HANDEL IM WANDEL SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL SZENARIEN FÜR DEN DETAILHANDEL UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE STADT ZÜRICH - Stadt Zürich
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IMPRESSUM Auftraggeber Bildnachweise und Zitate Stadt Zürich Alle Illustrationen: Stadtentwicklung Urban Catalyst GmbH / Lena Lauermann Stadthausquai 17 Postfach, 8022 Zürich Fotos: Urban Catalyst GmbH / Cordelia Polinna (alle 2017) Foto S. 12, Stadtentwicklung Zürich Auftragnehmer Alle Zitate stammen aus den Round-Table-Diskussionen am 1. synergo Mobilität - Politik - Raum GmbH und 6. Juni 2017 Dr. Walter Schenkel Grubenstrasse 12 8045 Zürich Druck und Papier www.synergo.ch ROPRESS Druckerei, Zürich Urban Catalyst GmbH Anna Bernegg, Lena Lauermann, Umschlag: Cocoon weiss matt FSC + 200 gm² Dr. Cordelia Polinna Inhalt: Cocoon weiss matt FSC + 120 gm² Glogauer Strasse 6 FSC Recycled Credit 10999 Berlin www.urbancatalyst-studio.de Zürich, Berlin 2017
INHALT Vorw ort 2 03 Re ta il tre n ds 14 06 Sz enari en 28 Stadt der Zukunft – Handel im Wandel 2 Digitale Transformation 16 Szenario 1: Back to the roots 30 Kundenorientierung 18 Szenario 2: On the way 34 Wertewandel 20 Szenario 3: Hybrid 38 Szenario 4: Digital Paradise 42 0 1 A u s g an g s l a g e 4 04 Ra umtyp e n 22 Szenario 5: Brutal Digital 46 Detailhandel im Umbruch 4 Innenstadt 22 Bedeutung für die Stadt Zürich Die Studie – ein Denkmodell für den 5 Subzentren Mobilitäts-Hubs 23 23 07 Au sbli ck 50 Detailhandel in Zürich 6 Quartierzentren 23 Auswirkungen und Herausforderungen 52 Strukturmodell 7 Shoppingcenter 23 Denkanstösse für die weitere Diskussion 56 Umland 23 02 KOntext des wandels 05 Re ta il tre iber 24 Anhang 59 im detailhandel 8 Vertriebswege 25 Methodischer Hintergrund 59 Kontextfaktoren global 9 Kosten und Qualität 26 Projektbearbeitung 60 Kontextfaktoren lokal 12 Retailmotivation 27 Literatur und Informationen 62
Stadt der Zukunft – Handel im Wandel DIE VERÄNDERUNGEN IM DETAILHANDEL UND und kombiniert künftig nicht nur Onlinehandel mit IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DIE STADT ZÜRICH stationären Stützpunkten, sondern leistet auch der Entwicklung der digitalisierten Erlebnisland- Der stationäre Detailhandel leidet. In Europa und schaften Vorschub. Nicht mehr Einkaufen steht in in der westlichen Welt verändert sich die Art und zeitgemässen Geschäften und Shoppingcenter im Weise, wie wir Güter auswählen und konsumieren, Vordergrund, sondern Unterhaltung und Freizeitge- grundlegend. Onlineshopping, Einkaufstourismus, staltung: «Concept-Stores» bieten ihren Kundinnen Umsatzeinbrüche bei denjenigen stationären und Kunden Überraschungen und Aufenthaltsqua- Geschäften, die noch keinen klugen Weg für sich lität, von der integrierten Bar bis zum Musikladen, finden konnten, um Online- und Offlinehandel oder sie spielen mit der Exklusivität des Pop-up- zu kombinieren, sind nur einige Schlagworte zur Geschäfts, von dem nur die Eingeweihten wissen – Beschreibung der Probleme, mit denen der Detail- was die Begehrlichkeit weckt, zu den Insidern gehö- handel heute ringt. Insgesamt hat der Schweizer ren zu wollen. Entsprechend nennen sich gewisse Fachhandel seit dem Jahr 2000 rund 35 Prozent Verkäufer heute auch schon mal «Kuratoren», und Verlust erlitten – 4,7 Millionen Schweizerinnen und ihre Produkte sind nicht mehr einfach nur Waren, Schweizer haben 2016 für 11,2 Milliarden Franken sondern erinnern eher an «Kunstwerke». online eingekauft statt in stationären Geschäften. Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung In Zukunft, da sind sich die Fachleute einig, wird der Zürich Die Zukunft scheint denjenigen zu gehören, die digitale Detailhandel eine zentrale Rolle spielen. branchenüberschreitend und hybrid denken: Ama- Damit wird sich auch die Logistik fundamental zon, der grösste Onlinehändler der Welt, kaufte im wandeln, möglicherweise durch Drohnen für Frühjahr 2017 die Lebensmittelkette Whole Foods leichtgewichtige und dringliche Auslieferungen und 2
