Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal

Die Seite wird erstellt Thorben Rudolph
 
WEITER LESEN
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
Magazin der Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute

                                                   FRÜHJAHR / SOMMER 2022

    APFELWEINKULTUR

    Als Kulturerbe
    anerkannt
    STREUOBSTWIESEN

    Ein Zentrum
    für die Region
    ARTENSCHUTZ

    Blühende
    Landschaften
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
S O RTE N R E I N E     A P F E LW E I N E

Unsere Premium
  Apfelweine.

                      Jetzten
                      genieß
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
EDITORIAL                                     SEITE 3

                                                                                                  verband FrankfurtRheinMain, sich schon

 Das Engagement                                                                                   seit Jahren für dieses wichtige Kulturgut
                                                                                                  zu engagieren.
                                                                                                        Großartig ist auch, dass wir nun das

 der Aktiven und                                                                                  MainÄppelHaus Lohrberg konsequent
                                                                                                  zu einem regionalen Streuobstzentrum

 Ehrenamtlichen
                                                                                                  ausbauen werden. Denn wir wollen uns
                                                                                                  nicht mit dem bisher Erreichten zufrie-
                                                                                                  dengeben. Wir möchten, dass die vielen

ist immer wieder                                                                                  Streuobst-Aktivitäten, die es überall gibt,
                                                                                                  noch besser gebündelt und vernetzt wer-
                                                                                                  den – zum Nutzen aller Akteure in der

  beeindruckend.                                                                                  Region. Dafür ist es notwendig, dass das
                                                                                                  MainÄppelHaus bei seiner tollen und
                                                                                                  wichtigen Arbeit unterstützt wird. Im
                                                                                                  Rahmen unserer Möglichkeiten werden
                                                                                                  wir alles tun, damit dies auch passiert.
                                                                                                        Darüber hinaus gibt es viele weite-
                                                                                                  re Projekte, die in dieser Ausgabe vor-
                                                  Liebe Leserin,                                  gestellt werden und die mich doch sehr
                                                                                                  zuversichtlich stimmen. Überall werden
                                                  lieber Leser,                                   die Ärmel hochgekrempelt. Das Enga-
                                                                                                  gement der vielen Aktiven und Ehren-
                                                  es ist einfach großartig, dass die Apfel-       amtlichen ist dabei immer wieder beein-
                                                  weinkultur nun offiziell Immaterielles          druckend. Es ist schön zu sehen, was be-
                                                  Kulturerbe der UNESCO ist. Zu dieser            wegt werden kann, wenn viele mit-
                                                  Kultur – das zeigt diese Ausgabe des Ap-        machen. In diesem Sinne wünsche ich Ih-
                                                  felboten einmal mehr – gehört so viel:          nen einen schönen Frühling und Sommer.
                                                  Die Streuobstwiesen und der damit ver-
                                                  bundene Einsatz für Artenvielfalt in un-
                                                  serer Natur. Die Pflege der Bäume, die
                                                  Ernte und das Keltern. Aber nicht zu-
                                                  letzt auch der Genuss des guten Tröpf-
                                                  chens, samt der traditionellen Gebräu-
                                                  che und Feierlichkeiten. All das macht          Rouven Kötter
                                                  unsere Apfelweinkultur aus. Und all das         Erster Beigeordneter
                                                  sind gute Gründe für uns vom Regional-          Regionalverband FrankfurtRheinMain

04 Aktuelle Meldungen
08 Regionales
    Streuobstzentrum
09 Forschung zu Klimawandel
10 Blühfelder und                                                 Im Zeichen des Apfels
    Artenschutz                                                   Von Gießen im Norden bis Rödermark im Süden: In fünf Regionen
14 Interview mit Jörg Stier                                       Hessens haben Keltereien, Gastro-Betriebe, Direktvermarkter,
    im „Gerippten Museum“                                         Obst- und Gartenbauvereine, Naturschutzinitiativen, Baumschulen,
16 Naturpädagogik-Angebote                                        Obsthöfe, Museen sowie Städte und Gemeinden ihre Aktivitäten
18 Sanierungsprojekt                                              und Attraktionen zu „Regionalschleifen“ verbunden. Gemein-
20 Kolumne „Sauers Sicht“                                         sam bilden sie die hessische Apfelwein- und Obstwiesenroute.
21 Rezept: Apfelweintorte                         Unter diesem Label setzen sich rund 700 Partner für Naherholung, Naturschutz
22 Veranstaltungsübersicht                        und die Förderung der regionalen Wirtschaft ein. Ziel ist es, ein typisches Stück
28 Neues aus den Schleifen                        Hessen zu schützen und erlebbar zu machen: die Natur und Kultur des Apfels.
30 Das besondere Bild
    Impressum                                     Gießen, Main-Kinzig, Stadt und Kreis Offenbach, Wetterau sowie Main/Taunus

Fotos: Ralphs_Fotos/Pixabay (Titelbild); Regionalverband
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
SEITE 4                      MELDUNGEN

WÜRDIGUNG DURCH UNESCO                       Vor einigen Jahren stellte Barbara Völksen von der Agenda-
                                             Gruppe für Landschaftsschutz und Landschaftspflege in Friedrichs-

Wie sie leibt                                dorf hier im „Apfelboten“ eine kühne Idee vor: Auf ihren Impuls
                                             hin hatte eine regionale Trägergemeinschaft – von Streuobstinitiati-
                                             ven über Keltereien bis zum Apfelwein-Centrum Hessen (ACH) –

und lebt                                     die Aufnahme der handwerklichen Apfelweinkultur in das „Bundes-
                                             weite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes“ beantragt. Dort
                                             werden seit 2013 besonders schützenswerte Kulturformen aufge-
Ein Antrag „von hier“ machte es möglich:     nommen, seien es regionale Traditionen wie die schwäbisch-ale-
Die Apfelweinkultur ist in das Bundesweite   mannische Fastnacht oder die Passionsspiele Oberammergau, seien
Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes    es bundesweite wie das Märchenerzählen oder das Köhlerhand-
aufgenommen worden.                          werk. Das mehrstufige Verfahren ist komplex, erfordert Zeit und
                                             kostete die Beteiligten Nerven. Am 9. März dieses Jahres war es
                                             geschafft: Die UNESCO teilte mit, dass die handwerkliche Apfelwein-
                                             kultur nun offiziell zum Immateriellen Kulturerbe Deutschlands
                                             zählt. Ein riesiger Erfolg für Völksen und ihre Mitstreiter – und zu-
                                             gleich Ansporn. „Es geht ja nicht um ein museales Bewahren von
                                             etwas Vergangenem, sondern um die Pflege und Weitergabe einer
                                             gelebten Kultur. Das erfordert Engagement, auch von der Politik“,
                                             betont die Initiatorin. Ausdrücklich ist diese gelebte Kultur nicht
                                             auf die „Handwerkskunst“ des Kelterns beschränkt, sondern umfasst
                                             das komplette Spektrum: vom Genuss des Apfelweins bei Festen
                                             und in Apfelweinwirtschaften bis zur Streuobstwiesen und deren
                                             Bewirtschaftung. Denn ohne diese gibt es keine Früchte und auch
                                             keine Apfelweinkultur.

Foto: bear_productions/shutterstock.com
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
MELDUNGEN                                        SEITE 5

                                                                                TAG DER STREUOBSTWIESE

        Wertvoll und gesund                                                     Die Vielfalt feiern
                                                                                Die Idee kam 2021 in Österreich auf
                    3 Fragen an Steffen Kahl von der                            und breitet sich dieses Jahr auch in
               Landesgruppe Hessen des Pomologen-Vereins                        Deutschland und anderen Ländern aus:
                                                                                Am letzten Freitag im April findet
                                                                                international der Tag der Streuobst-
                                                                                wiese statt – in diesem Jahr am 29.
                                                                                April. „In ganz Europa feiern wir die
                                                                                Wiesen, das Obst, die Köstlichkeiten,
                                                                                die Vielfalt!“ heißt es auf der eigens
                                                                                eingerichteten Kampagnen-Webseite
                                                                                www.streuobstueberall.de. Noch
                                                                                konzentriert sich das Geschehen, das
                                                                                in Deutschland von dem Verein Hoch-
                                                                                stamm Deutschland organisiert wird,
                                                                                hierzulande auf Süddeutschland. Doch
                                                                                die Idee ist so gut, dass sie sich lang-
                                                                                sam auch in Hessen verbreitet. Eine
                                                                                Übersicht über geplante Aktionen und
   Was macht alte hessische Apfelsorten so erhaltenswert?                       damit auch Anregungen für eigene
   Neben der kulturhistorischen Bedeutung sind alte Sorten meist                Initiativen findet sich auf der Webseite.
   sehr robust und bieten ein breites Spektrum an Geschmackser-                 Und hier lassen sich auch kurzfristig
   lebnissen und Verarbeitungsmöglichkeiten. Hierbei spielen die                noch Veranstaltungen einstellen.
   als sekundäre Pflanzenstoffe bekannten Polyphenole eine
   wichtige Rolle. In einer vier Jahre dauernden Untersuchung von
   rund 50 Sorten aus ganz Hessen hat unsere Landesgruppe he-
   rausgefunden, dass die alten Sorten von heimischen Streuobst-
   wiesen drei- bis viermal so viele wertgebende Inhaltsstoffe                                      WEISHEIT
   besitzen wie handelsübliche Apfelsorten. Sie sind also auch ge-
   sünder – und für „Apfelallergiker“ meist verträglicher.

