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Ganztagsschule bewegt! Ganztagsschule gestalten. Ein Leitfaden für die zweite Phase der Lehrerbildung Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
GANZTAGSSCHULE BEWEGT! Ganztagsschule gestalten. Ein Leitfaden für die zweite Phase der Lehrerbildung Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen München 2020
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen 3 Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen 4 1 Lernwelten des Alltags 5 2 Gesellschaft, Demokratie, Werte 8 3 Forschen und Fördern 10 4 Medienbildung 16 Fazit – Erfolgreich bewegt 22 Quellenverzeichnis 25 2 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
Vorbemerkungen Vorbemerkungen Der flächendeckende und bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsangeboten Vereinbarkeit von ist ein vorrangiges Ziel der Bayerischen Staatsregierung (2015, S. 2) und stellt Beruf und Familie einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung des bayerischen Bildungswesens dar. Vor dem Hintergrund einer auch in Bayern weiter steigenden Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern hat der Ausbau schulischer Ganztagsangebote nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine familienpolitische Bedeutung, denn damit unterstützt der Freistaat Fami- lien und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: „Angesichts weiter steigender Erwerbstätigkeit von Müttern ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den meisten Familien ein wichtiges Thema: 2012 waren in Bayern bei 70 % der Paare mit minderjährigen Kindern beide Elternteile erwerbstä- tig“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, 2015, S. 9). Von der Ganztagsschule profitieren damit nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch ihre Eltern. Darüber hinaus hat der Ausbau der Ganztagsschule eine noch weitreichende- Chancen- und re sozialpolitische Dimension, denn die Ganztagsschule kann durch das Mehr Teilhabegerechtig- an Zeit dazu beitragen, alle Kinder trotz unterschiedlicher Ausgangsbedin- keit gungen optimal zu fördern. Der Ausbau schulischer Ganztagsangebote zielt damit auch auf eine höhere Chancen- und Teilhabegerechtigkeit in Schule und Gesellschaft ab: Die Ganztagsschule bietet mit zusätzlichen Förder- und Frei- zeitangeboten Schülerinnen und Schülern vielfältige Lern- und Entwicklungs- möglichkeiten und kann so helfen, den Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg zu verringern. Von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen, ist der Ausbau ganz- Entwicklung der tägiger Angebote eine der zentralen Herausforderungen der bayerischen Bil- Lehr- und Lern- dungspolitik. Aufgrund der zusätzlichen Zeit und der zusätzlichen personellen kultur und räumlichen Ressourcen hat die Einrichtung von Ganztagsschulen vielerorts weitreichende Konsequenzen sowohl auf die Entwicklung der Lehr- und Lern- kultur als auch auf das Engagement der Kollegien bei der Schulentwicklung. Lehrerinnen und Lehrer müssen im Ganztag nicht nur ihren Unterricht mit einer Vielzahl an differenzierenden Methoden sinnvoll gestalten und stärker auf das einzelne Individuum zuschneiden, sie müssen auch Bewegungs- und Entspannungspausen integrieren, sich mit anderen Lehrkräften und externen Partnern abstimmen, um die pädagogischen Spielräume zu nutzen. Die Qualität der Ganztagsschule ist untrennbar mit den an der Ganztagsschule Verankerung in der tätigen Personen, ihren fachlichen, aber auch berufsfeldspezifischen Kompe- Lehrerbildung tenzen sowie ihren Einstellungen und ihrem professionellen Selbstverständnis verbunden. Deshalb wird die Ganztagsschule künftig im Rahmen der Lehrer- aus- und -fortbildung als pädagogisch-konzeptionelle Herausforderung be- rücksichtigt und in der zweiten Phase der Lehrerbildung verankert. So werden Lehrkräfte, die an Ganztagsschulen bereits eingesetzt werden bzw. dort zu- künftig eingesetzt werden können, auf die pädagogischen Herausforderungen vorbereitet. 3
Vorbemerkungen Praktische Dieser Leitfaden in fünf Bänden richtet sich an Lehramtsanwärterinnen und Erfahrungen und Lehramtsanwärter aller Schularten und gibt ihnen einen Überblick über die Studienergebnisse Handlungsfelder der Ganztagsschule mit all ihren Facetten. Dabei sind prak- tische Erfahrungen vieler bayerischer Schulen und ihrer Lehrkräfte und Schul- leitungen eingeflossen. Wir haben jedoch auch die Ergebnisse einschlägiger Studien aufbereitet, die die Entwicklung von Ganztagsschulen wissenschaft- lich begleitet haben, um sie jungen Lehrerinnen und Lehrern zugänglich zu machen. Schullandschaft in Durch die bildungspolitische Entscheidung zur flächendeckenden Einführung Bewegung der Ganztagsschule ist Bewegung in die bayerische Schullandschaft gekom- men. Schule ist vielfältiger und bunter, lebensnäher und häufig selbst ein Ort des Lebens geworden. Die Schule ist buchstäblich in Bewegung. Diese Bewe- gung setzt auch voraus, dass sich Lehrkräfte innerlich bewegen und öffnen für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen anderer Professionen, für ein breiteres Aufgabenspektrum und zusätzliche Mitgestaltungsmöglich- keiten. Dieser Bewegungsaspekt zieht sich thematisch als roter Faden durch den gesamten Leitfaden und spiegelt sich im Titel jedes der fünf Bände wider. ISB-Arbeitskreis Die vorliegende Handreichung wurde in einem Arbeitskreis mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Schularten und Funktionen unter Federführung des ISB verfasst. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG, 2010, 2016) hat Frau Dr. Doris Holzberger, wis- senschaftliche Mitarbeiterin an der TUM School of Education der Technischen Universität München, für diesen Leitfaden aufbereitet und zusammengestellt. Michael Wölfel, Lehrer an der Sophie-Scholl-Mittelschule Burglengenfeld, hat die Illustrationen besorgt. Im Vorfeld hat der Arbeitskreis stichprobenartig Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter verschiedener Schularten zu ihrem Vorwissen und ihren bisherigen Erfahrungen im Ganztag sowie zu ihren Erwartungen im Hinblick auf diese Handreichung befragt. Diese Erkenntnisse sind eingeflossen. Video-Tutorials Parallel zu dieser Handreichung sind ergänzende Video-Tutorials entstanden mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Schularten und unterschiedli- cher Professionen. Die Filmaufnahmen haben experimentellen Charakter und sind nur wenige Minuten lang. Sie sollen angehenden Lehrkräften einen Ein- blick in das professionelle Handeln aller am Ganztag beteiligten Personen ge- ben. Die Filme sind aus der Idee heraus entstanden, „mit den Gesichtern des Ganztags“ dem Ganztag „ein Gesicht zu geben“. Die Inhalte dieser Kurzfilme werden durch Texteinblendungen unterstützt. Die Transkripte sind ebenfalls verfügbar und können alternativ oder begleitend zu den Filmen genutzt wer- den. Für einen flexiblen Einsatz in der Seminarausbildung können die Kurzfil- me auf dem Ganztagsportal des ISB heruntergeladen werden.. Dr. Karin E. Oechslein Direktorin des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung 4 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen … vom Lernen zum Leben … „Hast du deine Hände gewaschen?“, „Wer kümmert sich um die Ausleihe der Spielgeräte?“, „Wofür engagierst du dich?“, „Wer ersetzt die Eltern am Mittagstisch, den Trainer oder Jugendleiter am Nachmittag?“ – Wenn Emma und Max den ganzen Tag in der Schule verbringen, werden diese und andere Fragen zur Erziehung und Persönlichkeitsbildung auch dort gestellt und be- antwortet. Schule wird so vom Lernort zum Lebensraum. In der Zeit, in der sich Max und Emma vom Kind zu jungen Erwachsenen entwickeln, lernen sie in der Ganz- tagsschule, Verantwortung zu übernehmen und entdecken auch ihre Bega- bungen und Talente. Die Ganztagsschule eignet sich in besonderer Weise dazu, die Schülerinnen Nachhaltigkeit und Schüler in Ergänzung zum regulären Unterricht in ihrer persönlichen Ent- wicklung zu begleiten, zu fördern und Kompetenzen nachhaltig zu vermitteln. Dazu tragen rhythmisierte, variable Stundenpläne und zeitlich flexible Phasen der Projektarbeit ebenso bei wie die kreative und kooperative Zusammenarbeit der Lehrkräfte und des weiteren pädagogischen Personals. 5
1 Lernwelten des Alltags 1 Lernwelten des Alltags Alltags- Das neue schulart- und fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsziel „All- kompetenzen tagskompetenz und Lebensökonomie“ ist für die Schulen Bayerns verbindlich in den Lehrplänen verankert. Die Inhalte finden sich in den unterschiedlichen Fachlehrplänen von der ersten bis zur zehnten Jahrgangsstufe (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, 2015). Die Beschäftigung mit Gesundheit, Ernährung, Haushaltsführung, selbstbestimm- tem Verbraucher- sowie angemessenem Umweltverhalten hilft den Schülerin- nen und Schülern, Fragestellungen des alltäglichen Lebens zu erkennen und zu verstehen, adäquat auf entsprechende Herausforderungen zu reagieren sowie erfolgreich und nachhaltig zu handeln. Die Förderung von Alltagskom- petenzen kann gerade in der erweiterten Zeitstruktur des Unterrichtstags in der Ganztagsschule gelingen. Service-Learning Eine überaus erfolgreiche Verknüpfung von fachlichem Lernen, gesellschaft- lichem Engagement und berufsorientierender Information stellt die Lehr- und Lernform „Lernen durch Engagement“ dar, die seit Jahren auch in zahlrei- chen Ganztagsschulen eingesetzt wird. Im Internetauftritt des bundesweiten Netzwerks „Service-Learning“ (Stiftung Lernen durch Engagement, n. d.) wird dieser besondere pädagogische „Blick über den Zaun“ vorgestellt: Lernen durch Engagement: Verbindung von gesellschaftlichem Engagement mit fachlichem Lernen Schülerinnen und Schüler setzen sich für das Gemeinwohl ein. Sie tun in ihrem unmittelbaren Lebensbereich etwas für andere oder für die Gesell- schaft, z. B. in benachbarten schulischen und sozialen Einrichtungen, in der Denkmalpflege, in der Kommune. Sie engagieren sich aber nicht losgelöst von der Schule oder zusätzlich zu ihr, sondern sind über die Erarbeitung im Unterricht eng verbunden mit dem fachlichen Lernen. Das Engagement der Schülerinnen und Schüler wird im Unterricht geplant, reflektiert und mit den Inhalten der Bildungs- und Lehr- pläne verknüpft. Einblick in Die Planung und Durchführung von Projekten im Zusammenhang mit außer- Unternehmen schulischen Institutionen und Unternehmen eröffnet einen Einblick in unter- nehmerische Strukturen und Arbeitsweisen und zeigt am praktischen Beispiel wirkungsvolles Lehren und Lernen. 6 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
1 Lernwelten des Alltags Praxiseispiele für Unterrichtsprojekte: „Lernen durch Engagement“ Achtklässler beschäftigen sich in Biologie mit Ökosystemen und heimischen Pflanzen und legen in Kooperation mit einem Umweltschutzverein einen Naturlehrpfad mit Infotafeln zum lokalen Ökosystem an – denn ein brachlie- gendes Wiesenstück drohte zur Müllkippe zu verkommen. Grundschulkinder üben in der Klasse das betonte Vorlesen, sprechen über geeignete Kinderliteratur und veranstalten Märchenvorlesetage in der öffent- lichen Bücherei – denn kulturelle Veranstaltungen für Kinder sind in der Stadt weitgehend dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das Lernen in der Ganztagsschule erlebt mit derartigen „Service-Learning“- Dimensionen von Projekten eine weit über die Schule hinausreichende gesellschaftliche Dimen- Service-Learning sion und trägt zur Profilierung der eigenen Schule bei. Zu „Service-Learning“ durchgeführte Studien zeigen, dass die Schüler schulische Inhalte tiefer und umfassender verstehen, motivierter, selbstbewusster und leistungsstärker ar- beiten und die Einstellung zu ihrer Schule positiv verändern (vgl. Aktive Bür- gerschaft e. V., 2013). 7
