Hagel, Sturm, Dürre SPEZIAL - Ursachen und Folgen aktueller Wetterrisiken - VEREINIGTE HAGEL
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SPEZIAL Hagel, Sturm, Dürre Ursachen und Folgen aktueller Wetterrisiken Klimawandel Mit Unterstützung der Noch ist es fünf vor Zwölf Risikovorsorge Clever versichern
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Editorial Klimarisiken mutig anpacken D er Klimawandel ist da. Was Wissen Was also tun? Den Kopf in den Sand stecken schaftler schon lange vorhergesagt ha ist ebenso wenig eine Option, wie die Situati ben, war in diesem Jahr mehr als deut on verharmlosen. Ja, die Landwirtschaft trägt lich zu spüren. Die außergewöhnliche Dürre einen Teil zum Klimawandel bei. Sie ist daran hatte eine bis zu 30 % schlechtere Getreide aber nicht mehr oder weniger schuld als an ernte im Norden und Osten zur Folge, aber dere. Landwirte müssen jetzt den Ausstoß von auch unterdurchschnittliche Erträge bei Kar Klimagasen vermindern und ihren Umgang toffeln, Zuckerrüben und Mais. Am schlimms mit den Wetterrisiken überdenken. Dabei sind ten hat es jedoch die Futterbaubetriebe getrof Kreativität, neue Denkansätze aber auch Rück fen. Ihnen fehlt nicht nur das eigene Grund besinnung auf alte ackerbauliche Tugenden futter, sie müssen Ersatz auch noch teuer gefragt. Dazu gehören zum Beispiel boden zukaufen. Vielen Landwirten wird jetzt klar: schonende Anbausysteme, nachhaltige Hu Sie gehören zu den ersten, die das veränderte muswirtschaft oder vielfältige Fruchtfolgen. Klima direkt trifft – mit zum Teil existenzbe Eine allein auf höchste Naturalerträge ausge drohenden Folgen. legte Produktionsphilosophie ist unter den veränderten Bedingungen wie das Spekulie Torsten Wobser Dabei ist das erst der Anfang: Klar ist, die Erd ren an der Börse. Aber auch Finanz- und Na erwärmung geht weiter. Nach Angaben des turalrücklagen bzw. Versicherungen sind Teil Climate Service Center Germany (GERICS) in eines Gesamtpaketes zur Absicherung von Hamburg, wird sich zum Beispiel die Jahres Wetterrisiken. mitteltemperatur in Schleswig-Holstein bis zur Mitte des Jahrhunderts zwischen 1,3 und 19 von 28 EU-Mitgliedstaaten unterstützen ihre 2,0 °C erhöhen. Die Folgen sind bereits heute Landwirte beim Risikomanagement. Deutsch spürbar. Landwirte müssen sich mit Schädlin land macht von diesen Instrumenten zurzeit gen auseinandersetzen, die bisher nur in wär keinen Gebrauch. Grundsatz des Bundes war meren Ländern anzutreffen waren. Bestes Bei bisher: Zuerst ist es Aufgabe des Unterneh spiel sind Maiszünsler und Maiswurzelboh mers, sich ausreichend gegen Markt- aber auch rer. Auch machen sich Unkräuter auf den Wetterrisiken abzusichern. Äckern breit, die in der Vergangenheit keine Das mag für Hagel, Sturm und Starkregen zu Rolle gespielt haben. treffen, eine künftig wichtige Dürreversiche rung hingegen ist zurzeit ohne staatliche Un Neben den offensichtlichen Auswirkungen terstützung unrentabel. Statt von Fall zu Fall wie, Hagel, Sturm, Starkregenereignisse und mit Ad-hoc-Hilfen in die Bresche zu springen, Dürre, haben höhere Jahresdurchschnittstem wäre die berechenbare Förderung einer Versi peraturen auch versteckte, aber nicht weniger cherungslösung sinnvoller. dramatische Folgen. Die Anzahl tropischer Nächte, also solcher mit Temperaturen von 20 °C oder darüber, könnte zum Beispiel deut lich zunehmen. Darunter leiden nicht nur die Menschen, auch die Leistungen von Rindern, Schweinen und Geflügel sowie die Erträge von Weizen, Mais, Kartoffeln und anderen Feld früchten würden zurückgehen. 3
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre Foto: Koning 16 Was leistet eine Mehrgefahrenversicherung? Klimawandel 6 „Noch ist es fünf vor zwölf“ 21 Waldschäden mit Versicherung 8 Mit neuen Pflanzen gegen ausgleichen den Klimawandel 23 Risikovorsorge: Das kann der 10 „Wir sind mittendrin“ Staat tun 14 Es gibt keine Zeit zu verlieren Pflanzenbau Risikovorsorge 25 Ackerbau für Extremwetterlagen rüsten 16 Mehrgefahrenversicherung: Was sie kostet, was sie leistet 29 Schädlinge profitieren 18 Schäden häufen sich 30 Mehr Rost, weniger Septoria 19 „Ein Restrisiko bleibt immer“ 31 Stechapfel breitet sich aus 20 Nicht nach Bauchgefühl 33 Die Züchtung ist gefordert 4
Foto: Neumann Foto: Wobser 6 Interview mit Sven Plöger Anbau ohne Beregnung? 8 Foto: Klingenhagen Foto: Awater-Esper 29 Neue Herausforderungen im Pflanzenschutz Ein Restrisiko bleibt 19 Impressum Redaktion Internet: www.wochenblatt.com, Verlag Torsten Wobser (verantwortlich) www.topagrar.com Landwirtschaftsverlag GmbH Armin Asbrand, Hinrich Neumann, E-Mail: redaktion@wochenblatt.com Hülsebrockstraße 2–8 Josef Große Enking, Katja Stückemann, 48165 Münster Kevin Schlotmann, Martin Borgmann, Layout Stefanie Awater-Esper Nina Mennemann, Susanne Wilbuer Druck Ein Gemeinschaftsprodukt der Zeit- Titelbild Bonifatius GmbH schriften Wochen blatt für Landwirt- Bernd/stock.adobe.com Karl-Schurz-Str. 26 schaft und Landleben, top agrar und 33100 Paderborn top agrar südplus. Publisher Wolfgang Gamigliano Hülsebrockstraße 2–8 48165 Münster Leiter Vertriebsmanagement Tel. (0 25 01) 801-84 10 Paul Pankoke 5
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre „Noch ist es fünf vor zwölf“ Es bleiben höchstens 20 Jahre Zeit, etwas gegen den Klimawandel zu tun, meint Sven Plöger. Deshalb müssen wir sofort damit beginnen. Landwirte spüren die Auswirkungen von Extrem- Plöger: Zunächst einmal zum Verständnis: Wet- wetter zuerst. Im vergangenen Jahr hatten sie mit ter ist sozusagen das Tagesgeschäft, Klima da- einem sehr nassen Herbst und in diesem mit gegen die Statistik des Wetters. In dieser Statis- einem außergewöhnlich trockenen Sommer zu tik betrachten wir einen Zeitraum von 30 Jah- kämpfen. Wird das künftig eher die Regel als die ren. Was wir da feststellen können, ist ein Ausnahme? deutlicher Trend zur Erwärmung, und zwar global wie auch lokal. Plöger: Wetter ist immer variabel, deshalb bin Ein Beispiel macht das deutlich: Seit 22 Jahren ich in diesem Zusammenhang mit dem Begriff hat es in den Monaten April bis Juni keine ne- „regelmäßig“ vorsichtig. Es wird auch wieder gativen Temperaturabweichungen mehr vom weniger extremes Wetter geben. Aber ja, unser 30-jährigen Durchschnittswert (1961 – 1990) Wettergeschehen wird sich ändern. Wir müs- gegeben. sen definitiv davon ausgehen, dass sich heiße und trockene Jahre wie 2018, aber auch solche Wie ordnen Sie das aktuelle Jahr ein? Foto: Wobser mit viel Niederschlag wie 2017, häufen. Plöger: 2018 war sicherlich außergewöhnlich Was ist meteorologisch betrachtet die Ursache für und eine Überbestätigung des Trends. Geht es Wetterexperte diese Entwicklung? um Wetter und Klima, dürfen wir nicht den Sven