KONTAKT - SOZIALPSYCHIATRISCHE ZUGÄNGE - Die Angebote der HPE finden Sie auf den letzten Seiten - VÖPP

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ZeITsCHRIFT DeR HPe ÖsTeRReICH   Jahrgang 44 AusgAbe 2 2021

    KONTAKT                                     Die Angebote
                                                der HPE finden
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                        SOZIALPSYCHIATRISCHE
                                    ZUGÄNGE

Kontakt_2_2021.indd 1                                             10.05.21 20:47
02

                                                                   07                                                                                     14                                                                                     21
      03 eDIToRIAl

      04 Aus Den bunDeslänDeRn

      07 WAs PAssIeRT eIgenTlICH Im sPITAl?
               Die Leiterin einer psychiatrischen Abteilung in Wien öffnet die Türen zum psychiatrischen Krankenhaus und erklärt die Abläufe und
               Therapieangebote von der Aufnahme der Patient*innen bis zu deren Entlassung. (Ursula Goedl-Fleischhacker)

     13 „lÖsungen unD beHAnDlung kÖnnen nuR mIT DeR beTReFFenDen PeRson
        gesTAlTeT WeRDen unD nICHT übeR sIe!“
               Daniela Schreyer sprach mit dem Genesungsbegleiter Franz über seine Erfahrungen, was eine gute psychiatrische Versorgung ausmacht.

     14 HAusbesuCHe mIT ResPekT unD WeRTsCHäTZung
               Die Leiterin eines Teams der Integrierten Versorgung in Salzburg beschreibt therapeutische Haltungen und Beziehungsgestaltung im
               Rahmen dieser ambulanten Versorgung psychisch Erkrankter. (Bärbel Fichtl)
     .
     19 „mIR WäRe DIe eInbInDung DeR PsyCHoTHeRAPIe In DIe PsyCHIATRIsCHe
        VeRsoRgung eIn gRosses AnlIegen.“
               Der Psychiater und Psychotherapeut Wolfgang Gombas sprach mit Daniela Schreyer über Vorurteile im Kontext psychischer
               Erkrankungen und mögliche Auswege.

     21 mITeInAnDeR FüR PsyCHIsCHe gesunDHeIT
               Die neue Obfrau von Pro Mente Wien spricht sich dafür aus, dass in den Leitlinien für eine Weiterentwicklung der Versorgung von psychisch erkrankten
               Menschen neben der medizinischen Versorgung die psychosozialen Betreuungseinrichtungen nicht vergessen werden dürfen. (Hemma Swoboda)

     24 „ICH emPFeHle Den AngeHÖRIgen, sICH TäglICH eIne AuFgAbe oDeR
        eTWAs sCHÖnes VoRZuneHmen.“
               Ingrid Steffen spricht mit der Angehörigenbloggerin Janine Berg-Peer über Einschränkungen und Chancen in der Corona-Pandemie.

     26 FüR sIe gelesen

     27 TeRmIne

     35 HPe AngeboTe

         rIChTIGsTelluNG: In der letzten Ausgabe des KONTAKT ist uns leider beim Beitrag „Man muss dranbleiben.“ (Seiten 6 – 12) ein Fehler unterlaufen:
         Wichtige Bilder zum Verständnis des Textes wurden vergessen. Daher ist der Artikel MIT Bildern nun hier zu lesen:
         https://www.hpe.at/medien/zeitschrift-kontakt/zeitschrift-kontakt-detailansicht/kontakt-1-2021.html

      Impressum
      KONTAKT – Zeitschrift der HPE Österreich, Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. Dachverband der Vereinigungen von Angehörigen und Freunden. KONTAKT ist das überparteiliche Informationsorgan von HPE Österreich und
      vertritt die Anliegen und Interessen von Angehörigen und Freunden psychisch erkrankter Menschen. Verlagsort: Wien Verlagspostamt: 1200 Wien redaktion: Angelika Klug, Edwin Ladinser, Daniela Schreyer Versand: HPE-Sekretariat Druck:
      Druckerei Janetschek GmbH, Johannes Gutenberg-Straße 3-5, 3830 Waidhofen/Thaya. KONTAKT erscheint 5 mal jährlich. KONTAKT ist für Mitglieder der HPE kostenlos. mitgliedsbeitrag beträgt im Inland 33 Euro, im Ausland:
      45 Euro. Bestellungen: HPE Österreich, A-1200 Wien, Brigittenauer Lände 50-54, Stiege 1, 5. OG. T 01/526 42 02. IBAN: AT13 6000 0000 0763 9443, BIC: BAWAATWW, DVr: 0652016; Zulassungs-Nr.: 02Z030102; office@hpe.at, www.hpe.at.
      Leserzuschriften sind uns willkommen. Wir beantworten sie in jedem Fall, behalten uns jedoch vor, sie zu kürzen bzw. nicht zu veröffentlichen. Namentlich gezeichnete Beiträge drücken die persönliche Meinung des Verfassers aus. Leserbeiträge
      werden nur mit Einverständnis des Verfassers mit vollem Namen gezeichnet. Titelbild: Pixabay NäChsTer reDAkTIoNssChluss: 28. juNI 2021

                                                                                                                                                                                                                        KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 2                                                                                                                                                                                                                              10.05.21 20:47
editorial     03

          Was macht ein gutes Angebot aus?
          M
                       ein Sohn schwärmt von seinem neuen Therapeuten, beziehen bei der Evaluation, bei der Qualitätskontrolle Vertre-
                       wir sind ganz glücklich, dass er ihn gefunden hat.“ ter*innen der Betroffenen, oft auch der Angehörigen ein, damit
                      „Die Arbeit im Blumengeschäft gibt unserer Tochter     auch hier die Nutzer*innen-Perspektive einfließt. Respektvoller
          so viel, sie steht voller Energie auf und findet die Betreuerinnen Umgang, Freundlichkeit, Entgegenkommen, ein positiver Rah-
          toll“ „Die Stimmung auf der neuen psychiatrischen Abteilung        men u.v.m. sehen wohl fast alle psychosozialen Angebote vor,
          ist ganz anders als in der alten, alle sind viel freundlicher und  aber wie es gelebt und vermittelt wird, ist oft sehr unterschiedlich.
          erstmals spricht meine Frau positiv von der Behandlung.“ „Die      Die freundliche Kolleg*in am Telefon oder Empfang, die Blumen
          aufsuchende psychiatrische Pflege hat es geschafft, dass mein      und Deko, vielleicht sogar der Kaffee haben nur bedingten Ein-
          Sohn Vertrauen fasst, er nimmt regelmäßig seine Medikamente        fluss auf die Therapien, aber sie können wichtig sein dafür, mit
          und gemeinsam fahren sie zu Termi-                                                              welcher Einstellung Patient*innen
          nen. Besonders freut mich, dass die                                                             herangehen, oder besonders wichtig,
          Betreuer zwischendurch auch mich
                                                    Die wichtigste Ressource einer gelun- ob                  sie gerne wiederkommen – und
          fragen, wie es läuft und ob ich et- genen psychiatrischen, psychosozia- das kann gerade bei psychischen Er-
          was brauche.“ Man könnte wohl ein           len Versorgung ist der Mensch, der krankungen entscheidend sein.
          ganzes Buch mit den positiven Rück-                                                               Bei der Unterstützung und Be-
          meldungen der Angehörigen zu neu- verantwortungsvoll, wertschätzend                             handlung eines Menschen mit ei-
          en psychiatrischen und psychoso-             und professionell für und mit den                  ner psychischen Erkrankung ist es
          zialen Angeboten füllen. Sicherlich                                                             wichtig, ja entscheidend, dass es der
          beleuchten sie nur eine Perspektive,                Patient*innen arbeitet.                     helfenden Person gelingt, eine Be-
          aber die Stimmung und Zuversicht                                                                ziehung aufzubauen, die das Band
          des Patienten sowie seine Lebensqualität wirken unmittelbar auf    ist, mit dem die aktuelle Krise gemeinsam bewältig werden kann.
          die Angehörigen.                                                   Beliebig austauschbare (so der oft sehr verstörende Eindruck)
             Oft sind es bewährte Konzepte, die an weiteren Orten ausge- Mitarbeiter*innen, Therapeut*innen haben alle Patient*innen
          baut werden, manchmal (etwas zu selten) sind es neue Konzepte, und auch Angehörige schon erlebt, jeder fängt von vorne an, kei-
          neue Angebote, die mit Pioniergeist und großem Engagement          ner ist wirklich verantwortlich.
          aufgebaut werden, oder es ist der Neubau und damit oft verbun-        Die wichtigste Ressource einer gelungenen psychiatrischen,
          den die Neuorganisation einer psychiatrischen Abteilung. Oder      psychosozialen Versorgung ist der Mensch, der verantwor-
          ein Patient bekommt endlich zu genau jener Einrichtung Kon- tungsvoll, wertschätzend und professionell für und mit den Pa-
          takt, die zu seinen Bedürfnissen und seinem Bedarf passt, bei der  tient*innen arbeitet. Das wünschen wir uns und diesen Wunsch
          er den Eindruck hat, die Menschen hier helfen mir.                 richten wir auch an die Zuständigen, die verantwortlichen Poli-
             Was diese positiv bewerteten Einrichtungen gemein haben, ist    tiker*innen, die darauf zu achten haben, dass Arbeit mit Men-
          der wertschätzende Umgang mit Patient*innen, Angehörigen           schen nicht möglichst günstig, sondern möglichst qualitätsvoll
          und Mitarbeiter*innen. Die Fachkompetenz und der gute Ablauf       angeboten werden kann, d.h. dass genug finanzielle Mittel für
          müssen natürlich gegeben sein und laufend evaluiert werden. ausreichend und entsprechend qualifizierte Mitarbeiter*innen
          Viele Einrichtungen oder Träger von mehreren Einrichtungen         zur Verfügung stehen.

