Gebremster Tatendrang - Südtiroler Wirtschaftszeitung
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SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Gebremster Tatendrang KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Bozen – Die Nachrichten, die ins wirtschaftlich boomende Südtirol hereinschwappen, sind nicht gerade ermutigend: Das für Südtirol so wichtige Deutschland laboriert an einem konjunkturellen Schnupfen, Italien leidet unter anhaltend hohem Fieber, und die Weltwirtschaft hat sich – nicht zuletzt aufgrund von protektionistischen Gelüsten mancher Staatslenker – eine Grippe eingefangen. Und weil Südtirol keine Insel ist, herrscht Ansteckungsgefahr. Noch geben sich die Wirtschaftstreibenden im Lande aber gelassen. Eine wirklich schmerzhafte konjunkturelle Abkühlung befürchten sie nicht, schon gar nicht eine Krise. Seit das Wifo der Handelskammer im Sommer sein jüngstes Wirtschaftsbarometer veröffentlicht hat, ist diesbezüglich alles unverändert geblieben. Am ehesten wird in manch überhitzter Branche mit einer Normalisierung gerechnet. Selbst aus der Baubranche, der von mancher Seite schwierige Zeiten prophezeit werden, sobald die touristische Investitionswelle der vergangenen Jahre abklingt und das neue Raumordnungsgesetz in Kraft tritt, verlautet Optimismus: In Südtirol könnten die Aufträge zwar weniger werden, sagt ein Bauunternehmer im Gespräch mit der SWZ, aber im benachbarten Belluno zeichnen sich dank Olympia 2026 in Cortina interessante Aufträge ab. Der Tatendrang der heimischen Wirtschaftstreibenden ist ungebrochen. Nur zwei Faktoren geben ihnen zu denken: 1) Die Mitarbeiter: An Aufträgen und Marktchancen mangelt es nicht. Vielmehr lässt der akute Mitarbeitermangel die Wirtschaftstreibenden zögern, manche Chance zu ergreifen. Sie wissen, dass ihre Leistungsträger eh schon am Limit des Zumutbaren sind, und wollen den Bogen nicht überspannen. Gleichzeitig müssen sie sich damit abfinden, dass immer mehr Junge, die ins Arbeitsleben einsteigen, ein etwas anderes Verhältnis zur Arbeit haben als die Generation zuvor und dem Job nicht alles andere unterordnen. 2) Die Bürokratie: Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Blüte wird die Sinnhaftigkeit von ständig neuen Auflagen und unverhältnismäßigen Verboten übereifriger Bürokraten nicht objektiv genug hinterfragt, klagen Wirtschaftstreibende. Das raube den Unternehmen viel Energie und nehme auch hungrigen Jungunternehmern die Lust an der Selbstständigkeit. Irgendwann könnte dieser Schuss nach hinten losgehen. Edition: 41-19 Pflegeleicht KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Vor exakt einem Jahr diskutierte Südtirol über den Ausgang der Landtagswahl. Neben dem Freiheitlichen-Absturz und dem Köllensperger-Aufstieg war vor allem der Megaerfolg der Lega das beherrschende Thema. Dass die Lega gut abschneiden würde, war erwartet worden. Aber so gut? Im Windschatten von Kapitän Matteo Salvini hatten es gleich vier – weitgehend unbekannte – Leghisti in den Landtag geschafft. Urplötzlich war die Lega die neue Volkspartei der Italiener. Der Rest ist bekannt: Die SVP koalierte mit der Lega, unter Bauchweh und Buhrufen. Passiert ist gar nichts. So polarisierend Parteichef Salvini ist, so gemäßigt sind die hiesigen Lega-Landtagsmandatare. Bisher waren sie sogar pflegeleichter als die früheren PD-Partner. Mal sehen, ob sich das ändert, wenn der Gemeindewahlkampf beginnt und die Lega in Bozen angreift.(cp) Edition: 41-19 Seite 1 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Wer schluckt das Geld? KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Bozen – Die Landesregierung schnürt in diesen Wochen den Landeshaushalt für 2020. Unterm Strich wird er ein bisschen schmäler ausfallen als jene von 2018 und 2019, trotzdem handelt es sich um einen üppigen Landeshaushalt, weil Südtirols Wirtschaft boomt und die Südtiroler recht brav ihre Steuern zahlen. Doch die Üppigkeit scheint nicht zu reichen: Hinter den Kulissen läuft der Verteilungskampf, und am Ende werden nicht alle Landesräte zufrieden sein mit dem Kuchenstück, das ihnen Landeshauptmann und Finanzlandesrat Arno Kompatscher zugesteht – oder besser: zugestehen kann. Trotz hohen Steuerdrucks reichen die Mittel in den öffentlichen Haushalten nicht „Wir müssen gemeinsam mittel- und langfristig Prioritäten setzen“, hat der Landeshauptmann wissen lassen. Und das obwohl die Steuereinnahmen „stabil bzw. leicht ansteigend“ seien. Anders ausgedrückt: Obwohl der Fiskus den Bürgern und Unternehmen tief in die Tasche langt, kann sich das Land nicht alles leisten, was es sich leisten möchte bzw. was es in den Augen der Bürger leisten sollte. Wenn der Landeshaushalt aber in wirtschaftlich guten Zeiten nicht reicht, wann dann? Während sich das Land bemüht, mit den verfügbaren Mitteln auszukommen, hat der italienische Staat dies längst aufgegeben. Für 2020 plant die Regierung Conte eine Neuverschuldung von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das sind gut 37 Milliarden Euro, die auf den Schuldenberg von rund 2.400 Milliarden draufgepackt werden. Trotz unerträglicher Steuerlast – man plant 2020 mit einem Steueraufkommen von weit über 500 Milliarden Euro – kommt der Staat mit den Einnahmen nicht aus und lebt auf Kosten künftiger Generationen – so wie er es seit Jahrzehnten tut. Dass die prognostizierte Neuverschuldung nicht noch höher ausfällt, liegt an buchhalterischen Kunstgriffen. Zum Beispiel wird die Ende November fällige Steuervorauszahlung von 100 auf 90 Prozent herabgesetzt, um 2020 höhere Einnahmen verbuchen zu können. Löhne reichen nicht, klagen Arbeitnehmer. Margen sind zu niedrig, stöhnen Arbeitgeber Es ist beängstigend, dass das Land kaum und der Staat nicht mit den Steuereinnahmen auskommen, obwohl der Steuerdruck enorm ist. Bürger und Unternehmen stöhnen unter diesem Druck. Die Gier des Fiskus sorgt dafür, dass bei den Arbeitnehmern zu wenig Netto vom Brutto bleibt. In Kombination mit der Knausrigkeit der Arbeitgeber ergebe das unzureichende Löhne, klagen Arbeitnehmer. Die Arbeitgeber ihrerseits halten dagegen: Mehr geht nicht, zu erdrückend sind die Steuern, zu hoch die Kosten, zu