2 Gesellschaft, Demokratie, Werte 2 Gesellschaft, Demokratie, Werte Wertebildung In der Ganztagsschule können im Miteinander aller Beteiligten Situationen und Konstellationen geschaffen werden, die wichtige Aspekte der verantwor- tungsvollen Mitgestaltung und des sozialen Lernens in der Schulfamilie erleb- bar machen. Ein konstruktives und unterstützendes Lernklima fördert schuli- sches Lernen und die individuelle Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. Dies trägt auch zur Wertebildung bei. Lehrkräfte sowie alle Betreuerinnen und Betreuer tragen im Ganztag dabei eine besondere Verantwortung. Durch Klar- heit, Transparenz und Offenheit in ihrem täglichen Handeln und im Umgang miteinander wirken sie prägend auf Schülerinnen und Schüler. Den Blick in die Es ist ein wesentliches Merkmal der Ganztagsschule, dass sie sich zum Leben Gesellschaft weiten hin öffnet und auf dieses vorbereitet. Die Schülerinnen und Schüler lernen in der Schule und im außerschulischen Umfeld, mit Lehrkräften und Personen mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund für ein Leben in unserer Gesell- schaft, für einen erfolgreichen Berufseinstieg, für ein Leben nach der Schule. Entwicklung einer Ein zentrales Ziel ganztägiger Bildung und Erziehung ist die Förderung der demokratischen Eigenständigkeit von Schülerinnen und Schülern und der aktiven Teilhabe an Alltagskultur Entscheidungen im Schulleben. Damit trägt die Schule dazu bei, dass sich Kin- der und Jugendliche zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Per- sönlichkeiten in einer demokratischen Gesellschaft entwickeln können. Selbst- organisiertes Lernen, Mitverantwortung bei der Gestaltung des Schullebens sowie politisches und soziales Engagement auch außerhalb der Schule folgen dem erweiterten Bildungsverständnis im Ganztag. Sie wirken sich positiv auf die Gestaltung des Schullebens und auf die Schulentwicklung aus. Kinderbeteiligungs- Aufgrund der größeren zeitlichen und inhaltlichen Gestaltungsspielräume projekte können auch Kinderbeteiligungsprojekte zur Stadtgestaltung wie das Münch- ner Kinder- und Jugendforum in die Angebots- und Unterrichtsplanung des Ganztags einbezogen werden. Dabei lernen Kinder und Jugendliche Mitgestal- tungsmöglichkeiten in unserer Gesellschaft kennen und machen auch außer- halb der Schule wichtige Selbstwirksamkeitserfahrungen. Praxisbeispiele: Kinderbeteiligungsprojekte zur Stadt(teil)gestaltung → Ziele: Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Stadtpolitik und Stadtgestaltung, Entwicklung einer demokratischen Alltags- kultur Zweimal jährlich im Münchner Rathaus beim Münchner Kinder- und Ju- gendforum (Kultur & Spielraum e. V., n. d.): • mit Vertretern aus Politik und Stadtverwaltung diskutieren, wie die Stadt kinderfreundlicher werden kann • persönliche Anliegen formulieren und entsprechende Anträge stellen, z. B. für einen Fitnessraum für eine Ganztagsschule, eine Kinderdisco in einem Stadtteil, die Verlängerung der Grünphase einer Fußgängerampel 8 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
2 Gesellschaft, Demokratie, Werte So gelingt’s: Patenschaften von erwachsenen Experten aus Politik und Verwaltung zur Unterstützung bei der Durchsetzung der Forde- rungen Drei Monate lang in der unmittelbaren Umgebung der Schule mit dem Kin- der-Aktionskoffer … • den Stadtteil erkunden und Verbesserungsvorschläge erarbeiten • Vorschläge öffentlich machen und politisch vertreten Das steckt drin: 33Digitalkamera, Fotodrucker und Aufnahmegerät fürs Dokumentieren 33Methodenheft mit Projektbeispielen, Methoden und Aktionsvorschlä- gen Auch die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Bayern (z. B. Angebote der Jugendfreizeitstätten, Jugendhäuser, Jugendtreffs) bieten außerschulische Er- offenen Kinder- fahrungsräume für ein verantwortungsvolles Handeln im Alltag. Sie unterstüt- und Jugendarbeit zen Schulen mit vielfältigen, an den Bedürfnissen und Interessen junger Men- schen orientierten Angeboten: Präventionsprogramme, Partizipationsprojekte, erlebnispädagogische oder medienpädagogische Angebote, handwerkliche Arbeit und kreatives Gestalten vermitteln alltagspraktische Kompetenzen und fördern demokratisches Denken und Handeln. Im Jugendverband (z. B. Jugendfeuerwehr, DLRG-Jugend) können Kinder Rolle von Jugend- und Jugendliche verbandsspezifische Kompetenzen erwerben, aber auch Ge- verbänden und meinschaft erleben und Selbstwirksamkeitserfahrungen in verschiedenen Le- Jugendringen bensbereichen machen. Einzelne Jugendringe koordinieren die Angebote der Jugendverbände auf Stadt- und Landkreisebene für Schulen oder sind als Ko- operationspartner an Ganztagsschulen aktiv (Praxisbeispiele vgl. Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, 2015, S. 26-30). 9
3 Forschen und Fördern 3 Forschen und Fördern Förderung von Die Ganztagsschule ist ein Ort, wo Kinder und Jugendliche ihren Interessen Interessen und und Neigungen nachgehen, aber auch neue Interessen oder Fähigkeiten ent- Fähigkeiten wickeln können. Voraussetzung dafür ist, dass Schülerinnen und Schüler ihre Vorstellungen bei der Planung und Gestaltung mit einbringen können. Mit einem breiten Spektrum an sportlichen, musischen oder künstlerischen Ange- boten erhalten sie die Möglichkeit, ihre persönlichen Stärken und Begabungen frühzeitig zu erkennen: etwas auszuprobieren, daran Spaß und Interesse zu finden und die Erfahrung zu machen, etwas besonders gut zu können oder besonders schnell zu lernen. Dies zu erkennen, ist die Aufgabe der Lehrkräfte und des weiteren pädagogischen Personals. Sie müssen Kinder und Jugend- liche ermuntern und ihnen Gelegenheit geben, ihre Interessen zu entfalten. Kulturelle Bildung In den letzten Jahren ist die Bedeutung der kulturellen Bildung an Ganztagsschu- len verstärkt in den Blick von Politik, Wissenschaft und Praxis gerückt. Zum einen aufgrund der Annahme, dass Ganztagsschülerinnen und -schüler außerschuli- sche Angebote seltener wahrnehmen und die Mitgliederzahlen von Sport- oder Musikvereinen schwinden könnten. Sportvereine, Musik- und Jugendkunst- schulen kooperieren auch deshalb zunehmend mit Ganztagsschulen und haben mit ihren Angeboten inzwischen einen festen Platz im Angebotsportfolio vieler Schulen.1 Zum anderen belegen einschlägige Studien (vgl. Züchner, 2014) die 1 Züchner (2014) zeigt, dass ein Rückgang außerschulischer Aktivitäten wissenschaft- lich allerdings nicht nachgewiesen werden kann. Viele Sportvereine, Musik- und Jugendkunstschulen sehen in der Kooperation mit Ganztagsschulen vielmehr die Chance, neue Mitglieder zu werben und so von der Zusammenarbeit zu profitieren. 10 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