   Was tut die Landesgruppe, um alte Sorten zu erhalten?
   Auf Apfeltagen, Kelterfesten und Sortenausstellungen präsentie-                 Die beste Zeit, einen
   ren wir die genetische Vielfalt an alten Obstsorten. Und jedes Jahr
   – aktuell zum 20. Mal – rücken wir durch die Kür der „Hessischen               Baum zu pflanzen, war
   Lokalsorte des Jahres“ eine Sorte besonders in den Fokus. Einige
   Sorten konnten so vor dem Aussterben bewahrt werden. Da-
   neben unterstützen wir die Pflege von Altbeständen, schnei-
                                                                                   vor zwanzig Jahren.
   den Edelreiser für die Anzucht und werben für deren Erhalt.                     Die nächstbeste Zeit
   Zur Lokalsorte 2022 wurde der Friedberger Bohnapfel gekürt.
   Was ist das für ein Apfel?
                                                                                         ist jetzt.
   Die Sorte wurde früh als „Massenträger für Mostzwecke“ emp-
   fohlen: Ertrag und Saftausbeute sind hoch. In Hessen ist sie vor
   allem in der Wetterau, dem Taunus und dem nördlichen Oden-
   wald verbreitet. Es ist eine der vitalsten Streuobstsorten für die           Woher diese Weisheit stammt? Mal wird
   Saft- und Apfelweinherstellung.                                              es als chinesisches, mal als ugandisches
                                                                                Sprichwort bezeichnet. Und immer wieder
   Mehr Infos unter www.pomologen-verein.de. Für Neupflanzungen ist der         wird es auch einem russischen Adligen aus
   „Friedberger Bohnapfel“ in den Baumschulen Rinn in Gießen und Köhler         dem 18. Jahrhundert in den Mund gelegt.
   Pflanzen in Bruchköbel zu beziehen.                                          Vielleicht ist es einfach um die Welt gereist.
                                                                                Denn wahr ist es hier wie dort.

Foto: Privat
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
SEITE 6                     MELDUNGEN

WISSENSWERTES

Apfel-Allerlei

Pestizidbelastung. Von allen Anbaukul-
turen in Deutschland ist der Apfelbau
der Pestizid-intensivste: Die Bäume
werden im konventionellen Erwerbsan-
bau zwischen 20 bis 30 Mal pro Saison
gespritzt. Der „Behandlungsindex“ liegt
damit deutlich höher als beim Weinbau
und zum Beispiel 14 Mal so hoch wie
beim Mais. So steht es im „Pestizidatlas
2022“, u. a. von der Heinrich-Böll-Stiftung
und dem BUND herausgegeben. Die
gute Nachricht: Auf der Streuobstwiese
werden keine Pestizide eingesetzt.

Grün, gelb und rot. Was gibt dem Apfel
die Farbe? Unreif sind alle Äpfel grün.
Das liegt am Farbstoff Chlorophyll,
dank dem die Früchte Zucker und somit
Energie herstellen. Beim Heranreifen                                           WETTBEWERB
wird das Chlorophyll langsam abgebaut
und andere Farbstoffe treten hervor:
Gelb werden sie durch Carotin. In roten
Äpfeln werden Anthocyane gebildet.
                                                Neues Jahr, neue Chance
Diese Farbstoffe können Schäden durch               Der Regionalverband FrankfurtRheinMain zeichnet wieder
Sonneneinstrahlung vorbeugen. Je                     vorbildliche „Streuobstkommunen“ aus. Jetzt bewerben!
stärker eine Stelle der Sonne ausgesetzt
ist, umso röter wird sie. Die meisten         Im vergangenen Jahr hat der Regionalverband FrankfurtRheinMain
Apfelsorten enthalten eine Mischung           erstmals den Wettbewerb unter seinen Mitgliedskommunen
von allen drei Farbstoffen.                   ausgelobt: Die Auszeichnungen „Streuobstkommune des Jahres“
                                              honorieren vorbildliches Engagement zum Schutz dieser Kultur-
Apfelblüte. Wenn die Apfelbäume               landschaften. Und weil dieser Impuls auf viel Resonanz gestoßen ist
blühen, beginnt der Vollfrühling. Wann        und die Preisträger-Kommunen 2021 Langen, Maintal und Reichels-
aber blüht es wo und wie verändert            heim (siehe Seite 28) keineswegs die einzigen auszeichnungswür-
sich der Blühverlauf in Deutschland? All      digen gewesen sind, können sich Kommunen aus dem Verbands-
das dokumentiert die Redaktion Wissen         gebiet auch in diesem Jahr wieder bewerben.
des SWR, indem sie Daten sammelt                   Die Auszeichnung gibt einer Kommune die Möglichkeit,
bzw. sammeln lässt. Tatsächlich kann          öffentlichkeitswirksam ihr Engagement für den Erhalt dieser die
jede und jeder die Apfelblüte vor der         Region prägenden und ökologisch wertvollen Kulturlandschaft
eigenen Haustür melden. Wie das               darzustellen. Neben einer Urkunde bekommen die Gewinnerkom-
geht, erklärt die Website www.swr.de/         munen als Anerkennung Besuch von der mobilen Kelterei des
wissen/apfelbluete. Dort werden auch          MainÄppelHauses und einen Gutschein für eine kostenlose Fortbil-
die Ergebnisse seit 2006 gezeigt und          dung beim Streuobstexperten Josef Weimer.
die Entfaltung der Apfelblüte anschau-
lich erklärt. Und wer ganz nah dran           Kommunen können eine formlose Bewerbung an den regionalen Streuobst-
sein will, kann sogar den „Apfelblüten-       beauftragten Bastian Sauer (E-Mail: sauer@region-frankfurt.de) senden, in der
Liveticker 2022“ verfolgen.                   sie begründen, warum sie „Streuobstkommune des Jahres 2022“ sein sollten.

Foto: Berthold Werkmann
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
MELDUNGEN

                               WIESENVIELFALT                                      APFELWEINMESSE

      Mehr Wildobst wagen                                                          Zurück auf
          Eine neue Broschüre stellt 26 Arten ausführlich vor,
                                                                                   der Bühne
               darunter echtes „heimisches Superfood“.                             Nach der Pandemie-Pause ist die Cider
                                                                                   World wieder ein echter Treffpunkt.

