Es bewegt sich etwas! - Klinik für Urologie
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GAST-EDITORIAL 5 Es bewegt sich etwas! Liebe Kolleginnen und Kollegen, stützung hat den Aufbau eines der thesen, sollte eine Extremität nicht größten Zentren in Europa ermög- erhalten werden können. Hohe Patienten mit Sarkomen sind in licht. Fallzahlen im chirurgischen Bereich Deutschland über Jahrzehnte mit korrelieren in fast allen Studien mit fehlenden Versorgungsstrukturen Aber auch diagnostisch und the- einem signifikant besserem Out- konfrontiert gewesen. Hier hat rapeutisch bewegt sich viel. Die come. Hochfokussierte Strahlen- 2019 eine neue Ära begonnen: Im Ökonomisierung von Hochdurch- therapie-Techniken helfen, Spät- März sind die ersten fünf Sarkom- satz-Sequenzierungen hat auch folgen zu minimieren und die loka- zentren in Deutschland durch die bei Sarkomen zu einer deutlichen le Tumorkontrolle zu verbessern. Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) Verbesserung der Diagnostik aber Hier bin ich zuversichtlich, dass die zertifiziert worden. In einer ge- auch zu einem immensen Erkennt- gerade angestoßenen Entwicklun- meinsamen Anstrengung von Ex- nisgewinn beigetragen. Eine Viel- gen die Versorgung in Deutschland perten, Patientenvertretern (Das zahl genetisch klar definierter Sub- in den nächsten Jahren nachhaltig Lebenshaus, Deutsche Sarkomstif- typen lassen eine immer passge- verbessern wird! tung) und der DKG wurden Zertifi- nauere, personalisierte Therapie zierungsvorraussetzungen erarbei- zu. Allerdings setzt dies eine immer Ich hoffe, die kurzen Übersichten in tet und Qualitätsstandards defi- höhere technische und fachliche der aktuellen Ausgabe von ONKO- niert. Fachexperten wurden zu Au- Expertise in der Pathologie voraus, LOGIE heute helfen Ihnen, sich hier ditoren ausgebildet und die ersten die nur an wenigen Standorten einen hilfreichen Überblick zu ver- Audits erfolgreich absolviert. vorgehalten werden kann. Den- schaffen! noch: Referenzpathologie lohnt Die ersten Erfahrungen zeigen – sich – für jeden Patienten. Herzlichst, Zentren funktionieren dann, wenn Experten sich auf das Thema fokus- Innovationen im Bereich der ope- Ihr sieren können, wenn Betreuung rativen Fächer erlauben immer bes- Sebastian Bauer nicht „nebenbei“ erfolgt. Hierzu sere Funktionen trotz ungünstiger benötigt es der Unterstützung von anatomischer Lokalisationen. Da- Klinikleitungen und Fakultäten, die zu zählen Metallimplantate aus Translationale Onkologie Schwerpunkt Personalisierte nachhaltige, am Thema orientierte dem 3D-Drucker, mitwachsende Tumortherapie Strukturen fördern. Das Sarkom- Prothesen für Kinder, plastische Sarkome/GIST, Phase I zentrum in Essen kann hier als Blau- Eingriffe mit freien Transplantaten Universitätsklinikum Essen pause dienen – genau diese Unter- aber auch immer bessere Pro- 4/2019 ONKOLOGIE heute
16 SCHWERPUNKT: SARKOME Tumororthopädische Behandlung von primären Knochensarkomen Markus Nottrott, Wiebke Guder, Lars Erik Podleska, Georg Täger, Arne Streitbürger, Jendrik Hardes Abteilung für Tumororthopädie und Sarkomchirurgie, Universitätsklinikum Essen Primäre Knochensarkome sind mit ca. 600 Fällen pro Jahr in Deutschland selten. Neben einer eng abge- stimmten interdisziplinären Therapie mit insbesondere (Kinder-)Onkologen, Strahlentherapeuten, Pa- thologen und Radiologen stellen sie den behandelnden Tumororthopäden bezüglich Resektion und Rekonstruktion nicht selten vor große Herausforderungen. Bei hochmalignen Knochensarkomen muss eine weite Tumorresektion nach Enneking erfolgen [1]. Erfreulicherweise sind heutzutage Amputatio- nen oder die Durchführung einer Umdrehplastik die Ausnahme. Lediglich die Infiltration der Gefäß- Nerven-Straße und eine ausgeprägte Weichteilkomponente, die eine sinnvolle muskuläre Deckung oder Funktion unmöglich macht, stellen eine Amputationsindikation dar. Die Lokalrezidivrate nach extremitätenerhaltenden Operationsverfahren liegt je nach Entität und Ansprechen des Tumors auf eine möglicherweise neoadjuvant applizierte Chemotherapie bei ca. 5 %. Die operative Rekonstruk- tion erfolgt bei gelenknahen Defekten zumeist mithilfe modularer Tumorendoprothesen, welche bei Kindern auch als Wachstumsprothesen zur Verfügung stehen. Diaphysäre Defekte können häufig bio- logisch (z. B. gefäßgestielte Fibula) rekonstruiert werden. Einteilung der onkologischen Weichteilsarkomen gibt es aller- tion diaphysärer Defekte I 10 cm an- Resektionsgrenzen dings keine gesicherten wissen- gewendet. Bei größeren diaphysä- Die Resektionsgrenzen werden in schaftlichen Angaben [2]. Sicher ist, ren Defekten kann die Rekonstruk- der Tumororthopädie nach Enne- dass auch die Qualität des Gewebes tion mithilfe einer gefäßgestielten king [1] in vier Gruppen eingeteilt: (Periost, Faszie, Fett etc.) bei der Be- Fibula erfolgen. Hierzu wird die Fi- urteilung des Resektionsrandes mit bula, einschließlich des versorgen- Bei der intraläsionalen Resektion zu berücksichtigen ist. den Gefäßes, entnommen, in den erfolgt nur eine Tumorkürettage diaphysären Defekt eingebracht und mit zumindest mikroskopisch in Eine Kompartmentresektion mit ei- das nutritive Gefäß mikrochirurgisch situ verbleibenden Tumorzellen. In ner radikalen Entfernung des vom angeschlossen. Diese Art der Rekon- der Therapie der Knochensarkome Tumor befallenen Kompartiments struktion eignet sich v. a. im Bereich spielt die Kürettage keine Rolle. wird heute nur noch sehr selten der oberen Extremität, da hier gerin- durchgeführt. gere mechanische Kräfte herrschen Bei der marginalen Resektion er- [3]. Im Bereich der unteren Extremi- folgt die Tumorentfernung entlang Rekonstruktionsarten tät muss die operierte Extremität der Pseudokapsel des Tumors. Ein- Bei der Defektrekonstruktion wer- längere Zeit entlastet werden. Das zelne versprengt liegende Tumor- den biologische (Auto- oder Allo- Einheilen kann gerade bei Notwen- zellen aus der reaktiven Zone des graft) von endoprothetischen Ver- digkeit einer Chemo- und insbeson- Tumors können somit in situ ver- fahren unterschieden. Welches Ver- dere Strahlentherapie problema- bleiben. fahren der behandelnde Chirurg tisch sein. Ein Versagen des Trans- wählt, hängt neben der persönli- plantats (Fraktur, Pseudarthrose) im Bei der weiten Resektion erfolgt chen Präferenz u. a. vom Alter des Bereich der unteren Extremität ist eine Mitnahme der reaktiven Zone, Patienten, der Lokalisation des Tu- nicht selten und mündet dann häu- indem der Tumor mitsamt einer mors und auch der Defektlänge ab. fig nach mehrfachen Revisionsope- Schicht gesunden Gewebes rese- rationen in einer Rekonstruktion mit- ziert wird. Über den idealen quanti- Biologische hilfe einer Tumorendoprothese [4]. tativen Sicherheitsabstand – sowohl Rekonstruktionsverfahren ossär als auch in den Weichteilen – Bei jüngeren Patienten wird häufig Bei sehr jungen Patienten kann eine in der Therapie von Knochen- und eine autologe Fibula zur Rekonstruk- gefäßgestielte Fibula auch zur Re- ONKOLOGIE heute 4/2019
