GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017

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GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
N°155 03/2017

GESTALTE(N)
 Das Magazin für Bauen, Architektur und Gestaltung

                         MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT
                                    DIE MAGIE DES LICHTS
GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
Inhalt

08 Baujuwele in Niederösterreich 15 Verkündigungskapelle Trumau   19 Jugend- und Pfarrheim Großebersdorf

31 Historisches Wohnhaus in Weißenkirchen                         37 Weingut in Vießling bei Spitz a. d. Donau
                                                                    Reaktionen unserer LeserInnen                04
                                                                    Daheim in Niederösterreich                   06
                                                                    Baujuwele in Niederösterreich                08
                                                                    Ortsbildkids                                 12
                                                                    Verkündigungskapelle Trumau                  15
                                                                    Jugend- und Pfarrheim Großebersdorf          19
                                                                    Vorstadthaus in Mödling                      25
53 Die Marktmühle Gaunersdorf                                       Historisches Wohnhaus in Weißenkirchen 31
                                                                    Weingut in Vießling bei Spitz a.d. Donau     37
GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
Vorwort

                                                                                       PACKEN WIR’S
                                                                                       GEMEINSAM AN!
                                                                                                                    Mit diesem Aufruf habe ich
                                                                                                                    mich vor mehr als 35 Jahren in
                                                                                                                    der ersten Ausgabe der damals
                                                                                                                    noch „Niederösterreich schön
                                                                                                                    erhalten – schöner gestalten“
25 Vorstadthaus in Mödling                                                                                          lautenden Schrienreihe an Sie
                                                                                                                    gewandt und Sie eingeladen,
                                                                                                                    an der wohl größten Ortsbild-
                                                                                                                    Initiative des Landes mitzu-
                                                                                       machen. Unser Ziel – Neues in Harmonie zum Bestehenden
                                                                                       Orts-und Landschasbild zu schaffen, ohne Nostalgie aber mit
                                                                                       Respekt vor dem, was schon lange vor uns da war. Unser Weg –
                                                                                       Nicht anprangern, nicht dozieren, sondern positiv überzeugen.
                                                                                       Ich bin fest davon überzeugt, dass dies die richtige Art
                                                                                       und Weise war und auch weiterhin sein wird, Menschen
                                                                                       für unser baukulturelles Erbe und unsere Bautraditionen
                                                                                       zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wie positive Weiter-
43 Neues Leben im alten Pfarrhof von Stollhofen                                        entwicklung aussehen kann.
                                                                                       Auf unserem gemeinsamen Weg haben wir Vieles gescha.

    Neues Leben im alten Pfarrhof von Stollhofen   43                                  Ich danke Ihnen daher für Ihr langewährendes Engagement
    Wassermühlen und ihre Bedeutung                49                                  und Interesse, offenen Auges durchs Land zu gehen
                                                                                       und für Ihre Bereitscha an der Schaffung und Erhaltung
    Die Marktmühle Gaunersdorf                     53
                                                                                       baukultureller Werte mitzuwirken.
    Nachlese: Der vierte Jubiläumsausflug          56
    Die Bauberatung                                57
                                                        Coverphoto: Romana Fürnkranz

    Vortrag 2017: Wo das Wohnen beginnt!           58
    Wahl zur Goldenen Kelle – Frühjahr 2017        59                                                          Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll
    Leserservice, Impressum                        60
    Beratungstellen des Landes NÖ                  61                                  Zuschriften sind willkommen: LH Dr. Erwin Pröll, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten

                                                                                                                                                                    GESTALTE(N)   03
GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
Editorial                                      Reaktionen unserer LeserInnen
                                               Liebe Redaktion,                                                    Werte Damen und Herren!
                                               zuerst einmal die besten Wünsche
                                               für 2017. Ich halte gerade die neue Aus-                            Ich bin nicht oft in St. Aegyd, doch wenn,
                                               gabe des Magazins GESTALT(EN) in                                    dann jedesmal in der Süßmeisterei im
                                               Händen: Gratulation!                                                ehemaligen Bahnhof. Frau Mahonie ist
                                                                                                                   herzlichst zu gratulieren, es ist groß-
                                               Hervorragende Beispiele, noch dazu                                  artig, was sie da vollbracht hat.
                                               ganz wunderbar aufbereitet.                                         Neben den qualitativ hochstehenden
                                               Eine perfekte Maßnahme, die Nieder-                                 Süßigkeiten und ihrer offenen Freund-
                                               österreicherInnen mit Baukultur in                                  lichkeit spürt man da in den Räumlich-
Liebe Leserinnen und Leser!                    Kontakt zu bringen.                                                 keiten eine innere Ruhe, eine intensive
                                                                                                                   Kraft. Man fühlt sich einfachwohl.
Auch in dieser Ausgabe haben wir wieder        Herzliche Grüße                                                     Ganz abgesehen davon, dass der ehe-
viele Projekte für Sie zusammengestellt, die   Heinz Hackl, per E-Mail                                             malige Bahnhof wieder eine sinnvolle
allesamt gelungene Beispiele einer gelebten                                                                        Bestimmung gefunden hat und so
Baukultur darstellen und von uns mit           Ich bin immer wieder begeistert von der                             in seiner Einmaligkeit bestehen bleibt.
vollster Überzeugung zur Nachahmung            Vielfalt und der Umsetzung unterschied-                             Jeder St. Aegydbesucher muß die
empfohlen werden können. Abseits dieser        lichster Projekte! Super!                                           Süßmeisterei besuchen!
verwirklichten baulichen Qualitäten möchten    Herta Mairinger, 2522 Ober Waltersdorf
wir uns jedoch auch einmal vor Augen führen,                                                                       Mit freundlichen Grüßen
dass hinter all diesen Bauten engagierte       SERIE NACHGENUTZT (TEIL 3) NR.154                                   Dipl.Ing. Helge Ebner, per E-Mail
Menschen stehen. Nämlich einerseits die,
die uns tiefgehende Einblicke in ihre Räum-                                                                        Die Nachnutzung des Bahnhofs St. Aegyd
lichkeiten und Lebenswelten gewähren und                                                                           würde von mir die „Diamantene Kelle”
anderseits jene, die als handelnde Akteure                                                                         bekommen!
mit viel Leidenscha und Tatkra an der                                                                            Hanna Grenet, 1140 Wien
Umsetzung solcher Bauten beteiligt sind –
und das, wie sich am Beispiel des Jugend-                                                                          Die „Süßmeisterei” in St. Aegyd
und Pfarrheims in Großebersdorf zeigt,                                                                             ist wohl seit langem der gelungenste
auch omals ehrenamtlich im Dienste                                                                                Umbau eines alten Gebäudes zu einem
einer guten Sache. Baukultur wird von                                                                              neuen Zweck und einer sinnvollen
Menschen gemacht!                                                                                                  Verwendung. Für mich ein guter Grund
                                                                                                                   einen Ausflug zu planen.
                                                                                          Photo: Heinz Schmölzer

Landesbaudirektor
                                                                                                                   Gratulation der Familie Mahonie!
Dipl.-Ing. Walter Steinacker                                                                                       Mag. Helmuth Bergmann, 1230 Wien

Referatsleiterin                                                                                                   Ich finde es großartig, wenn aufgelassene
Dipl.-Ing. Petra Eichlinger                                                                                        Bahnhöfe wieder genutzt werden.
                                                                                                                   Wie in St. Aegyd, Kernhof und Wiener-
                                               Schade, dass es für die Serie                                       bruck, wo die Familie Nutz den Bahnhof
                                               NACHGENUTZT keine „Goldene Kelle”                                   als Gästehaus umgebaut hat.
                                               gibt. Die „Süßmeisterei” wäre auch                                  Alte Gebäude zu erhalten ist ohnehin
                                               ein Favorit!                                                        großartig!
Redaktion: mail@noe-gestalten.at               A. Mitterbauer, 2380 Perchtoldsdorf                                 Josef Zeuner, 3222 Annaberg
04     GESTALTE(N)
GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
DER ARCHITEKTUR-WETTBEWERB                                                  Hochachtung und Glückwünsche               Am besten gefällt mir das Schwarze
UM DIE GOLDENE KELLE NR.154                                                 der Familie Ziegler für den Mut zur        Haus am Thurnberger See.
                                                                            Renovierung und Erhaltung des              Es ist wirklich außergewöhnlich und
                                                                            Klosters Hochstrass.                       originell.
                                                                            Ein großartiges Projekt!                   Roswitha Wenzel, 2571 Altenmarkt
                                                                            Ludwig Track, 3130 Herzogenburg
                                                                                                                       ERGÄNZUNG Schwarzes Haus NR.154

