Gipfeltreffen - Andris Poga Reinhold Messner - Sprecher Siobhan Stagg - Sopran Rundfunkchor Berlin - Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
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Gipfeltreffen Andris Poga Reinhold Messner – Sprecher Siobhan Stagg – Sopran Rundfunkchor Berlin Anderson: ›Exiles‹ (Uraufführung) Strauss: ›Eine Alpensinfonie‹ – mit Erlebnisberichten von Reinhold Messner Fr 22., Sa 23.4. / 20 Uhr / Philharmonie
Programm 2 3 Introduktion Fr 22., Sa 23.4. / 20 Uhr / Philharmonie An Grenzen Julian Anderson (*1967) ›Exiles‹ – Remembrances for voices and orchestra (2021) Zwei Jahre ist es her, dass die COVID-19-Pandemie das gesellschaftliche und mit ihm das kulturelle Leben aus den Bahnen warf. Das DSO und sein I. ›le 3 mai‹ Chefdirigent Robin Ticciati entschlossen sich schnell, nicht in Schockstarre Text von Ahmed Essyad zu verfallen, sondern die Not als Herausforderung zu begreifen und sie II. ›Tsiyon‹ Texte aus Psalm 137 und von Horațiu Rădulescu selbst zum Thema ihrer Kunst zu machen. Sie entwickelten Projekte und III. ›La République des lettres‹ Konzertformen, die per Streaming kommuniziert werden können. In der Text aus Psalm 46 Regie von Frederic Wake-Walker realisierte das Orchester ein dreiteiliges IV. ›6. Oktober‹. Orchester-Zwischenspiel Filmprojekt zum Thema ›Im Exil – von Göttern und Menschen‹. Die Schau- V. ›Praise and Farewell‹ plätze wechselten – von der Friedrichswerderschen Kirche hinaus in die Texte von Guillaume Apollinaire, Vítězslav Nezval und aus Psalm 108 Natur, von dort wieder ins Sisyphos, eine Ikone der Berliner Clubszene. Das Uraufführung des Gesamtwerks Thema wird heute im ersten Konzertteil mit Julian Andersons fünfteiligem oratorischem Werk für Sopransolo, Chor und Orchester aufgegriffen. Der PAUSE Komponist vertieft die Aktualität der existenziellen Erfahrung, die sich vom Richard Strauss (1864–1949) Gefühl des Ausgeschlossenseins bis zur gewaltsamen Deportation erstre- ›Eine Alpensinfonie‹ op. 64 (1911–15) cken kann, indem er sie in die Geschichte verfolgt und dazu Poesie aus den mit Erlebnisberichten von Reinhold Messner letzten 100 Jahren und biblische Psalmen als Texte heranzieht. Der Polypho- Idee: Thomas Schmidt-Ott, Dramaturgie: Moritz Brüggemeier nie der Sprachen und der dichterischen Formen wird die Musik mit einer Nacht – Sonnenaufgang – Der Anstieg – Eintritt in den Wald – Wanderung neben dem Bache Vielschichtigkeit gerecht, die von der Inspiration durch gregorianische – Am Wasserfall – Erscheinung – Auf blumige Wiesen – Auf der Alm – Durch Dickicht und Singweisen bis zur Verwendung elektronisch produzierter Sampler reicht. Gestrüpp auf Irrwegen – Auf dem Gletscher – Gefahrvolle Augenblicke – Auf dem Gipfel – Vision – Nebel steigen auf – Die Sonne verdüstert sich allmählich – Elegie – Stille vor dem Nach einer Idee von DSO-Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott setzten Sturm – Gewitter und Sturm, Abstieg – Sonnenuntergang – Ausklang – Nacht sich Robin Ticciati, Reinhold Messner und das DSO vor gut einem Jahr mit Uraufführung am 28. Oktober 1915 in der Berliner Philharmonie durch die Königliche Kapelle (heute: Sächsische Staats- der ›Alpensinfonie‹ von Richard Strauss auseinander. Im Tempodrom kapelle) Dresden unter der Leitung von Richard Strauss. Die Fassung mit Erlebnisberichten von Reinhold Messner erlebte ihre Premiere als Musikfilm am 4. Juni 2021 bei DG Stage, dem digitalen Konzertsaal der Deutschen Grammophon, und produzierten Jan Bremme, EuroArts, und Schmidt-Ott einen Film, in dem wird nun erstmals live präsentiert. Reinhold Messner seine (Grenz-)Erfahrungen bei den Gipfelbesteigungen, die er in seinem Leben leistete, einbrachte und damit einen literarisch ANDRIS POGA existenziellen Kontrapunkt zu Strauss’ Musik in ihrer Größe und Vielglied- Reinhold Messner – Sprecher rigkeit schuf. Durch die Lichtregie wirkte das Tempodrom wie ein Firma- Siobhan Stagg – Sopran ment, in das sich die Musik erhebt und aus dem sie sich wieder in sich Rundfunkchor Berlin selbst zurückzieht. Mit dieser Analogie zu einer alten Gottesvorstellung Philipp Ahmann – Choreinstudierung wurde daran erinnert, dass für Strauss’ Komponieren nicht nur die Erfah- Robin Ticciati musste seine Mitwirkung an den Konzerten krankheitsbedingt leider absagen. Das DSO dankt Andris Poga rung einer Bergwanderung, sondern auch die Auseinandersetzung mit der für die kurzfristige Übernahme des Dirigats an beiden Abenden. Natur und mit der Frage nach der Transzendenz eine wichtige Rolle spielten. Konzerteinführung Habakuk Traber im Gespräch mit Volker Michael unter → dso-berlin.de/einfuehrungen Dieses Projekt wird heute als unmittelbares philharmonisches Erlebnis präsentiert. Dauer der Werke Anderson ca. 35 min / Strauss (mit Texten von Reinhold Messner) ca. 60 min Das Konzert am 22. April wird von Deutschlandfunk Kultur ab 20.03 Uhr live übertra- gen: UKW 89,6 / DAB+ / online / App. Im Anschluss ist das Konzert für 30 Tage zum Nachhören im DSO PLAYER unter → dso-player.de verfügbar.