SCHWERPUNKT: SARKOME 17 A B A B Bei vorhandener, ausreichend gro- ßer Knochenbank stehen interka- lare und osteoartikuläre Allografts zur biologischen Rekonstruktion zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um avitalen Knochen, der sich der neuen Umgebung und Belastungssi- tuation nicht anpassen kann. Häufig beobachtete Komplikationen sind Pseudarthrosen, Frakturen und In- fektionen [5]. Durch eine Kombina- tion von Allo- und Autograft wird eine bessere Primärstabilität ge- währleistet und ein „remodelling“ ermöglicht. Auch sind Kombinatio- nen aus einer Allograftversorgung und einer Endoprothese möglich R R R R (allograft-prosthesis composite). Ins- Abb. 1A/B: Röntgenbilder des rechten Abb. 3A/B: Röntgenbilder d. rechten Knie- gesamt verlieren biologische Rekon- Femurs in zwei Ebenen. Nach Tumorre- gelenks in zwei Ebenen. Nach Tumorresek- struktionen mit Allografts aber auf- sektion wurde eine modulare proximale tion der proximalen Tibia wurde eine mo- grund der zuvor genannten Kompli- Femurendoprothese implantiert. dulare Tumorendoprothese implantiert. kationen an Bedeutung. A L Tumorendoprothetik Heutzutage kommen modulare Re- konstruktionssysteme zum Einsatz, die zu Beginn der Ära der Tumor- endoprothetik (Mitte bis Ende der 1970er Jahre) verwendeten, kun- denspezifisch angefertigten Pro- thesen nahezu vollständig ersetzt B haben [6]. Mit den modernen mo- dularen Systemen können Defekte nahezu jeden Ausmaßes mit einem guten funktionellen Ergebnis unter Einsparung von Zeit und Ressourcen rekonstruiert werden [7]. Die Rekonstruktionslänge kann dem jeweiligen Defekt angepasst L werden. Bei dem in der Abteilung Abb. 2A/B: Röntgenbilder des linken Humerus in zwei Ebenen. Nach Tumorresektion für Tumororthopädie und Sarkom- wurde eine modulare inverse Schulterendoprothese implantiert. chirurgie des Universitätsklinikums Essen verwendeten Prothesensys- tem kann der Aufbau in 1-cm- konstruktion des proximalen Hu- figer zu Problemen im Bereich der Schritten erfolgen. Zudem ist eine merus oder proximalen Femur ver- Entnahmestelle der Fibula kommen Anpassung der Torsion der Pro- wendet werden. Es kommt hier zu (donor-site morbidity) mit z. B. ei- these in 5°-Schritten möglich. einem Remodelling der proximalen ner Läsion des N. peronaeus mit Fibula, so dass sich im Verlauf ein Schwäche bis weitestgehender Läh- Bei diaphysärem Defekt − insbeson- Humeruskopf bzw. Hüftkopf formt. mung der entsprechenden Musku- dere bei älteren Patienten oder ei- Bei Durchführung einer autologen latur sowie der Entwicklung von ner langen Rekonstruktionsstrecke Fibulatransplantation kann es häu- Krallenzehen. (siehe oben) − erfolgt die Rekon- 4/2019 ONKOLOGIE heute
18 SCHWERPUNKT: SARKOME struktion mithilfe eines metallischen R Diaphysenimplantats; hierbei wer- den die Schäfte in der proximalen und distalen Diaphyse des Restkno- chens verankert. Die Schaftveran- kerung erfolgt hierbei heutzutage in der Regel durch zementfreie Schäfte, die „pressfit“ im Knochen verankert werden. Eine zementier- te Verankerung kommt v. a. bei älteren Patienten zur Vermeidung längerer Immobilisationsphasen und bei ausgeprägter Osteopenie, ge- planter postoperativer Bestrahlung oder schwieriger metadiaphysärer Verankerung zur Anwendung. Ne- ben der Rekonstruktion eines ein- zelnen Gelenkes kann auch der Er- satz eines ganzen Knochens erfol- gen (z. B. Totaler Femurersatz). Abb. 4: Röntgenbild des Beckens einer Patientin nach interner linksseitiger Hemipelv- Zur Refixation von Muskel- und ektomie und Hüftverschiebeplastik. Sehnenansätzen kann ein Anbin- dungsschlauch aus nichtresorbier- prothesen heute zwischen 69 % bei einer zu erwartenden Beinlän- barem Kunstgewebe angewandt und 90 % [6, 9, 10]. Die häufigsten gendifferenz bis zu etwa 3–4 cm werden. Zur Prävention einer Luxa- Komplikationen stellen hierbei die die kontralaterale Extremität mit- tion nach endoprothetischem pro- periprothetische Infektion, die hilfe einer Epiphyseodese angehal- ximalem Femur- ( Abb. 1A+B, S. 17) Schaftlockerung und ein Versagen ten werden. Bei einer deutlicheren oder Humerusersatz ( Abb. 2A+B, des Gelenkkopplungsmechanismus Beinlängendifferenz kommen heut- S. 17) wird der Anbindungsschlauch am Kniegelenk dar. Während me- zutage oftmals sog. Wachstums- an der Gelenkpfanne fixiert und an- chanische Komplikationen in der prothesen zum Einsatz. schließend über die Prothese gezo- Regel operativ gut beherrschbar gen. Hierdurch wird die Ausbildung sind, stellt insbesondere die Infek- Wachstumsprothesen bei Kindern einer Neokapsel auf dem Boden des tion immer noch – bei vorherigem und Jugendlichen Kunstgewebes gefördert und die Versagen mehrfacher Wechselope- Während modulare Tumorendo- Primärstabilität erhöht [8]. Bei einem rationen – ein erhöhtes Risiko für prothesen beim Erwachsenen den proximalenTibia-Ersatz( Abb. 3A+B, eine sekundäre Amputation dar. Goldstandard darstellen, kann dies S. 17) kann der Streckapparat am nicht auf Kinder übertragen wer- Anbindungsschlauch refixiert wer- Bei einem Kind müssen physische den. Sogenannte „Service“-Ope- den, und nach Vernarbung ist eine Besonderheiten bedacht werden. rationen sind bis zum Beinlängen- aktive Streckung im Kniegelenk Bei Tumoren im Bereich des Knie- ausgleich zu mehreren Zeitpunk- möglich. Damit eine ausreichende gelenks muss das Restwachstum in ten notwendig. Auch aufgrund muskuläre Deckung der Prothese die Planung einbezogen werden, der häufig eingeschränkten Fähig- nach proximalem Tibia-Ersatz ge- da eine Prothesenimplantation vor keit zur suffizienten Rehabilita- währleistet ist, sollte regelhaft eine Beendigung des Längenwachstums tion bei insbesondere ängstlichen M.-gastrocnemius-Schwenklappen- durch Entfernung oder Zerstörung Kindern können schlechtere funk- Plastik durchgeführt werden, denn der Epiphysenfuge zu einer Bein- tionelle Ergebnisse resultieren. eine suffiziente muskuläre De- längendifferenz führt. Es sollte ckung senkt das Risiko einer peri- überlegt werden, ob die resultie- Die aktuell zur Verfügung stehen- prothetischen Infektion. rende Beinlängendifferenz akzep- den Wachstumsprothesen verschie- tiert und durch Schuhsohlenerhö- dener Hersteller können transkutan Je nach Studie beträgt die 5- bis hung ausgeglichen werden kann. durch einen Federmechanismus oder 10-Jahresstandzeit der Tumorendo- Je nach Alter des Patienten kann über einen kleinen Elektromotor ONKOLOGIE heute 4/2019
