derspruch zueinander stehen (Fogg, 2019, S.44 f.). Betrachtet man den Hochschulsektor,
könnte man Studierenden eine grundlegende intrinsische Motivation zusprechen, das Stu-
dium engagiert zu bewältigen. Schließlich kann das Studienfach frei gewählt und bis zu
einem gewissen Punkt auch flexibel gestaltet werden, beispielsweise durch die Wahl von
Wahlpflichtfächern (vgl. Mandl u. Friedrich, 2006, S.352f.). Allerdings können verschiede-
nen Motivatoren entgegenwirken, beispielsweise:

  • Zeit mit Freunden oder Familie verbringen

  • Druck aus dem privaten Umfeld

  • Computerspiele spielen

  • Geld verdienen

Laut Cheong u. a. (2013, S. 2) können diese Faktoren dafür sorgen, dass die Aktivitäten
bezüglich des Studiums nachlassen und wertvolle Lernzeit für andere Tätigkeiten verwen-
det wird.

Motiviert zu sein, ist allerdings kein binärer Zustand. Die Motivation kann unterschiedlich
ausgeprägt und zeitabhängig sein. Etwa wenn der Abgabetermin für eine Hausarbeit kurz
bevorsteht. Dann ist die Motivation die Arbeit zu schreiben vermutlich höher als zu Be-
ginn. Nicht immer handelt der Mensch rational. Die unterschiedlichen Ausprägungen der
Motivation sind dann besonders hoch, wenn sie emotional begründet sind. Auch können
bestimmte Gegebenheiten dafür sorgen, dass die Motivation, eine Tätigkeit auszuüben,
schlagartig steigt, um dann wieder rapide zu fallen. Bei diesem Effekt handelt es sich um
Motivationswellen. (vgl. Fogg, 2019, S.55 ff.)
Ist die Motivation zu lernen eher gering, kann diese gegebenenfalls schlagartig steigen,
wenn vorherige Leistungen etwa durch eine gute Note honoriert werden. Spätestens durch
eine spätere, eher negativ ausfallende Bewertung, kann die Motivation wieder schlagartig
fallen.

Laut Maslow ist die Motivtion außerdem stark von den Bedürfnissen eines Individuums
abhängig. Die Abhängigkeit hat er in der nach ihm benannten Bedürfnispyramide visua-
lisiert (siehe Abbildung 3). Damit priorisiert er die menschlichen Bedürfnisse. Erst wenn
die Bedürfnisse der jeweiligen Ebene befriedigt sind, ist der Mensch motiviert sich um
Bedürfnisse der nächst höheren Schicht zu kümmern.
12

         Abbildung 3: Angepasste Darstellung der Maslow Bedürfnispyramide
                          (Quelle: McLeod, 2007, S.1 ff.)

2.2 Gamification
Huizinga u. a. (2006, S.7) spricht neben dem Homo sapiens (der denkende Mensch) und
dem Homo faber (der schaffende Mensch) von dem Homo ludens (der spielende Mensch).
Laut ihm liegt das Spielen in der Natur des Menschen und existierte schon, bevor es über-
haupt Kultur gab (vgl. Huizinga u. a., 2006, S.9). Außerdem lehrt das Spielen Aspekte des
realen Lebens und wie dieses funktioniert (Koster, 2013, S.46). Somit kann das Spielen
als ein zentrales Bedürfnis des Menschen gesehen werden. Der Mensch ist also gewillt zu
spielen. Dieses Bedürfnis lässt sich auch für andere Bereiche nutzen.

Die Idee spielerische Elemente in anderen Kontexten zu verwenden, um ein Ziel zu errei-
chen, ist keine Neue (vgl. Fuchs, 2014, S.123). Dennoch wurde der Begriff Gamification
erstmals im Jahre 2002 verwendet (Marczewski, 2013, S.3).
Danach dauerte es noch weitere Jahre bis sich der Begriff Gamification durchsetzte. Bis
dahin existierten mehrere Begriffe parallel, wie funware oder applied gaming. (vgl. Deter-
ding u. a., 2011, S.9)

Heute ist der Begriff Gamification in der Forschung definiert als:

     „[...] die Nutzung von Spieldesignelementen in spielfremden Kontexten.“ (De-
     terding u. a., 2011, S.10)
13

Die Definition von Gamification nach Deterding u. a. (2011) lässt vermuten, dass die Nut-
zung jeglicher Spiel-Design-Elemente in spielfremden Kontexten Gamification ist. Wer-
bach (2014) sieht dies allerdings als problematisch an, da es keine allgemein gültige Auf-
listung von Spieldesignelementen gibt und es somit zu Diskussionen darüber kommen
kann, ob ein entsprechendes Element wirklich zu Gamification gezählt werden kann. Wei-
ter sollte nicht jede Verwendung solcher Elemente als Gamification gesehen werden. Viel
mehr sollte die Absicht der Verwendung betrachtet werden. Wurde ein solches Element
verwendet, um ein spielerisches Nutzererlebnis hervorzurufen, kann von Gamification ge-
sprochen werden. Werbach (2014, S.266) definiert Gamification als:

     „[...] den Prozess um Aktivitäten spielerischer zu gestalten.“

Im Bildungskontext werden beispielsweise Punkte in der Klausur vergeben. Dabei handelt
es sich theoretisch um ein Spieldesignelement, dennoch würde dies wohl eher nicht unter
Gamification fallen, weil dadurch kein spielerisches Nutzererlebnis geschaffen werden soll.
(vgl. Werbach, 2014, S.266 ff.)

