Grundlagen zum Thema Krebs - Prävention, Entstehung und Behandlung

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Grundlagen zum Thema Krebs - Prävention, Entstehung und Behandlung
Grundlagen zum Thema
Krebs

Prävention, Entstehung und Behandlung
Grundlagen zum Thema Krebs - Prävention, Entstehung und Behandlung
Inhalt
1. Grundwissen Krebs                                                                              4
        Krebsentstehung                                                                           4
		             Was ist Krebs?                                                                     5
		             Wie entsteht Krebs?                                                                5
		             Kennzeichen von Krebszellen                                                        6
		             Genetische Instabilität: Warum verändern sich Krebszellen so schnell?              7
		             Woraus ein Tumor besteht                                                           7
        Metastasen bei Krebs                                                                      8
		             Was sind Metastasen?                                                               8
		             Wie entstehen Metastasen?                                                          8
        Immunsystem und Krebs                                                                     9
		             Wie entgehen Krebszellen dem Immunsystem?                                          9
		             Chronische Entzündungen: Mögliche Rolle des Immunsystems
		             bei der Krebsentstehung?                                                           9

2. Krebsprävention                                                                              11
		Krebs vorbeugen                                                                               11
        Ernährung und Körpergewicht                                                             12
		              Welche Ernährung? Richtig auswählen!                                            12
		              Mögliche Schadstoffe auf dem Teller                                             12
		              Körpergewicht: Was ist empfohlen?                                               13
		              Alkohol: unterschätzte Gefahr                                                   13
        Sport und Bewegung                                                                      13
		              Was genau bewirkt körperliche Aktivität?                                        14
		              Empfehlungen zur körperlichen Aktivität                                         14
        Rauchen und Passivrauchen                                                               14
		              Karzinogene im Tabak                                                            14
		              Tabakprodukte: Wasserpfeife, E-Shisha und E-Zigarette                           15
		              Wie gefährlich ist Passivrauchen                                                15
        Humane Papillomviren als Krebsrisiko                                                    15
		              Was fördert die Krebsentstehung?                                                16
		              HPV-Impfung 15                                                                  16
        Ultraviolette Strahlung als Krebsrisiko                                                 16
		              Folgen von UV-Strahlung                                                         16
		              Schutz vor UV-Strahlung                                                         16

       © Deutsches Krebsforschungszentrum | Fit in Gesundheitsfragen | Erstellungsdatum (11|2020) | Seite 2
Grundlagen zum Thema Krebs - Prävention, Entstehung und Behandlung
3. Diagnose und Behandlung von Krebs                                                            19
        Bildgebende Verfahren in der Krebsmedizin                                               19
		              Ultraschall | Sonographie                                                       19
		Röntgenbasierte Untersuchungen                                                                19
		Magnetresonanztomographie (MRT)                                                               20
		              Bildgebung mit radioaktiven Substanzen	                                         20
        Biopsie                                                                                 21
        Mikroskopische Diagnostik                                                               21
        Molekularbiologische Diagnostik                                                         22
		              Molekularbiologische Marker in der Krebsmedizin                                 22
		              Was ist die sogenannte „Liquid Biopsy“?                                         23
        TNM-Klassifikation, Grading und Staging                                                 23
        Operationen zur Behandlung von Krebs                                                    24
        Strahlentherapie und Nuklearmedizin                                                     24
        Chemotherapie: Mit Zytostatika gegen Krebs                                              25
        Neue Krebstherapien                                                                     25
		              Zielgerichtete Krebstherapie                                                    25
		              Immuntherapie                                                                   26
		              Virotherapie                                                                    26

4. Krebsforschung                                                                               27
        Forschung zu Risikofaktoren                                                             27
		Grundlagenforschung                                                                           27
		             Epidemiologische Studien                                                         27
        Medikamentenentwicklung                                                                 28
		Grundlagenforschung                                                                           28
		Präklinische Forschung                                                                        28
		             Klinische Studien                                                                29

Glossar30

Impressum31

       © Deutsches Krebsforschungszentrum | Fit in Gesundheitsfragen | Erstellungsdatum (11|2020) | Seite 3
Grundlagen zum Thema Krebs - Prävention, Entstehung und Behandlung
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1. Grundwissen Krebs
Hintergrundinformationen
Rund 500.000 Menschen erkranken jedes Jahr in                   geführt, dass heutzutage immer mehr Krebspatienten
Deutschland an Krebs – mit steigender Tendenz. Dies             geheilt werden oder zumindest eine längere Zeit mit
stellt Krebsmedizin und Forschung vor große Heraus-             der Erkrankung überleben können.
forderungen. Denn Krebs ist ein Sammelbegriff für
mehr als 200 verschiedene Erkrankungen und selbst               Krebsentstehung
bei einer Tumorart verläuft die Krankheit oft von               Für Begriffe wie „Krebs“ oder „bösartig“ gibt es kei-
Patient zu Patient unterschiedlich. Die Fortschritte            ne offiziell festgelegten Definitionen. Als Krebs wer-
in der medizinischen Forschung haben jedoch dazu                den üblicherweise bösartige (maligne) Erkrankungen

         © Deutsches Krebsforschungszentrum | Fit in Gesundheitsfragen | Erstellungsdatum (11|2020) | Seite 4
Grundlagen zum Thema Krebs - Prävention, Entstehung und Behandlung
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bezeichnet, bei denen sich (veränderte) Körperzellen            Wie entsteht Krebs?
unkontrolliert teilen. Weil Krebszellen gesunde Gewe-   Nach derzeitigem Wissensstand ist Krebs vor allem
be und Organe zerstören und so wichtige Körperfunk-     eine Krankheit der Gene. Das bedeutet, dass das Erb-
tionen beeinträchtigen, führen viele von ihnen unbe-    material einer gesunden Zelle so verändert wird, dass
handelt zum Tod des Patienten.                          sie sich unkontrolliert teilen kann. Dabei sind zwei
                                                        Arten von Genveränderungen besonders wichtig: die
Was ist Krebs?
                                                        Tumorsuppressorgene und die Proto-Onkogene. Die
Ein Tumor (lateinisch: Geschwulst) ist eine anor-­ Genprodukte der Tumorsuppressorgene müssen
male Vergrößerung eines Gewebes. Sie entsteht, ausgeschaltet werden, damit Krebs entstehen kann,
wenn sich körpereigene Zellen eigenständig, fort- weil sie die Krebsentstehung hemmen. Ein bekann-
schreitend und überschießend teilen. Es gibt gutartige, ter Tumorsuppressor ist das p53-Protein. Werden
sogenannte benigne Tumoren: Sie verdrängen das dagegen Proto-Onkogene zu Onkogenen verändert,
umliegende Gewebe, überschreiten aber die Grenze fördern ihre Genprodukte das Wachstum der (Krebs-)
zu den Nachbargeweben nicht. Der Begriff „Krebs“ Zellen. Solche wachstumsfördernden Proteine sind
steht dagegen für bösartige Tumoren, man nennt beispielsweise Ras oder Myc. Weil sich so gut wie
sie auch maligne Tumoren. Es handelt sich dabei immer mehrere krebsfördernde Genveränderungen
um Geschwulste, deren Zellen aus ihrem normalen anhäufen müssen, bevor eine gesunde Zelle zur
Gewebeverband ausbrechen und zerstörend in „echten“ Krebszelle wird, treten viele Krebserkrankun-
umliegende Gewebe einwachsen. Krebszellen gen häufig im fortgeschrittenen Lebensalter auf.
können sich außerdem über Blutgefäße oder Lymph-
                                                        Die Genveränderungen, die eine gesunde Zelle zur
bahnen ausbreiten und Absiedlungen in anderen
                                                        Krebszelle machen, können Veränderungen der
Geweben und Organen bilden. Diese Tochter-
                                                        Basenabfolge des Erbmaterials sein (genetische Verän-
geschwulste heißen Metastasen.
                                                        derungen), es können aber auch Veränderungen „auf“
Mediziner teilen Tumoren nach den Geweben ein, dem Erbmaterial sein (epigenetische Veränderungen).
denen sie ursprünglich entstammen.
                                                           • Genetische Veränderungen: Verändert sich
   • Karzinome stammen von Zellen ab, die                      die genetische Information der DNA durch
       die inneren und äußeren Oberflächen im                  äußere oder innere Einflüsse, dann spricht
       Körper bedecken. Zu diesem Gewebe, das auch             man von einer Mutation. Solche Mutationen
       Epithel genannt wird, gehört zum Beispiel das           können zum Beispiel dazu führen, dass Pro-
       Deckgewebe der Haut und der Schleimhaut                 teine zu aktiv werden oder so verändert sind,
       sowie des Drüsengewebes.                                dass sie ihre Funktion nicht mehr ausüben.
   • Sarkome entstehen im Binde- oder Stütz-                   Neben der Veränderung einzelner DNA-Bau-
       gewebe und betreffen zum Beispiel Fett-                 steine können auch größere Abschnitte der
       gewebe, Muskeln, Sehnen oder Knochen.                   Erbinformation betroffen sein: Wenn zum Bei-
                                                               spiel Abschnitte eines verloren gehen oder
   • Blastome nennt man embryonale Tumoren,                    fälschlicherweise mehrfach vorliegen.
       die während der Gewebe- oder Organent-
       wicklung entstehen.                                 • Epigenetische Veränderungen: Auch die
                                                               übergeordnete Regulierung der Gene hat einen
Karzinome, Sarkome und Blastome bezeichnet man                 Einfluss auf die Genaktivität. Auf allen Ebenen
als „solide“ Tumoren, weil sie zumindest anfangs               der Struktur, Verpackung und Übersetzung des
einen festen Gewebeverband und eine deutliche                  genetischen Materials kann es zu Störungen
Begrenzung haben.                                              kommen – und alle diese Störungen können
Bösartige Erkrankungen des blutbildenden oder des              zur Entstehung von Krebs beitragen.
lymphatischen Systems (Leukämien und Lympho-
                                                        Während epigenetische Veränderungen nur die
me). breiten sich meist von Anfang an im Körper
                                                        Aktivität von Genen und damit die Menge des
aus. Sie werden daher auch als „systemische Krebs-
                                                        Genproduktes beeinflussen, können durch geneti-
erkrankungen“ (systemisch = den gesamten Körper
                                                        sche Veränderungen auch veränderte Genprodukte
betreffend) bezeichnet.
                                                        entstehen. Epigenetische Veränderungen können