                                                                                                mAg. eDWIn lADInseR
                                                                                                Geschäftsführer HPE Österreich

                                                                                                k o n TA k T
                                                                                                edwin.ladinser@hpe.at
                                                                             Foto: privat

          KONTAKT 2 • 2021

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04                 AUS DEN BUNDESLÄNDERN

      umfrage

     Was macht eine gute psychiatrische
     Versorgung aus?
      bunDeslänDeR. Diese frage habe wir an die mitarbeiter*innen der HPe in ganz Österreich gestellt und folgende ant-
      worten erhalten:

                                                         Walter, HPe OberÖSterreicH
                                                         • wenn sie von den Patienten gerne und oft in Anspruch genommen wird
                                                         • für Patienten leistbare Versorgung
                                                         • regelmäßige Hausbesuche
                                                         • Psychotherapien
                                                         • stationäre Therapien
                                                         • Patienten und Angehörige noch mehr einbeziehen
                                                         • Patienten in dem Glauben an die eigenen Ressourcen bestärken

       JOy, HPe Wien                                                                                       aDelinDe, HPe Steiermark
       eine gute psychiatrische Versorgung soll…:                                                          extern (außerhalb des krankenhauses):
       • Angehörige mit ihren Anliegen, Wünschen, Nöten und Leiden sehen und höre.                         Vernetzung der verschiedenen Träger-
       • Offen auf Angehörige zugehen und sie als Partner/innen in der Behandlung betrachten,              organisationen und einschlägig tätiger
         die über wichtige Erfahrungen aus dem Alltag mit der erkrankten Person verfügen.                  Vereine; Krisentelefon für akute Fälle,
       • nicht nur auf medizinische Aspekte beschränkt, sondern tatsächlich bio-psycho-sozial sein         um Polizeieinsätze zu vermeiden – vor-
         und alle Ebenen behandeln.                                                                        herige Hilfe durch ausgebildete Profis.
       • standardmäßig das familiäre Umfeld, die Angehörigen oder ausgewählte Personen aus                 Pflegedrehscheibe – Beratung auch für
         dem sozialen Netzwerk in die Versorgung einzubeziehen, sofern dies möglich und von                psychisch Kranke; Mehr Informationen für
         allen Seiten gewünscht und umsetzbar ist.                                                         Betroffene und Angehörige, Zusammen-
       • Menschen mit einer psychischen Erkrankung IMMER fragen, ob sie Versorgungspflichten               arbeit zwischen ex- und intern.
         haben (z.B. Kinder, zu pflegende Eltern, Haustiere...). Diese Frage MUSS standardisiert z.B.
         bei einer stationären Aufnahme gestellt werden. Insbesondere Kindern, aber auch dem               intern (innerhalb des krankenhauses):
         ganzen Familiensystem (z.B. nicht erkrankter Elternteil) muss Unterstützung angeboten             Psychoedukation für Angehörige und
         werden. Das gesamte Familiensystem braucht Unterstützung, gemeinsam und jedes Fami-               Patienten wieder einführen; bei Unter-
         lienmitglied für sich.                                                                            bringung im Rahmen des Unterbrin-
       • ohne Stigmatisierung, Beschämung und Bevormundung erfolgen                                        gungsgesetzes: nicht ohne Information
       • die Ressourcen der Einzelnen unterstützen (bedarfsgerecht, personenzentriert, nachhaltig)         der betreuenden Angehörigen, nicht
       • Unterstützung über alle Versorgungsarten- und -stufen anbieten: präventive und ge-                ohne Vorbereitung des Patienten;
         sundheitsfördernde Angebote, ambulante und fachärztliche bzw. therapeutische sowie                Flächendeckender Einsatz von EX-IN
         stationäre und nachsorgende Angebote. Angebote sollen niederschwellig, durchlässig und            BeraterInnen.
         effektiv sein. Gut ausgebildete und reflektierte Menschen mit der entsprechenden Haltung
         sollen Unterstützung auf Augenhöhe anbieten und leisten.
       • nicht auf die Krise warten, sondern setzt so früh wie möglich an
       • von Kommunikation geprägt sein: professionelle Helfer/innen miteinander und mit der
         Klientin/dem Klienten bzw. der Patientin/dem Patienten, auf der gemeinsamen Suche nach
         der bestmöglichen Behandlung
       • orientiert sich an jenen, die Hilfe und Unterstützung am nötigsten und dringendsten
         brauchen, ist aber grundsätzlich für alle entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen / dem
         jeweiligen Bedarf da. Für alle etwas, für manche gerechtfertigt mehr, da diese auch mehr
         brauchen. Das ist fair. Keine/r darf zurückgelassen, vergessen werden.
       • stellt Angebote und lässt Menschen Zeit (für Beziehungsaufbau, fürs Sich-Einlassen, Ver-
         trauensaufbau), gibt aber auch Orientierung, Klarheit und zeigt Grenzen auf (z.B. UbG).

                                                         SigriD, aHa! Salzburg
                                                         Eine gute psychiatrische Versorgung sollte sich immer an „Recovery“ orientieren, ein Begriff,
                                                         den die Sozialpsychiaterin Professor Michaela Amering wesentlich mit geprägt hat - denn
                                                         (wieder) Gesund-Werden wünschen sich alle von einer psychischen Erkrankung betroffenen
                                                         Menschen und ihre Angehörigen.

                                                                                                                                      KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 4                                                                                                                                    10.05.21 20:47
auS den BundeSländern                       05
                                                                           cHriStiane, HPe Wien
                                                                           • Im Krisenfall:
                                                                             Versorgung sollte optimal immer dort sein, wo sie gerade gebraucht wird, dabei natürlich
                                                                             niederschwellig und für jede/n erreichbar; Hausbesuche durch mobile Team, wie jetzt
                                                                             schon der praktische Notarzt; kleine Anlaufstellen im Grätzel nachts und an Wochenenden,
                                                                             ähnlich wie die Notapotheke oder derzeit die Schnupfenboxen Wien, wo man Corona-Tests
                                                                             machen kann.
                                                                            Warum finde ich interdisziplinäre Teams so wichtig? Aus meiner Sicht wäre es von er-
                                                                            heblichem Vorteil, wenn der/die Psychiater/in begleitet würde durch eine/n erfahrene/n
                                                                            Krankenpfleger/in, oder Sozialarbeiter/in oder durch eine/n Genesungsberater/in, also
                                                                            einer Person mit eigener Krankheits- und Psychiatrieerfahrung, aber auch mit Ausbildung.
                                                                            Das ist ein Modell, das erfolgreich in Berlin für die Nachbetreuung nach Psychiatrieaufent-
                            JOSefine, HPe kärnten                           halten angewendet wird. Psychiater/innen haben sehr häufig ein definiertes Krankheitsbild
                                                                            vor Augen > Diagnose > Verschreibung von Medikamenten > möglicherweise Hospitali-
                            Nach über 25 Jahren ehrenamtlicher              sierung. Erfahrene nicht- medizinische Fachpersonen haben oft auf dem Hintergrund ihrer
                            Arbeit für Angehörige von psychisch             praktischen Erfahrungen einen mehr personenzentrierten Ansatz.
                            Erkrankten in Kärnten urgieren wir schon
                            seit Jahren, dass die entlegeneren Bezirke     • Behandlung:
                            Hermagor und Spittal in Kärnten West,            Wenn es zu einer Aufnahme in einer psychiatrischen Versorgungseinheit kommt, ist dieser
                            die weitläufigen Täler und entlegenen            personenzentrierte Ansatz meines Erachtens sehr wichtig. Es geht darum, möglichst inten-
                            Ortschaften noch immer unterversorgt             siv auf die Person einzugehen und deren tatsächlichen Bedarf zu erfahren, statt vorder-
                            sind. Außerdem wäre mehr Psychothera-            gründige Symptome abzufragen und diese zu einer Diagnose zusammenzustellen.
                            pie auf Krankenschein notwendig, um die          Bei einer wirksamen Bedarfserhebung sollten Angehörige, die sich konstruktiv anbieten,
                            derzeit langen Wartezeiten zu verringern.        miteinbezogen werden, insbesondere wenn es um die Besprechung der Medikamente für
                            Es fehlen (Teil-) Betreutes Wohnen für jün-      zu Hause geht, da sollten Wirkungen, Nebenwirkungen, Einnahmefristen, Wirkungsketten,
                            gere psych. Erkrankte (25 -40 Jahre) und         Chancen und Gefahren unbedingt in Anwesenheit der Angehörigen, wenn vorhanden,
                            mehr Integration bei Arbeitsprojekten mit        ausführlich besprochen werden. In einem akuten Krankheitsschub ist die Aufnahmefähig-
                            Teilzeitbeschäftigung (ohne Verlust der          keit der Patient/innen oft sehr eingeschränkt (bei anderen Erkrankungen übrigens auch!)
                            Ausgleichszulage bis zu einer bestimmten         Alles ist ebenso auf den niedergelassenen Ärztebereich anwendbar.
                            Obergrenze - als Anregung) sind dringen
                            nötig.                                         • Nachbetreuung nach Psychiatrieaufenthalten:
                                                                             Bei der Entlassung ist wichtig vorzubeugen, dass es nicht zu einer allzu abrupten Ände-
                            es gibt aus kärnten auch viel Positives          rung der Therapiegewohnheiten und -beziehungen kommt. Hier würde ich genau wie
                            zu berichten:                                    oben beschrieben die mobilen Teams oder Anlaufstellen im Grätzel befürworten.
                            • Gute Angebote von Pro mente Kärnten
                              wie Nachbetreuung, Psychotherapie, Ta-
                              geszentren, Arbeitsprojekte, Krisenhaus,
                              zwei Übergangsheime, Reha-Kliniken
                              etc.
                            • Außerdem steht ein 24 Stunden durch-
                              gehend erreichbarer Not- und Krisen-
                              dienst zur Verfügung.
                            • Auch die nachgehende regelmäßige
                              Betreuung zu Hause für schwer zu-
                              gängliche psychisch Erkrankte ist vom
                              Gesundheitsreferat für Kärnten WEST
                              mit dem Team LICHTBLICK ab Juli 2020
                              übernommen worden, für Kärnten OST
                              gibt es dieses Angebot mit dem „Prophe-
                              tenteam“ schon länger.
                            • Vor einigen Jahren gab es gute Informa-
                              tionsveranstaltungen in diversen Schu-
                              len der Oberstufe über den Umgang mit
                              psychischen Erkrankungen. Ebenso sind
                              die Seminare für junge Polizisten in Aus-
                              bildung in Kärnten seit über 10 Jahren
                              sehr erfolgreich angenommen worden.
                            • Durch Öffentlichkeitsarbeit sollte noch
                              mehr Verständnis gegenüber psychisch         angelika, HPe burgenlanD
                              kranken Menschen erreicht werden.
                              Wir stellen jedoch positiv fest, dass seit   • Zusammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung
 illustrationen: Freepik