Die gesungenen Texte 4 5 Die gesungenen Texte I. ›le 3 mai‹ I. ›3. Mai‹ III. ›La République des Lettres‹ – III. ›Die Republik der Künste‹ – Homage to Varian Fry Hommage an Varian Fry Bonjour mes chers amis, Ich grüße Euch, meine lieben Freunde! Le voici le soleil, il est magnifique, l’air est Hier scheint die Sonne, sie ist herrlich, die Luft Chor I (vorwiegend) Chor I (vorwiegend) translucide, la vision est nette, le massif de ist hell, die Sicht ist klar, das Zerhoune-Massiv Bohuslav Martinů Bohuslav Martinů Zerhoune en face est magnifique, il donne gegenüber ist großartig, es weckt den Franz Werfel Franz Werfel envie à s’y promener, mais confinement oblige, Wunsch, dort zu wandern, aber der Lockdown Darius Milhaud Darius Milhaud je me colle à ma table les yeux dans vide de la verbietet es, ich klebe mit meinen Augen an Madeleine Milhaud Madeleine Milhaud feuille en attente d’un signe de ma main. meinem Schreibtisch und starre auf ein leeres Hannah Arendt Hannah Arendt Je vous embrasse tous, ce baiser est pur, sans Blatt Papier, das auf ein Zeichen aus meiner Marc Chagall Marc Chagall covid. Hand wartet. Betsy Jolas Betsy Jolas Ahmed Ich umarme euch alle, dieser Kuss ist sauber, Jean Malaquais Jean Malaquais ohne Covid. Bella Chagall Bella Chagall (Ahmed Essyad, 2020) Ahmed André Masson André Masson Helen Wolff Helen Wolff II. ›Tsiyon‹ II. ›Zion‹ Christian Wolff Christian Wolff Golo Mann Golo Mann Verse 1: ‘Al naharot Bavel sham yashavnu gam- Vers 1: An den Wassern zu Babel saßen wir und Hertha Pauli Hertha Pauli bachinu b zoch reynu et-Tsiyon. weinten, wenn wir an Zion gedachten. Alma Schindler Alma Schindler Verse 2: ‘Al-‘aravim betocha talinu kinorotey- Vers 2: Unsere Harfen hängten wir an die Ylla Ylla nu. Weiden im Lande. Verse 3: Ki sham shé ‘lunu shoveynu divrey Vers 3: Denn dort hießen uns singen, die uns Chor II (vorwiegend) Chor II (vorwiegend) shir. Vetolaleynu simcha shiru lanu mishir gefangen hielten, und in unserm Heulen God is our hope and strength: a very present Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe Tsiyon. fröhlich sein: »Singt uns ein Lied von Zion!« help in trouble. in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Verse 4: ‘Ech nashir ‘et-shir Adonai ‘al ‘admat Vers 4: Wie könnten wir des HERRN Lied Therefore will we not fear, though the earth be Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die néchar? singen in fremdem Lande? moved: and though the hills be carried into the Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer Verse 5: ‘Im-‘eshkachech Yerushalaim tishkach Vers 5: Vergesse ich dein, Jerusalem, so werde midst of the sea; sänken, yemini. meine Rechte vergessen. Though the waters thereof rage and swell: and wenngleich das Meer wütete und wallte und Verse 6: Tidbak leshoni lechiki ‘im-lo ‘ezkarechi Vers 6: Meine Zunge soll an meinem Gaumen though the mountains shake at the tempest of von seinem Ungestüm die Berge einfielen. ‘im-lo ‘a ‘aleh ‘et-Yerushalaim ‘al rosh simchati. kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn the same. ich nicht lasse Jerusalem meine höchste There is a river, the streams whereof shall Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig (Psalm 137, Vers 1-6) Freude sein. make glad the city of God. bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen God is in the midst of her: God shall help her, Wohnungen des Höchsten sind. EXILE EXIL and that right early. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest 1) melancholy meets remotenesses 1) Melancholie begegnet den Fernen The Lord of hosts is with us the God of Jacob bleiben; Gott hilft ihr früh am Morgen. drawn near through remembrance durch Erinnerung nahe herangezogen is our refuge. Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs wherever my shadow wohin auch immer mein Schatten Come, behold the works of the Lord. ist unser Schutz. is hiding from me sich vor mir versteckt He maketh wars to cease; he breaketh the Kommt her und schauet die Werke des HERRN, into night in die Nacht. bow and the spear asunder; He burneth the der den Kriegen ein Ende macht in aller Welt, chariot in fire. der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und 2) a longing, leaning 2) Ein Sehnen, das sich Be still, and know that I am God. Wagen mit Feuer verbrennt. on the abyss, wants to wonder – über den Abgrund beugt, will sich wundern – The Lord of hosts is with us; the God of Jacob Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! as the sand quaffs als der Sand is our refuge. Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs the walk of Ulysses den Gang des Odysseus verschlingt. ist unser Schutz. (Aus Psalm 46) (Horațiu Rădulescu)
Die gesungenen Texte 6 7 Die gesungenen Texte V. Praise & Farewell V. Lobpreis und Lebewohl Bylo to překrásné žel všekko má svůj konec Es war wundervoll, aber alles hat ein Ende. [It was wonderful but everything has an end] Stille – Totenglocken – Stille: Diese Traurig- O God, my heart is ready; I will sing and give Gott, mein Herz ist bereit, ich will singen und Silence death knell silence this sadness I keiten kenne ich schon. praise. spielen. already know Ein Kuss – ein Taschentuch – eine Sirene – Awake, thou lute and harp; I myself will awake Wach auf, Psalter und Harfe! Ich will das A kiss – a handkerchief – a siren – a ship’s bell eine Schiffsglocke – right early! Morgenrot wecken. Three, four smiles – then solitude Drei, vier Mal lächeln – dann Einsamkeit. I will give thanks unto Thee, o Lord, among the Ich will dir danken, HERR, unter den Völkern, people; I will sing praises unto Thee among the ich will dir lobsingen unter den Leuten. And if I’ve seen what others haven’t seen Und wenn ich sah, was andere nicht sahen: nations. So much the better - bird seek your home Umso besser. Vogel, suche dein Heim. For thy mercy is greater than the heavens. Denn deine Gnade reicht, so weit der Himmel ist. You showed me the South where you have Du zeigtest mir den Süden, wo du dein Nest Set thyself up O God above the Heavens and Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine your nest hast. thy Glory above all the earth, Ehre über alle Lande! Tvým osudem je let mým osudem je zpěv. Dein Los ist es, zu fliegen, meines, zu singen. that thy beloved may be delivered. Lass deine Freunde errettet werden! [Your fate is flight, my fate is song.] God hath spoken in his Holiness. I will rejoice. Gott hat in seinem Heiligtum geredet: Ich will frohlocken. Farewell and if it was the last time Lebewohl. Und wenn es das letzte Mal war: (Aus Psalm 108) So much the worse my hope there’s nothing Umso schlimmer. Meine Hoffnung bleibt left, nicht. La grâce exilée Die verbannte Schönheit Chcem-li se setkati nelučme se radš tedy Wenn wir uns wiedertreffen wollen, lass uns Va-t’en va-t’en mon arc-en-ciel Geh unter, verschwinde, mein Regenbogen, [If we wish to meet again let’s not say nicht Lebewohl sagen. Allez-vous-en couleurs charmantes Verzieht euch, ihr berückenden Farben. farewell] Lebewohl und ein Taschentuch werden dein Cet exil t’est essential Dieses Weggehen gehört zu deinem Wesen, Farewell and a scarf will be your fate! Schicksal sein! Infante aux écharpes changeantes. Infantin mit den vielfarbenen Schärpen. (Vítězslav Nezval) Et l’arc-en-ciel est exilé Und der Regenbogen ist verbannt, Puisqu’on exile qui l’irise Weil man alles verbannt, was schimmert. Mais un Drapeau s’est envolé Aber eine Fahne wird entrollt, Die eingeklammerten Zeilen sind die englischen Überset- zungen der Verse, die in der tschechischen Originalsprache Prendre ta place au vent de bise. Sie nimmt deinen Platz ein im rauen Wind. gesungen werden. Alles andere wird in der Übersetzung des Komponisten auf Englisch gesungen. (Guillaume Apollinaire) Farewell and a scarf Lebewohl und ein Taschentuch Farewell and if we never meet Lebewohl. Und wenn wir uns nicht mehr sehen: It was beautiful and it was enough Es war schön, und es war genug. Farewell and if we meet Lebewohl. Und wenn wir uns wieder begegnen, Perhaps we won’t be there but someone else Werden wir vielleicht nicht da sein, sondern will andere.