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prinzipiell wieder rückgängig gemacht werden, gene-                     tumshemmende Signale. Dadurch wird das
tische Veränderungen nicht.                                             Gleichgewicht zwischen neugebildeten und
Alle Einflüsse, die Genveränderungen hervorru-                          abgestorbenen Zellen im Gewebe erhalten.
fen können, erhöhen das Krebsrisiko. Dazu gehö-                         Diese Eigenschaft ist bei Krebszellen nicht mehr
ren sowohl zelleigene bzw. körpereigene Einflüsse                       vorhanden.
als auch Einflüsse von außen. Manche dieser Ein-                    •   Kein „programmierter Zelltod“: Normale
flüsse schädigen das Erbgut direkt, beispielsweise                      Zellen sind fähig, „Selbstmord“ (Apoptose)
die im Zigarettenrauch enthaltenen Polyzyklischen                       zu begehen, wenn sie Schäden aufweisen.
Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs). Andere, in-                     Dieser Vorgang wird über komplizierte Regel-
direkte Einflüsse verändern die Bedingungen in einem                    wege gesteuert und kontrolliert. Die meisten
Gewebe so, dass die Zellen im betreffenden                              Krebszellen reagieren jedoch nicht mehr auf
Gewebe vermehrt Schäden anhäufen. Zu solchen                            Signale, die den programmierten Zelltod ein-
indirekten Einflüssen gehören beispielsweise durch                      leiten sollen.
manche Viren und Bakterien ausgelöste Entzündun-
                                                                    •   Umgehung der Immunabwehr: Krebszel-
gen. Bei manchen Einflüssen ist noch nicht abschlie-
                                                                        len sind gegenüber ihrem Ursprungsgewebe
ßend geklärt, wie sie Genveränderungen hervorrufen.
                                                                        verändert. Veränderte Zellen werden norma-
Beispiele hierfür sind Übergewicht sowie die schädi-
                                                                        lerweise vom Immunsystem als fremd erkannt
gende Wirkung von Asbest.
                                                                        und entfernt. Demnach muss jede Krebs-
Kennzeichen von Krebszellen                                             erkrankung einen Weg gefunden haben, vom
                                                                        Immunsystem nicht als fremd erkannt und/oder
Krebszellen entstehen aus gesunden Zellen. Es gibt
                                                                        nicht angegriffen zu werden.
einige wesentliche Unterschiede zwischen norma-
len, gesunden Zellen und Krebszellen. Die beiden                    •   Dies wird noch als Hallmark diskutiert:
Wissenschaftler Douglas Hanahan und Robert                              Krebszellen stellen ihren Stoffwechsel um:
A. Weinberg haben die wichtigsten bekannten                             Es ist nicht abschließend geklärt, ob eine
Eigenschaften von Krebszellen, die sogenannten                          Stoffwechselumstellung an sich wirklich dafür
„Hallmarks of Cancer“, zusammengefasst:                                 notwendig ist, um eine Zelle zur Krebszelle zu
   •     Unabhängigkeit von Wachstumssignalen:                          machen. Möglicherweise ist sie ein „Nebenpro-
         Um sich teilen zu können, benötigen gesunde                    dukt“ von tumortypischen Veränderungen in
         Zellen von außen einwirkende Signale durch                     bestimmten Signalwegen.
         Wachstumsfaktoren. Krebszellen benötigen                Die folgenden beiden Hallmarks gelten für solide
         diese Signale nicht mehr. Sie aktivieren häu-           Tumoren, nicht jedoch für systemische Krebserkran-
         fig wachstumsfördernde Signalwege innerhalb             kungen.
         der Zelle, sodass sie zur Teilung nicht mehr auf
                                                                    •   Bildung neuer Blutgefäße zur Versorgung
         Signale von außen angewiesen sind.
                                                                        des Tumors: Wachsende solide Tumoren
   •     Unbegrenztes Wachstumspotenzial: Bei                           benötigen wie andere Gewebe eine Versor-
         gesunden Körperzellen ist die Anzahl der Zell-                 gung mit Sauerstoff und Nährstoffen über
         teilungen begrenzt, denn bei jeder Zellteilung                 Blutgefäße. Normalerweise ist die Menge und
         verkürzen sich die Enden der Chromosomen,                      Verteilung der Blutgefäße bei Erwachsenen
         die sogenannten Telomere. Sind die Telomere                    weitgehend konstant. Tumorzellen können
         stark verkürzt, entsteht ein Schadenssignal in                 aber die Bildung neuer Blutgefäße anregen.
         der Zelle, das die Zellteilung anhält. Tumor-
                                                                    •   Invasion und Metastasenbildung: Zellen
         zellen aktivieren Mechanismen, die die Telo-
                                                                        haben in der Regel einen festen Standort im
         mere wieder verlängern. So umgehen sie diese
                                                                        Körper – sie bleiben in ihrem Gewebeverband
         natürliche „Teilungsbremse“.
                                                                        (zu den wenigen Ausnahmen gehören bei-
   •     Unempfindlichkeit gegenüber Signalen,                          spielsweise Blutzellen). Tumorzellen können
         die Wachstum und Vermehrung hem-                               dagegen zerstörend in umliegendes Gewebe
         men: Gesunde Zellen reagieren auf wachs-                       einwachsen (Invasion). Manche Krebszellen