                                                                                   Vom 3. bis 12. Juni 2022 wird Frankfurt
                                                                                   zum Nabel der großen weiten Apfel-
                                                                                   weinwelt. Dann nämlich findet die
                                                                                   internationale Leitmesse zu allem rund
                                                                                   um Apfelwein, Cider, Cidre, Most, Sidra
                                                                                   & Co statt. Die Expo – der Marktplatz
                                                                                   des Ganzen – wird am 11. Juni wieder
                                                                                   im Gesellschaftshaus des Palmengarten
                                                                                   stattfinden. Erwartet werden mehr als
                                                                                   80 Aussteller aus 15 Ländern, als Gast-
                                                                                   land ist Norwegen dabei, eine der jüng-
                                                                                   sten Cider-Regionen der Welt. Unter
                                                                                   prächtigen Kronleuchtern hat ab 13 Uhr
                                                                                   das Fachpublikum Gelegenheit für Ver-
                                                                                   kostungen und Gespräche. Ab 15 Uhr
                                                                                   ist die Expo dann für alle Besucher ge-
                                                                                   öffnet. Zudem können Interessierte die
                                                                                   internationale Welt des Apfelweins
                                                                                   den ganzen Tag lang vor dem Gesell-
                                                                                   schaftshaus im Rahmen des Cider World
                                                                                   Markets kennenlernen. An dem Wett-
                                                                                   bewerb Cider World Awards nehmen
Von Els- und Maulbeere über Mispel und Felsenbirne (im Bild oben)                  neben internationalen Herstellern auch
bis zu diversen Wildäpfeln: Überall in den hessischen Landschaften                 wieder hessische Keltereien teil. Die be-
wachsen wilde oder züchterisch wenig bearbeitete Obstarten. Bis                    gehrten Auszeichnungen in sieben Kate-
vor wenigen Jahrzehnten wurden vor allem die schmackhaften                         gorien – von „Cider still“ bis „Brandy“
Arten in Bauerngärten und Feldrainen kultiviert, gerieten danach                   – werden am 10. Juni um 12 Uhr in der
aber mehr und mehr in Vergessenheit. Doch es gibt sie noch. Wie                    Astor Film Lounge MyZeil verliehen.
man die Sorten erkennt, welche Standorte sie mögen und was man                     Und flankiert wird das Ganze durch Ver-
mit ihren Früchten alles machen kann – hierüber informiert eine                    kostungen und Events, die vom 3. bis
vom Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis herausgegebene                      12. Juni in Locations in Frankfurt statt-
Broschüre in 26 ausführlichen Artenporträts samt Pflegehinweisen.                  finden (siehe Seite 24).
Zudem werden Bezugsquellen genannt. Denn die Broschüre will
nicht nur dazu befähigen, wilde Sorten in der Landschaft zu ent-                   www.cider-world.de
decken und wertzuschätzen. Sie soll auch zur Anpflanzung auf
Streuobstwiesen ermuntern, schließlich trägt das „Urobst“ zur
ökologischen Vielfalt bei. Zudem ist es kulinarisch interessant:
Viele Fruchtsorten sind schmackhaft und gelten als „heimisches
Superfood“. Hinzu kommt: Die Gehölze sind pflegeleichter und
robuster als gezüchtete Kulturobstbäume. Auch angesichts des Klima-
wandels hat es Wildobst verdient, wiederentdeckt zu werden.

Die Broschüre „WildOBST … mehr Vielfalt auf Streuobstwiesen“ wurde vom
Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis herausgegeben und kann auch
dort angefordert werden – per E-Mail an info@lpv-mkk.de oder unter T 06059
906688. Für Eilige: Unter www.lpv-mkk.de kann man sie auch herunterladen.

Fotos: Lopatin Anton/shutterstock.com
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
SEITE 8                        THEMEN

NEUE KOOPERATION

Volle Schubkraft
 Es ist ein wegweisender Schritt: Dank der Unterstützung durch den Regional-
 verband wird das MainÄppelHaus Lohrberg zum Regionalen Streuobstzentrum.
­Davon soll die gesamte Verbandskulisse profitieren.

Am Tisch besiegeln Rouven Kötter vom Regionalverband (re.) und der Vorsitzende des MainÄppelHauses Gerhard Weinrich die Vereinbarung. Mit
dabei sind auch dessen Stellvertreter Peter Selig (3. v. re.), der Regionale Streuobstbeauftragte Bastian Sauer (3. v. li.) und Mitarbeitende des MÄH.

Das auf dem Lohrberg im Frankfurter                 schen Kulturlandschaft beitragen“, er-              initiativen Keltereien oder Kommunen
Nordosten gelegene MainÄppelHaus                    klärt der Erste Beigeordnete Rouven                 – noch besser miteinander zu vernetzen.
hat sich zur über die Stadtgrenzen hin-             Kötter die dauerhafte Kooperation.                  Daneben soll zum Beispiel die Vermark-
aus bekannten Informations- und Be-                 „Und hierbei ist das MainÄppelHaus mit              tung von Streuobstprodukten gestärkt
gegnungsstätte rund um das Thema                    seiner Erfahrung und Anerkennung der                und das Angebot an Streuobst-Schulun-
Streuobst entwickelt. Die Aktivitäten               ideale Partner.“                                    gen für Zielgruppen mit unterschiedli-
des „MÄH“ – von Veranstaltungen, Kur-                     Zu diesem Zweck unterstützt der               chen Wissensständen ausgebaut werden.
sen, Festen für Groß und Klein über die             Regionalverband das MainÄppelHaus                         Die Förderung durch den Regional-
Pflege des Naturerlebnisgartens bis zu              jährlich mit 20.000 Euro. Im Gegenzug               verband ermöglicht vieles. Dauerhaft
zahlreichen Landschaftsprojekten – sind             nimmt dieses eigenverantwortlich koor-              wird sie aber nicht reichen. Daher setzen
schon jetzt vielfältig. Nun bekommt das             dinierende und impulsgebende Aufga-                 beide Projektpartner darauf, dass mittel-
Ganze aber zusätzlichen Schub: Unter-               ben war. Dessen Vorsitzender Gerhard                fristig das Land Hessen einsteigen wird –
stützt und beauftragt vom Regionalver-              Weinrich betont: „Das Regionale Streu-              zum Wohle des Lebensraums Streuobst-
band FrankfurtRheinMain wird das Main-              obstzentrum wird allen Akteuren der                 wiese und der regionalen Apfelkultur.
ÄppelHaus Lohrberg zum „Regionalen                  Region von Nutzen sein.“ So liegt denn
Streuobstzentrum“ für die Region Süd-               auch eine der wichtigsten Aufgaben da-
hessen weiterentwickelt. „Wir wollen                rin, die verschiedenen Akteure – seien es           Mehr Infos unter www.streuobst-frm.de
noch stärker zum Schutz unserer heimi-              Streuobstwiesenliebhaber, Naturschutz-              und www.mainaeppelhauslohrberg.de

Foto: Regionalverband/Michael Schmidt
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
THEMEN                                     SEITE 9

FORSCHUNGSPROJEKT                                                                              forschung zwar für die Bäume im Wald
                                                                                               seit einiger Zeit betrieben werde, nicht

Neue Ideen für                                                                                 jedoch für die Bäume auf der Streuobst-
                                                                                               wiese. Und noch etwas anderes nahm
                                                                                               Helling aus dem Gespräch mit: „Uns

gesunde Bäume                                                                                  wurde deutlich gemacht, dass es nicht
                                                                                               ausreicht, nur auf alte, vermeintlich
                                                                                               widerstandskräftigere Sorten zu setzen.“
Der Klimawandel setzt auch Apfelbäumen zu. Nun wird erforscht, ob eine                              Der Landschaftspflegeverband fass-
andere Pflanzmethode die Bäume widerstandsfähiger machen kann.                                 te den Beschluss, selbst nach Lösungen
                                                                                               zu suchen. Und dank einer Förderung
Die Auswirkungen des Klimawandels               obstwiesen mit steigenden Temperatu-           des Bundeslandwirtschaftsministeriums
auf Streuobstwiesen ist für viele mit den       ren und abnehmendem Niederschlag               gab es nun auch die finanziellen Mittel,
drei Hitzesommern 2018, 2019 und 2020           unter „großen Klimastress“, so Helling.        um das Forschungsprojekt zu starten.
zum Thema geworden. Nicht so für                „Dabei geht es nicht nur um den Som-           Die Idee: Vielleicht wären junge Bäume
Barbara Helling. Denn die Geschäftsfüh-         mer. Wenn die Bäume im Frühling aus-           widerstandsfähiger, wenn man die tra-
rerin des Landschaftspflegeverbands             treiben und dann – wie in diesem Jahr          ditionell übliche Pflanzmethode ändern
„Main-Taunus Naturlandschaft und                schon wieder – der Regen ausbleibt, ist        würde, bei der Bäume gepflanzt wer-
Streuobst“ und Mitgründerin der ersten          das mindestens genauso schlimm.“               den, die zuvor in der Baumschule vere-
Apfelwein- und Obstwiesenroute hat                   Während sich ältere Bäume mit             delt wurden. Deshalb pflanzte man im
schon seit dem Jahrhundertsommer                dem Klimawandel häufig noch einiger-           vergangenen Herbst in einem kleinen
2003 den Eindruck, dass mit den Bäu-            maßen arrangieren, gehen Jungbäume             Feldversuch versuchsweise lediglich die
men etwas nicht mehr stimmt. So traten          unter diesen Bedingungen reihenweise           Unterlagen, also das Wurzelwerk mit ei-
vermehrt Krankheiten auf, und auch              ein. Was also tun? Auch ein vom Land-          nem Stück Stamm. Die Veredelung, also
Schädlinge setzten ihnen in vorher un-          schaftspflegeverband organisiertes Ex-         die Verbindung mit einem Trieb der ge-
gekannter Zahl zu. Gerade in der                pertengespräch brachte keine Lösung –          wünschten Apfelsorte, erfolgte ein hal-
Rhein-Main-Region geraten die Streu-            nur die Erkenntnis, dass Klimafolgen-          bes Jahr später direkt auf der Streuobst-
                                                                                               wiese. „Wir versprechen uns davon, dass
                                                                                               sich die Bäume ganz anders mit dem
                                                                                               Standort verbinden“, erklärt Helling.
                                                                                               Schließlich habe ein Baum in der Baum-
                                                                                               schule paradiesische Verhältnisse – Was-
                                                                                               ser, Dünger, angenehme Temperaturen
                                                                                               – und würde dann im „richtigen Leben“
                                                                                               oft einen Pflanzschock erfahren.
                                                                                                    Wie es sich für einen Feldversuch
                                                                                               gehört, werden natürlich noch andere
                                                                                               Dinge untersucht. So wurden die insge-
                                                                                               samt 107 „Babybäume“ (Helling) an
                                                                                               zehn Standorten mit möglichst unter-
                                                                                               schiedlicher Bodenbeschaffenheit ge-
                                                                                               pflanzt. Zudem wurden verschiedene
                                                                                               Pflanzmethoden und Arten der Boden-
                                                                                               verbesserung ausprobiert, um zu sehen,
                                                                                               was am Ende den Unterschied macht.
                                                                                               Wissenschaftlich begleitet wird das Pro-
                                                                                               jekt von jungen Agrarwissenschaftlern
                                                                                               des Unternehmens „Triebwerk“ aus
                                                                                               Witzenhausen. Der Abschlussbericht soll
                                                                                               im Herbst kommenden Jahres vorliegen.
                                                                                               „Ob wir das Problem mit der neuen
                                                                                               Pflanzmethode in den Griff bekommen,
                                                                                               weiß ich nicht“, sagt Barbara Helling,
Bei einem Forschungsprojekt im Main-Taunus-Kreis werden noch unveredelte Unterlagen            „aber es ist wenigstens ein Versuch –
gepflanzt. Das soll die Bäume robuster und widerstandfähiger machen.                           viel mehr Optionen haben wir nicht.“

