HANDEL IM WANDEL SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE STADT ZÜRICH - Stadt Zürich

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                                                          Studie im Auftrag von

                                                                 Stadt Zürich
                                                                 Stadtentwicklung
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Handel im Wandel
SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL
UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE STADT ZÜRICH
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IMPRESSUM

Auftraggeber                              Bildnachweise und Zitate

Stadt Zürich                              Alle Illustrationen:
Stadtentwicklung                          Urban Catalyst GmbH / Lena Lauermann
Stadthausquai 17
Postfach, 8022 Zürich                     Fotos:
                                          Urban Catalyst GmbH / Cordelia Polinna (alle 2017)
                                          Foto S. 12, Stadtentwicklung Zürich
Auftragnehmer
                                          Alle Zitate stammen aus den Round-Table-Diskussionen am 1.
synergo Mobilität - Politik - Raum GmbH   und 6. Juni 2017
Dr. Walter Schenkel
Grubenstrasse 12
8045 Zürich                               Druck und Papier
www.synergo.ch
                                          ROPRESS Druckerei, Zürich
Urban Catalyst GmbH
Anna Bernegg, Lena Lauermann,             Umschlag: Cocoon weiss matt FSC + 200 gm²
Dr. Cordelia Polinna                      Inhalt: Cocoon weiss matt FSC + 120 gm²
Glogauer Strasse 6                        FSC Recycled Credit
10999 Berlin
www.urbancatalyst-studio.de               Zürich, Berlin 2017
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INHALT
Vorw ort                               2    03 Re ta il tre n ds      14   06 Sz enari en                         28

Stadt der Zukunft – Handel im Wandel   2    Digitale Transformation   16   Szenario 1: Back to the roots          30
                                            Kundenorientierung        18   Szenario 2: On the way                 34
                                            Wertewandel               20   Szenario 3: Hybrid                     38
                                                                           Szenario 4: Digital Paradise           42

0 1 A u s g an g s l a g e             4    04 Ra umtyp e n           22   Szenario 5: Brutal Digital             46

Detailhandel im Umbruch                4    Innenstadt                22
Bedeutung für die Stadt Zürich
Die Studie – ein Denkmodell für den
                                       5    Subzentren
                                            Mobilitäts-Hubs
                                                                      23
                                                                      23
                                                                           07 Au sbli ck                          50

Detailhandel in Zürich                 6    Quartierzentren           23   Auswirkungen und Herausforderungen     52
Strukturmodell                         7    Shoppingcenter            23   Denkanstösse für die weitere Diskussion 56
                                            Umland                    23

02 KOntext des wandels                      05 Re ta il tre iber      24   Anhang                                 59

im detailhandel      8
                                            Vertriebswege             25   Methodischer Hintergrund               59
Kontextfaktoren global                 9    Kosten und Qualität       26   Projektbearbeitung                     60
Kontextfaktoren lokal                  12   Retailmotivation          27   Literatur und Informationen            62
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Stadt der Zukunft – Handel im Wandel

                                                      DIE VERÄNDERUNGEN IM DETAILHANDEL UND                 und kombiniert künftig nicht nur Onlinehandel mit
                                                      IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DIE STADT ZÜRICH                stationären Stützpunkten, sondern leistet auch
                                                                                                            der Entwicklung der digitalisierten Erlebnisland-
                                                      Der stationäre Detailhandel leidet. In Europa und     schaften Vorschub. Nicht mehr Einkaufen steht in
                                                      in der westlichen Welt verändert sich die Art und     zeitgemässen Geschäften und Shoppingcenter im
                                                      Weise, wie wir Güter auswählen und konsumieren,       Vordergrund, sondern Unterhaltung und Freizeitge-
                                                      grundlegend. Onlineshopping, Einkaufstourismus,       staltung: «Concept-Stores» bieten ihren Kundinnen
                                                      Umsatzeinbrüche bei denjenigen stationären            und Kunden Überraschungen und Aufenthaltsqua-
                                                      Geschäften, die noch keinen klugen Weg für sich       lität, von der integrierten Bar bis zum Musikladen,
                                                      finden konnten, um Online- und Offlinehandel          oder sie spielen mit der Exklusivität des Pop-up-
                                                      zu kombinieren, sind nur einige Schlagworte zur       Geschäfts, von dem nur die Eingeweihten wissen –
                                                      Beschreibung der Probleme, mit denen der Detail-      was die Begehrlichkeit weckt, zu den Insidern gehö-
                                                      handel heute ringt. Insgesamt hat der Schweizer       ren zu wollen. Entsprechend nennen sich gewisse
                                                      Fachhandel seit dem Jahr 2000 rund 35 Prozent         Verkäufer heute auch schon mal «Kuratoren», und
                                                      Verlust erlitten – 4,7 Millionen Schweizerinnen und   ihre Produkte sind nicht mehr einfach nur Waren,
                                                      Schweizer haben 2016 für 11,2 Milliarden Franken      sondern erinnern eher an «Kunstwerke».
                                                      online eingekauft statt in stationären Geschäften.
    Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung                                                         In Zukunft, da sind sich die Fachleute einig, wird der
    Zürich                                            Die Zukunft scheint denjenigen zu gehören, die        digitale Detailhandel eine zentrale Rolle spielen.
                                                      branchenüberschreitend und hybrid denken: Ama-        Damit wird sich auch die Logistik fundamental
                                                      zon, der grösste Onlinehändler der Welt, kaufte im    wandeln, möglicherweise durch Drohnen für
                                                      Frühjahr 2017 die Lebensmittelkette Whole Foods       leichtgewichtige und dringliche Auslieferungen und

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durch selbstfahrende Elektrolieferwagen auf den       Situation des Gewerbes und die städtischen Räume
Quartierstrassen, die Waren aus einer zentralen       als Orte der sozialen Interaktion stehen im Fokus.
Sammelstelle in die einzelnen Häuser verteilen.       Wir haben in Zusammenarbeit mit internen und ex-
Gefragt sind aufseiten des Detailhandels innovative   ternen Expertinnen und Experten Szenarien entwor-
Konzepte, wie mit dem rasanten Strukturwandel         fen, um auf deren Grundlage über realistische und
umgegangen werden kann.                               wünschbare Entwicklungen diskutieren zu können
                                                      und dabei nach der Rolle der Stadt zu fragen.
Aber auch die öffentliche Hand muss sich mit dem
Thema beschäftigen, sind doch die Versorgung
der Bevölkerung mit Waren und das Einkaufen als
Tätigkeit stark stadtprägende Funktionen. Das
Projekt «Stadt der Zukunft» der Stadtentwicklung
Zürich versucht in seiner ersten Auflage 2017 zu
verstehen, wohin die Reise des Detailhandels ge-
hen könnte und was für Auswirkungen und Heraus-
forderungen daraus für die Stadt resultieren.

Die Frage nach dem «Wandel im Handel» und
seinen Auswirkungen auf die räumliche und gesell-
schaftliche Struktur der Stadt Zürich betrifft drei
zentrale Stadtfunktionen: Wohnen, Arbeiten und die
Nutzung der Stadträume. Die Nahversorgung, die

                                                                                                           3
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01 Ausgangslage
    DETAILHANDEL IM UMBRUCH

    «Der Kunde geht nicht mehr zum Laden, der Laden        kungen auf das Verhalten der Menschen, auf die
    geht zum Kunden – dies gilt sowohl für den statio-     Nutzung des öffentlichen Raums, auf den Verkehr,
    nären wie den digitalen Handel.» 1                     auf die Zentrenstruktur und auf das Stadtleben
                                                           haben. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
    Dem Detailhandel steht ein grosser Umbruch bevor.      in welche Richtung diese Entwicklungen gehen und
    Laut Marktforscherinnen und -forschern sind die        wie problematische Aspekte positiv beeinflusst
    Aussichten für den stationären Detailhandel düster.    werden können.
    Gemäss «Retail Outlook» der Credit Suisse soll
    sich angebotsseitig der Onlineanteil am gesamten       Der Detailhandel hat auch eine wichtige soziale
    Detailhandelsumsatz in der Schweiz in den nächs-       Bedeutung: als Arbeitgeber, als Chance für weni-
    ten fünf Jahren verdoppeln. Auf der Nachfrageseite     ger gut Ausgebildete und Zugewanderte und als
    werden die «Silver Shopper» (Generation 50+) ver-      sozialer Begegnungsort. Der Detailhandel trägt zur
    mehrt zu «Silver Surfer» und die «Digital Natives»,    Belebung des Stadtraums bei und gibt der Stadt ein
    die Generation, die in der digitalen Welt aufgewach-   attraktives Gesicht. Für Kundinnen und Kunden er-
    sen ist, kommt ins kaufkräftige Alter.                 möglicht das Einkaufengehen auch soziale Kontak-
                                                           te, was insbesondere bei Personen ohne Berufsle-
    Trotzdem: Auch wenn das «Lädeli- und Ladenster-        ben oder mit nur einem kleinen sozialen Umfeld in
    ben» weitergeht, der stationäre Detailhandel wird      seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf.
    bleiben – aber anders. Stichworte sind innovative
    Konzepte, Aufenthaltsqualität, Erlebnis, aber auch
    das zunehmende Verwischen der Grenzen zwischen
    stationärem und digitalem Detailhandel. Die Än-                                                               Altstadt Zürich: Traditioneller Detailhandelsstandort vor
    derungen im Detailhandel werden grosse Auswir-                                                                imposanter räumlicher Kulisse.