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         lösen sich sogar aus ihrem Gewebe, bewegen              deren Nachkommen sich dann stärker spezialisieren.
         sich im Körper fort und bilden in anderen Ge-           Nach derzeitigem Wissensstand ist nur ein kleiner
         weben Tochtergeschwulste: Sie metastasieren.            Teil der Zellen innerhalb eines Tumors in der Lage,
                                                                 einen vollständigen Tumor wiederherzustellen. Diese
Nicht alle Krebszellen müssen sämtliche Eigenschaf-
                                                                 Zellen bezeichnet man deshalb als Tumor-Stamm-
ten besitzen. Es ist nach derzeitigem Verständnis
                                                                 zellen, Krebs-Stammzellen oder Tumor-initiieren-
wahrscheinlich, dass bei vielen Krebserkrankun-
                                                                 de Zellen (tumor initiating cells, TICs).
gen nur ein kleiner Anteil aller Krebszellen sämtliche
Eigenschaften aufweisen.                                         Es gibt Hinweise darauf, dass Krebs-Stammzellen in
                                                                 vielen Fällen aus normalen Stammzellen entstehen,
Genetische Instabilität: Warum verändern sich                    die entsprechende genetische und epigenetische
Krebszellen so schnell?                                          Mutationen erwerben. In diesem Fall besitzen die
Damit aus einer normalen Zelle eine Tumorzelle wird,             entarteten Zellen bereits von vornherein bestimmte
müssen einige Veränderungen in und an der Erbin-                 Eigenschaften, wie die Fähigkeit, sich unbegrenzt
formation stattfinden. Auch im späteren Verlauf einer            zu teilen. Es ist aber auch möglich, dass in manchen
Krebserkrankung verändern sich Tumorzellen häufig                Fällen bereits ausgereifte (differenzierte) Zellen
besonders schnell. Was treibt die Entwicklung an?                Veränderungen erwerben, die ihnen wieder „stamm-
                                                                 zellartige“ Eigenschaften verleihen. Zudem gibt es
In gesunden Zellen werden die meisten Schäden
                                                                 Hinweise darauf, dass Zellen auch zwischen einem
an der Erbinformation umgehend repariert. In vielen
                                                                 stammzellartigen und einem differenzierten Erschei-
Krebszellen aber funktionieren die dafür verantwort-
                                                                 nungsbild wechseln können. Krebs-Stammzellen
lichen Reparaturmechanismen nur unzuverlässig.
                                                                 sind wegen ihren besonderen Eigenschaften mit
Viele Krebszellen weisen daher eine besonders hohe
                                                                 vielen derzeit eingesetzten Krebsmedikamenten nur
Mutationsrate auf. Auch größere Veränderungen an
                                                                 schlecht angreifbar.
den Chromosomen, wie Verdoppelung oder Ver-
lust von Abschnitten oder sogar ganzen Chromoso-                 Innerhalb des Tumors können einzelne Zellen noch
men findet man häufig. Fachleute bezeichnen diese                weitere genetische oder epigenetische Veränderungen
Eigenschaft als „genetische Instabilität“.                       erwerben. Sie bilden dann einen Zellklon mit veränder-
                                                                 ten Eigenschaften. Auch innerhalb dieses Klons kann
Eine mögliche Störung der Reparaturfähigkeit er-
                                                                 sich dann wieder eine Zellhierarchie herausbilden.
kennt man zum Beispiel an der sogenannten „Mikro-
satelliten-Instabilität“. Als Mikrosatelliten bezeich-           Tumoren im Gewebe bestehen nicht nur aus Tumorzel-
net man kurze, sich wiederholende Stücke der                     len: Weitere Zelltypen können einwandern und Teile des
Erbsubstanz DNA, die über das ganze Genom ver-                   Tumors bilden. Auch die direkte Umgebung des Tumors
teilt sind. Sie sind bei der Vervielfältigung der DNA            spielt eine Rolle für Wachstum, Versorgung und Aus-
besonders fehleranfällig. Werden diese Fehler nicht              breitung der Tumorzellen. Man nennt sie auch die Tu-
korrigiert, sammeln sie sich nach und nach an. Eine              mor-Mikroumgebung. Sie besteht aus verschiedenen
Mikrosatelliten-Instabilität deutet also darauf hin, dass        Zelltypen sowie strukturgebenden und Signal-Molekü-
kör­pereigene Reparaturmechanismen gestört sind.                 len, die von diesen Zellen abgegeben werden.
Diese Beobachtung wird heute gezielt in der Diagnos-             Beispiele sind:
tik eingesetzt, zum Beispiel, wenn es darum geht, ein               •   Zellen, die Blut- und Lymphgefäße          zur
vererbbares Krebsrisiko zu bestimmen.                                   Versorgung des Tumors bilden,
                                                                    •   Zellen, die eine Stützfunktion ausüben,
Woraus ein Tumor besteht
                                                                    •   Immunzellen, die in den Tumor einwandern.
Früher nahm man an, dass alle Zellen innerhalb
eines Tumors die gleichen Eigenschaften aufweisen                Tumorzellen interagieren mit den anderen Zelltypen in
und jede Tumorzelle dazu in der Lage ist, einen gan-             ihrer Umgebung. Sie regen sie zum Beispiel dazu an,
zen Tumor zu bilden. Inzwischen gehen Experten                   wachstumsfördernde oder Immunsystem-hemmende
davon aus, dass es auch in den meisten Tumoren                   Signalmoleküle zu bilden. Im Gegenzug beeinflussen
eine mit gesunden Geweben vergleichbare Zellhie-                 auch die umliegenden Zellen das Verhalten und die
rarchie („Rangfolge“) gibt. Das bedeutet, dass es auch           Eigenschaften der Tumorzellen. Sie können damit
im Tumor weniger spezialisierte Vorläuferzellen gibt,            das Krebswachstum fördern oder hemmen.

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Metastasen bei Krebs                                            nicht sichtbare Metastasen, die nicht wachsen, weil ge-
                                                                nauso viele Zellen sterben wie neu gebildet werden bzw.
Was sind Metastasen?
                                                                sich die Krebszellen in einer Art „Ruhezustand“ befinden.
Zellen haben im Körper normalerweise ihren festen
Platz. Krebszellen aus Tumoren überschreiten jedoch             Wie entstehen Metastasen?
diese festgelegten Grenzen. Sie wachsen zerstörend              Damit Krebszellen aus soliden Tumoren metastasie-
in das umgebende Gewebe ein und breiten sich dort               ren können, müssen sie verschiedene Hürden über-
aus. Manche lösen sich aus ihrem Zellverband und                winden, die normalerweise dafür sorgen, dass Zellen
gehen auf Wanderschaft.                                         an ihrem vorgesehenen Ort bleiben. Sie müssen:
Diese Tumorzellen können in die Blut- oder Lymph-                  •   Den       ursprünglichen       Gewebeverband
bahnen gelangen, werden dort weitertransportiert                       verlassen: Bei Epithelzellen bedeutet dies, dass
und können in andere Gewebe eindringen. Dort                           sie die starken Verbindungen zu ihren Nachbar-
siedeln sich manche von ihnen an, vermehren sich                       zellen lösen müssen. Sie schalten dafür zum
und können Tochtergeschwülste des ursprüngli-                          Beispiel Programme an, die eigentlich während
chen Tumors bilden. Diese Absiedlungen nennt man                       der Embryonalentwicklung die Zellwanderung
Metastasen (vom griechischen Wort für Übersied-                        ermöglichen. Krebszellen aus Deckgeweben
lung) oder Filiae (vom Lateinischen filia für Tochter).                müssen zusätzlich die unter den Zellen liegende
Aber: Nur ein sehr kleiner Teil der Tumorzellen ist                    Schicht, die sogenannte Basalmembran, durch-
dazu in der Lage, vollständige Metastasen in fremden                   brechen. Dafür bilden sie Enzyme, die diese
Geweben auszubilden.                                                   Membran auflösen. Oder sie regen andere Zellen
Tumoren können in unterschiedliche Gewebe streu-                       dazu an, solche membranauflösenden Enzyme
en. Absiedlungen in der Umgebung des Ursprungs-                        zu bilden.
tumors nennt man lokale, regionale oder regionäre
                                                                   •   In Gefäße einwandern (Intravasation): Blut-
Metastasen. Sie finden sich häufig in den Lymph-
                                                                       gefäße sind normalerweise nicht besonders
knoten in der Nähe des Tumors. Tochtergeschwüls-
                                                                       durchlässig. Um in sie einwandern zu können,
te, die in einem entfernteren Gewebe angesiedelt
                                                                       müssen Krebszellen die Gefäßwand durch-
sind, bezeichnet man als Fernmetastasen. Bei vielen
                                                                       lässiger machen oder die Neubildung von
Tumorarten gibt es „bevorzugte“ Organe und Regio-
                                                                       weniger dichten, durchlässigen Gefäßen an-
nen, in die sie häufiger streuen als in andere Gewebe.
                                                                       regen. Krebszellen können auch Immunzellen
Wissenschaftler nehmen an, dass sowohl die Eigen-
                                                                       oder Bindegewebszellen anlocken, die ihnen
schaften der jeweiligen Tumorzellen als auch die Be-
                                                                       bei der Wanderung helfen. Lymphgefäße sind
dingungen im Zielgewebe der Metastasierung dabei
                                                                       von vornherein durchlässiger als Blutgefäße
eine Rolle spielen.
                                                                       – die Hürden für ein Eindringen der Tumor-
Wenn Metastasen auftreten, können sie zu ganz                          zellen in die Lymphbahnen sind also weniger
unterschiedlichen Zeitpunkten einer Krebserkrankung                    hoch. Auch in den Krebszellen selbst gibt es
festgestellt werden: Bei manchen Betroffenen sind                      Veränderungen, die ihnen das Finden von und
bereits bei der ersten Diagnose Metastasen vorhanden.                  Eindringen in Gefäße erleichtern.
Bei anderen können sie im Verlauf der Erstbehandlung
oder auch erst einige Zeit nach der Beseitigung des                •   In den Gefäßen überleben: Zellen benöti-
Ursprungstumors entstehen. Bei wenigen Tumorarten                      gen normalerweise Überlebenssignale aus
(z.B. beim hormonrezeptor-positivem Brustkrebs) kön-                   ihrer direkten Umgebung. Fehlen diese,
nen sich nach Jahren noch Metastasen entwickeln –                      sterben sie ab. Wandernde Krebszellen müs-
obwohl der Ursprungstumor vollständig entfernt                         sen ohne diese Signale überleben können.
wurde. Das bedeutet, dass sich vermutlich bereits                      Außerdem sind sie in den Gefäßen durch den
bei der ersten Diagnose bzw. zum Zeitpunkt der                         Blutstrom oder den Transport mit der Lymphe
Operation gestreute Tumorzellen im Körper befan-                       mechanischen Scherkräften ausgesetzt. Und
den. Einzelne Tumorzellen können in einem inaktiven                    sie können vom Immunsystem des Körpers
Zustand im Gewebe überdauern ohne sich zu teilen.                      erkannt werden. Tumorzellen interagieren
Manchmal gibt es auch „schlafende Tumoren“: winzige,                   deshalb zum Beispiel mit Blutplättchen: Diese
                                                                       schützen sie beim Transport vor Schäden und