Foto: Streuobst-MTK
Als Kulturerbe anerkannt Ein Zentrum für die Region - Klima-Energie-Portal
SEITE 10                 STORY

                                 BIODIVERSITÄT

                           Blühende
                         Landschaften

Foto: Dieter H. Maisch
STORY                        SEITE 11

Der Begriff „Streuobstwiese“ setzt sich nicht umsonst aus
„Streuobst“ und „Wiese“ zusammen. Denn genauso wichtig
wie die Obstbäume ist das, was darunter wächst – zumindest
für den Natur- und Artenschutz.

Die Menge der Früchte, die im vergangenen Jahr      Was also tun? Für Felix Heller war klar, dass man
an den Bäumen hing, war vergleichsweise mau.        vor der eigenen Haustür anfangen muss. 2020
Gerade die Apfelernte brach mancherorts im          handelte er mit dem städtischen Grünflächenamt
Vergleich zum Vorjahr um bis zu 75 Prozent ein.     einen Patenschaftsvertrag aus, um im Höchster
Schuld war diesmal nicht die Hitze, sondern der     Stadtpark eine Wildblumenwiese anlegen zu
späte Frost. Ein Ärgernis, gerade für Keltereien.   können. Seitdem kamen zwei Streuobstwiesen im
Anderen dagegen ist das eher egal: „Uns geht es     Naturschutzgebiet Schwanheimer Düne hinzu,
nicht vorrangig um die Ernte“, sagt Felix Heller.   sodass von den Vereinsmitgliedern heute rund
Selbstverständlich würden sie die Äpfel, Birnen     ein Hektar Land bewirtschaftet wird. „Die eine
und Pflaumen, die ihre beiden Streuobstwiesen       Wiese war mehr ein Brombeergestrüpp als eine
im Frankfurter Westen hervorbrächten, gerne         Obstwiese“, lacht Heller, der eigentlich Manager
„mitnehmen“. Auch das gemeinsame Keltern im         in einem Höchster Großkonzern ist. In einer ge-
vergangenen Herbst sei eine „große Show“ ge-        meinsamen Kraftanstrengung wurde aus dem
wesen. Trotzdem, betont der 1. Vorsitzende und      Grundstück wieder eine richtige Streuobstwiese.
Gründer des Vereins „Wildwiesen“, ist das           Diese besteht aber eben nicht nur aus den alten
Hauptziel der derzeit 30 Aktiven die Maximie-       Bäumen, sondern auch aus dem, was darunter
rung der Artenvielfalt und                                               wächst. „Wir wollen mög-
nicht die des Ertrags.                                                   lichst viel Artenvielfalt in der
      Angefangen hat alles                                               Flora“, sagt Heller, „die Ar-
mit den Graswüsten im
Höchster Stadtpark, erzählt
                                   Vielfalt in der                       tenvielfalt in der Fauna folgt
                                                                         dann ganz automatisch.“
Heller. Ein Ort, der für
Menschen geeignet ist, um
                                Flora bringt Vielfalt                    Denn gerade Wildblumen
                                                                         wie Hahnenfuß, Margerite,
in der Sonne zu liegen, zu
picknicken oder Federball
                                    in der Fauna                         Gewöhnlicher Hornklee oder
                                                                         Moschus-Malve sorgen für
zu spielen, aber eben ein                                                ein reichhaltiges Buffet für
trostloser Ort für alle ande-                                            Bienen und Insekten, die
ren Arten. Früher mag sich manch Zweibeiner         dann wiederum die Nahrungsgrundlage für Vö-
darüber gefreut haben, dass er die „Natur“ für      gel und kleinere Säugetiere sind.
sich allein hatte: Kein lästiges Krabbeln, Sum-          Ganz so einfach ist das Anlegen von arten-
men und eben vielleicht auch mal Piksen und         reichem und blühendem Lebensraum allerdings
Stechen. Heute hat sich jedoch herumgespro-         nicht. Wiesenblumen brauchen zum Beispiel
chen, dass es nicht nur problematisch ist, wenn     Licht. Doch selbst wenn die Bäume im ausrei-
Eisbären oder Orang-Utans vom Aussterben be-        chenden Abstand stehen, wächst auf vielen
droht sind, sondern auch, wenn es künftig kei-      Streuobstwiesen das Gras so stark, dass Blumen
ne Hirschkäfer und Aurorafalter oder gar Bie-       regelrecht überwuchert werden. Denn gerade
nen mehr gäbe. Dabei ist der Rückgang der           die dauerhaften Wildblumenarten bilden im ers-
Insekten schon jetzt dramatisch. Der Bestand        ten Jahr nur ein kleines Pflänzchen aus und sind
ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehn-         der Konkurrenz durch Gräser und Unkräuter
ten regelrecht eingebrochen, je nach Studie         nicht gewachsen. Viele Wiesen sind zudem über-
um 60 bis 80 Prozent. Und die Situation spitzt      düngt und damit zu nährstoffreich für die Wild-
sich weiter zu. So sind laut neuesten Zahlen des    blumen, die es gerne „mager“ haben. Nährstoff-
Bundesamts für Naturschutz mehr als ein Vier-       haltige Böden entstehen nicht nur dadurch, dass
tel der neu bewerteten Insektenarten in ihrem       man selbst aktiv düngt. Zum einen rieseln mit
Bestand gefährdet.                                  Regen und Staub große Mengen Stickstoff aus
SEITE 12                   STORY