Plöger Fehler machen und nur auf unser unmittelba- Plöger: Aus meiner Sicht liegt der Schlüssel für res Umfeld bzw. nur die Temperaturentwick- die Erklärung im arktischen Eis. Am Äquator lung schauen. Vielmehr geht es um die Ener- ist es heiß, am Pol kalt. Jetzt erleben wir, dass giebilanz des gesamten Erdsystems. es am Pol deutlich wärmer wird. Das arktische Eis zieht sich zurück und sehr viel Sonnenener- Können Sie das erklären? „Wir müssen gie, die sonst gleich wieder reflektiert wurde, heizt die hohen nördlichen Breiten weiter auf – Plöger: Nehmen wir unsere Ozeane. Die Erde davon ausgehen, der Temperaturunterschied zwischen Äquator ist zu gut 70 % mit Wasser bedeckt. Es gab Zei- dass sich trockene und Pol nimmt ab. ten, da hat die Erwärmung der Atmosphäre „Pause gemacht“. Schnell kam die Frage auf: Jahre wie 2018 Was bedeutet das für unsere Breiten? Gibt es womöglich keinen Klimawandel? Tat- oder nasse wie sache ist aber, in dieser Zeit haben sich die Oze- Plöger: Die Energieunterschiede zwischen Nord ane stark aufgeheizt und den Temperaturan- 2017 häufen.“ und Süd sind der Antrieb für das Wetter. Wer- stieg in der Atmosphäre abgepuffert. Geben die den sie kleiner, fehlt der Antrieb und Hoch- wie Ozeane ihre Wärme wieder an unsere Lufthül- auch Tiefdruckgebiete ziehen langsamer. Die- le ab, „springen“ die Temperaturen dort quasi ses „Standwetter“, wie ich es nenne, tritt jetzt nach oben, so wie wir es gerade erleben. häufiger auf und es bringt Extremwetterlagen. Dieses Jahr war mit den regenreichen, langsam Worauf steuern wir zu, ist das 2-°C-Ziel noch ziehenden Tiefdruckgebieten im Frühjahr bzw. realistisch? den sehr ortsfesten Hochdruckgebieten und großer Hitze im Sommer ein perfektes Beispiel Plöger: Grundsätzlich ist das 2-°C-Ziel sinnvoll, dafür. Vielen Menschen fällt es schwer, zu ver- weil überhaupt ein Ziel da sein muss, an das stehen: Hitze und Hochwasser sind zwei Seiten man Maßnahmen knüpfen kann. Nun wissen einer Medaille. wir aber alle, es gibt einen wesentlichen Unter- schied zwischen Reden und Handeln. 1992 gab Ist das, was Sie beschreiben, schon Klimawandel es in Rio de Janeiro zur ersten großen weltwei- oder noch Wetter? ten Umweltkonferenz eine große Aufbruch- 6
Die Zeit läuft: Der bleme mit der Wärmeabfuhr. Auch Ge- Sommer 2018 hat bäude sind zum Teil so aufgestellt, Foto: wiw/stock.adobe.com gezeigt, welche dass die Lüftung nicht oder schlecht Auswirkungen eine funktioniert. fortschreitende Dort brauchen wir viel mehr Flächen- Temperaturerhöhung begrünung und Wasserflächen, um zu der Atmosphäre einer vernünftigen Luftzirkulation und haben kann. Abkühlung durch Verdunstung zu kommen. Oder schauen wir auf den Meeresspie- stimmung. Doch trotzdem hat sich der Plöger: Eine aufgeheizte Atmosphäre gel, wenn der nur um wenige Zentime- CO2-Ausstoß seitdem um 60 % erhöht. kann sehr labil geschichtet sein, spezi- ter ansteigt, wird das Auswirkungen an Gleichwohl halte ich es für wichtig, zu ell, wenn sich ein Hoch langsam ab- den norddeutschen Küstengebieten ha- sagen: Wir haben fünf vor zwölf und schwächt und wir eine sogenannte fla- ben. Denn beispielsweise Sturmfluten nicht schon fünf nach zwölf. Denn che Luftdruckverteilung um 1010 Hek- verstärken den eigentlich geringen wenn wir jetzt schon den Untergang topascal oder darunter erleben. Das Wert um ein Vielfaches. Dann stellt vorhersagen, gibt es keine Motivation begünstigt das Entstehen von Gewit- sich durchaus die Frage: Sind die Dei- mehr, etwas dagegen zu tun. Damit we- tern. Wir werden also auf der einen Sei- che noch hoch genug? cken wir bei den Menschen kein Inter- te große Hitze erleben, auf der anderen esse zu kämpfen. Seite aber auch schwere Gewitter, die Wie wirkt sich diese Veränderung auf die lokal unglaubliche Regenmengen brin- Pflanzenwelt aus? Wie viel Zeit haben wir denn noch, um gen können – zum Teil sogar mit Über- etwas zu ändern? flutungsgefahr mitten in großflächigen Plöger: Wenn wir uns den phänologi- Dürreperioden. Diese Hitzegewitter schen Kalender ansehen, wird deut- Plöger: Um das 2-°C-Ziel weltweit ein- sind extrem kleinräumig, weil sie oft lich, die Vegetation startet in den ver- zuhalten, dürfen wir nicht mehr als kaum weiterziehen und all ihr Regen gangenen Jahren etwa zwei Wochen 720 Mrd. t CO2 emittieren. Da wir ge- so an derselben Stelle niedergeht. früher als nach dem langjährigen Mittel genwärtig etwa 36 Mrd. t jährlich pro- von 1961–1990. Damit nimmt aber duzieren, bleiben rechnerisch 20 Jahre Ist dieser Effekt statistisch nachweisbar auch die Spätfrostgefahr zu. Gleichzei- Zeit. Das ist für mich die Idee. Wir ha- oder nur gefühlt? tig sind bisher heimische Pflanzen ben 20 Jahre, um Dinge, die nicht rich- nicht an längere Hitzeperioden ange- tig laufen, zu korrigieren. Plöger: Normal würde man sagen, die passt oder bisher unbekannte Schäd- Ich weiß nicht, ob wir das Ziel errei- Variabilität des Wetters nimmt zu. linge können sich ausbreiten. chen, ich weiß aber, dass wir jetzt an- Wenn man sich jedoch die Statistik an- fangen müssen, um wenigstens die sieht, zeigt sich diese Zunahme nicht. Was ist Ihre Empfehlung, wie sollen wir Chance dazu zu haben. Warum ist das so? Ganz einfach: Die mit dem Klimawandel umgehen? Zunahme der Variabilität geht durch Sie haben selbst darauf hingewiesen, das Mitteln der Niederschläge über die Plöger: Zunächst muss allen klar sein, dass der CO2-Ausstoß seit dem ersten Gesamtfläche eines Landes verloren. dass jeder seinen Teil zum Klimawan- Klimaabkommen weiter angestiegen ist. Wenn ich beispielsweise Nordrhein- del beiträgt. Die nächste Überlegung Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass Westfalen nehme und habe sieben Ge- wäre dann: Was können wir ändern? sich das ändert? witter mit Starkregen, verschwinden Landwirte müssten beispielsweise die im Mittel. Schaue ich mir einzelne über Düngung, Emissionen und An- Plöger: Zum einen können Menschen Orte an, kann ich diesen Effekt hinge- bausysteme nachdenken. Andererseits Dinge enorm schnell vorantreiben, wenn gen deutlich sehen. müssen Verbraucher sich bewusst ma- es wirklich notwendig ist oder ihnen ei- chen, welche Macht sie als Kunden ha- nen Vorteil verspricht. Zum anderen Wird sich der Klimawandel im Norden, ben, Veränderungen herbeizuführen. braucht es einen Auslöser, damit sich et- Süden, Osten und Westen des Landes un- Von der Politik erwarte ich eindeutige was ändert. Der Sommer 2018 könnte terschiedlich auswirken? Ansagen. Sie muss weniger darüber la- ein solcher Auslöser sein. Denn immer, mentieren, was nicht geht, sondern wenn wir etwas unmittelbar spüren, Plöger: Die Klimamodelle zeigen zwar Dinge tun, die uns weiterbringen. Für wird klar: Oh, das betrifft uns ja auch. regionale Unterschiede, ich würde aber mich steht da die Energiewende ebenso eher fragen, wie wirkt sich der Tempe- im Mittelpunkt, wie ein Lebensumfeld, Abgesehen von der Dürre, die das ganze raturanstieg auf Städte, Küstenregio- in dem die Art zu leben, automatisch Land betroffen hat, treten gehäuft Unwet- nen oder Mittelgebirge und Alpen aus? weniger Emissionen verursacht. Allein ter mit sehr kleiner Ausdehnung auf. Wie Wegen der versiegelten Flächen ent- auf den Idealismus Einzelner zu bauen, ist das zu erklären? stehen etwa in den Städten große Pro- wird nicht genügen. Torsten Wobser 7