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         der Erkennung durch Immunzellen.                        ähnlichen Eigenschaften reagieren.
   •     In einem anderen Gewebe aus den Gefäßen
                                                                 Wie entgehen Krebszellen dem Immunsystem?
         auswandern (Extravasation): Um in frem-
                                                                 Entkommen Krebszellen dem Immunsystem, ist das
         de Gewebe zu gelangen, müssen Krebszellen
                                                                 nicht auf eine gezielte Strategie zurückzuführen.
         erneut die Wände der Blutgefäße überwinden.
                                                                 Vielmehr führt eine Reihe zufälliger Veränderungen
         Auch dazu nutzen Tumorzellen häufig Immun-
                                                                 dazu, dass das Immunsystem die Tumorzellen nicht
         zellen, die die Aderwände durchlässiger machen.
                                                                 mehr als geschädigt erkennt oder sie trotz Erkennen
   •     Im neuen Gewebe überleben und sich                      nicht angreift. Krebs ist also bei den allermeisten
         vermehren: Das neue Gewebe hat andere                   Patienten keine Folge eines Immundefekts oder einer
         Eigenschaften als das Ursprungsgewebe. Um               pauschalen Immunschwäche.
         zu überleben, müssen Krebszellen sich an-
                                                                 Beispiele für solche Veränderungen sind:
         passen. Auch müssen sie Eigenschaften, die
                                                                    •   Die Tumorzellen tarnen sich: Manche Krebs-
         für das Wandern wichtig waren, wieder verlie-
                                                                        zellen zeigen keine tumortypischen Erken-
         ren: Nur so können sie sich erneut teilen und
                                                                        nungsmerkmale.
         einen Gewebeverband bilden.
                                                                    •   Tumorzellen können das Immunsystem direkt
   •     Die Nährstoffversorgung der Tochter-
                                                                        manipulieren oder schwächen. Zwar erkennt
         geschwulst sicherstellen: Wächst die
                                                                        das Immunsystem die Tumorzellen noch, es
         Metastase, dann benötigt sie – wie der
                                                                        kann sie jedoch nicht mehr angreifen. Hier ei-
         Ursprungstumor – eine stabile Versorgung mit
                                                                        nige Beispiele: Tumorzellen können auf ihrer
         Sauerstoff und Nährstoffen. Dafür regen die
                                                                        Oberfläche Merkmale tragen, die die Aktivität
         Tumorzellen die Bildung neuer Blutgefäße an.
                                                                        von T-Lymphozyten abschwächen. Oder sie
Die Veränderungen, die Krebszellen durchlaufen um                       bilden Botenstoffe, die die Reifung oder die
zu metastasieren, sind bisher nur zum Teil verstanden.                  Aktivität von Immunzellen hemmen. Oder sie
                                                                        mobilisieren regulatorische T-Zellen: Diese
Immunsystem und Krebs                                                   Zellen sind normalerweise dafür zuständig,
                                                                        unerwünschte Immunreaktionen zu unter-
Die bekannteste Funktion des Immunsystems ist die
                                                                        drücken und eigenes Gewebe zu schützen.
Abwehr von Infektionen. Weniger bekannt ist, dass
                                                                        Durch die Aktivierung dieser regulatorischen
das Immunsystem auch eine wichtige Rolle bei der
                                                                        T-Zellen wird auch die Immunantwort gegen
Beseitigung von gealterten und geschädigten Zellen
                                                                        geschädigte und veränderte Zellen wie Krebs-
spielt – auch von Krebszellen. Die Zellen und Eiweiße
                                                                        zellen unterdrückt.
des Immunsystems laufen im ganzen Körper „Streife“
und unterscheiden fremd von selbst, gesund von krank                •   Tumorzellen können auch andere Zellen in
oder geschädigt. Entdecken sie geschädigte Zellen,                      ihrer Umgebung dazu nutzen, das Immun-
dann müssen sie:                                                        system zu schwächen: Beispielsweise regen
                                                                        manche Tumoren in ihrer Umgebung an, dass
   •     die Immunantwort starten und wieder beenden,
                                                                        sich unreife Knochenmarkszellen vermehren,
         um nicht versehentlich auch gesunde körperei-
                                                                        die so­genannten myeloiden Suppressorzellen.
         gene Zellen anzugreifen, und
                                                                        Diese Zellen können die Aktivität von T-Zellen
   •     die geschädigten Zellen zerstören,                             herabsetzen.
   •     sich erinnern: Ein immunologisches Gedächt-
         nis schützt vor dem erneuten Auftreten der              Chronische Entzündungen: Mögliche Rolle des
         beispielsweise durch einen Krankheitserreger            Immunsystems bei der Krebsentstehung
         befallenen Zellen.                                      Schon vor mehr als 150 Jahren vermutete der Arzt
                                                                 Rudolf Virchow einen Zusammenhang zwischen
Die Steuerung dieser Vorgänge ist komplex: Das
                                                                 Entzündungen und Krebs. Inzwischen gibt es deut-
Immunsystem soll geschädigte Zellen angreifen und
                                                                 liche Hinweise darauf, dass zumindest chronische
zerstören, und dies möglichst rasch. Gleichzeitig darf
                                                                 – also lang anhaltende oder dauerhafte – Entzün-
es aber nicht auf körpereigene gesunde Zellen mit

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dungen zur Entstehung von Krebs beitragen können.
Beispielsweise haben Betroffene mit der chronisch
entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa ein
erhöhtes Risiko für Darmkrebs. Das Risiko scheint
vor allem von der Dauer des Reizzustandes abzuhän-
gen. Man weiß allerdings auch: Nicht jede dauerhafte
Entzündung führt zu Krebs.
Eine Entzündungsreaktion wird von Zellen des
Immunsystems hervorgerufen: Ist Gewebe gereizt,
wandern sie in die betroffene Region ein. Bei einer
chronischen Entzündung sind dauerhaft Immunzellen
aktiviert und schütten verschiedene Botenstoffe und
andere Substanzen aus. Wie diese zur Krebsentste-
hung beitragen, ist noch nicht vollständig verstanden.
Wissenschaftler vermuten: Immunzellen schütten
während einer Entzündungsreaktion auch Substan-
zen aus, die das Erbmaterial von Zellen schädigen
können. Sterben die geschädigten Zellen in der Folge
nicht ab, können sie sich zu Krebszellen entwickeln.
Eingewanderte Immunzellen bilden noch weitere
Stoffe, die auf unterschiedliche Weise zur Entstehung
und Weiterentwicklung von Krebs beitragen können
– zum Beispiel solche, die das Selbstmordprogramm
von Tumorzellen hemmen oder sie zur Zellteilung
anregen. Weitere Forschung ist aber notwendig, um
besser zu verstehen, wie chronische Entzündungen
Krebs fördern.