Zu den Werken 8 9 Zu den Werken nachzudenken, was eigentlich gewesen wäre, wenn ich mich zeit- Julian Anderson lebens in diesem Zustand befunden hätte. Ich wuchs im Londoner ›Exiles‹ Norden der 1970er Jahre auf, und ich kannte viele Leute, die vor Was ist der Mensch? Hitler oder dem Kommunismus geflohen waren, das war damals Besetzung im kulturellen Leben ein gewohntes Bild.« 3 Flöten (2. und 3. auch Piccolo), 3 Oboen (3. auch von Habakuk Traber Anderson ging daraufhin der Geschichte seiner eigenen Familie Englischhorn), 3 Klarinetten (3. auch Bassklarinette), nach und machte Entdeckungen, die ihn tief erschütterten. »Meine 3 Fagotte (3. auch Kontrafa- Großeltern kamen 1907 nach Großbritannien. Aber ich wollte wis- gott), 4 Hörner, 3 Trompeten, sen, was mit dem Rest der Familie geschehen war, der Litauen 3 Posaunen, Tuba, Pauken, damals nicht verlassen hatte. Verwandte schickten mir alte Fotos Schlagwerk (Glockenspiel, von den Schwestern meines Großvaters und deren Kindern; sie Crotales, Vibraphon, Röhren- sahen aus wie meine Brüder und ich im entsprechenden Alter. glocken, Marimba, 2 Trian- Niemand in der Familie kannte ihre Namen, aber ich fand erstaun- geln, 2 Tamtams, Becken, lich schnell heraus, dass die 8.000 Juden aus den zwei Städten, in Tambourin, Maracas, 2 Große Trommeln, Peitsche), Harfe, denen sie lebten, an einem einzigen Tag zusammengetrieben und Klavier (auch Celesta und umgebracht wurden. […] Ich war [auf diese Information] gänzlich Synthesizer), elektronische unvorbereitet, weil ich immer gedacht hatte, dass niemandem in Zuspielung, Streicher meiner engeren Familie etwas Derartiges widerfahren wäre.« ›Exiles‹ entstand nicht sofort, das Werk ist kein Reflex auf einen persönlichen Schock. Anderson schrieb es 2021, dem zweiten Jahr der COVID-Pandemie und der Lockdowns in ihrem Gefolge, und es beginnt als Nachdenken über jene Zeit, in der man isoliert war – von Freunden, selbst von Landschaften, die man kannte, die man sah, die einen lockten, in denen manches Kapitel der eigenen Geschichte aufbewahrt ist, und an deren Resistenz und Gefähr- dung man Anteil nahm. Der Text, den Anderson dem ersten Satz zugrunde legte, stammt von dem marokkanisch-französischen Komponisten Ahmed Essyad. Er schrieb ihn – daher der Titel – am 3. Mai 2020 und sandte ihn an eine Gruppe von Freunden. »Der Text reflektiert sowohl die natürliche Schönheit der Bergwelt des ›Abschied‹, Gemälde von Felix ›Fünf Erinnerungen für Gesang und Orchester‹ nannte Julian Hohen Atlas, wo Essyad gegenüber dem Zehoun-Massiv lebt«, Julian Anderson Nussbaum, 1935 Anderson sein neues Werk ›Exiles‹ im Untertitel. Der ›Financial schreibt Anderson, »als auch die Spannungen rund um die COVID- Times‹, der britischen Zeitung, die international gelesen wird, gab 19-Pandemie und den damit verbundenen Lockdown. Direkt be- er in einem Interview über die Entstehungsgeschichte des fünftei- zieht sich der Dichter auf das Virus im letzten Teil des Textes, in ligen Oratoriums Auskunft. »Ich sah mich selbst nie als britischen dem er sich von seinen Freunden verabschiedet und sie zu um- Komponisten. Die Familie meines Vaters war jüdisch und kam aus armen wünscht – mit einem ›Kuss, der sauber ist, ohne COVID‹. Litauen, und ich interessierte mich immer für Musik von sonst- Die Sopranstimme singt auch Ahmeds Unterschrift am Ende. Ihre woher. In den 1980er-Jahren hielt ich mich einige Zeit in Paris und melodischen Linien sind von Gregorianischen Gesängen hergelei- Darmstadt auf, um in Musik von außerhalb Großbritanniens ein- tet, die in Neumen notiert wurden – daher auch die Angabe ›für zutauchen.« Nachdem Anderson vier Jahre lang die Komposi- Gregorianik und Ensemble‹. Der eröffnende Teil sollte mit etwas tionsabteilung des Royal College of Music in London geleitet hatte, weniger Vibrato als normal gesungen werden und mit einem nahm er 2004 eine Professur an der renommierten Harvard Uni- leicht rituellen Einschlag. Dagegen sollte der Schlussabschnitt versity in Boston (Massachusetts, USA) an. »Ich fiel aus allen Wol- mit normalem Vibrato und direktem, klarem Ausdruck vorgetra- ken, als mich dort das Heimweh überkam, und ich begann darüber gen werden.«
Zu den Werken 10 11 Zu den Werken Was hier die Musik auszeichnet – das Zusammentreffen und Inei- des Satzes kristallisieren sich in Chor I zunehmend erkennbare Anderson hat sich in ›Exiles‹ durch nanderwirken von Modernem und Archaischem, Aktuellem und Namen heraus, sie werden mit Chor II geteilt. Gleichzeitig tritt die düstersten Empfindungen hin- Archetypischem – bestimmt die Textauswahl für die nächsten Psalm 46 deutlicher in den Vordergrund und greift auf Chor I über, durchgearbeitet, erforschte die verschiedensten Erfahrungen des Stücke (den vierten, rein instrumentalen Satz ausgenommen). Der sodass es Augenblicke gibt, in denen beide Chöre einen Text Isoliertseins von der Antike bis in 137. Psalm ist der klassische Exil- und Klagepsalm, die beständige singen, während der andere verstummt. Schließlich werden die die modernen Zeiten. Er betont Erinnerung an die babylonische Verbannung und der Treueschwur Textschichten wieder zwischen Chor I und II getrennt, ehe der jedoch, dass seine Musik keines- für Jerusalem. Anderson konfrontiert ihn mit zwei englischen Satz mit Psalm 46 dramatisch schließt.