gering die Margen. Seite 2 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Alles wird teurer, schimpfen die Konsumenten. Es ist nichts mehr zu verdienen, seufzen die Unternehmen. So wie die öffentliche Hand über Geldsorgen klagt, so tun dies auch Bürger und Unternehmen. Und die Pensionskassen haben ebenfalls ein Problem, weil der demographische Wandel das Verhältnis zwischen Leistungsträgern und Leistungsempfängern gefährlich verschiebt. Gestiegene Ansprüche, veränderte Rahmenbedingungen, verschwendete Ressourcen An allen Ecken und Enden scheint das Geld zu fehlen. Wie kann das sein in einer so reichen Gesellschaft? Wo ist das Geld geblieben? Was läuft da falsch? Es ist nicht einfach, Antworten zu finden. Ein paar Vermutungen kristallisieren sich im Gespräch mit Experten dann doch heraus: 1) Das Streben nach Mehr: Die individuellen Ansprüche sind gestiegen, die Ansprüche an das Leben und Wohnen, aber auch die Ansprüche in Richtung öffentliche Hand. „Dieses Streben nach Verbesserung liegt in der Natur des Menschen und ist im Grunde positiv, denn es ist ein Treiber des Fortschritts“, sagt Georg Lun, der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo der Handelskammer Bozen. 2) Die geschwundene Dynamik: Solange die Wirtschaft stark wuchs, solange mehr Junge nachkamen, als es Alte gab, solange von Generation zu Generation das Ausbildungsniveau und somit auch die Jobs besser wurden, solange die Märkte noch nicht gesättigt waren, konnte das Wachsen der Ansprüche gut aufgefangen werden. „Unsere Gesellschaft hat nicht mehr die Dynamik der 1960er- und 1970er-Jahre, auch weil wir mittlerweile ein extrem hohes Niveau erreicht haben“, so Lun. „Die Rahmenbedingungen haben sich geändert“, drückt es Stefan Perini, der Direktor des Arbeitsförderungsinstitutes Afi, etwas anders aus, meint im Grunde aber dasselbe. 3) Die Verteuerung der „Rechte“: Die Finanzierbarkeit der „Rechte“, sprich der Leistungen, welche die öffentliche Hand den Bürgern in dynamischen Zeiten zugestanden hat, wird schwieriger, wenn die öffentlichen Haushalte nicht mehr wachsen wie früher. Auch deshalb, weil sich parallel die demographische Struktur zuungunsten der öffentlichen Haushalte verändert. Beispielsweise müssen die Renten-, Gesundheits- und Sozialsysteme die Rechnung mit immer mehr Leistungsempfängern machen, sagt Perini. „Das setzt die öffentlichen Haushalte unter Stress“, analysiert Mirco Tonin, Professor an der Freien Universität Bozen unibz. Wenn die laufenden Kosten schneller steigen als die öffentlichen Haushalte in ihrer Gesamtheit, ist ein härter werdender Verteilungskampf die logische Folge, so Lun. 4) Die Kosten des Erfolgs: Die wachsenden (öffentlichen) Kosten sind auch unserem eigenen Erfolg geschuldet, so unibz- Professor Tonin. Wenn die Menschen heute länger leben und länger gesund bleiben als je zuvor, dann ist das eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte – aber auch eine Herausforderung für das Pensionssystems. Selbiges gilt für den medizinischen Fortschritt, der Therapien möglich macht, die früher undenkbar waren – aber eben auch teuer sind. 5) Die Globalisierung: Die Öffnung der Märkte hat zu Kostendruck, Lohndruck und Wettbewerbsdruck geführt, sagt Perini. 6) Die Kosten des Kapitals: Je größer der Kapitalstock ist, desto mehr Investitionen braucht es, um diesen Kapitalstock zu erhalten, erinnert Stefan Perini an die Harrod-Domar-Wirtschaftstheorie. Die Instandhaltung von Infrastrukturen und Gebäuden verschlingt viel Geld. 7) Die stagnierende Produktivität: „Unsere Arbeitsproduktivität stagniert seit 20 Jahren“, meint Tonin. Dies, so der unibz- Professor, sei bei gleichzeitig wachsenden Ansprüchen und wachsenden Kosten durch die demographische Entwicklung problematisch. 8) Die ineffiziente Verwendung der Ressourcen: Die Ressourcen, die über Steuereinnahmen in den öffentlichen Haushalten landen, werden nicht effizient genug eingesetzt, kritisiert Tonin. In den 1960er- und 1970er-Jahren hätte das muntere Wachstum von Wirtschaft und öffentlichen Haushalten diese Schwäche überdeckt, jetzt funktioniere das nicht Seite 3 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 mehr. Tonin sagt: „Ich vermisse an der Politik – auch in Südtirol – den Mut, öffentliche Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Auch hierzulande haben wir viele Förderungen, die nichts oder wenig bringen.“ Wenn die öffentliche Hand über den Steuerdruck massiv Ressourcen abschöpfe und dann ineffizient einsetze, sei das desaströs. Tonin nennt auch ein Beispiel aus der internationalen Armutsbekämpfung und erwähnt die drei Ökonomen Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer, die jüngst den Wirtschaftsnobelpreis erhalten haben. Sie haben festgestellt, dass die Schulbildung in armen Ländern nicht mit einer höheren Lehreranzahl verbessert wird, sondern mit einem (deutlich günstigeren) Wurmmittel für die Kinder, weil das die Schulabsenzen drastisch senkt. 9) Die ungleiche Umverteilung: „Das Geld fehlt nicht, es gelangt nur nicht in den Wirtschaftskreislauf“, wagt Stefan Perini eine globale Betrachtung. Nie zuvor habe es so viel Vermögen gegeben. Aber weil dieses Vermögen ungleich verteilt sei, werde es von den Vermögenden gehortet. Dass das Zinsniveau trotz aller Gegenmaßnahmen der Zentralbanken so tief sei, habe nicht zuletzt damit zu tun, dass es zu viel Erspartes gibt, das nicht investiert wird, sagt Perini. Ist unser Wirtschaftssystem an seine Grenzen gelangt? „Die Grundphilosophie stimmt nach wie vor. Aber das Wirtschaftssystem ist ein bisschen vom idealen Pfad abgekommen“, sagt Perini. Und abseits des Idealpfades wird das Geld offensichtlich knapp. Edition: 41-19 Am besten mit Bett KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Bozen – Im Tourismus ist es seit jeher gang und gäbe: Mitarbeiter erhalten vom Arbeitgeber eine Unterkunft. Das ist laut Kollektivvertrag für Beherbergungsbetriebe vorgesehen. „Bei Nichtbeherbergungsbetrieben ist das nicht so, ist aber häufig Teil der Lohnverhandlungen“, sagt Wilfried Albenberger, Leiter der HGV-Personalberatung. Insbesondere sei das in touristisch stark entwickelten Gebieten der Fall, wenn Mitarbeiter von