                              einiger Zeit in den Medien viele psy-        • Peerberatung sowohl in ambulanten als auch in stationären Einrichtungen
                              chische Themen gut aufgegriffen und          • aufsuchende Betreuung und Behandlung
                              behandelt werden.                            • Miteinbeziehen der Angehörigen, wenn PatientInnen dies wünschen und Angehörige
                                                                             dazu bereit sind.

                           KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 5                                                                                                                                                  10.05.21 20:47
06                 auS den BundeSländern

                                                      cOViD
       ePa cOnStance PaScal –
       Helen bOyle Prize                              corona-impfung für psychisch
       gewinnerin 2021:
       michaela Amering                               erkrankte menschen
                                                      WIen. endlich auch einmal eine erfreuliche nachricht: Patient*innen mit psy-
       Der diesjährige ePa constance Pascal –
                                                      chiatrischen erkrankungen Jahrgang 2005 und älter stehen seit kurzem auf der
       Helen boyle Prize wurde an frau Professor
                                                      liste jener menschen, die in Wien vorrangig geimpft werden sollen.
       michaela amering verliehen.

                           Mit einem Wert von
                           €10.000 ist dieser Preis
                           eine Anerkennung
                           für außerordentliche
                           Leistungen einer
                           Frau im Bereich der
                           Verbesserung von
                           Mental Health Care in
                           Europa.

       Prof. Michaela Amering ist Psychiaterin
       und Professorin an der sozialpsychiat-
       rischen Abteilung der Med-Uni Wien.
       Der Hauptfokus ihrer klinischen, Unter-
       richts- und Forschungsarbeiten liegt auf
       Personen mit der Diagnose Schizophrenie
       und deren Angehörigen. Sie propagiert
       Konzept und Praxis des „Trialogs“, eines
       Settings, das die Kommunikation und

                                                                                                                                                              Foto: Pixabay
       Interaktion auf Augenhöhe zwischen
       Betroffenen, Angehörigen und psychoso-
       zialen Profis fördert.
                                                      Patient*innen mit psychiatrischen Erkrankungen werden ab sofort vorrangig geimpft.
       zum Weiterlesen:
       www.europsy.net/pascal-boyle-pri-              Sie können sich online unter www.impf-                      Unter der Hotline T 0800-555-621 kann
       ze/2021-winner/                                service.wien oder unter der Telefonnum-                  man auch Fragen zur Wirksamkeit und
                                                      mer 1450 anmelden und einen Impftermin                   Sicherheit der Impfstoffe stellen. Die Hot-
       Michaela ist dem Verein HPE seit den           buchen – und zwar entweder im Austria                    line ist sieben Tage die Woche, rund um
       Anfängen ihrer Tätigkeit verbunden.
                                                      Center oder in einem Impfzentrum (Be-                    die Uhr erreichbar.
       Die Redaktion des KONTAKT gratuliert           zirksamt) in 1020, 1030, 1120, 1150, 1180,                   Wir freuen uns schon auf ein hoffent-
       herzlich!                                      1210 oder 1220. Sagen Sie das Ihrer/Ihrem                lich baldiges Wiedersehen. Bis dahin alles
                                                      Lieben weiter – aber vergessen Sie bitte                 Gute und bleiben Sie gesund!
                                                      nicht auf sich selbst!                                      Irene Burdich

                                                      cOrOna-blOg VOn PrO mente auStria

                                                      www.erstehilfefuerdieseele.at
                                                      Verarbeiten wir die corona-zeit gemeinsam!              psychischen Problemen nachhaltig zu ver-
                                                                                                              bessern und sie und ihr soziales Umfeld zu
                                                      Pro mente Austria ist der Dachverband von               unterstützen und zu stärken.
                                                      24 gemeinnützigen Organisationen, die in
                                                      Österreich im psychosozialen und sozialpsy-             Website des Blogs:
                                                      chiatrischen Bereich tätig sind.                        www.erstehilfefuerdieseele.at

                                                      Ziel von pro mente Austria ist es, das Leben            Erfahrungsberichte und Beiträge an:
                                                      und die Versorgung von Menschen mit                     office@promenteaustria.at

                                                                                                                                           KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 6                                                                                                                                      10.05.21 20:47
W a S Pa S S i e r t e i g e n t l i c h i m S P i ta l ?         07
                                  V or trag: urSul a gOeDl-fleiScHHacker, tex t: daniela Schreyer

                                Was passiert eigentlich
                                     im Spital?
                    In das psychiatrische Krankenhaus kommen Menschen in psychischen Ausnahmezuständen.
                     Die Hauptaufgaben des Krankenhauses sind es daher, Stabilität und Sicherheit anzubieten
                        sowie das Wohlbefinden wieder zu erlangen oder zu stärken. Wir versuchen, in einem
                                  multiprofessionellen Team mit individuellen Therapiekonzepten
                                                  diesem Ziel näher zu kommen.

                                                                                              Patient*in selbst möchte. Die Entscheidung über eine stationäre
                  WelCHe AbTeIlung IsT In WIen FüR mICH                                       Aufnahme wird in diesem Gespräch getroffen. Wird der/die Pa-
                             ZusTänDIg?                                                       tient*in stationär aufgenommen, erfolgt zuerst eine Aufnahmeu-
                                                                                              ntersuchung. Neben dem psychopathologischen Status und der
            Bezüglich der Zuständigkeit der psychiatrischen Abteilung                         Anamnese werden eine Reihe von körperlichen Untersuchungen
          gilt die „Regionalisierung“. Die Zuständigkeit hängt von der                        durchgeführt: Blutabnahme, EKG, Harnuntersuchung und derzeit
          Meldeadresse der Patient*innen ab. Für Patient*innen ohne                           auch ein Covid-Abstrich. Im Aufnahmegespräch wird idealerwei-
          Meldeadresse in Wien ergibt sich die Zuständigkeit durch den                        se – wenn es der Zustand des/r Patient*in erlaubt – besprochen,
         Anfangsbuchstaben des Nachnamens. In Wien gibt es für die Er-                        welche medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien
          wachsenenpsychiatrie 8 Regionen, sodass die Patient*innen sich                      angeboten werden können, welche Untersuchungen noch geplant
          darauf verlassen können, immer wieder von den ihnen bereits                         sind und was die Ziele des Krankenhausaufenthaltes sein könnten.
          bekannten Behandler*innen behandelt zu werden. Mehr als 2/3
          der Patient*innen kommen auf eigene Initiative ins Krankenhaus
         – sehr oft in Begleitung ihrer Angehörigen. 1/3 der Patient*innen
          werden eingewiesen – von Ärzt*innen, vom Psychosozialen
                                                                                               ?       Frage: Ist jemand in einen psychischen Ausnahmezu-
                                                                                                       stand überhaupt schon in der Lage, gleich bei der Er-
                                                                                              stuntersuchung Ziele zu formulieren?
          Dienst (PSD), von Amtsärzt*innen oder bei Gefahr im Verzug                            Antwort: Wenn es einer Person gerade sehr schlecht geht, dann
          direkt von der Polizei.                                                             können als erste Ziele die Stabilisierung und der Schutz durch das
                                                                                              Krankenhaus gesetzt werden. Wenn jemand z.B. unter Drogenein-