Unter der Berücksichtigung dieser Aspekte definiert Sailer (2016) Gamification als:

     „[...] Prozess der spielerischen Gestaltung von Aktivitäten in einem spiel-
     fremden Kontext durch die Verwendung von Spiel-Design-Elementen.“ (Sailer,
     2016, S.18)

Es lassen sich allerdings auch andere Definitionen finden. So definiert Kapp (2012) Ga-
mification wie folgt:

     „Gamification is using game-based mechanics, aesthetics and gamethinking to
     engage people, motivate action, promote learning, and solve problems.“ (Kapp,
     2012, S.10)

Bendel (2019) fügt diesen Definitionen noch hinzu, dass das Ziel von Gamification die
Motivationssteigerung und Verhaltensänderung von Anwender*innen ist.

Anhand dieser Definitionen lässt sich Gamification in dieser Arbeit verstehen als:

     „die Nutzung von Spiel-Design-Elementen und Spielmechaniken in spielfrem-
     den Kontexten, um Aktivitäten spielerisch zu gestalten und somit die Motiva-
     tion zu steigern und eine Verhaltensänderung zu erzielen“

In der genannten Definition lassen sich die Begriffe Spieldesign, spielfremde Kontexte,
Spiel-Design-Elemente, Spielmechaniken, Verhalten und Motivation finden. Diese werden
in den folgenden Absätzen genauer erläutert.

Game-Design beschreibt den Prozess in dem ein Spiel kreiert wird. Hierbei wird bestimmt,
was die Regeln und Ziele des Spiels sind und für welchen Kontext ein Spiel entwickelt wird.
14

Spielfremde Kontexte beschreiben mögliche Ziele von Gamification-Anwendungen (Sailer,
2016, S.14). Laut Deterding u. a. (2011) geht es dabei, anders als bei Spielen, nicht vor-
wiegend um die Unterhaltung der Spieler, sondern um die Verfolgung weiterer Ziele in
bestimmten Kontexten. Die genannten Definitionen zu Gamification konkretisieren die-
se nicht weiter, da dies die Art und Weise der Nutzung von Gamification einschränken
würde. In dieser Arbeit wird Gamification im Kontext der Hochschullehre eingesetzt, mit
dem Ziel die Motivation der Studierenden hinsichtlich des Lernverhaltens zu steigern.

Spiel-Design-Elemente sind einzelne Bestandteile, welche sich kombinieren lassen, um ein
Spiel motivierend, aufregend bzw. spannend oder unwiderstehlich zu machen. Dazu zählen
unter anderem Zeit (beispielsweise als Countdown, um das Stresslevel zu erhöhen und zu
einer Aktion zu animieren) und Feedback (beispielsweise um über richtiges bzw. falsche
Verhalten zu informieren oder um zu unterstützen, das richtige Ergebnis zu erhalten).
(vgl. Kapp, 2012, S.26 ff.)

Spielmechaniken umfassen einzelne Spiel-Design-Elemente (Kapp, 2012, S.11). Die Ab-
grenzung zwischen Elementen und Mechaniken ist dennoch nicht ganz klar. Während
Kapp (2012) bei einem Level von einem Element spricht, definiert Fleisch u. a. (2018,
S.31) ein Level als Mechanik.
In der vorliegenden Arbeit wird nicht weiter zwischen Elementen und Mechaniken un-
terschieden. Die beiden Begriffe werden unter dem Begriff Spiel-Design-Elemente zusam-
mengefasst.

Da der Begriff Motivation bereits im Abschnitt 2.1 erläutert wurde, wird an dieser Stelle
nicht mehr darauf eingegangen. Der Begriff Verhalten bzw Verhaltensänderung wird in
Kapitel 3 näher erläutert.

2.3 Octalysis-Framework
Es gibt verschiedene Antriebe, die zu einer Aktion oder einem Verhalten motivieren. Diese
werden von Chou (2019) als Core Drive bezeichnet. Chou (2019, S.23 ff.) hat dafür ein Fra-
mework entwickelt, welches zwischen acht Core Drives unterscheidet (siehe Abbildung 4).
Damit ordnet er Spiel-Design-Elemente verschiedenen Motivatoren beziehungsweise Core
Drives zu und trifft somit eine Aussage darüber, durch welche Elemente die einzelnen
Motivatoren angesprochen werden.
15

           Abbildung 4: Adaptierte Visualisierung des Octalysis-Frameworks
                            (Quelle: Chou, 2019, S.24)

Core Drive eins - Epic Meaning & Calling
Bei diesem Core Drive werden Personen motiviert, weil sie glauben Teil von etwas Grö-
ßerem zu sein. Ziel ist deshalb auch, ihnen die Bedeutung eines Verhaltens, einer Aktion
oder einer Aufforderung klar zumachen. Wenn sie wissen, dass durch eine Tätigkeit et-
was Bedeutendes passiert, dann wird ein Verhalten wahrscheinlicher stattfinden, da die
Motivation erhöht wird. Ein Beispiel wäre Wikipedia. Hier werden Artikel durch eine
Community überprüft und Unstimmigkeiten oder Fehler entsprechend angemerkt. Die
Community besteht aus Personen, welche diese Arbeit freiwillig machen. Sie sehen sich
als Teil von etwas Größerem. (vgl. Chou, 2019, S.66 ff.) Immerhin ist Wikipedia die größte
freie Enzyklopädie der Welt (Stand: August 2021) (vgl. Wikipedia, o D).
Laut Chou (2019) ist es am besten, wenn dieser Core Drive möglichst früh angesprochen
wird. Zum Beispiel zu Beginn eines Prozesses. Denn eine Person sollte früh wissen, warum
sie ein Teil dieses Prozesses sein sollte. (Chou, 2019, S.70)
Angesprochen wird dieser Core Drive durch die Spiel-Design-Elemente Elitism, Beginners
Luck, Free Lunch, Narrative und Humanity Hero (siehe Anhang B.3.1).