außerhalb kommen und die Wohnungssituation vor Ort eine schwierige sei. Etwa 77 Euro können Arbeitgeber im Tourismus laut Kollektivvertrag ihren Vollzeitmitarbeitern monatlich für Unterkunft und Verpflegung vom Lohn abziehen. Mancher Touristiker findet den Betrag – auch angesichts der steigenden Qualität der Unterkünfte – als zu gering. Andernorts, etwa der Schweiz oder Deutschland, sind die Summen höher. Denn waren bis vor einigen Jahren Zwei- oder manchmal auch Mehrbettzimmer üblich, deren Ausstattung und Lage nicht immer die beste waren, so hat sich in den vergangenen Jahren, wohl aufgrund des zunehmenden Mitarbeitermangels, einiges getan. „Inzwischen versucht man immer mehr Einzelzimmer zu gewähren – dies um die Privatsphäre und die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter zu gewährleisten“, formuliert es Albenberger. Es gibt touristische Betriebe, gerade größere, die bereits seit Jahren eigene Mitarbeiterhäuser unterhalten. Zum größten Teil Seite 4 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 finden sich die Zimmer der Mitarbeiter jedoch im Betriebsgebäude selbst. Aber der Platzbedarf steigt ständig, zum einen durch die vermehrte Einzelzimmer-Gewährung, zum anderen weil durch die wachsende Anzahl von höheren Sterne- Einstufungen immer mehr Mitarbeiter benötigt werden. Deshalb befinden sich die Unterkünfte immer häufiger nicht mehr nur im Betriebsgebäude, sondern es werden zusätzliche Räumlichkeiten gekauft (eher selten) oder angemietet. „Es gibt zum Beispiel im Gadertal mehrere Unternehmer, die sich zusammengetan und gemeinsam ein Gebäude zur Unterbringung der Mitarbeiter angemietet haben“, erzählt Albenberger. Durch Mitarbeiterunterkünfte wettbewerbsfähiger werden Auch abseits des Tourismus sind Mitarbeiterunterkünfte bzw. die Bereitstellung derselben ein immer größeres Thema. So mietet etwa die Gasser BROThers & Co. KG bereits seit einigen Jahren Wohnungen für die Unterbringung von Mitarbeitern in der Umgebung des Produktions- standorts der Bäckerei und Konditorei in Lüsen an. „Aktuell sind das drei Wohnungen in verschiedenen Größen, in denen insgesamt rund zehn Mitarbeiter wohnen“, sagt Firmeninhaber Christian Gasser. Dazu zählen etwa die drei Lehrlinge, die von außerhalb Lüsens stammen und die – aufgrund der Arbeitszeiten und der nicht vorhandenen Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr nach 19 Uhr abends – keine Möglichkeit hätten, an ihren Arbeitsort zu gelangen. Oder die beiden Flüchtlinge, die anfangs in öffentlichen Einrichtungen untergebracht waren, aber durch den Erhalt eines Arbeitsvertrages auf „eigenen Füßen“ stehen müssen. Oder die zwei „Austausch-Bäcker“ aus Deutschland. „Würden wir die Unterkünfte nicht anbieten, hätten wir wegen des Standorts und der Situation am Wohnungsmarkt keine Chance, Mitarbeiter zu finden“, unterstreicht Gasser. Ein positiver Nebeneffekt des Zusammenlebens der Mitarbeiter sei, „dass sich Teamgeist entwickelt, weil in der Gemeinschaftsküche gemeinsam gekocht, ‚geratscht‘, gelacht wird“. „Würden wir die Unterkünfte nicht anbieten, hätten wir wegen des Standorts und der Situation am Wohnungsmarkt keine Chance, Mitarbeiter zu finden.“ Für Mitarbeiter, die andernorts wohnen, aber einen vergleichsweise langen Anfahrtsweg haben, wurden im kürzlich errichteten neuen Betriebsgebäude von Gasser zudem einige Ruheräume eingerichtet. „Dadurch können sie zum Beispiel bei ungünstigen Witterungsverhältnissen schon abends nach Lüsen fahren, sich hier noch einige Stunden ausruhen und dann um 2 Uhr mit der Arbeit beginnen“, sagt Gasser, betont zugleich aber auch, dass er eigentlich Unterkünfte errichten wollte, was jedoch wegen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht machbar war. „Ich bin der Überzeugung, dass diesbezüglich Gesetzesänderungen notwendig sind. Denn man muss von Betrieb zu Betrieb differenzieren“, so Gasser. „Es ist ein Unterschied, ob ich meine Schicht um 2 Uhr oder um 7 Uhr beginne, oder ob ich meine Firma in Lüsen oder in Bozen habe, wo es ausreichend Wohnraum und potenzielle Arbeitskräfte in der Umgebung gibt.“ Das Angebot der Mitarbeiterwohnungen werde er bei Bedarf noch weiter ausbauen, sagt Gasser. „Denn sonst haben wir keine Möglichkeiten zu wachsen.“ Seite 5 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 In Südtirol ein Thema, andernorts keines Ähnlich ist es beim Bozner Gerüstbauer Zerbini GmbH. „Seit zwei, drei Jahren spüren wir in Südtirol eine stark steigende Nachfrage“, sagt Martina Zerbini. „Seitdem benötigen wir für unsere Mitarbeiter von außerhalb oder die Mitarbeiter der für uns arbeitenden Handwerksbetriebe aus anderen Provinzen Unterkünfte, insbesondere in der Zeit von März bis November.“ Sie habe unzählige Telefonate geführt, um eine geeignete Einrichtung zu finden, denn für einen „normalen“ Mietvertrag sei die Zeit zu kurz, für einen touristischen zu lange. Fündig geworden sei sie schließlich bei einer Residence im Unterland, dort habe sie derzeit ein Apartment für vier Personen angemietet. Am Zerbini-Standort in der Provinz Verona sei die Unterbringung der Mitarbeiter dagegen kein Thema für das Unternehmen. Weil es jedoch in Südtirol immer wesentlicher werde, habe man im Familienbetrieb auch schon angedacht, eine Wohnung anzukaufen. „Ob wir das dann tatsächlich tun, haben wir noch nicht entschieden“, so Zerbini. Unternehmenswohnungen sind möbliert und „serviced“ Das Pusterer Unternehmen Intercable, tätig in den Bereichen Automotive, Elektro und Sport, hat diesen Schritt bereits hinter sich. Es stellt seinen Mitarbeitern seit 2010 Wohnungen in Bruneck zur Verfügung, es handelt sich um vier Ein- und drei Zweizimmerapartments. „2018 ist dann ein ganzes Kondominium mit acht Wohnungen, sechs Ein- und zwei Zweizimmerwohnungen, dazugekommen“, erzählt Intercable-Geschäftsführer Klaus Mutschlechner. Die Entscheidung zum Bau der Wohnanlage sei aus Notwendigkeit getroffen worden. „Intercable allein hat in den vergangenen drei Jahren ca. 250 neue Mitarbeiter in Bruneck eingestellt, darunter auch einige hoch qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland bzw. aus anderen Bezirken“, führt Mutschlechner aus. „Darüber hinaus hat Intercable neue Werke in der Slowakei und in China aufgebaut und dadurch den Bedarf, Unterkünfte für Mitarbeiter von anderen Standorten, welche regelmäßig hier in Bruneck ausgebildet werden, zu gewährleisten.