KONTAKT - SOZIALPSYCHIATRISCHE ZUGÄNGE - Die Angebote der HPE finden Sie auf den letzten Seiten - VÖPP
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ZeITsCHRIFT DeR HPe ÖsTeRReICH Jahrgang 44 AusgAbe 2 2021 KONTAKT Die Angebote der HPE finden Sie auf den letzten Seiten. SOZIALPSYCHIATRISCHE ZUGÄNGE Kontakt_2_2021.indd 1 10.05.21 20:47
02 07 14 21 03 eDIToRIAl 04 Aus Den bunDeslänDeRn 07 WAs PAssIeRT eIgenTlICH Im sPITAl? Die Leiterin einer psychiatrischen Abteilung in Wien öffnet die Türen zum psychiatrischen Krankenhaus und erklärt die Abläufe und Therapieangebote von der Aufnahme der Patient*innen bis zu deren Entlassung. (Ursula Goedl-Fleischhacker) 13 „lÖsungen unD beHAnDlung kÖnnen nuR mIT DeR beTReFFenDen PeRson gesTAlTeT WeRDen unD nICHT übeR sIe!“ Daniela Schreyer sprach mit dem Genesungsbegleiter Franz über seine Erfahrungen, was eine gute psychiatrische Versorgung ausmacht. 14 HAusbesuCHe mIT ResPekT unD WeRTsCHäTZung Die Leiterin eines Teams der Integrierten Versorgung in Salzburg beschreibt therapeutische Haltungen und Beziehungsgestaltung im Rahmen dieser ambulanten Versorgung psychisch Erkrankter. (Bärbel Fichtl) . 19 „mIR WäRe DIe eInbInDung DeR PsyCHoTHeRAPIe In DIe PsyCHIATRIsCHe VeRsoRgung eIn gRosses AnlIegen.“ Der Psychiater und Psychotherapeut Wolfgang Gombas sprach mit Daniela Schreyer über Vorurteile im Kontext psychischer Erkrankungen und mögliche Auswege. 21 mITeInAnDeR FüR PsyCHIsCHe gesunDHeIT Die neue Obfrau von Pro Mente Wien spricht sich dafür aus, dass in den Leitlinien für eine Weiterentwicklung der Versorgung von psychisch erkrankten Menschen neben der medizinischen Versorgung die psychosozialen Betreuungseinrichtungen nicht vergessen werden dürfen. (Hemma Swoboda) 24 „ICH emPFeHle Den AngeHÖRIgen, sICH TäglICH eIne AuFgAbe oDeR eTWAs sCHÖnes VoRZuneHmen.“ Ingrid Steffen spricht mit der Angehörigenbloggerin Janine Berg-Peer über Einschränkungen und Chancen in der Corona-Pandemie. 26 FüR sIe gelesen 27 TeRmIne 35 HPe AngeboTe rIChTIGsTelluNG: In der letzten Ausgabe des KONTAKT ist uns leider beim Beitrag „Man muss dranbleiben.“ (Seiten 6 – 12) ein Fehler unterlaufen: Wichtige Bilder zum Verständnis des Textes wurden vergessen. Daher ist der Artikel MIT Bildern nun hier zu lesen: https://www.hpe.at/medien/zeitschrift-kontakt/zeitschrift-kontakt-detailansicht/kontakt-1-2021.html Impressum KONTAKT – Zeitschrift der HPE Österreich, Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. Dachverband der Vereinigungen von Angehörigen und Freunden. KONTAKT ist das überparteiliche Informationsorgan von HPE Österreich und vertritt die Anliegen und Interessen von Angehörigen und Freunden psychisch erkrankter Menschen. Verlagsort: Wien Verlagspostamt: 1200 Wien redaktion: Angelika Klug, Edwin Ladinser, Daniela Schreyer Versand: HPE-Sekretariat Druck: Druckerei Janetschek GmbH, Johannes Gutenberg-Straße 3-5, 3830 Waidhofen/Thaya. KONTAKT erscheint 5 mal jährlich. KONTAKT ist für Mitglieder der HPE kostenlos. mitgliedsbeitrag beträgt im Inland 33 Euro, im Ausland: 45 Euro. Bestellungen: HPE Österreich, A-1200 Wien, Brigittenauer Lände 50-54, Stiege 1, 5. OG. T 01/526 42 02. IBAN: AT13 6000 0000 0763 9443, BIC: BAWAATWW, DVr: 0652016; Zulassungs-Nr.: 02Z030102; office@hpe.at, www.hpe.at. Leserzuschriften sind uns willkommen. Wir beantworten sie in jedem Fall, behalten uns jedoch vor, sie zu kürzen bzw. nicht zu veröffentlichen. Namentlich gezeichnete Beiträge drücken die persönliche Meinung des Verfassers aus. Leserbeiträge werden nur mit Einverständnis des Verfassers mit vollem Namen gezeichnet. Titelbild: Pixabay NäChsTer reDAkTIoNssChluss: 28. juNI 2021 KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 2 10.05.21 20:47
editorial 03 Was macht ein gutes Angebot aus? M ein Sohn schwärmt von seinem neuen Therapeuten, beziehen bei der Evaluation, bei der Qualitätskontrolle Vertre- wir sind ganz glücklich, dass er ihn gefunden hat.“ ter*innen der Betroffenen, oft auch der Angehörigen ein, damit „Die Arbeit im Blumengeschäft gibt unserer Tochter auch hier die Nutzer*innen-Perspektive einfließt. Respektvoller so viel, sie steht voller Energie auf und findet die Betreuerinnen Umgang, Freundlichkeit, Entgegenkommen, ein positiver Rah- toll“ „Die Stimmung auf der neuen psychiatrischen Abteilung men u.v.m. sehen wohl fast alle psychosozialen Angebote vor, ist ganz anders als in der alten, alle sind viel freundlicher und aber wie es gelebt und vermittelt wird, ist oft sehr unterschiedlich. erstmals spricht meine Frau positiv von der Behandlung.“ „Die Die freundliche Kolleg*in am Telefon oder Empfang, die Blumen aufsuchende psychiatrische Pflege hat es geschafft, dass mein und Deko, vielleicht sogar der Kaffee haben nur bedingten Ein- Sohn Vertrauen fasst, er nimmt regelmäßig seine Medikamente fluss auf die Therapien, aber sie können wichtig sein dafür, mit und gemeinsam fahren sie zu Termi- welcher Einstellung Patient*innen nen. Besonders freut mich, dass die herangehen, oder besonders wichtig, Betreuer zwischendurch auch mich Die wichtigste Ressource einer gelun- ob sie gerne wiederkommen – und fragen, wie es läuft und ob ich et- genen psychiatrischen, psychosozia- das kann gerade bei psychischen Er- was brauche.“ Man könnte wohl ein len Versorgung ist der Mensch, der krankungen entscheidend sein. ganzes Buch mit den positiven Rück- Bei der Unterstützung und Be- meldungen der Angehörigen zu neu- verantwortungsvoll, wertschätzend handlung eines Menschen mit ei- en psychiatrischen und psychoso- und professionell für und mit den ner psychischen Erkrankung ist es zialen Angeboten füllen. Sicherlich wichtig, ja entscheidend, dass es der beleuchten sie nur eine Perspektive, Patient*innen arbeitet. helfenden Person gelingt, eine Be- aber die Stimmung und Zuversicht ziehung aufzubauen, die das Band des Patienten sowie seine Lebensqualität wirken unmittelbar auf ist, mit dem die aktuelle Krise gemeinsam bewältig werden kann. die Angehörigen. Beliebig austauschbare (so der oft sehr verstörende Eindruck) Oft sind es bewährte Konzepte, die an weiteren Orten ausge- Mitarbeiter*innen, Therapeut*innen haben alle Patient*innen baut werden, manchmal (etwas zu selten) sind es neue Konzepte, und auch Angehörige schon erlebt, jeder fängt von vorne an, kei- neue Angebote, die mit Pioniergeist und großem Engagement ner ist wirklich verantwortlich. aufgebaut werden, oder es ist der Neubau und damit oft verbun- Die wichtigste Ressource einer gelungenen psychiatrischen, den die Neuorganisation einer psychiatrischen Abteilung. Oder psychosozialen Versorgung ist der Mensch, der verantwor- ein Patient bekommt endlich zu genau jener Einrichtung Kon- tungsvoll, wertschätzend und professionell für und mit den Pa- takt, die zu seinen Bedürfnissen und seinem Bedarf passt, bei der tient*innen arbeitet. Das wünschen wir uns und diesen Wunsch er den Eindruck hat, die Menschen hier helfen mir. richten wir auch an die Zuständigen, die verantwortlichen Poli- Was diese positiv bewerteten Einrichtungen gemein haben, ist tiker*innen, die darauf zu achten haben, dass Arbeit mit Men- der wertschätzende Umgang mit Patient*innen, Angehörigen schen nicht möglichst günstig, sondern möglichst qualitätsvoll und Mitarbeiter*innen. Die Fachkompetenz und der gute Ablauf angeboten werden kann, d.h. dass genug finanzielle Mittel für müssen natürlich gegeben sein und laufend evaluiert werden. ausreichend und entsprechend qualifizierte Mitarbeiter*innen Viele Einrichtungen oder Träger von mehreren Einrichtungen zur Verfügung stehen. mAg. eDWIn lADInseR Geschäftsführer HPE Österreich k o n TA k T edwin.ladinser@hpe.at Foto: privat KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 3 10.05.21 20:47