                                             Photo: Jakob Mayer
                                                                            Hochstrass bin ich seit meiner Jugend
                                                                            verbunden. Meine Tante unterrichtete       Beim Schwarzen Haus am Thurnberger
 (1) Refugium Hochstrass                                                    dort Jahrzehnte lang. Es ist schön, dass   Stausee handelt es sich um ein Objekt
                                                                            sich ein Nachfolger für das Gebäude        auf der letzten bebauten Parzelle der
                                                                            gefunden hat.                              Schattauersiedlung am westseitigen Ufer
                                                                            Ein Baujuwel besonderer Art.               des Thurmberger Stausees. Der Flächen-
                                                                            Alfred Rausch, 3970 Weitra                 widmungsplan weist die rechtsgültige
                                             Photo: Viereck Architekten
                                                                                                                       Widmung „Bauland Wohnen” auf.
                                                                            Ich möchte gerne auch so offen und
                                                                            hell wohnen, wie im Einfamilienhaus        BAUJUWELE Schloss Harmannsdorf NR.154
 (2) Einfamilienhaus in Gumpoldskirchen
                                                                            in Gumpoldskirchen.
                                                                            Das VinoSPA im Althof Retz inspiriert
                                                                            mich für den nächsten Urlaub.
                                                                            Im Schwarzen Haus am Thurnberger
                                                                            See gefällt mit vor allem das große
                                             Photo: Andreas Buchberger

                                                                            Glasfenster ins Grüne.
                                                                            Alexandra Mostböck, 1220 Wien

                                                                            (2) Eine tolle Umsetzung von Ludwig
 (3) Wirtschaftskammer-Bezirksstelle Baden                                  Mies van der Rohes „Bauhausgedanken”.
                                                                            Ich gratuliere!
                                                                            Karl Weiss, 3380 Pöchlarn
                                             Photo: Hotel Althof, Tschank

                                                                            (2) Soviel Glas und wenig Wände
                                                                            in diesem Einfamilienhaus.
                                                                            (3) Ein schöner Bau mit offener Stiege     Danke, wieder hat Niederösterreich
                                                                            und großen Glasflächen.                    GESTALTE(N) auf ein lohnendes Ausflugs-
 (4) VinoSPA im Althof Retz                                                 (5) Die Architektur zitiert die anonyme    ziel aufmerksam gemacht!
                                                                            Natur dieser Gegend.                       Schloss Harmannsdorf kannte ich bisher
                                                                            Leopold Hofner, 3363 Hausmening            nur durch die Literatur, also höchste Zeit
                                                                                                                       für einen persönlichen Besuch.
                                                                            Das VinoSPA in Retz ist wirklich           E. M. Niederkorn, 2344 Maria Enzersdorf
                                                                            ein Erlebnis. Vor allem das Schwimm-
                                             Photo: Jens Weber

                                                                            becken mit dem Blick auf die Wind-
                                                                            mühle oder auf den Rathausturm ist         IHRE ZUSENDUNGEN
                                                                                                                       bitte per mail@noe-gestalten.at, abtrennbare Karte
 (5) Schwarzes Haus am Thurnberger Stausee                                  einzigartig.                               im Magazin oder Brief an: Niederösterreich GESTALTE(N),
                                                                            Ida Rößler, 2070 Retz                      Landhausplatz 1/13, 3109 St. Pölten

                                                                                                                                                               GESTALTE(N)   05
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DAHEIM IN NIEDERÖSTERREICH

                                    „Versteckt im Wienerwald” zwischen Aschberg und Barbaraholz südwestl. von St. Christophen von Carl Auer

Schicken Sie uns Ihre Stimmungsbilder und Gedanken,
die Ihr Lebensgefühl in Niederösterreich am besten beschreiben!
IHRE ZUSENDUNGEN (Fotos in hoher Auflösung) bitte per mail@ noe-gestalten.at
oder an: Niederösterreich GESTALTE(N), Landhausplatz 1/13, 3109 St. Pölten

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GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
„Holzhütte” von Sabine Rohrhofer

      „Frühling” von Erich Stiglitz

                                            „Tor in Kirchschlag” von Fritz Miedler

„Kartause Aggsbach” von Gerald Knobloch   „Türknauf in Krumbach” von Fritz Miedler
                                                                                     GESTALTE(N)   07
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BAUJUWELE IN NIEDERÖSTERREICH

                                Photos von Romana Fürnkranz

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GESTALTE(N) MIT TATKRAFT UND LEIDENSCHAFT DIE MAGIE DES LICHTS - N 155 03/2017
A
      m Areal von Schloss Harmannsdorf, über das in der letzten        Innenräume von Schloss Schönbrunn mit illusionistischen Fresco-
      Ausgabe bereits berichtet wurde, steht ein außergewöhnliches     malereien verzierte, bzw. wenn nicht direkt aus Meisterhand, dann aus
      Bauwerk, das sich – aus der agrarischen Tradition kommend –      jener eines seiner Schüler. Exotische Landschaen in romantischer
zu einem Kulturbau transformierte.                                     Inszenierung verwandeln die Sala Terrena in einen Ort von märchen-
                                                                       haem Zauber. Menschen sind in diesem artifiziellen Naturparadies
Ein Schüttkasten hat, wie schon der Dialektbegriff „Troadkasten“       nicht anzutreffen, jedoch eine überaus üppige Flora und Fauna.
nahelegt, die wichtige landwirtschaftliche Funktion, Getreide als      Die vorrangige Farbe ist Grün in allen Schattierungen – ein schlüssiger
Vorratsspeicher aufzubewahren und ist damit ein Vorläufer unserer      Übergang zur Pracht des Parks, der Mitte des 18. Jahrhunderts als
heutigen Silos. Das Bauvolumen spiegelt wider, wie groß der Lager-     französischer Garten angelegt worden war.
bedarf war. Fenster kamen zur Lüftung zum Einsatz. Damit das
Getreide trocknen konnte, wurde es in regelmäßigen Abständen           Seit den Ursprüngen des Gebäudes wurden Veranstaltungen in
umgeschüttet. Immer wieder begegnet man in Niederösterreich            der Sala Terrena abgehalten. Eine Rauchküche und ein Backofen
diesen markanten mehrstöckigen Bauwerken, zumeist im Kontext           demonstrieren, welche Haustechnik in früheren Jahrhunderten zur
mit herrschaftlichen Sitzen. Der Schüttkasten von Harmannsdorf         Pflichtausstattung gehörte. Dass ab 1800 bereits eateraufführungen
entstand im ausgehenden 17. Jahrhundert und ist im Südosten des        im Schüttkasten stattfanden, steht am Beginn einer Tradition, die
Schlossparks situiert. Ob er unter Augustin Freiherr von Mayerberg     sich bis heute fortsetzt. Das Schloss rückte durch seine berühmte
oder seinem Schwiegersohn Leopold Ignaz von Heuel errichtet wurde,     Bewohnerin Bertha von Suttner in den Fokus diverser künstlerischer
ist nicht exakt überliefert. Über die Jahrhunderte erfolgten unter-    Auseinandersetzungen, wie etwa im Rahmen der Beiträge von „Kunst
schiedliche Formen der Nutzung, unter anderem als Stallungen, die      im öffentlichen Raum Niederösterreich“. Die Sala Terrena war auch
zuletzt auch zu gröberen Schäden führten und eine Trockenlegung        für die Friedensnobelpreisträgerin gemeinsam mit ihrem Ehemann
der Räume notwendig wurde. Zwischen 2004 und 2009 erfolgte eine        Bühne für eateraufführungen. Für das Musikfestival „Allegro
sorgfältige Instandsetzung durch Familie Glawischnig, die in dritter   Vivo““, das interessante Plätze im Waldviertel bespielt, ist der Garten-
Generation Harmannsdorf ihr Eigen nennt.                               saal alljährlich Aufführungsort. Unter dem Titel „Musik und Wort –
                                                                       Einheit in der Vielfalt“ tritt „Allegro Vivo“ am 9. August mit einem
Der Zweckbau zur Getreidelagerung ist unterkellert und erstreckt       Kammermusikkonzert an.
sich über mehrere Geschoße: zwei über und drei unter der Dach-
traufe. Die hohen Volutengiebel tragen als figurative Bekrönung die    Mit seiner kulturellen Nutzung ist der Schüttkasten von Harmanns-
Darstellung des heiligen Florian sowie des heiligen Donatus. Das       dorf in Niederösterreich nicht alleine. Jener von Schloss Primmers-
Original des Ersteren war in den 1950er Jahren einem Blitzeinschlag    dorf, ebenfalls im Waldviertel, wird vom Künstlerpaar Vesna und
zum Opfer gefallen und wurde 2009 durch eine Nachbildung ersetzt.      Jonathan Roberts als Galerie geführt und der Weinviertler Künstler
An das mächtige Gebäude schließen niedrigere Bauteile an, die aus      Wulf Bugatti hat einen mittelalterlichen Schüttkasten in Erdberg zu
der Zeit um 1720 stammen.                                              einem außergewöhnlichen Wohn-Atelier umgestaltet. Und so wandeln
                                                                       sich baulich imposante Lager für ein Grundnahrungsmittel zu einem
Als ebenerdiger Gartensaal wurde die barocke Sala Terrena prächtig     wertvollen Speicher für kulturelles Gedächtnis: in Harmannsdorf
gestaltet. Die Ausstattung mit Stuck wurde per Ende des 18. Jahrhun-   mit den wichtigen Botschaften der Anliegen des ortsansässigen
derts von außergewöhnlichen Malereien abgelöst. Die Seccomalereien     Internationalen Bertha-von-Suttner-Vereins.
tragen die Handschrift von Johann Baptist Wenzel Bergel, der die                                                        Theresia Hauenfels *
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                                                                           Heute wissen wir auch, dass in der Antike ein typisches griechisches
                                                                           Haus jedoch nur kleine aber dafür gezielt angeordnete Öffnungen hatte,
                                                                           die mehr der Durchlüung als der Belichtung und Erwärmung dienten
                                                                           und große Fensteröffnungen zum Einlassen der Sonnenstrahlung nicht
                                                                           vorgesehen waren. Diese Bauweise sorgte bei den warmen mediterranen
                                                                           Temperaturen Griechenlands für ein komfortables Wohnklima
                                                                           während des ganzen Jahres.