                                                                                     als er 2019 gemeinsam mit Freunden die „Blüh-
                                                                                     feld-Initiative Hirzbach“ gründete. Ihr Ziel ist der
                                                                                     Erhalt der Lebensräume für Bienen und Insekten
                                                                                     durch sogenannte Blühfeld-Patenschaften. Da-
                                                                                     für wurden auf ehemaligem Ackerland mehrere
                                                                                     Blumenwiesen mit einer Gesamtfläche von in-
                                                                                     zwischen rund fünf Hektar angelegt. Für 20 Euro
                                                                                     kann die Patenschaft über 20 Quadratmeter blü-
                                                                                     hendes Land erworben werden, die dann profes-
                                                                                     sionell von einem Landwirt bewirtschaftet wer-
                                                                                     den. Die Aussaaten sind so konzipiert, dass stets
                                                                                     ein gleichmäßiges Nahrungsangebot vorhanden
                                                                                     ist: Sobald eine frühe Pflanzenart abgeblüht ist,
                                                                                     treten andere Pflanzenarten an deren Stelle.
                                                                                     Und so findet man in den Blühfeldern auch nach
                                                                                     der Apfelblüte bis in den Frühherbst hinein noch
                                                                                     immer Bienen und Insekten.
                                                                                           Noch größer angelegt als die Blühfeld-Ini-
                                                                                     tiative ist das Projekt „Main.Kinzig.Blüht.Netz“
                                                                                     vom Main-Kinzig-Kreis und dem dazugehörigen
                                                                                     Landschaftspflegeverband – gefördert vom Bun-
                                                                                     desprogramm Biologische Vielfalt. Im Rahmen
                                                                                     des Projekts werden mindestens 500 Flächen in
                                                                                     insektenfreundliche Lebensräume umgewan-
                                                                                     delt. Darüber hinaus soll mehr Naturbewusstsein
                                                                                     sowie Akzeptanz für „wildere Flächen“ in der
                           In solchen Baumhöhlensimulationen der Bienenbotschafter   Bevölkerung aufgebaut und ehrenamtliche
                           leben die Honigsammlerinnen „wesengemäß“.                 „Blühbotschafterinnen und Blühbotschafter für
                                                                                     die Insektenvielfalt“ ausgebildet werden. Diese
                           Hausheizungen, Automotoren und Industriean-               sollen anschließend als Multiplikatoren und An-
                           lagen auf die Wiesen. Zum anderen werden die              sprechpersonen zum Thema biologische Vielfalt
                           Nährstoffe aus dem Mähgut wieder in den Bo-               vor Ort zur Verfügung stehen. Unter dem Motto
                           den eingetragen, sofern dieses nicht abtranspor-          „Insektenfreundlich, regional, naturnah!“ wird
                           tiert wird, sondern auf der Wiese verbleibt.              zudem am 11. und 12. Juni im Kurpark von Bad
                                 Wenn man eine Wiese nicht komplett neu              Soden-Salmünster ein großes Fest der biologi-
                           anlegen kann oder will, hat sich zudem bewährt,           schen Vielfalt veranstaltet. „Die Kernbotschaft
                           den Rasen zu „impfen“. Dabei wird der Rasen               der Festveranstaltung lautet: Arten-, Insekten-
                           punktuell entfernt, und die offenen Stellen wer-          und Naturschutz beginnt vor der eigenen Haus-
                           den anschließend mit einer Wildblumensaat be-             tür“, erläutert Projektleiterin Mascha Wiegand.
                           streut. Allerdings gilt es davor erst einmal,             „Denn jede und jeder kann einen Betrag leisten
                           Saatgut zu beschaffen, das zur Lage und Boden-            und muss dazu nur einige wenige Tipps beherzi-
                           beschaffenheiten passt. Blühmischungen aus                gen: im eigenen Garten insektenfreundliche,
                           dem Baumarkt mit bunten oder exotischen Blu-              heimische Gewächse pflanzen, ökologische Pfle-
                           men sind dafür denkbar ungeeignet. Sie beste-             gemaßnahmen beachten und auf Nachhaltigkeit
                           hen häufig aus nicht gebietsheimischen, exoti-            und Regionalität statt auf kurzlebige Garten-
                           schen Pflanzen oder zuweilen sogar sterilen               trends setzen.“
                           Zuchtsorten, die den Insekten kaum Nahrung                      Und wofür das alles? Die Bienenbotschafter
                           bieten. Regionale Saatguthersteller verkaufen             Antonio Gurliaccio und Moses M. Mrohs haben
                           dagegen häufig autochthone Samenmischun-                  darauf eine eindeutige Antwort, denn sie sind –
MEHR INFOS UNTER:          gen, die in hiesigen Naturräumen zuhause sind             wie sie sagen – im Auftrag ihrer Majestät unter-
www.wildwiesen.de          und daher hier auch besser keimen und wachsen.            wegs: der Bienenkönigin. Das Engagement der
www.bluehfeld.de                 Das wäre indes für einen anderen Verein             inzwischen als gemeinnützige GmbH organisier-
www.mainkinzig-            ein wenig praktikabler Weg gewesen. Denn der              ten Botschafter hat sich im Laufe der letzten
bluehtnetz.de              Landwirt Friedrich Bellgardt aus Hammersbach              fünf Jahre in der gesamten Region ausgebreitet:
www.bienenbotschafter.de   in der Wetterau hatte gleich Größeres im Sinn,            im Rapp’s Natur-Erlebnis-Garten in Karben, auf

Foto: BIENENBOTSCHAFT.DE/natural habeetat *tree®
STORY                    SEITE 13

der Streuobstwiese im Frankfurter Zoo und an
vielen Orten mehr. Überall stehen oder hängen
mittlerweile die sogenannten „natural habeetat
trees“ der Bienenbotschafter. Diese aufwändig
hergestellten Baumhöhlensimulationen unter-
scheiden sich von handelsüblichen Bienenstö-         Die „Goldenen Regeln“ für
cken darin, dass die Tiere in ihnen artgerecht
und wesensgemäß gehalten werden, erklärt
                                                     artenreiche Streuobstwiesen:
Botschafter Mrohs. Vor allem jedoch kommt
nicht ständig ein Imker vorbei, um den Honig zu      • Nur regionale Samenmischungen benutzen
„klauen“ und die Bienen anzutreiben, immer           • Obstbäume möglichst gar nicht, allenfalls
mehr von dem süßen Gold zu produzieren. Das            sparsam und nur unter der Kronentraufe
Ergebnis: weniger gestresste, gesündere und            düngen
weniger krankheitsanfällige Tiere.                   • Nicht zu früh mähen, je nach Standort im
     Hier schließt sich der Kreis zu Felix Heller      Juni/Juli
vom Verein „Wildwiesen“, bei dem nicht die           • Nicht zu oft mähen, je nach Standort ein- bis
Obsternte, sondern der Naturschutz und der Er-         dreimal pro Jahr mit Pausen von mindestens
halt der Biodiversität im Vordergrund steht.           anderthalb Monaten
Denn auch bei Gurliaccio und Mrohs dreht sich        • Abschnitts- bzw. parzellenweise unterschied-
nicht alles um den Honigertrag. „Auf Streuobst-        liche Mahdzeitpunkte wählen
wiesen gibt es so viele Bienenstöcke, weil durch     • Mähgut nicht auf der Wiese belassen,
die Bienen die Apfelblüten bestäubt werden,            sondern abräumen
eine klassische Win-Win-Situation“, erklärt Mrohs.   • Hochstämmige Bäume mit ausreichend
„Wir finden diese Win-Win-Situation auch super.        Abstand pflanzen und diese regelmäßig
Allerdings soll dabei die Biene gewinnen und           beschneiden.
nicht der Imker.“
RZ.REGIO_Anz_Apfelbote_2022_185x114_V1.qxp_Layout 1 14.03.22 12:32 Seite 1

   FOTO: STEFAN COP

    REGIONAL
    PARK                                               REGION
                                                             AL
    RHEINMAIN                                          PARK EN
                                                       TOURE
                                                        GUID

    FREIRAUM ZUM
    LOSLASSEN UND
    LOSLEGEN
    Planen Sie ihren nächsten Ausflug auf 550 km
    Regionalpark Routen mit unserem Tourenguide,
    unserer Homepage www.regionalpark-rheinmain.de
    und den kostenlosen Freizeitkarten.
    Jeder Ort hat etwas Besonderes – erleben Sie es selbst!
SEITE 14                  INTERVIEW

APFELWEINKULTUR                                                                           Für ein Glas Rotwein bezahlen die Leu-
                                                                                          te gerne sieben Euro. Wenn man drei

Regionalität,                                                                             Euro für einen guten Schoppen ver-
                                                                                          langt, wird man aus dem Dorf gejagt.
                                                                                          Es gibt also noch viel zu tun. Aber wir

die berührt                                                                               arbeiten daran.