“ In diesem Sinne seien die Intercable-Apartments vollständig möbliert bzw. eingerichtet und „serviced“, die Räumlichkeiten werden also regelmäßig gereinigt und die Wäsche gewechselt. Zwar wohnen in den Wohnungen vor allem Fachkräfte, doch auch andere Mitarbeiter können darin unterkommen. „Es geht nicht um ‚Organigramm-Priorität‘“, so Mutschlechner, „sondern um Bedarf.“ Durch die Maßnahme wolle man die Attraktivität als Arbeitgeber steigern, insbesondere für Arbeitskräfte von außerhalb des Pustertals. „Überbrückung von anfänglichen finanziellen oder logistischen Herausforderungen“ Die Sterzinger Leitner-Gruppe verspricht sich durch „ihr“ Wohnungsangebot ebenso Wettbewerbsvorteile am Arbeitsmarkt. „Genauso wie eine einfachere und schnelle Integration“, erklärt Alexander P. Ploner, Leiter Personalmanagement von Seite 6 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Leitner. „Zudem überbrücken wir damit die anfänglichen finanziellen oder logistischen Herausforderungen.“ Seit etwa zehn Jahren stellt Leitner Mitarbeitenden Unterkünfte in verschiedenen Apartmenthäusern oder Ferienwohnungen zur Verfügung, aktuell sind es ca. 40 Mitarbeiter, die das Angebot wahrnehmen. Es ist ausgerichtet auf Arbeitnehmer aller Ebenen. „Angefangen vom Praktikanten bis hin zum Management“, sagt Ploner und ergänzt, „mit unterschiedlichen befristeten Laufzeiten und der teilweisen Möglichkeit der anschließenden direkten Anmietung.“ Ein Ausbau des Angebots sei nicht geplant, wohl aber qualitative Verbesserungen. Auch Immobilienentwickler passen sich dem Trend an. So soll beispielsweise in Bozen Süd 2021 eine Wohnanlage fertiggestellt werden, die – wie es in der Eigenbeschreibung heißt – „ganz auf die Bedürfnisse von Angestellten und Arbeitern der Wirtschaftszone in Bozen Süd ausgerichtet“ ist. So sollen etwa Wohnungen auf Zeit angeboten werden. Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Unterkunft zur Verfügung stellen, die nicht nur zu Arbeitszwecken, sondern auch in der Freizeit oder während des Urlaubs genutzt wird, dann muss sich das in irgendeiner Form auf die Lohnberechnung niederschlagen. „Eine Möglichkeit ist das figurative Ausweisen des geldwerten Vorteils in der Lohnabrechnung“, erklärt Arbeitsrechtsberater Josef Tschöll. Für ein Zimmer betrage der Katasterwert – heruntergerechnet auf die private Nutzung – beispielsweise circa 50 bis 60 Euro monatlich. „Wenn die Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, dann handelt es sich um ein sogenanntes fringe benefit, eine betriebliche Zusatzleistung, die sowohl sozial- als auch einkommensteuerpflichtig ist“, so Tschöll. Möglich sei es auch, dem Mitarbeiter die anteilige private Nutzung in Rechnung zu stellen bzw. vom Gehalt abzuziehen. Welche Lösung Arbeitgeber auch wählen, fest steht, dass Mitarbeiterunterkünfte quer durch alle Branchen im Trend liegen bzw. ein notwendiges Angebot sind, um überhaupt qualifizierte Mitarbeiter zu erhalten. Edition: 41-19 Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung: Am Anfang war das Mindset KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Bozen – E-Government ist als Begriff wenig greifbar. Als abstrakte politische Versprechung geistert er hierzulande in Maßnahmenpaketen umher. Manchmal auch auf Wahlplakaten. Auf der Website der Provinz Bozen wird unter dem Schlagwort „Digitale Verwaltung“ die Strategie in diesem Bereich zusammengefasst: „Die Strukturen aller öffentlichen Verwaltungen auf regionaler, provinzialer und kommunaler Ebene, die Verwendung von Finanzmitteln und der Ablauf von Arbeitsprozessen müssen einem umfassenden Bürokratiecheck unterzogen und auf neue Grundlagen gestellt werden. Mit dem Projekt ‚Verwaltungsinnovation 2018‘ sollen eine gut funktionierende Organisation, vollständig digitalisierte und Seite 7 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 effiziente Prozesse und ein gezielter ökonomischer Einsatz der Mittel sichergestellt werden.“ Genannt werden auch Ziele wie „innovativer verwalten mit mehr Effizienz“, „interne und externe Vernetzung“ oder „online schneller, transparenter und näher am Bürger“ und auch geplante Maßnahmen wie die „Verwaltungsmodernisierung mit E-Government“. Doch was steckt hinter diesen Worthülsen? Wie weit fortgeschritten ist der Wandel in der öffentlichen Verwaltung? Ist sie überhaupt bereit für die digitale Transformation? Am Mittwoch stellten sich Expert*innen diesen und ähnlichen Fragen bei der Veranstaltung „Fit for digital“ in der Eurac in Bozen, darunter Stefan Gasslitter, Direktor der Südtiroler Informatik AG Siag. Die Siag ist der öffentliche IT-Dienstleister Südtirols. Eigentümer sind die Landesverwaltung, der Südtiroler Gemeindenverband und die Region Trentino-Südtirol. „Sicher läuft nicht alles rund“, zeigt sich Gasslitter selbstkritisch. Oft sei zudem die Frustration groß, denn die Siag müsse viel Überzeugungsarbeit leisten. „Jede Veränderung ist schwierig. Wir müssen jeden Tag Kämpfe austragen.“ Dennoch stellt er Südtirol insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Anhand fünf großer Themen könne man ableiten, wo sich die Provinz auf der Reise zur digitalen Verwaltung befindet. Digitale ID als Basis Das erste sei die digitale Identität. In Italien wurde dazu das Sistema Pubblico di Identità Digitale (SPID) eingeführt. Südtirol habe dieses konsequenter umgesetzt als andere. Gasslitter geht davon aus, dass rund zwölf Prozent der Bevölkerung derzeit über einen Zugang verfügen. Um die Verbreitung anzukurbeln, gibt es derzeit eine Kampagne („SPID dich ein“), die SPID activation days sowie ein Projekt mit Maturaklassen. Auch auf der Herbstmesse werden Bürgerinnen einen Zugang aktivieren können. Ziel ist es, die digitale Identität in den einzelnen Gemeinden gemeinsam mit der Identitätskarte auszugeben. Dass beim SPID mit Dritten zusammengearbeitet wurde, nennt Gasslitter einen „Geburtsfehler“. Dieser könne womöglich erst durch die Einführung einer elektronischen Identitätskarte behoben werden, wie sie von der neuen Regierung geplant ist. Paul Schäfer, Präsident der Sektion ICT im Unternehmerverband Südtirol betont: „Die digitale ID ist eine zentrale Notwendigkeit, sozusagen die Basis, um überhaupt weiterzukommen.