3 Forschen und Fördern hohe soziale Selektivität außerschulischer Angebote, während in der Ganztags- schule auch Kinder aus sozial weniger privilegierten Familien und Kinder mit Migrationshintergrund die Möglichkeit erhalten, z. B. an Sportangeboten teil- zunehmen oder ein Instrument zu erlernen. Damit trägt die Ganztagsschule zu mehr Chancengerechtigkeit und kultureller Teilhabe aller Kinder und Jugendli- chen unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund bei. Künstlerisch-musische Angebote sind nicht nur ein wichtiger Baustein der Musikangebote rhythmisierten Ganztagsschule, sondern auch ein zentraler Bestandteil ganz- heitlicher Bildung und Förderung. Das pädagogische Konzept vieler Ganztags- schulen enthält unterschiedliche musische Angebote wie z. B. Chor, Orchester, Band, Instrumentalunterricht oder Musiktheater. Entweder werden spezielle Musikangebote für Schülerinnen und Schüler des offenen bzw. gebundenen Ganztags eingerichtet oder bereits bestehende Musikangebote (z. B. Wahlun- terricht, Arbeitsgemeinschaften) der Schule auch für Schülerinnen und Schüler des Ganztags geöffnet. Mit entsprechenden Zeitfenstern im Stundenplan wird so die Teilnahme an Chor, Orchester, Big Band oder Musical für alle Schüle- rinnen und Schüler der Schule möglich.2 Auch durch die Einrichtung von z. B. Bläser- oder Chorklassen können spielerische Fähigkeiten vermittelt sowie In- teresse und Begeisterungsfähigkeit geweckt werden. Dass gerade mit Musik Grenzen überwunden und die Integration von Kindern Mit Musik Grenzen und Jugendlichen unterschiedlicher kultureller Herkunft gefördert werden überwinden können, zeigen zahlreiche musikalische Projekte in ganz Bayern. Das Theater am Neunerplatz Würzburg z. B. fördert Integration und Willkommenskultur mit dem Projekt „Willkommen mit Musik“ (WiMu), das von der Stadt Würz- burg, der Hochschule für Musik sowie vielen musikbezogenen Einzelhändlern der Stadt gefördert wird. Freischaffende Musikerinnen und Musiker sowie Musikpädagoginnen und „Willkommen mit -pädagogen musizieren bei WiMu mit Flüchtlingen und für Flüchtlinge in Erst- Musik“ (WiMu) aufnahmeeinrichtungen. Sie bieten kostenlosen Instrumentalunterricht, Auf- trittsmöglichkeiten und vielfältige Angebote musikalischer Freizeitgestaltung. Im Rahmen des Projekts werden an der Mönchbergschule Würzburg zwei musikalische AGs angeboten. In der AG „Singen und Songwriting“ können geflüchtete Kinder und Jugendliche ihre Erlebnisse und Geschichten in Mu- sik übersetzen und verarbeiten. In der AG „Schulband“ werden ihre eigenen Songs aufgeführt. Da das Projekt und das Team durch vielfältige Aktivitäten an verschiedenen Standorten der Stadt vernetzt sind, erhalten die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit, am kulturellen Leben der Stadt teilzuhaben. Einen eindrucksvollen Einblick in die Vielfalt kultureller Bildung an Ganztags- Dokumentation schulen bietet die Dokumentation „Hammer, Geige, Bühne“ (Lehmann-Werm- „Hammer, Geige, ser, 2013). Auf der Basis der „MUKUS-Studie“ (Lehmann-Wermser, Naacke & Bühne“ Nonte, 2010) werden in einem Film und dem Begleitbuch vier Schulen mit unter- schiedlichen Konzepten und Angeboten musisch-künstlerischer Bildung porträ- 2 Praxisbeispiele hat die Bayerische Landeskoordinierungsstelle Musik (2015, S. 15- 21) zusammengestellt. 11
3 Forschen und Fördern tiert. Neben den Forschungsergebnissen der Studie zu Wirkungen künstlerischer Betätigung enthält die Publikation zahlreiche Anregungen für Lehrerinnen und Lehrer, wie sie musisch-künstlerische Projekte selbst realisieren können. Die „MUKUS-Studie“ (Lehmann-Wermser et al., 2010) zeigt: Chancen für eine erweiterte musikalisch-kulturelle Bildung im Ganztag → Die Studie beschreibt die Auswirkungen von Ganztagsschulen auf die musisch-kulturelle Bildung und untersucht, welche Bedeutung dabei dem Schulklima und der Einbettung der Schule in ihr lokal-regionales Umfeld zukommt. Das kam heraus: 33verstärkte kulturelle Aktivierung von Schülerinnen und Schülern im Ganztag 33Zugangschancen zu musisch-kulturellen Aktivitäten unabhängig von der sozialen Herkunft 33positive Einflüsse musischer Angebote auf das allgemeine Lern-, Ar- beits- und Sozialverhalten Bayerische Die Bayerische Landeskoordinierungsstelle für Musik (BLKM) ist als Servicestel- Landeskoordi- le für Musikbildungsprojekte in Bayern von Kultus- und Sozialministerium und nierungsstelle für Bayerischem Musikrat gemeinsam gegründet worden. Sie unterstützt u. a. die Musik (BLKM) Vernetzung und Kooperation von Ganztagsschulen mit Musikvereinen und Mu- sikbildungseinrichtungen. Indem die BLKM Musikbildungsangebote, -initiativen und -projekte koordiniert, Institutionen vernetzt und Modelle entwickelt, stärkt sie die Bedeutung der Musik auch im Ganztag auf vielfältige Weise. Die Broschü- re „Musik im Ganztag“ (Bayerische Landeskoordinierungsstelle Musik, 2015) gibt einen schnellen Überblick über mögliche Musikangebote und Partner und enthält eine Zusammenstellung von Aspekten, die bei der Planung eines pädagogischen Konzepts mit musikalischer Ausrichtung berücksichtigt werden sollten. Ganzheitliche Zusätzlich zum Sportunterricht gibt es nahezu an jeder Ganztagsschule vielfäl- Persönlichkeits- tige Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote. Für eine ganzheitliche Persönlich- entwicklung durch keitsentwicklung unverzichtbar, sind sie fester Bestandteil des pädagogischen Sport Konzepts und werden meist in Kooperation mit Sportvereinen angeboten. Sport macht nicht nur Spaß und fördert Gemeinschaft und Geselligkeit, er trägt entscheidend zur körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei. Sport erhält die Leistungsfähigkeit und steigert die Lebensqualität. Kooperationen Die Chance in der Kooperation mit Sportvereinen besteht darin, dass neben mit Sportvereinen klassischen Sportarten wie Fußball oder Turnen auch sportliche Trends (Parkour, Slackline) oder nicht-schulsporttypische Bewegungs- oder Spielangebote (Yoga, Ci Gong, Akrobatik) Berücksichtigung finden, mit denen die sportliche Begeis- terung von Kindern und Jugendlichen geweckt werden kann. Meist sind die Sportangebote auch Bestandteil des Vereinssportprogramms, sodass die Schü- lerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, die Sportart außerhalb der Schule 12 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