                                                                                          Dazu passt die zweite Nachricht: In Ha-
                                                                                          nau ist mit dem „Gerippten Museum“
Für Keltermeister a.D. Jörg Stier haben sich                                              der lang ersehnte Raum für Apfelwein-
                                                                                          kultur fertiggestellt.
gleich zwei große Apfelwein-Wünsche erfüllt.                                              In der Tat! Die feierliche Eröffnung, den
                                                                                          Start der Veranstaltungen und Vermie-
Mit dem Verein Apfelwein-Centrum            Wie groß ist Ihrer Meinung nach denn          tungen haben wir wegen der Corona-
Hessen haben Sie sich für die Anerken-      der „Nachholbedarf“?                          Einschränkungen ins nächste Jahr ver-
nung der Apfelweinkultur als Immateri-      Wenn ich sehe, wie viele Streuobstwie-        schoben. Aber man kann das Museum
elles Kulturerbe eingesetzt (siehe S. 4).   sen nicht bewirtschaftet werden, dass         jetzt schon besuchen. In ihm wollen wir
Was bedeutet es für Sie, dass dies im       die Äpfel unter den Bäumen verfaulen          den Apfelwein als vielschichtiges Ge-
März tatsächlich geklappt hat?              und immer mehr Keltereien schließen,          tränk erlebbar machen. Auf jeder Obst-
Oh, das ist wunderbar und die Resonanz,     kann ich nur sagen: sehr groß. Die Pan-       wiese finden wir eine einzigartige
die wir erhalten, ist überwältigend. Man-   demie hat der Gastronomie und den             Auswahl hessischer Kelteräpfel. Die
che wollen laut gejubelt haben, als die     Keltereien zugesetzt. Aber das Prob-          Herstellungstraditionen unterscheiden
Nachricht im Radio kam. Wir hoffen sehr,    lem ist grundlegender. Trotz der wirk-        sich von Ort zu Ort, jeder Keltermeister
dass diese Würdigung durch die UNESCO       lich vielen positiven Ansätze hat der         pflegt im Ausbau Besonderheiten und
einen Beitrag dazu leistet, den Menschen    Äbbelwoi noch immer ein Imageprob-            hütet sein „Keltergeheimnis“. All das
der Region die Bedeutung der Apfel-         lem: Er gilt – völlig zu Unrecht – als ein-   trägt zu der großen Pracht an Ge-
weinkultur wieder näherzubringen.           faches Getränk für niedere Ansprüche.         schmackserlebnissen bei.

Fotos: Christian Sälzer
INTERVIEW                                           SEITE 15

In der Ausstellung werden an vielen          Bembel und Geripptes haben die
Stellen Unwahrheiten über den Apfel-         Zeit überdauert. Ein eigenes „Deckel-       JÖRG STIER
wein ausgeräumt. Warum?                      che“ hingegen haben nur noch echte          Den Betrieb der Familien-Kelterei Stier in
Das ist unser Einsatz gegen Fake News!       Enthusiasten.                               Maintal-Bischofsheim hat Jörg Stier inzwischen
Tatsächlich kursiert so einiges, was man     Das stimmt – leider. Unsere Ausstellung     an die Söhne übergeben. Da der Schoppen-
als rufschädigend für unser hessisches       zeigt, dass Deckel nie nur zweckmäßig       Pionier die Apfelweinkultur aber weiterhin im
Nationalgetränk ansehen kann. Da ist         waren, um Insekten oder Blattwerk im        Herzen und auf der Zunge trägt, engagiert
zum Beispiel die Mär, der Apfelwein          Freien oder die feuchte Aussprache des      er sich als Vorsitzender des Vereins Apfelwein-
habe sich hier nur deshalb durchgesetzt,     Nachbarn im Gedränge der Wirtschaft         Centrum Hessen, als Kurator im neuen Museum
weil die Reblaus den Weinanbau rui-          fernzuhalten. Deckel dienten immer          und als Moderator mit seinen Apfelwein-
niert hat. Das tut ihn als „Notalkohol“      auch der Zierde. Münzen, Medaillen          Geschichten bei Veranstaltungen in der Region.
ab. Die Reblaus-Plage schlug jedoch erst     oder aufwendige Schnitzereien auf der       www.kelterei-stier.de
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-       Oberseite repräsentierten den sozialen
derts richtig zu. Die ersten Frankfurter     Status und zeigen Gruppenzugehörig-         DER VEREIN
Großkeltereien wurden lange davor ge-        keiten an. Auf einem der Exponate ist       Die ehrenamtlichen Mitglieder des Apfelwein-
gründet, die Gebrüder Freyeisen zum          zum Beispiel ein Fisch abgebildet – sein    Centrum Hessen e.V. verstehen sich als Repräsen-
Beispiel 1817. Was stimmt ist, dass Ap-      Besitzer war ein „Sachsenhäuser Maa-        tanten einer bunten Apfelweinkultur. Um diese
felwein nie eine Angelegenheit elitärer      fischer“. Deckel waren Erbstücke und        zu fördern, unterstützt der Verein zahlreiche
Gruppen war. Während Weinbau an-             Prestigeobjekte. So, wie Leute heute        Projekte und betreibt das „Gerippte Museum“.
fangs nur von Klöstern und später auch       ihre Smartphones oder Autoschlüssel         www.apfelwein-centrum-hessen.de
von Fürsten betrieben wurde, hatten          auf den Tisch legen, kam damals eben
mit dem Obstanbau immer alle zu tun.         ein Deckelche aufs Glas.                    DAS MUSEUM
Apfelwein war stets das Getränk der                                                      Der Weg ins „Gerippte Museum“ führt durch
Menschen vor Ort und wurde „quer durch       Was kann das Wissen um solche Tradi-        das Geschäft „Main Genuss Laden“ im
die Bank“ getrunken – von den einfachen      tionen für die Zukunft der Apfelwein-       Heumarkt 6 in Hanau (Di bis Fr 11 bis 18 Uhr;
Leuten bis zu den Honoratioren.              kultur bewirken?                            Sa 10 bis 16 Uhr). Der Eintritt ist kostenfrei.
                                             Ich glaube, dass kleine Geschichten mit     Gefördert wird das Museum von dem Main-
Zum Klischee des Einfach-Derben passt        ihrer ganz eigenen Regionalität etwas       Kinzig-Kreis, der Stadt Hanau, dem Regional-
auch, dass Apfelweingläser angeblich         Intimes und Berührendes haben und da-       verband FrankfurtRheinMain, dem Verein
deshalb gerippt sind, damit sie griffiger    mit Heimat schenken können. Wir ha-         FrankfurtRheinMain, dem Verein Hessische
sind und den Trinkern nicht aus den fet-     ben hier den größten Bembel der Welt        Apfelwein- und Obstwiesenroute Regional-
tigen Fingern rutschen. Richtig?             stehen, weil unglaublich viele Menschen     schleife Main-Kinzig und einer Vielzahl weiterer
Auch das ist dummes Zeug. Die Rauten         ihren Teil dazu beigetragen haben. Das      Apfelweinfreunde: Firmen, Institutionen,
lösen ein Farbproblem. Helle Apfelwei-       zeigt, was möglich ist, wenn die Region     Vereine, Verbände und Einzelpersonen.
ne sehen nämlich im Wasserglas nicht         zusammenarbeitet. In den vergangenen        www.geripptes-museum.de
unbedingt schön aus. Im gerippten Glas       zwei Jahrzehnten haben sich viele Leute
lassen stete Lichtbrechungen ihn dann        mit neuen Ideen für unsere Apfelwein-
golden funkeln.                              kultur eingesetzt – Streuobstinitiativen,
                                             pfiffige Gastronomen und junge Kelter-
Der zentrale Raum der Ausstellung ist        meister. Das stimmt mich zuversichtlich.
komplett der hessischen „Trinkzeremo-        Und das Gerippte Museum soll Einhei-
nie“ gewidmet.                               mischen eine neue Sichtweise auf ihr
Ja, denn unsere „Dreifaltigkeit“ von         Nationalgetränk ermöglichen und Neu-
Bembel, Deckel und Geripptes ist tat-        bürger sowie Gäste die Apfelweinkultur
sächlich einzigartig, das gibt es nirgend-   als eine stete Einladung zum Mittun er-
wo sonst. Und jedes Element hat dabei        leben lassen. Wie hat ein großer Philo-
eine praktische und eine symbolische         soph einmal gesagt: „Wir müssen nur
Bedeutung. Der Bembel eignet sich zum        flexibel sein, dann trinkt die Welt auch
Beispiel wunderbar als Krug, weil Form       Apfelwein.“
und Material den Äbbelwoi optimal
temperieren. Er steht aber eben auch         Lassen Sie mich raten: Heinz Schenk?
für das Gesellig-Einladende der Apfel-       Nicht ganz. Es war der Urbayer Otti
weinkultur. Wie heißt es doch? Mit ei-       Fischer in einem U-Boot-Sketch von
nem Bembel auf dem Tisch ist noch nie-       Badesalz, gebabbelt in lupenreinem          Einst wahre Prestigeobjekte: Das Museum zeigt
mand lange alleine geblieben!                Hessisch.                                   viele historische „Deckelche“.
SEITE 16              THEMA

           UMWELTPÄDAGOGIK

           Mit allen Sinnen
           Auf der Streuobstwiese können Kinder vieles lernen – von
           natürlichem Geschmack über ökologische Vielfalt bis Natur-
           schutz. Eine Auswahl an Bildungsangeboten aus der Region.