04 AUS DEN BUNDESLÄNDERN umfrage Was macht eine gute psychiatrische Versorgung aus? bunDeslänDeR. Diese frage habe wir an die mitarbeiter*innen der HPe in ganz Österreich gestellt und folgende ant- worten erhalten: Walter, HPe OberÖSterreicH • wenn sie von den Patienten gerne und oft in Anspruch genommen wird • für Patienten leistbare Versorgung • regelmäßige Hausbesuche • Psychotherapien • stationäre Therapien • Patienten und Angehörige noch mehr einbeziehen • Patienten in dem Glauben an die eigenen Ressourcen bestärken JOy, HPe Wien aDelinDe, HPe Steiermark eine gute psychiatrische Versorgung soll…: extern (außerhalb des krankenhauses): • Angehörige mit ihren Anliegen, Wünschen, Nöten und Leiden sehen und höre. Vernetzung der verschiedenen Träger- • Offen auf Angehörige zugehen und sie als Partner/innen in der Behandlung betrachten, organisationen und einschlägig tätiger die über wichtige Erfahrungen aus dem Alltag mit der erkrankten Person verfügen. Vereine; Krisentelefon für akute Fälle, • nicht nur auf medizinische Aspekte beschränkt, sondern tatsächlich bio-psycho-sozial sein um Polizeieinsätze zu vermeiden – vor- und alle Ebenen behandeln. herige Hilfe durch ausgebildete Profis. • standardmäßig das familiäre Umfeld, die Angehörigen oder ausgewählte Personen aus Pflegedrehscheibe – Beratung auch für dem sozialen Netzwerk in die Versorgung einzubeziehen, sofern dies möglich und von psychisch Kranke; Mehr Informationen für allen Seiten gewünscht und umsetzbar ist. Betroffene und Angehörige, Zusammen- • Menschen mit einer psychischen Erkrankung IMMER fragen, ob sie Versorgungspflichten arbeit zwischen ex- und intern. haben (z.B. Kinder, zu pflegende Eltern, Haustiere...). Diese Frage MUSS standardisiert z.B. bei einer stationären Aufnahme gestellt werden. Insbesondere Kindern, aber auch dem intern (innerhalb des krankenhauses): ganzen Familiensystem (z.B. nicht erkrankter Elternteil) muss Unterstützung angeboten Psychoedukation für Angehörige und werden. Das gesamte Familiensystem braucht Unterstützung, gemeinsam und jedes Fami- Patienten wieder einführen; bei Unter- lienmitglied für sich. bringung im Rahmen des Unterbrin- • ohne Stigmatisierung, Beschämung und Bevormundung erfolgen gungsgesetzes: nicht ohne Information • die Ressourcen der Einzelnen unterstützen (bedarfsgerecht, personenzentriert, nachhaltig) der betreuenden Angehörigen, nicht • Unterstützung über alle Versorgungsarten- und -stufen anbieten: präventive und ge- ohne Vorbereitung des Patienten; sundheitsfördernde Angebote, ambulante und fachärztliche bzw. therapeutische sowie Flächendeckender Einsatz von EX-IN stationäre und nachsorgende Angebote. Angebote sollen niederschwellig, durchlässig und BeraterInnen. effektiv sein. Gut ausgebildete und reflektierte Menschen mit der entsprechenden Haltung sollen Unterstützung auf Augenhöhe anbieten und leisten. • nicht auf die Krise warten, sondern setzt so früh wie möglich an • von Kommunikation geprägt sein: professionelle Helfer/innen miteinander und mit der Klientin/dem Klienten bzw. der Patientin/dem Patienten, auf der gemeinsamen Suche nach der bestmöglichen Behandlung • orientiert sich an jenen, die Hilfe und Unterstützung am nötigsten und dringendsten brauchen, ist aber grundsätzlich für alle entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen / dem jeweiligen Bedarf da. Für alle etwas, für manche gerechtfertigt mehr, da diese auch mehr brauchen. Das ist fair. Keine/r darf zurückgelassen, vergessen werden. • stellt Angebote und lässt Menschen Zeit (für Beziehungsaufbau, fürs Sich-Einlassen, Ver- trauensaufbau), gibt aber auch Orientierung, Klarheit und zeigt Grenzen auf (z.B. UbG). SigriD, aHa! Salzburg Eine gute psychiatrische Versorgung sollte sich immer an „Recovery“ orientieren, ein Begriff, den die Sozialpsychiaterin Professor Michaela Amering wesentlich mit geprägt hat - denn (wieder) Gesund-Werden wünschen sich alle von einer psychischen Erkrankung betroffenen Menschen und ihre Angehörigen. KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 4 10.05.21 20:47
auS den BundeSländern 05 cHriStiane, HPe Wien • Im Krisenfall: Versorgung sollte optimal immer dort sein, wo sie gerade gebraucht wird, dabei natürlich niederschwellig und für jede/n erreichbar; Hausbesuche durch mobile Team, wie jetzt schon der praktische Notarzt; kleine Anlaufstellen im Grätzel nachts und an Wochenenden, ähnlich wie die Notapotheke oder derzeit die Schnupfenboxen Wien, wo man Corona-Tests machen kann. Warum finde ich interdisziplinäre Teams so wichtig? Aus meiner Sicht wäre es von er- heblichem Vorteil, wenn der/die Psychiater/in begleitet würde durch eine/n erfahrene/n Krankenpfleger/in, oder Sozialarbeiter/in oder durch eine/n Genesungsberater/in, also einer Person mit eigener Krankheits- und Psychiatrieerfahrung, aber auch mit Ausbildung. Das ist ein Modell, das erfolgreich in Berlin für die Nachbetreuung nach Psychiatrieaufent- JOSefine, HPe kärnten halten angewendet wird. Psychiater/innen haben sehr häufig ein definiertes Krankheitsbild vor Augen > Diagnose > Verschreibung von Medikamenten > möglicherweise Hospitali- Nach über 25 Jahren ehrenamtlicher sierung. Erfahrene nicht- medizinische Fachpersonen haben oft auf dem Hintergrund ihrer Arbeit für Angehörige von psychisch praktischen Erfahrungen einen mehr personenzentrierten Ansatz. Erkrankten in Kärnten urgieren wir schon seit Jahren, dass die entlegeneren Bezirke • Behandlung: Hermagor und Spittal in Kärnten West, Wenn es zu einer Aufnahme in einer psychiatrischen Versorgungseinheit kommt, ist dieser die weitläufigen Täler und entlegenen personenzentrierte Ansatz meines Erachtens sehr wichtig. Es geht darum, möglichst inten- Ortschaften noch immer unterversorgt siv auf die Person einzugehen und deren tatsächlichen Bedarf zu erfahren, statt vorder- sind. Außerdem wäre mehr Psychothera- gründige Symptome abzufragen und diese zu einer Diagnose zusammenzustellen. pie auf Krankenschein notwendig, um die Bei einer wirksamen Bedarfserhebung sollten Angehörige, die sich konstruktiv anbieten, derzeit langen Wartezeiten zu verringern. miteinbezogen werden, insbesondere wenn es um die Besprechung der Medikamente für Es fehlen (Teil-) Betreutes