Core Drive zwei - Development & Accomplishment
Dieser Core Drive lässt Personen auf ihre Entwicklung, ihre Karriere und ihre eigenen Zie-
le fokussieren (Chou, 2019). Diese Prozesse und das Vorankommen sollten dabei sichtbar
sein, um den Erfolg vor Augen zu haben. Spiel-Design-Elemente, welche sich dafür eignen,
sind deshalb auch Progress Bars, Badges, Leaderboards und Status Points (siehe Anhang
16

B.3.2). (vgl. Chou, 2019, S.91 f.) Da das menschliche Gehirn ein Verlangen danach hat,
Ziele zu erreichen, sollten Personen für ihr Vorankommen immer gewürdigt werden. Dies
kann den Weg zum Ziel motivierender gestalten. Erreicht werden kann dies durch Badges
oder Status Points (siehe Anhang B.3). Außerdem sollte stets der aktuelle Standpunkt in
einem Prozess ersichtlich sein, zum Beispiel durch eine Progress Bar (siehe Anhang B.3).
Das hilft Personen einen gewissen Stolz gegenüber dem Erreichten zu verspüren. (Chou,
2019, S.92 f.)

Bezogen auf ein Forum, ist zu beobachten,
dass es Personen gibt, die ohne Entloh-
nung beispielsweise Fragen anderer Perso-
nen beantworten. Das Technet-Forum von
Microsoft lässt den Nutzer permanent wis-
sen, wie gut dieser im Vergleich zu anderen
Nutzern ist, bezogen auf die korrekte Be-
antwortung von Fragen Anderer.
Abbildung 5 ist ein Auszug aus diesem Fo-
rum. Hier ist zu sehen, dass der Nutzer
durch seine Beteiligung zu den oberen 30%
der Community gehört. Vermutlich ist sein
Ziel, zu den oberen 1% der Community
zu gehören und somit den höchstmöglichen
Status zu erreichen. Würde es keine Infor- Abbildung 5: Profilstatus aus dem Technet-
mationen darüber geben, wo ein Nutzer in                Forum (Quelle: Technet, 2021)
dem Prozess zu dem Ziel steht, wäre die
Motivation vermutlich geringer.

Core Drive drei - Empowerment of Creativity & Feedback
Dieser Core Drive sorgt dafür, dass Nutzer lange motiviert bleiben und ein gamifizier-
tes System nicht langweilig wird. Das wird unter anderem emöglicht, indem Nutzer die
Möglichkeit bekommen sich kreativ auszuleben. Solange die Kreativität der Nutzer ange-
sprochen wird, bleibt ein System interessant für eben diese. Schließlich wurde noch nicht
alles ausprobiert, was es beispielsweise zu entdecken gibt. Schach etwa bietet so viele Mög-
lichkeiten, dass es schon mehrere hundert Jahre existiert und noch immer gespielt wird.
(vgl. Chou, 2019, S.130 f.)
Wenn der dritte Core Drive angesprochen werden soll, ist darauf zu achten, dass Nutzen-
den ein klares Ziel gesetzt wird, welches erreicht werden soll. Außerdem sollten Möglichkei-
ten und Werkzeuge mitgegeben werden, um dieses Ziel erreichen zu können. Beispielsweise
hilft insbesondere Feedback dabei, den Nutzenden aufzuzeigen, was funktioniert und was
nicht (Chou, 2019, S. 136 f.). Mögliche Spiel-Techniken sind Booster, Milestone Unlock,
Poisen Picker und Plant Picker (siehe Anhang B.3.3) (Chou, 2019, S. 146 ff.).
17

Core Drive vier - Ownership & Possession
Bei dem vierten Core Drive wird eine Person durch das Verlangen angetrieben, etwas zu
besitzen und diesen Besitz zu behalten, ihn zu beschützen und mehr davon zu bekommen
(Chou, 2019, S. 161).
Diese Art der Motivation ist beispielsweise in Aufbauspielen (wie Minecraft) zu finden, in
denen die spielende Person mit nichts oder wenig anfängt und nach und nach den Besitz
erhöht, diesen überwacht und ggf. verteidigen muss.
Der drohende Verlust einer Sache beschäftigt das menschlich Gehirn, welches eine Verbin-
dung zu den Besitztümern aufgebaut hat (Chou, 2019, S.162). Der drohende Verlust einer
Sache ist also durchaus ein Motivator. Dieser Core Crive wird von den Spiel-Techniken
Build-From-Scratch, Collection Sets, Exchangeable Points und the Alfred Effect, angespro-
chen (siehe Anhang B.3.4) (Chou, 2019, S.182 ff.).

Core Drive fünf - Social Influence & Relatedness
Der fünfte Core Drive beschreibt den Antrieb, Handlungen nach einer sozialen Gruppe
zu richten. In Entscheidungen und Handlungen fließt ein, was andere Personen denken,
sagen oder tun. (Chou, 2019, S. 195)
Bei diesem Core Drive verspüren Personen den Drang, sich mit anderen zu vergleichen, zu
interagieren und auf sie einzuwirken. Dies kann so weit gehen, dass der Fokus nicht weiter
auf den eigentlichen Handlungen liegt, sondern darauf, wie der gesellschafliche Standpunkt
verbessert werden kann. So schauen neue Spieler eines Online-Spiels zu besseren, schon
länger spielenden Spielern auf, um eines Tages genauso gut zu sein wie eben diese. (vgl.
Chou, 2019, S.196 ff.)
Die Motivation einer Person findet hierbei also durch soziale Einflüsse statt.
Spiel-Techniken sind hierbei Mentorship, Brag Buttons, Trophy Shelves, Group Quests,
Social Treasures, Social Prods, Conformity Anchor und Water Cooler (siehe Anhang B.3)
(Chou, 2019, S.212 ff.).