SCHWERPUNKT: SARKOME 19 verlängert werden. Durch einen sub- nisse nach Umdrehplastik sind sehr Eine Hemipelvektomie geht mit kutan gelegenen Transmitter kann gut, trotzdem kann die Umdreh- einer hohen Morbidität und erheb- mithilfe von elektromagnetischen plastik aufgrund ihres äußeren Er- licher Mutilation mit konsekutiver Wellen transkutan die Energie zum scheinungsbildes problematisch sein Funktionseinschränkung einher. Ausfahren des Motors übertragen und bei Patienten sowie Eltern auf Bei einer internen Hemipelvekto- werden. So können eine kontinuier- Ablehnung stoßen. mie kann zum Extremitätenerhalt liche Verlängerung der Prothese von eine Hüftverschiebeplastik durch- 1 mm/Tag am Oberschenkel und Hemipelvektomie geführt werden ( Abb. 4). Dabei 0,8 mm/Tag am Unterschenkel er- Eine weite Tumorresektion ist auch wird das proximale Femur dem reicht werden. Je nach Modell ist bei einer Lokalisation im Becken restlichen Os ilium oder Os sacrum eine Gesamtverlängerung bis zu grundsätzlich möglich. Abhängig unterstellt [11, 12]. Mithilfe eines 10 cm möglich. von der genauen Lokalisation des Anbindungsschlauchs kann eine Tumors stehen verschiedene Metho- Neokapsel geformt und über einen Umdrehplastik den der sog Hemipelvektomie zur Fadenanker am restlichen Becken- Die Umdrehplastik wurde in den Verfügung. Bei Erhalt der unteren knochen fixiert werden [8]. Auf- 1970er Jahren als Alternative zur Extremität, spricht man von einer grund eines oftmals resultierenden Oberschenkelamputation von Salzer „internen Hemipelvektomie“, bei Trendelenburg-Hinkens be- nutzen eingeführt. Dieses Verfahren kann Verlust der Extremität von einer „ex- viele Patienten einen Gehstock auf bei Tumoren im Bereich des Ober- ternen Hemipelvektomie“. Eine „ex- der gesunden Seite. Aufgrund der schenkels eingesetzt werden. Der terne“ bedeutet im Vergleich zur ausgeprägten Morbidität und des tumorbefallene Anteil des Ober- „internen Hemipelvektomie“ häufig stark mutilierenden Charakters schenkels wird unter Erhalt des N. keine Erweiterung des Resektions- sollte aus Sicht der Autoren die ischiadicus entfernt, der Unterschen- randes, da die limitierende Tumor- Indikation zur Hemipelvektomie kel um 180° gedreht und mit dem komponente meist beckeninnen- immer durch ein Referenzzentrum Fuß nach hinten zeigend mit dem seitig sitzt. gestellt werden. restlichen proximalen Femur osteo- synthetisch verbunden. Durch den vollständigen Erhalt des N. ischia- Zusammenfassung dicus werden Phantomschmerzen unterbunden. Das obere Sprungge- Extremitätenerhaltende Verfahren haben heute einen festen Stellen- lenk dient als „Neokniegelenk“; dies wert in der Tumororthopädie. Bei der Mehrzahl der Patienten, die an entspricht funktionell einer Unter- einem malignen Knochentumor erkranken, kann eine extremitäten- schenkelamputation. Bei Notwen- erhaltende Operation durchgeführt werden. Die Wahl des geeigneten digkeit der Resektion des komplet- Rekonstruktionsverfahrens hängt sowohl von der Lokalisation und ten Femurs kann bei Kindern bis zum Ausdehnung des Defekts als auch von Alter und Konstitution des Pa- 10. Lebensjahr das Tibiaplateau in tienten ab. Grundsätzlich stehen biologische und endoprothetische das Acetabulum eingestellt werden. Rekonstruktionsverfahren zur Verfügung. Die operative Rekonstruk- Unter Belastung formt es sich auf- tion erfolgt mithilfe modularer Tumorendoprothesen. Immer geht die grund der Plastizität des kindlichen weite Resektion des Tumors voraus. Ablative Verfahren wie Amputa- Knochens zu einem „Neohüftkopf“ tion oder Umdrehplastik sind heute nur noch bei einer Infiltration der um. Die Umdrehplastik wird v. a. bei Gefäß-Nerven-Straße und einer großen Weichteilkomponente mit der kleinen Kindern angewendet, bei Unmöglichkeit der suffizienten Deckung der Prothese indiziert. Nahe- denen aufgrund der Größenverhält- zu jedes Gelenk und sogar ganze Knochen (totales Femur oder totaler nisse und des zu erwartenden Rest- Humerus) können mit gutem funktionellem Ergebnis durch modulare wachstums keine endoprothetische Tumorendoprothesen rekonstruiert werden. Schwerwiegende Kom- Versorgung möglich ist. Bei großer plikationen nach endoprothetischer Versorgung sind das Lokalrezidiv Tumorausdehnung mit Verlust der (1–9 %), die periprothetische Infektion (5–36 %) und die aseptische umgebenden Muskulatur ist die Schaftlockerung (5–27 %). Umdrehplastik ein alternatives Ver- fahren. Des Weiteren kann sie nach Schlüsselwörter: gescheitertem Extremitätenerhalt Rekonstruktive Operationsverfahren – Knochentumor – modulare eine Alternative zur Amputation Prothese – Resektionsgrenzen darstellen. Die funktionellen Ergeb- 4/2019 ONKOLOGIE heute
20 SCHWERPUNKT: SARKOME Fazit Literatur: 9. Balke M, Ahrens H, Streitbürger A, et 1. Enneking WF, Spanier SS, Goodman al. Modular endoprosthetic reconst- Die Wahl des geeigneten Rekon- MA. A system for the surgical staging ruction in malignant bone tumors: struktionsverfahrens hängt sowohl of musculoskeletal sarcoma. Clin indications and limits. Recent Results von der Lokalisation und Ausdeh- Orthop Relat Res 1980; 153: 4–18 Cancer Res 2009; 179: 39–50 2. Andreou D, et al. The influence of tu- 10. Gosheger G, Gebert C, Ahrens, et al. nung des Defekts als auch von Alter mor- and treatment-related factors Endoprosthetic reconstruction in 250 und Konstitution des Patienten ab. on the development of local recur- patients with sar¬coma. Clin Orthop Grundsätzlich stehen biologische rence in osteosarcoma after adequa- Relat Res 2006; 450: 164–171 te surgery. An analysis of 1355 pati- 11. Gebert C, Hillmann A, Schwappach und endoprothetische Rekonstruk- ents treated on neoadjuvant Coope- A, et al. Hip transposition as a univer- tionsverfahren zur Verfügung. Ins- rative Sarcoma Study Group proto- sal surgical procedure for periaceta- gesamt verlieren biologische Re- cols. Ann Oncol 2011; 22: 1228–1235 bular tumors of the pelvis. J Surg 3. Gebert C, et al. Free vascularized fibu- Oncol 2009; 99: 169–172 konstruktionen mit Allografts aber lar grafting for reconstruction after 12. Gebert C, Wessling M, Hoffmann C, aufgrund der mit ihnen einherge- tumor resection in the upper extremi- et al. Hip transposition as a limb sal- henden Komplikationen an Bedeu- ty. J Surg Oncol 2006; 94: 114–127 vage procedure following the resec- 4. Foo LS, et al. Surgical difficulties en- tion of periacetabluar tumors. J Surg tung. Mit modernen modularen countered with use of modular en- Oncol 2011; 103: 269–275 Prothesen-Systemen können Defek- doprosthesis for limb preserving sal- te nahezu jeden Ausmaßes mit gu- vage of failed allograft reconstructi- Korrespondenzadresse: on after malignant tumor resection. Dr. Markus Nottrott tem funktionellem Ergebnis unter J Arthroplasty 2011; 26: 744–750 Universitätsklinikum Essen Einsparung von Zeit und Ressourcen 5. Abed R, Grimer R. Surgical modalities Abteilung für Tumororthopädie und rekonstruiert werden. Während mo- in the treatment of bone sarcoma in Sarkomchirurgie children. Cancer Treat Rev 2010; 36: Hufelandstraße 55 dulare Tumorendoprothesen beim 342–347 45147 Essen Erwachsenen