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        Quellen im Impressum
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BEDEUTUNG FÜR DIE STADT ZÜRICH

«Zürich verfügt über herausragende Qualitäten         ausschlaggebend sind, etwa die grosse touristi-
für den Detailhandel. Diese Potenziale müssen ge-     sche und wirtschaftliche Bedeutung, die städte-
meinsam angegangen werden – von Stadt, Gewer-         baulich und historisch herausragende Altstadt oder
be, Eigentümern, Investoren, Tourismusbranche.»       den Flughafen als bedeutendes internationales
                                                      Drehkreuz. Gleichzeitig ist auch die Situation in den
Der Umbruch des Detailhandels hat insbesondere        verschiedenen Quartieren zu betrachten – Chan-
in Städten weitreichende Konsequenzen. Denn der       cen und Herausforderungen der Innenstadt an
Detailhandel prägt die Zentren und die Zentren-       der Bahnhofstrasse, an der Löwenstrasse oder im
struktur und hat breit gefächerte Auswirkungen        Niederdorf wie auch am Lindenplatz, in Höngg, am
auf Themenkomplexe wie Mobilität oder Touris-         Schwamendingerplatz oder in den Viaduktbögen
mus. Der (alltägliche) Konsum stellt heute für die    unterscheiden sich zum Teil deutlich.
unterschiedlichen Stadt- und Quartierzentren eine
Leitfunktion dar – ohne ihn ist Stadt kaum denkbar.   Zürich ist ein Premium-Standort mit hoher Kaufkraft
Deshalb ist zu prüfen und zu diskutieren, was die     und qualitativ hoher Nachfrage. Es gibt aber auch
aktuellen Entwicklungen und Trends für den urba-      Aspekte, in denen sich Zürich kaum von anderen
nen Raum, für die Nahversorgung, für die inneren      grossen Städten unterscheidet: Das Kaufverhalten
wie die äusseren Quartiere Zürichs, für Städtebau,    in Städten ist äusserst hybrid – vieles wird online
Verkehr und öffentlichen Raum bedeuten. Wie           mit schneller Anlieferung bestellt, gleichzeitig trifft
können sich Zentren und Quartiere in Zukunft          man sich in der Freizeit gerne in aussergewöhnli-
positionieren? Wird die Innenstadt vornehmlich        chen Shops. Für den städtischen Detailhandel ist
für das Freizeitshopping und als Tourismusziel        vor allem das Überangebot eine grosse Herausfor-
genutzt werden? Wo zeichnen sich Konsequenzen         derung: Der Handel muss sich dort positionieren,
ab, welche die öffentliche Hand, die Detaillisten,    wo das verfügbare Einkommen auch tatsächlich
die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer          ausgegeben wird, wo Kundinnen und Kunden
und die Bevölkerung erkennen und aktiv angehen        einen Kaufentscheid treffen. Die Kundentreue hat
müssen?                                               ausgedient. Zudem muss beim Wandel im Handel
                                                      zwischen Food- und Non-Food-Bereich unterschie-
Je früher Städte diesen Wandel erkennen und neue      den werden – in diesen Bereichen finden aufgrund
Entwicklungen antizipieren, desto besser sind sie     von Logistikanforderungen, aber auch aufgrund
auf die fundamentale Verschiebung des städtischen     der Gewohnheiten der Menschen unterschiedliche
Grundgefüges vorbereitet. Zürich verfügt über         Entwicklungen statt.
besondere Merkmale, die für den Detailhandel

                                                                                                                5
HANDEL IM WANDEL SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE STADT ZÜRICH - Stadt Zürich
DIE STUDIE – EIN DENKMODELL FÜR DEN                    anzugehen. Dabei wird rasch deutlich, dass sie be-      Zürich nicht oder nur schwer beeinflusst werden
    DETAILHANDEL IN ZÜRICH                                 grenzten Einfluss hat. Der Detailhandel ist letztlich   können. Daraus lassen sich Retailtrends und die
                                                           abhängig vom Verhalten der Konsumentinnen und           eigentlichen Treiber für den Wandel im Handel ablei-
    Die vorliegende Studie leistet einen Beitrag dazu,     Konsumenten. Wichtig ist es deshalb, Angebote zu        ten. Diese Retailtreiber sind jene «Stellschrauben»,
    dass in der Stadt Zürich die künftigen Entwicklun-     schaffen, die Konsumentinnen und Konsumenten            mit denen unterschiedlich ausgeprägte Szenarien
    gen im Detailhandel und ihre Auswirkungen auf das      «anlocken» und zur Nutzung vielfältiger städti-         skizziert werden können. Das Strukturmodell darf
    Zentrengefüge der Stadt Zürich frühzeitig erkannt      scher Strukturen einladen, so beispielsweise at-        nicht als Prognosemodell verstanden werden; es ist
    werden. Die nötigen Weichen sollen dort gestellt       traktive und sichere öffentliche Räume, nachhaltige     ein Denkmodell für die Diskussion darüber, welche
    werden, wo dies überhaupt möglich und sinnvoll ist.    Mobilitätsangebote oder flexibel nutzbare Gebäude       Richtung die mit dem Detailhandel verknüpfte
    Im Vordergrund der Studie steht ein Denkmodell für     und vor allem Erdgeschosse.                             Stadtentwicklung einschlagen könnte.
    den Detailhandel. Zusammen mit Fachleuten sind
    Einflussfaktoren und Trends erarbeitet und vertieft    Die vielen Facetten des Wandels im Detailhandel         STRUKTURMODELL
    worden, welche die Entwicklung des Detailhandels       lassen sich in ein Strukturmodell überführen: Darin
    beeinflussen. Daraus wurden Szenarien abgeleitet:      enthalten sind Kontextfaktoren, die durch die Stadt     Die Abbildung rechts zeigt das Denkmodell in
    Es werden wahrscheinliche und unwahrscheinliche,                                                               vereinfachter Form: Es gibt globale und lokale
    wünschbare und nicht wünschbare sowie visionäre                                                                Kontextfaktoren, die Einfluss auf die Entwicklung
    und konservative Möglichkeiten der Entwicklung                                                                 des Detailhandels nehmen. Sie sind nicht oder
    aufgezeigt. Die Studie soll Denkräume öffnen                                                                   kaum beeinflussbar, stellen aber den Rahmen für
    und helfen auszuloten, in welche verschiedenen                                                                 branchenspezifische Entwicklungen dar. Retail-
    Richtungen sich der Detailhandel und damit auch                                                                trends können somit als detailhandelsspezifische
    die Stadt, ihre öffentlichen Räume und ihre Zentren                                                            «Antwort» auf die Kontextfaktoren verstanden wer-
    entwickeln könnten. Ziel war es, zugespitzte, auch                                                             den. Deshalb werden einzelne Begriffe sowohl bei
    übertriebene Szenarien in einer grossen experimen-                                                             den Kontextfaktoren als auch bei den Retailtrends
    tellen Bandbreite zu entwickeln, um das «Undenk-                                                               verwendet. Aus letzteren werden die zentralen Re-
    bare» zu denken und die Diskussion anzuregen.                                                                  tailtreiber abgeleitet. Unterschiedlich ausgeprägte
                                                                                                                   Treiber führen zu unterschiedlichen Szenarien mit
    Der Detailhandel ist in der Stadt Zürich wichtig, da                                                           spezifischen Auswirkungen auf den Handel und den
    er zu einer lebendigen und attraktiven Stadt gehört.                                                           Raum. Auf der Basis dieses Strukturmodells werden
    Aufgrund seiner Bedeutung für die Zentrenstruktur,                                                             Kontext, Trends, Treiber und Szenarien nachfolgend
    die Versorgung und die Mobilität hat die Stadt Zü-                                                             differenziert beschrieben.
    rich ein Interesse, problematische Entwicklungen       Markthalle und Geschäftsstrasse «Im Viadukt».