Wohnen für jün- zu Hause geht, da sollten Wirkungen, Nebenwirkungen, Einnahmefristen, Wirkungsketten, gere psych. Erkrankte (25 -40 Jahre) und Chancen und Gefahren unbedingt in Anwesenheit der Angehörigen, wenn vorhanden, mehr Integration bei Arbeitsprojekten mit ausführlich besprochen werden. In einem akuten Krankheitsschub ist die Aufnahmefähig- Teilzeitbeschäftigung (ohne Verlust der keit der Patient/innen oft sehr eingeschränkt (bei anderen Erkrankungen übrigens auch!) Ausgleichszulage bis zu einer bestimmten Alles ist ebenso auf den niedergelassenen Ärztebereich anwendbar. Obergrenze - als Anregung) sind dringen nötig. • Nachbetreuung nach Psychiatrieaufenthalten: Bei der Entlassung ist wichtig vorzubeugen, dass es nicht zu einer allzu abrupten Ände- es gibt aus kärnten auch viel Positives rung der Therapiegewohnheiten und -beziehungen kommt. Hier würde ich genau wie zu berichten: oben beschrieben die mobilen Teams oder Anlaufstellen im Grätzel befürworten. • Gute Angebote von Pro mente Kärnten wie Nachbetreuung, Psychotherapie, Ta- geszentren, Arbeitsprojekte, Krisenhaus, zwei Übergangsheime, Reha-Kliniken etc. • Außerdem steht ein 24 Stunden durch- gehend erreichbarer Not- und Krisen- dienst zur Verfügung. • Auch die nachgehende regelmäßige Betreuung zu Hause für schwer zu- gängliche psychisch Erkrankte ist vom Gesundheitsreferat für Kärnten WEST mit dem Team LICHTBLICK ab Juli 2020 übernommen worden, für Kärnten OST gibt es dieses Angebot mit dem „Prophe- tenteam“ schon länger. • Vor einigen Jahren gab es gute Informa- tionsveranstaltungen in diversen Schu- len der Oberstufe über den Umgang mit psychischen Erkrankungen. Ebenso sind die Seminare für junge Polizisten in Aus- bildung in Kärnten seit über 10 Jahren sehr erfolgreich angenommen worden. • Durch Öffentlichkeitsarbeit sollte noch mehr Verständnis gegenüber psychisch angelika, HPe burgenlanD kranken Menschen erreicht werden. Wir stellen jedoch positiv fest, dass seit • Zusammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung illustrationen: Freepik einiger Zeit in den Medien viele psy- • Peerberatung sowohl in ambulanten als auch in stationären Einrichtungen chische Themen gut aufgegriffen und • aufsuchende Betreuung und Behandlung behandelt werden. • Miteinbeziehen der Angehörigen, wenn PatientInnen dies wünschen und Angehörige dazu bereit sind. KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 5 10.05.21 20:47
06 auS den BundeSländern cOViD ePa cOnStance PaScal – Helen bOyle Prize corona-impfung für psychisch gewinnerin 2021: michaela Amering erkrankte menschen WIen. endlich auch einmal eine erfreuliche nachricht: Patient*innen mit psy- Der diesjährige ePa constance Pascal – chiatrischen erkrankungen Jahrgang 2005 und älter stehen seit kurzem auf der Helen boyle Prize wurde an frau Professor liste jener menschen, die in Wien vorrangig geimpft werden sollen. michaela amering verliehen. Mit einem Wert von €10.000 ist dieser Preis eine Anerkennung für außerordentliche Leistungen einer Frau im Bereich der Verbesserung von Mental Health Care in Europa. Prof. Michaela Amering ist Psychiaterin und Professorin an der sozialpsychiat- rischen Abteilung der Med-Uni Wien. Der Hauptfokus ihrer klinischen, Unter- richts- und Forschungsarbeiten liegt auf Personen mit der Diagnose Schizophrenie und deren Angehörigen. Sie propagiert Konzept und Praxis des „Trialogs“, eines Settings, das die Kommunikation und Foto: Pixabay Interaktion auf Augenhöhe zwischen Betroffenen, Angehörigen und psychoso- zialen Profis fördert. Patient*innen mit psychiatrischen Erkrankungen werden ab sofort vorrangig geimpft. zum Weiterlesen: www.europsy.net/pascal-boyle-pri- Sie können sich online unter www.impf- Unter der Hotline T 0800-555-621 kann ze/2021-winner/ service.wien oder unter der Telefonnum- man auch Fragen zur Wirksamkeit und mer 1450 anmelden und einen Impftermin Sicherheit der Impfstoffe stellen. Die Hot- Michaela ist dem Verein HPE seit den buchen – und zwar entweder im Austria line ist sieben Tage die Woche, rund um Anfängen ihrer Tätigkeit verbunden. Center oder in einem Impfzentrum (Be- die Uhr erreichbar. Die Redaktion des KONTAKT gratuliert zirksamt) in 1020, 1030, 1120, 1150, 1180, Wir freuen uns schon auf ein hoffent- herzlich! 1210 oder 1220. Sagen Sie das Ihrer/Ihrem lich baldiges Wiedersehen. Bis dahin alles Lieben weiter – aber vergessen Sie bitte Gute und bleiben Sie gesund! nicht auf sich selbst! Irene Burdich cOrOna-blOg VOn PrO mente auStria www.erstehilfefuerdieseele.at Verarbeiten wir die corona-zeit gemeinsam! psychischen Problemen nachhaltig zu ver- bessern und sie und ihr soziales Umfeld zu Pro mente Austria ist der Dachverband von unterstützen und zu stärken. 24 gemeinnützigen Organisationen, die in Österreich im psychosozialen und sozialpsy- Website des Blogs: chiatrischen Bereich tätig sind. www.erstehilfefuerdieseele.at Ziel von pro mente Austria ist es, das Leben Erfahrungsberichte und Beiträge an: und die Versorgung von Menschen mit office@promenteaustria.at KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 6 10.05.21 20:47
W a S Pa S S i e r t e i g e n t l i c h i m S P i ta l ? 07 V or trag: urSul a gOeDl-fleiScHHacker, tex t: daniela Schreyer Was passiert eigentlich im Spital? In das psychiatrische Krankenhaus kommen Menschen in psychischen Ausnahmezuständen. Die Hauptaufgaben des Krankenhauses sind es daher, Stabilität und Sicherheit anzubieten sowie das Wohlbefinden wieder zu erlangen oder zu stärken. Wir versuchen, in einem multiprofessionellen Team mit individuellen Therapiekonzepten diesem Ziel näher zu kommen. Patient*in selbst möchte. Die Entscheidung über eine stationäre WelCHe AbTeIlung IsT In WIen FüR mICH Aufnahme wird in diesem Gespräch getroffen. Wird der/die Pa- ZusTänDIg? tient*in stationär aufgenommen, erfolgt zuerst eine Aufnahmeu- ntersuchung. Neben dem psychopathologischen Status und der Bezüglich der Zuständigkeit der psychiatrischen Abteilung Anamnese werden eine Reihe von körperlichen Untersuchungen gilt die „Regionalisierung“. Die Zuständigkeit hängt von der durchgeführt: Blutabnahme, EKG, Harnuntersuchung und derzeit Meldeadresse der Patient*innen ab. Für Patient*innen ohne auch ein Covid-Abstrich. Im Aufnahmegespräch wird idealerwei- Meldeadresse in Wien ergibt sich die Zuständigkeit durch den se – wenn es der Zustand des/r Patient*in erlaubt – besprochen, Anfangsbuchstaben des Nachnamens. In Wien gibt es für die Er- welche medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien wachsenenpsychiatrie 8 Regionen, sodass die Patient*innen sich angeboten werden können, welche Untersuchungen noch geplant darauf verlassen können, immer wieder von den ihnen bereits sind und was die Ziele des Krankenhausaufenthaltes sein könnten. bekannten Behandler*innen behandelt zu werden. Mehr als 2/3 der Patient*innen kommen auf eigene Initiative ins Krankenhaus – sehr oft in Begleitung ihrer Angehörigen. 