Quellen:

Hanahan D & Weinberg RA (2011): Hallmarks of Cancer: the
next generation. Cell. 2011; 144(5): 646-647. doi: 10.1016/j.
cell.2011.02.013

Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) und Gesellschaft der Epi-
demiologischen Krebsregister Deutschland (GEKID) (2019): Krebs
in Deutschland für 2015/2016. Verfügbar unter https://www.krebs-
daten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/
kid_2019/krebs_in_deutschland_2019.pdf?__blob=publicationFile
(letzter Zugriff: 10.07.2020)t

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2. Krebsprävention
Hintergrundinformationen
Es gibt Krebsarten, vor denen man sich nach bishe-                  aus regional-saisonalen Zutaten. Halten Sie den
rigem Kenntnisstand kaum aktiv schützen kann. Ihre                  Anteil an rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm)
Auslöser sind zufällige genetische Fehler bei der                   gering und meiden Sie verarbeitete Fleischwaren.
Zellteilung. Doch gerade gegen einige der häufige-
                                                                4. Wenig Alkohol:
ren Krebsarten lässt sich etwas tun: Das Risiko sinkt,
                                                                   Trinken Sie grundsätzlich nur wenig Alkohol – und
wenn man die heute bekannten Auslöser vermeidet
                                                                   nicht täglich. Wählen Sie öfter alkoholfreie Ge-
und darauf achtet, welche alltäglichen Verhaltens-
                                                                   tränke. Der völlige Verzicht auf Alkohol ist noch
weisen Krebs vorbeugen können.
                                                                   besser, um das Krebsrisiko zu verringern.

Krebs vorbeugen                                                 5. Rauchfrei:
Wichtige Fakten haben Experten der Internationa-                   Rauchen Sie nicht und verzichten Sie auf jegli-
len Krebsforschungsagentur für Europa zusammen-                    chen Tabakkonsum. Sorgen Sie für ein rauchfreies
gefasst: Der „Europäische Kodex zur Krebsbekämp-                   Zuhause und unterstützen Sie Rauchfreiheit am
fung“ zählt auf, was an aktuellen und wissenschaftlich             Arbeitsplatz.
untermauerten Aussagen zurzeit vorliegt. Aufgeführt             6. UV-Schutz:
sind Einflussfaktoren, die das Krebsrisiko erhöhen,                Wenn Sie in die Sonne gehen, achten Sie auf
und entsprechend gemieden werden sollten.                          ausreichenden Schutz durch Schatten, Kleidung
Die folgende 10 Möglichkeiten können dazu bei-                     und Sonnencreme. Tragen Sie eine Sonnenbrille
tragen, das Krebsrisiko zu senken:                                 mit UV-Schutz und eine Kopfbedeckung. Meiden
1. Viel bewegen:                                                   Sie, insbesondere im Sommer, die Mittagssonne
   Bewegen Sie sich täglich mindestens 30 Minuten.                 und schützen Sie Ihre Kinder. Gehen Sie nicht ins
                                                                   Solarium.
2. Auf das Körpergewicht achten:
   Wenn Sie übergewichtig sind, reduzieren Sie Ihr              7. Krebserregende Stoffe meiden:
   Gewicht – und nehmen Sie nicht weiter zu.                       Tabakrauch ist ein „Innenraumgift“. Erklären Sie
                                                                   daher neben der Wohnung auch das Auto zur
3. Gesund ernähren:
                                                                   rauchfreien Zone – insbesondere dann, wenn Kin-
   Essen Sie häufig Vollkornprodukte, Hülsenfrüch-
                                                                   der mitfahren. Wenn Sie an ihrem Arbeitsplatz in
   te, Gemüse und Obst. Meiden Sie kalorienreiche
                                                                   Kontakt mit krebserregenden Stoffen kommen,
   Lebensmittel, die viel Zucker und Fett enthalten.
                                                                   befolgen Sie unbedingt die geltenden Sicherheits-
   Bereiten Sie Ihre Mahlzeiten frisch zu, möglichst

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   vorschriften.                                                teln und Getränken ist je nach Alter, Körpergröße und
                                                                Lebensstil von Mensch zu Mensch unterschiedlich.“
8. Stillen – Hormontherapie vermeiden:
   Stillen kann das Brustkrebsrisiko bei Müttern                Die Empfehlungen des Europäischen Kodexes zur
   senken. Falls möglich, stillen Sie daher Ihr Kind.           Krebsbekämpfung decken sich weitestgehend mit
   Eine Hormontherapie gegen Wechseljahresbe-                   den allgemeinen Ernährungsempfehlungen der
   schwerden kann bei längerer Anwendung mögli-                 Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE).
   cherweise das Brustkrebsrisiko erhöhen.                      Eine gesunde Ernährungsweise senkt nicht nur das
                                                                Krebsrisiko, sondern auch das Risiko für andere
9. Impfungen für Kinder:
                                                                Krankheiten, z.B. Diabetes oder Herzerkrankungen.
   Durch die Hepatitis B-Impfung für Neugeborene
                                                                Empfohlen wird eine Ernährung aus vorwiegend
   kann das Risiko für Leberkrebs gesenkt werden.
                                                                pflanzlichen Bestandteilen (Obst, Gemüse, Hülsen-
   Die Impfung gegen humane Papillomviren für
                                                                früchte und Vollkornprodukte). Täglich sollten wenigs-
   Mädchen und Jungen senkt das Risiko für Gebär-
                                                                tens 400 g Obst und Gemüse und 30 g Ballaststoffe
   mutterhalskrebs, aber auch zum Beispiel für Pe-
                                                                verzehrt werden. Dies entspricht in etwa „5 Handvoll“:
   nis-, Rachen- und Analkrebs.
                                                                Fünfmal am Tag sollte Obst und Gemüse gegessen
10. Informationen zur Früherkennung:                            werden, wobei die Portion in etwa so groß wie die
   Die gesetzliche Krebsfrüherkennung hat das Ziel,             eigene Faust sein sollte. Empfehlenswert sind drei
   Krebserkrankungen in möglichst frühen Stadien                Teile Gemüse und zwei Teile Obst. Die Obst- und
   aufzuspüren. Diese lassen sich dann meist scho-              Gemüsesorten sollten möglichst unterschiedliche
   nender und erfolgreicher behandeln als in späten             Farben aufweisen, da hierdurch viele unterschied-
   Stadien. Informieren Sie sich über die Untersu-              liche sekundäre Pflanzenstoffe verzehrt werden.
   chungen und entscheiden Sie, ob Sie teilnehmen               Ballaststoffe werden vom Körper nicht verdaut, sie
   wollen.                                                      regen den Darm an, unterstützen den Stoffwechsel und
                                                                verlängern das Sättigungsgefühl. Zu vermeiden sind
Ernährung und Körpergewicht                                     kalorienreiche (> 225 – 275 Kilokalorien [kcal]/100 g),
                                                                stark fetthaltige (> 20 g Fett/100 g) und sehr zucker-
Eine abwechslungsreiche Kost, die reich an pflanz-              haltige Lebensmittel (>15 g Zucker/100 g).
lichen Lebensmitteln ist, ist am besten geeignet,
                                                                Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm und Ziege) ist
um das Krebsrisiko zu senken. Auch die Energie-
                                                                eine gute Quelle für Proteine und weitere wichtige
bilanz und das Körpergewicht spielen eine große
                                                                Nährstoffe. Ein hoher Konsum ist jedoch ein mögli-
Rolle. Deshalb lässt sich eine gesunde Ernährung, die
                                                                cher Risikofaktor für die Entstehung von Darmkrebs.
vor Krebs schützt, nicht von körperlicher Bewegung
                                                                Daher wird geraten, maximal 500 g rotes zubereitetes
trennen.
                                                                Fleisch (entspricht etwa 700 – 750 g Rohgewicht) pro
Für mindestens elf Krebsarten besteht ein Zusam-                Woche zu konsumieren. Verarbeitetes Fleisch (Wurst,
menhang zwischen einem hohen Körper­fettanteil                  Speck, Schinken) sollte möglichst gemieden werden.
und einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Dazu gehö-
                                                                Der tägliche Salzkonsum sollte 5 – 6 g nicht über-
ren beispielsweise Krebs des Dick- und Enddarms,
                                                                schreiten. Daher wird empfohlen, salzhaltige
der Leber und der Niere. Bei Frauen erhöht starkes
                                                                Lebensmittel mit > 1,5 g Salz pro 100 g zu meiden.
Übergewicht zusätzlich das Risiko für unter anderem
                                                                Insbesondere industriell verarbeitete Lebensmittel
Brustkrebs nach den Wechseljahren und Gebärmut-
                                                                weisen häufig einen hohen Salzgehalt auf. Durch das
terkörperkrebs.
                                                                Zubereiten bzw. Kochen mit Grundnahrungsmitteln
Welche Ernährung? Richtig auswählen!                            kann die Salzzufuhr am besten kontrolliert werden.