6
STRUKTURMODELL

                                   WIRKUNG
                                  Raum & Handel
      KONTEXT
                                  Szenario   1
                                  Szenario   2
                                  Szenario   3

   RETAILTRENDS   RETAILTREIBER
                                  Szenario   4
                                  Szenario   5

                                                  7
02 Kontext des wandels
    im detailhandel

    Der Detailhandel wird durch globale und lokale
    Kontextfaktoren beeinflusst. Die sechs aufgeführ-
    ten Faktoren Wirtschaft, Gesellschaft und techno-
    logische Entwicklung (global) sowie Politik, Infra-
    struktur und Raum (lokal) kristallisierten sich im
    Rahmen des Szenarioprozesses heraus. Die Kon-
    textfaktoren werden, wo sinnvoll, in verschiedene
    Aspekte unterteilt und erläutert. Sie verändern sich
    unterschiedlich und beeinflussen sich gegenseitig.

    Die Aufzählung der Kontextfaktoren und ihrer
    Aspekte ist nicht abschliessend, skizziert jedoch
    den Rahmen für Entwicklungen des Detailhan-
    dels. Deshalb werden einzelne Begriffe sowohl bei
    den Kontextfaktoren als auch bei den Retailtrends
    aufgeführt.
                                                           Lifestyle-Shopping in Kreis 4.

8
GESELLSCHAFT
                                                                                                  Technologische
Kontextfaktoren                                                                                   Entwicklung

Global                                                                                                                                               Wirtschaft

  KONTEXTFAKTOR WIRTSCHAFT

  «Die Wirtschaft ist globalisiert und damit auch der      Globalisierung                                            Mieten unter Druck, so dass Chancen für Neues
  Kunde: Er kauft dort seine Ware ein, wo er das fin-                                                                entstehen.
  det, was er will – online, im Ausland als Ferienerleb-   Der Onlinehandel kennt keine Stadt- oder Landes-
  nis oder im kleinen hybriden Shop um die Ecke.»          grenzen. Globale Markenproduzenten bauen direkte          Grenzen des Wachstums
                                                           Kundenbeziehungen und Lieferwege auf. Es ist damit
                                                           zu rechnen, dass ein paar wenige Marktakteure den         Angesichts von Umweltzerstörung, Ressourcen-
                                                           Onlinehandel dominieren werden. Die globalisierte         knappheit und Klimakatastrophen ist schon seit
                                                           Wirtschaft führt aber auch zu globalisierten Kundin-      den 1970er Jahren deutlich geworden, dass ein
                                                           nen und Kunden. So muss der Einkaufstourismus über        nicht nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum
                                                           die Grenze im Kontext des globalisierten Reiseverhal-     infrage zu stellen ist. Bezüglich des Konsums
                                                           tens gesehen werden. Konsum, Freizeit und Reisen          hat diese Erkenntnis bei einigen Menschen zum
                                                           vermischen sich immer mehr. Einkaufen im Ausland          Umdenken geführt. Sie konsumieren weniger oder
                                                           ist nicht allein eine Preisfrage, sondern ein Erlebnis.   bewusster und stellen die Umwelt und das Wohlbe-
                                                           Von diesen Trends können Städte eher profitieren als      finden in den Vordergrund. Dies hat im Bereich des
                                                           ländliche Regionen.                                       Detailhandels auch neue Märkte geschaffen, die
                                                                                                                     heute nicht mehr als Nischenangebote zu bezeich-
                                                           Umgekehrt haben globale Entwicklungen in ande-            nen sind. Aktuell gibt es eine zunehmende Nach-
                                                           ren Branchen Auswirkungen auf den Handel.                 frage nach ökologischen, regionalen und vor Ort
                                                           So verlagert der Bankensektor Arbeitsstellen von          erzeugten Produkten. Im Zuge dieser Entwicklung
                                                           den Innenstädten an den Stadtrand, in andere Städ-        gibt es auch Anstrengungen und Versuche, Verpa-
                                                           te oder ins Ausland. Damit verliert der Detailhandel      ckungen und Abfall zu minimieren und neue nach-
  ShopVille im Hauptbahnhof Zürich:                        in den Innenstädten Kundschaft. Durch den Weg-            haltige Tausch-, Upcycling- und Handelskonzepte
  Verkehrsknoten als Shoppingcenter.                       zug und das grosse Büroflächenangebot kommen              zu etablieren.

                                                                                                                                                                          9
KONTEXTFAKTOR GESELLSCHAFT

     «Demografie und Kaufkraft sind die dominieren-          Individualisierung                                      Ausgaben für Produkte aus dem Gesundheitsbe-
     den Kontextfaktoren – grosse Städte haben hier                                                                  reich in einer Gesellschaft mit steigendem Alters-
     deutliche Standortvorteile.»                            Die Individualisierung in der Gesellschaft, d.h. die    durchschnitt zunehmen werden. Umgekehrt – auf-
                                                             zunehmende individuelle Selbstbestimmung sowie           grund zunehmender körperlicher Einschrän-
     Bei den gesellschaftlichen Faktoren spielt für den      Identitäts- und Sinnfindung, die zu einer Plurali-      kungen – reduzieren sich mit zunehmendem Alter
     Detailhandel in einer Stadt die Kaufkraft der Bevöl-    sierung der Lebensstile führt, hat in den vergan-       die Mobilitätsradien: Kurze Wege und Lieferdienste
     kerung eine grosse Rolle. Die Schere zwischen           genen Jahrzehnten die Grundlage für die Ausdif-         sowie personenbezogene Dienstleistungen neh-
     einkommensschwachen und einkommensstar-                 ferenzierung des Handels- und Konsumangebots            men an Bedeutung zu. Städte haben hier Vorteile
     ken Bevölkerungsschichten geht in Zürich weniger        gelegt. Sich und seinen Lifestyle über Konsum           gegenüber regionalen Zentren und ländlichen Räu-
     auseinander als in anderen europäischen Städten.        und bestimmte Produkte zu definieren, begüns-           men: Viele Seniorinnen und Senioren, die Zeit, sozi-
     Somit ist die sozialräumliche Polarisierung weniger     tigte u.a., dass sich vielfältige, hochspezialisierte   ale Bedürfnisse und Kaufkraft haben, nutzen das
     ausgeprägt. Die hohe Kaufkraft wirkt sich sowohl        Angebote entwickelt haben oder dass der Handel          breite Detailhandelangebot. Ebenso ist zu erwar-
     auf die Discounter wie auf die Fachgeschäfte aus.       mit Erlebnissen verknüpft wird. Der Onlinehandel        ten, dass die Alterung der Gesellschaft in Städten
                                                             erfüllt in diesem Zusammenhang das zunehmen-            wie Zürich weniger ausgeprägt ist als in ländli-
     Migration und Zuwanderung                               de Bedürfnis nach zeit- und ortsunabhängigen Ein-       chen Gebieten. Städte ziehen mehr junge Men-
                                                             kaufsmöglichkeiten und einer sofortigen Bedürf-         schen an, die mit der Digitalisierung aufgewach-
     Wohlstandsunterschiede, Kriegs- und Krisensitua-        nisbefriedigung. Diese Entwicklungen hängen auch        sen sind und keine Berührungsängste gegenüber
     tionen in vielen Teilen der Welt, aber auch Fach- und   mit der Zunahme der Frauenerwerbsquote und              dem Onlinehandel haben, gleichzeitig aber auch
     Arbeitskräftemangel haben zu verstärkter Migra-         von Singlehaushalten zusammen. Bisher hatte der         soziale Bedürfnisse ausleben, Familienverant-
     tion in die Stadt und den Metropolitanraum Zürich       Onlinehandel Nachteile in Bezug auf die sinnliche       wortlichkeiten teilen, externe Kinderbetreuung in
     geführt. Als Arbeitsmarkt bietet der Detailhandel       Wahrnehmung und die Personifizierung der Pro-           Anspruch nehmen und das Einkaufsverhalten dar-
     für Migrantinnen und Migranten Chancen für wenig        dukte. Auch diese Grenzen dürften in Zukunft            auf ausrichten.
     qualifizierte ebenso wie für spezialisierte Tätigkei-   durchlässiger werden.
     ten. Zudem führt die Zuwanderung zu mehr Kon-
     sum und Nachfrage nach Produkten aus aller Welt.        Demografie: Alterung der Gesellschaft
     Eine Besonderheit der Migration ist das Klein- und
     Kleinstunternehmertum. Dieses bietet Arbeits-           Der zunehmende Anteil älterer Menschen wird sich
     plätze, Aufstiegschancen und günstige Nahversor-        auf Detailhandelsangebote auswirken. Seniorin-
     gungsangebote. Migrantische Ökonomien leisten           nen und Senioren leben heute gesünder und sind
     somit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur       dadurch aktiver, unternehmen mehr und pflegen
     gesellschaftlichen Integration.                         mehr Hobbys als früher. Zu erwarten ist, dass die