1/3 der Patient*innen werden eingewiesen – von Ärzt*innen, vom Psychosozialen ? Frage: Ist jemand in einen psychischen Ausnahmezu- stand überhaupt schon in der Lage, gleich bei der Er- stuntersuchung Ziele zu formulieren? Dienst (PSD), von Amtsärzt*innen oder bei Gefahr im Verzug Antwort: Wenn es einer Person gerade sehr schlecht geht, dann direkt von der Polizei. können als erste Ziele die Stabilisierung und der Schutz durch das Krankenhaus gesetzt werden. Wenn jemand z.B. unter Drogenein- ? Frage: Wie lange dauert der Aufenthalt an Ihrer psychi- atrischen Abteilung? Antwort: Bei uns sind die Patient*innen durchschnittlich 13 fluss steht, könnte das Ziel sein, einmal eine Nacht zur Entgiftung hier zu bleiben. Wenn jemand hochpsychotisch ist, kann er/sie als erstes z.B. die Gabe eines bestimmten Medikamentes angeboten be- Tage aufgenommen. Die individuelle Aufenthaltsdauer variiert kommen. So werden nach und nach dem Gesundheitszustand des sehr stark: Wir sehen manche Patient*innen nur wenige Stunden, Patienten angepasst immer neue Zielformulierungen getroffen, be- andere wiederum viele Wochen und auch Monate. Leider gibt es züglich dessen, was im Rahmen des stationären Aufenthaltes noch Patient*innen, die bei uns immer wieder nur kurz vorstellig werden erreicht werden sollte und kann. und keine Behandlung wollen. Aber auch hier bleiben wir dran und geben nicht auf. P R I m A R I A D R In. u R s u l A goeDl-FleIsCHHACkeR, WAs gesCHIeHT, Wenn eIne PeRson Ins kRAnkenHAus kommT? Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Abteilungsvorständin der Allgemein Psychi- Foto: privat atrischen Abteilung in der Klinik Landstraße, Wien. Kommt eine Person ins Krankenhaus, so findet zuerst ein Ge- Vorstandsmitglied (Schriftführerin) der Österreichi- spräch statt. Dieses Erstgespräch erfolgt durch Ärzt*innen und schen Fachgesellschaft für Psychiatrie, Psychothera- Pflegepersonal. Hier kann auch schon eine erste Kriseninterven- pie und Psychosomatik. tion erfolgen. k o n TA k T Im Rahmen des ärztlichen Gesprächs wird gemeinsam mit den Patient*innen überlegt, welche Therapieempfehlungen seitens ursula.goedl-fleischhacker@gesundheitsverbund.at des Krankenhauses gegeben werden können und was der/die KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 7 10.05.21 20:47
08 xxxxx Amtsarzt außerhalb des Krankenhaues festgestellt werden, dann beHAnDlung gegen Den WIllen DeR kann die betreffende Person gegen ihren Willen ins Krankenhaus PATIenT*Innen gebracht werden. Besteht Gefahr in Verzug, kann die Polizei eine Person auch unverzüglich direkt ins Krankenhaus bringen. Besteht eine ernste und erhebliche Gefahr, dann können und müssen bestimmte Maßnahmen auch ohne Einverständnis bzw. gegen den Willen des Patienten erfolgen. Hierbei handelt es sich um Freiheitsbeschränkungen, die im Rahmen der gesetzlichen ? Frage: Muss immer zuerst die Polizei gerufen werden? Antwort: Nein, in den meisten Fällen wird die Rettung ge- rufen. Die Polizei ist bei Gefahr zu rufen, d.h. bei Gewalt gegen oder Möglichkeiten des Unterbringungsgesetzes erfolgen dürfen bzw. einer anderen Gefährdung für sich und/oder andere. Die Polizei kann müssen. Die Gefährdungseinschätzung muss laufend genau be- bei Gefahr in Verzug die/den Patient*in gleich ins Krankenhaus brin- urteilt und abgewogen werden und wird regelmäßig vom Gericht gen oder die Polizeiärzt*in beiziehen. Diese/r Amtsärzt*in ist kein/e überprüft. Allgemein gilt, dass zur Abwendung einer Gefahr im- Psychiater*in, was oft beklagt wird. Es wäre gut, wenn die Amts- und mer das gelindeste Mittel verwendet werden muss. Es kann, um Gemeindeärzt*innen mehr psychiatrische Schulung hätten. eine akute Gefahr abzuwenden, unter Umständen auch ein Medi- kament verabreicht werden, z.B. eine Spritze oder eine Infusion Im Krankenhaus erfolgt dann unverzüglich die ärztliche Be- gegeben werden. gutachtung durch eine/n Facharzt/-ärztin, in der genau diese er- wähnten drei Kriterien wieder überprüft werden müssen. Der/die Das Unterbringungsgesetz ist ein Bundesgesetz und gilt für alle Arzt/Ärztin erstellt ein fachärztliches Zeugnis und erklärt den/die psychiatrischen Abteilungen in ganz Österreich. Patient*in für untergebracht, wenn eine Gefährdung nicht anders Laut § 3 UbG darf in einer psychiatrischen Abteilung nur un- abgewendet werden kann. tergebracht werden wer Der/die Patient*in muss über die Unterbringung informiert werden, was in diesen Ausnahmezuständen oft schwierig ist, 1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammen- weil Patient*innen in so einer Situation oft vieles nicht erfassen hang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben können. Der/die Patient*in kann ein zweites ärztliches Zeugnis oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefähr- einfordern, dann muss bis zum nächsten Werktag durch eine/n det und andere/n Fachärzt*in eine zweite Begutachtung erfolgen. Das 2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psy- fachärztliche Zeugnis wird unverzüglich an die Patientenanwalt- chiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder schaft und das Gericht geschickt. Diese vorläufige Unterbringung betreut werden kann. gilt drei Werktage und braucht für weitere Entscheidungen über die Dauer der Unterbringung den Beschluss des Unterbringungs- Wenn diese 3 Kriterien: 1. psychische Erkrankung, 2. im Zu- gerichtes. Dieses kommt bei uns jeden Dienstag und Freitag an sammenhang mit der Erkrankung ernstliche und erhebliche Ge- die Klinik, um zu überprüfen, ob die Freiheitsbeschränkungen fährdung für sich und/oder andere und 3. keine alternativen Be- rechtens sind. Bei der sogenannten Erstanhörung, die innerhalb handlungsmöglichkeiten zur Abwendung der Gefahr, von einem von drei Werktagen erfolgen muss, stellt das Gericht fest, ob die KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 8 10.05.21 20:47
W a S Pa S S i e r t e i g e n t l i c h i m S P i ta l ? 09 verpflichtet werden. Obdachlosigkeit ist kein Gefährdungsgrund nach dem UbG. Auch eine Behandlungsnotwendigkeit aus psychi- atrischer Sicht ist kein Grund, eine/n Patient*in weiter gegen deren Willen anzuhalten, wenn die schon erwähnten drei Kriterien nicht (mehr) gegeben sind. AusFüHRlICHe InFoRmATIonen FüR DIe PATIenT*Innen Immer wieder hört man die Aussage „Mit mir hat niemand geredet, mir hat niemand etwas gesagt.