Core Drive sechs - Scarcity & Impatience
Der Mensch hat ein natürliches Verlangen nach Dingen, die nicht oder nicht unmittelbar
erreichbar sind. Auch schwierig zu erreichende Dinge sind interessanter als leicht zu ha-
bende. (Chou, 2019, S.231 f.)
Dieser Core Drive ist somit unter anderem durch zwei Faktoren der menschlichen Fehl-
barkeit begründet. Der Knappheitsirrtum besagt, dass Menschen knappen Sachen einen
höheren Wert zusprechen (siehe Anhang A) und Hyperbolic Discounting sagt aus, dass
Menschen nur schlecht auf Belohnungen warten können (siehe Anhang A).
„[...] our brains intuitively seek things that are scarce, unavailable, or fading in availabi-
lity.“ (Chou, 2019, S.240)
Überträgt man diesen Core Drive auf Tätigkeiten, ist Herausforderung interessanter, als
Unterforderung. Dennoch sollte ein Ziel erreichbar sein und stets den Fähigkeiten einer
Person entsprechen. Diesen Zustand beschreibt Csikszentmihalyi u. Larson (vgl. 2014,
S.58 f.) als Flow (siehe Abschnitt 5.2).
Der sechste Core-Drive wird angesprochen durch die Spiel-Techniken Dangling, Anchored
18

Juxtaposition, Magnetic Caps, Appointment Dynamics, Torture Breaks und Evolved UI
(siehe Anhang B.3.6).

Core Drive sieben - Unpredictability & Curiosity
Der Mensch möchte überrascht werden. Das Ungewisse und Unbekannte verleitet da-
zu, tätig zu werden und zu erkunden. Einseitige Aktivitäten, in welchen sich ein Muster
erkennen lässt, langweilen den Menschen. Dadurch verliert diese Aktivität die Aufmerk-
samkeit. Werden Menschen bei einer Tätigkeit allerdings immer wieder überrascht und
ist der weitere Verlauf somit ungewiss, weckt diese Tätigkeit die Neugierde des Menschen.
Dieser Core Drive verleitet Menschen unter anderem dazu, Glücksspiele zu spielen. Die
Unwissenheit, ob der nächste Tipp, der nächste Wurf der Würfel oder die nächste Karte
ein Gewinn ist, kann einen Menschen süchtig machen. (Chou, 2019, S.271 ff.)
Bei der Gamifizierung eines Systems sollte die Frage „Is there any way to add a little bit of
randomness and chance to the process?“ (Chou, 2019, S.306) gestellt werden. Wenn dem
so ist, bieten sich die Spiel-Techniken Glowing Choice, Mystery Boxes, Random Rewards,
Easter Eggs, Sudden Rewards und Lottery an (siehe Anhang B.3.7) (Chou, 2019, S.295 ff.).

Core Drive acht - Loss & Avoidance
Bei dem achten Core Drive wird eine Person durch die Angst vor einem Ereignis oder
davor etwas zu verlieren, motiviert (Chou, 2019, S.309 f.). Die Sunk Cost Fallacy der
menschlichen Fehlbarkeit kann diese Motivation bestärken. Beispielsweise Projekte wel-
che zum scheitern verurteilt sind, werden weitergeführt, unter anderem aus Verweigerung
davor das bisher Investierte zu verlieren (siehe Anhang A).
Das gleiche Phänomen kann auch in Spielen wie Poker beobachtet werden. Wenn Spielen-
de gute Karten auf der Hand haben, werden sie vermutlich nicht schlagartig den Einsatz
erhöhen. Das könnte andere Spielende abschrecken. Stattdessen wird der Einsatz langsam
erhöht. Selbst wenn den anderen Spielenden ab einem bestimmten Zeitpunkt klar ist, dass
sie ein zu hohes Risiko eingehen, sind sie dazu geneigt, weiter zu investieren. Schließlich
haben sie bereits investiert und würden alles verlieren. Stattdessen sind sie bereit dazu
das Risiko einzugehen noch mehr zu verlieren. (vgl. Chou, 2019, S.317 ff.)
Der achte Core Drive wird angesprochen durch die Spiel-Techniken Status Quo Sloth,
FOMO Punch, The Sunk Cost Prison, Rightful Heritage, Evanescent Oppertunities und
Countdown Timers (siehe Anhang B.3.8).

Left Brain/Right Brain & White Hat/Black Hat
Die verschiedenen Core-Drives werden von Chou (2019) in Left Brain/Right Brain Core
Drives unterteilt (siehe Abbildung 6). Die Left Brain Core Drives sind dabei extrinsische
Motivatoren. Die Right Brain Core Drives sind intrinsische Motivatoren.
Intrinsische Motivatoren sind effektiver als extrinsische Motivatoren, da ein Verhalten bei
Aussetzen der extrinsischen Motivatoren eher ausbleibt, während die Tätigkeit bei intrin-
sischer Motivation aus eigenem Antrieb fortgeführt werden kann. Das bedeutet nicht, dass
sich extrinsische Motivatoren generell weniger zur Motivation eignen. (vgl. Chou, 2013)
19

Weiter unterscheidet Chou (2019) zwischen White Hat und Black Hat Gamification (siehe
Abbildung 6). Elemente aus den oberen Core Drives gehören zu White Hat Gamification.
Hierbei wird eine Person positiv motiviert ein Verhalten zu zeigen, etwa weil sie etwas
Bedeutendes tut. Elemente aus den unteren Core Drives gehören zu Black Hat Gamifi-
cation. Dabei wird eine Person eher negativ motiviert, weil sie beispielsweise Angst hat
etwas zu verlieren. (vgl. Chou, 2013)

Abbildung 6: Angepasste Visualisierung des Octalysis-Frameworks und der Unterteilung
             in Left Brain-, Right Brain-, White Hat- und Black Hat Core Drives
                             (Quelle: Chou, 2019, S.30 ff.)