10
KONTEXTFAKTOR TECHNOLOGISCHER WANDEL

                                                          «Mit innovativen Technologien wird im Grunde           Individuelles und kollektives Wissen und seine
                                                          das Überangebot gemanagt. Dies führt zu einer          Organisation werden zu entscheidenden Wachs-
                                                          starken Reduktion der Verkaufsflächen.»                tumstreibern. Ein wichtiges Kennzeichen der Wis-
                                                                                                                 sensgesellschaft ist, dass möglichst viele Men-
                                                          Digitale Transformation                                schen über Voraussetzungen verfügen, die es
                                                                                                                 ihnen erlauben, das Angebot an Informationen kri-
                                                          Die Digitalisierung greift in immer stärkerem          tisch und uneingeschränkt zu nutzen, um sich ein
                                                          Umfang in das Leben der Menschen ein und beein-        eigenes Urteil bilden zu können – so auch im Detail-
                                                          flusst somit auch den städtischen Raum – etwa,         handel und bei der damit verknüpften Logistik und
                                                          indem sich das Konsumverhalten durch Onlinehan-        Kommunikation.
                                                          del verändert oder das Mobilitätsverhalten per App
                                                          optimiert werden kann. Die noch in den neunziger       Als Folge der voranschreitenden Digitalisierung
Beratungsintensiver Detailhandel mit Erlebnischarakter:   Jahren befürchtete «Verödung des öffentlichen          können sich immer mehr Menschen zudem an
Freizeit- und Outdoorartikel.                             Raumes» durch Informations- und Kommunikati-           der Wissensproduktion und am Wissenskonsum
                                                          onstechnologien hat sich bislang nicht bestätigt.      beteiligen. Davon zeugt eine zunehmende Zahl von
                                                          Im Gegenteil: Zunehmende Digitalisierung, neue         Bewertungswebsites, Shopping Guides mit Insider-
                                                          Informations- und Kommunikationstechnologien           tipps, Youtube-Videos von sogenannten Influen-
                                                          und Entwicklungen wie das «Internet der Dinge»         cern etc., die eine neue Art von Werbung und – auch
                                                          haben das Potenzial, Wertschöpfungsketten sowie        kritisch zu betrachtendes, weil häufig selektives
                                                          Lebens- und Arbeitswelten in den Städten und           – Wissen rund um den Detailhandel produzieren.
                                                          Gemeinden in den kommenden Jahren positiv zu           Auch die Beschäftigten im Detailhandel müssen
                                                          verändern. Neue und zukünftige Entwicklungen, die      den Ansprüchen der modernen Wissensgesell-
                                                          das Eintauchen in virtuelle Realitäten unterstützen,   schaft genügen, sie werden zunehmend von der
                                                          etwa Daten- oder Immersionsbrillen und Irisdis-        Verkäuferin bzw. dem Verkäufer zur Beraterin bzw.
                                                          plays, sind geeignet, die Wahrnehmung von städti-      zum Berater.
                                                          schen Räumen und die Verknüpfung von «echten»
                                                          und digitalen Erlebnissen zu revolutionieren.

                                                          Wissensgesellschaft

                                                          Die Wissensgesellschaft ist eng verknüpft mit dem
Arabischer Imbiss an der Langstrasse.                     Bedeutungsgewinn des Dienstleistungssektors.

                                                                                                                                                                        11
Infrastruktur

     Kontextfaktoren
     Lokal                                                                                                                Raum

                                                                                                                                                                     Politik

     KONTEXTFAKTOR POLITIK                                 KONTEXTFAKTOR INFRASTRUKTUR

     Politische Faktoren und Vorgaben für den Detail-      Der Detailhandel steht in engen und facettenrei-
     handel äussern sich in Bauvorschriften, arbeits-      chen Wechselbeziehungen mit Mobilität und Logis-
     rechtlichen Rahmenbedingungen, Raumplanung,           tik. Technologische Innovationen halten unvermin-
     Verkehrspolitik und Umweltschutz und sind auf ver-    dert Einzug: Vertrieb, Transport und Nähe zu den
     schiedenen Staatsebenen (Bund, Kanton, Gemein-        Kundinnen und Kunden werden neu organisiert.
     den) verortet. Vorgaben und Ziele der Stadtent-       Energiewende und Klimaschutz lösen auch in der
     wicklung, die weiche Standortfaktoren wie hohe        Mobilität umfangreiche Veränderungen aus. Für
     Lebensqualität und gute Wettbewerbsbedingun-          den Verkehr stellt der Onlinehandel eine grosse
     gen gewährleisten, tragen dazu bei, dass Zürich       Herausforderung dar, insbesondere für den Liefer-
     attraktiv für Touristinnen und Touristen, Unterneh-   verkehr auf der «letzten Meile» zum Kunden bzw.
     men und Arbeitskräfte bleibt. Rechtliche Rahmen-      zur Kundin. Der Onlinehandel verdichtet die Logis-
     bedingungen vermögen nicht mit raschen Entwick-       tikketten, die Logistikzentren rücken näher an die
     lungen, wie dies im Handel der Fall ist, Schritt zu   Stadt heran. Für eine Vermeidung von Verkehr wirkt     Städtische Verkehrsinfrastruktur: Mehr Lieferverkehr auf der
     halten: Im Kontrast zu den dynamischen Entwick-       der stationäre Detailhandel als eine wichtige Stell-   «letzten Meile» wegen Onlinehandel.
     lungen im Handel erscheinen die rechtlichen Rah-      schraube – mit kurzen Wegen für Nahversorgung
     menbedingungen wenig die Zukunft antizipierend,       und optimiertem Lieferverkehr.
     zu engmaschig und unflexibel.