durch selbstfahrende Elektrolieferwagen auf den Situation des Gewerbes und die städtischen Räume Quartierstrassen, die Waren aus einer zentralen als Orte der sozialen Interaktion stehen im Fokus. Sammelstelle in die einzelnen Häuser verteilen. Wir haben in Zusammenarbeit mit internen und ex- Gefragt sind aufseiten des Detailhandels innovative ternen Expertinnen und Experten Szenarien entwor- Konzepte, wie mit dem rasanten Strukturwandel fen, um auf deren Grundlage über realistische und umgegangen werden kann. wünschbare Entwicklungen diskutieren zu können und dabei nach der Rolle der Stadt zu fragen. Aber auch die öffentliche Hand muss sich mit dem Thema beschäftigen, sind doch die Versorgung der Bevölkerung mit Waren und das Einkaufen als Tätigkeit stark stadtprägende Funktionen. Das Projekt «Stadt der Zukunft» der Stadtentwicklung Zürich versucht in seiner ersten Auflage 2017 zu verstehen, wohin die Reise des Detailhandels ge- hen könnte und was für Auswirkungen und Heraus- forderungen daraus für die Stadt resultieren. Die Frage nach dem «Wandel im Handel» und seinen Auswirkungen auf die räumliche und gesell- schaftliche Struktur der Stadt Zürich betrifft drei zentrale Stadtfunktionen: Wohnen, Arbeiten und die Nutzung der Stadträume. Die Nahversorgung, die 3
01 Ausgangslage DETAILHANDEL IM UMBRUCH «Der Kunde geht nicht mehr zum Laden, der Laden kungen auf das Verhalten der Menschen, auf die geht zum Kunden – dies gilt sowohl für den statio- Nutzung des öffentlichen Raums, auf den Verkehr, nären wie den digitalen Handel.» 1 auf die Zentrenstruktur und auf das Stadtleben haben. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, Dem Detailhandel steht ein grosser Umbruch bevor. in welche Richtung diese Entwicklungen gehen und Laut Marktforscherinnen und -forschern sind die wie problematische Aspekte positiv beeinflusst Aussichten für den stationären Detailhandel düster. werden können. Gemäss «Retail Outlook» der Credit Suisse soll sich angebotsseitig der Onlineanteil am gesamten Der Detailhandel hat auch eine wichtige soziale Detailhandelsumsatz in der Schweiz in den nächs- Bedeutung: als Arbeitgeber, als Chance für weni- ten fünf Jahren verdoppeln. Auf der Nachfrageseite ger gut Ausgebildete und Zugewanderte und als werden die «Silver Shopper» (Generation 50+) ver- sozialer Begegnungsort. Der Detailhandel trägt zur mehrt zu «Silver Surfer» und die «Digital Natives», Belebung des Stadtraums bei und gibt der Stadt ein die Generation, die in der digitalen Welt aufgewach- attraktives Gesicht. Für Kundinnen und Kunden er- sen ist, kommt ins kaufkräftige Alter. möglicht das Einkaufengehen auch soziale Kontak- te, was insbesondere bei Personen ohne Berufsle- Trotzdem: Auch wenn das «Lädeli- und Ladenster- ben oder mit nur einem kleinen sozialen Umfeld in ben» weitergeht, der stationäre Detailhandel wird seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. bleiben – aber anders. Stichworte sind innovative Konzepte, Aufenthaltsqualität, Erlebnis, aber auch das zunehmende Verwischen der Grenzen zwischen stationärem und digitalem Detailhandel. Die Än- Altstadt Zürich: Traditioneller Detailhandelsstandort vor derungen im Detailhandel werden grosse Auswir- imposanter räumlicher Kulisse. 4 1 Quellen im Impressum