“ Als Vorbild nennt Schäfer Estland. Die Bevölkerung des EU-Mitglieds muss für kaum einen Amtsgang noch wirklich ins Amt gehen, sondern kann das Allermeiste von zu Hause aus erledigen. Julia Tappeiner studiert Internationale Beziehungen mit Schwerpunk Russland in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Von ihren Freunden weiß sie um die Vorzüge der sogenannten Bürgerkarte. Selbst die digitale Abstimmung bei Nationalwahlen ist damit möglich. Bei den Parlamentswahlen in diesem Jahr gaben mehr als 40 Prozent der Wählerinnen ihre Stimme von zu Hause aus ab. In Südtirol hingegen, sagt Tappeiner, fehle es bereits an der Infrastruktur. Eine stabile und schnelle Internetanbindung müsse gewährleistet sein, bevor die Services ausgebaut werden. „Als Studentin wünsche ich mir zum Beispiel, mich in ein Café setzen und dort über Wifi arbeiten zu können. In Bozen fehlen mir solche Orte.“ Von Estland abschauen könnten wir uns laut Tappeiner auch die nutzerfreundliche Gestaltung der Websites. „Die Handhabung ist sehr intuitiv, auch deshalb sind die E-Services gut in die Gesellschaft integriert.“ Ein zentrales Melderegister für höhere Datenqualität Neben der digitalen Identität sehen sowohl Gasslitter als auch Schäfer ein zentrales Melderegister als besonders wichtig an. In Italien wurde im ersten Semester 2019 bereits die Hälfte der Bevölkerung über ANPR (Anagrafe Nazionale Persone Residenti) verwaltet. Südtirol wartet derzeit noch auf die deutsche Übersetzung des Registers. Bis Ende 2020 soll es aktiv Seite 8 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 sein. Möglich werden mit ihm zum Beispiel automatisierte Wohnortswechsel, außerdem erhöht sich die Datenqualität. Nicht nur das Melderegister soll in Zukunft durch die Zentralisierung besser funktionieren. Die gesamte IT-Infrastruktur ist in Italien derzeit dezentralisiert. 11.000 Datacenter für die öffentliche Verwaltung gibt es übers Land verstreut. Mittlerweile werden diese in Kategorien eingestuft, wobei gewisse Kategorien nicht mehr ausgebaut werden dürfen. Ziel ist die Konsolidierung der Datacenter, doch viele Details sind weiterhin unklar. Südtirol hat seinen angestrebten Weg in der Agenda 2020 festgelegt. Angestrebt ist ein einzelnes Datacenter in Bozen. „So weit wie möglich werden bei dieser Konsolidierung auch gleich einheitliche Basissysteme gewählt und Dienste aus der Cloud bevorzugt“, erklärt Gasslitter. Die Siag sei in den vergangenen Jahren bereits konsequent zum IT-Service-Provider umgebaut worden, um auch eine Konsolidierung der Lösungen voranzutreiben. Derzeit wickle die Siag mehr als 360 IT-Services für die öffentliche Verwaltung in Südtirol ab. Als positives Beispiel auf nationaler Ebene nennen Gasslitter und Schäfer PagoPa, das System für die Zahlungen an die öffentliche Verwaltung. Anfang dieses Jahres wurde die elektronische Rechnung auch für Unternehmen eingeführt. „Sie ist einzigartig in Europa und zeigt, wie ein zentral organisierter Dienst funktionieren kann“, sagt Schäfer. Eine lange Reise Stichwort Europa: Auch die EU drängt auf mehr Digitalisierung und will die Mitgliedsstaaten zu Treibern machen. Bürokratie soll durch das Prinzip der einmaligen Erfassung („once only“) reduziert werden. Heute funktioniert dieses noch nicht einwandfrei. Wer zum Beispiel in Italien seinen Pass verlängern möchte, muss sich mit seinem SPID anmelden, um dann abermals alle Daten eintragen zu müssen, die eigentlich schon bekannt sind. Genau solche doppelten Abfragen sollten in Zukunft vermieden werden. Einen Baustein bildet dabei das „Single Digital Gateway“, das zentrale digitale Zugangstor. Dieses fungiert als Schnittstelle auf EU-Ebene und bietet Zugang zu Websites der Union und der einzelnen Mitgliedsstaaten. Auf lokaler Ebene baut die Siag ebenfalls einen einheitlichen Zugang aus, der unter mycivis bekannt ist. Mehr als 100 Dienste wurden bisher integriert, heuer zum Beispiel die Schuleinschreibungen und die Stellenwahl der Lehrer*innen. Insgesamt gibt es in Südtirol rund 1.200 derartige Verwaltungsverfahren. „Die Reise ist noch lang“, bestätigt Gasslitter. Edition: 41-19 Bombe am Verdiplatz in Bozen – wer zahlt? KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Bozen – Sonntag, 20. Oktober, Ausnahmezustand mitten in Bozen. 4.000 Anwohner müssen aus der sogenannten roten Zone evakuiert werden. In deren Zentrum entschärfen Experten eine amerikanische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Seite 9 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Seitdem die Bombe bei Bauarbeiten am 9. Oktober gefunden wurde, laufen die Vorbereitungen für diesen Tag auf Hochtouren. Der Zivilschutzalarm informiert die Bevölkerung schließlich über den Beginn der Entschärfung. 250 Kilogramm bringt der Sprengkörper auf die Waage. In einem so dicht besiedelten Gebiet würde sie einen immensen Schaden anrichten, sollte sie detonieren. Mittwoch, 9. Oktober, die Bombe wird am Verdiplatz bei Bauarbeiten entdeckt. Der Fund an sich ist für Bozen kein Novum. Bereits zum fünften Mal durchläuft die Gemeinde Bozen das Procedere, sagt SVP-Stadtrat und Vizebürgermeister Luis Walcher. Neu ist allerdings der Fundort, denn der liegt zum ersten Mal nicht in einer isolierten Baustelle, sondern inmitten einer Hauptverkehrsachse der Landeshauptstadt. In der Folge müssen Umleitungen eingerichtet werden, Staus stehen auf der Tagesordnung. Um diesen Zustand schnellstmöglich wieder zu beenden, drängt die Gemeinde auf eine rasche Entschärfung. Für diese müssen allerdings Richtlinien der Nato eingehalten werden, erklärt Günther Walcher, Direktor des Landesamtes für Zivilschutz. So müssen Bomben zwingend bei Tageslicht entschärft und gewisse Zonen im Umkreis evakuiert werden. Für den Sonntag spricht, dass an diesem Tag kein Lastkraftwagenverkehr unterwegs ist und auch weniger Geschäfte und Gastbetriebe schließen müssen als an einem anderen Tag. Um den