            ?     Frage: Wie lange dauert der Aufenthalt an Ihrer psychi-
                  atrischen Abteilung?
            Antwort: Bei uns sind die Patient*innen durchschnittlich 13
                                                                                              fluss steht, könnte das Ziel sein, einmal eine Nacht zur Entgiftung
                                                                                              hier zu bleiben. Wenn jemand hochpsychotisch ist, kann er/sie als
                                                                                              erstes z.B. die Gabe eines bestimmten Medikamentes angeboten be-
          Tage aufgenommen. Die individuelle Aufenthaltsdauer variiert                        kommen. So werden nach und nach dem Gesundheitszustand des
          sehr stark: Wir sehen manche Patient*innen nur wenige Stunden,                      Patienten angepasst immer neue Zielformulierungen getroffen, be-
          andere wiederum viele Wochen und auch Monate. Leider gibt es                        züglich dessen, was im Rahmen des stationären Aufenthaltes noch
          Patient*innen, die bei uns immer wieder nur kurz vorstellig werden                  erreicht werden sollte und kann.
          und keine Behandlung wollen. Aber auch hier bleiben wir dran und
          geben nicht auf.

                                                                                                               P R I m A R I A D R In. u R s u l A
                                                                                                               goeDl-FleIsCHHACkeR,
                   WAs gesCHIeHT, Wenn eIne PeRson Ins
                         kRAnkenHAus kommT?                                                                    Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische
                                                                                                               Medizin, Abteilungsvorständin der Allgemein Psychi-
                                                                               Foto: privat

                                                                                                               atrischen Abteilung in der Klinik Landstraße, Wien.
             Kommt eine Person ins Krankenhaus, so findet zuerst ein Ge-
                                                                                                               Vorstandsmitglied (Schriftführerin) der Österreichi-
          spräch statt. Dieses Erstgespräch erfolgt durch Ärzt*innen und                                       schen Fachgesellschaft für Psychiatrie, Psychothera-
          Pflegepersonal. Hier kann auch schon eine erste Kriseninterven-                                      pie und Psychosomatik.
          tion erfolgen.
                                                                                                               k o n TA k T
             Im Rahmen des ärztlichen Gesprächs wird gemeinsam mit den
          Patient*innen überlegt, welche Therapieempfehlungen seitens                                          ursula.goedl-fleischhacker@gesundheitsverbund.at
          des Krankenhauses gegeben werden können und was der/die

          KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 7                                                                                                                                        10.05.21 20:47
08                 xxxxx

                                                                          Amtsarzt außerhalb des Krankenhaues festgestellt werden, dann
                 beHAnDlung gegen Den WIllen DeR                          kann die betreffende Person gegen ihren Willen ins Krankenhaus
                         PATIenT*Innen                                    gebracht werden. Besteht Gefahr in Verzug, kann die Polizei eine
                                                                          Person auch unverzüglich direkt ins Krankenhaus bringen.
       Besteht eine ernste und erhebliche Gefahr, dann können und
     müssen bestimmte Maßnahmen auch ohne Einverständnis bzw.
     gegen den Willen des Patienten erfolgen. Hierbei handelt es sich
     um Freiheitsbeschränkungen, die im Rahmen der gesetzlichen
                                                                           ?      Frage: Muss immer zuerst die Polizei gerufen werden?
                                                                                  Antwort: Nein, in den meisten Fällen wird die Rettung ge-
                                                                          rufen. Die Polizei ist bei Gefahr zu rufen, d.h. bei Gewalt gegen oder
     Möglichkeiten des Unterbringungsgesetzes erfolgen dürfen bzw.        einer anderen Gefährdung für sich und/oder andere. Die Polizei kann
     müssen. Die Gefährdungseinschätzung muss laufend genau be-           bei Gefahr in Verzug die/den Patient*in gleich ins Krankenhaus brin-
     urteilt und abgewogen werden und wird regelmäßig vom Gericht         gen oder die Polizeiärzt*in beiziehen. Diese/r Amtsärzt*in ist kein/e
     überprüft. Allgemein gilt, dass zur Abwendung einer Gefahr im-       Psychiater*in, was oft beklagt wird. Es wäre gut, wenn die Amts- und
     mer das gelindeste Mittel verwendet werden muss. Es kann, um         Gemeindeärzt*innen mehr psychiatrische Schulung hätten.
     eine akute Gefahr abzuwenden, unter Umständen auch ein Medi-
     kament verabreicht werden, z.B. eine Spritze oder eine Infusion        Im Krankenhaus erfolgt dann unverzüglich die ärztliche Be-
     gegeben werden.                                                      gutachtung durch eine/n Facharzt/-ärztin, in der genau diese er-
                                                                          wähnten drei Kriterien wieder überprüft werden müssen. Der/die
        Das Unterbringungsgesetz ist ein Bundesgesetz und gilt für alle   Arzt/Ärztin erstellt ein fachärztliches Zeugnis und erklärt den/die
      psychiatrischen Abteilungen in ganz Österreich.                     Patient*in für untergebracht, wenn eine Gefährdung nicht anders
        Laut § 3 UbG darf in einer psychiatrischen Abteilung nur un-      abgewendet werden kann.
      tergebracht werden wer                                                Der/die Patient*in muss über die Unterbringung informiert
                                                                          werden, was in diesen Ausnahmezuständen oft schwierig ist,
        1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammen-         weil Patient*innen in so einer Situation oft vieles nicht erfassen
           hang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben     können. Der/die Patient*in kann ein zweites ärztliches Zeugnis
           oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefähr-    einfordern, dann muss bis zum nächsten Werktag durch eine/n
           det und                                                        andere/n Fachärzt*in eine zweite Begutachtung erfolgen. Das
        2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psy-      fachärztliche Zeugnis wird unverzüglich an die Patientenanwalt-
           chiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder    schaft und das Gericht geschickt. Diese vorläufige Unterbringung
           betreut werden kann.                                           gilt drei Werktage und braucht für weitere Entscheidungen über
                                                                          die Dauer der Unterbringung den Beschluss des Unterbringungs-
        Wenn diese 3 Kriterien: 1. psychische Erkrankung, 2. im Zu-       gerichtes. Dieses kommt bei uns jeden Dienstag und Freitag an
      sammenhang mit der Erkrankung ernstliche und erhebliche Ge-         die Klinik, um zu überprüfen, ob die Freiheitsbeschränkungen
      fährdung für sich und/oder andere und 3. keine alternativen Be-     rechtens sind. Bei der sogenannten Erstanhörung, die innerhalb
      handlungsmöglichkeiten zur Abwendung der Gefahr, von einem          von drei Werktagen erfolgen muss, stellt das Gericht fest, ob die

                                                                                                                             KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 8                                                                                                                        10.05.21 20:47
W a S Pa S S i e r t e i g e n t l i c h i m S P i ta l ?   09
                                                                                            verpflichtet werden. Obdachlosigkeit ist kein Gefährdungsgrund
                                                                                            nach dem UbG. Auch eine Behandlungsnotwendigkeit aus psychi-
                                                                                            atrischer Sicht ist kein Grund, eine/n Patient*in weiter gegen deren
                                                                                            Willen anzuhalten, wenn die schon erwähnten drei Kriterien nicht
                                                                                            (mehr) gegeben sind.