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre Mit neuen Pflanzen gegen den Klimawandel Der Dürre-Sommer 2018 zeigte, wie gegenwärtig der Klimawandel ist. Landwirte aus verschiedenen Regionen Nordostdeutschlands stellen sich mit unterschiedlichen Maßnahmen darauf ein. Fotos: Neumann Mit einer Beregnungsanlage hat die Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe in diesem Jahr Mais am Leben erhalten. W ir haben Juni 2018, die Sonne tet Jens Fromm den Maisbestand, der in sonst Ende Juni bzw. Anfang Juli gedro- brennt erbarmungslos vom der Mittagshitze seine Blätter eingerollt schen wird, war in diesem Jahr bereits Himmel über Jessen im Osten hat. „Wir beregnen den Mais hier, aber in der zweiten Juniwoche vom Feld, der von Sachsen-Anhalt. Skeptisch betrach- nicht, um mehr Ertrag zu bekommen, Ertrag lag bei der Hälfte der sonst übli- sondern einfach, um ihn am Leben zu chen Menge. erhalten“, erklärt der Geschäftsführer der Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe. Trockenresistenzen gefragt Der Großbetrieb hat mehrere Betriebs- standbeine mit Ackerbau, Gemüsepro- Wegen der leichten Böden ist der Be- duktion, Rinder- und Schweinehaltung, trieb auf die Veredelung angewiesen. drei Biogasanlagen und Solarstrompro- Dazu gehören 1200 Sauen, deren Ferkel duktion. In der ohnehin schon sehr tro- der Betrieb zur Hälfte selbst mästet. Au- ckenen Region mit leichten Böden von ßerdem hält er 2400 Milchkühe, die ge- 20 bis 25 Bodenpunkten hat es im Jahr nauso wie die drei Biogasanlagen Mais 2018 extrem wenig geregnet. „Von Janu- in der Ration erhalten. „Wir suchen ar bis Ende Juni hatten wir 160 l Nieder- aber nach Pflanzen, die möglichst we- schlag“, berichtet er. Die Gerste, die nig Wasser benötigen“, sagt Fromm. Daher hat der Betrieb angefangen, Su- dangras als Hirsehybrid anzubauen. Die Seydaland Vereinigte Agrar Die Pflanze, die aussieht wie Mais, nur betriebe besitzt mehrere Standbeine, ohne Kolben, wird in der Biogasanlage u.a. Biogas und Photovoltaik. vergoren. Sie hat nicht den Energiege- 8
halt wie Mais, wächst aber sicher und wurzelt tiefer. „Sie kommt länger mit Trockenphasen klar und ist für unseren Standort genau richtig“, resümiert der Geschäftsführer. Eine andere trockenresistentere Pflan- zen für die Biogasanlage sollen die Dau- erkulturen Riesenweizengras und Sil- Die Biogasanlage phie sein. Beide hat der Agrarbetrieb von Dieter Behrens- Seydaland in diesem Jahr erstmals aus- Focken kann Futter gesät. Allerdings wurde der trockene verwerten, das seine Boden mit der Saat verweht, weshalb sie Kühe nicht mehr nicht richtig aufliefen. „Wir wissen aber fressen. von anderen Betrieben, dass die Stau- den nur die ersten zwei Jahre überste- hen müssen. Wir werden es daher noch einmal probieren“, stellt er in Aussicht. Gras leidet unter Trockenheit Auch im benachbarten Niedersachsen waren im Jahr 2018 die Auswirkungen der Trockenheit deutlich zu spüren – vor allem an der Küste. „Normalerweise Bei der trockenen steht das Ackergras jetzt so hoch“, sagt Witterung wächst Landwirt Dieter Behrens-Focken und Gärrest auf dem Gras hält seine Hand etwa 40 cm über den nach oben. Boden. Im Juli erreichte das Welsche Weidelgras in dem Betrieb in Mederns (Landkreis Friesland) jedoch nicht ein- tonhaltigen Kleiböden charakterisiert. trocknet“, schildert er die Situation. mal die Hälfte. Ähnlich sah es bei Rie- Behrens-Focken baut im jährlichen Ihm fehlt in diesem Jahr knapp ein Drit- senweizengras aus, das Behrens-Focken Wechsel Getreide-GPS und Ackergras tel der GPS-Menge, die er für die Bio- als Dauerkultur vor sieben Jahren für die an. Er hat aber auch mit 50 ha einen re- gasproduktion benötigt. Biogasanlage ausgesät hatte. „Eigentlich lativ hohen Dauergrünlandanteil. Jetzt versucht der Landwirt, zumindest ist die Kultur trockenresistent und steht „Ganz große Sorgen bereiten uns die so- die Milchproduktion aufrechtzuerhal- hier auf einem eher feuchten Schlag, genannten Futterbaubetriebe“, berich- ten. Dagegen erwartet er Einbußen bei aber dieses Jahr kümmert sie vor sich tet der Niedersächsische Landvolkver- der Biogasproduktion. „Unser Subst- hin“, schildert er. Typisches Merkmal band. Auf den Wiesen und Weiden ratmix besteht zum Glück aus 60 % der Trockenheit sind auch Reste der Gär- wuchs seit Anfang Juni kein Gras nach, Gülle sowie 40 % Gras und Getrei- restdüngung, die als trockene Streifen der zweite Schnitt fiel enttäuschend de-GPS. Der Gülle-Input ist uns si- auf dem Gras liegen und gar nicht in den aus. Die Einbußen betrugen an einigen cher“, sagt er. Boden gedrungen sind. Standorten mindestens 50 bis 60 % ge- Zudem zeigte sich auf einigen Dauer- genüber Normaljahren. Jede dritte grünlandflächen im Juli Rostbefall als Erst Nässe, dann Dürre landwirtschaftliche Fläche in Nieder- Folge des Trockenstresses. „Das kön- sachsen wird als Grünland genutzt. nen wir den Kühen nicht mehr füttern, Die Folgen der Trockenheit hat der Milchviehhalter, aber auch die Halter sondern nur noch in der Biogasanlage Landwirt, der zusammen mit seinem von Schafen, Ziegen oder Pferden, vergären“, sagt er. Bruder in einer GbR etwa 65 Kühe hält mussten laut Landvolk bereits im Som- Sein Fazit nach der Dürre: „Da im Som- und eine Biogasanlage mit etwa 250 kW mer auf die knappen Vorräte an Win- mer 2018 trotz standortangepasster betreibt, schon ab Mai festgestellt. „In terfutter zurückgreifen. Engpässe gibt Fruchtfolge alle Bestände einschließ- diesem Jahr kamen beim ersten und es bei Behrens-Focken im Getreide: lich Grünland beim Ertrag deutlich zweiten Grasschnitt ungefähr so viel zu- Aufgrund des Dauerregens im Herbst hinter den Erwartungen zurückgeblie- sammen wie ein guter erster Schnitt in 2017 waren 12 von 42 ha Wintergetrei- ben sind, ziehe ich für mich bisher le- normalen Jahren“, musste er feststellen. de nicht aufgelaufen. „Dafür haben wir diglich die Lehre daraus, in Zukunft Der Betrieb liegt etwa 8 km von der im Frühjahr wegen der nassen Böden noch größeren Wert auf Futterreserven Nordseeküste entfernt. Die Marschre- erst sehr spät Sommertriticale säen zu legen, obwohl das natürlich zusätz- gion ist überwiegend von schweren, können. Die ist dann aber schlicht ver- lich Kapital bindet.“ Hinrich Neumann 9