« wegs nur Trostlosigkeit ausstrahlt; Kurzgedichten des rumänisch-französischen Komponisten Horațiu die fünf Sätze enden mit »Lobpreis Rădulescu, die sich in dessen Buch über ›Sound Plasma: Music for Das darauffolgende instrumentale Zwischenspiel geht zur Deut- und Lebewohl«, einem Finale, in dem die Nationen gemeinsam the Future Sign‹ finden. lichkeit der Worte auf Distanz und begibt sich in die Bereiche der feiern. Reflexion, in denen nicht die Bestimmtheit der Begriffe, sondern Der dritte Satz, ›La Republique des Lettres‹, »ist eine Hommage das Fließen, Stocken und Ineinandergreifen der Gedanken ent- Financial Times, 7. Januar 2022 an den amerikanischen Diplomaten Varian Fry, der 1940/41 rund scheiden. Mit dem dritten Satz erreichte Andersons Komposition 2.500 Menschen rettete, deren Leben durch den Einmarsch der die Schrecken der Schoah. Das Verstummen der Worte gesteht Ahmed Essyad Nationalsozialisten in andere europäische Länder gefährdet war. das Unsagbare ein, die Musik erinnert aber gerade in ihrer Flüch- Schon vor 1939 hatte Fry in Zeitungsartikeln vor der akuten Be- tigkeit und Vergänglichkeit daran, dass von dem, was war, etwas drohung menschlicher Freizügigkeit und künstlerischer Freiheit bleiben kann als Saat der Hoffnung. Anderson arbeitet hier auch durch das NS-Regime gewarnt. Seine Ankunft 1940 in Europa als mit elektronischen Soundtracks. Sie werden über Lautsprecher Teil einer diplomatischen Initiative löste seine ungeheure Anstren- eingespielt und sollen wirken, als ob sie das Auditorium umgeben, gungen aus, Menschen zu retten, die auf den NS-Todeslisten gleichsam als Musik von woanders her. standen; viele von ihnen waren berühmte Künstler, Lyriker, Ro- manciers, Philosophen, Maler und Musiker, doch er rettete Men- ›Lobpreis und Lebewohl‹ schrieb Anderson über den letzten und ›Exiles‹ soll eine Meditation über schen aus allen Schichten und Berufen. Wie Fry später heraus- längsten Satz. Dem 108. Psalm, der von der Vorbereitung auf den das Verlassen der Heimat und die fand und im Vorwort seines Buches über seine Erfahrungen in Lobpreis Gottes spricht, stellt er Verse Guillaume Apollinaires, Sehnsucht nach Rückkehr sein. Europa festhielt, hätten noch viel mehr Menschen gerettet wer- des Wahlfranzosen italienisch-polnischer Herkunft, und ein Ab- Julian Anderson, dessen Familie den können, wenn er in seinen Bemühungen nicht behindert wor- schiedsgedicht gegenüber, das der stark vom Symbolismus inspi- während der Judenpogrome den Verlust zahlreicher Mitglieder den wäre; der entsprechende Abschnitt wurde in der ersten Auf- rierte Vítězslav Nezval 1935 geschrieben hatte. Letzteres lässt er erleiden musste, bezieht aus dem lage seines Buches gestrichen. Leider wurde der ganze Umfang mit Ausnahme dreier Zeilen nicht in der tschechischen Original- Thema des Exils immer wieder dessen, was Fry leistete, zu seinen Lebzeiten kaum erkannt. Aner- sprache, sondern in englischer Übersetzung singen. Die Konstel- Inspiration. »Nur wer früh genug kennung kam nach seinem Tod 1967 – in Israel, den USA und vie- lation gleicht dem Kaddisch, dem jüdischen Gebet zum Totenge- floh, konnte überleben, so wie len europäischen Ländern, vor allem Frankreich und Deutschland; denken. Es preist Gott und verliert keinen Ton der Klage – und das Varian Fry, 1936 meine Großeltern«, berichtet der eine Straße nahe der Berliner Philharmonie wurde nach ihm be- in der Religion, die wie keine zweite das Hadern mit Gott kennt Komponist. Das Werk ist dennoch nannt. Ich habe die Namen von 16 Menschen ausgewählt, deren und zulässt. Es geht beim Verhältnis von Abschied und Lobpreis eine Feier »der Lebendigkeit, die Menschen erfasst, die Kreativität Leben von Fry gerettet wurde. Die Liste enthält nicht nur promi- nicht um das letzte Wort, sondern um die Fähigkeit, beides zu- teilen, und des Reichtums, der nente Kulturschaffende der letzten hundert Jahre, sondern auch sammen zu denken und zu leben, und um eine gesellschaftliche entsteht, wenn Leute in andere einige bekannte und noch aktive Musiker, die einige Berufsmusi- Verfassung, die solches zulässt und nicht in Grausamkeit erstickt. Länder ziehen«. ker noch kennen und mit denen sie gearbeitet haben – etwa den Schott-Musik, 2022 Dirigenten Diego Masson oder den Komponisten Christian Wolff. Bergwelt und Gipfel der Kunst Tatsächlich war es Diego Masson, der mir zum ersten Mal von Die ›Alpensinfonie‹ beschäftigte Richard Strauss ungewöhnlich lange, Varian Fry erzählte und von dem, was seine Familie ihm verdankt. fast eineinhalb Jahrzehnte. Vieles wurde skizziert, was dann in die Endfassung einging, anderes wurde verworfen, ersetzt oder um- Zunächst werden die Namen derer, die Fry rettete, nur in Silben- gestaltet. Der existenzielle und geistige Erfahrungshintergrund fragmenten von Chor I genannt. Derweil beginnt Chor II mit den reicht noch weiter zurück. Zwei Inspirationsquellen unterschied- Worten des 46. Psalms (»Gott ist unsere Zuversicht und Stärke«) lichen Ursprungs flossen in dieser groß dimensionierten Tondich- – ein Text voller Bilder von Rettung und Zuflucht, sehr passend für tung zusammen. Im August 1879 unternahm der 15-jährige Musen- ein Werk, das über Exil nachdenkt. Mit weiterem Voranschreiten sohn mit Freunden eine Wandertour in den Voralpen bei Murnau.