Der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung defi-                 Mögliche Schadstoffe auf dem Teller
niert gesunde Ernährung als „die richtige Menge und
                                                                Die Schadstoffbelastung ist innerhalb der Europäi-
Auswahl an verschiedenen Lebensmitteln, die den
                                                                schen Union in den letzten Jahrzehnten stark zurück-
Körper mit allen Kalorien (Energie) und Nährstoffen
                                                                gegangen. In Deutschland gelten strenge Grenzwerte
zur Deckung seines jeweiligen Bedarfs versorgen.
                                                                für Rückstände, zum Beispiel für Pflanzenschutz-
[...] Die richtige Menge und Auswahl an Nahrungsmit-
                                                                mittel, Schwermetalle oder radioaktive Stoffe. Den-

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noch können Nahrungsmittel Stoffe enthalten, die                beginnt ab einem BMI von ≥ 30 kg/m².
einen Einfluss auf das Krebsrisiko haben.                       Für Kinder und Jugendliche gelten andere
Verschimmelte Lebensmittel sollten entsorgt werden.             Referenzwerte, da ihre körperliche Entwicklung
Das Wegschneiden betroffener Stellen reicht nicht               alters- und geschlechtsabhängig ist. Es existieren
aus. Problematisch sind besonders die Stoffwech-                international verschiedene Festlegungen der Grenz-
selprodukte der Schimmelpilze, die Aflatoxine. Aflato-          werte. Häufig wird mit Perzentilen gearbeitet. Das
xine können das Risiko für Leberkrebs erhöhen und               bedeutet, dass das Gewicht eines Kindes mit einer
werden von der internationalen Krebsforschungs-                 gleichaltrigen, gleichgeschlechtlichen Referenzpopu-
agentur (IARC) als krebserregend für den Menschen               lation verglichen wird.
eingestuft.
Bei der Nahrungszubereitung sollte auf zu starkes
                                                                Alkohol: Unterschätzte Gefahr
Rösten, Anbraten und Grillen verzichtet werden. Beim            Hoher Alkoholkonsum ist eine Ursache für mindes-
Grillen und Räuchern können heterozyklische aroma-              tens sieben Krebsarten: Krebs der Mundhöhle, der
tische Amine (HAA) und polyzyklische aromatische                Speiseröhre, des Halses, der Leber, des Dickdarms,
Kohlenwasserstoffe (PAK) entstehen. Diese Stoffe                des Enddarms und der Brust. Erwachsene Männer ab
können das Risiko für Darmkrebs erhöhen. Das Bun-               21 Jahren sollten pro Tag maximal 20 g reinen Alkohol
desministerium für Risikobewertung (BfR) empfiehlt              konsumieren. Das entspricht etwa einem halben Liter
unter anderem, Fleisch nicht zu heiß anzubraten und             Bier oder etwa einem Viertelliter Wein. Erwachsene
beim Grillen Schalen zu verwenden, damit kein Fett              Frauen ab 21 Jahren sollten maximal 10 g Alkohol
in die Glut tropfen kann. Der Grillrost sollte möglichst        konsumieren. Das entspricht in etwa einem Viertel-
hoch befestigt werden, damit die Flammen nicht das              liter Bier oder etwa einem Achtelliter Wein. Außerdem
Grillgut berühren können.                                       sollte man nicht regelmäßig Alkohol trinken. An min-
                                                                destens zwei Tagen in der Woche sollte man ganz auf
Durch Backen, Braten, Rösten, Grillen und Frittie-
                                                                Alkohol verzichten. Wer etwas trinken möchte, sollte
ren von kohlenhydratreichen Lebensmitteln und der
                                                                dies möglichst zu den Mahlzeiten tun. Bis zum 20.
Aminosäure Asparagin (z.B. Pommes, Chips)
                                                                Lebensjahr gibt es keinen risikoarmen Alkohol-
kann ab einer Temperatur von 120 Grad Celsius
                                                                konsum. Alkohol ist für Jugendliche und junge
Acrylamid gebildet werden. Das Bundesinstitut für Ri-
                                                                Erwachsene immer riskant, weil er Entwicklungs-
sikobewertung (BfR) hat verschiedene Studien zum
                                                                prozesse, z.B. im Gehirn, stören kann.
Zusammenhang von Acrylamidaufnahme und Krebs
ausgewertet. Das BfR kommt zu dem Ergebnis, dass                Wird Alkohol gemeinsam mit Tabak konsumiert,
ein Zusammenhang weder ausgeschlossen noch                      verstärken sich die schädlichen Einflüsse deutlich,
angenommen werden kann. Daher empfiehlt das BfR                 insbesondere im Hinblick auf Krebs der Mundhöhle
als vorsorgliche Maßnahme: Lebensmittel „vergolden              und der Speiseröhre.
statt verkohlen“.
                                                                Sport und Bewegung
Körpergewicht: Was ist empfohlen?
Ein gesundes Körpergewicht senkt die Wahrschein-                Forschungsergebnisse zeigen, dass regelmäßiges
lichkeit, an bestimmten Krebsarten, Herz-Kreis-                 Training biologische Vorgänge und Faktoren beein-
lauf-Erkrankungen oder Diabetes zu erkranken. Der               flusst, die an der Entstehung der Tumoren beteiligt
World Cancer Research Fund (WCRF) empfiehlt ein                 sind. Krebsforscher konnten in Studien belegen,
Gewicht zu halten, das einen Körpermassenindex                  dass Bewegung beziehungsweise Sport das Risiko
(Body Mass Index [BMI]) von 18,5 kg/m² nicht unter-             für Dickdarmkrebs und wahrscheinlich für Brust und
schreitet und von 24,9 kg/m² nicht überschreitet.               Gebärmutterkörperkrebs, senkt. Bei weiteren Krebs-
                                                                arten wie Krebs der Niere, Lunge, Bauchspeichel-
Man berechnet seinen BMI-Wert, indem man das
                                                                drüse, Prostata, Eierstöcke und des Magens vermu-
Körpergewicht (in Kilogramm) durch das Quadrat der
                                                                ten Wissenschaftler einen ähnlichen Zusammenhang.
Körpergröße (in Meter) teilt: BMI = Körpergewicht
                                                                Die Belege dafür sind aber noch nicht ausreichend.
in Kilogramm : (Körpergröße in Meter)². Laut De-
finition haben Erwachsene ab einem BMI von 25 kg/               Unabhängig vom Krebsrisiko gilt: Wer sich viel
m² Übergewicht, starkes Übergewicht (Adipositas)                bewegt, vermindert das Risiko für Herz-Kreislauf-