3 Forschen und Fördern auch im Rahmen des Vereinssports fortzusetzen. So finden nicht nur sportliche Talente den Weg in den Sportverein,so kann auch insgesamt die Wahrschein- lichkeit der sportlichen Betätigung im Erwachsenenalter gesteigert werden. Spiel und Sport können umfassend gefördert werden, wenn die Schule Spiel- Schulportal und Bewegungsräume auch außerhalb von Sportunterricht und Sportangebo- der DGUV ten schafft und mit Bewegungs- und Entspannungspausen sowie bewegtem Unterricht in den Ganztagsschulalltag integriert. Impulse für einen bewe- gungsorientierten Schulalltag bietet das Schulportal der Deutschen Gesetz- lichen Unfallversicherung, z. B. mit Tipps zur Gestaltung des Schulgeländes oder zur Organisation der Pausenausleihe (Deutsche Gesetzliche Unfallversi- cherung, 2012). Die Vorschläge sensibilisieren Lehr- und Fachkräfte dafür, wie Schulunfälle vermieden werden können, und sie geben Ideen und Anregun- gen für eine bewegte Schulkultur, die zu einer höheren Bewegungskompetenz bei Schülerinnen und Schülern beiträgt und damit Unfällen vorbeugt. Für eine kompetente und verantwortungsvolle Umsetzung eines bewegungs- Kompetent und orientierten Ganztags müssen sich Lehr- und Fachkräfte auch innerlich bewe- verantwortungsvoll gen, sich beteiligen wollen, sich informieren und qualifizieren. Dafür bietet die Landesstelle für den Schulsport Unterstützung, z. B. mit Informationen zur Kooperation mit Sportvereinen und zu Konzepten und Beispielen eines sport- orientierten Ganztags. Der Leitfaden „Mentor Sport nach 1“ informiert, wie Sporttutoren in die Freizeitgestaltung eingebunden werden können. Darüber hinaus werden Lehrgänge für Sportlehrkräfte und Workshops für Betreuer zur Erlebnispädagogik angeboten. Die Bandbreite der Kurse reicht von Kooperati- onsspielen bis Risikosport. Praxisbeispiel: Sportmentorenprojekt „Mentor Sport nach 1“ mit Schülerinnen und Schülern ab 15 (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 2007) → Projekt: freies und selbstorganisiertes Sporttreiben in der Mittagspause oder am Nachmittag in dafür besonders geeigneten Sportarten: • Basketball, Fußball, Handball, Volleyball • Badminton, Tennis, Tischtennis • Jonglieren, Tanz Ziele: 33Ermöglichung regelmäßigen Sporttreibens 33Stärkung von Eigenverantwortlichkeit 33Nutzung vorhandener Ressourcen Voraussetzungen für Mentoren: 33Mindestalter 15 Jahre 33Einweisung durch Mentorenbetreuerin bzw. -betreuer Aufsicht – wie bei anderen Tutorenprojekten – durch eine Lehrkraft! 13
3 Forschen und Fördern „Bewegt den Anregungen für eine bewegungsorientierte Gestaltung der Ganztagsschu- ganzen Tag“ le gibt die Dokumentation „Bewegt den ganzen Tag“ (Becker et al., 2008). Der Film (DVD mit Begleitbuch) porträtiert die Projektschulen der sogenann- ten „StuBSS“-Studie zur Rolle von Bewegung, Spiel und Sport im Ganztag. Er zeigt, wie durch die Rhythmisierung des Tages und durch vielfältige Bewe- gungsangebote und Bewegungsanreize in Unterricht, Pause und zusätzlichen Angeboten Bewegung in die Tagesgestaltung integriert werden kann. Dabei wirbt der Film mit einer großen Vielfalt an unterschiedlichen Ideen und Kon- zepten sehr überzeugend um eine umfassende Integration von Bewegung in den schulischen Alltag. StuBSS (Hildebrandt-Stramann, Laging & Teubner, 2014) weist nach: „Bewegte“ Ganztagsschulen sind innovativ! Das wurde untersucht: • Rolle von Bewegung, Spiel und Sport im rhythmisierten Tagesablauf • Bedeutung von Körperlichkeit und Bewegung im Vergleich zur Halb- tagsschule • Bewegungsanlässe in allen Fächern • Bildung von Arbeitsgemeinschaften und Zusammenarbeit mit Koope- rationspartnern Das kam heraus: 33Bewegungs- und Sportaktivitäten nehmen unter den außerunterrichtli- chen Ganztagsangeboten den bedeutendsten Stellenwert ein. 33Bewegung wird vielfältig verstanden: als sportliche Aktivität am Nach- mittag, als Gestaltungsprinzip, als Kompensationsmöglichkeit zum Sitzunterricht, als motorische Förderung oder als eigenständige Bewe- gungsbildung. 33Die Integration von Bewegung in den gesamten Schultag ist ein Merk- mal, das innovative Schulen auszeichnet und die Schulentwicklung for- ciert. 33Auch musisch-kreative Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Klas- senunterrichts tragen wesentlich zu einem ausgewogenen und „be- wegten“ Ganztag bei: • Singen und Musizieren – im Chor, in der Band, in der Freizeit-AG • Tanz (z. B. Pop, Hip-Hop, Volkstanz) – im Sportunterricht und mit außerschulischen Kooperationspartnern • Szenisches Spiel und Theater – mit verschiedenen Fachlehrkräften im Team (z. B. in Deutsch, Geschichte, Heimat- und Sachunterricht, Kunst, Handarbeit / Werken), auch jahrgangs- oder schulübergrei- fend Spielerisches „Fußball lernt man im Fußballverein, Tennis im Tennisverein, Musik in der Mu- Forschen und sikschule, aber wo lernt ein Kind „Technik“ (Iglhaut, n. d.)? Die Ganztags- Entdecken schule trägt hier eine besondere Verantwortung und sollte mit ausgewählten Projekten, z. B. in der Kooperation mit Universitäten, Fachhochschulen oder 14 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
3 Forschen und Fördern Unternehmen, einen Beitrag zur Stärkung des Interesses an Naturwissenschaft und Technik sowie zur Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses leisten. Auch virtuelle Labors bieten spannende Erlebnisreisen in die Welt der Forschung. Experimente für „Groß und Klein“ und spielerische Zugänge zu den „wichtigen Fragen des Lebens“ können den Ganztagsunterricht berei- chern oder für AGs bzw. Wahlunterricht, z. B. im Rahmen einer mädchenspezi- fischen MINT-Förderung oder zur Förderung besonderer Begabungen, genutzt werden. Initiativen und gemeinnützige Stiftungen wie die „Stiftung Haus der Kleinen Naturwissen- Forscher“ wecken mit ihren Angeboten Begeisterung für naturwissenschaft- schaftliche liche Phänomene und technische Fragestellungen. Mit einfachen Materialien Experimente und Alltagsgegenständen können Schülerinnen und Schüler Naturphänomene erforschen. Lehrkräfte erhalten mit vielfältigen Materialien und Anregungen praxisnahe Unterstützung und können sich in kostenlosen Online-Fortbil- dungskursen weiterbilden. Praxisbeispiele: Auswahl an Online-Angeboten mit Erlebnisreisen in die Welt der Forschung • „Stiftung Haus der Kleinen Forscher“ (gemeinnützige Stiftung) → Naturwissenschaft, Mathematik und Technik in (Kita und) Grund- schule fördern → mit einem bundesweiten Fortbildungsprogramm Lehr- und pädago- gische Fachkräfte unterstützen • „Kids and science“ (werbefreie Website, ehrenamtlich von Dipl.-Physi- ker Andreas Tillmann konzipiert, aufgebaut und betreut) → spannende Fragen aus „Natur und Umwelt“ kindgerecht beantwor- ten → mit Experimenten für Kinder (bis 14 Jahre) physikalische Zusammen- hänge begreifbar machen • „TfK – Technik für Kinder e. V.” (gemeinnütziger Verein an der Tech- nischen Hochschule Deggendorf) → durch Experimentieren, Basteln und Tüfteln die Welt der Technik spielerisch entdecken • „HoriZONTec“ (Schulversuch der Stiftung Bildungspakt Bayern) → zentralen Fragestellungen der Zukunft nachgehen → mit Beispielen und Erfahrungen aus dem Modellversuch naturwis- senschaftliches Interesse in der gymnasialen Mittelstufe stärken 15