BEDEUTUNG FÜR DIE STADT ZÜRICH «Zürich verfügt über herausragende Qualitäten ausschlaggebend sind, etwa die grosse touristi- für den Detailhandel. Diese Potenziale müssen ge- sche und wirtschaftliche Bedeutung, die städte- meinsam angegangen werden – von Stadt, Gewer- baulich und historisch herausragende Altstadt oder be, Eigentümern, Investoren, Tourismusbranche.» den Flughafen als bedeutendes internationales Drehkreuz. Gleichzeitig ist auch die Situation in den Der Umbruch des Detailhandels hat insbesondere verschiedenen Quartieren zu betrachten – Chan- in Städten weitreichende Konsequenzen. Denn der cen und Herausforderungen der Innenstadt an Detailhandel prägt die Zentren und die Zentren- der Bahnhofstrasse, an der Löwenstrasse oder im struktur und hat breit gefächerte Auswirkungen Niederdorf wie auch am Lindenplatz, in Höngg, am auf Themenkomplexe wie Mobilität oder Touris- Schwamendingerplatz oder in den Viaduktbögen mus. Der (alltägliche) Konsum stellt heute für die unterscheiden sich zum Teil deutlich. unterschiedlichen Stadt- und Quartierzentren eine Leitfunktion dar – ohne ihn ist Stadt kaum denkbar. Zürich ist ein Premium-Standort mit hoher Kaufkraft Deshalb ist zu prüfen und zu diskutieren, was die und qualitativ hoher Nachfrage. Es gibt aber auch aktuellen Entwicklungen und Trends für den urba- Aspekte, in denen sich Zürich kaum von anderen nen Raum, für die Nahversorgung, für die inneren grossen Städten unterscheidet: Das Kaufverhalten wie die äusseren Quartiere Zürichs, für Städtebau, in Städten ist äusserst hybrid – vieles wird online Verkehr und öffentlichen Raum bedeuten. Wie mit schneller Anlieferung bestellt, gleichzeitig trifft können sich Zentren und Quartiere in Zukunft man sich in der Freizeit gerne in aussergewöhnli- positionieren? Wird die Innenstadt vornehmlich chen Shops. Für den städtischen Detailhandel ist für das Freizeitshopping und als Tourismusziel vor allem das Überangebot eine grosse Herausfor- genutzt werden? Wo zeichnen sich Konsequenzen derung: Der Handel muss sich dort positionieren, ab, welche die öffentliche Hand, die Detaillisten, wo das verfügbare Einkommen auch tatsächlich die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer ausgegeben wird, wo Kundinnen und Kunden und die Bevölkerung erkennen und aktiv angehen einen Kaufentscheid treffen. Die Kundentreue hat müssen? ausgedient. Zudem muss beim Wandel im Handel zwischen Food- und Non-Food-Bereich unterschie- Je früher Städte diesen Wandel erkennen und neue den werden – in diesen Bereichen finden aufgrund Entwicklungen antizipieren, desto besser sind sie von Logistikanforderungen, aber auch aufgrund auf die fundamentale Verschiebung des städtischen der Gewohnheiten der Menschen unterschiedliche Grundgefüges vorbereitet. Zürich verfügt über Entwicklungen statt. besondere Merkmale, die für den Detailhandel 5
DIE STUDIE – EIN DENKMODELL FÜR DEN anzugehen. Dabei wird rasch deutlich, dass sie be- Zürich nicht oder nur schwer beeinflusst werden DETAILHANDEL IN ZÜRICH grenzten Einfluss hat. Der Detailhandel ist letztlich können. Daraus lassen sich Retailtrends und die abhängig vom Verhalten der Konsumentinnen und eigentlichen Treiber für den Wandel im Handel ablei- Die vorliegende Studie leistet einen Beitrag dazu, Konsumenten. Wichtig ist es deshalb, Angebote zu ten. Diese Retailtreiber sind jene «Stellschrauben», dass in der Stadt Zürich die künftigen Entwicklun- schaffen, die Konsumentinnen und Konsumenten mit denen unterschiedlich ausgeprägte Szenarien gen im Detailhandel und ihre Auswirkungen auf das «anlocken» und zur Nutzung vielfältiger städti- skizziert werden können. Das Strukturmodell darf Zentrengefüge der Stadt Zürich frühzeitig erkannt scher Strukturen einladen, so beispielsweise at- nicht als Prognosemodell verstanden werden; es ist werden. Die nötigen Weichen sollen dort gestellt traktive und sichere öffentliche Räume, nachhaltige ein Denkmodell für die