“ Im Krankenhaus arbei- ten Menschen und da passieren natürlich manchmal auch Fehler, aber grundsätzlich gehören ausführliche Informationen über alle Abläufe zum Behandlungsalltag. Nicht so selten kommt vor, dass Patient*innen sich an Gespräche, Informationen oder Erklärungen nicht mehr erinnern können. Deswegen fragen wir oft nach und besprechen die Dinge mehrmals. Alle Therapien (medikamentöse und nicht-medikamentöse), ge- Foto: Pixabay plante Untersuchungen und das Ziel des Aufenthaltes im Kranken- haus werden zum ehest möglichen Zeitpunkt immer mit der/m Pa- tient*in besprochen, auch dann (meistens mehrmals), wenn sie von den Patient*innen abgelehnt oder vergessen werden. Ebenso wer- den alle Empfehlungen für die Nachbetreuung immer besprochen, Unterbringung zulässig ist. Der/die Die Richter*in hört sich zur auch wenn sie von den Patient*innen abgelehnt oder vergessen Meinungsbildung die Aussagen der/s Patient*in, der/s Ärzt*in werden. Dieser mit den Patient*innen erstellte Plan hängt natürlich und der/s Patientenanwalt*in an. Die Patientenanwält*in ist als vom Zustand der betroffenen Person ab und kann sich im Laufe Beistand der/s Patient*in dazu ernannt, die/den Kranke/n zu ver- des Aufenthalts ändern. Wenn jemand schwer krank und vielleicht treten und insbesondere auf die Wahrung der Menschenrechte nicht in der Lage ist, alles zu erfassen, dann werden wir versuchen, zu achten. Erklärt das Gericht die Unterbringung für zulässig, so immer wieder ins Gespräch zu kommen. wird ein Sachverständigengutachten bei einer/m unabhängigen Patient*innen sollen nie ohne einen Nachbetreuungsplan aus Psychiater*in beauftragt, die/er innerhalb einer bestimmten Frist dem Krankenhaus entlassen werden. Wir versuchen bereits im feststellen muss, ob die drei Unterbringungskriterien nach wie Krankenhaus mit den nachbetreuenden Einrichtungen/Ärzt*innen vor gegeben sind und eine Empfehlung für das weitere Procedere einen Termin für die Patient*innen zu vereinbaren. Natürlich gibt geben. Spätestens 14 Tage nach Unterbringungsbeginn kommt es es immer wieder Personen, die sagen, dass sie das alles nicht brau- zur mündlichen Verhandlung, wo wieder alle Beteiligten und der/ chen. Niemand kann gezwungen werden, eine Nachbetreuung die Sachverständige gehört werden und vom Gericht eine Frist für anzunehmen. eine weitere Unterbringung festgelegt wird. Dies kann für wenige Tagen bis Wochen und auch sehr selten Monate anberaumt sein. Die behandelnden Ärzt*innen im Krankenhaus sind verpflich- ? Frage: Was passiert, wenn der Patient nicht krankenver- sichert ist, aber einen Krankenhausaufenthalt braucht? tet, laufend festzustellen, ob die drei Unterbringungskriterien wei- Antwort: Das kommt sehr häufig vor und unsere Sozialarbei- ter aufrecht sind. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, muss die Un- ter*innen sind damit vertraut. Wenn jemand nicht versichert ist, wird terbringung aufgehoben werden und diese/r Patient*in darf frei er/sie eine Rechnung für den Krankenhausaufenthalt bekommen. Un- entscheiden, ob sie/er weiter im Krankenhaus bleiben möchte. Im sere Sozialarbeiter*innen kümmern sich aber darum, eine Kranken- Idealfall gelingt es, den/die Patient*in zu einem freiwilligen Ver- versicherung zu erwirken, so dies irgendwie möglich ist. Das bedeutet, bleib zu motivieren, falls indiziert. In seltenen Fällen kommt es dass z.B. mit dem AMS Kontakt aufgenommen wird, um zu klären, vor, dass Patient*innen sich erst freiwillig aufnehmen lassen und dass es für diese/n Patient*in aufgrund der Erkrankung nicht möglich sich dann deren Zustandsbild so verschlechtert, dass eine Unter- war, die Fristen einzuhalten, etc. Angehörige müssen die Rechnungen bringung zur Abwendung einer Gefährdung notwendig wird. für ihre volljährigen Familienmitglieder vom Gesetz her nicht bezah- len. Auch wenn sich keine Versicherung erwirken lässt, gibt es Mög- ? Frage: Wenn ein Patient dann aus der Unterbringung entlassen werden muss, obwohl er z.B. nicht gesund ist oder auch keine Wohnung hat, ist das doch auch eine Gefähr- lichkeiten, dass mittellose Menschen diese Rechnungen nicht bezahlen müssen, das übernimmt dann das Krankenhaus bzw. die Stadt Wien. dung, oder? Antwort: Es sollte auf jeden Fall eine Nachbetreuung mit jeder/ THeRAPeuTIsCHe AngeboTe jedem Patient*in besprochen werden. Wenn es aber keine gesetz- liche Handhabe für einen stationären Aufenthalt gegen den Willen Medikamentöse Therapien: Es gibt nicht das eine „Psychophar- mehr gibt, kann diese/dieser Patient*in nicht zur Nachbetreuung makon“, sondern sehr unterschiedliche Gruppen von Medikamen- KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 9 10.05.21 20:47
10 XXXXX leITgeDAnken DeR AbTeIlung „Als verschiedene Berufsgruppen, die an dieser Station in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich arbeiten, empfinden wir uns als ein soziales Gebilde und arbeiten teamorientiert an einem gemeinsamen Arbeitsfeld.“ „Wir verstehen uns als Station für Menschen, die sich mit ihrer psychischen Erkrankung bei uns - unter Achtung ihrer Würde - in einer Atmosphäre des Vertrauens und der Geborgenheit aufgenommen fühlen.“ „Grundlage unseres Handelns ist die Wertschätzung aller Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres sozialen Status, ihrer Religion und ihres Alters sowie ihrer besonde- ren Bedürfnisse.“ ten mit erwünschten aber auch unerwünschten Wirkungen. Die gen, es wird aber regelmäßig aktiv nachgefragt, was jemanden z.B. wichtigsten Medikamentengruppen sind: daran hindert, sein Zimmer zu verlassen. • Antidepressiva • Antipsychotika Ergotherapie: Mit verschiedenen Materialen wie Ton, Holz, • Phasenprophylaktika / Stimmungsstabilisatoren Peddigrohr, Speckstein etc. und Techniken wie Zeichen und Ma- • Antidementiva len, Collagen, Buchbinden, Korbflechten etc. bekommen die Pa- • Hypnotika tient*innen die Möglichkeit, sich auszudrücken und im Tun die • Anxiolytika eigenen Fähigkeiten, Gefühle und Verhaltensweisen zu realisieren • Anticravingsubstanzen (z.B. manche Tätigkeiten beruhigen, manche machen unruhig), Veränderungen wahrzunehmen, das Selbstwertgefühl zu steigern Außer bei Hypnotika, Anxiolytika und manchen Anticravings- und Handlungskompetenzen (wieder) zu gewinnen (z.B. bessere ubstanzen gibt es bei diesen Medikamenten keine Gefahr, abhängig Konzentration, Umgang mit Frustrationen, Üben des Miteinanders zu werden. Die stationäre psychiatrische Behandlung wird haupt- in der Gruppe etc.). Ergotherapie ist wesentlich mehr als „basteln“! sächlich mit der medikamentösen Behandlung in Verbindung ge- Sie kann einzeln oder in Gruppen stattfinden und dabei helfen, ein bracht. Das ist jedoch nicht richtig. Es gibt viele weitere nicht-me- besseres Gelingen in Alltag, Beruf und Freizeit zu ermöglichen. dikamentöse Behandlungsformen. Diese möchte ich hier gerne vorstellen: Klinische Psychologie / Psychotherapie: Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen unterstützen Patient*innen im Entwickeln Morgenrunde: Die täglichen morgendlichen Gesprächsrunden, und Erweitern ihrer psychosozialen Problemlösungskapazitäten zu denen alle Patient*innen eingeladen sind, stellen eine Gelegen- durch individuelles Abklären und Durcharbeiten von persönlichen heit dar, mit dem Stationsbetrieb besser vertraut zu werden. Man und familiären Krisensituationen. Die Psycholog*innen bieten Ge- erfährt, wo man die Medikamente bekommt, wo gegessen wird, spräche zur Stabilisierung bei akuter psychischer Gefährdung, psy- man lernt die verschiedenen Berufsgruppen kennen und kann An- chologische Beratung und Behandlung, psychologische