12
KONTEXTFAKTOR RAUM

Die Entwicklungen im Detailhandel werden durch         Aufenthaltsqualität und Alleinstellungsmerkmale
Faktoren mit räumlicher Relevanz beeinflusst: Die
räumliche Ausgangslage in verschiedenen Quar-          Im Gegensatz zum Onlinehandel ist der stationäre
tierstypen, die entsprechenden Mieten, Verfüg-         Detailhandel auf gute Erreichbarkeit angewiesen:
barkeiten und Nutzungsmöglichkeiten, aber auch         Entweder vom Öffentlichen Verkehr oder aus dem
Standortfaktoren wie Aufenthaltsqualität oder städ-    Parkhaus direkt ins attraktiv gestaltete Shopping-
tebauliche und topografische Alleinstellungsmerk-      center oder zu Fuss auf sicheren Wegen durch eine
male von Detailhandelsstandorten bilden den            attraktive Innenstadt und das Quartier – immer
räumlichen Kontext, in dem Handel in der Stadt         spielen die Zugangsmöglichkeiten eine grosse Rol-
stattfindet.                                           le. Die Aufenthaltsqualität im Umfeld von Detail-
                                                       handelsstandorten ist darüber hinaus ein wichtiger
Verfügbarkeit                                          Standortfaktor für den Handel, denn sie trägt dazu      Altstadt Zürich: Kleinteilige Mischung von Detailhandel
                                                       bei, dass Kundinnen und Kunden vor oder nach            und Gastronomie.
Flächen für den Detailhandel in Zürich sind nicht      dem Einkauf noch verweilen, mehr konsumieren
knapp. Das Angebot hat sich in den letzten Jahren      oder den Einkauf mit anderen Tätigkeiten verknüp-
aufgrund der regen Bautätigkeit und dem Wunsch         fen. Eine wichtige Rolle dabei spielen für Fussgän-
nach attraktiven Erdgeschossflächen stark ver-         gerinnen und Fussgänger sowie Velofahrerinnen
grössert. Die Verfügbarkeit ist jedoch von der Lage,   und -fahrer, sichere und attraktive Strassen und
der Erschliessung und den Mieten abhängig. Gene-       Plätze mit Sitz- und Velo-Abstellmöglichkeiten, viel-
rell nimmt der Flächenbedarf des Detailhandels ab.     fältige ergänzende Nutzungsangebote, aber auch
Derzeit zählen Monobrand-Stores von vertikal inte-     Kunst und Kulturveranstaltungen im öffentlichen
grierten globalen Detailhändlerinnen und -händ-        Raum. Der öffentliche Raum übernimmt zuneh-
lern, nationale Lebensmittel-Grossverteiler und        mend eine Rolle als «Bühne» der Einkäuferinnen
Traditionsgeschäfte zu den Gewinnern. Verlierer        und Einkäufer. Hierbei dienen markante Gebäude
sind nicht spezialisierte Geschäfte, Läden mit Kun-    und städtebauliche Strukturen sowie landschaftli-
denstamm, günstige Multibrand-Stores, nationa-         che Besonderheiten, in Zürich etwa der See oder die
le Modeketten und günstige Warenhäuser. Sie sind       Limmat, als wichtige Hintergrundfolien.
aufgrund ihres Angebots, ihrer Grösse oder ihrer
Standorte für Kundinnen und Kunden nicht mehr
attraktiv.                                                                                                     Zürich West: Erlebnisgastronomie im urbanen Garten.

                                                                                                                                                                         13
03 retailtrends

     Retailtrends entstehen unter den Rahmenbedin-
     gungen der globalen und lokalen Kontextfaktoren.
     Sie sind somit als detailhandelsspezifische «Ant-
     wort» auf die Kontextfaktoren zu verstehen.

     Aufgrund der sich stark verändernden Kontext-
     faktoren wird die aktuelle Situation des Detailhan-
     dels durch eine Vielzahl von Trends geprägt. Diese
     Trends lassen sich in die Kategorien digitale Trans-
     formation, Kundenorientierung und Wertewan-
     del gliedern. Viele der Trends – von denen nur eine
     Auswahl beschrieben werden kann – ergänzen und
     verstärken sich.
                                                            Zürich West: Unkonventionelle Detailhandelsstandorte.

14
RETAILTRENDS
IN DREI HAUPTKATEGORIEN                                                                 Hippe Quartiere
                                                                Convenience

                                                                                Kunden-
                                                                                                     Pop-up
                                                                              orientierung
                                                           Städtetourismus

                                                                                        Erlebnisorientierung

              Regionale Kreisläufe

                                           Neue Ökologie
                                                               HANDEL
                               Werte-                            IM
          Gesundheit
                               wandel                          WANDEL
                                                                                                      Onlinehandel

                Swissness
                                     Sharing Economy
                                                                     Virtual Reality         Digitale
                                                                                         Transformation

                                                                                                              Automatisierung
                                                                                Internet der Dinge

                                                                                                                                15
Digitale
     Transformation
                                                                                                                                          «Der Quartierladenbesit-
                                                                                                                                          zer kennt seine Kunden –
                                                                                                                                          Zalando kennt seine Kun-
                                                                                                                                          den dank Big Data auch.»

     Die Digitalisierung beeinflusst in zunehmendem
     Masse alle Lebensbereiche. Für den Detailhandel
     ergeben sich zahlreiche Schnittstellen zur digita-
     len Transformation, allen voran natürlich im Bereich
     des Onlinehandels, aber auch in Produktion und
     Logistik. Die sich rasant weiterentwickelnden Mög-
     lichkeiten im Bereich der virtuellen Realität werden
     das Einkaufs- und Freizeitverhalten der Menschen
     in den kommenden Jahren stark beeinflussen und
     eine breite Palette von neuen Shoppingerlebnissen
     bieten.
                                                            Selfscanning Kassen im Supermarkt: Automatisierung soll Effizienz steigern.

16
Internet der Dinge                                       Onlinehandel

Das «Internet der Dinge» bezeichnet die Verknüp-         Der Onlinehandel bezeichnet Verkaufsvorgänge im         und in Echtzeit wahrnimmt, ohne vor Ort zu sein.
fung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte      Internet. Einkäufe, die über kombinierte Formen         Das ganze Ladensortiment, auch die visuelle
mit einer virtuellen Repräsentation in einer internet-   von Online- und stationärem Handel erfolgen, etwa       Erfahrbarkeit, verlagert sich in die Wohnung bzw. an
ähnlichen Struktur. Es beschränkt sich nicht auf         durch Bestellung nach dem Austesten des Produkts        jeden beliebigen Ort.
Personen, sondern erstreckt sich auch auf Dinge. So      in einem Showroom, werden als Multi- bzw. Cross-
sind Alltagsgegenstände im Haushalt mit dem Inter-       Channel-Handel bezeichnet. Der Onlinehandel weist       Automatisierung
net im Dialog. Sensoren registrieren das Verhalten       in der Schweiz noch keine tiefe Marktdurchdringung
(z.B. in Bezug auf die Gesundheit) oder den Zustand      auf, ähnlich wie in Schweden, Frankreich und den        Die Digitalisierung treibt auch die Automatisie-
von Dingen (z.B. Kühlschrank), senden die Daten an       Niederlanden. Der Anteil des Schweizer Onlinehan-       rung voran und betrifft im Handel etwa Self-Scan-
einen Cloud-Server und organisieren nötige Mass-         dels ist in den verschiedenen Sparten sehr unter-       ning und Self-Checkout-Systeme, die Zusammen-
nahmen (z.B. Arzttermin oder Food-Lieferung). Die-       schiedlich: Im Food-Bereich ist er marginal; hier ist   stellung von Bestellungen in Logistikzentren etc.
se Form des «Eigenlebens» könnte enorme Aus-             momentan nur ein geringes Wachstum zu beob-             Konsumentinnen und Konsumenten profitieren
wirkungen auf den Detailhandel haben – ob positiv        achten. Innerhalb des Non-Food-Bereichs ist der         von kürzeren Wartezeiten, und Händlerinnen und
oder negativ, ist noch offen.                            Onlineanteil verschieden gross, jedoch stark wach-      Händler kommen mit weniger Personal aus. Durch
                                                         send. Trotz dieser unterschiedlichen Verhältnis-        neue technische Möglichkeiten hat die Automati-
                                                         se ist unbestritten, dass das Wachstum im Online-       sierung in Zukunft das Potenzial, nicht nur einzelne
                                                         handel zulasten des stationären Handels geht. Wie       Arbeitsschritte zu ersetzen, sondern ganze Prozes-
                                                         rasch der Veränderungsprozess vonstatten geht,          se und Ladenkonzepte neu zu definieren. Automa-
                                                         hängt auch davon ab, wie viel die digitale Trans-       tische Erkennung von Produkten und individuel-
                                                         formation den Detailhandel kostet, wie sich die         len Kundinnen und Kunden kann dazu führen, dass
                                                         Anforderungen an die Ausbildung des Personals           sich der Einkauf komplett ohne Personal abwickeln
                                                         verändern und wie rasch Innovationen eingeführt         lässt. Bezahlt wird automatisch beim Verlassen des
                                                         werden.                                                 Ladens. Die Funktionen des Personals beschränken
                                                                                                                 sich auf beratende Aktivitäten. Kritikerinnen und
                                                         Virtual Reality                                         Kritiker befürchten deshalb einen starken Perso-
                                                                                                                 nalabbau im Detailhandel. Optimistische Stimmen
                                                         Mittels Virtual Reality könnten Produkte und Dienst-    betonen dagegen, dass neue Arbeitsplätze im IT-
                                                         leistungen des Detailhandels so präsentiert wer-        Bereich des Detailhandels geschaffen werden.
                                                         den, dass die Kundschaft das Angebot und seine
                                                         physikalischen Eigenschaften wirklichkeitsgetreu
Nicht mehr ferne Zukunft: Warenbestellung im Internet
direkt per Display am Kühlschrank.