Evakuierungsradius zu minimieren, entscheidet sich die Einsatzleitung dafür, einen Schutzdamm aus Erde rund um die Fundstelle zu errichten. Mit LKW wird der dafür nötige Sand nach Bozen gebracht. Die Kosten dafür trägt das italienische Heer. Kaum Kosten für die Gemeinde Bozen „Allerdings hat die Gemeinde beschlossen, zusätzliche LKW einzusetzen“, sagt Vizebürgermeister Walcher. Allein mit jenen des Heeres würde sich die Entschärfung um eine weitere Woche verzögern. Kostenpunkt: 10.000 bis 12.000 Euro. Außerdem wird für 500 Euro ein Auto aus Deutschland angemietet, das mit Lautsprechern ausgestattet ist. Dieses zirkuliert am Tag der Entschärfung durch die Straßen der roten Zone, um eventuell in den Häusern zurückgebliebene Personen auf die Evakuierung aufmerksam zu machen. „Das sind die einzigen Kosten, für die die Gemeinde aufkommt“, so Walcher. Alle weiteren Spesen würden das Heer bzw. die beteiligten Organisationen tragen. 24 bildeten die Einsatzleitung, darunter das Regierungskommissariat, der Bevölkerungsschutz, die Carabinieri und das Rote Kreuz. Sie mussten ihre Dienstpläne so anpassen, dass am Sonntag genügend Personal zur Verfügung stand. Insgesamt waren mehr als 600 Personen und über 200 Fahrzeuge im Einsatz. Ob und wie viel die Waltherpark AG als Baustellenbetreiber bezahlen muss, ist hingegen unklar. „Wir stehen in kontinuierlichem Austausch mit der Gemeinde“, sagt deren gesetzlicher Vertreter Heinz Peter Hager. „Oberste Priorität war die rasche Entschärfung und Öffnung der Straße für den Verkehr.“ Menschenleerer Waltherplatz Indirekte Kosten seien der Waltherpark AG durch die Bauverzögerung entstanden. Und auch andere Unternehmen, Geschäfte und Gaststätten mussten Einbußen durch die Evakuierung und die damit einhergehende Schließung hinnehmen. In der roten Zone, also in einem Umkreis von 500 Metern vom Fundort, dauerte diese von 6.30 Uhr bis 8.30 Uhr. Um 8.45 Uhr wurde der Strom abgestellt. Im Umkreis von 1.830 Metern, der sogenannten gelben Zone, mussten die Anwohnerinnen Seite 10 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 in ihren Wohnungen bleiben. So kam es, dass normalerweise stark frequentierte Orte wie der Waltherplatz am Sonntagvormittag menschenleer blieben. Erst am Nachmittag öffneten die Bars und Geschäfte in der Gegend. Auch das Einkaufszentrum Twenty blieb bis 13 Uhr geschlossen. Auf einen Schadenersatz dürfen die Unternehmerinnen allerdings nicht hoffen. Ein Bombenfund und die damit einhergehenden Maßnahmen gelten als höhere Gewalt, etwaige Ausfälle werden deshalb nicht kompensiert. Der menschenleere Waltherplatz am Tag der Entschärfung (Foto: Gemeinde Bozen) Geschlossen blieben neben den Geschäften und Gaststätten auch Sportanlagen und Kultureinrichtungen. Der Bozner Stadtlauf „City Trail“ musste aus diesem Grund um einen Tag vorverlegt werden. Dessen Initiator, das Bozner Verkehrsamt, schloss am Sonntag ebenfalls seine Tore, kümmerte sich jedoch im Vorfeld um ein Programm für jene Touristen, die von der Evakuierung betroffen waren. Zur Auswahl standen ursprünglich zwei Ausflüge: eine Dolomitenrundfahrt und eine Herbstwanderung über den Salten. Aufgrund der Witterung wurde die Wanderung abgesagt. Deshalb nahmen alle 45 angemeldeten Personen an der Rundfahrt teil. Die Kosten für Bus und Führung in Höhe von rund 600 Euro übernahm das Verkehrsamt Bozen. Weitere Kosten seien keine entstanden, teilte das Verkehrsamt auf Nachfrage mit. Wer zahlt, wenn die Bombe auf einem privaten Grundstück liegt? Die Entschärfung ging reibungslos über die Bühne. Eine große Unbekannte bleibt jedoch: Wie viele Bomben liegen noch im Untergrund verborgen? Eine Frage, auf die keiner eine Antwort weiß. Der Bozner Bahnhof war als Verkehrsknotenpunkt ein beliebtes Ziel der Alliierten. In seiner Nähe finden sich deshalb immer wieder nicht explodierte Sprengkörper, so etwa 2008 bei den Bauarbeiten für die Talstation der Rittner Seilbahn. Aber auch private Bauherren waren bereits betroffen, zum Beispiel die Südtiroler Volksbank. 2013 beim Bau des neuen Hauptsitzes in der Schlachthofstraße kam ein Bombenteil zum Vorschein. In Deutschland müssen in solchen Fällen die Grundstücksbesitzer für Suche, Freilegung und Erdarbeiten Seite 11 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 aufkommen. Bergung, Entschärfung und Abtransport übernimmt dort der Staat. In Italien müssen die Privaten hingegen nichts bezahlen. Das bestätigt die Südtiroler Volksbank. Der Bau sei zwar für etwa eine Woche unterbrochen gewesen, doch nach einem Lokalaugenschein hätten die Ordnungskräfte alle Maßnahmen zügig in die Wege geleitet. „Die Bombe vom Verdiplatz wird nicht die letzte gewesen sein.“ Luis Walcher, Vizebürgermeister Bozen Nach 2008 und 2013 war die Bombe am Verdiplatz also die dritte in direkter Nähe zum Bahnhof. Was bei der geplanten Neugestaltung desselben zum Vorschein kommt, wird sich erst zeigen. Luis Walcher ist sich sicher: „Die Bombe vom Verdiplatz wird nicht die letzte gewesen sein.“ Edition: 41-19 Dr. Schär: Ladurner bleibt am Steuer KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Burgstall – In den vergangenen Tagen wurden die Mitarbeiter des Familienunternehmens Dr. Schär darüber informiert, dass der für Jahresende 2019 angekündigte Führungswechsel nun doch nicht wie geplant stattfindet. Erst im Sommer hatte Gründer Ulrich Ladurner seinen Rückzug aus dem operativen Geschäft angekündigt. Schwiegersohn Nikos Charalampopoulos wurde als künftiger Chief Executive Officer (CEO) präsentiert. Die Position des CEO gab es im Unternehmen bisher nicht, weil Ulrich Ladurner als Gründer und Verwaltungsratspräsident in Personalunion gleichzeitig den Vorstand führt. Ab Jahresende 2019 sollte Charalampopoulos als CEO an der Spitze des fünfköpfigen Vorstandes stehen. Ladurner sagte im Sommer: „Ich werde im November 70 und habe dann das Recht, mich um andere Sachen zu kümmern.