Chou (o D) weist darauf hin, dass bei der Gamifizierung eines Systems zu beachten ist,
dass sowohl die Left Brain/Right Brain Core Drives als auch die White Hat/Black Hat
Core Drives möglichst ausgeglichen sind.

2.4 Spiel-Design-Elemente
Wie in Abschnitt 2.2 bereits definiert, wird ein spielfremder Kontext gamifiziert, indem
man Spiel-Design-Elemente bzw. Game-Mechanics in diesen einbindet. Welche Elemente
sich dafür besonders eignen, kann von den Motivatoren abhängig sein, welche adressiert
20

werden sollen (siehe Abschnitt 2.3). Laut Chou (2019) wird jeder der einzelnen Core Dri-
ves durch verschiedene Elemente angesprochen (siehe Abbildung 7). Eine Definition der
einzelnen Design-Elemente der jeweiligen Core Drives ist im Anhang B.3 zu finden.

Abbildung 7: Angepasste Visualisierung des Octalysis-Frameworks mit den zugehörigen
             Spiel-Design-Elementen
                            (Quelle: Chou, 2019, S.65 ff.)

Neben Chou (2019) definieren auch Kapp (2012) und Marczewski (2018) eine Sammlung
von Spiel-Design-Elementen.
Kapp (2012) kategorisiert dabei nicht in verschiedene Motivatoren. Er stellt einen all-
gemeinen Pool an Spiel-Design-Elementen auf, ohne diese weiter zu kategorisieren (siehe
Anhang B.1). Laut ihm ist der Einsatz mehrerer dieser Elemente nötig, um eine fesselnde,
immersive Lernumgebung zu schaffen. (Kapp, 2012, S.26 ff.)

Marczewski (2018) kategorisiert seinen Pool an Spiel-Design-Elementen in sechs verschie-
dene Spielertypen (siehe Abbildung 8). Er definiert Spielertypen als eine Personifizierung
von den intrinsischen Motivatoren Relatedness (Socialiser), Autonomy (Free Spirit), Mas-
tery (Achiever) und Purpose (Philanthropist). Der Player wird durch vier extrinsische Mo-
21

tivatoren angesprochen. Neben den genannten Spielertypen definiert Marczewski (2018)
noch den Disruptor, welcher in vier Störer-Typen unterteilt wird. Eine ausführliche De-
finition aller Spielertypen und der dazugehörigen Motivatoren bzw. Störer-Typen ist im
Anhang C zu finden. Eine Definition der Spiel-Design-Elemente der jeweiligen Spielerty-
pen ist im Anhang B.2 zu finden.

Abbildung 8: Angepasste Darstellung der Spielertypen und der Motivatoren mit ihren
             Spiel-Design-Elementen
                             (Quelle: Marczewski, 2015)

Für die vorliegende Arbeit werden die Spielertypen von Marczewski (2018) nicht weiter
betrachtet. In dieser Arbeit werden die Spiel-Design-Elemente-Pools von Kapp (2012)
und Marczewski (2018) mit dem Pool nach Chou (2019) zusammengeführt, indem die
Elemente den jeweiligen Motivatoren zugeordnet werden (siehe Anhang B.4). Dies ge-
schieht anhand der Definition der jeweiligen Elemente und der subjektiven Einschätzung
des Autors der vorliegenden Arbeit. Eventuelle Dopplungen von Elementen werden dabei
nicht übernommen.
22

Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt

3 Verhalten
Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt
                                 „Wie können Menschen gleichzeitig so schlau und so
                                 dumm sein?“

                                                          Thaler u. Sunstein (2009, S. 34)

Für das menschliche Verhalten lässt sich keine einheitliche Definition finden. Der Be-
griff wird von verschiedenen Autor*innen unterschiedlich definiert. Piaget (2013) definiert
Verhalten als:

     „[...] all action directed by organisms toward the outside world in order to
     change conditions therein or to change their own situation in relation to these
     surroundings. “ (Piaget, 2013, S. xiii)

Siller (2018) spezifiziert Verhalten weiter und teilt dieses in drei Dimensionen.

     „[...] Handeln, Dulden (Stillhalten, Zulassen) und Unterlassen als Nichthan-
     deln. In einer weitergehenden Differenzierung kann man drei Ebenen von Ver-
     halten unterscheiden:
       a) Unbewusste, physiologische Reaktionen des Organismus;
       b) gelernte, routinierte, aber nicht bewusst oder nur unterbewusst gesteuerte
          Verhaltensweisen;
       c) bewusstes, gesteuertes Handeln.
     “ (Siller, 2018)

3.1 Das menschliche Verhalten
Das Verhalten, welches von Menschen ausgeht, wird typischerweise durch Faktoren be-
einflusst wie beispielsweise Ethik oder Emotionen (Hemakumara u. Rainis, 2018, S. 93).
Laut Fogg (vgl. 2019, S.19 f.) findet Verhalten nur dann statt, wenn die Faktoren Motiva-
tion (Erläuterung in Abschnitt 2.1), Ability (Fähigkeit eines Individuums einem Verhalten
nachzugehen) und Prompt (die Aufforderung zu einem Verhalten) zur selben Zeit gegeben
sind. Abbildung 9 visualisiert die gegenseitige Abhängigkeit dieser Faktoren im Behavior
Model nach Fogg (2019).
23

Abbildung 9: Visualisierung der gegenseitigen Abhängigkeiten der Faktoren Motivation,
             Ability und Prompt aus dem Fogg Behavior Model
                              (Quelle: Fogg, 2019, S. 69)

Abbildung 9 zeigt eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Faktoren Motivation und
Ability. Je leichter eine Aktion fällt, desto geringer kann die Motivation sein, damit das
Verhalten stattfindet. Die ausschlaggebende Grenze, ob ein Verhalten stattfindet oder
nicht, bildet die Action-Line. Auf Verhaltensaufforderungen (Prompt), welche oberhalb
dieser Linie platziert sind, folgt ein Verhalten. Sind diese unterhalb der Action-Line plat-
ziert, folgt kein Verhalten. Ist kein Prompt gegeben, ist die Ausprägung von Motivation
und Ability irrelevant.