4 Medienbildung 4 Medienbildung Medien- Die souveräne Nutzung von Computer, Internet und weiteren digitalen Me- kompetenz – dien ist eine zentrale Anforderung und eine der Schlüsselkompetenzen im kompetent digitalen Zeitalter. Zeitgemäße Bildung ohne Medienbildung ist deshalb nicht vermittelt denkbar. Sie soll junge Menschen befähigen, digitale Medien zur Gestaltung ihrer eigenen Lebenswelt und zur gesellschaftlichen Teilhabe zu nutzen. Eine systematische, kompetente Vermittlung von Medienkompetenz erfordert so- wohl eine zeitgemäße technische Infrastruktur als auch medienkompeten- te und mediendidaktisch geschulte Lehrkräfte (Wetterich, Burghart & Rave, 2014). In der Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen und der geziel- ten Einbindung von Medienpädagoginnen und -pädagogen liegen im Ganztag besondere Chancen der Medienbildung. Die Studie “Medienbildung an deutschen Schulen” (Wetterich et al., 2014) der Initiative D21 • beschreibt den Status quo schulischer Medienbildung in Deutschland und regionale Rahmenbedingungen in den Bundesländern, • stellt die gesellschaftlichen Herausforderungen und Anforderungen an eine zeitgemäße schulische Medienbildung dar, • skizziert Entwicklungslinien und Hindernisse einer erfolgreichen Integ- ration digitaler Medien, • leitet daraus Handlungsempfehlungen für eine zeitgemäße Medienbil- dung ab. → Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlung von Medien- kompetenz: flächendeckende strukturelle Verankerung von Medi- enbildung Handlungsfelder: 1. Schulung der Medienkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern 2. Schaffung einer technischen Infrastruktur für den Zugang zu digi- talen Lerninhalten 3. Verankerung in Lehrplänen und Lehrerbildung Individualisiertes Gerade der Ganztag bietet vielfältige Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Lernen Medien und der Vermittlung von Medienkompetenz. Aufgrund des erweiter- ten zeitlichen Rahmens und der größeren Flexibilität, der veränderten Lern- kultur und einer stärkeren Berücksichtigung der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler ist der Ganztag prädestiniert für eine umfassende Medienbildung. Gezielter Medieneinsatz im Rahmen der Gestaltung differenzierter Lehr- und Lernprozesse erleichtert individualisiertes und kooperatives Lernen und un- terstützt eine differenzierte und individuelle Förderung, z. B. auch besonders begabter Schülerinnen und Schüler. Voraussetzung dafür ist, dass nicht nur entsprechende Lehr- und Lernmaterialien vorhanden sind, sondern auch dass Computer und Computerräume zugänglich bzw. Tablets oder Notebooks ver- 16 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
4 Medienbildung fügbar sind. Aus pragmatischen Gründen bzw. in pädagogisch begründeten Fällen können Schülerinnen und Schüler auch ihre eigenen Geräte nutzen.3 Digitale Medien können bei Planung, Gestaltung, Reflexion und Dokumen- Nutzungs- tation von Lernprozessen behilflich sein. Lernplattformen wie mebis z. B. er- möglichkeiten möglichen vernetztes Arbeiten in Projekten oder offenen Unterrichtsformen. im Unterricht Schülerinnen und Schüler können dort auf Texte und Grafiken, Lernvideos und interaktive Übungen zugreifen. Ihre Ergebnisse können sie schnell austauschen und ergänzen. Oder sie nutzen die vielfältigen und kreativen Möglichkeiten bei Präsentationen, Recherchen und der Gestaltung von Fotodokumentationen, Hörspielen, Videoclips oder komplexen Multimedia-Produktionen.4 Ziel einer umfassenden Vermittlung von Medienkompetenz ist auch die Erzie- Medienkritisches hung zu einer medienkritischen Haltung und der verantwortungsvollen Nut- Bewusstsein zung digitaler Medien. Insbesondere durch die Einbindung außerschulischer Kooperationspartner ergeben sich im Ganztag besondere pädagogische Mög- lichkeiten, indem diese z. B. Medienprojekte der Schule technisch oder per- sonell unterstützen oder mit eigenen medienpädagogischen Angeboten die Kinder und Jugendliche für Gefahren im Netz sensibilisieren und über Daten- schutz und Persönlichkeitsrecht aufklären. Fortbildungsangebote und individu- elle Beratung erhalten Lehrkräfte und Schulen in Bayern auch durch die me- dienpädagogisch-informationstechnischen Berater (MiB), die flächendeckend und in allen Schularten zur Verfügung stehen. Sie bieten auch Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern an.5 Im Zentrum vieler medienpädagogischer Projekte und Angebote außerschuli- Kreativer Umgang scher Kooperationspartner steht der produktive und kreative Umgang mit di- mit Medien gitalen Medien. Schülerinnen und Schüler können z. B. einen eigenen Blog für die Schulhomepage schreiben und so auch ihre Eltern am Schulleben teilhaben lassen. Sie können selbst eine App entwickeln oder programmieren oder einen Film produzieren und dabei alle Schritte von der Idee bis zum fertigen Film kennenlernen. Solche Projekte knüpfen an den alltäglichen Umgang der Kin- der und Jugendlichen mit digitalen Medien an und nutzen diese als kreatives Gestaltungsmittel. 3 Dafür steht der Begriff „Bring your own device (BYOD)“. Schülerinnen und Schüler dürfen ihre eigenen Smartphones, Tablets oder Notebooks in bestimmten Situati- onen im Unterricht verwenden, sofern die schulische Netzanbindung dies zulässt und nachdem klare Nutzungsregeln vereinbart wurden. 4 Über datenschutzrechtliche Aspekte der Nutzung digitaler Medien, z. B. bei Video- aufzeichnungen auf dem Schulgelände, informiert die Broschüre „Datenschutz in der Schule“ (Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, n. d.). 5 Eine zuständige medienpädagogisch-informationstechnische Beratungslehrkraft für ihre Schulart und in ihrem Regierungsbezirk finden Lehrkräfte über das Portal „mebis- Landesmedienzentrum Bayern“. 17