Diagnostik, regungen, Wünsche und Beschwerden aus dem stationären Alltag Biofeedback und kognitive Trainingsprogramme. Ziel ist die Ver- besprechen. Darüber hinaus kommt man in den Runden auch mit besserung des Krankheitsbewusstseins und der Krankheitsbewälti- den anderen Patient*innen ins Gespräch und es können miteinan- gung und die Entwicklung von Kompetenzen. der Lösungsmöglichkeiten für konflikthafte Situationen erarbeitet Die Patient*innen können im Krankenhaus oft erstmals Psycho- werden. therapie kennenlernen und erleben und dazu motiviert werden, im Anschluss an das Krankenhaus Psychotherapie im ambulanten Set- Aktivierungspflege: Im Rahmen der Gesundheits- und Kran- ting fortzuführen. Wir beraten unsere Patient*innen, wie und wo kenpflege gibt es sogenannte Aktivierungspflegepersonen, welche eine Fortführung der Psychotherapie möglich ist. die Patient*innen begleiten und zur Selbsthilfe unterstützten, um den stationären Alltag zu planen, zu gestalten und Aktivitäten auch Gruppenpsychotherapie: Psychotherapie kann im Einzel- aber außerhalb der Abteilung durchzuführen (Spaziergänge, Ausgänge, auch im Gruppensetting stattfinden. Die Gruppe bietet die Mög- Freizeitgestaltung…). Hier wird niemand zum Aktiv-Sein gezwun- lichkeit, über aktuelle Lebenssituationen mit anderen zu sprechen KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 10 10.05.21 20:47
W a S Pa S S i e r t e i g e n t l i c h i m S P i ta l ? 11 unter besseren sozialen Bedingungen (Regelung der finanziellen Si- tuation, Wohnungssicherung, Betreuung zu Hause, Tagesbeschäf- tigung/Freizeitgestaltung, Sozialkontakte, Entlastung bei Betreu- ungspflichten etc.) untrennbar verbunden. Sozialarbeit bietet auch konkrete Unterstützung beim Stellen von Anträgen, Behördenter- minen und Vernetzung mit anderen Organisationen. Fachärztliche Therapie: Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psy- chotherapeutische Medizin bieten medikamentöse und nicht-me- dikamentöse Therapie (psychotherapeutische Gespräche, Psycho- edukation, Visiten und Einzelgespräche) sowohl in der Akutphase als auch in der postakuten Stabilisierungsphase und der Remissi- onsphase an. Neben der Behandlung stellen die Fachärzt*innen vor allem auch wichtige Informationen und Empfehlungen im Zusam- menhang mit Diagnose und Behandlung zur Verfügung. In Über- einkunft mit den Patient*innen gehört die Einbeziehung der An- gehörigen zu ihrem Aufgabenbereich. Fachärzt*innen unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und dürfen ohne Einwilligung der Patient*innen den Angehörigen keine Auskünfte geben. In jedem Foto: Pixabay Fall können die Ärzt*innen zuhören und ein offenes Ohr für die Anliegen der Familie haben. und daran bisherige Lebensstrategien im Umgang mit sich und mit der Welt darzustellen und neue Ideen für den Umgang mit Proble- ? Frage: Ich habe oft nicht das Gefühl, als Angehörige im psychiatrischen Krankenhaus erwünscht zu sein. Ich wünsche mir mehr Informationen zur Therapie und weiß nicht, men zu erörtern. Ziel ist, neue Möglichkeiten des Verhaltens und wie ich umgehen soll mit meinem erkrankten Familienmitglied. Erlebens zu finden und auszuprobieren. Niemand wird gezwungen, Antwort: Wie erwähnt dürfen wir aufgrund unserer ärztlichen in der Gruppe reden zu müssen, man kann auch einfach zuhören Verschwiegenheit nur begrenzt Auskunft geben. Diese Verschwiegen- und sollte auch das zu viel werden, kann der Raum – auch kurz- heitspflicht dient dem Schutz der Patient*innen. Sie hindert uns aber fristig – verlassen werden. Die jeweiligen Gruppenthemen werden nicht grundsätzlich daran, mit den Angehörigen zu sprechen. Ich häufig von den Patient*innen bestimmt. kann Ihnen nur raten, um ein Gespräch mit der/dem behandelnden Arzt/Ärztin zu bitten – wenn notwendig auch mit Nachdruck. Wir Musiktherapie: Bei dieser kreativen und erlebnisorientierten Ärzt*innen brauchen Ihre Sichtweise als Angehörige und können Therapieform sind keine musikalischen Vorkenntnisse notwendig. diese dann in die Behandlung mit den Patient*innen einfließen las- Es geht nicht um musikalische „Leistungen“, man arbeitet mit leicht sen. Wir sind oft auf die Außenanamnese angewiesen, weil wir uns zu handhabenden Instrumenten. Das Erzeugen von Tönen und Ge- erst ein Bild davon machen müssen, was insgesamt los ist. Wir ver- räuschen auf den Instrumenten kann dabei helfen, Zugang zu den suchen auch häufig, die Patient*innen zu gemeinsamen Gesprächen eigenen Gefühlen zu finden und sich auszudrücken. Auch über das zu motivieren. Wenn Sie als Angehörige den Eindruck haben, dass Hören von Musik kann dieser Zugang zur Gefühlswelt erlangt wer- die Ärzt*innen sehr wenig Zeit haben, so rate ich Ihnen, sich auf ein den. Ziel ist es, die eigene Befindlichkeit besser zu verstehen und Telefonat insofern vorzubereiten, dass Sie ihre Anliegen und Informa- damit Veränderungen zu ermöglichen. tionen kurz präzise formulieren können. Im Idealfall können gemein- same Gespräche mit der erkrankten Person stattfinden. Mein Rat: Ge- Physiotherapie: Durch Physiotherapie sollen Funktionsstö- ben Sie nicht auf, Wege zu guten gemeinsamen Gesprächen zu finden. rungen des Bewegungsapparats vermieden werden und natürliche Bewegungsabläufe erhalten oder wiedergewonnen werden. Es soll Pflege: Die Berufsgruppe der Pflegepersonen sind rund-um- die optimale individuelle Bewegungs- und Schmerzfreiheit für je- die-Uhr vor Ort im Krankenhaus an jeder Station anwesend. Sie den gefunden werden. Besonders für Menschen, die ihre Körper- erheben, fördern und stärken die Ressourcen der Patient*innen, grenzen nicht gut spüren, kann die körperliche Aktivierung die unterstützen den Gesundungsprozess, und begleiten die Menschen Selbstwahrnehmung verbessern. Durch Gymnastik, Ballspiel, Ent- auf dem Weg in den Alltag. Unter Rücksichtnahme auf die indivi- spannungstechniken etc. wird versucht, über den Körper auf die duellen Bedürfnisse (z.B. Hilfen bei Aktivierung, Körperpflege etc.) Psyche einzuwirken und das Körpergefühl zu verbessern. werden gemeinsam Strategien erarbeitet und vorhandene Fertig- keiten gestärkt). Sozialarbeit: Soziotherapie unterstützt und berät bei der Be- wältigung des Lebensalltags. Folgende Themen werden bearbeitet: Diätologie: An unserer Klinik gehören die Diätolog*innen Finanzielle Absicherung und Krankenversicherung, Wohnen, Be- nicht direkt zur psychiatrischen Abteilung, bieten aber ihre Kom- treuung, Arbeit/Beschäftigung/Freizeit, Hilfe bei Betreuungspflich- petenzen auch für unsere Patient*innen an. Es findet individuelle ten, Vermittlung zu Organisationen, die nach dem Krankenhaus- Ernährungsberatung und -therapie statt (nicht nur bei Stoffwech- aufenthalt unterstützen. Mit psychischer Gesundheit ist das Leben selerkrankungen). In Ernährungs- und Kochworkshops lernen die KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 11 10.05.21 20:47