3.2 Die Fehlbarkeit des menschlichen Verhaltens
Der Mensch tendiert dazu widersprüchlich und entgegen jeglicher Logik zu handeln. Psy-
chologen erklären dies, indem sie das menschliche Verhalten in bewusste und unbewusste
Prozesse unterteilen (Sherman u. a., 2014, S. 35 ff.). Thaler u. Sunstein (2009, S.33 ff.)
sprechen in diesem Zusammenhang von zwei kognitiven Systemen, dem automatischen-
und dem reflektierenden System. Die jeweiligen Merkmale dieser Systeme sind in Tabelle 1
visualisiert.

Automatische Denkprozesse funktionieren dabei „schnell und instinktiv“ (Thaler u. Sun-
stein, 2009, S.34). Darunter fallen beispielsweise Reflexe und spontane Reaktionen. Hand-
lungen werden eher intuitiv ausgeführt. Anders ist es bei dem reflektierenden System.
Hierbei werden Verhaltens- und Denkweisen bewusst ausgeführt und bedacht. Darunter
fällt beispielsweise das Schreiben einer Hausarbeit oder das Lösen komplexerer Aufgaben.
(vgl. Thaler u. Sunstein, 2009, S.34 f.)
24

Tabelle 1: Adaptierte Darstellung der zwei kognitiven Systemen (Quelle: Thaler u. Sun-
           stein, 2009, S.33 ff.)
         Automatisches System                        Reflektierendes System

 Unkontrolliert                                 Kontrolliert

 Mühelos                                        Angestrengt

 Assoziierend                                   Deduzierend

 Schnell                                        Langsam

 Unbewusst                                      Bewusst

 Erlernt                                        Regelgeleitet

Beim Sprechen der Muttersprache greifen Menschen auf ihr automatisches System zu-
rück, während sie beim Sprechen einer Fremdsprache eher auf ihr reflektierendes System
zurückgreifen (Thaler u. Sunstein, 2009, S.35 f.).

Fogg (2019, S.137 ff.) unterscheidet bei Verhalten auch zwischen zwei Extremen. Er stellt
dabei Decisions (Entscheidungen) und Strong Habits (starke Gewohnheiten) gegenüber.
Die Gegenüberstellung der beiden Extremen hat er in dem Spectrum of Automaticity vi-
sualisiert (siehe Abbildung 10).

Abbildung 10: Auswirkung von Emotionen und Ability hinsichtlich der Automatisierung
              eines Verhaltens
                             (Quelle: Fogg, 2019, S. 316)

Damit drückt er aus, dass Verhalten, welches nicht automatisch passiert, erst bewusst
entschieden werden muss. Dem gegenüber steht das Verhalten, welches vollautomatisch
ausgeführt wird. Hierbei spricht Fogg (2019, S.137 ff.) von starken Gewohnheiten. Ein
Verhalten bewegt sich immer zwischen diesen beiden Extremen.
25

Zu welchem Extremum sich ein Verhalten verschiebt, hängt von den Einflussfaktoren Emo-
tionen und Ability ab. Je mehr positive Emotionen eine Person mit einer Verhaltensweise
verbindet, desto motivierter ist diese dem Verhalten gegenüber und desto wahrscheinlicher
findet die Verhaltensweise wieder statt. Auch die Fähigkeiten eines Menschen beeinflussen
diese Verschiebung. Ist eine Verhaltensweise besonders zugänglich und werden zeitgleich
noch positive Emotionen damit verbunden, ist es eher wahrscheinlich, dass ein Verhalten
zu einer Gewohnheit wird, als wenn nur einer dieser Faktoren gegeben ist.

3.3 Beeinflussung von Verhalten
In Abschnitt 2.1 wurde bereits erläutert, dass das menschliche Verhalten nicht immer auf
rationale Entscheidungen zurückzuführen ist. Der Mensch ist nicht unfehlbar. Sein Verhal-
ten kann durch Emotionen, gegensätzliche Motivatoren, Umweltfaktoren und Bedürfnisse
beeinflusst werden. Das macht es Menschen in einigen Situationen schwer, richtig zu ent-
scheiden und zu handeln. Dies führt zu unberechenbaren emotionalen bzw. automatischen
Handeln.

     „[P]eople will need nudges for decisions that are difficult and rare, for which
     they do not get prompt feedback, and when they have trouble translating aspects
     of the situation into terms that they can easily understand.“ (Thaler u. Sun-
     stein, 2009, S.106)

Vor allem wenn das automatische System (siehe Abschnitt 3.2) eingesetzt oder nach Ge-
wohnheiten gehandelt wird, können falsche oder unlogische Entscheidungen getroffen wer-
den. Auch kann die fehlerhafte Wahrnehmung einen Einfluss auf Entscheidungen haben
(Thaler u. Sunstein, 2009, S.32). Der Mensch tendiert dazu, durch verschiedene Gründe
in seiner Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt zu sein (siehe Anhang A). Diese Fakto-
ren können bei einer Entscheiungsarchitektur dazu eingesetzt werden, einen Menschen in
Richtung einer Handlungsoption zu „schubsen“ und das Verhalten somit positiv zu be-
einflussen.