4 Medienbildung Berufsorientierung, Berufsvorbereitung Übergang Konzepte zur Gestaltung des Übergangs von Schule – Beruf der Schule in den Beruf oder eine weiterführen- de Ausbildung sind vielfältig. Sie unterscheiden sich von Schulart zu Schulart und sind von den Gegebenheiten und dem Profil der jeweiligen Schule abhängig. In vielfältiger Weise erhal- ten Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, frühzeitig berufliche Interessen und Neigungen zu entdecken und Potenziale zu entwickeln. Erfahrungen Berufsorientierung schließt schulische Aktivi- in der Arbeitswelt täten (z. B. die Gründung von Schülerfirmen) und praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt ein (z. B. Lernen durch Engagement, Schülerbetriebspraktika). Im Ganztag gibt es verschiedene Konzepte der Durchführung von Betriebspraktika. Im Unter- schied zum Blockpraktikum erhöht z. B. ein kontinuierliches Praktikum, das über ein Schuljahr hinweg ein- bis zweimal pro Woche stattfindet, die Chance, dass eine Praktikantin bzw. ein Praktikant später durch den Ausbildungsbe- trieb übernommen oder dort angestellt wird. Berufsfeldbezogene Kompe- tenzen und Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit können so nachhaltiger vermittelt werden. Schulbegleitende Als praktische Ergänzung der theoretischen Berufsorientierung in der Schule Praktika findet beispielsweise an der Mittelschule Burglengenfeld für alle Achtklässler im Ganztag an jedem Mittwochnachmittag das sogenannte „Praktikum nach 1“ statt. Im Rahmen dieses Praktikums sind die Schülerinnen und Schüler ein Jahr lang im selben Betrieb tätig und werden von der Klassenlehrerin bzw. dem Klassenlehrer betreut. Praxisbeispiel: Berufsorientierung und -qualifizierung im „Praktikum nach 1“ → Projekt: Schulbegleitendes Praktikum für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 der Mittelschule Burglengenfeld (Oberpfalz) Ziele: Berufsorientierung und -qualifizierung von Schülerinnen und Schü- lern, die im Praktikum … 33Einblicke in die Arbeitswelt erhalten 33berufliche Erfahrungen sammeln 33Arbeitsbereiche und Arbeitsprozesse kennenlernen 33ihre Berufswahl kritisch reflektieren 33Kontakte knüpfen Ablauf: • vormittags stundenplanmäßiger Unterricht • nach dem gemeinsamen Mittagessen Praktikum in der jeweiligen Prak- tikumseinrichtung (13 bis 16 Uhr) 18 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
4 Medienbildung Nach einem Jahr gehört die Praktikantin bzw. der Praktikant gleichsam schon Win-win-Situation zur Belegschaft. Die Schülerinnen und Schüler finden heraus, ob der gewähl- von schulbeglei- te Beruf ihnen tatsächlich zusagt oder ob sie ihre Entscheidung noch einmal tenden Praktika überdenken sollten, denn natürlich stimmen Vorstellung und Wirklichkeit nicht immer überein. Für die Firmen bietet das „Praktikum nach 1“ wiederum die Chance, potenzielle Auszubildende über das gesamte Jahr hinweg kennenzu- lernen und leistungsfähigen Nachwuchs für sich zu gewinnen. Wie die zusätzliche Zeit im Ganztag auch investiert werden kann, zeigt ein Pro- Projekt zur jekt der Evangelischen Jugend Coburg für Schülerinnen und Schüler, die den Entwicklung qualifizierenden Mittelschulabschluss nicht erreicht haben. Sie bekommen eine beruflicher „extra Chance“ in einem freiwilligen Angebot, das ganztägigen Unterricht zur Perspektiven Vorbereitung auf den qualifizierenden Mittelschulabschluss mit begleitenden Praktika zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit verbindet. Praxisbeispiel: eCn – extra Chance nutzen in Schule und Beruf – ein Angebot der ejott (evangelische Jugend Coburg) für Mittelschulen: 33Die Schülerinnen und Schüler bleiben für ein weiteres Schuljahr an einer Mittelschule, besuchen dort drei Tage pro Woche den Unterricht und werden am Nachmittag unterstützt. 33Die restlichen zwei Tage der Woche absolvieren die Jugendlichen ein Praktikum in einem Unternehmen. Dort bleiben sie 11 Wochen und wechseln dann in einen anderen Betrieb. Ziele und Umsetzung: → Zweite Chance, den qualifizierenden Abschluss der Mittelschule zu erreichen durch: … eine intensive und individuelle Förderung in kleineren Gruppen sowie eine verpflichtende Nachmittagszeit mit Hausaufgabenbetreuung und Projektarbeit → Stärkung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktfähigkeit der Schüle- rinnen und Schüler durch: … das Kennenlernen verschiedener Berufsfelder und das Sammeln von praktischen Erfahrungen im Arbeitsalltag sowie die Unterstützung bei Bewerbungsverfahren → Verbesserung der Schlüsselqualifikationen und sozialen Verhal- tensweisen durch: ... das Entdecken und Aufzeigen individueller Fähigkeiten und Stärken und die Wiedererlangung von Motivation → Individuelle Betreuung der Jugendlichen im Praktikum sowie indi- viduelle Beratung der Eltern 19
4 Medienbildung Ergebnisse: → eCn – extra Chance nutzen: Die Ergebnisse sprechen für sich (Schuljahr 2014/15): 3394,4 % der Schülerinnen und Schüler haben die eCn-Klasse mit einem Abschluss verlassen, 3377,7 % sogar mit einem qualifizierenden Abschluss. 33Insgesamt 88,8 % der Jugendlichen fanden einen Ausbildungsplatz oder eine weiterführende Schule im Anschluss an die eCn-Klasse. Ein engagiertes Projekt für die Zukunft unserer Jugend im Raum Coburg und darüber hinaus! Mehr Möglich- Das Coburger Projekt ist in dieser Form deshalb möglich, weil die Schülerinnen keiten im Ganztag und Schüler im Ganztag auch am Nachmittag individuell unterstützt werden und dafür an zwei Tagen praktische Erfahrungen in einem Praktikumsbetrieb sammeln können. Die Organisation des Stundenplans in der Ganztagsschule lässt auch in anderen Schularten eine längerfristige und kontinuierliche Pla- nung von außerschulischen Kontakten zur Berufs- und Arbeitswelt bzw. zu Universitäten und Hochschulen zu, z. B. durch Hochschulpraktika oder ein Frühstudium. Praktische Erfahrungen können zudem flexibler aufgegriffen und nachhaltig im Fachunterricht vertieft werden. Service-Learning Auch das Service-Learning stärkt die Ausbildungsfähigkeit und Berufsorientie- und Berufs- rung. Schülerinnen und Schüler entwickeln wichtige Einstellungen und Haltun- orientierung gen, erwerben z. B. Kompetenzen im Umgang mit Kindern oder älteren Men- schen, und sie machen wertvolle Erfahrungen, die für die Berufswahl bzw. eine spätere Berufstätigkeit von Nutzen sein können. So ist es nicht erstaunlich, dass Berufsorientierung ein wichtiges Motiv für das Engagement bei Service- Learning ist6 – neben intrinsischen Motiven, Neues lernen oder ausprobieren zu wollen, und Hilfsbereitschaft. Gründung einer Ob Schulbäckerei, Schülercafé oder Schülerreisebüro – mit der Gründung ei- Schülerfirma ner Schülerfirma geraten andere und für viele Kinder und Jugendliche nicht weniger attraktive Berufsperspektiven in den Blick. Schülerinnen und Schüler können so zu unternehmerischem Handeln und Denken angeregt werden. Auch hier werden für das Berufsleben wichtige Schlüsselkompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein und Teamarbeit, aber auch Eigeninitiative und Kreativität gefördert. 6 Die Wirkungsstudie Service-Learning (Aktive Bürgerschaft e. V., 2013) zeigt, dass für knapp ein Drittel der Kinder und Jugendlichen berufsorientierte Motive für bür- gerschaftliches Engagement von Bedeutung sind. 20 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