den Goldstandard dar- 6. Zeegen EN, Aponte-Tinao LA, Horni- Markus.Nottrott@uk-essen.de stellen, können diese bei noch im cek FJ, et al. Survivorship analysis of 141 modular metal¬lic endoprosthe- Wachstum befindlichen Kindern ses at early followup. Clin Orthop aufgrund der resultierenden Bein- Relat Res 2004; 420: 239–250 längendifferenz und der häufig ein- 7. Tunn PU, Schmidt-Peter P, Pomraen- ke D, Hohenberger P. Osteosarcoma geschränkten Fähigkeit zur suffizi- in children: long-term functional enten Rehabilitation in schlechte- analysis. Clin Orthop Relat Res 2004; Dr. 421: 212–217 Markus Nottrott ren Ergebnissen resultieren. Hier 8. Gosheger G, Hillmann A, et al. Soft sind biologische Rekonstruktionen tissue reconstruction of megapros- oder gegebenenfalls Wachstums- thees using a trevira tube. Clin Ort- prothesen vorzuziehen. hop Relat Res 2001; 393: 264–271 Augenheilkunde Onkologie Gynäkologie Rundum bestens informiert. DAS Nervenheil- Pädiatrie MEDIZIN- kunde • Täglich spannende News für Ihren Fachbereich PORTAL • Regelmäßig CME-Beiträge Chirurgie Datenbank wissen-medizin.de Innere Medizin • Informationen zu unseren medizinischen Fachzeit schriften & Online-Angeboten: Wissensdatenbank für Mediziner, Newsletter, E-Paper-Apps medizin.mgo-fachverlage.de
10 SCHWERPUNKT: SARKOME Referenzpathologie von Sarkomen – ein Steckbrief Hans-Ulrich Schildhaus Die Diagnostik von mesenchymalen Neoplasien gehört zu den schwierigsten Aufgaben in der Patho- logie. Eine referenzpathologische Mitbeurteilung kann die diagnostische Sicherheit erhöhen und wesentlich zur korrekten Behandlung von Sarkompatienten beitragen. Im Folgenden sollen einige Aspekte der Sarkomdiagnostik steckbriefartig dargestellt werden. Warum ist die Diagnostik von z. B. „Synovialsarkom“, ein Tumor, den und Immunhistochemie. Die mesenchymalen Tumoren so der eher selten im Bereich der Ge- molekulare Diagnostik zielt dabei schwierig? lenke und Synovialmembranen auf- auf die Detektion rekurrenter ge- Es sind nach der aktuellen WHO- tritt. nomischer Alterationen ab, die Klassifikation eine Fülle von Tumo- spezifisch für bestimmte Tumo- ren zu unterscheiden, die vielfach Die Beurteilbarkeit ist ferner auch ren sind. Dabei macht man sich äußerst selten sind und zudem er- dadurch erschwert, dass Weich- zunutze, dass viele Tumoren bei- hebliche morphologische Ähnlich- gewebstumoren eine erhebliche spielsweise bestimmte Genfusio- keiten aufweisen können ( Tab. 1 intratumorale Heterogenität auf- und Tab. 2, S.12ff). Problematisch weisen, die eine eindeutige Dia- Klinische Fragestellungen an die kann auch die Unterscheidung gut- gnose an einer kleinen Biopsie mit- Sarkomdiagnostik in verschiedenen artiger Läsionen von malignen Neo- unter unmöglich machen kann. Settings plasien sein. Zudem ist die Dignitäts- Präoperativ: Dignität und Grading? einschätzung letztlich nur dann mög- Eine weitere Besonderheit ergibt Prognostische Parameter Hinweise für die OP- lich, wenn auch eine konkrete Tu- sich daraus, dass in verschiedenen Planung (Radikalität der mordiagnose gestellt werden kann. klinischen Situationen durch Pa- OP, Sicherheitsränder)? Die Klassifikation von Sarkomen ist thologen Antworten auf verschie- Neoadjuvante Therapie komplex und beruht letztlich auf dene Fragestellungen gegeben erforderlich? der Einordnung anhand einer Ähn- werden müssen ( Textkasten 1). Postoperativ: Tumorentität? lichkeit zu einem Vergleichsgewe- Prognose? Welche Zusatzuntersuchungen Grading & TNM? be (z. B. Tumoren mit Fettgewebs- Resektionsstatus, differenzierung). Dieses Klassifika- in spezialisierten Zentren R0/R1-Resektion? tionssystem ist aber nicht konse- können bei der Diagnostik Adjuvante Therapie hilfreich sein? erforderlich? quent anzuwenden, was dazu führt, dass viele Tumoren nicht entspre- Bei der diagnostischen Einord- Bei Prädiktive Biomarker? metastasierter Zielgerichtete System chend eingruppiert werden kön- nung schwieriger morphologi- Erkrankung: therapie möglich? nen. Außerdem sind viele Namen scher Befunde helfen moderne der Tumoren letztlich irreführend – molekularpathologische Metho- Textkasten 1 A B C Abb. 1: A+B: Die beiden Ausschnitte aus demselben Tumor einer jungen Patientin zeigen die erhebliche morphologische Bandbreite und intratumorale Heterogenität mesenchymaler Tumoren. Während fokal myxoide Abschnitte dominieren (A), liegen in zentralen Abschnitten kollagenfaserreiche Areale vor. Die hohe mitotische Aktivität (A) lässt an eine maligne Neoplasie denken. Der Nachweis einer USP6-Translokation in der FISH-Analyse (C) ermöglicht aber den Beweis einer nodulären Fasziitis, also eines benignen Weich- gewebstumors. ONKOLOGIE heute 4/2019
SCHWERPUNKT: SARKOME 11 nen aufweisen können ( Tab. 3, S. 14ff). Der Nachweis molekular- pathologischer diagnostischer Bio- marker hilft dabei sowohl in der Unterscheidung gutartiger und maligner Tumoren ( Abb. 1) als auch bei der korrekten Klassifika- tion bösartiger Sarkome ( Abb. 2). Die erforderlichen Untersuchun- gen, NGS-Sequenzierpanels und Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) können in spezialisierten Zentren an Paraffingewebe durch- geführt werden. Welche prädiktiven Biomarker werden in der Sarkom- diagnostik angewandt? In den letzten Jahren sind verstärkt Biomarkerassays für die Therapie- prädiktion von metastasierten Sar- komen entwickelt worden. Diese zielen darauf ab, zu prüfen, ob eine zielgerichtete Therapie mög- lich ist. Abb. 2: Weichgewebstumoren können äußerst vielgestaltig sein. Alle hier abgebilde- ten Tumoren sind retroperitoneale dedifferenzierte Liposarkome. Alle Tumoren wei- Prototypisch hierfür sind die gas- sen eine charakteristische Amplifikation des mdm2-Gens auf (Mitte). Nachdruck mit trointestinalen Stromatumoren. freundlicher Erlaubnis aus [2]. Typen genomischer Veränderungen Prädiktive Bedeutung von KIT- und PDGFRA-Mutationen bei gastrointestinalen bei mesenchymalen Tumoren Stromatumoren in Bezug auf die Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren Chaotisches Genom KIT-Exon 8 D419del, wahrscheinlich sensitiv • Vielzahl struktureller und numerischer T417_D419delinsY chromosomaler Aberrationen (z. B. KIT-Exon 9 (1) A502_Y503dup höhere Imatinib-Dosis erforderlich Leiomyosarkom) (2) andere seltene Mutationen unklar • Keine rekurrenten spezifischen Veränderungen KIT-Exon 11 (1) Punktmutationen sensitiv • Hohe Mutationslast möglich (z. B. (2) Deletionen/delins Mutationen kutane Angiosarkome) (3) Insertions Rekurrente genomische Veränderungen KIT-Exon 13 K642E (wahrscheinlich) sensitive (selbe • Spezifische Translokationen (Tab. 3) Mutation kann sekundäre Resistenz • Spezifische Mutationen (z.B. CTNNB1 vermitteln) (ß-Catenin) Mutation bei Desmoid fibromatosen) KIT-Exon 17 N822K resistent gegenüber Imatinib, • Amplifikationen (z. B. mdm2-Amplifika- Behandlung mit neueren TKI tion bei dedifferenzierten Liposarkomen) möglich Tumoren, die im Rahmen von heredi PDGFRA-Exon 12 (1) V561D sensitiv tären Tumorsyndromen auftreten (2) Non-V561D mutations • TP53: Li Fraumeni-Syndrom; PDGFRA-Exon 14 N659K sensitiv verschiedenen Tumoren N659Y • APC: Familiäre adenomatöse Polyposis coli (FAP); Desmoidfibromatosen PDGFRA-Exon 18 (1) D842V (most frequent variant) resistent gegen Imatinib, sensitiv für • NF1: Neurofibromatose Typ 1, Maligner Crenolanib peripherer Nervenscheidentumor (2) weitere Mutationen teilweise sensitiv für Imatinib Textkasten 2 Textkasten 3 4/2019 ONKOLOGIE heute