3.4 Nudging
„Das englische Verb ‚to nudge‘ bedeutet ‚sanft schubsen‘ oder ‚leicht in die Rippen stoßen,
besonders mit dem Ellbogen‘“ (Thaler u. Sunstein, 2009, S. 13).
Bei Nudging geht es folglich darum, Menschen in ihrem Handeln positiv zu beeinflussen,
um ihr Verhalten in eine gewünschte Richtung zu lenken. Das geschieht durch bewusst
gewählte Maßnahmen in der Entscheidungsarchitektur, welche die Wahlmöglichkeiten in
einem Entscheidungsprozess festlegt. Bei Nudging ist unbedingt darauf zu achten, dass
keine Wahlmöglichkeiten ausgelassen werden. Vielmehr wird Nudging als Anstoß gesehen,
ein gewünschtes Verhalten zu zeigen und nicht als Aufforderung. Ebenso muss ein Nudge
leicht zu umgehen sein. (vgl. Thaler u. Sunstein, 2009, S.13 ff.)
26

Thaler u. Sunstein (2009) definieren Nudging als:

     „[...] alle Maßnahmen, mit denen Entscheidungsarchitekten das Verhalten von
     Menschen in vorhersagbarer Weise verändern können, ohne irgendwelche Op-
     tionen auszuschließen oder wirtschaftliche Anreize stark zu verändern.“ (Tha-
     ler u. Sunstein, 2009, S.15)

Es wird also nach dem Prinzip des libertären Paternalismus gehandelt. Libertär steht
dabei für die freie Entscheidung eines Menschen. Keine Entscheidung soll aufgezwungen
werden. Paternalismus steht für die Beeinflussung von menschlichem Verhalten, um das
eigene Wohl zu verbessern. (vgl. Thaler u. Sunstein, 2009, S.14 f.) Hierbei sollten die
positiven Absichten hervorgehoben werden.

Ein passendes Beispiel für Nudging im Hochschulkontext wäre, wenn an allen Hochschul-
rechnern statt Google oder Youtube das Lern-Management-System (LMS) der jeweiligen
Hochschule als Startseite im Browser eingerichtet wäre. Dadurch kann die erste Hürde
genommen werden, mit dem Lernen zu beginnen. Studierende können so immer noch frei
entscheiden, eine andere Seite aufzurufen. Somit wäre das Prinzip des libertären Pater-
nalismus gewahrt.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Gamification (siehe Abschnitt 2.2) und Nudging
besteht darin, dass Nudging resultatbezogen ist, während Gamification aktivitätsbezo-
gen ist. Bei Nudging ist klar definiert, in welche Richtung „genudged“ werden soll. Bei
Gamification liegt der Fokus darauf, Aktivitäten attraktiver zu gestalten, sodass diese
wahrscheinlicher ausgeführt werden. (Rackwitz, 2019)
27

Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt

4 Praxisprojekt
Die vorliegende Arbeit basiert auf den Ergebnissen und Erkenntnissen des durch den Au-
tor durchgeführten Praxisprojektes mit dem Titel „Vermeidung von Bulimie-Learning im
Studium: Einordnung des Potentials unterschiedlicher Lehrmethoden für Verhaltensände-
rungen“, welches an der Technischen Hochschule Köln am Campus Gummersbach verfasst
wurde. Für ein gemeinsames Verständnis über die nachfolgenden Abschnitte werden daher
in diesem Kapitel die Ergebnisse und Erkenntnisse kurz erläutert. Für tiefergehende In-
formationen kann die schriftliche Ausarbeitung des Praxisprojektes zur Verfügung gestellt
werden.

4.1 Ziel des Praxisprojektes
Ziel des Praxisprojektes war es, eine Verhaltensänderung des studentischen Lernverhaltens
zu erzeugen. Studierende sollten das Bullimielernen ablegen und durch ein intrinsisch
motiviertes Lernverhalten ersetzen, welches das gesamte Semester beibehalten werden
soll und dadurch möglicherweise zu einer Lerngewohnheit werden kann. Dafür wurde ein
Pool aus zehn Lehrmethoden hinsichtlich ihres Potenzials zu einer solchen Veränderung
untersucht. (Schulte, 2021, S.2)
In dem Praxisprojekt wurde deshalb die Forschungsfrage beantwortet, „wie Lehrmethoden
hinsichtlich ihres Potenzials zu Verhaltensänderung bewertet werden können.“(Schulte,
2021, S.2)

4.2 Ergebnis des Praxisprojektes
Ein möglicher Weg, um Lehrmethoden hinsichtlich ihres Potenzials zur Verhaltensände-
rung zu untersuchen, ist es, diese in das Verhaltensmodell nach Fogg (2019, S.19 ff.)
einzuordnen (dieses wurde bereits in Abschnitt 3.1 erläutert). Dafür wurden die zehn aus-
gewählten Lehrmethoden auf die Faktoren Motivation (wie motivierend bzw. aktivierend
ist die Methode) und Zugänglichkeit (wie gut ist es Studierenden möglich, an der Methode
teilzunehmen) untersucht (siehe Anhang D).