                                                                                                                                                                        17
KUNDEN-
     ORIENTIERUNG
     Im stationären Handel verändert sich die Kunden-        der stationäre Handel der Konkurrenz des Online-
     bindung. Der Handel wird mobil, ist dort, wo die Kun-   handels neue Strategien entgegensetzen muss,
     dinnen und Kunden sind: im Szenequartier, beim          um die Konsumentinnen und Konsumenten in den
     Pendeln im öffentlichen Nahverkehr, in der Nähe         Laden zu locken. Das Einkaufserlebnis kann das
     anderer Dienstleistungen. Schnittstellen zwischen       Aktivieren aller Sinne ermöglichen – Musik, Gerü-
     Detailhandel, Gastronomie, Gesundheit und Well-         che, das Sehen und Berühren des Produkts selbst
     ness werden intensiviert und zu hybriden Angebo-        oder das Schmecken einer Kostprobe sind Bei-
     ten ausgebaut. Der Detailhandel schafft ein sozia-      spiele, wie aus einem simplen Einkauf ein Erlebnis
     les Umfeld und stellt Emotionalität her. Neben dem      gemacht werden kann. Weitere Möglichkeiten, das       Veloverkauf und -reparatur mit Café:
                                                                                                                   Hybride Detailhandelskonzepte.
     Einkaufen als Erlebnis wird es das effiziente Besor-    Einkaufen zum Erlebnis zu machen und die Marken-
     gen alltäglicher notwendiger Güter und Dienstleis-      bindung zu steigern, sind Detailhandelskonzepte,
     tungen jedoch weiterhin geben.                          die Freizeit- und Gastronomieangebote in die Läden
                                                             integrieren, etwa Buchläden mit Café oder Sport-
     Erlebnisorientierung                                    und Outdoorgeschäfte mit Kletterwand etc. Um das
                                                             Überleben zu gewährleisten, muss ein stationä-
     Das Erlebnis des Einkaufs und die emotionale Bin-       rer Anbieter bzw. eine Anbieterin der Kundin bzw.
     dung zu einer Marke oder einem Produkt haben seit       dem Kunden einen klaren Mehrwehrt gegenüber
     einigen Jahren an Bedeutung gewonnen. Dieses            dem Onlinehandel bieten – einzigartige Erlebnis-
     Phänomen ist nicht erst zu beobachten, seitdem          se sind hier ein wichtiger Faktor. Vermehrt entste-
                                                             hen auch Konzepte, die den stationären Handel als
                                                             Showroom und Testfläche sehen, in dem Produkte
     «Früher war der Kunde froh,                             erlebnisorientiert ausprobiert werden können. Der
     wenn er im Laden das fand, was                          eigentliche Kauf erfolgt danach über das Internet.
     er suchte. Heute ist der Händler                                                                              Grossflächige Fachmärkte, die traditionell im Umland an-
     froh, wenn er das anbieten kann,                                                                              gesiedelt sind, experimentieren mit temporären innerstäd-
     was der Kunde sucht.»                                                                                         tischen Erlebnisstandorten.

18
Convenience                                               Hippe Quartiere

Angesichts zunehmender Erwerbsquoten beider               Ergänzend zu den bestehenden Detailhandelszen-         sind. Der Tourismus ist auch in Zürich ein wichti-
Geschlechter, oft hohen Ansprüchen am Arbeits-            tren in der Innenstadt entstehen in sogenannten        ger Wirtschaftsfaktor. Die ca. 120 Hotelleriebetrie-
platz, vielfältiger Freizeitbedürfnisse etc. sind die     Trendquartieren zusätzliche Identifikations- und       be der Stadt verzeichnen jährlich rund drei Milli-
Erwartungen an bequemen und schnellen Konsum              Treffpunkte. Die Versorgungsfunktion des Detail-       onen Logiernächte von Gästen aus dem In- und
in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Teilferti-      handels ist hier geringer ausgeprägt als in den tra-   Ausland. Durch die Aktivitäten einer wachsenden
ge oder verzehrfertige Lebensmittel sind ein wichti-      ditionellen Zentren, eine wichtigere Rolle spielen     Anzahl von Besucherinnen und Besuchern entste-
ger Bestandteil dieser Entwicklung, ebenso wie «to        der Erlebnischarakter und die Kopplung des Ein-        hen neue Ansprüche und Anforderungen an den
go»-Produkte. Sinnbildliche Orte der Convenience          kaufens mit anderen Nutzungen wie Gastronomie,         Stadtraum, etwa in Bezug auf Aufenthaltsqualitäten
sind die grossen Verkehrsknoten – Flughäfen und           Kultur, Märkten bzw. daraus entstehenden Hyb-          öffentlicher Räume, Unterkünfte und Gastronomie,
Bahnhöfe – die zunehmend als neue Marktplätze             ridnutzungen. Dass diese «hippen Quartiere» an         städtische Infrastrukturen und Sehenswürdigkei-
genutzt werden. Der HB Zürich ist mit bis zu 500’000      Orten mit hoher städtebaulicher Qualität entstehen,    ten. Darüber hinaus bringt der Tourismus zusätzli-
Passantinnen und Passanten täglich der meist fre-         an Orten, die durch schöne Plätze, durch histori-      che Kaufkraft in die Stadt, wodurch v.a. in den tou-
quentierte Ort der Schweiz und hat aufgrund libera-       sche Markthallen, durch kleinteilige Bebauungs-        ristisch interessanten Gebieten der Detailhandel
ler Öffnungszeiten 365 Tage im Jahr geöffnet. Kein        und Nutzungsstrukturen sowie durch die Abwesen-        gestärkt werden kann. Ein sehr stark wachsender
anderes Shoppingcenter kann da mithalten. Aber: Die       heit grosser Filialisten, Supermärkte, Fachmärkte      Städtetourismus kann aber auch negative Folgen
Atmosphäre und die dichten Menschenströme laden           etc. geprägt sind, zeigt, wie wichtig den Menschen     wie Emissionen, Belastung durch Müll und steigen-
kaum zum Verweilen ein. Für Shops mit einem Pro-          diese Qualitäten sind. Diese zusätzlichen attrakti-    de Mieten für den ansässigen Detailhandel haben.
duktangebot, das zu Impulskäufen verleitet, kann          ven Orte in Trendquartieren entwickeln und verän-
die oft knappe Zeit hier ein grosser Vorteil sein.        dern sich mit einer grossen Dynamik. Sie reflektie-
                                                          ren, dass Konsumentinnen und Konsumenten auch
Pop-up und temporäre Nutzungen                            weiterhin äusserst differenzierte Präferenzen im
                                                          Einkaufsverhalten haben werden und sich nicht nur
Unternehmen und Marken mieten vorübergehend               über die Produkte, die sie kaufen, definieren, son-
leere Lokale, um ihre Marke voranzubringen, neue          dern auch über die Orte des Konsums.
saisonale Produkte vorzustellen oder ihre Onlinekun-
dinnen und -kunden kennenzulernen. Zentral für den        Städtetourismus
Erfolg dieser Konzepte ist die sogenannte «fear of
missing out»2 und die Exklusivität, die aus der zeitli-   In vielen Städten Europas hat der Städtetourismus
chen Begrenztheit entsteht. Für Besitzerinnen und         in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung
Besitzer einer Liegenschaft bieten Pop-up-Stores          gewonnen – insbesondere seitdem kurze Städte-
den Nebeneffekt, dass die Immobilie durch originelle      reisen durch preisgünstige Fluglinien für immer        Kombination von Gastronomie und hoch spezialisiertem
Geschäftsideen positive Aufmerksamkeit erhält.            grössere Bevölkerungsgruppen möglich geworden          (Lebensmittel-)Handel: Markthalle im Viadukt.

2
 Angst von Konsumentinnen und Konsumenten,
etwas zu verpassen.                                                                                                                                                     19
Wertewandel                                                                                                «Jeder Trend hat auch einen Gegen-
                                                                                                                trend – wieder mehr Qualität,
                                                                                                                Markentreue und Personifizierung.»

     In Bezug auf den Konsum ist in den vergangenen
     Jahren ein Wertewandel zu beobachten. Nachhal-
     tige und regionale Produkte gewinnen an Bedeu-
     tung für Konsumentinnen und Konsumenten, die
     sich dies leisten können. Emotionalität hat die Aus-
     richtung des Handels auf den blossen Erwerb von
     Notwendigkeiten schon lange ersetzt. Wichtiger
     als die Grösse der Auswahl ist die Qualität der Aus-
     wahl. Die Wertigkeit der Produkte, ihre Ausrichtung
     auf Wohlbefinden und Nachhaltigkeit sind Teil des
     Lebensstils, des persönlichen Images, das nach
     aussen getragen wird.