Fotos: B. Lütke Hockenbeck, Stückemann Schon Mitte des Jahrhunderts werden wir im Sommer mehr Hitzetage und tropische Nächte erleben als heute. Was spielende Kinder freut, kann insbesondere für ältere und kranke Menschen zu einer großen Belastung werden. „Wir sind mittendrin“ Dass es den menschengemachten Klimawandel gibt, ist für Dr. Juliane Otto vom Climate Service Center Germany längst keine Frage mehr. Sie denkt weiter. D ie Beobachtungen sind eindeutig. Wie- gen hat das vor Ort und wie können wir ihnen derholt gemacht und bestätigt von zahl- begegnen?“ reichen Wissenschaftlern in Deutsch- Auch für Deutschland gibt es Berechnungen: Ei- land und der ganzen Welt: Unser Klima ändert nen Überblick bietet der vom GERICS entwickel- sich. Es wird immer wärmer und das in einem te und im Internet frei zugängliche Bundeslän- Tempo, das weit über jede bisher dagewesene der-Check (siehe Übersicht). Danach wird sich natürliche Klimaänderung hinausgeht. Die Fol- zum Beispiel die Jahresmitteltemperatur im gen bekommen wir auch in Deutschland zu spü- Schleswig-Holstein von ursprünglich 8,5 °C ren: Starkregenereignisse und Überschwem- (Mittel der Jahre 1971 bis 2000) bis zur Mitte des mungen, erfrorene Obstblüten, ein viel zu heißer Jahrhunderts um etwa 1,3 °C („Klimaschutz“-Sze- und viel zu trockener Sommer. Und das ist erst nario) bis etwa 2,0 °C („Weiter-wie-bisher“-Sze- „Der der Vorgeschmack. nario) erhöhen. Schneller und intensiver Klima- schutz brächte danach also im Schnitt eine Ver- Klimawandel Der Klimawandel hat Folgen minderung der Erwärmung um etwa 0,7 °C. geht uns Im Süden Deutschlands sehen die Zahlen et- „Es steht fest, dass sich unsere Erde weiter er- was anders aus: Für Bayern (ursprünglich alle an.“ wärmen wird. Daran können wir bereits heute 7,9 °C) rechnet GERICS mit einer Erwärmung nichts mehr ändern. Allerdings liegt es in un- um etwa 1,1 bzw. etwa 2,0 °C. Klimaschutz serer Hand, wie stark sich diese Entwicklung würde die Erwärmung also um rund 0,9 °C ver- fortsetzt“, sagt Dr. Juliane Otto, die als Geogra- mindern. fin beim Climate Service Center Germany (GE- RICS) in Hamburg arbeitet. „Die Frage ist heu- Plus 0,7 °C – Ist doch egal, oder? te nicht mehr: Gibt es den Klimawandel? Son- dern die Fragen sind: Wie stark wird sich die 0,7 °C mehr im Norden Deutschlands, 0,9 °C Erde in welcher Region erwärmen? Welche Fol- plus im Süden. Das merkt doch keiner. Oder? 10
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre dern, Schweinen und Geflügel sowie die Erträ- Wetter oder Klima? ge von Weizen, Mais, Kartoffeln und anderen Feldfrüchten. Wenn Sie gerade jetzt einen Schirm brau- Die zukünftige Verteilung und Veränderung chen, weil es regnet oder ihre Haare zerzaust von Niederschlägen abzuschätzen ist schwie- sind, weil es draußen stürmt, dann erleben rig. Sie fällt regional sehr unterschiedlich aus. Sie Wetter. Das Wetter beschreibt einen Ist- einige Modelle simulieren über das Jahr eine zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt an Abnahme des Niederschlags, andere eine Zu- einem bestimmten Ort. nahme. Die Tendenzen sagen: gebietsweise Das Klima dagegen ist ein statistischer Wert. mehr Jahresniederschlag, mehr Starkregen, die Es beschreibt den typischen jährlichen Ab- Sommer trockener, die Winter nasser. Schnee lauf der Witterung in einer Region über einen wird seltener werden. Bei der regionalen Ver- Zeitraum von 30 Jahren. teilung der Niederschläge wird es zu großen Unterschieden kommen: Gebiete, die unter Trockenheit leiden, und durch Starkregen „Wir müssen überschwemmte Landstriche werden nur we- Lohnen dafür die Anstrengungen zum Klima- nige Kilometer auseinander liegen. den Klima schutz? wandel in „Damit wir die Auswirkungen beurteilen kön- Prognosen (auch) für Landwirte nen, schauen wir genauer hin“, erklärt Otto. unser Leben Infolge der Erhöhung der Durchschnittstempe- Bisher sind es in erster Linie Kommunen und integrieren ratur steigt zum Beispiel auch die Zahl der Unternehmen, die sich an GERICS wenden. In Sommertage (Höchsttemperatur über 25 °C), jüngster Zeit mehren sich aber auch die Anfra- und schnellst der Hitzetage (Höchsttemperatur über 30 °C) gen aus der Landwirtschaft. Die meisten GE- möglich und der tropischen Nächte (Tiefsttemperatur RICS-Partner möchten wissen, was zukünftig über 20 °C). „Auch hier sagen die Durch- auf sie zukommt. Manche kämpfen vor Ort handeln.“ schnittszahlen nur sehr wenig. Zum Beispiel schon mit Problemen. Andere wollen vorberei- werden in Bayern bis Mitte des Jahrhunderts tet sein. selbst beim „Weiter-wie-bisher“ im Schnitt Zurzeit sammelt zum Beispiel eine Gruppe aus zwei tropische Nächte mehr erwartet als im Re- Norddeutschland Informationen dazu, wie der ferenzzeitraum. Das hört sich nach wenig an. Klimawandel die Anbaubedingungen in ihrem Schaut man sich aber die Spanne an und über- Bundesland verändern wird. Durchschnitts- legt, was tropische Nächte für die Gesundheit werte und einfache Aussagen wie „es wird im von Mensch und Tier bedeuten, sieht das ganz Schnitt wärmer“ helfen Landwirten nicht wei- anders aus“, sagt sie. Das Klimaschutz-Szena- ter. Zum Beispiel können höhere Temperaturen rio befürchtet bis Mitte des Jahrhunderts bis zu und ein früher Vegetationsbeginn positiv sein. zwei tropische Nächte pro Jahr in Bayern, beim Steigt aber gleichzeitig das Risiko von Spät- „Weiter-wie-bisher“ können es bis zu 22 sein. oder Wechselfrost, kann das Anpassungsreak- Zum Vergleich: Im Referenzzeitraum 1971 bis tionen erfordern. 2000 gab es keine tropischen Nächte in Bayern. Auf der anderen Seite kommen zum Beispiel Bis Ende des Jahrhunderts können es beim auch Pflanzenzüchter auf GERICS zu: Sie kön- „Weiter-wie-bisher“-Szenario bis zu 53 tropi- sche Nächte pro Jahr werden und damit sieben- mal mehr als unter den Bedingungen des „Kli- maschutz“-Szenarios. Zu beachten ist dabei GERICS eins: Die vorgestellten Zahlen sind Durch- schnittswerte über einen Zeitraum von 30 Jah- Das Climate Service Center Germany, kurz ren. Das heißt, dass zwar in manchen Jahren GERICS, ist eine selbstständige wissen- weniger Nächte tropisch sein können, in ande- schaftliche Organisationseinheit des Helm- ren Jahren dafür aber viel mehr. holtz-Zentrum Geesthacht mit Sitz in Ham- „Tropische Nächte und Hitzetage belasten burg. Es wurde 2009 als Projekt des schon gesunde Menschen. Die Schlafqualität, Bundesministeriums für Bildung und For- die Arbeitsleistung und die Konzentrationsfä- schung gegründet. Die Grundfinanzierung higkeit sinken. Für alte oder kranke Menschen erfolgt durch den Bund. Hinzu kommen kann Hitze aber verheerende Folgen haben“, Einnahmen, die durch Aufträge für Kommu- sagt Otto. Leiden werden unter so extremen Be- nen oder Unternehmen generiert werden. dingungen aber auch die Leistungen von Rin- Dr. Juliane Otto 11