 DER LANGE WEG                                                             Gebäude des Lichts
                                                                           Im 1. Jahrhundert n.Chr. wurde erstmals Glas, handflächengroß und
 ZUR SOLARARCHITEKTUR                                                      nicht besonders durchsichtig, als Baumaterial eingesetzt und sorgte
                                                                           damit für flacker- und rußfreies Tageslicht. Dieses Bauglas war jedoch
                                                                           absoluter Luxus und wurde nur bei repräsentativen römischen ermen-
                                                                           anlagen und antiken Villen, in denen mediterrane Pflanzen überwintert
                                                                           wurden, verwendet. Zitrusgewächse galten nämlich mit ihren „goldenen“
                                                                           Früchten lange Zeit als Symbole für Macht und Ansehen.
  Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen spielt der Einfluss des

                                                                                                                                                      Photos: Archiv SHI_Grafiken, Renate Hammer, Schloss Laxenburg Betriebsgesellschaft, Rudolf Tiffinger, Wallpaper Archiv
  Tageslichtes eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden und         Die landwirtschaliche Kultivierung von Zitrusbäumen führte ab dem
  die Gesundheit. Das spiegelt sich auch in der Architektur wider.         15. Jahrhundert dann zu temporär verschließbaren, südlich ausgerich-
                                                                           teten Säulengängen. Bei dieser ersten einfachen Form eines Gewächs-
  Ob wir wach, entspannt und leistungsfähig sind, ob wir gut geschlafen    hauses, in denen die Pflanzen noch in der Erde verwurzelt waren,
  haben und uns fit fühlen, hat viel mit Licht und seiner wechselnden      wurden Steinsäulen mit hölzernen Traggerüsten verbunden und diese
  physikalischen Zusammensetzung zu tun. Sonnenlicht erhellt aber          bei Frostgefahr mit Holzbeplankungen und vereinzelten, kleinformatigen
  nicht nur unsere Tage und gibt den Takt für unsere biologische Uhr       Glasscheiben verschlossen. Dieses als „Limonaia“ bezeichnete Gebäude
  vor, sondern sorgt auch bei guter Bauplanung für eine optimale           zeigt, welcher Grenzgang damals zwischen ausreichender Belichtung
  Gebäudetemperierung.                                                     und notwendiger Gebäudetemperierung beschritten werden musste.

  Wie fängt man also beim Bauen am besten das Licht ein?                   Mit der Verbesserung der Transparenz und möglichen Größe von Glas
  In der kalten Jahreszeit des Winters sollte wärmendes Sonnenlicht        entstanden Ende des 17. Jahrhunderts dann ganzjährig geschlossene,
  tief ins Gebäude dringen, während im Sommer verglaste Gebäude-           temperierte und nach Süden orientierte Orangerien, in denen die Pflanzen
         Sommer
                                   öffnungen möglichst im Schatten          in Trögen gehalten werden konnten.
                                   liegen sollten, um vor Überhitzung zu
Winter                             schützen. Dieses Prinzip, das für die   Licht und unsere biologische Uhr
                                   heutige moderne Solararchitektur        Heute, wo wir rund 90 Prozent der Zeit in Innenräumen verbringen
                                   kennzeichnend ist, wurde bereits        und somit vom direkten Sonnenlicht abgeschottet sind, ist das optimale
                                   400 vor Christus vom griechischen       Ausleuchten von Räumen durch das Hereinlassen von natürlichem
                                   Philosophen Sokrates als „Solarhaus     Licht ein wichtiges ema, denn Tageslicht ist nicht gleich Kunstlicht.
                                   des Sokrates“ erdacht, der mit einem    Bestimmte Lichtqualitäten haben auf den Menschen nämlich unter-
                                   nach Süden gerichteten, trichter-       schiedliche Wirkungen. Grund dafür ist, dass der Mensch an die Licht-
     Süden                         förmigen Haus erstmals den Zusam-       spektren der Sonne angepasst ist. Diese liefert am Morgen leicht
                                   menhang zwischen der Ausrichtung        bläuliches Licht, welches sich gut zum Wachwerden eignet und abends
                         Grundriss eines Gebäudes und dem Sonnen-          rötliches Licht, welches die Bildung des Schlaormons Melatonin
  Solarhaus des Sokrates           gang darstellte.                        fördert und daher Müdigkeit hervorru.                               *
 12   GESTALTE(N)
ORTSBILDKIDS!
                                                                                         GEWINNSPIEL                              155

                                                                                         Wenn du alles aufmerksam durch-
                                                                                         gelesen hast und dich noch darüber
                                                                                         hinaus ein bisschen informierst,
                                                                                         kannst du sicherlich die Fragen
                                                                                         unseres Gewinnspiels beantworten.
                                                                                         FRAGE 1: Wer entwickelte das Prinzip
                                                                                         für die heutige moderne Solar-
                                                                                         architektur und was sagt dieses aus?
                                                           Orangerie Schloss Laxenburg
                                                                                         FRAGE 2: Was ist der Unterschied
                                                                                         zwischen einer Limonaia und einer
                                                                                         Orangerie?
                                                                                         FRAGE 3: Welche unterschiedliche
                                                                                         Wirkung hat das Sonnenlicht?

                                                                                         Als Gewinn verlosen wir
                                                                                         diesmal das Buch

                                                                                         LICHT
                                                                                         FORSCHEN, BAUEN,
                                                                                         STAUNEN VON A BIS Z
Gewächshaus „Limonaia”                                     Orangerie West Schloss Hof    EINSENDESCHLUSS IST
                                                                                         DER 21. APRIL 2017

                                                                                         UND SO NIMMST DU TEIL
                                                                                         Sende einfach eine Postkarte
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                                                                                         und mit Namen/Adresse an:
                                                                                                                            !
                                                                                         GESTALTE(N) „Ortsbildkids!“
                                                                                         Landhausplatz 1/13
                                                                                         3109 St. Pölten
                                                                                                                            V
                                                                                         oder sende eine E-Mail an:
                                                                                         mail@noe-gestalten.at.             v
                                                                                                                                  154
                                                                                         GEWINNER/IN
                                                                                         Megan Anderson
                                                                                         aus 2380 Perchtoldsdorf
                                                                                         Die Redaktion gratuliert herzlich!
Glaspyramide im Innenhof des Louvre in Paris (Architekt I. M. Pei 1982 )                                            GESTALTE(N)    13
DIE MAGIE DES LICHTS
                      VERKÜNDIGUNGSKAPELLE TRUMAU