Zu den Werken 12 13 Zu den Werken Vor Tagesanbruch zogen sie los, erreichten schließlich den Gipfel Richard Strauss des Heimgarten, verirrten sich aber auf dem Rückweg und gerie- ›Eine Alpensinfonie‹ ten in ein Unwetter. Die Nacht mussten sie durchnässt in einer Besetzung Hütte zubringen. Zuhause setzte sich Strauss angeblich sofort 2 Piccoloflöten (auch 3. und ans Klavier und spielte »die ganze Partie« musikalisch nach – »na- 4. Flöte), 2 Flöten, 2 Oboen, türlich riesige Tonmalereien und Schmarrn (nach Wagner)«. Die Englischhorn (auch 3. Oboe), endgültige Partitur der ›Alpensinfonie‹ enthält 22 Überschriften Heckelphon, Kleine Klari- nette, 3 Klarinetten (3. auch zu verschiedenen Abschnitten des Werkes, die meisten von ihnen Bassklarinette), 3 Fagotte, nennen Stationen einer Bergwanderung mit dem Aufstieg zum Kontrafagott (auch 4. Fagott), Gipfel und dem Abstieg samt dreinfahrendem Gewitter. 4 Hörner, 4 Tenortuben (auch 5. bis 8. Horn), 4 Trompeten, Im Januar 1900 berichtete Richard Strauss seinem Vater vom 4 Posaunen, 2 Basstuben, Plan zu einer Symphonischen Dichtung, die »mit einem Sonnen- 2 Harfen, Orgel, Celesta, aufgang in der Schweiz« beginnen sollte. Als Helden des Stückes, Pauken, Schlagwerk (Wind- das er in den Skizzen »Künstlers Liebes- und Lebenstragödie«, maschine, Donnermaschine, »Künstlertragödie« oder »Liebestragödie eines Künstlers« nannte, Glockenspiel, Becken, Große hatte er Karl Stauffer (1857–1891) im Sinn, den Schweizer Maler Trommel, Kleine Trommel, Triangel, Herdengeläute, und Bildhauer, dem die Liebe zur Frau seines wohlhabenden Tamtam), Streicher Jugendfreunds zum Verhängnis wurde. Er nahm sich das Leben. Fernorchester hinter der – Künstlerschicksale wurden damals oft zum Inhalt von Kunst- Bühne: 12 Hörner, 2 Trom- werken gemacht; Hector Berlioz hatte mit der ›Symphonie fan- peten, 2 Posaunen tastique‹, mit ›Lélio‹ und mit der Oper ›Benvenuto Cellini‹ einen ›Tinzenhorn – Zügenschlucht bei großen Stein ins Rollen gebracht. Mit der Inthronisation der Kunst Monstein‹, Gemälde von Ernst als Nachfolgerin der Religion etwa durch Richard Wagner erhiel- Ludwig Kirchner, 1919/20 ten gedichtete oder komponierte Tragödien rund um die Kreativen einen durchaus messianischen Zug. Für Strauss eröffnete das stieg‹ und ein keck betontes vor dem ›Eintritt in den Wald‹. Nach Stauffer-Projekt die Möglichkeit, nach ›Ein Heldenleben‹ und der 22 Stationen, die er laut Partitur durchläuft, kehrt er am Ende ›Symphonia domestica‹ eine Werktrilogie abzurunden. ›Ein Hel- dorthin zurück, von wo er aufgebrochen war, in die Nacht- und denleben‹ betrachtet den Künstler in der Auseinandersetzung mit Nebelschleier, die den Berg und sein Thema umhüllen. Er war da, der Gesellschaft um ihn herum, die ›Symphonia domestica‹ gibt ganz oben, und er überstand danach die drohende Katastrophe: sich als kolossales Selbst- und Familienporträt, ›Eine Alpensinfo- Zum Schluss, im Clusternebel, aus dem der b-Moll-Akkord leicht Ich will meine Alpensinfonie: den nie‹ begleitet ihn unterwegs in der großen Natur. hervortritt, erklingt »sehr langsam«, leise, »espressivo« und nach Antichrist nennen, als da ist: sittli- Moll gewandt sein Thema, ehe es in den Klang der Nacht sinkt. che Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbe- In Strauss’ Opus 64 wirken viele Passagen wie ein Film ohne Bil- tung der ewig herrlichen Natur. der: der herabsinkende Tonnebel der Nacht, aus dem sich dunkel Die Etappen einer Wanderung sind jedoch mit reflexiven Momen- die Konturen des »Bergthemas« (Strauss) abzeichnen, der Durch- ten und mit Einstrahlungen aus der Literatur durchsetzt. Besser Richard Strauss, 1911 bruch des Sonnenaufgangs, der seine hymnischen Fluten wie im noch als der bildgebundene Film kann die Musik die Einstellung Gebirge nach unten ergießt, die Jagdhörner hinter der Bühne, die wechseln und von der Darstellung dessen, was der imaginäre Held den Gang in den Wald ankündigen, das Gekräusel des Baches, das sieht oder erlebt, in dessen innere Fantasie-, Erlebnis- und Denk- Sprühen und Glitzern des Wasserfalls, das kontrapunktische welt umschalten, so in den Abschnitten ›Erscheinung‹, ›Vision‹ Dickicht, in dem sich Themen verhaken und das Hören sich leicht und ›Elegie‹. Und ebenso, wie die Musik zum bewegten Bild der verfängt, der große Ton auf dem Gipfel, der alle wichtigen Themen Natur können umgekehrt auch Vorstellungen aus der Natur – Richard Strauss, Gemälde von Max Liebermann, 1918 zum klanglichen Höhepunkt zusammenruft, Sturm und Gewitter etwa Dickicht, Nebel, Gleißen, Dunkel – zur Beschreibung musi- mit Windmaschinengeheul, Trommel- und Paukendonner, Orgel- kalischer Vorgänge und Sachverhalte werden. Die Perspektiv- dröhnen und exaltiertem Auf und Ab der Streicher. Der »Held«, der wechsel von innen nach außen und umgekehrt wirken in Strauss’ Wanderer, bekommt zwei Themen, ein marschmäßiges zum ›An- letzter Tondichtung auch als Verfahren in der Musik.