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre nen nur dann zielgerichtet arbeiten, Probleme auftauchen, schätzen ab, was es also wie so oft: Es gibt nicht nur wenn sie wissen, mit welchen Bedin- die Zukunft bringen wird und suchen Schwarz und Weiß. gungen ihre Pflanzen zukünftig zu- gemeinsam mit den Praxispartnern rechtkommen müssen. nach Lösungen. „In Neubaugebieten Viele Klimamodelle zusammen Auch in anderen Regionen macht sich planen Kommunen zum Beispiel Frei- die Agrarbranche bereits Gedanken: In luftschneisen oder helle Flächen, die „Bei unserer Arbeit greifen wir auf eine Rheinland-Pfalz zum Beispiel gibt es die Sonneneinstrahlung besser reflek- Vielzahl von regionalen Klimamodel- Diskussionen über das nachhaltige Be- tieren“, sagt sie. Häufig sind die Maß- len zurück, die Wissenschaftler ganz regnen. Was tun, wenn das Wasser zu- nahmen gar nicht so besonders. Manch- verschiedener Institute entwickelt ha- künftig in heißen, trockenen Sommern mal sogar fast banal. „In einem Fall kam ben“, erklärt Dr. Otto. Denn eins ist häufiger knapp wird? es bei Starkregen zu Überflutungen in wichtig: Klimaprojektionen sind keine der Stadt, weil abgeschwemmter Boden sichere Sache. Sie basieren auf Szena- Nicht nur Schwarz oder Weiß von den Feldern die Leitungen verstopft rien, die aufzeigen, was vermutlich un- hat. Da half eine einfache Reinigung“, ter Annahme gewisser Gegebenheiten Kommunen und Unternehmen haben erzählt die Geografin. passieren wird. Dennoch sind sie die andere Probleme. „Wir arbeiten zum In anderen Fällen ist die Zusammenar- einzige Methode, mit der sich ein Aus- Beispiel mit einer Kommune zusam- beit gar nicht so einfach. Viele verschie- blick – „Was wäre wenn?“ – machen men, die an der Elbe liegt und schon denen Menschen sind an den Prozessen lässt. „Je mehr Klimasimulationen wir jetzt mit vermehrten Überschwemmun- beteiligt. Sie haben oft unterschiedliche haben und miteinander vergleichen gen leben muss. An einer anderen Stel- Ansichten und Bedürfnisse. Wird es können, desto robuster werden die le können es Überlegungen zum Stadt- zum Beispiel in Mittelgebirgslagen wie Aussagen über die zukünftige Entwick- klima sein. Die Frage ist dann oft: Wie dem Sauer- oder Siegerland wärmer, ist lung des Klimas“, sagt Otto. lassen sich Städte im Sommer kühler das für den Tourismus insbesondere im Sicher sind die Ergebnisse der Klima- halten?“, sagt Otto. Gemeinsam mit den Winter schlecht: kein Schnee, keine Ski- modelle also keineswegs. Das können Verantwortlichen der Kommune schau- fahrer. Profitieren könnte hier jedoch sie auch gar nicht sein: Denn kein en die Mitarbeiter vom GERICS genau die Landwirtschaft: Die Erträge steigen Mensch weiß heute, wie sich zum Bei- hin: Sie decken auf, wo heute welche vielleicht sogar. Beim Klimawandel ist spiel der Energieverbrauch, die Bevöl- Im Norden Deutschlands wird es wärmer – im Süden erst recht Übersicht 1 zeigt, wie sich die Durch- Referenzzeitraum (1971–2000) verän- um rund 1 °C nicht aufhalten. Machen schnittstemperatur im Norden bzw. dern wird. Auch bei sofortigem, striktem wir weiter wie bisher, steigt die Tempera- Süden Deutschlands im Vergleich zum Klimaschutz lässt sich eine Erwärmung tur bis Ende des Jahrhunderts im Schnitt 1 Sofortiger, konsequenter Klimaschutz könnte (noch) helfen Jahres- Beobachtung im „Klimaschutz- „Weiter-wie-bisher- „Klimaschutz- „Weiter-wie-bisher- mittel- Referenzzeitraum Szenario“ Szenario“ Szenario“ Szenario“ temperatur (°C) Schleswig-Holstein Bayern zusätzlich: 14 zusätzlich: 30-jähriges Flächenmittel in den +2,2 °C +2,7 °C jeweiligen Zeiträumen zusätzlich: max. Wert 12 +0,7 °C zusätzlich: +0,9 °C min. Wert 10 unvermeidbar: +1,3 °C unvermeidbar: 8 +1,1 °C 6 1971–2000 2036–2065 2070–2099 12
Foto: Asbrand Überschwemmungen wie diese sind bald keine Seltenheit mehr. Schon heute kommt es infolge des Klimawandels häufiger zu lokalem Starkregen. In Zukunft wird das eher die Regel als die Ausnahme. Darauf sollten wir uns heute schon einstellen. kerungszahl, die Ausdehnung von Wäl- gibt es eine Aussicht für morgen, die stoppen“, betont sie. „Neben dem sehr dern oder die Ernährungsgewohnhei- Erwärmung zu begrenzen. Wir haben wichtigen Klimaschutz müssen wir ten der Menschen zukünftig entwickeln das Jahr 2018. Also werden die meisten uns deshalb damit beschäftigen, wie werden. Klimamodelle geben deshalb von uns die Erwärmung erleben und wir mit dieser Veränderung umgehen nur wahrscheinliche Tendenzen an. mit dieser Erwärmung leben müssen“, können. Trotzdem möchten wir nichts Dennoch: „Bis Mitte des Jahrhunderts ist sich Otto sicher. Dass der Klimawan- dramatisieren. Im Gegenteil: Wir möch- wird sich die Erde auf jeden Fall weiter del bereits in vollem Gange ist, ist für ten dem Klimawandel den Schrecken erwärmen. Wie es danach weitergeht, die Wissenschaftlerin Tatsache. „Be- nehmen. Nur wenn wir ihn in unser das haben wir jetzt in der Hand. Nur reits heute können wir die Veränderung Leben integrieren, können wir han- mit ausreichendem Klimaschutz heute unseres Klimas nicht mehr vollständig deln.“ Katja Stückemann um 3,5 bzw. 3,8 °C. Gleichzeitig wird es zu 22 und bis Ende des Jahrhunderts nannten Bundesländer-Check, mit dem besonders im Süden häufig richtig heiß sogar auf bis zu 53 pro Jahr – mit großen GERICS Auskunft über den Klimawan- (Übersicht 2): Bis Mitte des Jahrhun- Auswirkungen auf Schlafqualität, Kon- del in den Bundesländern gibt. derts steigt die Zahl der tropischen Näch- zentrationsfähigkeit und Gesundheit. te (Temperaturminimum >20 °C) auf bis Die Daten stammen aus dem soge- ➥➥www.climate-service-center.de 2 Mehr tropische Nächte: Gut für Gartenpartys, schlecht für den Schlaf Beobachtungen im „Klimaschutz- „Weiter-wie-bisher- „Klimaschutz- „Weiter-wie-bisher- Tropische Referenzzeitraum Szenario“ Szenario“ Szenario“ Szenario“ Nächte 50 Schleswig-Holstein Bayern 40 30-jähriges Flächenmittel in den jeweiligen Zeiträumen max. Wert 30 min. Wert 20 10 0 1971–2000 2036–2065 2070–2099 13