14   GESTALTE(N)
GESTALTE(N)   15
W
       er am Pfarrzentrum in Trumau vorüberkommt, würde kaum             erfahre ich dank meiner Bindung an Gott eine große Freiheit und
       erwarten, hinter der schlichten, zweckmäßigen Fassade ein er-     Weite, mir wächst viel zu“, erklärt Pater Raphael mit der ihm eigenen
       staunliches Gesamtkunstwerk aus Architektur, Bronze, Glas,        Begeisterungsfähigkeit den Umfang und die Bandbreite seines Schaffens.
Stein und Licht vorzufinden – in Form einer Kapelle, die dem Zister-     In Trumau sollte, entsprechend der besonderen Verbundenheit des
ziensersti Heiligenkreuz inkorporiert ist.                              Zisterzienserordens zur Jungfrau Maria, eine Verkündigungskapelle
                                                                         entstehen. Gegeben war ein rechteckiger turmartiger Innenraum mit
Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass dieses harmonische Ensemble    hoch liegenden Fenstern. Aus herben, kantigen Linien und karger
der Kreativität und Schaffenskra eines einzigen Menschen zu ver-         Lichtausbeute entstand in nur drei Jahren ein sakrales, weich gerundetes
danken ist: Pater Raphael Statt OCist, Zisterziensermönch des Sties     Gewölbe mit weiblichen Linien, erfüllt von transzendentalem Licht
Heiligenkreuz, welches mit CD-Aufnahmen des gregorianischen Chorals      und spiritueller Symbolik. Eine zugleich emotionale und intellektuelle
die internationalen Hitparaden eroberte.                                 Symphonie zur Verehrung Marias, die einen intuitiven Zugang zu
                                                                         einem der großen Geheimnisse des christlichen Glaubens geben soll.
DER KÜNSTLERMÖNCH
Mag.art. Wilfried Statt war freischaffender Künstler in Berlin-Branden-   MYSTISCH UND INNOVATIV
burg, ehe ihn aufgrund einer tiefgehenden spirituellen Erfahrung der     Erstmals in der künstlerischen Darstellung wird die Verkündigung des
Ruf ins Kloster ereilte. Mit seinem künstlerischen Schaffen folgt Pater   Herrn in einer neuen Bildsprache erzählt und erfährt durch die räum-
Raphael einer uralten mönchischen Tradition. „Seit ich im Kloster bin,   liche und materialtechnische Trennung von Erzengel Gabriel und
16   GESTALTE(N)
Jungfrau Maria eine wundersame Dynamik. Der Engel tritt schwung-          All das hat Pater Raphael im Gebet ersonnen, komponiert und umge-
                                                  voll als feurige Lichtgestalt in Erscheinung, dargestellt im halbrunden   setzt: Das architektonische Raumkonzept, die Bronzeplastiken, das
                                                  Glasfenster über dem Altar. Zu ihm hinauf blickt Maria, erdverbunden      raumprägende Fenster aus mundgeblasenem Antikglas, das Weihwas-
                                                  und gedrungen als schwere Bronzefigur. Intuitiv spürt der Betrachter      serbecken in Schmelzglastechnik, in dem sich, wie gefügt, quer durch
                                                  sofort, dass der Engel und die Frau mit den emporgestreckten Händen       den ganzen Raum der Verkündigungsengel spiegelt, und das schwere
                                                  miteinander kommunizieren, über Raum und Zeit hinweg eine                 Mobiliar aus kunstvoll behauenem Sandstein, an dem der studierte Bild-
Photos: Monika Schulz-Fieguth, Romana Fürnkranz

                                                  geheimnisvolle Verbindung einzugehen scheinen. Die eologie er-           hauer ein Jahr lang arbeitete. Ora et labora …  Romana Fürnkranz *
                                                  schließt sich, gleich dem wandernden Licht, von oben nach unten, Gott
                                                  wird Mensch, spirituelle Transzendenz tri auf erdgebundene Schwere.

                                                  Die vibrierende Lichtprojektion des Glasfensters fällt am Morgen zuerst
                                                  auf Maria, durchwandert in einem dynamischen Bogen und mystischer                                Das von Pater Raphael Statt OCist gestaltete
                                                  Farbenpracht den gesamten Raum bis in die die letzten dunklen Ecken,                             Gesamtkunstwerk dokumentiert ein
                                                  und flutet im Sommer die gesamte Gebäudetiefe bis hinaus in das Foyer.                           eindrucksvoller Bildband „Licht des Himmels –
                                                  Im Winter bemalt sie den san geschwungenen Bogen der abgehängten                                Die Verkündigungskapelle in Trumau“
                                                  Decke, die mit ihren schmalen LED-Lichträndern stoffartig leicht und                              Fotografiert von Monika Schulz-Fieguth
                                                  schwebend wirkt.                                                                                 Kunstverlag Josef Fink
                                                                                                                                                                                      GESTALTE(N)   17
18   GESTALTE(N)
MIT DER KRAFT DER GEMEINSCHAFT
JUGEND-UND PFARRHEIM IN GROSSEBERSDORF
                                         Architektur 1
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Der Neubau und der denkmalgeschütze Pfarrhof umschließen einen Innenhof
20   GESTALTE(N)
V
      or den Toren Wiens im Weinviertel liegt      140.000 Euro an Eigenleistungen
      die beschauliche 2200-Seelen-Gemeinde        Die Eigenleistungen der Gemeinscha waren
      Großebersdorf, wo sich seit den 80er-        vielfältig und schlugen sich mit 140.000 Euro
Jahren viele ruhesuchende, „zugereiste“ Städter    zu Buche. Bauern packten mit ihren Traktoren
ihren Traum vom Eigenheim erfüllt haben.           an, die Handwerker des Ortes werkten für
Die Liste der örtlichen Sehenswürdigkeiten         Gottes Lohn. Emsige Hände halfen an den
ist kurz. Dennoch beherbergt die Gemeinde          Wochenenden, viele Bürger spendeten Geld,
Bemerkenswertes: Eine erstaunliche Ressource       und einige stellten ihr berufliches Know How
an Menschen mit Gemeinschassinn, Energie          in den Dienst der guten Sache. Diesbezüglich
und Durchsetzungsvermögen. Seite an Seite          hatte Großebersdorf Glück mit seinen
erarbeiteten sich in Großebersdorf „Altein-        „Zuagroastn“. Da wäre einmal Franz Hajdin
gesessene“ und „Zugereiste“ der katholischen       zu nennen, ein Wiener Geschäsmann, der
Pfarrgemeinde ein Stück gemeinschaliche           hier seine Pension genießt und so etwas
Lebensqualität, realisiert in atemberaubend        wie die Seele des Pfarrheims ist. Und das
lichter, luiger Architektur, die jüngst mit dem   Ehepaar Kircher, dem er Rosen streut: „Ohne
Preis für „Vorbildliches Bauen in Niederöster-     ihr Know How in Sachen Finanzen und
reich“ ausgezeichnet wurde.                        Einkauf wäre dieser 1-Million Euro-Zubau
                                                                                    GESTALTE(N)   21
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    nicht realisierbar gewesen.“ Ebenso Margarete     zum Leuchten. Dezente LED-Lichtstäbe an der
    Höld und Johann Seidl, sie haben in ihrer Rolle   Decke und gerichtete Spots tauchen den Raum
    als Vertreter der Pfarre Großebersdorf mit        abends in angenehmes Licht.
    Ihrem persönlichen Engagement während
    der Projekt- und Bauphase wesentlich zum          Der Pfarrsaal macht nicht nur der Jungschar
    Gelingen beigetragen. Umgesetzt wurde das         Freude, sondern hat auch dem geselligen
    Projekt mit dem im Sakralbereich erfahrenen       Leben der erwachsenen Dorfgemeinscha
    Architektenteam Pointner & Pointner.              jede Menge Aurieb gegeben. Mit professio-
    In zweieinhalbjähriger Bauzeit wurde ein          nellem Equipment – Beamer, großer Leinwand
    Niedrigenergiebauwerk in gemischter Holz-         sowie Tischen und Stühlen für 120 Personen –
    und Betonfertigteilbauweise geschaffen. Der        ist man allen Anforderungen gewachsen.
    neue Gebäudetrakt mit repräsentativem Foyer,      Mehr noch: Weil der Pfarrsaal mit seiner            3
    Veranstaltungshalle und Aufenthaltsräumen         außergewöhnlichen und repräsentativen
    für die Jugend ergänzt in zeitgemäßer Gestal-     Atmosphäre weit und breit den attraktivsten
    tung die denkmalgeschützten Bestandsobjekte       Rahmen für Feste aller Art darstellt, hat man    Und was sagen die Hauptpersonen – die
    der Pfarrgemeinde. Gemeinsam umrahmt das          sich dazu entschlossen, die Räumlichkeiten       Kinder, für die dieses Projekt ja in Angriff
    Ensemble einen windgeschützten Innenhof.          der Allgemeinheit zugänglich zu machen und       genommen wurde, nachdem es früher nur
    Nordseitig signalisiert die weitestgehend         für private Feiern, Hochzeiten oder Präsenta-    eine schäbige Baracke für die Jungschar gab?
    geschlossene massive Außenwand Schutz             tionen zu vermieten. Interessierte können sich   „Toll ist es! Wir haben sooo viel Platz“, meint
    und Geborgenheit, zur Hofseite prägt die          unter 0664 2016372 an Herrn Hajdin wenden.       ein atemloser Achtjähriger begeistert zwischen
    freundliche Lärchenholzlamellenfront der ver-                                                      zwei Ballwürfen. Eine kleine Kollegin mit
    schiebbaren Beschattungselemente das Bild.        Hinter der bereits mehrfach ausgezeichneten      Zöpfen bestätigt freudestrahlend: „Wir ham’s
                                                      Architektur in seinem Einzugsbereich steht       echt coool!“                                  *
    Gesellige Dorfgemeinschaft                        das e.b. Bauamt der Erzdiözese Wien, das
    Der Pfarrsaal strahlt trotz seiner Größe          unter der Leitung von Arch. Dipl. Ing. Harald
                                                                                                                        BAUHERR
    anheimelnde Wärme aus. Die eleganten              Gnilsen immer wieder Wegbereiter und                              Röm.–Kath. Pfarrpfründe Großebersdorf
    sandgestrahlten Sichtbetonwände bringen die       Vermittler für gute Architektur ist und mit                       ENTWURF / PLANUNG
    warmen Holztöne des geölten Eschenbodens          Dipl. Ing. Georg Schinagl eine fachkundige                        pointner | pointner Architekten
    und der mächtigen Fichtenholzlamellendecke        Begleitung vor Ort sicherstellt.                                  Photos: Romana Fürnkranz, Thomas Hennerbichler