“ Charalampopoulos bleibt im Verwaltungsrat und scheidet aus dem Vorstand aus Aus diesem Recht wird nun doch nichts, zumindest vorerst. Der gebürtige Meraner, der Dr. Schär zum Weltmarktführer für glutenfreie Ernährung und zu einer der zehn umsatzstärksten Unternehmensgruppen Südtirols gemacht hat, behält die operativen Fäden zunächst noch in der Hand. Er sitzt zwar nicht im fünfköpfigen (operativen) Vorstand, führt diesen aber als Präsident des ebenfalls fünfköpfigen Verwaltungsrates. Sowohl im Verwaltungsrat, als auch im Vorstand sitzt hingegen Nikos Charalampopoulos. In den vergangenen Monaten hatte Charalampopoulos, der seit 2006 bei Dr. Schär tätig ist, schrittweise die Leitung verschiedener Unternehmensbereiche übernommen, um mit Jahresende 2019 zum CEO zu werden. Seite 12 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Mit der Suche nach einem externen CEO wurde eine Unternehmensberatung beauftragt. Nun wird eine andere Lösung gesucht. Die Entscheidung sei einvernehmlich gefallen, betont Ulrich Ladurner (siehe beistehendes Interview). Entsprechend werde Charalampopoulos gemeinsam mit ihm und Peter Kompatscher den anstehenden Strategieprozess steuern, der Dr. Schär in eine erfolgreiche Zukunft – dann ohne Ulrich Ladurner – führen soll. Mit der Suche nach einem externen CEO wurde eine Unternehmensberatung beauftragt. Charalampopoulos bleibt im Verwaltungsrat von Dr. Schär, aus dem Vorstand und somit aus der operativen Führung wird er hingegen ausscheiden, sobald eine geeignete Führungskraft in seinen bisherigen Verantwortungsbereichen – Personal und Marketing – gefunden ist. Die Führung des Bereichs Forschung und Entwicklung, welchen Charalampopoulos in den vergangenen Monaten ebenfalls verantwortet hat, übernimmt Ulrich Ladurner selber. Auch Richard Stampfl scheidet aus dem Vorstand aus Neben Charalampopoulos scheidet 2020 auch Richard Stampfl aus dem fünfköpfigen Vorstand aus. Dass der Finanzchef, der seit 40 Jahren Ladurners Weggefährte ist, mit 61 Jahren eine neue Herausforderung sucht, ist seit Längerem bekannt. Ihm folgt Brigitte Kurz nach, welche bislang als CFO für die Wolford AG in Bregenz tätig war. Sie wird zu Jahresbeginn zu Dr. Schär kommen. Unverändert im Vorstand bleiben Hannes Berger, Peter Hintner und Werner Strobl. Kurzinterview mit Ulrich Ladurner „Die Jungen sehen manches anders als ich“ SWZ: Herr Ladurner, der im Sommer angekündigte Führungswechsel kommt nun doch nicht zustande. Was hat sich seit dem Sommer geändert? Ulrich Ladurner: Ich weiß, dass die Leute alles Mögliche in so eine Situation hineininterpretieren. Richtig ist, dass mein Schwiegersohn und ich immer in einem sehr engen Austausch stehen und gemeinsam zu diesem Schluss gekommen sind. Wir haben dabei in den letzten Wochen zunehmend festgestellt, dass wir uns zwar einig über das unternehmerische Ziel sind, nicht aber über den Weg. Es gibt Themenbereiche, welche die Jungen anders sehen als ich. Das ist als solches nicht ungewöhnlich. Wichtig ist, dass man darüber spricht und eine Lösung findet, die für alle Beteiligten, im Unternehmen und in der Familie, am besten ist. Das haben wir gemacht. Ein Generationenkonflikt? Nein! Eher unterschiedliche Sichtweisen. Mit meiner Erfahrung im Rücken handelt ein Unternehmer stark intuitiv, während die Jungen viel stärker von Daten getrieben sind. Auch bin ich der Meinung, dass es im Unternehmen einen Entscheider braucht, während die Jungen ein ganzes Entscheidungsgremium bevorzugen. Warum lassen Sie die Jungen nicht einfach machen? Ein Unternehmen ist wie ein großes Schiff. Letztlich trägt der Kapitän die volle Verantwortung. Und wir müssen schauen, wie wir Tradition und Veränderung unter einen Hut bringen können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Seite 13 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Sie hatten schon 2015 zum ersten Mal angekündigt, die operative Führung abgeben zu wollen, 2019 ein zweites Mal. Könnte es sein, dass Sie nicht loslassen können? So was ist schnell gesagt, hat aber mit der Realität nichts zu tun. Wenn man einen Prozess einläutet und dann spürt, dass es nicht funktioniert, wie man gemeint hatte, dass es funktionieren könnte, dann muss man den Mut haben, gemeinsam neu zu denken. Sicher, Dr. Schär ist so etwas wie mein Kind, aber wir wissen alle: Kinder werden groß und gehen irgendwann eigene Wege. Dr. Schär wird deshalb im nächsten Jahr einen CEO bekommen, der von außen kommt. Gleichzeitig ist in den vergangenen Wochen in mir der Traum, eine Weltreise zu machen, sehr stark geworden, verbunden mit dem Willen, die Verantwortung abzugeben. In meinem Alter muss man sich bewusst sein, dass es für das eigene Unternehmen von grundlegender Wichtigkeit ist, die Nachfolge zu regeln. Das tue ich, und Nikos unterstützt mich dabei, wenn auch anders als ursprünglich geplant. In einem Familienunternehmen wünscht man sich, dass die Nachfolge nach Möglichkeit familienintern erfolgt. Erst wenn man merkt, dass das nicht funktioniert, orientiert man sich anders. Warum glauben Sie, dass sich die Nachfolgeregelung bei Dr. Schär als so schwierig entpuppt? Vielleicht liegt es daran, dass wir ein Familienunternehmen sind. Und da wünscht man sich, dass die Nachfolge nach Möglichkeit familienintern erfolgt. Erst wenn man merkt, dass das nicht funktioniert, orientiert man sich anders. Die Nachfolgeregelung ist etwas, was ein Unternehmer sein Leben lang nie macht – da macht man dann zwangsläufig nicht alles richtig. 2020 scheidet auch Finanzchef Richard Stampfl aus, der seit 40 Jahren an Ihrer Seite die Expansion des Unternehmens begleitet hat. Tut es in einer solchen Situation umso mehr weh, wenn ein langjähriger Weggefährte geht? Dass sich Richard Stampfl neuen Herausforderungen zuwendet, war seit Längerem geplant. Ich bin ihm zu Dank verpflichtet, denn ich hätte mir keinen besseren ersten Mitarbeiter, Kollegen und Freund vorstellen können. Mit Frau Kurz bekommt er eine würdige Nachfolgerin, wir freuen uns auf sie. Edition: 41-19 Die Franzosen sollen zahlen KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. In Polen hat die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei den jüngsten Parlamentswahlen 43,6 Prozent der Stimmen auf sich vereint und kann mit 235 von 460 Abgeordneten allein regieren. Es ist deshalb zu erwarten, dass es zu weiteren Divergenzen mit der EU kommt, denn diese sieht die Rechtsstaatlichkeit in Polen und insbesondere die Gewaltenteilung