                                                                                                    AusFüHRlICHe InFoRmATIonen FüR DIe
                                                                                                             PATIenT*Innen

                                                                                               Immer wieder hört man die Aussage „Mit mir hat niemand
                                                                                            geredet, mir hat niemand etwas gesagt.“ Im Krankenhaus arbei-
                                                                                            ten Menschen und da passieren natürlich manchmal auch Fehler,
                                                                                            aber grundsätzlich gehören ausführliche Informationen über alle
                                                                                            Abläufe zum Behandlungsalltag. Nicht so selten kommt vor, dass
                                                                                            Patient*innen sich an Gespräche, Informationen oder Erklärungen
                                                                                            nicht mehr erinnern können. Deswegen fragen wir oft nach und
                                                                                            besprechen die Dinge mehrmals.
                                                                                              Alle Therapien (medikamentöse und nicht-medikamentöse), ge-
                                                                            Foto: Pixabay

                                                                                            plante Untersuchungen und das Ziel des Aufenthaltes im Kranken-
                                                                                            haus werden zum ehest möglichen Zeitpunkt immer mit der/m Pa-
                                                                                            tient*in besprochen, auch dann (meistens mehrmals), wenn sie von
                                                                                            den Patient*innen abgelehnt oder vergessen werden. Ebenso wer-
                                                                                            den alle Empfehlungen für die Nachbetreuung immer besprochen,
          Unterbringung zulässig ist. Der/die Die Richter*in hört sich zur                  auch wenn sie von den Patient*innen abgelehnt oder vergessen
          Meinungsbildung die Aussagen der/s Patient*in, der/s Ärzt*in                      werden. Dieser mit den Patient*innen erstellte Plan hängt natürlich
          und der/s Patientenanwalt*in an. Die Patientenanwält*in ist als                   vom Zustand der betroffenen Person ab und kann sich im Laufe
          Beistand der/s Patient*in dazu ernannt, die/den Kranke/n zu ver-                  des Aufenthalts ändern. Wenn jemand schwer krank und vielleicht
          treten und insbesondere auf die Wahrung der Menschenrechte                        nicht in der Lage ist, alles zu erfassen, dann werden wir versuchen,
          zu achten. Erklärt das Gericht die Unterbringung für zulässig, so                 immer wieder ins Gespräch zu kommen.
          wird ein Sachverständigengutachten bei einer/m unabhängigen                          Patient*innen sollen nie ohne einen Nachbetreuungsplan aus
          Psychiater*in beauftragt, die/er innerhalb einer bestimmten Frist                 dem Krankenhaus entlassen werden. Wir versuchen bereits im
          feststellen muss, ob die drei Unterbringungskriterien nach wie                    Krankenhaus mit den nachbetreuenden Einrichtungen/Ärzt*innen
          vor gegeben sind und eine Empfehlung für das weitere Procedere                    einen Termin für die Patient*innen zu vereinbaren. Natürlich gibt
          geben. Spätestens 14 Tage nach Unterbringungsbeginn kommt es                      es immer wieder Personen, die sagen, dass sie das alles nicht brau-
          zur mündlichen Verhandlung, wo wieder alle Beteiligten und der/                   chen. Niemand kann gezwungen werden, eine Nachbetreuung
          die Sachverständige gehört werden und vom Gericht eine Frist für                  anzunehmen.
          eine weitere Unterbringung festgelegt wird. Dies kann für wenige
          Tagen bis Wochen und auch sehr selten Monate anberaumt sein.
            Die behandelnden Ärzt*innen im Krankenhaus sind verpflich-                         ?       Frage: Was passiert, wenn der Patient nicht krankenver-
                                                                                                       sichert ist, aber einen Krankenhausaufenthalt braucht?
          tet, laufend festzustellen, ob die drei Unterbringungskriterien wei-                  Antwort: Das kommt sehr häufig vor und unsere Sozialarbei-
          ter aufrecht sind. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, muss die Un-              ter*innen sind damit vertraut. Wenn jemand nicht versichert ist, wird
          terbringung aufgehoben werden und diese/r Patient*in darf frei                     er/sie eine Rechnung für den Krankenhausaufenthalt bekommen. Un-
          entscheiden, ob sie/er weiter im Krankenhaus bleiben möchte. Im                    sere Sozialarbeiter*innen kümmern sich aber darum, eine Kranken-
          Idealfall gelingt es, den/die Patient*in zu einem freiwilligen Ver-                versicherung zu erwirken, so dies irgendwie möglich ist. Das bedeutet,
          bleib zu motivieren, falls indiziert. In seltenen Fällen kommt es                  dass z.B. mit dem AMS Kontakt aufgenommen wird, um zu klären,
          vor, dass Patient*innen sich erst freiwillig aufnehmen lassen und                  dass es für diese/n Patient*in aufgrund der Erkrankung nicht möglich
          sich dann deren Zustandsbild so verschlechtert, dass eine Unter-                   war, die Fristen einzuhalten, etc. Angehörige müssen die Rechnungen
          bringung zur Abwendung einer Gefährdung notwendig wird.                            für ihre volljährigen Familienmitglieder vom Gesetz her nicht bezah-
                                                                                             len. Auch wenn sich keine Versicherung erwirken lässt, gibt es Mög-

            ?     Frage: Wenn ein Patient dann aus der Unterbringung
                  entlassen werden muss, obwohl er z.B. nicht gesund ist
          oder auch keine Wohnung hat, ist das doch auch eine Gefähr-
                                                                                             lichkeiten, dass mittellose Menschen diese Rechnungen nicht bezahlen
                                                                                             müssen, das übernimmt dann das Krankenhaus bzw. die Stadt Wien.

          dung, oder?
             Antwort: Es sollte auf jeden Fall eine Nachbetreuung mit jeder/                                 THeRAPeuTIsCHe AngeboTe
          jedem Patient*in besprochen werden. Wenn es aber keine gesetz-
          liche Handhabe für einen stationären Aufenthalt gegen den Willen                    Medikamentöse Therapien: Es gibt nicht das eine „Psychophar-
          mehr gibt, kann diese/dieser Patient*in nicht zur Nachbetreuung                    makon“, sondern sehr unterschiedliche Gruppen von Medikamen-

          KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 9                                                                                                                                        10.05.21 20:47
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        leITgeDAnken DeR AbTeIlung
        „Als verschiedene Berufsgruppen, die an dieser Station in ihrem
        jeweiligen Tätigkeitsbereich arbeiten, empfinden wir uns als ein
        soziales Gebilde und arbeiten teamorientiert an einem
        gemeinsamen Arbeitsfeld.“
        „Wir verstehen uns als Station für Menschen, die sich mit ihrer
        psychischen Erkrankung bei uns - unter Achtung ihrer Würde - in
        einer Atmosphäre des Vertrauens und der Geborgenheit
        aufgenommen fühlen.“
        „Grundlage unseres Handelns ist die Wertschätzung aller
        Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres
        sozialen Status, ihrer Religion und ihres Alters sowie ihrer besonde-
        ren Bedürfnisse.“

     ten mit erwünschten aber auch unerwünschten Wirkungen. Die                 gen, es wird aber regelmäßig aktiv nachgefragt, was jemanden z.B.
     wichtigsten Medikamentengruppen sind:                                      daran hindert, sein Zimmer zu verlassen.
       • Antidepressiva
       • Antipsychotika                                                            Ergotherapie: Mit verschiedenen Materialen wie Ton, Holz,
       • Phasenprophylaktika / Stimmungsstabilisatoren                          Peddigrohr, Speckstein etc. und Techniken wie Zeichen und Ma-
       • Antidementiva                                                          len, Collagen, Buchbinden, Korbflechten etc. bekommen die Pa-
       • Hypnotika                                                              tient*innen die Möglichkeit, sich auszudrücken und im Tun die
       • Anxiolytika                                                            eigenen Fähigkeiten, Gefühle und Verhaltensweisen zu realisieren
       • Anticravingsubstanzen                                                  (z.B. manche Tätigkeiten beruhigen, manche machen unruhig),
                                                                                Veränderungen wahrzunehmen, das Selbstwertgefühl zu steigern
       Außer bei Hypnotika, Anxiolytika und manchen Anticravings-               und Handlungskompetenzen (wieder) zu gewinnen (z.B. bessere
     ubstanzen gibt es bei diesen Medikamenten keine Gefahr, abhängig           Konzentration, Umgang mit Frustrationen, Üben des Miteinanders
     zu werden. Die stationäre psychiatrische Behandlung wird haupt-            in der Gruppe etc.). Ergotherapie ist wesentlich mehr als „basteln“!
     sächlich mit der medikamentösen Behandlung in Verbindung ge-               Sie kann einzeln oder in Gruppen stattfinden und dabei helfen, ein
     bracht. Das ist jedoch nicht richtig. Es gibt viele weitere nicht-me-      besseres Gelingen in Alltag, Beruf und Freizeit zu ermöglichen.
     dikamentöse Behandlungsformen. Diese möchte ich hier gerne
     vorstellen:                                                                   Klinische Psychologie / Psychotherapie: Psycholog*innen und
                                                                                Psychotherapeut*innen unterstützen Patient*innen im Entwickeln
       Morgenrunde: Die täglichen morgendlichen Gesprächsrunden,                und Erweitern ihrer psychosozialen Problemlösungskapazitäten
     zu denen alle Patient*innen eingeladen sind, stellen eine Gelegen-         durch individuelles Abklären und Durcharbeiten von persönlichen
     heit dar, mit dem Stationsbetrieb besser vertraut zu werden. Man           und familiären Krisensituationen. Die Psycholog*innen bieten Ge-
     erfährt, wo man die Medikamente bekommt, wo gegessen wird,                 spräche zur Stabilisierung bei akuter psychischer Gefährdung, psy-
     man lernt die verschiedenen Berufsgruppen kennen und kann An-              chologische Beratung und Behandlung, psychologische Diagnostik,
     regungen, Wünsche und Beschwerden aus dem stationären Alltag               Biofeedback und kognitive Trainingsprogramme. Ziel ist die Ver-
     besprechen. Darüber hinaus kommt man in den Runden auch mit                besserung des Krankheitsbewusstseins und der Krankheitsbewälti-
     den anderen Patient*innen ins Gespräch und es können miteinan-             gung und die Entwicklung von Kompetenzen.
     der Lösungsmöglichkeiten für konflikthafte Situationen erarbeitet             Die Patient*innen können im Krankenhaus oft erstmals Psycho-
     werden.                                                                    therapie kennenlernen und erleben und dazu motiviert werden, im
                                                                                Anschluss an das Krankenhaus Psychotherapie im ambulanten Set-
       Aktivierungspflege: Im Rahmen der Gesundheits- und Kran-                 ting fortzuführen. Wir beraten unsere Patient*innen, wie und wo
     kenpflege gibt es sogenannte Aktivierungspflegepersonen, welche            eine Fortführung der Psychotherapie möglich ist.
     die Patient*innen begleiten und zur Selbsthilfe unterstützten, um
     den stationären Alltag zu planen, zu gestalten und Aktivitäten auch           Gruppenpsychotherapie: Psychotherapie kann im Einzel- aber
     außerhalb der Abteilung durchzuführen (Spaziergänge, Ausgänge,             auch im Gruppensetting stattfinden. Die Gruppe bietet die Mög-
     Freizeitgestaltung…). Hier wird niemand zum Aktiv-Sein gezwun-             lichkeit, über aktuelle Lebenssituationen mit anderen zu sprechen