     Gleichzeitig haben Effizienz und Verfügbarkeit hohe
     Priorität. Läden und Onlineplattformen mit kleiner,
     aber personifizierter Auswahl werden immer belieb-
     ter. Der stationäre wie der digitale Detailhandel
     stärken ihre Sortimentsfunktion.
                                                            Alltäglicher Einkauf wird zum Erlebnis: Sihlcity.

20
Regionale Kreisläufe                                     Neue Ökologie                                            Swissness

Seit Jahren zeichnet sich ein Wandel ab: Viele Kun-      Das wachsende Bedürfnis nach einer ökologischen          Swissness steht für Authentizität, Heimat, Traditi-
dinnen und Kunden haben ein verstärktes Bedürf-          Art des täglichen Konsums führt dazu, dass ver-          on, hohe Qualität, Nähe zur Natur, aber auch Inno-
nis nach gesunden, naturnah produzierten Lebens-         schiedene neue Ladenkonzepte und Bewegungen              vation. Diese Werte können sich auf Produkte und
mitteln, deren Herstellung auf Mensch und Umwelt         entstehen, die dieser Nachfrage Rechnung tragen.         Dienstleistungen übertragen, wenn sie mit Swiss-
Rücksicht nimmt. Der Lebensmittelhandel der              Neben den seit Jahrzehnten bestehenden Bioläden          ness vermarktet werden. Sie erhalten dadurch
Zukunft reagiert auf einen Bedarf an Wochenmärk-         (zunehmend durch Grossverteiler geprägt) wächst          einen Mehrwert, mit dem sie sich von anderen Pro-
ten mit Nahrungsmitteln von Bauernhöfen aus der          die Community, die sich dem sogenannten Zero             dukten und Dienstleistungen abgrenzen.
Region. Der Trend hin zum Lokalen ist als Gegen-         Waste Lifestyle verschrieben hat, der überflüssige
bewegung zum Konsum von einheitlichen, globa-            Verpackungen vermeidet. Verkauft werden Lebens-          Gesundheit
len Marken und Produkten sowie aus einer Hin-            mittel wie Gemüse, Früchte, trockene Lebensmittel,
wendung zu Fragen der Nachhaltigkeit heraus zu           aber auch Haushaltswaren, ohne dass dabei Abfall         Viele Angebote aus dem Gesundheitssektor können
verstehen. Die konsequente Umsetzung des Wun-            durch überflüssige Verpackungen anfällt. Ebenfalls       (noch) nicht ins Internet abwandern, weil der per-
sches nach regionalen Lebensmitteln würde jedoch         entstehen Start-ups und kleinere Detailhändler, die      sönliche «analoge» Kontakt mit der Kundin bzw.
bedingen, dass die Kundin bzw. der Kunde das Kon-        mit neuen Konzepten der Lebensmittelverschwen-           dem Kunden essenziell ist. Im Gegenteil: Im Zuge
sumverhalten konsequent ändern und vor allem             dung entgegenwirken.                                     der gesellschaftlichen Alterung nimmt die Bedeu-
das Sortiment der gekauften Früchte und Gemüse                                                                    tung von professioneller und individueller Beratung
stark einschränken müsste.                               Sharing Economy                                          zu (Gesundheitschecks, Ernährungsberatung,
                                                                                                                  Impfungen, Anti-Aging, Körperpflege etc.). Das
                                                         Der Einfluss der Sharing Economy auf den Detailhan-      stationäre Angebot ist nach wie vor breit: Gesund-
                                                         del ist aktuell nicht ganz so prägend wie in ande-       heitszentren, Apotheken, Drogerien, Wellness- und
                                                         ren Branchen wie zum Beispiel in der Hotellerie.         Fitnesscenter, Sport, Kurse, private Anbieterin-
                                                         Verkaufsplattformen wie Ricardo und Ebay werden          nen und Anbieter (Massage, Yoga etc.). Werte wie
                                                         dennoch genutzt. Sharing Economy ist in vier Teil-       «Nachhaltigkeit», «Ursprünglichkeit» und «Ganz-
                                                         bereiche unterteilt: Rezirkulation von Gütern in den     heitlichkeit» wirken sich positiv auf den Verkauf
                                                         Marktkreislauf, Erhöhen der Nutzung langlebiger          von Bio-, Fair- und Wellnessprodukten aus. Hier
                                                         Gebrauchsgüter, Austausch von Dienstleistungen           können hybride Konzepte ihre Vorteile ausspielen:
                                                         und Teilen von Produktivgütern. Für den Detailhan-       Onlineeinkauf kombiniert mit Nutzung eines perso-
                                                         del ist vor allem der erste Teilbereich von Bedeutung.   nifizierten Wohlfühlangebots.
                                                         Verkaufsplattformen ermächtigen Endnutzerinnen
                                                         und Endnutzer, als Händlerinnen und Händler aufzu-
                                                         treten und in Kontakt mit anderen Konsumentinnen
Konzepte gegen die Überfluss- und Wegwerfgesellschaft.   und Konsumenten zu treten.

                                                                                                                                                                        21
04 Raumtypen
                                                                                                                                  INNENSTADT
     Innenstadt, Subzentren, Mobilitäts-Hubs wie Bahn-    Menschen, die eingeschränkt mobil sind. Aus die-       In der Innenstadt treffen alle wichtigen Verkehrs-
     höfe und andere wichtige Verkehrsknotenpunkte,       ser vielfältigen und komplexen Zentrenstruktur         und Versorgungswege sowie bedeutende Handels-,
     Quartierzentren und Shoppingcenter bilden in         ergibt sich, dass sich die Trends im Detailhandel in   Dienstleistungs- und Verwaltungsstrukturen auf-
     Zürich eine polyzentrale Zentrenstruktur.            unterschiedlichen Gebieten unterschiedlich auswir-     einander. Den Kern der Zürcher Innenstadt bildet der
                                                          ken. Shoppingcenter mit grossen, internationalen       Kreis 1. Die Bahnhof- und Löwenstrasse, der Renn-
     In diesen verschiedenen Typen von Zentren las-       Filialisten können beispielsweise anders auf den       weg und die Altstadt links der Limmat sowie das Nie-
     sen sich in Bezug auf den Detailhandel ganz unter-   zunehmenden Onlinehandel reagieren als altein-         der- und Oberdorf stellen die Zürcher High Streets dar,
     schiedliche Bedürfnisse erfüllen – von der eng-      gesessene Händlerinnen und Händler in Quartier-        d.h. innerstädtische Toplagen des Detailhandels mit
     maschigen Nahversorgung bis hin zum Einkauf von      zentren. Für die Entwicklung der Szenarien bietet      internationaler Ausstrahlung.
     hochwertigen, spezialisierten Produkten – und sie    sich also eine räumliche Differenzierung der Einzel-
     übernehmen im gesamtstädtischen Gefüge jeweils       handelsstrukturen nach verschiedenen stadträum-        Der Hauptbahnhof hat sich zu einem Hybrid aus
     unterschiedliche, spezifische Aufgaben.              lichen Typen und Marktsegmenten an.                    Mobiltäts- und Detailhandelszentrum entwickelt.
                                                                                                                 Daneben bilden Warenhäuser wie Manor, Jelmoli
     Diese Struktur entspricht heute der Stadt der kur-   Die Raumtypen müssen für die Szenarienentwick-         und Globus weitere konzentrierte Detailhandels-
     zen Wege und ermöglicht die Teilhabe auch von        lung in ihrer heutigen und zukünftigen Funktions-      standorte. Westlich angrenzend an den Hauptbahn-
                                                          weise und Wechselwirkung betrachtet werden.            hof bilden urbane Quartiere wie die neue Europa-
                                                                                                                 allee, das Langstrassenquartier oder der vordere
                                                                                                                 Kreis 5 weitere kleinteilige Detailhandelsstruk-
                                                                                                                 turen mit spezifischen Schwerpunkten, darunter
                                                                                                                 ethnisches Gewerbe und Design. Hier haben sich
                                                                                                                 Geschäftsverbünde wie «Kreislauf 4+5» und «Tribe-
                                                                                                                 ka» gegründet, die gemeinsames Marketing für die