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre Es gibt keine Zeit zu verlieren Ohne sofortigen, rigorosen Klimaschutz wird sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 4,8 °C erwärmen. Missernten, Hunger, Krisen und Migration nehmen zu. Schlimme Folgen – auch für uns. Möglichkeiten zur Emissionsminderung Spätestens ein Tempe- raturplus um rund 4 °C lässt Weltweit stammen – je nach Quelle – zwischen 10 sich nicht mehr ausgleichen. und 25 % der Treibhausgas (THG)-Emissionen aus Die Ernährungssicherheit ist der Landwirtschaft. 2016 verursachte die Landwirt- stark gefährdet. Hunger, Kri- schaft in Deutschland 7,2 % der THG-Emissionen. sen und Migration nehmen zu. Die beiden bedeutendsten Treibhausgase, die mit der Die Folgen treffen auch uns. Landwirtschaft freigesetzt werden, sind Methan 4,8 °C (CH4) und Lachgas (N2O). Im Jahr 2016 hat die Bundesregierung im sogenann- ten „Klimaschutzplan 2050“ beschlossen, dass neben den anderen Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr) auch die Landwirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten soll: Bis 2030 sollen In Äquatornähe sind die die THG-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 31 bis Folgen stärker als in den ge- 34 % sinken. mäßigten Breiten: Bereits bei einer Erwärung um 3 °C sind hier die Grenzen der Anpas- sungsfähigkeit erreicht. 3 °C Ein Anstieg der Jah- resdurchschnittstemperatur um bis zu 2 °C bis Mitte des Jahrhunderts lässt sich in Deutschland nicht mehr auf- halten. Schon bei diesem Grad 2 °C der Erwärmung werden die Er- träge wichtiger Früchte wie Weizen, Mais und Kartoffeln Möglichkeiten zur Klimaanpassung aller Wahrscheinlichkeit nach sinken. Welche Maßnahmen nötig, sinnvoll und mög- lich sind, ist abhängig von den Gegebenheiten vor Ort. Für die Landwirtschaft spielen etwa die Topografie und die Bodenqualität eine Rol- le. Sind Überschwemmungen zu erwarten? Welche Früchte werden angebaut? Wie groß und verfügbar sind die Wasserreserven? Doch Achtung: Schreitet der Klimawandel zu weit voran, lassen sich manche Folgen gar Quelle: BMZ (geändert) nicht, andere nur begrenzt ausgleichen. 14
... auf der Angebotsseite • v erbesserte Ernährung und Nahrungsergänzung in der Viehhaltung (Ver- minderung der Entstehung von Methan bei der Verdauung) • Vergärung von Mist und Gülle in Biogasanlagen (knapp 20 % der land- wirtschaftlichen Methanemission entstehen beim Lagern und Ausbrin- gen von Gülle und Mist) • Verbesserung bei Ackerbau, Nährstoff- und Düngemanagement • Erhalt bzw. Wiederherstellung der Kohlenstoffspeicherfunktion der Böden • Ersatz fossiler Brennstoffe durch Biomasse • Verknüpfung von Bioenergie- und Lebensmittelproduktion ... auf der Nachfrageseite • g eringerer Verbrauch und weniger Verschwendung von Lebensmitteln innerhalb der Lieferkette, bei der Verarbeitung, im Handel und beim Ver- braucher • Umstellung der Ernährung (Senkung des Verbrauchs von emissionsin- tensiven Lebensmitteln = mehr pflanzliche,weniger tierische Produkte) ... bei der Viehhaltung • E insatz besser geeigneter Viehzüchtungen und -arten (zum Beispiel hitzetolerantere Tiere) • effektivere Futternutzung • Überwachung und Kontrolle der Ausbreitung von Schädlingen, Krank- heiten und Unkräutern ... beim Anbau • Züchtung von hitze- und dürretoleranten Sorten • Anpassung der Anbau- und Aussaatzeiten • Anpassung der Fruchtfolge • wassersparende Bodenbearbeitung • auf die Region abgestimmte Bewässerung ... durch die Politik • Wetterversicherungen • Mechanismen für Risikoteilung und -transfer • Zahlungen an Landwirte für Ökosystemdienstleistungen • kostengerechte Bepreisung von Ressourcen: Einpreisung von Klima- folgekosten • veränderte Handelsregeln 15
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre Mehrgefahrenversicherung: Was sie kostet, was sie leistet Hagel, Sturm, Starkregen, Frost, Trockenheit – gegen diese Risiken können Sie sich versichern. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Versicherungsschutz und wie ein Schaden abgewickelt wird. Was bedeutet der Begriff „Mehrgefahren- standes geschädigt sind. Für einen etwa im Februar/März verursachen versicherung“? Ist auch das Risiko Sturmschaden muss mindestens Wind- beim Raps Auswinterungsschäden. Trockenheit versicherbar? stärke 8 vorliegen. Am stärksten gefähr- Im Schadenfall können Sie eine Pau- det ist hoch wachsender Mais; er knickt schale (etwa 15 bis 45 % der Versiche- Edeler: Jeder Landwirt kennt die klassi- bei Sturm um oder die Pflanzen werden rungssumme) wählen. sche Hagelversicherung. Weniger be- aus der Erde gerissen. kannt ist die Mehrgefahrenversiche- Starkregen liegt vor, wenn mehr als Muss der Landwirt alle Feldfrüchte etwa rung, die neben Hagel auch die Risiken 50 l/m2 innerhalb von 24 Stunden nie- gegen Hagel versichern? Wer legt die Sturm, Starkregen und Frost abdeckt. dergehen. Gefährdet sind insbesondere Versicherungssummen fest? Gerade Sturm und Starkregen treten Kartoffeln im frühen Stadium, wenn vermehrt im nordwestdeutschen Raum die Dämme frei gespült oder zuge- Edeler: Sie können frei entscheiden: Sie auf. Sie verursachen hohe Schäden, schlämmt werden. Aber auch kurz vor können jede Kultur separat zum Bei- insbesondere beim Mais und Kartof- der Ernte kann starker Regen große spiel nur gegen Hagel oder auch umfas- feln. Wetterexperten gehen davon aus, Schäden verursachen, wenn die Däm- send über eine Mehrgefahrenversiche- dass Stürme und Starkregen in Nord- me frei gespülen werden; dann werden rung absichern. Beispiel: Sie versi- europa weiter zunehmen, weil die Luft die Kartoffeln durch Lichteinwirkung chern nur ihren Winterraps gegen klimabedingt wärmer wird und sich grün und sind nicht mehr zu vermark- Hagel, ihren Mais nur gegen Sturm und die darin enthaltene Energie entlädt. ten. Beim Gemüseanbau sind insbeson- die Erdbeeren gegen Hagel und Frost. Über eine Indexversicherung besteht dere die Möhren durch Starkregen ge- Einschränkung: Sie müssen sämtliche auch die Möglichkeit, Trockenschäden fährdet, die „Möhrenköpfe“ sind ein Flächen einer Fruchtart versichern, an landwirtschaftlichen Kulturen ab- bekanntes Schadbild. In Hanglage kann zum Beispiel alle Maisflächen; dazu ge- zusichern. Doch eine solche Versiche- Starkregen schließlich auch erhebliche hören auch die Schläge auf weit ent- rung ist bislang sehr teuer (etwa 3 bis Bodenerosion verursachen. fernt liegenden Pachtflächen. 10 % Beitrag der Versicherungssumme Durch Frost bedroht sind insbesondere Jeder Landwirt legt selbst oder nach je nach Boden und Lage der Flächen). der Winterraps, Erdbeeren und alle Rücksprache mit dem Berater die Versi- In diesem Fall bekommen Sie nicht den Obstkulturen. Kahl- und Wechselfröste cherungssummen für die Feldfrüchte tatsächlich auf dem Feld entstandenen im Anbauverzeichnis fest. Zumeist wird Schaden ersetzt. Vielmehr wird ge- der erwartete Ertrag mit dem Marktpreis zahlt, wenn zum Beispiel länger als multipliziert. Für Weizen, Gerste, Rog- 30 Tage kein Regen fällt und Ertragsaus- gen und Raps liegen die Versicherungs- fälle zu erwarten sind. Regnet es am summen im Schnitt bei 1000 bis 1600 €/ 29. Tag, erhalten Sie nichts, auch wenn ha. Für Sonderkulturen, etwa Erdbee- die Pflanzen geschädigt sind. ren, Spargel und anderes Gemüse, wer- den zum Teil wesentlich höhere Versi- Wie sind Hagel, Starkregen, Sturm und cherungssummen abgeschlossen. Frost nach den Bedingungen der Versiche- Ein Landwirt sollte grundsätzlich so rungen definiert? denken: Wie viel Entschädigung benö- tige ich von der Versicherung, um im Foto: Asbrand Edeler: Hagel sind Eiskörner. Sie verur- Schadensfall weiter sicher wirtschaf- sachen Schäden an den Pflanzen durch ten zu können? Anschläge, Knickungen, Brüche oder Schlitzungen. Die Hagelversicherung Bernd Edeler, Bezirksdirektor der Ab welchem Zeitpunkt sind die Feldfrüchte zahlt, wenn mindestens 8 % des Be- Vereinigten Hagel in Münster versichert? 16