Diskussion darüber, welche werden, wo dies überhaupt möglich und sinnvoll ist. Mobilitätsangebote oder flexibel nutzbare Gebäude Richtung die mit dem Detailhandel verknüpfte Im Vordergrund der Studie steht ein Denkmodell für und vor allem Erdgeschosse. Stadtentwicklung einschlagen könnte. den Detailhandel. Zusammen mit Fachleuten sind Einflussfaktoren und Trends erarbeitet und vertieft Die vielen Facetten des Wandels im Detailhandel STRUKTURMODELL worden, welche die Entwicklung des Detailhandels lassen sich in ein Strukturmodell überführen: Darin beeinflussen. Daraus wurden Szenarien abgeleitet: enthalten sind Kontextfaktoren, die durch die Stadt Die Abbildung rechts zeigt das Denkmodell in Es werden wahrscheinliche und unwahrscheinliche, vereinfachter Form: Es gibt globale und lokale wünschbare und nicht wünschbare sowie visionäre Kontextfaktoren, die Einfluss auf die Entwicklung und konservative Möglichkeiten der Entwicklung des Detailhandels nehmen. Sie sind nicht oder aufgezeigt. Die Studie soll Denkräume öffnen kaum beeinflussbar, stellen aber den Rahmen für und helfen auszuloten, in welche verschiedenen branchenspezifische Entwicklungen dar. Retail- Richtungen sich der Detailhandel und damit auch trends können somit als detailhandelsspezifische die Stadt, ihre öffentlichen Räume und ihre Zentren «Antwort» auf die Kontextfaktoren verstanden wer- entwickeln könnten. Ziel war es, zugespitzte, auch den. Deshalb werden einzelne Begriffe sowohl bei übertriebene Szenarien in einer grossen experimen- den Kontextfaktoren als auch bei den Retailtrends tellen Bandbreite zu entwickeln, um das «Undenk- verwendet. Aus letzteren werden die zentralen Re- bare» zu denken und die Diskussion anzuregen. tailtreiber abgeleitet. Unterschiedlich ausgeprägte Treiber führen zu unterschiedlichen Szenarien mit Der Detailhandel ist in der Stadt Zürich wichtig, da spezifischen Auswirkungen auf den Handel und den er zu einer lebendigen und attraktiven Stadt gehört. Raum. Auf der Basis dieses Strukturmodells werden Aufgrund seiner Bedeutung für die Zentrenstruktur, Kontext, Trends, Treiber und Szenarien nachfolgend die Versorgung und die Mobilität hat die Stadt Zü- differenziert beschrieben. rich ein Interesse, problematische Entwicklungen Markthalle und Geschäftsstrasse «Im Viadukt». 6
STRUKTURMODELL WIRKUNG Raum & Handel KONTEXT Szenario 1 Szenario 2 Szenario 3 RETAILTRENDS RETAILTREIBER Szenario 4 Szenario 5 7
02 Kontext des wandels im detailhandel Der Detailhandel wird durch globale und lokale Kontextfaktoren beeinflusst. Die sechs aufgeführ- ten Faktoren Wirtschaft, Gesellschaft und techno- logische Entwicklung (global) sowie Politik, Infra- struktur und Raum (lokal) kristallisierten sich im Rahmen des Szenarioprozesses heraus. Die Kon- textfaktoren werden, wo sinnvoll, in verschiedene Aspekte unterteilt und erläutert. Sie verändern sich unterschiedlich und beeinflussen sich gegenseitig. Die Aufzählung der Kontextfaktoren und ihrer Aspekte ist nicht abschliessend, skizziert jedoch den Rahmen für Entwicklungen des Detailhan- dels. Deshalb werden einzelne Begriffe sowohl bei den Kontextfaktoren als auch bei den Retailtrends aufgeführt. Lifestyle-Shopping in Kreis 4. 8