Zu den Werken 14 Man kann die ›Alpensinfonie‹ wie einen Hörfilm auf sich wirken lassen; die Bildkraft der Musik bleibt nichts schuldig. Man kann sie ebenso als Klangdrama auffassen, das vom Cluster über kom- plexes Stimmgewebe bis zum heiteren Farbspiel und rustikaler Kraft alles aufbietet und in einem höchst originellen Prozess mit- einander verschränkt, als gälte es, eine Art Postmoderne in Ge- genwart der heraufziehenden Moderne zu beschwören. Der große Bogen der Form, die am Ende zu ihrem Anfang zurückkehrt, wird durch Symmetrien verstärkt: Dem ›Idyll‹ entspricht die aufziehen- de Gefahr (›Nebel‹ – ›Elegie‹ – ›Ruhe vor dem Sturm‹), dem hoff- nungsfrohen ›Aufstieg‹ der gewitterumtoste ›Abstieg‹. Richard Strauss auf dem Gipfel des Aus Opernhäusern, Loser im Ausseerland, Österreich Außenbeziehungen, vor allem musikalische Anklänge gehören zur Philharmonien Substanz der ›Alpensinfonie‹. Sie reichen weiter als einst im und Konzertsälen. ›Heldenleben‹. Dort blieben sie auf Kompositionen von Strauss selbst beschränkt. Hier greifen sie in die Geschichte aus. Die Ähn- lichkeit des Sonnenaufgangsthemas mit dem Kanon »Welt, musst vergehn« und mit Giuseppe Giordanis ›Caro mio ben‹ mag Zufall sein, die Melodie bewegt sich im Bereich des Urtypischen. Kaum zufällig aber ist die Beziehung des ersten Wandererthemas zu ei- nem Nebengedanken aus dem Finale von Beethovens Fünfter Im ›Mann ohne Eigenschaften‹ Symphonie. Das markante Hörnerthema, das nach dem ersten sagt Musil über den Zeitgeist des Drittel ein wenig an das Lied von der Schneckenpost erinnert, jungen 20. Jahrhunderts einmal nannte der Komponist selbst »Bruchstelle«, weil sie an Max sinngemäß: Die einen haben neue Bruchs populäres Violinkonzert gemahnt. Das Sprühen und Glit- Luft gewittert, und andere haben im Wissen, dass sie ausziehen zern des ›Wasserfall‹-Abschnitts lässt nicht nur an den ›Feuerzau- Konzerte, müssen, noch einmal im alten ber‹ aus Wagners ›Walküre‹ denken, sondern auch an die Erschei- Gebäude so richtig gehaust. nung der Alpenfee in Lord Byrons ›Manfred‹-Drama, das unter Strauss macht das mit einem anderem Robert Schumann und Pjotr Tschaikowsky zu Tondich- riesigen Orchesterapparat. Diese tungen anregte. jeden Abend. Art Abschiedsfeier von einem nur noch scheinbar intakten, zur Das Herdengeläut im Teil ›Auf der Alm‹ hat eine deutliche Parallele Attrappe gewordenen Weltbild ist für mich nicht weniger apoka- in Mahlers Sechster Symphonie. Charles Youmans entdeckte ge- lyptisch und hellsichtig erhellend gen Ende der ›Wald‹-Passage das Klangbild von Wagners ›Sieg- Jederzeit. als jene Musik, die den Bruch fried-Idyll‹, und im Abschnitt ›Auf blumige Wiesen‹ Hinweise auf vollzieht, so dass musikalische Brahms’ ›Akademische Festouvertüre‹ und Dritte Symphonie. Die Sprache aus den Trümmern der Beispiele ließen sich fortsetzen. Wer mit den entsprechenden Wer- alten sich neu definiert. ken vertraut ist, dem öffnen sich mit den Assoziationen auch Be- Helmut Lachenmann, 2005 deutungsräume, als wandere er durch ein Panorama der Tonkunst wie durch eine zweite, menschengeschaffene Natur. Der Vielfalt und dem Reichtum der ersten Natur entsprechen Vielschichtig- keit und Vieldeutigkeit der Kunst. Mit der »Anbetung der großen Natur« (Strauss) nimmt der schöpferische Mensch Maß und er- In der Dlf Audiothek App, im hebt sich im Geiste auf Höhen, die er physisch nur im Extremfall Radio über DAB+ und UKW bezwingen kann. deutschlandfunkkultur.de/ konzerte
Die Künstler*innen 16 17 Die Künstler*innen Die Künstlerinnen und Künstler ANDRIS POGA REINHOLD MESSNER ist nach acht Jahren als Musikdirektor des Lettischen Staatsorches- hat auf seinen Expeditionen alle 14 Achttausender und zahlrei- ters seit dieser Saison Chefdirigent des Symphonieorchesters im che weitere Gipfel auf schwersten Routen und meistenteils im norwegischen Stavanger. Nach Studien in seiner Heimatstadt Riga Alleingang ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen sowie die und in Wien sowie Meisterkursen bei Seiji Ozawa und Leif Segerstam Wüste Gobi und die Antarktis durchwandert. Für den Südtiroler gewann er 2010 den Swetlanow-Dirigierwettbewerb in Montpellier. ist Abenteuer eine kulturelle Lebensäußerung und sein Tun nicht Danach war er Assistenzdirigent beim Orchestre de Paris und beim auf Rekorde, sondern auf Erfahrung