22
QUARTIERZENTREN
inhabergeführten Läden und Gastronomiebetriebe                                                               Shoppingerlebnis verbinden, was durch das Park-
organisieren. Vorteilhaft ist der Nutzungsmix mit                                                            platzangebot zusätzlich erleichtert wird. Grosse
kulturellen Institutionen, Fach- und Hochschulen                                                             Einkaufszentren stellen eine Konkurrenz für den
sowie öffentlichen Verwaltungen.                                                                             Detailhandel in der Stadt dar, wodurch die Innen-
                                                                                                             stadt, die Sub- und Quartierzentren geschwächt
                                                      Zürich besteht aus vielfältigen Quartieren, die sich   werden können. Auf der anderen Seite reicht die
                                                      hinsichtlich ihrer Lage sowie ihrer Gebäude- und       Erneuerung von Shoppingcenter heute oftmals
                  SUBZENTREN                          Bevölkerungsstruktur stark unterscheiden: In der
                                                      inneren Stadt finden sich urbane Quartiere mit
                                                                                                             nicht aus – sie müssen sich neu erfinden. Insbe-
                                                                                                             sondere die älteren Shoppingcenter stehen vor
                                                      einer dichten Wohnbebauung (z.B. Wipkingen) und        grossen Herausforderungen.
Innerhalb des städtischen Zentrensystems decken       teilweise historischen Ortskernen. Am Stadtrand
Sub- oder Stadtteilzentren mit Anschluss an einen     sind in den vergangenen 20 Jahren neue Quartie-
ÖV-Knotenpunkt den kurzfristigen bis periodischen
Bedarf ab. Subzentren in Zürich sind Oerlikon und
                                                      re entstanden, z.B. Neu-Oerlikon. Quartierzentren
                                                      bilden den sozialen und wirtschaftlichen Schwer-
                                                                                                                                 UMLAND
Altstetten. Subzentren leisten einen wichtigen Bei-   punkt eines Quartiers, der sich durch Eigenschaf-
trag zur Entwicklung einer polyzentralen Stadt-       ten wie hohe Nutzungs- und Versorgungsdichte,
struktur, die Entwicklungsdruck von der Innenstadt    publikumsorientierte Nutzungen, hohes Passan-          Das Umland ist geprägt durch regionale Zentren
nimmt, etwa in Bezug auf das Verkehrsaufkommen        tenaufkommen längs und quer zu zentralen Quar-         rund um Bahnhöfe, Shoppingcenter und Logistik-
und Pendlerströme. Zudem wird dadurch die Nah-        tierstrassen auszeichnet. Gebiete ausserhalb der       standorte. Ortszentren erfüllen die Funktion von
versorgung in weiten Teilen der Stadt verbessert.     Nahversorgungszentren müssen im Vergleich dazu         Quartierzenten und stehen vor gleichen Herausfor-
                                                      mit wenig Laufkundschaft auskommen.                    derungen wie diese. Im Umland gibt es viel Poten-
                                                                                                             zial für Verdichtung. Teilweise wandern Arbeits-
                  MOBILITÄTS-HUBS                                                                            plätze im Dienstleistungssektor an den Stadtrand,
                                                                                                             d.h., es entstehen neue Chancen für den Detail-

                                                                          SHOPPINGCENTER
                                                                                                             handel auch in umliegenden Gemeinden der
Mobilitäts-Hubs sind wichtige Verkehrsknotenpunk-                                                            Agglomeration.
te wie der Hauptbahnhof, die Bahnhöfe Altstetten,
Oerlikon und Stadelhofen, die Stationen Hardbrücke
und Stettbach, die den öffentlichen Nah-, Regional-   Shoppingcenter wie Letzipark, Sihlcity und das an
und Fernverkehr mit anderen Verkehrsarten, v.a.       der Stadtgrenze liegende Glattzentrum bieten auf
Fuss- und Veloverkehr verknüpfen. Auch der Flug-      kompaktem, überschaubarem Raum eine gros-
hafen gehört zu diesem Raumtyp. Je nach Innovati-     se Angebotsvielfalt. Besonders wichtige Kunden-
onskraft im Verkehrs- und Logistikbereich könnten     magnete sind grosse Lebensmittelhändler. Der
auch neue Formen von Mobilitäts-Hubs entstehen.       Lebensmitteleinkauf lässt sich ideal mit einem

                                                                                                                                                                 23
05 RETAILTREIBER
     Von den drei Themengruppen der Retailtrends
     (Kundenorientierung, Wertewandel und digitale                                     Stationär         Digital
     Transformation) wurden drei Treiber abgeleitet,              VERTRIEBSWEGE
     welche die Entwicklung des Detailhandels beein-
     flussen. Diese Treiber können sich zwischen gegen-
     sätzlichen Polen bewegen. Sie betreffen die The-                                  Wertig      Preisbewusst
     menbereiche Vertriebswege (von stationär bis                  KOSTEN & QUALITÄT
     digital), Kosten und Qualität (von wertig bis preis-
     bewusst) sowie die Retailmotivation (von Erleb-
     nis- bis effizienter Alltagseinkauf). Die Ausprägung                              Erlebnis           Alltag
     der Treiber in Richtung des einen oder anderen Pols
     bestimmt die Rahmenbedingungen für die Szena-
     rien. Die folgenden Abbildungen der Regler erläu-
                                                            !?     RETAILMOTIVATION

     tern die unterschiedlichen Ausprägungen der Trei-
     ber. Mit gelben Balken werden die Ausprägungen
     angezeigt.

                                                            ihre Bestellung
                                                            wird geliefert!

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Vertriebswege
  ZWISCHEN STATIONÄR UND DIGITAL

Stationär                                     Digital     Stationär                                    Digital

  Traditionell ist der Handel in Stadtzentren und Quar-     Vertriebswege für den Detailhandel werden zuneh-       Menschen richtet, wird also immer grösser. Durch
  tieren stationär. Inhabergeführte Läden und Filialis-     mend ins Internet verlagert. Der Onlinehandel          technologische Fortschritte werden gleichzeitig die
  ten dominieren hier das Bild. Wichtige Pluspunkte         kommt vielen Kundenbedürfnissen entgegen, er           Vorteile des stationären Handels infrage gestellt:
  des stationären Handels sind Face-to-face-Kunden-         funktioniert heute schnell, einfach und bequem,        Body-Scanner, personifizierte Lifestyle-Angebote,
  kontakte und Beratung, auch das Aus- und Anpro-           zunehmend wird auch die Lieferung frischer Pro-        Virtual- und Augmented-Reality schaffen neue Mög-
  bieren, Fühlen, Testen und Riechen von Produkten          dukte möglich. Dadurch steht jedoch der Lieferver-     lichkeiten der Kundenbindung und des Austestens
  und Gütern sind trotz technologischer Innovatio-          kehr vor grossen Herausforderungen: Viel Lieferver-    von Produkten.
  nen im stationären Handel noch immer besonders            kehr entsteht; v.a. für die «letzte Meile» hin zum
  gut und direkt möglich. Der stationäre Handel war in      Kunden bzw. zur Kundin gilt es, innovative und kos-
  den vergangenen Jahrzehnten stark von Flächen-            tensparende Konzepte zu entwickeln. Dafür kön-
  expansion, Konzentrationsprozessen und Filiali-           nen neue kleine Verteilzentren und Abholstatio-
  sierung gekennzeichnet. Für die Zukunft werden            nen notwendig werden; noch in der Planungs- oder
  eher Flächenabnahme und eine Renaissance loka-            Experimentierphase befinden sich neue Trans-
  ler, unterschiedlicher Anbieter prognostiziert, die       portinfrastrukturen wie unterirdischer Gütertrans-
  auf mehr Direktvertrieb, weniger Zwischenhandel           port, Drohnen oder selbstfahrende Lieferfahrzeuge.
  und sehr frische Produkte setzen. In den Quartie-
  ren kann es neue stationäre Micro-Hubs geben, die         Zunehmen wird der Onlinehandel auch aus demo-
  vielfältige Angebote aus den Bereichen innovative         grafischen Gründen: Die Babyboomer werden Silver
  Belieferungsformen, Abholen von Paketen, Gastro-          Shopper, die Digital Natives kommen ins kaufkräf-
  nomie und Coworking bieten («Tante Emma 2.0»).            tige Alter. Der Markt, der sich an digital-erfahrene

                                                                                                                                                                         25
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