Mit den Ergebnissen dieser Untersuchung konnten die einzelnen Methoden in das Ver-
haltensmodell eingeordnet werden (siehe Abbildung 11). Basierend auf dieser Einordnung
konnte eine Aussage darüber getroffen werden, wie viel Potenzial zur Verhaltensänderung
diese jeweils aufweisen.
28

      Abbildung 11: Einordnung der Lehrmethoden in das Fogg Behavior Model

Abbildung 11 zeigt eine Einordnung der ausgewählten Lehrmethoden in das Modell von
Fogg (2019, S.53). Dabei zeigte sich, dass die Lehrmethoden Open Space, Quiz und Rätsel,
Brainstorming, Diskussion, Feedback und Ausprobieren ein hohes Potenzial zur Verhal-
tensänderung aufweisen. Diese Methoden weisen eine hohe Zugänglichkeit und eine hohe
Motivation auf. Laut Fogg (2019) sind das ausschlaggebende Kriterien dafür, ob ein Ver-
halten stattfindet und langfristig zur Gewohnheit werden kann.
Die Methoden Live-Coding, Lehrgespräch, Impulsvortrag und Screencast sind demnach
weniger für eine Verhaltensänderung geeignet. (vgl. Schulte, 2021, S.19 ff.)
29

Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt

5 Lehrmethoden
Platzhalter wenn ein Kapitel auf einer neuen Seite beginnt
                                 „Fun is just another word for learning.“

                                                                      Koster (2013, S. 46)

Nachfolgend wird erläutert, wie Gamification und Nudging das Verhaltensmodell von Fogg
(2019) beeinflussen können. Weiter wird untersucht, wie Gamification und Nudging im
Lehrkontext wirken können. Für einen ersten Überblick wird analysiert, welche Methoden
bereits Spiel-Design-Elemente enthalten und wie anfällig sie für menschliche Fehlbarkeiten
sind.

5.1 Theorie Roman Rackwitz
Basierend auf den Ergebnissen und Erkenntnissen des Praxisprojektes (siehe Kapitel 4)
wurden weiterführende Forschungsfragen aufgestellt. Eine davon umfasst das Thema der
vorliegenden Arbeit, welches sich mit der Verbesserung der Motivation und Zugänglichkeit
von Lehrmethoden beschäftigt. Einen möglichen Ansatz die Motivation und die Machbar-
keit eines Verhaltens zu verbessern hat Rackwitz (2019) aufgezeigt. Seiner Meinung nach
können die Achsen des Fogg Behavior Model durch Gamification und Nudging beeinflusst
werden. Nudging kann auf die Machbarkeit wirken, während Gamification die Motivation
verändern kann.

Der Autor der vorliegenden Arbeit stimmt dieser These zu, denn wie bereits in Abschnitt
3.4 erläutert, fördert Gamification die Attraktivität von Aufgaben und Verhaltenswei-
sen. Ist ein Verhalten attraktiver gestaltet, sind Menschen motivierter, dieses Verhalten
auch zu zeigen. Nudging ist zielorientiert (siehe Abschnitt 3.4). Ein festgelegtes Ergebnis
soll erreicht werden. Wenn es einem Menschen allerdings nicht möglich ist, ein bestimm-
tes Verhalten auszuführen, kann ein Nudge dabei unterstützen und das Verhalten somit
zugänglicher gestalten.

5.2 Wirkung von Gamification und Nudging im Lehrkontext
Der Glücks- und Aufmerksamkeitszustand, der bei Spielen aufkommen kann, kann auch
in spielfremden Kontexten empfunden werden (McGonigal, 2012, S.52). Csikszentmihalyi
(1987, S.58 f.) beschreibt diesen Zustand als Flow. In diesem befindet sich eine Person
dann, wenn die Anforderungen, welche von einer Tätigkeit ausgehen, mit den Fähigkeiten
einer Person ausgeglichen sind. Csikszentmihalyi u. Larson (2014, S.146 ff.) haben diese
Abhängigkeiten in der Flow Theorie beschrieben (siehe Abbildung 12).
30

               Abbildung 12: Adaptierte Visualisierung der Flow Theorie
                  (Quelle: Csikszentmihalyi u. Larson, 2014, S.147)

Die Flow Theorie besagt unter anderem, dass eine Person Sorge bis hin zur Angst ver-
spüren kann, wenn eine Tätigkeit herausfordernd ist (Csikszentmihalyi u. Larson, 2014,
S.147). Liegen allerdings die Fähigkeiten einer Person über den Herausforderungen, fühlt
sich die Person gelangweilt Csikszentmihalyi u. Larson (2014, S.147). Csikszentmihalyi
(1987) beschreibt diesen Zustand als ein Schweben zwischen Langeweile und Angst, in
dem eine Person bei ihrem Handeln in einer Aktivität völlig aufgeht. Dabei bietet eine
Aktivität laufend Herausforderungen, sodass keine Zeit für Langeweile bleibt.
Dieser Zustand sollte bei der Gamifizierung von Lehrmethoden als Ziel gesehen werden.
Werden Studierende in diesen Zustand versetzt, können sie Glück empfinden und sind
aufmerksamer. Dadurch steigt die Funktionsfähigkeit des Gehirns und die Handlungsbe-
reitschaft. Dies kann in eine höhere Leistungsfähigkeit münden. (Fleisch u. a., 2018, S.49)

Eines der Kernelemente von Spielen ist das Feedback. Dadurch erfährt die Person Konse-
quenzen ihres Handelns. Bekommt eine Person während des Lernens unmittelbar positives
Feedback, kann die intrinsische Motivation zum Lernen gesteigert werden. Dadurch lernt
eine Person künftig lieber. Wird ein Lernerfolg zusätzlich durch Belohnungen gewürdigt
(Spiel-Design-Element), kann dies auch die Lernbereitschaft steigern.

Damgaard u. Nielsen (vgl. 2018, S.315 ff.) sprichen die menschliche Fehlbarkeit im Kon-
text der Lehre an. So beschreiben sie verschiedene Einflussfaktoren und wie diese negativ
auf den Lernerfolg bzw. den Bildungserfolg wirken. Darunter fällt Self-control, welches die
Sie können auch lesen