    22   GESTALTE(N)
4   5

        7

        1 Gedeckter erdiger Fassadenfarbton als
          Referenz an den hierorts verbreiteten Lössboden
        2 Zum Innenhof hin können die Glaselemente
          fast gänzlich geöffnet werden
        3 Die Lamellenholzdecke mit unterlegten Schall-
          dämmplatten sorgt für eine gedämpe Akustik
        4 Kirchenzugewandte Eingangssituation
        5 Elegante Mischung aus Sichtbeton- und
          Holzoberflächen
        6 Der große Veranstaltungsraum bietet Platz
           für 120 Personen
        7 Der kleine Veranstaltungsraum
          kann mit einer Schiebewand geteilt werden
                                         GESTALTE(N)   23
6
24   GESTALTE(N)
TRANSFORMATION
UMBAU EINES ALTEN VORSTADTHAUSES IN MÖDLING

                                       Architektur 2
                                              GESTALTE(N)   25
Verglaster Giebel als geringer Eingriff mit großer Wirkung
26   GESTALTE(N)
Altbestand

A
      m Anfang des langen Weges zum            In der folgenden Orientierungsphase ergaben
      individuellen Eigenheim steht die        sich zwei grundlegende Forderungen: Für die
      alles entscheidende Frage: Altbau oder   fünöpfige Familie reichten die vorhandenen
Neubau, historisch gewachsenes Haus mit        80 m² nicht aus, es musste mehr Wohnfläche
Charakter oder maßgeschneidertes Wunsch-       geschaffen werden. Weiters sollte die straßen-
projekt? Eine Entscheidung, für die das Ehe-   seitige Fassade unverändert bestehen bleiben,
paar Formann kurzerhand eine dritte Antwort    um den Charakter der Häuserzeile mit
fand: Wir wollen beides.                       eingeschossigen Gründerzeithäusern hinter
                                               gepflegten kleinen Vorgärten zu erhalten.
Die Entscheidung stand unter einem guten
Stern. Bald war ein kleines Vorstadthaus       Der Bauherr liebt Herausforderungen
in einem beschaulichen Cottageviertel von      Die Bauordnung sah für das Gebäude die
Mödling gefunden. Die künige Hausherrin       Bauklasse II vor. Einer Aufstockung wäre also
erlag im Nu dem Charme des etwa 100 Jahre      nichts im Wege gestanden. Trotzdem ent-
alten Hauses mit adrettem Vorgärtchen, der     schied sich der Bauherr, selbst Architekt, für
Garten glich jedoch einem Dschungel. Die       eine gartenseitige Erweiterung des Gebäudes,
neuen Hausbesitzer krempelten die Ärmel hoch   um das eingeschossige Straßenensemble
und begannen zu roden und ein bezauberndes     nicht zu beeinträchtigen.
kleines Nebengebäude umgeben von schönen       Das alte Haus wurde darauin komplett ent-
alten Obstbäumen kam zum Vorschein.            kernt, die gartenseitige, tragende Mauer fast
                                                                                 GESTALTE(N)   27
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    über die ganze Länge entfernt und mit einem      würdige Vorstadthaus seine Geschichte fort-
    500 kg schweren Stahlträger abgefangen. In       setzen und in die Moderne wachsen dure.
    diese, nun zum Garten offene Seite, wurde ein
    langgestreckter, etwa 160 cm auskragender        Ein Ort zum Wohlfühlen
    Kubus mit großflächiger Glasfront eingefügt,     Es entstand keine unterkühlte, repräsentative
    der zusammen mit dem Dachbodenausbau             Architektur, sondern ein heimeliger Ort zum
    nun für mehr als 140 m² Wohnfläche sorgt.        Wohlfühlen, der Geborgenheit und Ruhe
    Barrierefrei und großzügig geht es hinaus        ausstrahlt: Weiße Wände, Glas, der warme
    auf eine frei über dem Boden schwebende          Holzton der gedämpen Akazie und Akzente
    Eschenholz-Terrasse, deren scheinbare Schwere-   in Orange und Schwarz durchziehen als
    losigkeit abends mit einer indirekten Be-        freundliche Farbharmonie alle Wohnbereiche.
    leuchtung betont wird.                           Man sieht der modernen und durchdachten
                                                     Ästhetik die Handschri des Architekten an –
    Mit dem Öffnen der Außenwand war der              und dennoch spürt man an vielen Details,
    Garten optisch ins Haus geholt und in der        dass es sich um gewachsenen Wohnraum mit
    Wohnküche für viel Licht aus dem Westen          Geschichte, mit Ecken und Kanten handelt.       3
    gesorgt. Aber die Bauherren wollten Sonnen-      Trotz der verblüffenden Verwandlung wurde
    licht zu jeder Tageszeit und so musste der       das Vorhandene nicht radikal überformt,
                                                                                                         EIGENTÜMER
    südseitige Giebel im Dachgeschoß einer           sondern behutsam miteinbezogen.                     Familie Formann
    großflächigen dreieckigen Glasfront weichen.     Der Bauherr lächelt und meint: „Wir wollten         ENTWURF / PLANUNG
    Diese ist straßenseitig der einzige dezente      ein Haus mit Geschichte und wir wollen diese        formann 2 puschmann
                                                                                                         architekten zt-gmbh
    Hinweis darauf, dass dieses kleine, altehr-      Geschichte selbst fortsetzen.“              *       Photos: Romana Fürnkranz, Christian Formann
    28   GESTALTE(N)
4   5

    7

    1 Verglaste Gartenfront
    2 Raumabtrennung durch raumhohen
      Schrankverbau
    3 Auskragender Kubus
    4 Der Altbau konnte durch den 160cm
      tiefen Kubus verbreitert werden
    5 Lichteinfall über den geöffneten Giebel
    6 Wohn-Essküche als zentraler Raum
    7 Bibliotheksecke mit Gästeschlafcouch
      im Obergeschoß
                                        GESTALTE(N)   29
6
30   GESTALTE(N)
LAND IN SICHT!
SANIERUNG EINES WOHNHAUSES IM BURGVIERTEL
VON WEISSENKIRCHEN
                            Architektur 3
                                   GESTALTE(N)   31
Zeitgemäße Adaptierung mit sensibler thermischer Sanierung
32   GESTALTE(N)
Unebene Kalkputzfassade als charakteristisches Erscheinungsbild

S
     chmal, gebaut wie ein Schiff ankert ein      Wohnen, Kochen und Genießen. Die Decke
     Haus an einer Felskante. Bereits 1575       zum Dachgeschoss wurde zum Teil entfernt
     urkundlich erwähnt, blickt das Gebäude      um den Raum auch vertikal zu vergrößern.
vom historischen Ortsteil Weißenkirchens         Der Balkon wird zum „begehbaren“ Fenster in
nach Süden hin in die Wachau. Eines ist den      die Wachau und lohnt den Aufwand, den die
Bauherren garantiert – die Aussicht bleibt       exponierte Lage mit sich bringt. „Wohin mit
unverbaut!                                       einem Baugerüst? Und: wie soll Material für
                                                 die Bautätigkeit über die enge Straße her-ge-
Der Geist öffnet die Räume                       bracht werden?“ Müssen sich die beiden
„Laufend haben wir umgedacht und neue            schon zu Beginn des Projekts fragen. Heute
Lösungen gesucht“ beschreiben die Bau-           können sie beruhigt in den Schlafzimmern
herren Elisabeth Bauer und omas Traxler         des ersten Stocks in tiefen, zufriedenen Schlaf
den Sanierungsprozess. Sie beginnen damit        fallen, wissend, dass der Fels auf dem sie ge-
im April 2014 und nach einem Jahr des            baut haben sie sicher trägt.
Abbruchs und der Veränderung innen wie
außen, wird neu aufgebaut und gestaltet.         Schwindelfrei weiter denken
Viele Wände werden abgerissen und einige         Die exponierte Lage bedingt vieles. „Man
versetzt und im März 2016 ist alles fertig und   muss schon schwindelfrei sein, wenn man im
gelungen. Ehemals 6 kleine Räume bieten          Garten die Tomaten erntet“ erklärt Elisabeth
heute auf 54 m² großzügigen Raum zum             Bauer und lächelt zufrieden beim Anblick der
                                                                                   GESTALTE(N)   33
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                                                                                                           DG
                                                                                                                                        S
    vielen Beete für Blumen und Gemüse, die        ist nicht nur eine Herausforderung in der                       Schlafen
                                                                                                                                        Schlafen                Luftraum
                                                                                                                                                                Wohnen                 Lager

    sich rund um die Unterkante des Hauses an      Raum-, sondern auch in der Bodengestaltung.
                                                                                                      DG
    die unebene Kalkputzfassade schmiegen. Was     Der klassische Parkett ist nur in den neu ge-
    man nicht sieht sind die Photovoltaik und      stalteten Schlafräumen des Obergeschoßes reali-
                                                                                                           EG                          Balkon