12 xxxxx Foto: Pixabay Patient*innen das Zubereiten einfacher gesunder Nahrungsmittel, Psychiatrischer Konsiliardienst: Auch bei Patient*innen die was auch zu Hause umgesetzt werden kann. Es geht darum, die im Krankenhaus an anderen Abteilungen stationär aufgenom- Ernährungsempfehlungen mit dem individuellen Essverhalten in men sind, können akute psychiatrische / psychosomatische Pro- Einklang zu bringen und die Genussfähigkeit zu steigern, denn eine blemstellungen auftreten. In so einem Fall wird unser konsiliar- ausgewogene Ernährung hebt nicht nur das Wohlbefinden, son- psychiatrisches Team für eine Begutachtung angefordert und dern trägt auch zur Genesung bei. kommt zu den der Patient*innen auf die Station der jeweiligen Abteilung. Gemeinsam erfolgt von einer/einem Facharzt/Fachärz- Tagesklinik: Die tagesklinische Behandlung ist eine teilstationäre tin mit der Pflege eine Diagnosestellung und Therapieempfeh- Behandlung, bei der die Patient*innen bereits zu Hause schlafen, lungen. Das beinhaltet auch die Beratung des Teams an der Station tagsüber aber in der Klinik an individuell auf sie abgestimmten bezüglich Coping, Compliance und Adhärenz von / im Umgang Therapieprogrammen teilnehmen. Sämtliche vorher bereits er- mit stationären Patient*innen im interdisziplinären Team und die wähnten Therapieformen finden Anwendung: Unterstützung bezüglich ev. notwendiger Transferierung an eine psychiatrische Fachabteilung. Das psychiatrische Konsiliarteam • Ergo-,Musik-,Physio-,Ernährungs-undPsychotherapiegruppen versteht sich als Nahtstelle zu psychosozialen Nachfolgeeinrich- • Pflegerische Gruppen inkl. NADA-Therapie (Ohr-Akupunktur) tungen und nimmt Kontakt zu Psycholog*innen, Sozialarbei- • Sozialarbeit ter*innen und Entlassungsmanager*innen des Spitals auf bzw. • Ärztliche Behandlung empfiehlt dies. • Außenaktivitäten • Unterstützung bei Organisation der Nachbetreuung • Begleitung und Coaching in Förderung und Aktivierung der vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten ? Frage: Was ist der Unterschied zwischen einem Aufent- halt in einer Rehabilitationseinrichtung für seelische Gesundheit und einem Aufenthalt an einer psychiatrischen • Weiterentwicklung der gesunden Anteile der Persönlichkeit Abteilung? • Unterstützung für ein eigenständiges, erfülltes Leben im Alltag Antwort: An einer psychiatrischen Abteilung werden Erkran- nach dem Krankenhaus kungen im Akutzustand behandelt, um eine Stabilisierung zu er- langen. Dies ist nicht immer planbar. Eine Rehabilitation ist ein Erstbegutachtung / Krisenintervention: Kommt eine Person langfristig geplanter Aufenthalt, indem die bereits erlangte Stabili- selbstständig oder mit der Rettung an unsere Abteilung, erfolgt tät der Patient*innen weiter gefestigt werden soll und die Folgen der das Erstgespräch tagsüber grundsätzlich in unserer Erstbegutach- Erkrankung behandelt werden – mit dem Ziel einer vollständigen tung / Krisenintervention. In diesem Gespräch werden mögliche Genesung oder bei chronischen Erkrankungen das Erreichen eines Behandlungsmaßnahmen evaluiert, es erfolgt eine Begutachtung bestmöglichen Zustandes. Ein Aufenthalt in einer Rehabilitations- mit Diagnoseerstellung und die Entscheidung über eine statio- einrichtung dauert viele Wochen, ist also ein längerer Prozess, der näre Aufnahme oder ein ambulantes Setting. Es erfolgt, wenn ge- an einer Akutabteilung nicht angeboten werden kann. Da es War- wünscht, eine Beratung in Bezug auf fachärztlich psychiatrische tezeiten für die Teilnahme in einer Rehabilitationseinrichtung gibt, Behandlungsmöglichkeiten, Psychotherapie, Langzeittherapie und gilt es die Zeit bis dahin zu überbrücken, zum Beispiel mit therapeu- Behandlungsoptionen im niedergelassenen Bereich. tischen Tageszentren, ambulanter Psychotherapie etc. • KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 12 10.05.21 20:47
XXXXXXXX 13 13 IM GESPRÄCH „lösungen und Behandlung können nur belastend erlebt. Psychische Belastungen werden ja als „Ausnahmezustand“ erlebt. Also auch hilflos, mit der betreffenden person gestaltet ausgeliefert zu sein. Körper und Psyche sind eine Einheit, doch wird dies nicht so gelebt. werden und nicht über sie!“ Wie kann es gelingen, das Vertrauen von menschen in schweren krisen zu gewinnen? Daniela schreyer sprach mit dem Genesungsbegleiter Franz darüber, was für ihn Die Betroffenen ohne Vorbehalt zu sehen, ohne ir- eine gute Begleitung in psychischen krisensituationen ausmacht. gendwelche Diagnosen! Welche rolle spielt ihrer meinung das stigma, das psychischer erkrankung anhaftet, heute sie arbeiten als Genesungsbegleiter in einer Zu wenig Therapieplätze. Alle Betroffenen sollten noch dabei, dass menschen lange keine hilfe ambulanten einrichtung, dem psD (psycho- gratis Zugang zu einer Psychotherapie haben und suchen? sozialer Dienst). Wenn sie eine gute psychiat- wenigstens einmal pro Woche je eine Stunde!!! Das ist leider immer noch ein großes Thema. Es hat rische Versorgung mit drei Begriffen beschrei- Stigmatisierung. Profis meinen öfter, sie wüssten, sich schon einiges getan und doch sind psychische ben müssten, welche Worte kommen Ihnen was KlientInnen brauchen, dabei ist jeder Mensch Erkrankungen weiterhin ein Tabu. Defizitorien- da zuerst in den sinn? Experte seines Lebens. Lösungen und Behandlung tiertes Behandeln ist vorherrschend. Psychische Be- Kostenlos sein. Leicht zugänglich für alle. Willkom- können nur mit der betreffenden Person gestaltet lastungen sollen „weggemacht“ werden, alles soll Foto: Pixabay men sein. werden und nicht über sie! wie früher sein! sie sprechen in Ihrer Tätigkeit viel mit men- Immer wieder wird die Wichtigkeit der zwi- Wie sprechen sie mit einem menschen, der schen, die sich in tiefen lebenskrisen befin- schenmenschlichen Beziehung in der Betreu- der Behandlung sehr ängstlich oder auch ab- den. Was brauchen diese, um sich in einem ung von menschen in psychischen Ausnahme- lehnend gegenübersteht? ambulanten setting gut aufgehoben zu zuständen betont. Welche Qualitäten sollte Ich lasse die Menschen ihre Sorgen erzählen. Reden fühlen? diese Beziehung haben? über Erfahrungen. Suchen gemeinsam nach Res- Ernstgenommen werden. Vertrauen entwickeln. In- Empathie. Vertrauensaufbau. Gutes, echtes Zuhören. sourcen. Oft geht es anfänglich darum, verstanden klusion trotz Krise. Jeder ist ein Teil der Gesellschaft zu werden. Und da ist jede Person sehr individuell und hat auch das Recht dazu. sehr häufig sind psychisch belastete men- unterschiedlich. schen besonders misstrauisch gegenüber der Gibt es rahmenbedingungen und umgangs- psychiatrischen Behandlung. Welche Gründe Was hat Ihnen rückblickend auf Ihre eigenen weisen im psychiatrischen Versorgungssy- haben diese menschen für dieses misstrauen? krisenerfahrungen besonders geholfen bzw. stem, die Ihrer erfahrung nach einer psychi- Die „Psychiatrie“, ist sehr negativ in der Gesellschaft hilft Ihnen immer wieder im umgang mit schen Genesung wenig förderlich sind? besetzt. „Behandlungen“ werden öfter auch als sehr krisen? Natürlich alles, was ich schon in den vorherge- henden Fragen gesagt habe. Darüber hinaus: Das Beschäftigen mit meinen eigenen psychischen Beeinträchtigungen. (Psychoedukation). Mir ein umfassendes Wissen über diverse psychische Er- krankungen anzueignen. Allgemeine Bildung vo- rantreiben. Krisen als Möglichkeit sehen, Fortschrit- te zu machen, auch wenn das oft schwer ist. Ziel ist es, so oft wie möglich eine Stabilität zu erreichen, also Lebensqualität und Akzeptanz trotz psychi- scher Belastungen. FRAnZ, hat die Ex-In-Ausbildung gemacht (Menschen mit psychischen Krankheitser- fahrungen werden qualifiziert, um andere Menschen in solchen Krisen helfen zu können.) Er arbeitet als Genesungsbegleiter bei einem Psychosozialen Dienst in Niederösterreich. ko n TAk T Foto: Pixabay Wer Fragen an Franz hat schreibt diese bitte an: daniela.schreyer@hpe.at KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 13 10.05.21 20:47