Edeler: Bei einigen Kulturen beginnt die Deckung ab der Aussaat und endet spä- testens mit der Ernte. Der Versiche- rungsschutz gegen Hagel, Sturm und Starkregen ist wirksam ab dem Tag nach dem Vertragsabschluss. Einschränkung: Bei Zuckerrüben und Kartoffeln sind Frostschäden frühes- tens ab 1. Mai versichert. In der Regel ist der Ernteverlust versichert. Das heißt, der Schätzer ermittelt, wie viel Prozent der mengenmäßigen Ernte auf dem jeweiligen Schlag verloren ist. Je nach Kultur können auch die Inhalts- stoffe und Qualitätsschäden einge- schlossen oder durch Zusatzvereinba- rungen mitversichert sein. So sind bei- spielsweise der Zucker ertragsverlust bei Zuckerrüben oder der Stärkeverlust Foto: Greshake bei Stärkekartoffeln eingeschlossen. Können Milchbauern oder Pferdehalter ihr Grünland versichern? 2018 müssen viele Landwirte Futterverluste von 50 % und Kartoffeln stehen nach Starkregen immer öfter unter Wasser. Unser Foto zeigt eine mehr verkraften. Fläche am Niederrhein, die Anfang Juli 2009 überflutet wurde. Edeler: Nein, eine Ertragsausfallversi- cherung für Grünland wird in Deutsch- den wird in Prozent der festgelegten durch Futterreserven ausgleichen kann, land bislang nicht angeboten, weil ge- Versicherungssumme berechnet. könnte eher auf den Schutz verzichten. genwärtig kein Bedarf bestand. Grün- Je nach Kultur, Schadbild und Zeit- land ist bislang nur in Luxemburg und punkt des Schadens werden die Felder Welche Gesellschaften bieten eine Hagel- in den Niederlanden versicherbar. Ob einmal oder mehrmals bis kurz vor der und Mehrgefahrenversicherung in die Vereinigte Hagelversicherung eine Ernte begutachtet. Liegt die Schaden- Deutschland an? Wie können Landwirte solche Versicherung in Zukunft auf dem quote unter 8 %, gehen Sie leer aus. Ist Prämie sparen? deutschen Markt anbietet, hängt auch der Schaden höher und wurde er end- von den politischen Rahmenbedingun- gültig festgestellt, überweist die Versi- Edeler: Neben der Vereinigten Hagel gen ab. Jedenfalls müsste der Beitrag für cherung das Geld ohne Abzüge. Nach bieten die Allianz (früher Münchener/ die Landwirte bezahlbar bleiben. etwa zwei bis drei Wochen sollte das Magdeburger), die Bayerische Versi- Geld auf Ihrem Konto sein. cherungskammer, Mecklenburger und Wozu ist der Landwirt im Schadensfall die VGH in Hannover die Hagel- und verpflichtet? Welche Landwirte sollten eine Mehrge- Mehrgefahrenversicherung an. Dazu fahrenversicherung abschließen, wer kommen einige kleine Versicherungs- Edeler: Einen Schaden müssen Sie zeit- kann auf den Schutz verzichten? vereine auf Gegenseitigkeit. Es besteht nah, am besten sofort, der Versiche- also durchaus Wettbewerb. Jeder Land- rung per Telefon, Fax oder Internet Edeler: Jeder Landwirt entscheidet, ob er wirt kann und sollte Angebote von ver- melden. Wichtig: Hören Sie nicht auf den Schutz benötigt und in welchem schiedenen Anbietern vor Abschluss den Zuruf eines Nachbarn, begutach- Umfang er seine Früchte versichern eines Vertrages einholen. ten Sie selbst die Fläche, ob tatsäch- möchte. Dabei kommt es stets auf die Die Gesellschaften bieten in der Regel lich ein Schaden vorliegt. Die Versi- betrieblichen Gegebenheiten an. Spezi- Verträge mit ein- bis fünfjähriger Lauf- cherung schickt dann einen Sachver- alisierte Ackerbaubetriebe, die viel Flä- zeit an, wobei es Rabatte gibt (bei drei- ständigen. Er sollte in Ihrem Beisein che gepachtet haben und hohes Risiko jähriger Laufzeit etwa 10 %). Prämie spa- den Schaden auf dem Acker feststel- fahren, können am wenigsten auf den ren können Landwirte, indem sie einen len. Der Experte bestimmt die Anzahl Schutz verzichten. Ähnlich sieht dies Selbstbehalt beim Versicherungsschutz an Pflanzen auf Beschädigungen und aus für Landwirte, die viel Mais für ihre von zum Beispiel 1 bis 5 % der Versiche- Verluste (Knickungen, Brüche, Ähren- Tierbestände oder eine Biogasanlage be- rungssumme vereinbaren. In diesem verluste, Kolbenverluste) und ermit- nötigen. Wer dagegen ein Kapitalpolster Fall zahlt der Landwirt die kleinen Schä- telt so den Schädigungsgrad. Der Scha- hat und Verluste selbst auffangen oder den aus eigener Tasche. Armin Asbrand 17
Spezial: Hagel, Sturm, Dürre Schäden häufen sich Friedrich Reese aus Bennigsen bei Hannover hat immer häufiger Schäden durch Sturm, Regen, Frost oder Hitze. Mit einer Mehrgefah renversicherung deckt er einen Teil seines Unternehmensrisikos ab. F riedrich Reese blickt skeptisch auf das Rübenfeld. Überall gibt es Nester mit vertrockneten Blät- tern, die platt auf der Erde liegen. „Hier oben auf der Kuppe wirkt sich die Dür- re in diesem Jahr besonders stark aus“, sagt der Landwirt aus dem niedersäch- sischen Bennigsen bei Hannover. Er rechnet mit 15 bis 20 % weniger Ertrag, Friedrich Reese weil das Wasser fehlt. hatte im Jahr 2018 Foto: Neumann Die 140 ha des Betriebs liegen im Höhen- erhebliche Trocken- zug des Deisters. Reese baut Rüben für schäden u. a. bei die nahe gelegene Zuckerfabrik Nord- Rüben auf höher stemmen der Nordzucker an sowie Mais gelegenen Flächen. für zwei Biogasanlagen in der Nähe. Der Hackfruchtanteil liegt bei 50 %. Auf dem Rest der Flächen wächst Weizen. Acker- Knicken Mais- oder Getreidepflanzen sicherung im Betrieb, aber sie ist für bau ist der wichtigste Betriebszweig. beispielsweise nach der Milchreife mich wie eine Feuer- oder Vollkas- um, ist die Entschädigung geringer. ko-Versicherung, die zwar teuer ist, Auswinterungen im Jahr 2012 Entschädigt wird dabei immer der aber im Ernstfall das Einkommen sta- mengenmäßige Ertragsverlust, also in bilisiert.