12 SCHWERPUNKT: SARKOME Histologische Gruppe Untergruppen Morphologie-Code Adipozytäre Tumoren Atypischer lipomatöser Tumor/ 8850/1 hoch differenziertes Liposarkom 8850/3 Dedifferenziertes Liposarkom 8858/3 Myxoides Liposarkom 8852/3 Rundzelliges Liposarkom 8853/3 Pleomorphes Liposarkom 8854/3 Liposarkom, NOS 8850/3 Fibroblastische/ myofibro- Superfizielle Fibromatose 8813/1 blastische Tumoren Desmoid-Fibromatose 8821/1 Riesenzellfibroblastom 8834/1 Dermatofibrosarcoma protuberans 8832/1 Fibrosarkomatöses DFSP 8832/3 Pigmentiertes DFSP 8833/1 Solitärer fibröser Tumor 8815/1 maligne 8815/3 Inflammatorischer myofibroblastärer Tumor 8825/1 Low grade myofibroblastisches Sarkom 8825/3 Low grade fibromyxoides Sarkom 8840/3 Sklerosierendes epitheloides Fibrosarkom 8840/3 Myxoinflammatorisches fibroblastisches Sarkom/atypischer 8811/1 myxoinflammatorischer fibroblastischer Tumor Infantiles Fibrosarkom 8814/3 Adultes Fibrosarkom 8810/3 Myxofibrosarkom 8811/3 Fibrohistiozytäre Tumoren Plexiformer fibrohistiozytärer Tumor 8835/1 tenosynovialer Riesenzelltumor, diffuser Typ 9252/1 Tenosynovialer Riesenzelltumor, maligne 9252/3 Riesenzelltumor des Weichgewebes 9251/1 Malignes fibröses Histiozytom 8830/3 Glattmuskuläre Tumoren Leiomyosarkom/Uterines Leiomyosarkom 8890/3 Perizytäre Tumoren Maligner Glomustumor 8711/3 Skelettmuskuläre Tumoren Embryonales Rhabdomyosarkom (inkl. botryoid, anaplastisch) 8910/3 Alveoläres Rhabdomyosarkom (auch solide, anaplastisch) 8920/3 Spindelzelliges/sklerosierendes Rhabdomyosarkom 8912/3 Pleomorphes Rhabdomyosarkom 8901/3 Vaskuläre Tumoren Kaposiformes und composite Hämangioendotheliom 9130/1 Retiformes Hämangioendotheliom 9136/1 Papilläres intralymphatisches Angioendotheliom 9135/1 Pseudomyogenes (Epitheloides Sarkom-artiges) Hämangioendotheliom 9136/1 Kaposi-Sarkom 9140/3 Epitheloides Hämangioendotheliom 9133/3 Angiosarkom 9120/3 Gastrointestinale Stroma Stromasarkom o.n.A. 8931/3 tumoren Gastrointestinaler Stromatumor mit unsicherem malignem Potential 8936/1 Maligner gastrointestinaler Stromatumor 8936/3 Tab. 1: Aktuelle WHO-Klassifikation der Weichgewebstumoren, basierend auf der aktuellen WHO-Klassifikation (modif. nach [1]). ONKOLOGIE heute 4/2019
SCHWERPUNKT: SARKOME 13 Histologische Gruppe Untergruppen Morphologie-Code Tumoren mit unsicherer Angiomatoides fibröses Histiozytom 8836/1 Differenzierung Parachordom 9373/1 Myoepitheliom 8982/0 Myoepitheliales Karzinom 8982/3 Gemischter Tumor 8940/0 Gemischter Tumor maligne 8940/3 Synovialsarkom 9040/3 Spindelzellig 9041/3 biphasisch 9043/3 Epitheloides Sarkom 8804/3 Alveoläres Weichteilsarkom 9581/3 Klarzellsarkom 9044/3 Extraskelettales myxoides Chondrosarkom 9231/3 extraskelettales Ewing-Sarkom – PNET (peripherer neuroektodermaler Tumor) 9364/3 Desmoplastisches klein-rundzelliges Sarkom (DSRCT) 8806/3 Extrarenaler Rhabdoidtumor 8963/3 Malignes Mesenchymom 8990/3 PECom (myomelanozytäre Tumoren) Keine Ziffern [neuer WHO Code für maligne PECome] [8714/3] Intimasarkom keine spezifische Ziffer [neuer WHO-Code] [9137/3] Extraskelettales Osteosarkom 9180/3 Extraskelettales mesenchymales Chondrosarkom 9240/3 Nervenscheidentumoren Maligner peripherer Nervenscheidentumor 9540/3 Epitheloider maligner peripherer Nervenscheidentumor 9542/3 Maligner Triton-Tumor 9561/3 Maligner Granularzelltumor 9580/3 Undifferenzierte/ Undifferenziertes Spindelzellsarkom 8801/3 unklassifizierbare Sarkome Undifferenziertes pleomorphes Sarkom 8802/3 Undifferenziertes rundzelliges Sarkom 8803/3 Undifferenziertes epitheloidzelliges Sarkom 8804/3 Undifferenziertes Sarkom, NOS 8805/3 Adamantinom 9261/3 Uterine Sarkome High grade endometriales Stromasarkom 8930/3 Low grade endometriales Stromasarkom 8931/3 Undifferenziertes uterines Sarkom 8805/3 Glattmuskulärer Tumor von unsicherem malignen Potential (STUMP) 8897/1 Diffuse/intravenöse Leiomyomatose 8890/1 Metatasierendes Leiomyom 8898/1 Uterines Leiomyosarkom 8890/3 Epitheloides Leiomyosarkom 8891/3 Myxoides Leiomyosarkom 8896/3 Uterines Rhabdomyosarkom 8900/3 Uterines malignes PECom 8714/3 Tab. 1: Fortsetzung 4/2019 ONKOLOGIE heute
14 SCHWERPUNKT: SARKOME Histologische Gruppe Untergruppen Morphologie-Code Bei diesen Läsionen besteht eine Chondrogene Atypischer kartilaginärer Tumor/ sehr deutliche Genotyp-Phänotyp- Tumoren Chondrosarkom Grad 1 9222/1 Korrelation, die nicht nur die Tu- Chondroblastom 9230/1 mormorphologie und das biolo- Chondrosarkom Grad 2 und 3 9220/3 Dedifferenziertes Chondrosarkom 9243/3 gische Verhalten, sondern auch Mesenchymales Chondrosarkom 9240/3 das Ansprechen auf eine Behand- Extraskelettales mesenchymales 9240/3 lung mit Tyrosinkinaseinhibitoren Chondrosarkom Klarzellchondrosarkom 9242/3 umfasst. Daher ist die Mutations- analyse von KIT und PDGFRA ein Osteogene Tumoren Osteosarkom 9180/3 Extraskelettales Osteosarkom 9180/3 Standard bei allen neudiagnosti- Konventionell 9180/3 zierten gastrointestinalen Tumo- chondroblastisch 9181/3 ren. Auch im Falle eines Tumor- fibroblastisch 9182/3 osteoblastisch 9180/3 progresses unter TKI-Therapie ist Telangiektatisch 9183/3 eine erneute molekulare Dia- Kleinzellig 9185/3 Low grade zentral 9187/3 gnostik an einer Re-Biopsie sinn- Sekundär 9184/3 voll. Durch weitere Untersuchun- Parostal 9192/3 gen kann hier oft eine Sekundär- Periostal 9193/3 High grade oberflächlich 9194/3 mutation als Ursache nachgewie- sen werden. Fibrogene Tumoren Desmoplastisches Fibrom des 8823/1 Knochens Fibrosarkom des Knochens 8810/3 Ein neues Feld prädiktiver Biomar- Riesenzelltumoren Riesenzelltumor des Knochens 9250/1 ker eröffnet sich im Zusammen- Maligner Riesenzelltumor 9250/3 hang mit immunonkologischen Notochordale Chordom 9370/3 Therapien. Hier wird derzeit er- Tumoren Malignes Chordom forscht, ob auch bei Sarkomen die Vaskuläre Tumoren Epitheloides Hämangioendotheliom 9133/3 PD-L1-Expression oder die Tumor- Angiosarkom 9120/3 mutationslast (tumor mutational Myogene Tumoren Leiomyosarkom 8890/3 burden, TMB) ein Therapieanspre- Lipogene Tumoren Liposarkom des Knochens 8850/3 chen auf eine Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren vor- Sonstige Tumoren Ewing-Sarkom/PNET 9364/3 Adamantinom 9261/3 hersagen können. Undifferenziertes high-grade 8830/3 pleomorphes Sarkom Zusammenfassung