           Frankfurt. Der außerschulische Bildungs-   Frankfurt. Am MainÄppelHaus Lohrberg sorgt ein sechsköpfiges
           träger „Umweltlernen in Frankfurt“         Team dafür, dass Kinder ab dem Vorschulalter am Beispiel der
           hat das Modul „Apfel erleben im Grün-      Streuobstwiese die Natur näher kennenlernen können. Mit man-
           Gürtel“ für Kindergruppen und Schul-       chen Angeboten kommen die ausgebildeten Umweltpädagogin-
           klassen von 4 bis 12 Jahren auf dem        nen in Kita und Schule, das meiste findet aber vor Ort statt. Beim
           Heiligenstock in seinem Programm. Ent-     Grundkurs „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ können Kinder-
           sprechende Arbeitsmaterialien stehen       gartengruppen, Schulklassen und Behindertengruppen an drei
           auch online zur Verfügung, sodass          Terminen das Biotop Streuobstwiese im Jahresverlauf mit allen
           Familien die Streuobstwiese auf eigene     Sinnen erkunden. Neben Exkursionen wie „Spurenlesen auf der
           Faust erforschen können.                   Streuobstwiese“ gibt es auch Kindergeburtstagsprogramme wie
           www.umweltlernen-frankfurt.de/natur        „Nisthilfenbau für Insekten“ oder im Herbst „Keltern“ und viele
                                                      weitere Naturerlebnisangebote.
                                                      www.mainaeppelhauslohrberg.de
THEMA                                     SEITE 17

Gießen. Ende letzten Jahres haben mehrere Heuchel-
heimer Grundschulklassen auf dem neuen Kinder-
und Jugendbauernhof Hardtgärten tatkräftig Obst-
baum-Hochstämme von der Baumschule Rinn ge-
pflanzt. Auf dem Gelände mit Obstbau, Bauerngar-
ten, Kleintierzucht, Imkerei und vielem mehr organi-
siert die IJB Gießen (Gesellschaft für Integration,
Jugend und Berufsbildung) zusammen mit Partnern
eine große Auswahl an Naturschutz- und Mit-
mach-Projekten auch für Kinder, Schulen und Kitas.
www.hardtgaerten.de                                                                        Wiesenpädagogik
                                                                                           Fragen an Britta Hirt, Leiterin des
                                                                                           „Bildungsteams Natur“ des MainÄppel-
                                                                                           Hauses Lohberg
Karben. Von Mai bis September sind
vor allem Kinder jeden Sonntag von 14                                                      Warum eignen sich Streuobstwiesen für
bis 17 Uhr eingeladen, mit fachkundi-                                                      Umweltpädagogik mit Kindern so gut?
ger Begleitung den Rapp’s Natur-Erleb-                                                     Die Wiese ist ein Freiraum und schafft
nis-Garten der Stadt Karben und der                                                        eine entspannte und aktive Lernatmo-
Rapp's Kelterei zu durchstreifen. Dieser                                                   sphäre. Die Kinder können herumren-
macht auf 4.000m² die Lebensräume                                                          nen und auch mal hinfallen. Das zweite
heimischer Pflanzen- und Tierarten                                                         ist: Obwohl man es nicht sofort sieht,
erlebbar. Zu den Höhepunkten zählen                                                        ist die Wiese voller Leben. Kinder sind
eine Vogelbeobachtungsstation, ein                                                         oft erstaunt, wie viele Pflanzen und
Wunderwelt-Teich und natürlich die                                                         Tierarten hier zuhause sind. Spielerisch
Streuobstwiese mit Nisthilfen.                                                             bringen wir sie dazu, sich der Natur
Karben, Brunnenstraße 2, Am Jugend-                                                        langsamer zu nähern und aufmerksam
Kultur-Zentrum Selzerbrunnenhof                                                            zu sein. Dann entdecken sie auch ge-
                                                                                           tarnte oder versteckte Insekten.

                                                                                           Welche Rolle spielt dabei das Obst?
                                                                                           Eine große. Manche Kinder sind zwar
                         Dreieich-Sprendlingen. Der Lehr- und Kräutergarten                erst einmal enttäuscht, dass an den
                         Dreieich in den Baierhansenwiesen, zu dem auch                    Bäumen keine Bananen oder Mangos
                         eine Streuobstwiese gehört, ist festes Ausflugsziel von           wachsen. Sie erleben dann aber, wie
                         Schulklassen und Kindergärten. Hinzu kommen an                    heimisches Obst schmeckt und wie
                         manchen Donnerstagnachmittagen Workshops für                      groß die Vielfalt jenseits des Supermarkt-
                         Kinder zu Themen wie Nistkastenbau, Naturapotheke                 angebots ist. Es geht auch darum, ein
                         oder Kräutersäckchen.                                             Gefühl für den Jahreszeitlauf zu ver-
                         www.kraeutergarten-dreieich.de                                    mitteln: Im Frühling können wir eben
                                                                                           keinen Apfelsaft keltern, im Herbst
                                                                                           schon. Das sensibilisiert für das Wachsen
                                                                                           und Reifen und macht deutlich, dass
                                                                                           Geduld und Sorgfalt zum Ziel führen.
                         Main-Kinzig. Nach Fertigstellung der neuen Schulungs-
                         räume bietet das BWMK (Behinderten-Werk Main-Kin-                 Sie vermitteln Umweltschutz indirekt?
                         zig e.V.) auf dem Hofgut Marjoß künftig auch Schul-               Nur was man kennt, kann man auch
                         klassen, Familien und Kindern vielfältige Möglichkei-             lieben und erhalten. Insofern sind erste
                         ten, Natur und Landwirtschaft zu erleben – und das                Kenntnisse von Tieren und Pflanzen ein
                         inklusiv „von allen für alle“. Bei Erlebnistagen und              Baustein für den nachhaltigen Schutz
                         Workshops auf dem Bio-Bauernhof können Erwachse-                  der Natur. Und auf der Streuobstwiese
                         ne und Kinder zum Beispiel Apfelsaft herstellen oder              entwickeln Kinder und Jugendliche
                         das Leben der Honig-Biene kennenlernen (siehe S. 24)              ein Gespür dafür, wie stark Mensch und
                         www.hofgut-marjoss.de                                             Natur zusammengehören.

Foto: Christian Sälzer
SEITE 18                     THEMA

Oberhalb von Hochstadt: Links blüht der Schlehdorn, rechts rauben Misteln dem Obstbaum die Lebenskraft.

BAUMSANIERUNG UND ENTBUSCHUNG                                            es auf den Punkt: „Streuobstwiesen sind zwar Natur pur, aber
                                                                         eben auch Kulturlandschaften, die gepflegt werden müssen.“

Umfassende                                                               Werden sie es nicht, ist es mit dem Obstanbau vorbei und sie
                                                                         verlieren ihre hohe ökologische Wertigkeit. Damit das nicht
                                                                         passiert, hat der Verband gemeinsam mit dem Arbeitskreis

Starthilfe                                                               Streuobst Maintal vor zwei Jahren das Großprojekt „Lebens-
                                                                         raum Streuobst Maintal“ gestartet. Es geht um nichts we-
                                                                         niger, als den vermutlich größten zusammenhängenden
Was im ausgedehnten Streuobstgürtel rund um Maintal                      Streuobstgürtel in ganz Hessen großflächig zu sanieren und
passiert, ist so nötig wie vorbildlich: Im großen Stil werden            wiederzubeleben.
verwilderte Flächen instand gesetzt und Pächter vermittelt.                   Der Start erfolgte im Jahr 2020 mit einer umfassenden
                                                                         Kartierung. „Wir haben 900 Flächen mit rund 6.300 Bäumen in
Es ist eine prächtige Kulisse: Vom Distelberg oberhalb von               Augenschein genommen und den Zustand dokumentiert“, er-
Maintal-Hochstadt aus schweift der Blick über eine weitläufi-            klärt Mascha Werth, die das Projekt leitet. Der Befund: Mehr
ge Streuobstlandschaft. Die Frankfurter Skyline im Westen                als die Hälfte der Altbäume war nicht gepflegt. Damit konnte
und die markanten Kühltürme des Kraftwerks in Großkrot-                  Phase 2 starten. Der Verband schrieb die Eigentümerinnen
zenburg im Osten wirken weit weg. Doch auch auf diesen le-               und Eigentümer der „Problemflächen“ an. Viele sind in einem
gendären Hochstädter Wiesen hat auf vielen Flächen jahre-                fortgeschrittenen Alter und schaffen es nicht mehr, sich um
lang der Wildwuchs dominiert: Junge Bäume sind vertrocknet,              die Pflege der Bäume zu kümmern. Also bot der LPV gleich
mittelalte Bäume „verstrubbelt“, alte Bäume abgestorben,                 zweierlei an: Sie konnten zustimmen, dass der Verband die
auf den Wiesen darunter haben Schlehen- und Brombee-                     Wiese saniert; und sie konnten einwilligen, dass der LPV neue
ren-Dickichte das Kommando übernommen. Mascha Werth                      Pächter sucht. Der Rücklauf war hoch und die Zustimmung
vom Landschaftspflegeverband (LPV) Main-Kinzig-Kreis bringt              ebenso: 160 Flächen wurden zur Sanierung freigegeben.