    Solaranlage. Sie werden uneinsehbar auf den    sierbar. Im offenen, zentralen Raum hätten sich                                                             Essen
                                                                                                                                                                         Wohnen

    neu errichteten Schleppgaupen integriert.      zu viele Anpassungen ergeben. Daher fiel die                 Wellness
                                                                                                                               WC
                                                                                                                                                Kochen
                                                                                                                                                                                       Garage

    Ein wichtiges Detail für die Bauherren, die    Entscheidung für einen zementären Spachtel-        EG
    die thermische Sanierung des Altbestanden      belag, der sich anschmiegt und die Raumform                                                                Terrasse

    mit ökologischen Baustoffen konsequent          in solide Ruhe bettet. Ein besonderes, kreatives        UG

    umsetzten. Die Dämmung der Fassade und         Highlight ist auch das Bad. Geduscht wird in                                 Gang                                              Technik
                                                                                                                                                                                               Pellets

    des Daches erfolgte mit Schilfrohr- und        der ehemaligen Rauchküche, die Wohnraum-           UG
    Holzfaserplatten.                              lüung verbirgt sich hinter geschwungenen                                                       Erdreich
                                                                                                                                                   E

                                                                                                                                                                                   0                     5m

                                                   Deckenelementen und zu guter Letzt kann
    Kreative Schwingungen                          man durch ein begehbares Bodenfenster den
                                                                                                                              EIGENTÜMER
    Wie jedes Haus, hat auch dieses, seine Ecken   Fels und die Form sehen, die all das tragen.                               Elisabeth Bauer und
    und Kanten. Nur das hier noch unzählige        Wunderschön geschwungen erzählt der Einblick                               BM Ing. Thomas Traxler
    Rundungen und Bögen und Spitzen dazu           in den Fels von der außergewöhnlichen Ver-                                 ENTWURF / PLANUNG
                                                                                                                              BM Ing. Thomas Traxler und
    kommen. Die schmale „Schiffsform“ des Hauses    gangenheit der Region und des Hauses.          *                           BG3 Baumeister GmbH
    34   GESTALTE(N)                                                                                                          Photos: Thomas Traxler
4

    4

3

    6

    1 Blick ins weite Donautal
    2 Am schmalen Grünstreifen wird in schwindelnder
      Höhe Gemüse angebaut
    3 Zementäre Spachtelmasse als Bodenbelag
    4 Duschbereich zwischen massiven Mauerteilen
    5 Vergrößerung des Raumes durch Abbruch
      nichttragender Innenwände
    6 Integrierte Sitzbank in der Dachgaupe
                                         GESTALTE(N)   35
5
NEUER ANKERPUNKT
 IN DER WELTERBESTÄTTE WACHAU
 WEINGUT HÖGL IN VIESSLING BEI SPITZ AN DER DONAU
36   GESTALTE(N)
Architektur 4
       GESTALTE(N)   37
Der moderne Produktionsbaukörper erhielt
 in der Kategorie Gewerbebau den Staatspreis Architektur 2016

38   GESTALTE(N)
Perfekt eingebettet in die Wachauer Landschaft

W
          enn die neugestaltete Liegenscha       Pflicht und Kür der Architekten
          des Weinguts Högl dem Betrachter        Natürlich hat man in den Wirtschas- und
          erst auf den zweiten Blick ins Auge     Servicebereichen auf kurze Wege und eine
fällt, dann zeigt das schon eine ihrer Qualitä-   offene Gestaltungssprache geachtet, in den
ten: Hier wurde mit großem Respekt vor dem        Bürobereichen auf helle Freundlichkeit in
baulichen Umfeld und den sich als Kulisse         Weiß und Holz, im Produktionsbereich auf
emporragenden typischen Steinterrassen ge-        Zweckmäßigkeit mit verzinktem Eisen und
baut, die den Grundakkord zu dieser Planung       ehrlichem Beton. Etwas Besonderes düre
gaben. Mit großem Einfühlungsvermögen             aber die Mischbauweise sein, in der sich
für die Region näherten sich die Vorarlberger     traditionelle und moderne Prinzipien ver-
Architekten Ludescher + Lutz sensibel an          einen und durch die hier ein Brückenschlag
den Genius loci - den Geist des Ortes an. Das     zwischen den Zeiten entstanden ist. Schon
Ergebnis – ein gestalterisch sehr gelungenes      technisch ist das neue Gebäude, an dessen
Objekt, das den Besucher mit einer                Stelle früher ein einfacher Stadel stand, ein
Reihe dezenter, aber unmissverständlicher         wahres Kürprogramm, in dem viel Können
Elemente verzückt – ganz so wie ein guter         steckt: Die Mauern wurden massiv aus-
Wachauer Wein.                                    geführt, durch die Kombination mit optisch
                                                                                    GESTALTE(N)   39
1                                                                                       2

    eleganterer Holzbauweise wirkt das aber         Das Licht als Seele des Hauses
    nicht voluminös. Die Produktionshalle wurde     Licht ist im Innenbereich das Fluidum, das
    an der straßenseitigen Außenwand mit einer      alle Bereiche zu erlebtem Raum werden lässt:
    Abkantung an den Straßenverlauf angepasst       Die unstete Geometrie setzt sich hier fort
    und lässt die Geometrie dieses Ensembles        wie im Innern eines Kristalls. Das scha
    ähnlich wie den Verlauf der Steinterrassen an   aufregende Perspektiven und eine starke
    den Hängen erscheinen. Auch der Feldspat,       Dynamik und Lebendigkeit. Wo künstliches
    der in der Wachau im Boden vorkommt,            Licht zum Einsatz kommt, sieht man diese
    bildet solche unvorhersehbaren Strukturen.      Lampen kaum: Die Beleuchtungskörper sind
                                                    in ihrer Wirkung total reduziert, das Licht
    Architektur als gelebte Kunstauffassung         allein zählt. Besonders eindrucksvoll ist das
    Außen wie innen finden sich immer wieder        bei Dunkelheit: Gezielte Lichteffekte über-
    Flächen unterschiedlicher Oberflächenstruk-     höhen den Raumeindruck und schaffen ein
    tur: Das Dach ist rhombenförmig gedeckt         Gefühl der Geborgenheit und Heimeligkeit.
    und zieht sich wie eine dünne Haut über die
    steil geneigten Flächen. An Wandteilen und      Textur, diesmal ganz amorph, findet sich
    Fenstern finden sich Lamellen aus Holz. Sie     auch an den verputzten Außenwänden: Hier
    dienen der Beschattung, innen „filtern“ sie     hat man mineralischen Sumpalk eingesetzt,
    den Blick in die Landscha, außen bringen       der an die Urgesteinsböden der Wachau
    sie mit der Beibehaltung ihrer ungeschnitte-    erinnert und mit seiner marmorierten Ober-
    nen natürlichen Baumkanten das Sonnen-          fläche nicht nur angenehm, sondern auch
    licht in immer neue leuchtende Strukturen.      im wahrsten Sinn des Wortes besonders
    Abends durchscheinen sie gedämp die            bodenständig wirkt. Hier wie auch sonst
    Innenbeleuchtung, als wären sie ein leichter    wurden alle Materialien nach ihrer optimalen    3
    Vorhang. Das ist purer Dialog mit dem, der      Eignung ausgewählt, nicht allein nach
    sich in diesem Gebäude bewegt.                  ästhetischen oder dekorativen Absichten.
                                                                                                        EIGENTÜMER
                                                    Gestalterisch lebt das ganze Objekt vom             Weingut Josef + Georg Högl GesbR
                                                    spannungsgeladenen Spiel der Achsen,
                                                                                                        ENTWURF / PLANUNG
                                                    Flächen und Linien, fast wie eine begehbare         Ludescher + Lutz I Architekten
                                                    Vektorgrafik.                              *        Photos: Elmar Ludescher, Heinz Schmölzer,
                                                                                                        Bruno Klomfar
    40   GESTALTE(N)
4   5

        1 Putzfassade aus mineralischen Sumpalk
        2 Holzlamellen mit ungeschnittener Aussenkante
          schaffen ein lebendiges Fassadenbild
        3 Indirekte Stiegenbeleuchtung
        4 In Bezug zu den Fässern in denen der Wein rei,
          wurde den Innenraum mit Eiche ausgekleidet
        5 Die Holzlamellen dienen der Beschattung
          und sorgen für Durchblick
        6 Verkostungsraum im Erdgeschoss