Tab. 2: Aktuelle WHO-Klassifikation der Knochentumoren, basierend auf der aktuellen Die Diagnostik mesenchymaler Lä- WHO-Klassifikation (modif. nach [1]). sionen ist schwierig, weil reaktive Veränderungen, gutartige Tumo- ren und Sarkome histologisch ähn- Tumorentität Genetische Fusionsgen/ lich erscheinen können. Zudem Aberration Amplifikation/ gibt es zahlreiche seltene Subty- Deletion pen, die morphologisch schwer ab- Ewing-Sarkom (ES) t(11;22)(q24;q12) EWS1R-FLI1 t(21;22)(q22;q12) EWS1R-ERG grenzbar sind, aber zudem auch t(7;22)(p22;q12) EWS1R-ETV1 intratumoral heterogen sein kön- t(17;22)(q12;q12) EWS1R-E1AF t(2;22)(q33;q12) EWS1R-FEV nen. Neben high grade Tumoren t(16;21)(p11;q22 FUS-ERG können auch hochdifferenzierte Klarzellensarkom (CCS) t(12;22)(q13;q12) EWS1R-ATF1 Sarkome und mesenchymale Neo- t(2;22)(q33;q12) EWS1R-CREB1 plasien mit intermediärer Dignität Desmoplastisch klein-rundzelliger t(11;22)(p13;q12) EWS1R-WT1 (z. B. solitärer fibröser Tumor oder Tumor (DSRCT) Desmoidfibromatose) eine erhebli- Extraskelettales myxoides Chondrosar- t(9;22)(q22;q12) EWS1R-NR4A3 kom (EMCS) t(9;17)(q22;q11) TAF15-NR4A3 che Morbidität verursachen. Dieser t(3;9)(q12;q22) TFG-NR4A3 diagnostischen Komplexität steht t(9;17)(q22;q11) TCF12-NR4A3 gegenüber, dass die pathologische Tab. 3: Übersicht häufiger genetischer Aberrationen in mesenchymalen Tumoren Diagnose die Grundlage aller The- (modif. nach [2]). rapieentscheidungen ist, an einer ONKOLOGIE heute 4/2019
SCHWERPUNKT: SARKOME 15 Tumorentität Genetische Fusionsgen/ fahrung mit modernen molekular- Aberration Amplifikation/ pathologischen und immunhisto- Deletion chemischen Methoden, um klini- Myxoides Liposarkom (MLS) t(12;16)(q13;p11) FUS-DDIT3 sche Fragestellungen zu beantwor- t(12;22)(q13;q12) EWS1R-DDIT3 ten. Dabei werden neben der Tu- Solitärer fibröser Tumor (SFT) der(12)(q13-15) STAT6 Hämangioperizytom t(12;12)(q13;q13) NAB2-STAT6 morgenetik zunehmend auch prä- Angiomatoides fibröses Histiozytom t(12;16)(q13;p11) FUS-ATF1 diktive Biomarker für die Therapie- (AFH) t(2;22)(q33;q12) EWS1R-CREB1 planung adressiert. t(12;22)(q13;q12) EWS1R-ATF1 Alveoläres Rhabdomyosarkom (ARMS) t(2;13)(q35;q14) PAX3-FOXO1A Schlüsselwörter: t(1;13)(p36;q14) PAX7-FOXO1A t(2;2)(p23;q36) PAX3-NCOA1 Diagnostik – mesenchymale Tu- t(X;2)(q13;q36) PAX3-FOXO4 moren – Molekularpathologie – Synovialsarkom (SS) t(X;18)(p11;q11) SS18-SSX1 Immunhistochemie – prädiktive t(X;18)(p11;q11) SS18-SSX2 t(X;18)(p11;q11) SS18-SSX4 Biomarker t(X;20)(p11;q13) SS18L1-SSX1 Kongenitales Fibrosarkom (CGFS) t(12;15)(p13;q25) ETV6-NTRK3 Niedrig malignes fibromyxoides t(7;16)(q33-34;p11) FUS-CREB3L2 Literatur: Sarkom (LGFS) t(11;16)(p11;p11) FUS-CREB3L1 1. https://www.onkozert.de/organ/ sarkom/ (zuletzt eingesehen am 1. Inflammatorischer myofibroblastischer t(2p23) ALK mit diversen April 2019) Tumor (IMFT) Fusionspartnern 2. Schmitz K, Schildhaus HU. Molecu- t(6q22) ROS1 t(5q33) PDGFRβ lar pathology of soft tissue tumors: Contribution to diagnosis and the- Hochdifferenziertes Liposarkom 12q14-q15 Amplifikation von rapy prediction. Pathologe 2015 (WDLS)/atypischer lipomatöser Tumor Ringchromosom MDM2 Mar; 36(2): 126–36 (ALT) Riesenchromosom CDK4 Dedifferenziertes Liposarkom (DDLS) HMGA2 GLI-SAS Spindelzelllipom 13q14.1-q14.2 RB-Deletion Hochdifferenziertes Spindelzell Korrespondenzadresse: liposarkom Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Endometriales Stromasarkom (ESS) t(7;17)(p15;q21) JAZF1-JJAZ1 Schildhaus t(10;17)(q23;p13) YWHAE-FAM22 Institut für Pathologie Universitätsklinikum Essen Myxoinflammatorisches fibro t(1;10)(p22;q24) Deregulation von blastisches Sarkom (MIFS) Ringchromosom FGF8 Hufelandstraße 55 und NPM3 45147 Essen Amplifikation von Tel.: +49 (0) 201 723 3344 VGLL3 hans-ulrich.schildhaus@uk-essen.de Alveoläres Weichteilsarkom (ASPS) t(X;17)(p11;q25) ASPSCR1-TFE3 Epithelioides Hämangioendotheliom t(1;3)(p36;q25) WWTR1- CAMTA1 (EHE) t(11; X)(q13; p11) YAP1-TFE3 Dermatofibrosarcoma protuberans t(17;22)(q22;q13) COL1A1-PDGFB (DFSP) der(22)t(17;22) Ringchromosom Prof. Dr. Tab. 3: Fortsetzung Hans-Ulrich Schildhaus präoperativen Biopsie, am Operati- sierten Situation. Referenzpatho- onspräparat oder in der metasta- logie verbindet diagnostische Er- 4/2019 ONKOLOGIE heute
SCHWERPUNKT: SARKOME 21 Herausforderungen bei retroperitonealen oder viszeralen Sarkomen und Metastasen im Bauchraum Moritz Kaths, Tamas Benkö, Jürgen Treckmann Vor 2.000 Jahren schrieb Horaz in seiner Ars poetica „Zum zehntenmal wiederholt, wird es gefallen“. Wiederholung und häufige Übung sind auch die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Chirurgie, wes- halb eine Spezialisierung auf bestimmte operative Eingriffe als völlig selbstverständlich vorausgesetzt wird. Der Nachweis der operativen Erfahrung wird daher bei der Zertifizierung von Krebszentren von jedem Operateur eingefordert. Jeder Patient wünscht sich, dass sein Chirurg seine Entscheidungen und Eingriffe evidenz- und erfahrungsbasiert fällt. Hier sind Patienten mit intraabdominellen Sarkomen bislang strukturell im Nachteil – ohne dass jemand etwas dafür kann. Sarkome weisen eine Inzidenz von 3–4 pro 100.000 Einwohner auf und nur 20 % treten im Bereich des Bauchraums auf [1]. Ohne spe- zialisierte chirurgische Behandlungseinheiten ist es wenig überraschend, dass die operativen Behand- lungszahlen für den einzelnen Operateur auch in großen Kliniken meist nur einstellig sind. Dabei spielt in keiner anatomischen Region die Qualität der Operation eine derart überragende Rolle für das Über- leben – für retroperitoneale Sarkome ist die Prognose ganz wesentlich von den Lokalrezidiven ge- prägt. Etwa 70 % aller Todesfälle sind durch Lokalrezidive geprägt [2]. Die neue Zertifizierungsinitia- tive der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) versucht hier die Spezialisierung in der Viszeralchirurgie zu stärken und fordert (moderate) Mindest-Eingriffe. Retroperitoneale Sarkome – Chirurgische Herausforderungen bzw. weniger anspruchsvoll ist (ge- es gibt sehr viel zu gewinnen retroperitonealer und viszeraler ringere Sicherheitsabstände, keine durch versierte Chirurgie Sarkome Lymphadenektomie). Bei Letzteren Kürzlich wurde eine amerikanische Intraabdominelle Sarkome können besteht eher das Risiko einer chirur- Analyse über den Einfluss des Pa- eine Vielzahl von anatomischen gischen Übertherapie. tienten-Volumens in Krankenhäu- Strukturen betreffen, die bei Karzi- sern anhand der Verläufe von 5.340 nomen nicht oder viel seltener be- Retroperitoneale Sarkome entste- Patienten auf das Outcome von Pati- troffen sind. Hier können eigentlich hen häufig im Bereich der großen enten mit retroperitonealen Sarko- nur (gut resektable) gastrointesti- retroperitonealen (V. cava, Aorta) men publiziert. Hier konnte ein- nale Tumoren (GIST) von Magen und oder großen