und die Freiheit der Massenmedien in Gefahr. Auch Deutschland ist besorgt. Und tatsächlich hat PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski nach der Wahl schon einmal mit dem Knüppel in Richtung Berlin gewinkt. Polen Seite 14 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 könne, merkte er an, erneut die Forderung nach Reparationszahlungen für die dem Land im Zweiten Weltkrieg, also vor bald 80 Jahren, zugefügten Schäden aufs Tapet bringen. Warum nicht ein paar Milliarden von Paris verlangen! Es war wohl diese Meldung, die mein Unterbewusstsein zu einem Traum angeregt hat, dem eine ähnliche Idee zugrunde liegt. Im Südtiroler Landeshaushalt fehlen für 2020 Mittel im Umfang von rund 400 Millionen. Das Land muss sparen, und es gibt Unstimmigkeiten darüber, wo der Rotstift angesetzt wird, auch wenn in der Landesregierung bereits ein weitgehender Konsens erzielt worden sein soll. Sicher scheint indes, dass für die langfristige Finanzplanung des Landes harte Zeiten anbrechen. Wenn die Ausgaben ansteigen und die derzeitigen Einnahmen damit nicht Schritt halten, dann müssen eben neue Einnahmen her, aber solche, die keine neuen Belastungen bringen. Und da bietet sich – Kaczynski sei Dank – ein Blick in die Vergangenheit an. Das faschistische Unrecht lässt sich aus innenpolitischen Gründen wohl kaum in bare Münze umwandeln, und im Ersten und Zweiten Weltkrieg war Südtirol zwar Opfer, aber auch Täter. Aber wie schaut es mit den Napoleonischen Kriegen aus? Zur Erinnerung: Ab 1797 kam Tirol ins Visier des Korsen, der das ganze Land 1805 nach seinem Sieg in der Schlacht bei Austerlitz dem mit Frankreich verbündeten Bayern übereignete. Der Tiroler Freiheitskampf endete nach manchen blutigen, aber nur kurzfristig erfolgreichen Scharmützeln mit einem Flopp. In der Folge wurde Andreas Hofer 1810 von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und in Mantua hingerichtet. Im selben Jahr schlossen Österreich und Frankreich den Frieden von Schönbrunn, und Tirol wurde dreigeteilt. Das heutige Nordtirol und der nördliche Teil Südtirols blieben bei Bayern, das Gebiet südlich einer Linie von Klausen bis Meran fiel als Haut Adige dem Königreich Italien zu, einem napoleonischen Satellitenstaat, das Gebiet östlich des Toblacher Felds kam zu den sogenannten Illyrischen Provinzen Frankreichs. Erst 1814 wurde ganz Tirol unter den Habsburgern wiedervereint. Rund neun Jahre Fremdherrschaft, unzählige Tote, Verwüstungen, mehre hingerichtete Freiheitskämpfer: Wenn das kein Grund ist, Reparationszahlungen zu verlangen, was ist dann ein Grund? Und was macht es schon, ob ein Ereignis 80 oder 200 Jahre zurückliegt? Sollte die Forderung Kaczynskis Angela Merkel erschreckt haben, müsste da nicht eine ähnliche Forderung von Arno Kompatscher an Frankreich dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron Kopfzerbrechen bereiten? Wenn die Polen 850 Milliarden Euro verlangen, könnte Südtirol doch gut und gern ein halbes Prozent davon einfordern, das wären über vier Milliarden. Damit hätte das Land Südtirol auf Jahre hinaus keine finanziellen Sorgen mehr. Aufgewacht bin ich, da ich meinte, der Landeshauptmann rüttle an meiner Schulter, um mir für diesen tollen Plan zu danken. Im Wachzustand plagte mich dann aber die Frage, wie man auf eine solche Schnapsidee kommen kann, wenn auch nur im Traum. Obwohl: Leben wie Gott in Südtirol – und das mit französischem Geld: Das wäre gar nicht so übel! Edition: 41-19 Seite 15 von 17
SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 5. Mai 2020 Abfertigung September KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Rom – Für September 2019 beträgt der Abfertigungs-Aufwertungssatz 1,418830 Prozent, der Multiplikator 1,01418830. Das Zentralinstitut für Statistik hat ab 2016 eine neue Ausgangsbasis (2015 = 100) für den Index der Lebenshaltungskosten festgelegt. Für September 2019 wurde ein Index von 102,5 ermittelt (minus 0,7 Punkte gegenüber dem Vormonat). Die Erhöhung gegenüber Dezember 2018 beträgt 0,391773. Diese Erhöhung, berechnet im Ausmaß von 75 Prozent, zuzüglich neun Zwölftel von 1,5 Prozent für die feste Jahresverzinsung gleich 1,125 Punkte, ergibt den vorgenannten Aufwertungssatz von 1,448830 Prozent. Dieser Prozentsatz bzw. der Multiplikator (man erhält damit sofort den aufgewerteten Gesamtbetrag) des Monats September gilt praktisch für die im Zeitraum zwischen dem 15. September und dem 14. Oktober 2019 aufgelösten Arbeitsverhältnisse. Anzuwenden ist der Aufwertungssatz auf die zum 31. Dezember 2018 angefallene und hinterlegte Abfertigung (nach Abzug der Zuführungen an die zusätzlichen Rentenfonds). Angaben ohne Gewähr Edition: 41-19 Weiterhin „schwarzer Rauch“ KONJUNKTURAUSSICHTEN – Wer in diesen Tagen mit Südtiroler Wirtschaftstreibenden redet, spürt Zuversicht – über 2019 hinaus und quer durch die Branchen. Den Optimismus trüben nur zwei Sorgen: Das Zuwenig an Mitarbeitern und das Zuviel an Regelungswut könnten die Konjunkturentwicklung einbremsen. Rom – Die Regierungssitzung vom vergangenen Montag hat immer noch nicht den Entwurf für das Haushaltsgesetz 2020 und die entsprechende Begleitverordnung erlassen. Die Maßnahmen stehen in groben Zügen fest, es gibt aber immer noch wesentliche Diskussions- und Reibungspunkte in der Regierung. Diese betreffen im Wesentlichen die Herabsetzung der bisherigen Bargeldschwelle von 3.000 Euro, die Besteuerung der Kleinstunternehmen mit einem Vorjahresumsatz bis zu 65.000 Euro, die Förderung der Kartenzahlungen bzw. die Einschränkung des Bargeldverkehrs und die Verschärfung der Strafen bei Steuerhinterziehung bzw. für die Finanzstrafvergehen. Die Begleitverordnung zum Haushaltsgesetz sollte, so die Informationen bei Redaktionsschluss (Mittwochmittag, 23. Oktober), im Staatlichen Amtsblatt vom 24. oder 25. Oktober als Eilverordnung veröffentlicht werden, und dann am nächsten Tag verfügbar sein. Man wird dann sehen, welche Bestimmungen sofortige Wirkung erlangen und welche mit dem eigentlichen Haushaltsgesetz erst am 1. Jänner 2020 in Kraft treten werden. Beiden Bestimmungen ist jedoch gemeinsam, Seite 16 von 17
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