                                            GESTALTE(N)   41
6
DIE SINFONIE DES BAUENS
        QUALITÄTSVOLLES LEBEN IM EHEMALIGEN PFARRHOF IN STOLLHOFEN

42   GESTALTE(N)
Architektur 5
       GESTALTE(N)   43
44   GESTALTE(N)
E
      rbaut um ca. 1801, lange Zeit aktiv        Alt aber oho
      genutzt, dann 20 Jahre „vergessen“.        Nicht dem Alter entsprechend, sondern
      Das Schicksal des alten Pfarrhofs in       bedeutend besser, präsentiert sich der Ge-
Stollhofen scheint besiegelt bis Bauherr Georg   bäudekomplex seinen Bauherrn, Planern und
Mathias Sprinzl 2015 das Gebäude aus dem         Restauratoren. Das 26 m x 12 m umfassende
Dornröschenschlaf erweckt. Er erfüllt sich       Erdgeschoss des Hauptgebäudes muss zwar
seinen Traum vom Wohnen und Arbeit in            von Efeu und Feuchtigkeit befreit werden –
Harmonie in einem historischen Gebäude und       im ersten Stock sind aber „kosmetische“
belebt es mit einem ganzheitlichen Konzept.      Eingriffe ausreichend, um ein erhabenes
                                                                                GESTALTE(N)   45
1                                                                     2

    Wohngefühl entstehen zu lassen. Raumhöhen      Erdgeschoss des Gebäudes sichtbar. Wenn der
    von knapp 4 Meter, liebevoll restaurierte      Arztbesuch im positiven Sinne zum Erlebnis
    Deckenmalereien, wunderschöne alte Türen       wird und man am gläsernen Eingangsportal
    und Holzböden, historische Kachelöfen,         optisch mit den Klängen der 9. Sinfonie
    umgeben von solider Bausubstanz – ohne         Beethovens begleitet wird, dann offenbart sich
    Setzungsrisse, sind die Basis für qualitäts-   Freude auf ganz klare und einfache Weise.
    volles Leben, wie es heute dort stattfindet.
    Die Sanierungszeit ist phänomenal kurz und     Der schmale Grundriss des Gebäudes
    erstreckt sich vom Kauf im Herbst 2014 bis     bietet ebenerdig ein authentisches Gefühl der
    zum Einzug Ende 2015. Geplant und durch-       Sicherheit, den der natürliche Sandstein-
    geführt wird parallel, wie so o bei Sanie-    boden, der händisch abgetragen und wieder
    rungsprojekten, die ein ständiges Reagieren    verwendet wurde, zusätzlich unterstreicht.
    und flexibles Planen und Handeln erfordern.    Über den Mittelgang mit Tonnengewölbe er-
    Das Bundesdenkmalamt begleitet das Projekt     reicht man die Behandlungsräume, die über
    fürsorglich – so werden Gewölbe im Erdge-      die sanierten Kastenfenster und historischen
    schoss, Stichkappen, Fassade, Fenster und      Gitter den Blick ins Grün eröffnen.
    historische Gitter an den Fenstern für die
    Zukun erhalten. Im rechten Winkel zum         Wer arbeitet, kann auch wohnen
    Haupthaus beheimatet das Nebengebäude die      … und so entschließt sich der Bauherr zu
    Pelletheizung, die noch durch Solarpaneele     vereinen, was für ihn schon immer zusam-        3                       4
    für das Warmwasser ergänzt werden soll.        men gehört und scha hohe Qualität für
                                                   sich und den ganzen Ort. Auch wenn der
                                                                                                       EIGENTÜMER
    Vollendet wie Beethovens 9te                   Anblick eines unsanierten Altbaus mitunter          Dr. med. Georg Mathias Sprinzl
    Die Freude am Wohnen und am Arbeiten ist       abschrecken kann und auch die Mühen                 ENTWURF / PLANUNG
    dem Bauherren ins Gesicht geschrieben und      hoch sein können um Altes zu bewahren –             Arch. DI Benedikt Gratl
                                                                                                       Baumeister Ing. Karl Müllner
    wird für die Besucher seiner Ordination im     es lohnt sich auf jeden Fall.            *          Photos: Heinz Schmölzer
    46   GESTALTE(N)
5

    7

    1 Wartezimmer mit Stichkappentonnen
    2 Die Raumeinteilung mit der Mittelgang-
      struktur wurde nicht verändert
    3 Die Wohnungseingangstür wird
      als raumhohes Holzportal gestaltet
    4 Ausschnitt Deckenmalerei
    5 Die historische Deckenmalerei
      wird mit modernen Lustern kombiniert
    6 der Verzicht auf Vorhänge macht die alten
      Holzkastenfenster besonders erlebbar
    7 Badezimmer mit freistehender Badewanne
                              GESTALTE(N)   47
6
Egon Schiele, Alte Mühle (1916)
Sammlung Niederösterreichisches Landesmuseum

52   GESTALTE(N)
WASSERMÜHLEN
UND IHRE BEDEUTUNG
    FÜR EUROPA

                     GESTALTE(N)   49
Wasserrad in den Ötschergräben      Frauenmühle in Wullersdorf                                   Hahnmühle im Pulkautal

   S
        chon mindestens 40000 Jahre lang gibt es in unserer Heimat            Erfindungen mussten gemacht werden: Pflug, Sichel und Sense,
        Menschen, ursprünglich Jäger und Sammler. Die Frauen                  Getreide-Bevorratung -die ersten Mühlen entstanden. 25 v. Chr. baute
        sammelten Schnecken, Muscheln, Nüsse, Eicheln, Beeren,                der römische Architekt Vitruv die erste Mühle mit Wasserrad und
   Früchte, Gräser, und die Männer gingen auf die Jagd. Häuser gab es         konnte damit die bisherige Leistung von 1PS (Muskelkra von Tier und
   keine, mussten doch die Menschen ständig dem Wild nachziehen.              Mensch) auf bis zu 50 PS steigern.
   Vor ca. 23000 Jahren begannen die Menschen wilde Gräser (Gerste!)
   zwischen Steinen zu zermahlen und markieren damit den Beginn der           Mühlen als erste Maschinen der Menschheitsgeschichte
   Mühlentechnik.                                                             Bereits im 4. Jh. haben die Römer an den Nebenflüssen von Mosel und
                                                                              Rhein solche Wasser- und Schiffmühlen errichtet.
   Ohne Kulturpflanzen wäre die Geschichte der Menschheit völlig              Europa war bis in das frühe Mittelalter nicht die am weitesten ent-
   anders verlaufen und es war eine Weichenstellung besonderer Art, die       wickelte Gegend der Erde. China, Indien, Ägypten, der arabische Raum,
   Menschen vor etwa zehntausend Jahren dazu brachte, Pflanzen nicht                                   Süd- und Mittelamerika, … waren technisch
   nur zu sammeln, sondern auch zu produzieren, nämlich durch Anbau                                    in vieler Hinsicht überlegen. Dies schrieb der

                                                                                                                                                        Photos: Sammlung Niederösterreichisches Landesmusum, Romana Fürnkranz, Ing. Richard Stöger
   von Kulturpflanzen auf einem Feld.                                                                  Wiener Wirtschashistoriker Michael Mitter-
                                                                                                       auer in seinem Buch „Warum Europa?"
   Neolithische Revolution                                                                             Dann überholte Europa technisch. Die schon
   Damals kultivierten Bauern nicht nur erstmals Pflanzen, sondern                                     im Mittelalter gut organisierten Handwerker
   begannen zudem, Tiere zu halten.Wo man Kulturpflanzen auf den                                       in den Zünen verwendeten die Kra des
   Feldern zog, setzte ein enormes Bevölkerungswachstum ein, dazu                                      Wasserrades in Form von Säge-,Pulver-,Papier-,
   eine Verbesserung der Lebensbedingungen und ein Wachstum                                            Walk-, Kugelmühlen und vielen mehr.
   des Wohlstandes.
                                                                              Die Mühle ist die erste Maschine in der Geschichte der Menschheits-
   Kulturpflanzen können ohne den Menschen nicht existieren. Auch             entwicklung und nicht etwa die Dampfmaschine! Fast alle traditionel-
   Haustiere nicht, denn sie brauchen Futter und Pflege. Bei uns in Mittel-   len Industrien haben in oder mit einer Mühle begonnen.
   europa gab es bis ca. 7000 v. Chr. noch die Jäger. Dann kam ein neuer      Hand in Hand mit dem Siegeszug der Technik wurde im Mittelalter
   Menschenschlag Donau aufwärts zu uns, deren Weg man an Hand von            auch die Landwirtscha revolutioniert. Neue Pflanzen, bessere Land-
   Funden ziemlich genau verfolgen kann. Es waren dies die ersten Bauern.     maschinen und die Entwicklung der Ein-Felder- zur Drei-Felderwirt-
   Sie rodeten mit Steinäxten immer größere Waldflächen, um Felder an-        scha ermöglichten die Ernährung von mehr Menschen. Das brachte
   zulegen und griffen so erstmalig in großem Maßstab in die Natur ein. Sie    Bevölkerungswachstum, Expansion der Märkte und größer werdende
   begannen mit Ackerbau und Viehzucht und wurden sessha, da sie ja          Städte. Diese rasante Entwicklung gab es jedoch nur in Europa,
   vom Säen bis zum Ernten des Getreides am selben Ort bleiben mussten.       weil nur hier die Wassermühlen nötig waren. Das wichtigste Getreide,
   Zudem wurden Häuser gebaut und auch Getreidespeicher errichtet.            der Roggen ist nämlich wegen seiner harten Schale für den Verzehr
   Haustiere wurden gehalten, um vom Jagdglück unabhängig zu sein.            ungeeignet und muss gemahlen werden. In Asien war dies mit
   Siedlungen entstanden, Straßen zwischen den Dörfern und Be-                dem Hauptnahrungsmittel Reis nicht nötig, ebenso verhält es sich
   festigung-sanlagen zur Verteidigung des Eigentums wurden angelegt.         in Amerika mit Kartoffeln und Mais.
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Alte Hofmühle in Hollabrunn                                   Brauneismühle in Sitzendorf a.d. Schmieda         Mühle im Pulkautal