14 XXXXX tex t: bärbel ficHtl Hausbesuche mit Respekt und Wertschätzung therapeutische haltung und Beziehungsgestaltung im rahmen der integrierten psychiatrischen Versorgung innergebirg (iVS). Der kranke Mensch wird im Kontext seiner Beziehungsstrukturen und Umstände wahrgenommen und behandelt. Foto: Pixabay KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 14 10.05.21 20:47
h a u S B e S u c h e m i t r e S P e k t u n d W e r t S c h ät z u n g 15 seiner bio-psycho-sozialen Ganzheit, schließt sowohl die psycho- PsyCHIATRIsCHe VeRsoRgung physiologische Ebene wie auch die geistige Dimension des Pati- gesTeRn unD HeuTe enten mit ein und ist von hoher Wertschätzung geprägt. Mit diesem Zugang finden wir eine hohe Akzeptanz im sehr persönlichen Le- 1978 begann Italien mit der Schließung von psychiatrischen bensbereich der betroffenen Familie und können einen Beitrag zur Großanstalten und leitete damit eine Enthospitalisierungsphase ein. Entlastung und Unterstützung des Systems leisten. Hunderttausend Patienten wurden in die Freiheit entlassen. Allen Wir unterstützen den Genesungsprozess unserer Patienten durch voran stand damals der Psychiater Franco Basaglia, selbst Direktor kontinuierliche positive Beziehungsgestaltung, medikamentöse einer großen Klinik in Triest. Er prägte den Satz: „Um der Krankheit Symptombehandlung, Familiengespräche und therapeutische In- wirklich begegnen zu können, müssen wir ihr außerhalb der Insti- terventionen. Ein Wechsel in der Betreuung findet nur in Ausnah- tution begegnen.“ Damit wurde der Grundstein für eine neue Art mefällen statt, da erfahrungsgemäß die angestrebte Stabilität nur der psychiatrischen Versorgung im deutschsprachigen Raum gelegt. durch Zuverlässigkeit und Vertrauen aufgebaut werden kann. Endlich wurde versucht die Patienten in die Gesellschaft zu reinte- Das Team leistet also eine Mischung aus Basisversorgung, Auf- grieren und sie in kleinen Wohngruppen oder der eigenen Woh- klärung, Nachsorge und falls erforderlich auch Krisenmanagement nung zu versorgen. Tagesstätten und soziale Treffpunkte entstanden. und ist Verbindungsglied zum stationären und ambulanten Bereich Ambulante Versorgungskonzepte wurden neu entwickelt. der Klinik. Weiters besteht eine Vernetzung zu niedergelassenen Haus- und Fachärzten, sowie zur Hauskrankenpflege. eRneuTe änDeRung DeR blICkRICHTung VeRTRAuensVolle konTAkTAuFnAHme Nun ist die psychiatrische Versorgung in einen weiteren Erneu- unD HeIlsAme gesTAlTung DeR beZIeHung erungsprozess eingetreten. Die meisten Fachärzte verfügen neben ihrer medizinischen auch über eine umfangreiche psychotherapeu- War zu den Anfängen der Psychotherapie und Psychoanalyse oft tische Ausbildung. Dieser ganzheitliche Ansatz bildet sich auch in eine eher abstinente Haltung des Therapeuten oder Behandlers üb- der neuen Facharztbezeichnung (Psychiatrie und Psychotherapeu- lich, begann vor allem Martin Buber die „sich- aufeinander- bezie- tische Medizin) ab. Die ursprüngliche Aufspaltung von Körper und hende Begegnung“ als zentrales Element zu sehen. In einer positiv Seele gehört damit der Vergangenheit an. Die Einbeziehung vieler wahrgenommenen ICH-DU-Begegnung lag für Buber die Möglich- neuer Berufsfelder wie Psychologie, Psychotherapie, Sozialpädago- keit zur Veränderung. Er plädierte daher für eine gleichberechtigte gik und Ergotherapie haben zu dieser Synthese ebenfalls beigetra- Beziehungsstruktur zwischen Behandler und zu Behandelndem gen. Der kranke Mensch wird im Kontext seiner Beziehungsstruk- - getragen von Wärme, Akzeptanz, Eigenverantwortung und Unter- turen und Umstände wahrgenommen und behandelt. Die Faktoren, stützung. Das dialogische Prinzip Martin Bubers wurde von Fritz die zu einer seelischen Erkrankung führen, sind vielschichtig und Perls, dem Begründer der Gestalttherapie aufgegriffen und weiter- sowohl auf einer biologischen, wie auch auf einer sozialen und psy- entwickelt. Für ihn machte die Qualität der Beziehung zwischen chisch-seelischen Ebene zu sehen. Methoden aus der Traumathe- Therapeut und Klient den wichtigsten Teil des therapeutischen Pro- rapie, schonende Medikation, gesundheitsfördernde Maßnahmen zesses aus. Diesen besonderen Kontakt zwischen ICH und DU wird und Bewusstseinsbildung können Menschen auch bei schweren psychischen Erkrankungen in ihr seelisches Gleichgewicht bringen. Dieser neue Ansatz ist gegenüber dem leidenden Menschen von Hoffnung und Fürsorge geprägt und nicht wie in früheren Zeiten von paternalistischen Zwang- und Machtstrukturen. Foto: kSk/emminger DIe InTegRIeRTe VeRsoRgung InneRgebIRg (IVs) v.l.n.r: Bärbel Fichtl, Mag. Erich Haugeneder (klinischer Psychologe), Mag. Jennifer Das interdisziplinäre Team der Integrierten Versorgung Inner- Hrudka (klinische Psychologin), Patrick Lainer (Dipl. Pfleger), Eva Weninger (Ergo- gebirg betreut komplex psychisch kranke Menschen nach einem therapeutin), Marion Wenger (Genesungsbegleiterin). Akutaufenthalt auf der Psychiatrischen Abteilung der Klinik Schwarzach zuhause weiter. Als mobiles Team besuchen wir die o ä D R In. b ä R b e l F I C H T l , Patienten in ihrer häuslichen und natürlichen Umgebung. Ein- Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychi- zugsgebiet ist der gesamte Pongau, Lungau und Pinzgau. Mit vier atrische Abteilung der Kardinal Schwarzenberg Klinik Schwarzach, Dienstautos werden von den MitarbeiterInnen pro Jahr ca. 100.000 Integrierte Versorgung Innergebirg. km zurückgelegt, um Patientinnen auch in sehr entlegenen Ge- k o n TA k T genden erreichen zu können. Kardinal Scharzenberg Klinikum GmbH Die Betreuung baut auf den unmittelbaren Bedürfnissen der uns Schwarzach im Pongau anvertrauten Menschen und ihrer Familien auf und ist auf einer sy- baerbel.fichtl@ks-klinikum.at stemischen Sichtweise begründet. Die Behandlung ist ressourceno- www.kardinal-schwarzenberg-klinikum.at rientiert, vielgestaltig und individuell. Sie erfasst den Menschen in Foto: Pixabay KONTAKT 2 • 2021 Kontakt_2_2021.indd 15 10.05.21 20:47
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