“ Bis zum Jahr 2012 hatte Reese eine Ha- diesem Beispiel die Ertragsdifferenz Nach den Erfahrungen aus dem Jahr gelversicherung. „Doch dann gab es in zwischen „Milchreife“ und „Silorei- 2018 hat er schon über eine Erweite- dem sehr kalten Winter Auswinterun- fe“. Auch gelten erst Niederschlags- rung des Schutzes gegen Trockenheit gen auf rund 80 % der Getreideflä- mengen von 50 mm innerhalb von nachgedacht. Aber zurzeit sind ihm die chen“, schildert er. Das hat ihn zum 24 Stunden als Starkregen, ab dem der Kosten dafür zu hoch. Denn der Prä- Umdenken bewegt: Das Risiko von Versicherungsschutz greift. Getreide- miensatz für Trockenheit schwankt je Ausfällen war ihm nach der Erfahrung flächen im Lager werden pauschal mit Gemeinde, Kultur und Produktvariante 2012 einfach zu groß. 15 % bewertet. Teilflächen, die nicht zwischen 1,6 und 6 % der Versiche- Zur Absicherung schloss er eine Mehr- beerntet werden können, entschädigt rungssumme. Der Prämiensatz wird je- gefahrenversicherung bei der Vereinig- die Vereinigte Hagel mit 100 %. „Es ist des Jahr neu berechnet. Die Prämie für ten Hagel ab. Schon bald sollte sich zei- ganz wichtig, sich mit den Versiche- Trockenheit ist deshalb im Vergleich zu gen, dass die Entscheidung richtig war: rungsbedingungen auseinanderzuset- allen anderen Gefahren so hoch, weil Bei Regenfällen über 80 mm in wenigen zen“, rät er Berufskollegen. es sich bei Trockenheit im Regelfall um Stunden verschlämmten ihm Rüben ein großflächiges Schadenereignis han- nach der Aussaat, Getreide ging bei hef- Wie eine Vollkaskoversicherung delt und auch im Gegensatz zu allen tigen Schauern ins Lager und im ver- anderen Gefahren die Versicherungs- gangenen Jahr knickten selbst stabile Die Beitragshöhe hat er zum Teil selbst steuer 19 % beträgt. Maispflanzen reihenweise um, als im in der Hand. Wie bei einer Hausratsver- Daher wartet er jetzt erst einmal ab. Spätsommer mehrere Stürme wie sicherung muss er die Versicherungs- „Aber früher hieß es auch, gegen Sturm „Christian“ über das Land fegten. summe angeben, aus der sich die Bei- bräuchte man keinen Schutz, es gäbe ja Die meisten Schäden sind mit der Ver- tragshöhe bemisst. Reese hat den Hek- keine Windhosen oder Wirbelstürme“, sicherung abgedeckt und wurden auch tar Getreide und Mais mit je 2000 € erinnert er sich. Die Lage hat sich je- entschädigt. Allerdings musste er fest- versichert, Rüben mit 2700 €. doch grundlegend geändert. Und Ext- stellen, dass nicht pauschal jeder Fall Insgesamt zahlt er heute im Jahr etwa remwetterlagen werden zunehmen, ist unter den Versicherungsschutz fällt. 4500 € an Prämien. „Es die teuerste Ver- er überzeugt. Hinrich Neumann 18
„Ein Restrisiko bleibt immer“ Jan-Derk Koning aus Nauen in Brandenburg hat seine Starkregen versicherung 2017 wirtschaftlich gerettet. 2018 folgte die Dürre. Über seinen Versicherungsschutz entscheidet die Beitragshöhe. A ls Jan-Derk Koning 1997 aus dem 2017 ein. Mehrmals hatte es in Nauen Norden der Niederlande ins Ha- mehr als 50 l innerhalb von 24 Stun- velland nach Brandenburg auf- den geregnet. Damit war die Bedin- gebrochen ist, hat er eines aus der von gung für ein Greifen der Starkregen- Sturm und Niederschlägen geprägten versicherung mehrmals eingetroffen. Region mitgenommen: Die Ernte muss Konings Ackerflächen glichen einem zu einem gewissen Teil gegen Wetterex- Seengebiet. Über die gesamte Acker- treme abgesichert sein. Ungewöhnlich fläche gemittelt erreichte er nur einen für das eher von Trockenheit betroffene Ertrag von 40 % seines Durchschnitt- Brandenburg hat der Landwirt daher sertrages. Die Versicherung ermittelte seit Jahren eine Versicherung gegen Ha- entsprechend eine Schadensquote von gel, Sturm und Starkregen. 60 %. Je nach Fläche und Kultur lag Foto: Awater-Esper dabei der Schaden von Totalausfall bis Beitragshöhe muss passen zu 20 % Ausfall. Den Aufwand, den er für die Versiche- Für Koning, der in der Rechtsform ei- rung betreiben muss, hält Koning für ner GbR einen Milchviehbetrieb mit vertretbar. Jedes Jahr meldet er nach der 1000 Rindern, 500 ha Grünland und Bestellung die Kulturart einen Wertan- Herbst 2018: Der Boden in Brandenburg 470 ha Acker in Nauen, rund eine Stun- satz pro Schlag bei der Versicherung. In ist staubtrocken. Das wird auch die Ernte de westlich von Berlin, bewirtschaftet, der Folge bekommt er die Schadenfor- 2019 beeinflussen, sagt Jan-Derk Koning. ist das seine Art von Risikoabsiche- mulare schon zugesandt, sodass er die- rung. „Eine Versicherung zu bestimm- se sofort ausfüllen kann, sobald ein ten Themen ist wichtig, aber am Ende Schaden eintritt. Nach der Nässe folgte für den Betrieb kann man sich nicht für alles versi- Koning 2018 nun die Dürre. „Wir stel- chern“, sagt der 44-Jährige. Eigene Risikovorsorge len einfach fest, dass wir jetzt eine Si- Ausschlaggebend für den Abschluss der tuation mit Extremen haben und gehen Versicherungen gegen Hagel, Sturm und Seine Beitragshöhe läuft über eine Ver- davon aus, dass wir auch mehr Wetter Starkregen ist für Koning die Beitragshö- tragslaufzeit von drei Jahren. Natürlich extreme bekommen“, resümiert Ko- he. Er hat seine gesamte Ackerfläche von sind seine Beiträge nach der Abwick- ning. Als ackerbauliche Konsequenz 470 ha mit 7 €/ha für die drei Schadens lung des Schadens 2017 gestiegen und will er daran arbeiten, den Wasserhaus- ereignisse abgesichert. Der Beitrag liege zwar von 7 auf nun rund 10 €/ha. Das halt mit allen ihm möglichen Mitteln so niedrig, dass er auch nach 30 Jahren sei ärgerlich, aber für ihn kein Grund besser in den Griff zu bekommen. Dazu nicht eine so hohe Summe erreiche, als auszusteigen, erzählt Koning. Die Versi- gehört für ihn, so oft wie möglich auf wenn es in einem Jahr einen Totalausfall cherung gibt ihm die Möglichkeit, selbst den Pflug zu verzichten. Trockentole- gebe, rechnet er vor. Für die Getreidekul- Risikovorsorge zu betreiben. Das ist Ko- rante Sorten und die Steuerung der turen, von denen er Winterroggen, Gers- ning lieber, als wenn er auf Staatshilfen Aussaatmenge seien weitere Stell- te und Triticale im Anbau hat sowie für hoffen müsste. Die Beihilfen des Landes schrauben. Bei der Fruchtfolge sieht er den Mais hat er durchschnittliche Er- Brandenburg wegen der Nässe hätte er in seinem Betrieb weniger Flexibilität. tragswerte bei der Versicherung angege- 2017 ohnehin nicht nutzen können. Den Er braucht die Futterpflanzen für seine ben. Es sei wichtig, schon dabei realis- Nachweis von 30 % Einkommensrück- Rinder. tisch und ehrlich zu bleiben, dann gebe gang im Vergleich zum Vorjahr hätte er Die Frage nach einer Versicherung gegen es im Schadensfall keine Probleme mit trotz der Verluste nicht geschafft. Denn Trockenheit und Dürre geht Koning am- den Schadensprüfern, erzählt Koning 2016 hatte die Milchkrise mit Preisen bivalent an. „Es kommt darauf an, was von seinen Erfahrungen. von 22 Cent/Liter seinem Einkommen es kostet“, sagt er. Doch als Landwirt sei Der Ernstfall trat für Koning bei seiner so zugesetzt, dass nochmal 30 % darun- ihm auch klar, es bleibe ihm immer ein 21. Ernte in Brandenburg im Sommer ter schwierig wurden. Restrisiko. Stefanie Awater-Esper 19
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