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Erkrankungen, Diabetes, Schlaganfall, Knochen- und               Empfehlungen zur körperlichen Aktivität
Muskelabbau sowie Depressionen.                                  Experten sind sich einig: Es lohnt sich, aktiv zu sein.
                                                                 Und das möglichst täglich. Der Kodex zur Krebsbe-
Was genau bewirkt körperliche Aktivität
                                                                 kämpfung sowie der World Cancer Research Fund
Erste Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung                   (WCRF) empfehlen pro Woche mindestens 150
zeigen: Regelmäßiges Training beeinflusst einige                 Minuten moderate Bewegung oder 75 Minuten inten-
biologische Vorgänge und Faktoren, die auch an der               sive körperliche Aktivität. Damit ist nicht nur „Sport“
Krebsentstehung beteiligt sind.                                  im eigentlichen Sinne gemeint – auch Hausarbeit,
   •     Einfluss auf Sexualhormone: Insbesondere                Gartenarbeit oder die Fahrt mit dem Rad zur Arbeit
         Östrogen kann ein Wachstumsreiz für Tumor-              zählen. Außerdem wird geraten, so wenig wie mög-
         zellen sein. Der Hormon-Stoffwechsel wird               lich zu sitzen. Kinder und Jugendliche sollten täglich
         vom Gewicht mit beeinflusst – denn auch im              mindestens 60 Minuten mäßig bis intensiv körperlich
         Fettgewebe können Sexualhormone produziert              aktiv sein. Das tägliche Ziel kann auch über mehre-
         werden, sogar noch nach den Wechseljahren.              re kürzere Einheiten erreicht werden (z.B. zwei Ein-
         Eine grobe Faustregel besagt in etwa: Je län-           heiten mit je 30 Minuten).
         ger Frauen dem Einfluss von Sexualhormonen
         ausgesetzt sind, desto höher ist ihr Risiko für         Welche Formen der Bewegung zur Krebsvorbeu-
         Brustkrebs und Krebs des Gebärmutterkör-                gung besonders geeignet sind, müssen Forscher erst
         pers. Und je übergewichtiger eine Frau im Lauf          noch herausfinden. Grundsätzlich scheint jede Art der
         ihres Lebens ist, umso länger beeinflussen              körperlichen Bewegung nützlich zu sein und je mehr
         Östrogene und weitere Hormone ihren Körper.             körperliche Aktivität, desto besser. Was man machen
                                                                 kann und sollte, hängt von persönlichen Vorlieben,
   •     Einfluss auf Insulinspiegel: Bei Tumorarten,
                                                                 vom Alter, vom allgemeinen Gesundheitszustand und
         die mit Übergewicht und Bewegungsmangel
                                                                 von eventuell vorhandenen Vorerkrankungen ab.
         in Verbindung stehen, spielen auch der
         Insulinspiegel sowie die Konzentration wei-
         terer Botenstoffe im Blut eine Rolle. Auch ein          Rauchen und Passivrauchen
         Teil dieser Botenstoffe wird im Fettgewebe              Rauchen ist der wichtigste vermeidbare Risiko-
         gebildet und dann in das Blut abgegeben, die            faktor der Krebsentstehung. Die Beziehung zwischen
         sogenannten Adipokine. Die Faustregel bleibt            Tabakkonsum und Lungenkrebs ist besonders auf-
         in etwa die gleiche wie bei den Sexualhormo-            fallend. In Deutschland sind bei Männern vermut-
         nen: Je höher der Anteil an Körperfett, des-            lich neun von zehn, bei Frauen mindestens sechs
         to höher ist auch die Konzentration weiterer            von zehn Lungenkrebserkrankungen auf das aktive
         Botenstoffe, die sich wie Insulin auf das Krebs-        Rauchen zurückzuführen. Das schätzen das Robert
         wachstum auswirken können.                              Koch-Institut und die Gesellschaft der epidemiologi-
   •     Einflüsse auf chronische Entzündungspro-                schen Krebsregister in Deutschland.
         zesse, metabolisches Syndrom: Forscher                  Wissenschaftler haben aber auch Zusammen-
         vermuten außerdem, dass Sport und Bewe-                 hänge zwischen Rauchen und der Entstehung wei-
         gung auch regulierende Effekte auf chroni-              terer Krebsarten nachgewiesen. Dazu zählen neben
         sche Entzündungsprozesse im Körper, auf das             Lungenkrebs fast alle Kopf-Hals-Tumoren (Krebs
         Immunsystem sowie auf körpereigene Repa-                der Mundhöhle, des Mund- und Nasenrachenraums,
         raturmechanismen für das Erbmaterial haben.             der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhle sowie
         Ein Beispiel ist das sogenannte metabolische            des Kehlkopfes), Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs,
         Syndrom. Rein statistisch sind nicht nur die            Darmkrebs, Krebs der Gallenblase und Gallenwege,
         Zuckerkrankheit Diabetes mellitus Typ 2, son-           Leberkarzinom sowie zahlreiche weitere Krebsarten.
         dern auch bestimmte Krebsarten mit diesem
         metabolischen Syndrom verknüpft.                        Karzinogene im Tabak
                                                                 Nikotin ist nur einer unter tausenden Inhaltsstof-
                                                                 fen des Tabakrauchs. Diese Substanz ist mit ihrer

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anregenden und zugleich beruhigenden Wirkung                    auch der Nikotingehalt der Produkte bei. Dieser ent-
auf das Nervensystem verantwortlich für die sucht-              spricht dem von Zigaretten, was ein ähnliches Sucht-
erzeugende Wirkung des Rauchens. Direkt krebs-                  potenzial der Tabakerhitzer nach sich zieht.
erzeugend sind jedoch überwiegend andere Stoffe,                Auch die sogenannten elektronischen „Zigaretten“
wie z.B. Produkte einer unvollständigen Verbrennung             (E-Zigaretten), die seit einiger Zeit im Handel erhält-
vom Typ der so genannten polyzyklischen aromati-                lich sind, gelten unter Experten als nicht ungefährlich.
schen Kohlenwasserstoffe (PAK), die sich abhängig               Diese Geräte verbrennen keinen Tabak. Sie „ver-
von Temperatur und anderen Faktoren in wechseln-                dampfen“ eine Mischung aus Nikotin und, je nach
dem Umfang bilden. Die wichtigsten sonstigen bis-               Produkt, unterschiedlichen Aromen und Hilfsstoffen.
her nachgewiesenermaßen oder stark verdächtigen                 Diese Flüssigkeiten werden oft als „Liquids“ bezeich-
Krebs erzeugenden Substanzen im Tabakrauch sind                 net. In einer anderen Variante werden Zigaretten nur
Nitrosamine sowie einige Metalle oder Metallsalze,              noch erhitzt, um das suchtauslösende Nikotin freizu-
zum Beispiel Nickel oder Cadmium.                               setzen. Die langfristigen Folgen und mögliche Risiken
Viele der im Tabakrauch enthaltenen Substanzen                  nikotinhaltiger E-Zigaretten sind noch nicht abschlie-
reagieren mit dem Erbgut der Zellen im menschlichen             ßend erforscht.
Körper. Dabei kann es zu Veränderungen oder Muta-
tionen kommen, die die Steuerung von Wachstum,                  Wie gefährlich ist Passivrauchen?
Teilung und Überlebenszeit einer Zelle entgleisen               Auch Passivrauchen gefährdet die Gesundheit.
oder versagen lassen.                                           Wer sich regelmäßig in Räumen aufhält, in denen
                                                                geraucht wird, hat ein erhöhtes Risiko für viele Krank-
Tabakprodukte: Wasserpfeife, E-Shisha und E-Zi-                 heiten und Beschwerden wie Herz-Kreislauf-, Krebs-
garette                                                         und Atemwegserkrankungen. Der Zusammenhang
Vergleicht man verschiedene Untersuchungen, fallen              zwischen Passivrauchen und Lungenkrebs ist nach
zwar geringfügige Unterschiede in der Beurteilung               Angaben der Internationalen Agentur für Krebsfor-
des Risikos verschiedener Formen des Tabakgenus-                schung (IARC) eindeutig wissenschaftlich belegt. Für
ses auf. Unstrittig ist aber, dass nicht nur Zigaretten,        Kehlkopfkrebs und Tumoren des Rachenbereichs ist
sondern auch Zigarren und Pfeifen gesundheits-                  ein entsprechender Zusammenhang in begrenztem
schädigend wirken, so die Internationale Agentur für            Umfang ebenfalls gezeigt worden, so die IARC.
Krebsforschung (IARC).                                          Es gibt, soweit man heute weiß, keinen unteren Grenz-
Vor allem bei Jugendlichen sind seit einigen Jahren             wert für eine Konzentration von Tabakrauch in der
Wasserpfeifen („Shisha“) beliebt. Nach Angaben des              Luft, die als nicht gesundheitsgefährdend und noch
Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind die              tolerabel angesehen werden könnte.
vom Wasserpfeifenrauch ausgehenden Gefahren
für die Gesundheit ähnlich hoch wie bei Zigaretten.
                                                                Humane Papillomviren als Krebsrisiko
Selbst tabakfreie Wasserpfeifen, bei deren Kon-
sum unter anderem Kräutermischungen oder Gele                   Fast jeder Mensch infiziert sich im Laufe seines Le-
verwendet werden, setzen krebserzeugende oder                   bens mit humanen Papillomviren (HPV). Einige Ver-
giftige Substanzen frei.                                        treter dieser großen Gruppe von Viren führen zu eher
                                                                harmlosen Zellveränderungen, etwa Warzen. Eine
Tabakerhitzer, im Englischen Tobacco Heating
                                                                Infektion mit bestimmten HPV-Typen erhöht jedoch
Systems (THS) genannt, sind elektrische Geräte,
                                                                das Risiko für einige Krebsarten. Die internationale
in denen sich spezielle Tabaksticks erhitzen lassen.
                                                                Krebsforschungsagentur (IARC) ordnet derzeit etwa
Eine Studie des Bundesinstituts für Risikobewer-
                                                                zwölf genitale HPV-Typen sicher als Hochrisikotypen
tung (BfR) und des Chemischen und Veterinärunter-
                                                                ein, darunter vor allem HPV 16 und HPV 18. Weitere
suchungsamts (CVUA) Sigmaringen hat gezeigt,
                                                                Hochrisikotypen gelten als möglicherweise krebserre-
dass Tabakerhitzer zwar weniger Schadstoffe frei-
                                                                gend, zu ihrer Gefährlichkeit sind aber noch Fragen
setzen als herkömmliche Zigaretten, gesundheit-
                                                                offen. Die am häufigsten von HPV hervorgerufene
liche Risiken bestehen beim Gebrauch aber den-
                                                                Krebserkrankung ist Gebärmutterhalskrebs. Seltener
noch. Dazu trägt neben den immer noch enthaltenen
                                                                werden andere Tumorerkrankungen, wie z.B. Vulva-
giftigen und krebserzeugenden Stoffen im Dampf