GESELLSCHAFT Technologische Kontextfaktoren Entwicklung Global Wirtschaft KONTEXTFAKTOR WIRTSCHAFT «Die Wirtschaft ist globalisiert und damit auch der Globalisierung Mieten unter Druck, so dass Chancen für Neues Kunde: Er kauft dort seine Ware ein, wo er das fin- entstehen. det, was er will – online, im Ausland als Ferienerleb- Der Onlinehandel kennt keine Stadt- oder Landes- nis oder im kleinen hybriden Shop um die Ecke.» grenzen. Globale Markenproduzenten bauen direkte Grenzen des Wachstums Kundenbeziehungen und Lieferwege auf. Es ist damit zu rechnen, dass ein paar wenige Marktakteure den Angesichts von Umweltzerstörung, Ressourcen- Onlinehandel dominieren werden. Die globalisierte knappheit und Klimakatastrophen ist schon seit Wirtschaft führt aber auch zu globalisierten Kundin- den 1970er Jahren deutlich geworden, dass ein nen und Kunden. So muss der Einkaufstourismus über nicht nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum die Grenze im Kontext des globalisierten Reiseverhal- infrage zu stellen ist. Bezüglich des Konsums tens gesehen werden. Konsum, Freizeit und Reisen hat diese Erkenntnis bei einigen Menschen zum vermischen sich immer mehr. Einkaufen im Ausland Umdenken geführt. Sie konsumieren weniger oder ist nicht allein eine Preisfrage, sondern ein Erlebnis. bewusster und stellen die Umwelt und das Wohlbe- Von diesen Trends können Städte eher profitieren als finden in den Vordergrund. Dies hat im Bereich des ländliche Regionen. Detailhandels auch neue Märkte geschaffen, die heute nicht mehr als Nischenangebote zu bezeich- Umgekehrt haben globale Entwicklungen in ande- nen sind. Aktuell gibt es eine zunehmende Nach- ren Branchen Auswirkungen auf den Handel. frage nach ökologischen, regionalen und vor Ort So verlagert der Bankensektor Arbeitsstellen von erzeugten Produkten. Im Zuge dieser Entwicklung den Innenstädten an den Stadtrand, in andere Städ- gibt es auch Anstrengungen und Versuche, Verpa- te oder ins Ausland. Damit verliert der Detailhandel ckungen und Abfall zu minimieren und neue nach- ShopVille im Hauptbahnhof Zürich: in den Innenstädten Kundschaft. Durch den Weg- haltige Tausch-, Upcycling- und Handelskonzepte Verkehrsknoten als Shoppingcenter. zug und das grosse Büroflächenangebot kommen zu etablieren. 9
KONTEXTFAKTOR GESELLSCHAFT «Demografie und Kaufkraft sind die dominieren- Individualisierung Ausgaben für Produkte aus dem Gesundheitsbe- den Kontextfaktoren – grosse Städte haben hier reich in einer Gesellschaft mit steigendem Alters- deutliche Standortvorteile.» Die Individualisierung in der Gesellschaft, d.h. die durchschnitt zunehmen werden. Umgekehrt – auf- zunehmende individuelle Selbstbestimmung sowie grund zunehmender körperlicher Einschrän- Bei den gesellschaftlichen Faktoren spielt für den Identitäts- und Sinnfindung, die zu einer Plurali- kungen – reduzieren sich mit zunehmendem Alter Detailhandel in einer Stadt die Kaufkraft der Bevöl- sierung der Lebensstile führt, hat in den vergan- die Mobilitätsradien: Kurze Wege und Lieferdienste kerung eine grosse Rolle. Die Schere zwischen genen Jahrzehnten die Grundlage für die Ausdif- sowie personenbezogene Dienstleistungen neh- einkommensschwachen und einkommensstar- ferenzierung des Handels- und Konsumangebots men an Bedeutung zu. Städte haben hier Vorteile ken Bevölkerungsschichten geht in Zürich weniger gelegt. Sich und seinen Lifestyle über Konsum gegenüber regionalen Zentren und ländlichen Räu- auseinander als in anderen europäischen Städten. und bestimmte Produkte zu definieren, begüns- men: Viele Seniorinnen und Senioren, die Zeit, sozi- Somit ist die sozialräumliche Polarisierung weniger tigte u.a., dass sich vielfältige, hochspezialisierte ale Bedürfnisse und Kaufkraft haben, nutzen das ausgeprägt. Die hohe Kaufkraft wirkt sich sowohl Angebote entwickelt haben oder dass der Handel breite Detailhandelangebot. Ebenso ist zu erwar- auf die Discounter wie auf die Fachgeschäfte aus. mit Erlebnissen verknüpft wird. Der Onlinehandel ten, dass die Alterung der Gesellschaft in Städten erfüllt in diesem Zusammenhang das zunehmen- wie Zürich weniger ausgeprägt ist als in ländli- Migration und Zuwanderung de Bedürfnis nach zeit- und ortsunabhängigen Ein- chen Gebieten. Städte ziehen mehr junge Men- kaufsmöglichkeiten und einer