Foto: Christian Sälzer
THEMA   SEITE 19

                                     Auf den Maintaler Wiesen
                                   finden sich viele Steinkauz- und
                                 Gartenrotschwanzbruten.

Um diese auf drei Jahre angelegte Mammutaufgabe in An-
griff nehmen zu können, beantragte der LPV Fördergelder.
Und tatsächlich wurden aus dem vom Bund-Länder-Programm
„Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“,
kurz GAK, 380.000 Euro bewilligt. Seit Anfang dieses Jahres
wird nun „Hand angelegt“. Zwei Fachfirmen beseitigten zu-
nächst den Wildwuchs auf den Wiesen und in 300 Bäumen
oberhalb von Hochstadt und Bischofsheim. Im nächsten Win-
ter geht es in Hochstadt-West und Bischofsheim-Nord weiter.
Parallel wird noch ein Problem angegangen: Unzählige Bäu-
me sind von Misteln befallen. Auch diese Halbschmarotzer
werden im Zuge der Sanierung entfernt. Und im Herbst ste-
hen Neupflanzungen von hochstämmigen Obstbäumen auf
dem Programm.
      Mit der Aktion ermöglicht der Verband einen Neuan-
fang. Die Mühe wert ist das allerdings nur, wenn die Flächen
künftig bewirtschaftet werden. Glücklicherweise haben allein
die Anfragen einige Eigentümer dazu gebracht, die Wiesen
innerhalb der Familie an die nächste Generation zu überge-
ben. Und für vakante Grundstücke sucht der Verband neue
Pächter – nicht zuletzt mit engagierter Presse- und Öffentlich-
keitsarbeit. Das Ganze zeigt Wirkung, und auch jüngere Leu-
te melden sich. „Erst kürzlich haben wir mit einer Gruppe In-
teressierter eine Ortbegehung gemacht“, erzählt Werth.
„Man sollte allerdings wissen, dass eine Streuobstwiese etwas
anderes ist als ein Garten. Man darf zum Beispiel keine Beete
anlegen oder die Parzelle einzäunen.“
      Dank der Vermittlung durch den Verband stehen hier
und da nun auch Neulinge auf „ihrer“ Streuobstwiese. Damit
sie ebenfalls wissen, wie man Bäume schneidet oder pflanzt
und mit dem Unterwuchs umgeht, haben Werth und eine Kol-
legin die Modulreihe „Streuobst für Einsteiger:innen“ gestar-
tet. Dabei geht es auch um Naturschutzthemen. „Wir erklären
zum Beispiel, dass man absterbende Bäume und Totholz auf
der Wiese belassen soll, weil sie vielen Tierarten Nahrung und
Lebensraum bieten.“ Wo nötig und machbar, leistet der Ver-
band auch Unterstützung bei der Bewirtschaftung. So stellt er
Kontakte zu Schäfern für die Beweidung der Wiesen her. Und
er sucht nach Lösungen, um Pächter angesichts der zuneh-
menden Trockenheit beim Gießen zu unterstützen.
      Es ist ein Projekt mit Pilotcharakter. Warum sie und ihre
Kolleginnen das alles und immer wieder auch über Dienst-
schluss hinaus zu tun? Mascha Werth muss nicht lange überle-
gen: „Die Zeit drängt. Wir müssen es jetzt schaffen, die Wie-
sen in neue und kompetente Hände zu geben. Und es ist toll,
wenn es klappt, Menschen dafür zu begeistern.“

Mehr Infos unter www.lpv-mkk.de und www.streuobst-maintal.de

Foto: clarst5/shutterstock.com
SEITE 20                  KOLUMNE

                                      Sauers Sicht
                           Der Kulturerbe-Status von Streuobstwiese und
                                 Apfelweinkultur ist eine Chance.

Die Anerkennung ist da. Binnen weni-        se eingeführt worden, der nun jedes         terstützung einzufordern. Das heißt
ger Monate sind Streuobstwiesen und         Jahr am letzten Freitag im April zele-      konkret: Die Fördermöglichkeiten von
Apfelweinkultur in die „Bundesweite         briert wird. In vielen Verbandskommu-       Streuobstprojekten müssen bekannter
Liste des Immateriellen Kulturerbes“        nen und Landkreisen ist das Thema           und vor allem unbürokratischer wer-
von Deutschland aufgenommen wor-            Streuobstwiese zuletzt wieder in den        den. Behörden sollten mit Augenmaß
den – und damit jene zwei Kulturen, die     Fokus gerückt. So haben der Wetterau-       agieren und die Streuobstpflege er-
in unserer Region immer schon zusam-        kreis und die Stadt Rosbach vor der         leichtern statt erschweren. Das Land
mengehören. Man könnte es so sagen:         Höhe – diese nach Befragung der Bürger-     Hessen könnte in die Unterstützung
In zwei Schritten hat die UNESCO unsere     schaft – jeweils Streuobstkonzepte erar-    des Regionalen Streuobstzentrums ein-
Hessische Apfelwein- und Obstwiesen-        beitet. In Groß-Gerau und Offenbach         steigen. Es gibt also viele Möglichkei-
route als Ganzes gewürdigt. Das kommt       werden Landschaftspflegeverbände ge-        ten, mit denen die Politik der Apfel-
zur rechten Zeit. Denn unsere Streuobst-    gründet. Mit der Förderung eines Regi-      wein- und Obstwiesenkultur helfen
wiesen leiden an Überalterung, Pflege-                                                  kann. „Leben“ kann sie sie allerdings
notstand und den Auswirkungen der                                                       nicht. Das müssen „wir“ tun: Als Streu-
Klimakrise. Auch die Apfelweinkultur                                                    obstwiesenbesitzer, indem wir unsere
leidet, vor allem weil zwei Jahre Pande-
mie Gaststätten und Keltereien zuge-
                                              Die Politik kann der                      Parzellen nicht sich selbst überlassen.
                                                                                        Als Pächter, indem wir uns schlau ma-
setzt haben. Natürlich bringt es mate-
riell niemandem etwas, immateriell
                                              Kutur helfen. „Leben”                     chen, was die Wiesen brauchen. Als Ak-
                                                                                        tive in Vereinen und Initiativen, indem
wertvoll zu sein. Es ist Symbolpolitik,
nicht mehr, aber – und das muss betont
                                                müssen wir sie.                         wir uns weiter engagieren und andere
                                                                                        dazu einladen. Als Kelterer und Gastro-
werden – eben auch nicht weniger. Denn                                                  nomen, indem wir Traditionen nicht
erstens haben die Streuobstwiese und                                                    nur bewahren, sondern auch erneuern.
die Apfelweinkultur bei der UNESCO          onalen Streuobstzentrums (siehe Seite 8)    Und wir als Konsumenten, indem wir
überzeugt, was keineswegs jedem An-         hat auch der Regionalverband Frank-         zum Beispiel im Hofladen heimische
trag gelingt. Zweitens sind die Titel       furtRheinMain sein Bekenntnis für diese     Äpfel kaufen oder in der Wirtschaft
auch eine Wertschätzung all derjeniger,     Kulturlandschaften noch einmal unter-       nebenan einen lokalen Apfelwein trin-
die diese Kultur(en) leben und pflegen      strichen. Und in Hanau ist mit dem Ge-      ken. Das tut gut und Gutes: Es hält un-
– und damit Ermutigung sowie Ansporn.       rippten Museum ein Raum für die heimi-      serer hessische Apfelwein- und Obst-
Drittens haben die Würdigungen Auf-         sche Apfelweinkultur eröffnet worden.       wiesenkultur lebendig.
merksamkeit erzeugt und Interesse ge-       All das sind Entwicklungen, die sich ge-
weckt. Das gilt es zu nutzen, zumal eini-   genseitig verstärken. Genau um diese        Bastian Sauer ist beim Regionalverband
ges in Bewegung ist.                        Dynamiken geht es.                          FrankfurtRheinMain als Regionaler Streuobst-
     Kurz nach der UNESCO-Auszeich-               Die Kulturerbe-Titel sind zusätzli-   beauftragter tätig. Ihre Meinung zum Thema?
nung 2021 ist der Tag der Streuobstwie-     che starke Argumente, um weitere Un-        Schreiben Sie an sauer@region-frankfurt.de
Sie können auch lesen