         © Deutsches Krebsforschungszentrum | Fit in Gesundheitsfragen | Erstellungsdatum (11|2020) | Seite 15
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und Scheiden­krebs, Penis- und Analtumoren sowie                Ultraviolette Strahlung als Krebsrisiko
Kopf-Hals-Tu­moren durch HPV verursacht.
                                                                Die wichtigste Quelle natürlicher UV-Strahlung ist die
Was fördert die Krebsentstehung?                                Sonne. UV-Strahlung hat positive Effekte auf den Kör-
                                                                per, sie regt zum Beispiel die Vitamin D-Bildung an.
Zu den krebsfördernden Faktoren gehören Rau-
                                                                Sie kann aber auch erhebliche negative Auswirkun-
chen, andere sexuell erworbene Infektionen (Herpes
                                                                gen bis hin zur Entstehung von Krebserkrankungen
simplex 2, Chlamydien), eine langjährige Einnahme
                                                                haben. Der Zusammenhang zwischen UV-Strahlung
der „Pille“ oder ein geschwächtes Immunsystem.
                                                                und Krebsentstehung gilt als belegt. Daher stuft die
Frauen, die öfter schwanger waren, tragen ein leicht
                                                                Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der
erhöhtes Risiko, dass sich aus einer anhaltenden
                                                                Weltgesundheitsorganisation (WHO) UV-Strahlung
HPV-Infektion ein Tumor am Gebärmutterhals ent-
                                                                als eindeutig krebserregend ein, unabhängig davon,
wickelt. Das gilt auch für Frauen, die schon als Teen-
                                                                ob sie natürlich oder künstlich ist.
ager Kinder geboren haben.
                                                                Mittlerweile weiß man, dass alle UV-Arten gleicherma-
Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass sich
                                                                ßen schädlich sind. Auch künstliche UV-Quellen wie
eine „Spirale“, ein sogenanntes Intrauterinpessar
                                                                Solarien können der Haut Schaden zufügen – zum
(IUP) zur Empfängnisverhütung, positiv auf Zellver-
                                                                Beispiel beim sogenannten Vorbräunen. In Deutsch-
änderungen am Gebärmutterhalskrebs auswirkt. Eine
                                                                land gelten für Solarien daher gesetzliche Schutzbe-
Infektion mit HPV verhindert die Spirale jedoch nicht.
                                                                stimmungen für die Nutzung von Solarien. So dürfen
                                                                Minderjährige nicht ins Sonnenstudio.
HPV-Impfung
Seit einigen Jahren gibt es Impfstoffe gegen eine               Folgen von UV-Strahlung
Infektion mit HPV. Die HPV-Impfungen haben das
                                                                Je nach Wellenlänge und Stärke hat UV-Strahlung
Ziel, vor Krebs und seinen Vorstufen an Gebärmutter-
                                                                verschiedene Wirkungen auf den menschlichen
hals, After, im Genitalbereich sowie im Mund-Rachen-
                                                                Körper. Zu viel UV-Strahlung kann Sonnenbrände,
Raum zu schützen. Alle HPV-Impfstoffe verhindern
                                                                Augenentzündungen und allergieähnliche Reaktio-
mit hoher Sicherheit eine Ansteckung mit den krebs-
                                                                nen auslösen. Langfristige Schäden durch UV-Licht
erzeugenden humanen Papillomviren 16 und 18. In
                                                                sind neben beschleunigter Hautalterung, Schädigung
Deutschland stehen derzeit zwei Impfstoffe zur Ver-
                                                                der Augen (insbesondere bei Kindern) und einer
fügung: ein Zweifachimpfstoff (Cervavix®) und ein
                                                                Trübung der Linse (Katarakt) vor allem Hautkrebs-
Neunfachimpfstoff (Gardasil®). Der Neunfachimpf-
                                                                erkrankungen.
stoff deckt fünf weitere krebserregende HPV-Typen
ab und schützt zusätzlich vor HPV 6 und 11, die                 UV-Strahlung schädigt die Erbsubstanz (DNA) von
gutartige Genitalwarzen auslösen.                               Hautzellen. Meist sind die Zellen fähig, diese Schä-
                                                                den selbst zu reparieren. Gelingt das nicht, können
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am
                                                                Zellen entarten und es können sich Tumoren bilden.
Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt derzeit die
                                                                Außerdem kann UV-Strahlung das Abwehrsystem
HPV-Impfung vorrangig für Mädchen und Jungen
                                                                des Körpers (Immunsystem) schwächen und damit
im Alter von 9 bis 14 Jahren. Kinder erhalten zwei
                                                                die körpereigene Abwehrreaktion gegen Erreger und
Impfdosen in den Oberarm im Abstand von 5 bis 13
                                                                Krebszellen behindern.
Monaten. Bei Jugendlichen ab 15 Jahren bis ein-
schließlich 17 Jahren sind drei Spritzen notwendig:             Nicht jede Person ist gleichermaßen empfindlich
Eine zu Beginn, eine zweite Impfdosis nach einem                gegenüber der UV-Strahlung. So legen die Erb-
Monat bzw. nach zwei Monaten und die dritte Dosis               anlagen den individuellen Hauttyp fest und bestimmen
nach 6 bis 12 Monaten. Die Krankenkassen überneh-               dadurch, wie viel Sonne der einzelne Mensch
men die Kosten.                                                 verträgt.

Die Impfstoffe gelten als sicher und gut verträglich.           Schutz vor UV-Strahlung
Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen der
                                                                Kinder und Erwachsene sollten künstliche UV-Strah-
Impfstoffe sind Hautreaktionen an der Einstichstelle:
                                                                lung (Solarium, Höhensonne) meiden. Das gilt auch
mit Rötung, leichten Schmerzen, Schwellung. Hinzu-
                                                                für das Sonnenlicht um die Mittagszeit, insbesonde-
kommen können auch Kopfschmerzen.

         © Deutsches Krebsforschungszentrum | Fit in Gesundheitsfragen | Erstellungsdatum (11|2020) | Seite 16
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