                                                                                                                                  KONTAKT 2 • 2021

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W a S Pa S S i e r t e i g e n t l i c h i m S P i ta l ?   11
                                                                                           unter besseren sozialen Bedingungen (Regelung der finanziellen Si-
                                                                                           tuation, Wohnungssicherung, Betreuung zu Hause, Tagesbeschäf-
                                                                                           tigung/Freizeitgestaltung, Sozialkontakte, Entlastung bei Betreu-
                                                                                           ungspflichten etc.) untrennbar verbunden. Sozialarbeit bietet auch
                                                                                           konkrete Unterstützung beim Stellen von Anträgen, Behördenter-
                                                                                           minen und Vernetzung mit anderen Organisationen.

                                                                                             Fachärztliche Therapie: Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psy-
                                                                                          chotherapeutische Medizin bieten medikamentöse und nicht-me-
                                                                                          dikamentöse Therapie (psychotherapeutische Gespräche, Psycho-
                                                                                          edukation, Visiten und Einzelgespräche) sowohl in der Akutphase
                                                                                          als auch in der postakuten Stabilisierungsphase und der Remissi-
                                                                                          onsphase an. Neben der Behandlung stellen die Fachärzt*innen vor
                                                                                          allem auch wichtige Informationen und Empfehlungen im Zusam-
                                                                                          menhang mit Diagnose und Behandlung zur Verfügung. In Über-
                                                                                          einkunft mit den Patient*innen gehört die Einbeziehung der An-
                                                                                          gehörigen zu ihrem Aufgabenbereich. Fachärzt*innen unterliegen
                                                                                          der Verschwiegenheitspflicht und dürfen ohne Einwilligung der
                                                                                          Patient*innen den Angehörigen keine Auskünfte geben. In jedem
                                                                          Foto: Pixabay

                                                                                          Fall können die Ärzt*innen zuhören und ein offenes Ohr für die
                                                                                          Anliegen der Familie haben.

          und daran bisherige Lebensstrategien im Umgang mit sich und mit
          der Welt darzustellen und neue Ideen für den Umgang mit Proble-
                                                                                             ?     Frage: Ich habe oft nicht das Gefühl, als Angehörige im
                                                                                                   psychiatrischen Krankenhaus erwünscht zu sein. Ich
                                                                                          wünsche mir mehr Informationen zur Therapie und weiß nicht,
          men zu erörtern. Ziel ist, neue Möglichkeiten des Verhaltens und                wie ich umgehen soll mit meinem erkrankten Familienmitglied.
          Erlebens zu finden und auszuprobieren. Niemand wird gezwungen,                    Antwort: Wie erwähnt dürfen wir aufgrund unserer ärztlichen
          in der Gruppe reden zu müssen, man kann auch einfach zuhören                    Verschwiegenheit nur begrenzt Auskunft geben. Diese Verschwiegen-
          und sollte auch das zu viel werden, kann der Raum – auch kurz-                  heitspflicht dient dem Schutz der Patient*innen. Sie hindert uns aber
          fristig – verlassen werden. Die jeweiligen Gruppenthemen werden                 nicht grundsätzlich daran, mit den Angehörigen zu sprechen. Ich
          häufig von den Patient*innen bestimmt.                                          kann Ihnen nur raten, um ein Gespräch mit der/dem behandelnden
                                                                                          Arzt/Ärztin zu bitten – wenn notwendig auch mit Nachdruck. Wir
            Musiktherapie: Bei dieser kreativen und erlebnisorientierten                  Ärzt*innen brauchen Ihre Sichtweise als Angehörige und können
          Therapieform sind keine musikalischen Vorkenntnisse notwendig.                  diese dann in die Behandlung mit den Patient*innen einfließen las-
          Es geht nicht um musikalische „Leistungen“, man arbeitet mit leicht             sen. Wir sind oft auf die Außenanamnese angewiesen, weil wir uns
          zu handhabenden Instrumenten. Das Erzeugen von Tönen und Ge-                    erst ein Bild davon machen müssen, was insgesamt los ist. Wir ver-
          räuschen auf den Instrumenten kann dabei helfen, Zugang zu den                  suchen auch häufig, die Patient*innen zu gemeinsamen Gesprächen
          eigenen Gefühlen zu finden und sich auszudrücken. Auch über das                 zu motivieren. Wenn Sie als Angehörige den Eindruck haben, dass
          Hören von Musik kann dieser Zugang zur Gefühlswelt erlangt wer-                 die Ärzt*innen sehr wenig Zeit haben, so rate ich Ihnen, sich auf ein
          den. Ziel ist es, die eigene Befindlichkeit besser zu verstehen und             Telefonat insofern vorzubereiten, dass Sie ihre Anliegen und Informa-
          damit Veränderungen zu ermöglichen.                                             tionen kurz präzise formulieren können. Im Idealfall können gemein-
                                                                                          same Gespräche mit der erkrankten Person stattfinden. Mein Rat: Ge-
            Physiotherapie: Durch Physiotherapie sollen Funktionsstö-                     ben Sie nicht auf, Wege zu guten gemeinsamen Gesprächen zu finden.
          rungen des Bewegungsapparats vermieden werden und natürliche
          Bewegungsabläufe erhalten oder wiedergewonnen werden. Es soll                      Pflege: Die Berufsgruppe der Pflegepersonen sind rund-um-
          die optimale individuelle Bewegungs- und Schmerzfreiheit für je-                 die-Uhr vor Ort im Krankenhaus an jeder Station anwesend. Sie
          den gefunden werden. Besonders für Menschen, die ihre Körper-                    erheben, fördern und stärken die Ressourcen der Patient*innen,
          grenzen nicht gut spüren, kann die körperliche Aktivierung die                   unterstützen den Gesundungsprozess, und begleiten die Menschen
          Selbstwahrnehmung verbessern. Durch Gymnastik, Ballspiel, Ent-                   auf dem Weg in den Alltag. Unter Rücksichtnahme auf die indivi-
          spannungstechniken etc. wird versucht, über den Körper auf die                   duellen Bedürfnisse (z.B. Hilfen bei Aktivierung, Körperpflege etc.)
          Psyche einzuwirken und das Körpergefühl zu verbessern.                           werden gemeinsam Strategien erarbeitet und vorhandene Fertig-
                                                                                           keiten gestärkt).
             Sozialarbeit: Soziotherapie unterstützt und berät bei der Be-
          wältigung des Lebensalltags. Folgende Themen werden bearbeitet:                    Diätologie: An unserer Klinik gehören die Diätolog*innen
          Finanzielle Absicherung und Krankenversicherung, Wohnen, Be-                     nicht direkt zur psychiatrischen Abteilung, bieten aber ihre Kom-
          treuung, Arbeit/Beschäftigung/Freizeit, Hilfe bei Betreuungspflich-              petenzen auch für unsere Patient*innen an. Es findet individuelle
          ten, Vermittlung zu Organisationen, die nach dem Krankenhaus-                    Ernährungsberatung und -therapie statt (nicht nur bei Stoffwech-
          aufenthalt unterstützen. Mit psychischer Gesundheit ist das Leben                selerkrankungen). In Ernährungs- und Kochworkshops lernen die

          KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 11                                                                                                                                   10.05.21 20:47
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     Patient*innen das Zubereiten einfacher gesunder Nahrungsmittel,          Psychiatrischer Konsiliardienst: Auch bei Patient*innen die
     was auch zu Hause umgesetzt werden kann. Es geht darum, die            im Krankenhaus an anderen Abteilungen stationär aufgenom-
     Ernährungsempfehlungen mit dem individuellen Essverhalten in           men sind, können akute psychiatrische / psychosomatische Pro-
     Einklang zu bringen und die Genussfähigkeit zu steigern, denn eine     blemstellungen auftreten. In so einem Fall wird unser konsiliar-
     ausgewogene Ernährung hebt nicht nur das Wohlbefinden, son-            psychiatrisches Team für eine Begutachtung angefordert und
     dern trägt auch zur Genesung bei.                                      kommt zu den der Patient*innen auf die Station der jeweiligen
                                                                            Abteilung. Gemeinsam erfolgt von einer/einem Facharzt/Fachärz-
       Tagesklinik: Die tagesklinische Behandlung ist eine teilstationäre   tin mit der Pflege eine Diagnosestellung und Therapieempfeh-
     Behandlung, bei der die Patient*innen bereits zu Hause schlafen,       lungen. Das beinhaltet auch die Beratung des Teams an der Station
     tagsüber aber in der Klinik an individuell auf sie abgestimmten        bezüglich Coping, Compliance und Adhärenz von / im Umgang
     Therapieprogrammen teilnehmen. Sämtliche vorher bereits er-            mit stationären Patient*innen im interdisziplinären Team und die
     wähnten Therapieformen finden Anwendung:                               Unterstützung bezüglich ev. notwendiger Transferierung an eine
                                                                            psychiatrische Fachabteilung. Das psychiatrische Konsiliarteam
        • Ergo-,Musik-,Physio-,Ernährungs-undPsychotherapiegruppen          versteht sich als Nahtstelle zu psychosozialen Nachfolgeeinrich-
        • Pflegerische Gruppen inkl. NADA-Therapie (Ohr-Akupunktur)         tungen und nimmt Kontakt zu Psycholog*innen, Sozialarbei-
        • Sozialarbeit                                                      ter*innen und Entlassungsmanager*innen des Spitals auf bzw.
        • Ärztliche Behandlung                                              empfiehlt dies.
        • Außenaktivitäten
        • Unterstützung bei Organisation der Nachbetreuung
        • Begleitung und Coaching in Förderung und Aktivierung der
          vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten
                                                                              ?       Frage: Was ist der Unterschied zwischen einem Aufent-
                                                                                      halt in einer Rehabilitationseinrichtung für seelische
                                                                            Gesundheit und einem Aufenthalt an einer psychiatrischen
        • Weiterentwicklung der gesunden Anteile der Persönlichkeit         Abteilung?
        • Unterstützung für ein eigenständiges, erfülltes Leben im Alltag      Antwort: An einer psychiatrischen Abteilung werden Erkran-
          nach dem Krankenhaus                                              kungen im Akutzustand behandelt, um eine Stabilisierung zu er-
                                                                            langen. Dies ist nicht immer planbar. Eine Rehabilitation ist ein
       Erstbegutachtung / Krisenintervention: Kommt eine Person             langfristig geplanter Aufenthalt, indem die bereits erlangte Stabili-
     selbstständig oder mit der Rettung an unsere Abteilung, erfolgt        tät der Patient*innen weiter gefestigt werden soll und die Folgen der
     das Erstgespräch tagsüber grundsätzlich in unserer Erstbegutach-       Erkrankung behandelt werden – mit dem Ziel einer vollständigen
     tung / Krisenintervention. In diesem Gespräch werden mögliche          Genesung oder bei chronischen Erkrankungen das Erreichen eines
     Behandlungsmaßnahmen evaluiert, es erfolgt eine Begutachtung           bestmöglichen Zustandes. Ein Aufenthalt in einer Rehabilitations-
     mit Diagnoseerstellung und die Entscheidung über eine statio-          einrichtung dauert viele Wochen, ist also ein längerer Prozess, der
     näre Aufnahme oder ein ambulantes Setting. Es erfolgt, wenn ge-        an einer Akutabteilung nicht angeboten werden kann. Da es War-
     wünscht, eine Beratung in Bezug auf fachärztlich psychiatrische        tezeiten für die Teilnahme in einer Rehabilitationseinrichtung gibt,
     Behandlungsmöglichkeiten, Psychotherapie, Langzeittherapie und         gilt es die Zeit bis dahin zu überbrücken, zum Beispiel mit therapeu-
     Behandlungsoptionen im niedergelassenen Bereich.                       tischen Tageszentren, ambulanter Psychotherapie etc. •

                                                                                                                               KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 12                                                                                                                        10.05.21 20:47
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                                                                                                                                         IM GESPRÄCH
                                        „lösungen und Behandlung können nur                                                                                  belastend erlebt. Psychische Belastungen werden
                                                                                                                                                             ja als „Ausnahmezustand“ erlebt. Also auch hilflos,
                                        mit der betreffenden person gestaltet                                                                                ausgeliefert zu sein. Körper und Psyche sind eine
                                                                                                                                                             Einheit, doch wird dies nicht so gelebt.
                                        werden und nicht über sie!“                                                                                          Wie kann es gelingen, das Vertrauen von
                                                                                                                                                             menschen in schweren krisen zu gewinnen?
                                        Daniela schreyer sprach mit dem Genesungsbegleiter Franz darüber, was für ihn                                        Die Betroffenen ohne Vorbehalt zu sehen, ohne ir-
                                        eine gute Begleitung in psychischen krisensituationen ausmacht.                                                      gendwelche Diagnosen!

                                                                                                                                                             Welche rolle spielt ihrer meinung das stigma,
                                                                                                                                                             das psychischer erkrankung anhaftet, heute
                                        sie arbeiten als Genesungsbegleiter in einer               Zu wenig Therapieplätze. Alle Betroffenen sollten         noch dabei, dass menschen lange keine hilfe
                                        ambulanten einrichtung, dem psD (psycho-                   gratis Zugang zu einer Psychotherapie haben und           suchen?
                                        sozialer Dienst). Wenn sie eine gute psychiat-             wenigstens einmal pro Woche je eine Stunde!!!             Das ist leider immer noch ein großes Thema. Es hat
                                        rische Versorgung mit drei Begriffen beschrei-             Stigmatisierung. Profis meinen öfter, sie wüssten,        sich schon einiges getan und doch sind psychische
                                        ben müssten, welche Worte kommen Ihnen                     was KlientInnen brauchen, dabei ist jeder Mensch          Erkrankungen weiterhin ein Tabu. Defizitorien-
                                        da zuerst in den sinn?                                     Experte seines Lebens. Lösungen und Behandlung            tiertes Behandeln ist vorherrschend. Psychische Be-
                                        Kostenlos sein. Leicht zugänglich für alle. Willkom-       können nur mit der betreffenden Person gestaltet          lastungen sollen „weggemacht“ werden, alles soll
Foto: Pixabay

                                        men sein.                                                  werden und nicht über sie!                                wie früher sein!

                                        sie sprechen in Ihrer Tätigkeit viel mit men-              Immer wieder wird die Wichtigkeit der zwi-                Wie sprechen sie mit einem menschen, der
                                        schen, die sich in tiefen lebenskrisen befin-              schenmenschlichen Beziehung in der Betreu-                der Behandlung sehr ängstlich oder auch ab-
                                        den. Was brauchen diese, um sich in einem                  ung von menschen in psychischen Ausnahme-                 lehnend gegenübersteht?
                                        ambulanten setting gut aufgehoben zu                       zuständen betont. Welche Qualitäten sollte                Ich lasse die Menschen ihre Sorgen erzählen. Reden
                                        fühlen?                                                    diese Beziehung haben?                                    über Erfahrungen. Suchen gemeinsam nach Res-
                                        Ernstgenommen werden. Vertrauen entwickeln. In-            Empathie. Vertrauensaufbau. Gutes, echtes Zuhören.        sourcen. Oft geht es anfänglich darum, verstanden
                                        klusion trotz Krise. Jeder ist ein Teil der Gesellschaft                                                             zu werden. Und da ist jede Person sehr individuell
                                        und hat auch das Recht dazu.                               sehr häufig sind psychisch belastete men-                 unterschiedlich.
                                                                                                   schen besonders misstrauisch gegenüber der
                                        Gibt es rahmenbedingungen und umgangs-                     psychiatrischen Behandlung. Welche Gründe                 Was hat Ihnen rückblickend auf Ihre eigenen
                                        weisen im psychiatrischen Versorgungssy-                   haben diese menschen für dieses misstrauen?               krisenerfahrungen besonders geholfen bzw.
                                        stem, die Ihrer erfahrung nach einer psychi-               Die „Psychiatrie“, ist sehr negativ in der Gesellschaft   hilft Ihnen immer wieder im umgang mit
                                        schen Genesung wenig förderlich sind?                      besetzt. „Behandlungen“ werden öfter auch als sehr        krisen?
                                                                                                                                                             Natürlich alles, was ich schon in den vorherge-
                                                                                                                                                             henden Fragen gesagt habe. Darüber hinaus: Das
                                                                                                                                                             Beschäftigen mit meinen eigenen psychischen
                                                                                                                                                             Beeinträchtigungen. (Psychoedukation). Mir ein
                                                                                                                                                             umfassendes Wissen über diverse psychische Er-
                                                                                                                                                             krankungen anzueignen. Allgemeine Bildung vo-
                                                                                                                                                             rantreiben. Krisen als Möglichkeit sehen, Fortschrit-
                                                                                                                                                             te zu machen, auch wenn das oft schwer ist. Ziel ist
                                                                                                                                                             es, so oft wie möglich eine Stabilität zu erreichen,
                                                                                                                                                             also Lebensqualität und Akzeptanz trotz psychi-
                                                                                                                                                             scher Belastungen.