ausgelegt. Im Mittelpunkt Boston Symphony Orchestra. Der internationale Durchbruch gelang steht die Auseinandersetzung zwischen Berg- und Menschen- ihm, als er 2014 bei einer Asien-Tournee der Münchner Philharmoni- natur, die im traditionellen Alpinismus ihren stärksten Ausdruck ker kurzfristig für Lorin Maazel und Valery Gergiev einsprang. Als findet. Mit seiner Stiftung, der Messner Mountain Foundation, die Gastdirigent arbeitet Poga weltweit mit angesehenen Orchestern als Hilfe zur Selbsthilfe konzipiert ist, unterstützt er Völker in den zusammen. Sein DSO-Debüt gab er im November 2016, zuletzt stand Bergen des Himalaja, Karakorum, im Hindukusch, in den Anden er hier Anfang April mit Schostakowitschs Vierter Symphonie am Pult. oder im Kaukasus, um mit Landwirtschaft und Tourismus das Überleben zu sichern. In über fünfzig Büchern, einem Dutzend Fil- SIOBHAN STAGG men, in Vorträgen, im Messner Mountain Museum in den Bergen gehörte 2013 bis 2019 dem Ensemble der Deutschen Oper Berlin Südtirols sowie den Begegnungsräumen der von ihm inspirier- an. Sie sang dort die großen Sopranpartien in Werken von Mozart, ten Museumskette Messner Mountain Heritage im Himalaya, der Bizet, Meyerbeer, Verdi, Wagner und Strauss. Gastengagements Hohen Tatra, den Dolomiten, im Kaukasus und weiteren Gebir- führten an die Opernhäuser in Chicago, London, Zürich, Dijon, gen der Erde berichtet Messner von seinen Erlebnissen und dem Hamburg und München. Als Konzertsängerin trat sie u. a. mit den Abenteuer Berg und Wüste, das den aufgeklärten Menschen seit Berliner Philharmonikern, dem BBC und dem Melbourne Symphony, 250 Jahren umtreibt, und setzt sich für die nachhaltige Erzählung dem Ensemble Modern, bei der Salzburger Mozartwoche, den des traditionellen Alpinismus ein. Salzburger Festspielen und beim Glyndebourne Festival mit Diri- gent*innen wie Kent Nagano, Christian Thielemann, Simone Young Das DEUTSCHE SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN und Osmo Vänskä auf. Die mehrfache Preisträgerin renommierter hat sich in den 75 Jahren seines Bestehens durch seine Stilsicherheit, Wettbewerbe studierte an der University Melbourne, als Stipendia- sein Engagement für Gegenwartsmusik sowie seine CD- und Rund- tin des Dame Nellie Melba Opera Trust und an der Wales Interna- funkproduktionen einen exzellenten Ruf erworben. Gegründet 1946 tional Academy of Voice. als RIAS-Symphonie-Orchester, wurde es 1956 in Radio-Symphonie- Orchester Berlin umbenannt. Seinen heutigen Namen trägt es seit Der RUNDFUNKCHOR BERLIN 1993. Ferenc Fricsay definierte als erster Chefdirigent Maßstäbe im zählt mit rund 60 Konzerten jährlich, CD-Einspielungen und internati- Repertoire, im Klangideal und in der Medienpräsenz. 1964 übernahm onalen Gastspielen zu den herausragenden Chören der Welt. Allein der junge Lorin Maazel die künstlerische Verantwortung. 1982 folgte drei Grammy Awards stehen für die Qualität seiner Aufnahmen. Sein Riccardo Chailly, 1989 Vladimir Ashkenazy und 2000 Kent Nagano, breit gefächertes Repertoire, ein flexibles, reich nuanciertes Klangbild, der dem Orchester seit seinem Abschied 2006 als Ehrendirigent ver- makellose Präzision und packende Ansprache machen den Profichor bunden ist. Von 2007 bis 2010 setzte Ingo Metzmacher mit konse- zum Partner bedeutender Orchester und Dirigenten, darunter Kirill quentem Einsatz für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts Akzente Petrenko, Daniel Barenboim, Sir Simon Rattle, Christian Thielemann im hauptstädtischen Konzertleben; von 2012 bis 2016 legte Tugan oder Yannick Nézet-Séguin. In Berlin besteht eine intensive Zusam- Sokhiev einen Schwerpunkt auf französisches und russisches Reper- menarbeit mit den Berliner Philharmonikern sowie mit dem Deut- toire. Seit September 2017 ist Robin Ticciati Chefdirigent und Künst- schen Symphonie-Orchester Berlin und dem Rundfunk-Sinfonieor- lerischer Leiter. Neben seinen Konzerten in Berlin ist das Orchester chester Berlin und ihren Chefdirigenten. Chefdirigent ist seit 2015 Gijs mit zahlreichen Gastspielen und vielfach ausgezeichneten CD-Ein- Leenaars. Die Einstudierung von ›Exiles‹ übernahm Philipp Ahmann, spielungen im internationalen Musikleben präsent. Das DSO ist ein der Künstlerische Leiter des MDR Rundfunkchors. Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin.