sofortigen Bedürf- schen an, die mit der Digitalisierung aufgewach- Wohlstandsunterschiede, Kriegs- und Krisensitua- nisbefriedigung. Diese Entwicklungen hängen auch sen sind und keine Berührungsängste gegenüber tionen in vielen Teilen der Welt, aber auch Fach- und mit der Zunahme der Frauenerwerbsquote und dem Onlinehandel haben, gleichzeitig aber auch Arbeitskräftemangel haben zu verstärkter Migra- von Singlehaushalten zusammen. Bisher hatte der soziale Bedürfnisse ausleben, Familienverant- tion in die Stadt und den Metropolitanraum Zürich Onlinehandel Nachteile in Bezug auf die sinnliche wortlichkeiten teilen, externe Kinderbetreuung in geführt. Als Arbeitsmarkt bietet der Detailhandel Wahrnehmung und die Personifizierung der Pro- Anspruch nehmen und das Einkaufsverhalten dar- für Migrantinnen und Migranten Chancen für wenig dukte. Auch diese Grenzen dürften in Zukunft auf ausrichten. qualifizierte ebenso wie für spezialisierte Tätigkei- durchlässiger werden. ten. Zudem führt die Zuwanderung zu mehr Kon- sum und Nachfrage nach Produkten aus aller Welt. Demografie: Alterung der Gesellschaft Eine Besonderheit der Migration ist das Klein- und Kleinstunternehmertum. Dieses bietet Arbeits- Der zunehmende Anteil älterer Menschen wird sich plätze, Aufstiegschancen und günstige Nahversor- auf Detailhandelsangebote auswirken. Seniorin- gungsangebote. Migrantische Ökonomien leisten nen und Senioren leben heute gesünder und sind somit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur dadurch aktiver, unternehmen mehr und pflegen gesellschaftlichen Integration. mehr Hobbys als früher. Zu erwarten ist, dass die 10
KONTEXTFAKTOR TECHNOLOGISCHER WANDEL «Mit innovativen Technologien wird im Grunde Individuelles und kollektives Wissen und seine das Überangebot gemanagt. Dies führt zu einer Organisation werden zu entscheidenden Wachs- starken Reduktion der Verkaufsflächen.» tumstreibern. Ein wichtiges Kennzeichen der Wis- sensgesellschaft ist, dass möglichst viele Men- Digitale Transformation schen über Voraussetzungen verfügen, die es ihnen erlauben, das Angebot an Informationen kri- Die Digitalisierung greift in immer stärkerem tisch und uneingeschränkt zu nutzen, um sich ein Umfang in das Leben der Menschen ein und beein- eigenes Urteil bilden zu können – so auch im Detail- flusst somit auch den städtischen Raum – etwa, handel und bei der damit verknüpften Logistik und indem sich das Konsumverhalten durch Onlinehan- Kommunikation. del verändert oder das Mobilitätsverhalten per App optimiert werden kann. Die noch in den neunziger Als Folge der voranschreitenden Digitalisierung Beratungsintensiver Detailhandel mit Erlebnischarakter: Jahren befürchtete «Verödung des öffentlichen können sich immer mehr Menschen zudem an Freizeit- und Outdoorartikel. Raumes» durch Informations- und Kommunikati- der Wissensproduktion und am Wissenskonsum onstechnologien hat sich bislang nicht bestätigt. beteiligen. Davon zeugt eine zunehmende Zahl von Im Gegenteil: Zunehmende Digitalisierung, neue Bewertungswebsites, Shopping Guides mit Insider- Informations- und Kommunikationstechnologien tipps, Youtube-Videos von sogenannten Influen- und Entwicklungen wie das «Internet der Dinge» cern etc., die eine neue Art von Werbung und – auch haben das Potenzial, Wertschöpfungsketten sowie kritisch zu betrachtendes, weil häufig selektives Lebens- und Arbeitswelten in den Städten und – Wissen rund um den Detailhandel produzieren. Gemeinden in den kommenden Jahren positiv zu Auch die Beschäftigten im Detailhandel müssen verändern. Neue und zukünftige Entwicklungen, die den Ansprüchen der modernen Wissensgesell- das Eintauchen in virtuelle Realitäten unterstützen, schaft genügen, sie werden zunehmend von der etwa Daten- oder Immersionsbrillen und Irisdis- Verkäuferin bzw. dem Verkäufer zur Beraterin bzw. plays, sind geeignet, die Wahrnehmung von städti- zum Berater. schen Räumen und die Verknüpfung von «echten» und digitalen Erlebnissen zu revolutionieren. Wissensgesellschaft Die Wissensgesellschaft ist eng verknüpft mit dem Arabischer Imbiss an der Langstrasse. Bedeutungsgewinn des Dienstleistungssektors. 11