Kirchenmühle in Stockerau                                                           Gilli Mühle, Mühlen-Akademie

    Stumme Zeugen einer reichen Vergangenheit                                  In Kooperation mit der „Österreichischen Gesellscha der Mühlen-
   Mühlen waren fast nie großartige Bauwerke, sie gehören zur soge-            freunde“, ein Verein der sich um die Erhaltung und Nutzung
   nannten naiven Architektur, wie auch die Bauernhöfe, Scheunen,              von Mühlen angenommen hat, wurde auf Anregung von
   Presshäuser. Dass man sich in letzter Zeit wieder besonders für sie         Prof. Dr. Otto Schöffl aus Hollabrunn die „Mühlen-Akademie“ ins
   interessiert, verdanken sie einem postmodernen Interesse an den             Leben gerufen und gemeinsam mit AGRAR PLUS entwickelt.
   Wurzeln unserer industriellen Kultur. Der römische Schristeller und
   Architekt Vitrivius forderte für gutes Bauen drei unverzichtbare Stand-     Diese Beratungs- und Vermittlungsstelle
   beine - Firmitas, Utilitas und Venustas, also Festigkeit, Nützlichkeit      bietet nicht nur Hilfestellung bei der fach-
   und Schönheit. Die meisten alten Mühlen erfüllen diese Forderungen.         gerechten Restaurierung, sie bietet auch die
   So orientierten sich Raumhöhe und Raumaueilung genau an den                Ausbildung zum/r „Mühlen-LiebhaberIn“ bzw.
   Anforderungen der individuellen Bewohner. Auch die Landscha, der           zum/r Mühlen-MeisterIn an.
   Bach und die Umgebung der Mühle bestimmten den Bau. Die Größe               Infos dazu finden Sie auf www.agrarplus.at
   war bestimmt durch verfügbare Wassermenge und Fallhöhe.
                                                                                                                    BUCHTIPP
    Wie auch die Stadeln, Schüttkästen und Kellergassen geraten diese                                LEBENDIGE MÜHLEN
    Baudenkmäler jedoch zunehmend in Bedrängnis! Verfall, Abriss und                  instand halten – restaurieren – weiterhin nutzen
    Nichtbeachtung lassen sie langsam aber sicher verschwinden.                                                 Verlag Günther Hofer
                                                                                                                                         GESTALTE(N)   51
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DES MÜLLERS LUST
DIE MARKTMÜHLE GAUNERSDORF

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W
       enn am Weidenbach in Gaweinstal          vom Geschlecht der Wendler bewirtschaet        mit einer Norwegerin, und selbst Architekt,
       unter einem Dach Norwegen, Flandern      worden. In einer Chronik, die im Rahmen der     ergab sich eine überaus zielführende Dynamik,
       und das Weinviertel zusammenfinden,      von Ulf Prix herausgegebenen Publikation        der die Mühle ihr heutiges Aussehen zu
kann es sich nur um einen außergewöhnlichen     „Des Müllers Lust“ verfasst wurde, kann man     verdanken hat.
Ort mit hohem Charme-Faktor handeln.            nachlesen: „Josef Winkler, ein Mühlknecht
                                                aus Senning […] hatte Glück und heiratete       Vom Maschinenraum zum Wohnraum
Als Architekt Ulf Prix im Jahr 1990 mit dem     die noch junge Wendlerwitwe Eva Maria           Zwei getrennte Wohnbereiche entstanden, die
Mühlenbuch von Hohenbühel-Bodenstein in         anno 1768.“                                     moderne Elemente und historische Substanz
der Hand die „Marktmühle Gaunersdorf “ –        Nach dem Tod von dessen Nachfahren Anton        auf eine überaus gelungene Weise verbinden.
denn so hieß der Ort annodazumal – ent-         Winkler konnte Ulf Prix 1991 die Mühle vom      So wurde aus dem Maschinenraum für das
deckte, war ihm das Potenzial des Bauwerks      Sohn, einem Wiener Ministerialrat, erwerben.    Dieselaggregat ein Wohnzimmer, in das Jon
sofort bewusst. Zu diesem Zeitpunkt war die     Das Bauwerk, dessen Grundmauern auf             eine Schiffsplanke aus Norwegen ebenso wie
„Anton Winkler Kunstmühle“, deren Bezeich-      die Zeit um 1650 zurückgehen, musste über       einen Walknochen von einer Walfängerinsel
nung nach wie vor ein Schild an der Fassade     mehrere Jahre von Grund auf behutsam saniert    integrierte. Die Carrara-Marmor-Badewanne
bezeugt, noch im Besitz des alten Müllners,     werden. Es gab kein Fließwasser, keinen         sorgt für einen mediterranen Akzent. Histo-
dessen Familie den Betrieb 250 Jahre führte.    Kanalanschluss und eine der ersten Schritte     risches Baumaterial fand unter anderem in
Davor wurde die Mühle, die zum Schottensti     war es, den Boden einen dreiviertel Meter       Form des alten Mühlsteins als Schwelle
gehörte, ab ihrer Gründung im 17. Jahrhundert   abzugraben. Mit Jon Prix, Sohn aus erster Ehe   Eingang in die Restaurierung. Für das Dach
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wurden alte Ziegel verwendet und die vor-         Kunst und Kultur in der Mühle                 fläche einer persönlichen Sammlung ent-
handenen Holztüren blieben erhalten. Die          Besucherinnen und Besucher werden mit         worfen haben, oder durch die Werke des
Fassade, deren Gestaltung aus der Zeit vor        großer Herzlichkeit empfangen.                befreundeten steirischen Malers und Zeich-
etwa 150 Jahren stammte, wurde in der be-         Eine Besonderheit stellen die Kulturveran-    ners Gerald Brettschuh. Aber auch andere
stehenden Putzstruktur mit ihren markan-          staltungen in der alten Mühle dar. Die        Künstlerinnen und Künstler haben ihre
ten Querstreifen belassen. Für die Fenster        Belgierin Rika van Kelst organisiert mit      Spuren in der Mühle hinterlassen, so
wählten die Architekten einen dezenten und        ihrem Mann Ulf Lesungen und Konzerte im       auch die Mutter bzw. Großmutter Maria
doch sehr auffrischenden Ton in Hellblau, um       ehemaligen Mühlraum, der durch seine          Magdalena Prix.
das Holz zu streichen. In allem wurde sehr        Holzkonstruktion über eine gute Akustik
darauf geachtet, die Patina des Bauwerks nicht    verfügt und 120 Gästen Platz bietet.          Im Weinviertel ist das Wasser rar und der
anzutasten. Dem Wohntrakt gegenüberlie-           Für 2017 ist ein Auftritt des Kollegium       Pegel des Mühlbachs sinkt mitunter be-
gend befinden sich architektonisch wertvolle      Kalksburg fix eingeplant. Unter den Linden    trächtlich. Die gute Stimmung aber, mit der
Stallungen, die durch ihren Laubengang            im Hof i st sommernächtens Jazz ange-         generationsübergreifend Jon und Ulf Prix
einen wettergeschützten Zugang besitzen. In       sagt. Der künstlerische Anspruch zeigt sich   mit ihren Lebenspartnerinnen und allen
den Gewölben wurde ein kleines Bauernmu-          auch in der Gestaltung des Lebensraums        Kindern und Kindeskindern die Dinge am
seum installiert. Zudem kann man eine Schu-       durch spannende Arbeiten, wie etwa einem      Laufen halten, ist steter Antrieb einer Kunst-
sterwerkstatt, die aus der Wiener Postgasse       gläsernen Tisch, den Pinzgau-Podgorschek      mühle im wahrsten Sinn des Wortes.
nach Gaweinstal übersiedelt wurde, besichtigen.   eigens für die Familie als Repräsentations-                             eresia Hauenfels *
                                                                                                                                  GESTALTE(N)   55
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