                                                                                                                                                               FRAnZ, hat die Ex-In-Ausbildung gemacht
                                                                                                                                                               (Menschen mit psychischen Krankheitser-
                                                                                                                                                               fahrungen werden qualifiziert, um andere
                                                                                                                                                               Menschen in solchen Krisen helfen zu können.)
                                                                                                                                                               Er arbeitet als Genesungsbegleiter bei einem
                                                                                                                                                               Psychosozialen Dienst in Niederösterreich.
                                                                                                                                                               ko n TAk T
                       Foto: Pixabay

                                                                                                                                                               Wer Fragen an Franz hat schreibt diese bitte an:
                                                                                                                                                               daniela.schreyer@hpe.at

                                       KONTAKT 2 • 2021

                Kontakt_2_2021.indd 13                                                                                                                                                                      10.05.21 20:47
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                                                 tex t: bärbel ficHtl

                          Hausbesuche mit Respekt
                            und Wertschätzung
                  therapeutische haltung und Beziehungsgestaltung im rahmen
                   der integrierten psychiatrischen Versorgung innergebirg (iVS).

                     Der kranke Mensch wird im Kontext seiner
                          Beziehungsstrukturen und Umstände
                               wahrgenommen und behandelt.
                                                                                                       Foto: Pixabay

                                                                             KONTAKT 2 • 2021

Kontakt_2_2021.indd 14                                                                     10.05.21 20:47
h a u S B e S u c h e m i t r e S P e k t u n d W e r t S c h ät z u n g                   15
                                                                                                  seiner bio-psycho-sozialen Ganzheit, schließt sowohl die psycho-
                                         PsyCHIATRIsCHe VeRsoRgung                                physiologische Ebene wie auch die geistige Dimension des Pati-
                                            gesTeRn unD HeuTe                                     enten mit ein und ist von hoher Wertschätzung geprägt. Mit diesem
                                                                                                  Zugang finden wir eine hohe Akzeptanz im sehr persönlichen Le-
                            1978 begann Italien mit der Schließung von psychiatrischen            bensbereich der betroffenen Familie und können einen Beitrag zur
                          Großanstalten und leitete damit eine Enthospitalisierungsphase ein.     Entlastung und Unterstützung des Systems leisten.
                          Hunderttausend Patienten wurden in die Freiheit entlassen. Allen          Wir unterstützen den Genesungsprozess unserer Patienten durch
                          voran stand damals der Psychiater Franco Basaglia, selbst Direktor      kontinuierliche positive Beziehungsgestaltung, medikamentöse
                          einer großen Klinik in Triest. Er prägte den Satz: „Um der Krankheit    Symptombehandlung, Familiengespräche und therapeutische In-
                          wirklich begegnen zu können, müssen wir ihr außerhalb der Insti-        terventionen. Ein Wechsel in der Betreuung findet nur in Ausnah-
                          tution begegnen.“ Damit wurde der Grundstein für eine neue Art          mefällen statt, da erfahrungsgemäß die angestrebte Stabilität nur
                          der psychiatrischen Versorgung im deutschsprachigen Raum gelegt.        durch Zuverlässigkeit und Vertrauen aufgebaut werden kann.
                          Endlich wurde versucht die Patienten in die Gesellschaft zu reinte-       Das Team leistet also eine Mischung aus Basisversorgung, Auf-
                          grieren und sie in kleinen Wohngruppen oder der eigenen Woh-            klärung, Nachsorge und falls erforderlich auch Krisenmanagement
                          nung zu versorgen. Tagesstätten und soziale Treffpunkte entstanden.     und ist Verbindungsglied zum stationären und ambulanten Bereich
                          Ambulante Versorgungskonzepte wurden neu entwickelt.                    der Klinik. Weiters besteht eine Vernetzung zu niedergelassenen
                                                                                                  Haus- und Fachärzten, sowie zur Hauskrankenpflege.

                                  eRneuTe änDeRung DeR blICkRICHTung
                                                                                                           VeRTRAuensVolle konTAkTAuFnAHme
                             Nun ist die psychiatrische Versorgung in einen weiteren Erneu-       unD HeIlsAme gesTAlTung DeR beZIeHung
                          erungsprozess eingetreten. Die meisten Fachärzte verfügen neben
                          ihrer medizinischen auch über eine umfangreiche psychotherapeu-       War zu den Anfängen der Psychotherapie und Psychoanalyse oft
                          tische Ausbildung. Dieser ganzheitliche Ansatz bildet sich auch in  eine eher abstinente Haltung des Therapeuten oder Behandlers üb-
                          der neuen Facharztbezeichnung (Psychiatrie und Psychotherapeu- lich, begann vor allem Martin Buber die „sich- aufeinander- bezie-
                          tische Medizin) ab. Die ursprüngliche Aufspaltung von Körper und    hende Begegnung“ als zentrales Element zu sehen. In einer positiv
                          Seele gehört damit der Vergangenheit an. Die Einbeziehung vieler wahrgenommenen ICH-DU-Begegnung lag für Buber die Möglich-
                          neuer Berufsfelder wie Psychologie, Psychotherapie, Sozialpädago- keit zur Veränderung. Er plädierte daher für eine gleichberechtigte
                          gik und Ergotherapie haben zu dieser Synthese ebenfalls beigetra- Beziehungsstruktur zwischen Behandler und zu Behandelndem
                          gen. Der kranke Mensch wird im Kontext seiner Beziehungsstruk- - getragen von Wärme, Akzeptanz, Eigenverantwortung und Unter-
                          turen und Umstände wahrgenommen und behandelt. Die Faktoren, stützung. Das dialogische Prinzip Martin Bubers wurde von Fritz
                          die zu einer seelischen Erkrankung führen, sind vielschichtig und Perls, dem Begründer der Gestalttherapie aufgegriffen und weiter-
                          sowohl auf einer biologischen, wie auch auf einer sozialen und psy- entwickelt. Für ihn machte die Qualität der Beziehung zwischen
                          chisch-seelischen Ebene zu sehen. Methoden aus der Traumathe- Therapeut und Klient den wichtigsten Teil des therapeutischen Pro-
                          rapie, schonende Medikation, gesundheitsfördernde Maßnahmen         zesses aus. Diesen besonderen Kontakt zwischen ICH und DU wird
                          und Bewusstseinsbildung können Menschen auch bei schweren
                          psychischen Erkrankungen in ihr seelisches Gleichgewicht bringen.
                          Dieser neue Ansatz ist gegenüber dem leidenden Menschen von
                          Hoffnung und Fürsorge geprägt und nicht wie in früheren Zeiten
                          von paternalistischen Zwang- und Machtstrukturen.                                                                                                              Foto: kSk/emminger

                                         DIe InTegRIeRTe VeRsoRgung
                                               InneRgebIRg (IVs)
                                                                                                  v.l.n.r: Bärbel Fichtl, Mag. Erich Haugeneder (klinischer Psychologe), Mag. Jennifer
                             Das interdisziplinäre Team der Integrierten Versorgung Inner-        Hrudka (klinische Psychologin), Patrick Lainer (Dipl. Pfleger), Eva Weninger (Ergo-
                          gebirg betreut komplex psychisch kranke Menschen nach einem             therapeutin), Marion Wenger (Genesungsbegleiterin).
                          Akutaufenthalt auf der Psychiatrischen Abteilung der Klinik
                          Schwarzach zuhause weiter. Als mobiles Team besuchen wir die            o ä D R In. b ä R b e l F I C H T l ,
                          Patienten in ihrer häuslichen und natürlichen Umgebung. Ein-            Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychi-
                          zugsgebiet ist der gesamte Pongau, Lungau und Pinzgau. Mit vier         atrische Abteilung der Kardinal Schwarzenberg Klinik Schwarzach,
                          Dienstautos werden von den MitarbeiterInnen pro Jahr ca. 100.000        Integrierte Versorgung Innergebirg.
                          km zurückgelegt, um Patientinnen auch in sehr entlegenen Ge-            k o n TA k T
                          genden erreichen zu können.
                                                                                                  Kardinal Scharzenberg Klinikum GmbH
                             Die Betreuung baut auf den unmittelbaren Bedürfnissen der uns        Schwarzach im Pongau
                          anvertrauten Menschen und ihrer Familien auf und ist auf einer sy-      baerbel.fichtl@ks-klinikum.at
                          stemischen Sichtweise begründet. Die Behandlung ist ressourceno-        www.kardinal-schwarzenberg-klinikum.at
                          rientiert, vielgestaltig und individuell. Sie erfasst den Menschen in
Foto: Pixabay

                          KONTAKT 2 • 2021

                Kontakt_2_2021.indd 15                                                                                                                                           10.05.21 20:47
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