viszeralen Gefäße drücklich eine hoch signifikante Ver- Dünndarm ausgenommen werden, (Truncus coeliacus, A. mesenterica minderung der 90-Tages-Mortalität für die das operative Verfahren häu- superior). Radikale Resektionen (p = 0,02), ein verringertes Risiko po- fig dem für Karzinome gleicht, bzw. können bei Letzteren schnell einen sitiver Resektionsränder (p = 0,001) in aller Regel sogar weniger invasiv Verlust der enteralen Resoprtions- und ein signifikant verbessertes Ge- samtüberleben (OS) (p = 0,002) ge- zeigt werden [4]. Bemerkenswerter- weise war in dieser Arbeit die Schwelle für das Erreichen eines high-volume Zentrums die Operati- on von 10 Patienten im Jahr – eigent- lich genau das, was Horaz schon vor- schwebte. Auch in den USA werden nur 5 % aller Patienten in high-volu- me Zentren behandelt. Die Zentrali- sierung von Operationen dieser we- Abb. 1: 28-jähriger männlicher Patient: (A) Embryonales Sarkom der Leber, bereits in nigen Patienten könnte hier mehr „palliativer“ Chemotherapie; (B) 3 Monate postoperativ, nach Resektion der Segmente 2, 3, 4, 5, 7, 8 und des Lebervenensterns. Drainage der Restleber über Segment 6 Vene. als jede Chemotherapie erreichen. 4/2019 ONKOLOGIE heute
22 SCHWERPUNKT: SARKOME strecke bedeuten. Hinzu kommt bei Tumoren im Becken nicht selten eine Infiltration von Nervenstruktu- ren vor. Hier müssen vor den Eingrif- fen auch präoperative Therapiever- fahren erwogen werden (Strahlen- therapie und/oder Chemotherapie; zudem ggf. interdisziplinäre [ggf. gefäß-] chirurgische Eingriffe). Ge- rade Chemotherapie-empfindliche Sarkome weisen teilweise drama- Abb. 2: 41-jährige Patientin mit intraabdominalem Leiomyosarkom und R0-Resektion mit V. cava-Ersatz. tische Tumorschrumpfungen auf (Ewing-Sarkome, Synovialsarkome, undifferenzierte Pleomorphe Sar- kome, Rhabdomyosarkome). Die Wahrscheinlichkeit eine R0- Resektion zu erzielen ist bei Primär- diagnose bei 80 %, sinkt aber mit jedem Rezidiv deutlich (1. Rezidiv: 57 %, 2. Rezidiv: 33 %, 3. Rezidiv 14 %) [3]. Für eine maximale Kura- tionschance sollte daher primär ein radikaler Eingriff erfolgen. Abb. 3: 44-jähriger Patient mit ausgedehntem Liposarkom rechts retroperitoneal, 15 kg R0-Resektion. Hier sollten in jedem Fall eine prä- operative Biopsie und auch die prä- operative interdisziplinäre Bespre- 18 Monaten gegenüber 103 Mo- gehen typischerweise fordert typi- chung des Therapiekonzeptes nach naten für Patienten, die eine kom- scherweise eine Nephrektomie, He- Vorliegen der Histologie erfolgen. plette Resektion (complete gross mikolektomie, partielle Psoasresekti- Lediglich bei hochsymptomatischen, resection) erhalten haben [1]. on, Splenektomie und ggf. auch eine homogen lipomatösen Tumoren distale Pankreatektomie [5–6]. An- kann der Verzicht auf eine Biopsie Viele Zentren streben allerdings ders als im Bereich der Extremitäten erwogen werden. nicht nur die makroskopisch kom- macht eine radi-kale Nachresektion plette Resektion sondern eine echte keinen Sinn – die Chance für Radika- Vor Durchführung einer Resektion R0-Resektion an – in Analogie zu Ex- lität muss primär ergriffen werden. muss eine qualitativ hochwertige tremitätensarkomen. Hierbei wird Schnittbildgebung erfolgen, um das eine en-bloc-Resektion angestrebt, Interdisziplinäre Konzepte Ausmaß der Erkrankung abschät- bei der ebenfalls eine intakte Schicht bei GIST zen zu können. Immer wieder fin- gesunden Gewebes um den gesam- Aus chirurgischer Sicht haben wir in den sich präoperative CT-Aufnah- ten Tumor herum gefordert wird [7]. den letzten Jahren mit großer Be- men, die die vollständige Ausdeh- wunderung die Fortschritte bei der nung von Tumoren nicht erfassen. Während im Bereich der Extremi- medikamentösen Therapie von GIST Das Risiko inkompletter Resektion täten ein Sicherheitsabstand von verfolgt. Insbesondere lokal fortge- steigt dadurch offensichtlich. 1–2 cm meist ohne signifikante Mor- schrittene Tumoren, große Tumo- bidität gelingt, ist dies retroperito- ren mit Infiltrationen von Nachbar- Die Prognose von Patienten, bei de- neal meist nicht möglich. Eine kom- organen, Primarius im Bereich des nen nur eine R2-Resektion erfolgt, partimentale Resektion – obwohl Duodenums, aber auch Tumoren im ist praktisch vergleichbar mit der kein echtes Kompartment mit z. B. Bereich des Rektums, lassen sich von Patienten, die gar nicht ope- einer zelldichten Faszie umschlossen durch eine Vorbehandlung mit Ima- riert werden konnten. Makrosko- – umfasst die Resektion des Raumes, tinib (bei empfindlichen Subgrup- pisch inkomplette Resektionen er- der vom viszeralen Peritoneum be- pen) sehr viel sicherer operieren. zielen ein medianes Überleben von grenzt wird. Dieses radikale Vor- Vor dem Hintergrund der guten ONKOLOGIE heute 4/2019
SCHWERPUNKT: SARKOME 23 Verträglichkeit von Imatinib geben Zusammenfassung wir der Vorbehandlung mit Ima- tinib im Zweifelsfall den Vorzug – Retroperitoenale und viszerale Sarkome sind seltene Erkrankungen, Hinweise für eine Erhöhung der für die eine deutliche Abhängigkeit der Behandlungsergebnisse von OP-Morbidität durch die Vorbe- der Gesamterfahrung des chirurgischen Teams und des Zentrums be- handlung haben wir nicht [9]. steht. Chirurgische Expertise ist notwendig zum einen für die Einschät- zung der notwendigen Radikalität bei retroperitonealen Sarkomen Prospektive Daten für den Stellen- und GIST, zum anderen zur Durchführung von multiviszeralen Resek- wert einer Operation von Metasta- tionen mit gegebenenfalls Ersatz großer abdomineller Gefäße. Dies sen bei GIST existieren nicht. Eine und die Einordnung in multimodale Behandlungskonzepte in Zusam- randomisierte chirurgische Studie menarbeit mit Onkologie und Strahlentherapie nach im Regelfall der EORTC musste mangels Rekru- histologischer Sicherung sind essentiell, um dem Patienten ein funk- tierung eingestellt werden. Weder tionell und onkologisch bestmögliches Behandlungsergebnis zu er- Ärzte noch Patienten wollten bei ei- möglichen. nem so großen Eingriff einen Zu- fallsgenerator entscheiden lassen. Schlüsselwörter: Mehrere retrospektive Analysen le- Chirurgie – Sarkome – retroperitoneal – viszeral – Metastasierung – gen allerdings einen deutlichen Vor- Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) teil für das progressionsfreie Über- leben und auch das Langzeitüber- leben nahe, wenn Patienten zum Zeitpunkt des maximalen Therapie- M, Blazer D 3rd. Hospital Volume Korrespondenzadresse: Threshold for the Treatment of Ret- Prof. Dr. med. Jürgen Treckmann ansprechens makroskopisch kom- roperitoneal Sarcoma Anticancer Res Bereich viszerale und retroperitoneale plett reseziert werden könnten. Hier April 2019; 39(4): 2007–2014 Sarkome / GIST wurde eine hohe Zahl von Langzeit- 5. Bonvalot S, Miceli R, Berselli M, et al. Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Aggressive surgery in retroperitone- Transplantationschirurgie überleben beobachtet [10]. Radikale al soft tissue sarcoma carried out at Universitätsklinikum Essen Operationen bei schon eingetrete- high-volume centers is safe and is as- Hufelandstraße 55 ner Progression scheinen keinen sociated with improved local control. 45147 Essen Ann Surg Oncol 2010; 17: 1507–1514 juergen-walter.treckmann@uk- Vorteil für die Krankheitskontrolle 6. Bonvalot S, Raut CP, Pollock RE, et al. essen.de zu haben und sollten daher vermie- Technical considerations in surgery den werden. for retroperitoneal sarcomas: Positi- on paper from E-Surge, a master class in sarcoma surgery, and EORTC- Literatur: STBSG. Ann Surg Oncol 2012; 19: 1. Lewis JJ, Leung D, Woodruff JM, 2981–2991 Brennan MF. Retroperitoneal soft- 7. The importance of surgical margins tissue sarcoma: analysis of 500 pati- in retroperitoneal sarcoma. Kirane A, ents treated and followed at a single Crago AM. J Surg Oncol 2016 Mar; Prof. Dr. institution. Ann Surg 1998 Sep; 113(3): 270–6 Jürgen Treckmann 228(3): 355–65 8. Rutkowski P, Gronchi A, Hohenber- 2. Lahat G, Anaya DA, Wang X, Tuvin D, ger P, Bonvalot S, Schöffski P, et al. Lev D, Pollock RE. Resectable well- Neoadjuvant imatinib in locally ad- differentiated versus dedifferentia- vanced gastrointestinal stromal tu- ted liposarcomas: two different di- mors (GIST): the EORTC STBSG expe- seases possibly requiring different rience. Ann Surg Oncol 2013 Sep; treatment approaches. Ann Surg On- 20(9): 2937–43 col 2008 Jun; 15(6): 1585–93 9. Bauer S, Rutkowski P, Hohenberger 3. Lewis JJ1, Leung D, Woodruff JM, P, Miceli R, Fumagalli E, et al. Long- Brennan MF. Retroperitoneal soft- term follow-up of patients with GIST tissue sarcoma: analysis of 500 pati- undergoing metastasectomy in the ents treated and followed at a single era of imatinib – analysis of prognos- institution. Ann Surg 1998 Sep; tic factors (EORTC-STBSG collaborati- 228(3): 355–65 ve study). Eur J Surg Oncol 2014 Apr; 4. Adam MA, Moris D, Behren S, Nuss- 40(4): 412–9 baum D, Jawitz O, Turner M, Lidsky 4/2019 ONKOLOGIE heute
24 SCHWERPUNKT: SARKOME Neues zur Systemtherapie bei Sarkomen Sebastian Bauer, Rainer Hamacher, Karina Kostbade, Johanna Falkenhorst, Katja Kauertz, Uta Dirksen Sarkom ist der Oberbegriff unter dem eine biologisch außerordentlich heterogene Gruppe von Tumo- ren mit mesenchymaler und neuroektodermaler Differenzierung zusammengefasst wird. Mehr als 150 verschiedene Subgruppen werden in der aktuellen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation unterschieden, weshalb es bei einer kumulativen Inzidenz von 3–4 pro 100.000 Einwohner für eine Viel- zahl von Sarkomtypen keine prospektiven Daten gibt. Für lokalisierte Tumoren steht in aller Regel die Operation im Fokus der Therapie, wobei für die Indikationsstellung einer Systemtherapie dem Grading eine zentrale Rolle zukommt. Während low-grade Sarkome praktisch ausschließlich operiert werden, muss für Patienten mit high-grade Sarkomen immer auch die Indikation zur Strahlentherapie oder me- dikamentösen Therapie geprüft werden. Insbesondere in der metastasierten Situation ist die Kenntnis spezifischer, Histotyp-spezifischer Strategien und molekularer Marker eine immer wichtigere Voraus- setzung für die Beratung. Perioperative Chemotherapie sen worden, die ein geringes Rück- Ende der Diskussion ist jedoch nicht bei Weichgewebssarkomen – fallrisiko aufwiesen oder als Che- in Sicht − allein in Deutschland vari- endlich Konsens? motherapie unempfindlich galten. iert die Zahl verabreichter Chemo- Die Rolle der Chemotherapie gehört In den letzten zwei Jahren ist nun therapie-Zyklen zwischen 3 und 8. zu den meist diskutierten Themen wieder Bewegung in das Thema Eine Evidenz für die richtige Zyklus- bei der Behandlung von Weichge- gekommen. Eine neue prospektive zahl existiert bisher nicht. webssarkomen. Die verfügbaren Stu- Studie unter der Leitung der italieni- dienergebnisse sind heterogen und schen Sarkom-Studiengruppe zeigte Metastasierte Weichgewebs- bislang gibt es weltweit keine ein- einen signifikanten Überlebensvor- sarkome – das Ende der heitliche Empfehlung [1]. Kaum ein teil durch drei Zyklen einer neoad- Phase-III-Basket-Studien Übersichtsartikel zu dem Thema ist juvanten Therapie mit Doxorubicin Aufgrund der geringen Inzidenz von nicht mit einer Frage betitelt und und Ifosfamid gegenüber einer Sarkomen wurden im Stadium IV selbst innerhalb einzelner Länder Histotyp-spezifischen Chemothera- Therapiestudien seit jeher aus prag- werden von Zentrum zu Zentrum pie [6]. Parallel hat die Arbeitsgrup- matischen Gründen Histotyp-agnos- Indikationen diametral unterschied- pe aus Italien ein elektronisches Pro- tisch durchgeführt. Für klassische lich gestellt. Befürworter einer Che- gnose-Tool, den Sarculator, entwi- Chemotherapien war diese initial motherapie zitieren meist die klei- ckelt, der anhand der wichtigsten hilfreich, aber schon die letzten bei- nere randomisierte Studie der italie- Risikofaktoren das Rückfallrisiko für den Zulassungen auf dem Gebiet der nischen Studiengruppe, die schon Patienten mit Weichteilsarkomen an Sarkome (Trabectedin und Eribulin) vor fast 20 Jahren einen Überlebens- den Extremitäten sowie im Retro- wurden bei Randomisation gegen vorteil für Patienten impliziert hatte peritoneum über eine Handy-App einen Standard nur noch bei Lipo- [2, 3]. Eine größere Metaanalyse un- (www.sarculator.com) berechnet [7]. und Leiomyosarkomen evaluiert [9]. terstützt diese Hinweise und hat ei- Pasquali und Mitarbeiter verwende- nen 5-Jahres-Gesamtüberlebensvor- ten dieses Analyse-Tool für die Pa- Der Wachstumsfaktor Platelet-deri- teil von 11 % ergeben − für ein hin- tienten aus der (negativen) EORTC- ved growth factor (PDGF)-Rezeptor sichtlich Rückfallrisiko und Histotyp Studie 62931 und konnten zeigen, spielt eine wichtige Rolle für die Sig- unselektiertes Pateintenkollektiv [4]. dass sich doch ein Vorteil für eine nalwege mesenchymaler Zellen (inkl. Demgegenüber stand das Ergebnis Chemotherapie ableiten lässt für mesenchymaler Stammzellen) und der EORTC-Studie 62931 (kein Vor- Patienten mit einer Wahrscheinlich- eine aberrante Aktivierung des Re- teil für eine Chemotherapie), die in keit von unter 60 % für das Gesamt- zeptors wird mit der Modulation des vielen Zentren als Argument gegen überleben nach zehn Jahren. [8]. Tumormilieus sowie der Ausbildung eine Therapie angeführt wird [5]. von Metastasen in Verbindung ge- Allerdings war in dieser Studie die Diese Arbeiten stellen eine aus un- bracht [10]. Olaratumab, ein mono- Chemotherapie niedrig dosiert und serer Sicht hilfreiche Grundlage für klonaler Antikörper gegen den viele Patienten waren eingeschlos- die Beratung von Patienten dar. Ein PDGF-Rezeptor >, wies eine antitu- ONKOLOGIE heute 4/2019
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