4 Medienbildung Faktencheck 33„Demokratie lernen“ und „Werte leben“ durch soziales Lernen in der Schulgemeinschaft 33Bewegung, Spiel und Sport als Basis für „gesundes“ und nachhaltiges Lernen, musisch-kreative Angebote im Sinne ganzheitlichen Lernens 33Naturwissenschaften, individuelle Sprach- und Leseförderung 33Erwerb von Alltagskompetenzen und Umgangsformen, Bewusst- sein für Gesundheit und Ernährung sowie Anregungen zu selbstbe- stimmtem Verbraucher- und Umweltverhalten 33Integration moderner Medien und Netzwerke in den Schulalltag, Er- arbeitung von Informations- und Kommunikationstechniken 33Verbindung von fachlichem Lernen, gesellschaftlichem Engage- ment und berufsorientierender Information durch fächerübergrei- fende Projekte 21
Fazit – Erfolgreich bewegt Fazit – Erfolgreich bewegt … zur gelungenen persönlichen Lebensgestaltung! Orientierung für Die vorangegangenen Kapitel sollen angehenden Lehrerinnen und Lehrern junge Lehrkräfte einen umfassenden Einblick in die pädagogischen und organisatorischen Handlungsfelder einer Ganztagsschule geben. Sie dienen der grundsätzlichen Orientierung junger Lehrkräfte, für die es aufgrund des fortschreitenden ge- sellschaftlichen Wandels und eines rasanten Ausbaus von Ganztagsschulen sehr wahrscheinlich ist, dass sie im Lauf ihres Berufslebens an einer Ganztags- schule unterrichten werden. Vorbereitung Lehramtsanwärterinnen und -anwärter sollen auf die Herausforderungen, die auf künftige sie dort erwarten, vorbereitet sein. Sie sollen dabei auch den bildungspoliti- Herausforderungen schen Hintergrund dieser Entwicklung kennen und verstehen, sich ihrer ver- änderten Rolle im Team bewusst werden, aber auch die Chancen und Heraus- forderungen reflektieren, die sich durch andere Arbeitszeiten und -rhythmen und neue pädagogische Tätigkeitsfelder ergeben. Denn die Ganztagsschule bietet Lehrkräften auf verschiedenen Ebenen schulischer Arbeit vielfältige Möglichkeiten der verantwortungsvollen Mitgestaltung und beruflichen Wei- terentwicklung. Ganztag als Dabei muss der Ganztag als Entwicklungsaufgabe in die Schulentwicklung Schulentwicklungs- der gesamten Schule integriert werden. An Bayerns Schulen sind gebundene aufgabe Ganztagszüge und offene Ganztagsangebote parallel zum traditionellen Halb- tagsbetrieb bereits weit verbreitet. Deshalb sollte das pädagogische Konzept für den Ganztag eingebettet sein in die Schulentwicklungsvorhaben und das Schulentwicklungsprogramm der gesamten Schule. Es sollte von einer Mehr- heit des Kollegiums mitgetragen werden und nicht in der alleinigen pädagogi- schen Verantwortung einiger weniger Kolleginnen und Kollegen liegen. 22 Ganztagsschule bewegt! – Band 5: Sich in Schule und Leben bewegen
Fazit – Erfolgreich bewegt Was braucht‘s? Ergebnisse aus StEG (2010): Verknüpfung von Unterricht und Ganztagsangeboten Checkliste – Gibt es … 33einheitliche Leitlinien für Unterricht und Ganztag? 33aufeinander bezogene Lehr- und Lernziele? 33aufeinander abgestimmte Lernprozesse? 33ein konsistentes Methodeninventar? 33einen kontinuierlichen Informationsfluss zwischen dem unterrichtlichen und dem außerunterrichtlichen Bereich? Eine Verknüpfung von Unterricht und Ganztagsangeboten, wie sie die StEG- Potenziale und Studie nahelegt, verlangt ein konzertiertes Vorgehen mit gemeinsamen Ziel- Chancen vorstellungen und einem gut abgestimmten Handeln. Nur so wird die Ganz- tagsschule viel verändern und bewegen können. Ihr Potenzial liegt nicht nur darin, die gesamte Leistungsbreite besser zu fördern, Benachteiligungen aus- zugleichen und Schulversagen zu vermeiden (Holtappels & Rollett 2009, S. 19). Sie birgt Chancen für alle Beteiligten, für Lehrkräfte und das weitere päd- agogische Personal, für Eltern und vor allem für die Kinder und Jugendlichen. Die Ganztagsschule kann – wie oben dargestellt – die Eltern in ihrer Lebens- Selbstverant- gestaltung unterstützen, u. a. durch die Förderung der Erwerbstätigkeit von wortliche Frauen. Dies wird sie umso erfolgreicher tun können, je mehr die Eltern das Lebensgestaltung Gefühl haben, dass die Schule nicht nur die Betreuungszeiten ihrer Kinder abdeckt, sondern kompetent und engagiert dazu beiträgt, eine erfolgreiche und selbstverantwortliche Lebensgestaltung von Kindern und Jugendlichen anzubahnen. Der Erfolg einer Ganztagsschule misst sich dabei nicht allein am pädagogischen Erfolg durch Konzept und seiner klugen, engagierten und konsequenten Umsetzung. Eine Qualitätssicherung entscheidende Voraussetzung ist die regelmäßige Überprüfung des Konzepts und -entwicklung hinsichtlich seiner Umsetzung bzw. die Überprüfung der darin formulierten Ziele hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Für eine regelmäßige und systematische Qualitätssicherung und -entwicklung an Ganztagsschulen wurden in Bayern Instrumente entwickelt: Grundsätzlich werden die Dimensionen ganzheitlichen Lernens zwar auch Ganztags- von der externen Evaluation erfasst. Die für Ganztagsschulen entwickelten spezifisches Quali- Qualitätssicherungsinstrumente sind jedoch auf die Spezifik des Ganztags zu- tätsmanagement geschnitten. Zudem wird damit der Tatsache Rechnung getragen, dass sich der Ganztag in einem Aufbau- und Entwicklungsstadium befindet und eine besondere Herausforderung darstellt, die besonderer qualitätssichernder Maß- nahmen bedarf. 23
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