Das Orchester 18 Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Chefdirigent und 2. Violinen Violoncelli Oboen Trompeten Künstlerischer Andreas Schumann Mischa Meyer Thomas Hecker N. N. Leiter Stimmführer 1. Solo Solo Solo Robin Ticciati Eva-Christina Valentin Radutiu Viola Wilmsen Falk Maertens Schönweiß 1. Solo Solo Solo Stimmführerin Dávid Adorján Martin Kögel Joachim Pliquett Ehemalige Chefdirigenten Johannes Watzel Solo stellv. Solo stellv. Solo stellv. Stimmführer Adele Bitter Isabel Maertens Raphael Mentzen Ferenc Fricsay † Clemens Linder Mathias Donderer Max Werner Matthias Kühnle Lorin Maazel † Tarla Grau Thomas Rößeler Englischhorn Riccardo Chailly Jan van Schaik Catherine Blaise Posaunen Vladimir Klarinetten Ashkenazy Uta Fiedler-Reetz Claudia Benker- András Fejér Bertram Hartling Schreiber Stephan Mörth Solo Kent Nagano Solo Kamila Glass Leslie Riva-Ruppert Andreas Klein Ingo Metzmacher Thomas Holzmann Solo Tugan Sokhiev Marija Mücke Sara Minemoto Solo Susann Ziegler Elena Rindler Richard Kontrabässe Rainer Vogt Ehrendirigenten Rahel Rilling* Obermayer N. N. Tomer Maschkowski Günter Wand † Hildegard Niebuhr* stellv. Solo Bassposaune Solo Kent Nagano Bernhard Nusser Bratschen Ander Perrino Cabello N. N. Tuba Igor Budinstein Solo Bassklarinette Johannes Lipp 1. Violinen 1. Solo Christine Felsch Fagotte Wei Lu Annemarie stellv. Solo Harfe 1. Konzertmeister Moorcroft Karoline Zurl 1. Solo Matthias Hendel Elsie Bedleem Marina Grauman Solo Ihr Tages- und Ulrich Schneider Solo 1. Konzertmeisterin N. N. Jörg Petersen Byol Kang stellv. Solo Rolf Jansen Solo Pauken Konzertmeisterin Verena Wehling Emre Erşahin Douglas Bull Erich Trog Daniel Vlashi Lukaçi Leo Klepper Oskari Hänninen Nachtspiegel. stellv. Solo Solo stellv. Konzertmeister Andreas Reincke Hendrik Schütt Jens Hilse Olga Polonsky Lorna Marie Flöten Markus Kneisel Solo Isabel Grünkorn Hartling Kornelia Kontrafagott Brandkamp Ioana-Silvia Musat Henry Pieper Schlagzeug Mika Bamba Birgit Mulch-Gahl Solo Hörner Roman Lepper Rund um die Uhr informiert: Gergely Bodoky Paolo Mendes 1. Schlagzeuger Dagmar Schwalke Anna Bortolin Solo Mit der beliebten Tagesspiegel App lesen Sie alle Artikel von Solo Henrik Magnus Ilja Sekler Eve Wickert Upama Bora Demir Schmidt Tagesspiegel.de, Live-Blogs und die digitale Zeitungsausgabe – Pauliina Quandt- Tha s Coelho Muckensturm Solo stellv. 1. Schlagzeuger auf Ihrem Tablet oder Smartphone. Marttila Viktor Bátki stellv. Solo Anbieter: Verlag Der Tagesspiegel GmbH, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin Ozan Çakar Thomas Lutz Nari Hong Frauke Leopold stellv. Solo Moisés Santos Nikolaus Kneser Frauke Ross Efe Sivritepe* Bueno* Michael Mücke Piccolo stellv. Solo Jetzt gratis laden: Elsa Brown Barnabas Kubina Ksenija Zečević Georg Pohle Lauriane Vernhes Joseph Miron Antonio Adriani * Zeitvertrag
Konzertvorschau So 24.4. / 17 Uhr / Heimathafen Neukölln Kammerkonzerte Kammerkonzert Ausführliche Programme und Besetzungen Werke von Haas, Mozart und Reimann unter → dso-berlin.de/kammermusik ADAMELLO QUARTETT mit Yeree Suh – Sopran Karten, Abos und Beratung Henrik Magnus Schmidt – Schlagzeug Besucherservice des DSO Charlottenstraße 56 / 2. OG Sa 30.4. / 20 Uhr / Philharmonie 10117 Berlin / am Gendarmenmarkt Bach Contrapunctus XIX aus ›Die Kunst Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 – 18 Uhr der Fuge‹, bearbeitet für Kammerorchester T 030 20 29 87 11 / F 030 20 29 87 29 Lutosławski Symphonie Nr. 3 → tickets@dso-berlin.de Rachmaninoff Klavierkonzert Nr. 2 HANNU LINTU IMPRESSUM Behzod Abduraimov – Klavier Deutsches Symphonie-Orchester Berlin in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin So 8.5. / 20 Uhr / Philharmonie im rbb-Fernsehzentrum Krása Ouvertüre für kleines Orchester Masurenallee 16 – 20 / 14057 Berlin Mozart Violinkonzert Nr. 3 T 030 20 29 87 530 / F 030 20 29 87 539 Mahler Symphonie Nr. 5 → info@dso-berlin.de / → dso-berlin.de MANFRED HONECK Chefdirigent Robin Ticciati James Ehnes – Violine Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott Finanzen / Personal Alexandra Uhlig Mi 11.5. / 20 Uhr / Philharmonie Künstlerische Planung Marlene Brüggen Tschaikowsky ›Francesca da Rimini‹ Künstlerisches Betriebsbüro Eva Kroll, Elsa Thiemar Saint-Saëns Violoncellokonzert Nr. 1 Orchesterdisposition Laura Eisen Schostakowitsch Symphonie Nr. 9 Orchesterbüro Marion Herrscher TUGAN SOKHIEV Kommunikation Benjamin Dries Marketing Henriette Kupke Truls Mørk – Violoncello Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Daniel Knaack Musikvermittlung Eva Kroll Fr 13.5. / 22 Uhr / Neue Nationalgalerie Notenarchiv Renate Hellwig-Unruh ›Notturno‹ – Nächtliches Kammerkonzert Orchesterinspektor Kai Wellenbrock 20.45 Uhr Einlass / 21 Uhr Kurzführungen Orchesterwart Lionel Freuchet Werke von Fibich, Mamlok, Schreker und Yun ENSEMBLE DES DSO Programmhefte Habakuk Traber Redaktion Daniel Knaack So 22.5. / 20 Uhr / Philharmonie Artdirektion Stan Hema, Berlin Ligeti ›Lontano‹ Satz Susanne Nöllgen Dukas ›Der Zauberlehrling‹ Fotos Janek Stroisch (Messner, Titel), Schott Music GmbH Messiaen ›Oiseaux exotiques‹ (Anderson), imarabe (Essyad), Deinats (Poga), Todd Rosen- berg (Stagg), Ronny Kiaulehn (Messner), Peter Adamik (DSO), Benjamin ›Duet‹ für Klavier und Orchester DSO-Archiv (sonstige) Janáček Sinfonietta SIR GEORGE BENJAMIN © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2022 Cédric Tiberghien – Klavier Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin. Mi 1.6. / 20 Uhr / Philharmonie Geschäftsführer Anselm Rose ›Debüt im Deutschlandfunk Kultur‹ Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Mozart Ouvertüre zu ›Le nozze di Figaro‹ Deutschland, Land Berlin, Rundfunk Berlin-Brandenburg Mozart Oboenkonzert C-Dur Sibelius Violinkonzert Poulenc Suite aus dem Ballett ›Les biches‹ FELIX MILDENBERGER Mariano Esteban Barco – Oboe Timothy Chooi – Violine
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