Infrastruktur Kontextfaktoren Lokal Raum Politik KONTEXTFAKTOR POLITIK KONTEXTFAKTOR INFRASTRUKTUR Politische Faktoren und Vorgaben für den Detail- Der Detailhandel steht in engen und facettenrei- handel äussern sich in Bauvorschriften, arbeits- chen Wechselbeziehungen mit Mobilität und Logis- rechtlichen Rahmenbedingungen, Raumplanung, tik. Technologische Innovationen halten unvermin- Verkehrspolitik und Umweltschutz und sind auf ver- dert Einzug: Vertrieb, Transport und Nähe zu den schiedenen Staatsebenen (Bund, Kanton, Gemein- Kundinnen und Kunden werden neu organisiert. den) verortet. Vorgaben und Ziele der Stadtent- Energiewende und Klimaschutz lösen auch in der wicklung, die weiche Standortfaktoren wie hohe Mobilität umfangreiche Veränderungen aus. Für Lebensqualität und gute Wettbewerbsbedingun- den Verkehr stellt der Onlinehandel eine grosse gen gewährleisten, tragen dazu bei, dass Zürich Herausforderung dar, insbesondere für den Liefer- attraktiv für Touristinnen und Touristen, Unterneh- verkehr auf der «letzten Meile» zum Kunden bzw. men und Arbeitskräfte bleibt. Rechtliche Rahmen- zur Kundin. Der Onlinehandel verdichtet die Logis- bedingungen vermögen nicht mit raschen Entwick- tikketten, die Logistikzentren rücken näher an die lungen, wie dies im Handel der Fall ist, Schritt zu Stadt heran. Für eine Vermeidung von Verkehr wirkt Städtische Verkehrsinfrastruktur: Mehr Lieferverkehr auf der halten: Im Kontrast zu den dynamischen Entwick- der stationäre Detailhandel als eine wichtige Stell- «letzten Meile» wegen Onlinehandel. lungen im Handel erscheinen die rechtlichen Rah- schraube – mit kurzen Wegen für Nahversorgung menbedingungen wenig die Zukunft antizipierend, und optimiertem Lieferverkehr. zu engmaschig und unflexibel. 12
KONTEXTFAKTOR RAUM Die Entwicklungen im Detailhandel werden durch Aufenthaltsqualität und Alleinstellungsmerkmale Faktoren mit räumlicher Relevanz beeinflusst: Die räumliche Ausgangslage in verschiedenen Quar- Im Gegensatz zum Onlinehandel ist der stationäre tierstypen, die entsprechenden Mieten, Verfüg- Detailhandel auf gute Erreichbarkeit angewiesen: barkeiten und Nutzungsmöglichkeiten, aber auch Entweder vom Öffentlichen Verkehr oder aus dem Standortfaktoren wie Aufenthaltsqualität oder städ- Parkhaus direkt ins attraktiv gestaltete Shopping- tebauliche und topografische Alleinstellungsmerk- center oder zu Fuss auf sicheren Wegen durch eine male von Detailhandelsstandorten bilden den attraktive Innenstadt und das Quartier – immer räumlichen Kontext, in dem Handel in der Stadt spielen die Zugangsmöglichkeiten eine grosse Rol- stattfindet. le. Die Aufenthaltsqualität im Umfeld von Detail- handelsstandorten ist darüber hinaus ein wichtiger Verfügbarkeit Standortfaktor für den Handel, denn sie trägt dazu Altstadt Zürich: Kleinteilige Mischung von Detailhandel bei, dass Kundinnen und Kunden vor oder nach und Gastronomie. Flächen für den Detailhandel in Zürich sind nicht dem Einkauf noch verweilen, mehr konsumieren knapp. Das Angebot hat sich in den letzten Jahren oder den Einkauf mit anderen Tätigkeiten verknüp- aufgrund der regen Bautätigkeit und dem Wunsch fen. Eine wichtige Rolle dabei spielen für Fussgän- nach attraktiven Erdgeschossflächen stark ver- gerinnen und Fussgänger sowie Velofahrerinnen grössert. Die Verfügbarkeit ist jedoch von der Lage, und -fahrer, sichere und attraktive Strassen und der Erschliessung und den Mieten abhängig. Gene- Plätze mit Sitz- und Velo-Abstellmöglichkeiten, viel- rell nimmt der Flächenbedarf des Detailhandels ab. fältige ergänzende Nutzungsangebote, aber auch Derzeit zählen Monobrand-Stores von vertikal inte- Kunst und Kulturveranstaltungen im öffentlichen grierten globalen Detailhändlerinnen und -händ- Raum. Der öffentliche Raum übernimmt zuneh- lern, nationale Lebensmittel-Grossverteiler und mend eine Rolle als «Bühne» der Einkäuferinnen Traditionsgeschäfte zu den Gewinnern. Verlierer und Einkäufer. Hierbei dienen markante Gebäude sind nicht spezialisierte Geschäfte, Läden mit Kun- und städtebauliche Strukturen sowie landschaftli- denstamm, günstige Multibrand-Stores, nationa- che Besonderheiten, in Zürich etwa der See oder die le Modeketten und günstige Warenhäuser. Sie sind Limmat, als wichtige Hintergrundfolien. aufgrund ihres Angebots, ihrer Grösse oder ihrer Standorte für Kundinnen und Kunden nicht mehr attraktiv. Zürich West: Erlebnisgastronomie im urbanen Garten. 13
03 retailtrends Retailtrends entstehen unter den Rahmenbedin- gungen der globalen und lokalen Kontextfaktoren. Sie sind somit als detailhandelsspezifische «Ant- wort» auf die Kontextfaktoren zu verstehen. Aufgrund der sich stark verändernden Kontext- faktoren wird die aktuelle Situation des Detailhan- dels durch eine Vielzahl von Trends geprägt. Diese Trends lassen sich in die Kategorien digitale Trans- formation, Kundenorientierung und Wertewan- del gliedern. Viele der Trends – von denen nur eine Auswahl beschrieben werden kann – ergänzen und verstärken sich. Zürich West: Unkonventionelle Detailhandelsstandorte. 14
RETAILTRENDS IN DREI HAUPTKATEGORIEN Hippe Quartiere Convenience Kunden- Pop-up orientierung Städtetourismus Erlebnisorientierung Regionale Kreisläufe Neue Ökologie HANDEL Werte- IM Gesundheit wandel WANDEL Onlinehandel Swissness Sharing Economy Virtual Reality Digitale Transformation Automatisierung Internet der Dinge 15
Digitale Transformation «Der Quartierladenbesit- zer kennt seine Kunden – Zalando kennt seine Kun- den dank Big Data auch.» Die Digitalisierung beeinflusst in zunehmendem Masse alle Lebensbereiche. Für den Detailhandel ergeben sich zahlreiche Schnittstellen zur digita- len Transformation, allen voran natürlich im Bereich des Onlinehandels, aber auch in Produktion und Logistik. Die sich rasant weiterentwickelnden Mög- lichkeiten im Bereich der virtuellen Realität werden das Einkaufs- und Freizeitverhalten der Menschen in den kommenden Jahren stark beeinflussen und eine breite Palette von neuen Shoppingerlebnissen bieten. Selfscanning Kassen im Supermarkt: Automatisierung soll Effizienz steigern. 16
Internet der Dinge Onlinehandel Das «Internet der Dinge» bezeichnet die Verknüp- Der Onlinehandel bezeichnet Verkaufsvorgänge im und in Echtzeit wahrnimmt, ohne vor Ort zu sein. fung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte Internet. Einkäufe, die über kombinierte Formen Das ganze Ladensortiment, auch die visuelle mit einer virtuellen Repräsentation in einer internet- von Online- und stationärem Handel erfolgen, etwa Erfahrbarkeit, verlagert sich in die Wohnung bzw. an ähnlichen Struktur. Es beschränkt sich nicht auf durch Bestellung nach dem Austesten des Produkts jeden beliebigen Ort. Personen, sondern erstreckt sich auch auf Dinge. So in einem Showroom, werden als Multi- bzw. Cross- sind Alltagsgegenstände im Haushalt mit dem Inter- Channel-Handel bezeichnet. Der Onlinehandel weist Automatisierung net im Dialog. Sensoren registrieren das Verhalten in der Schweiz noch keine tiefe Marktdurchdringung (z.B. in Bezug auf die Gesundheit) oder den Zustand auf, ähnlich wie in Schweden, Frankreich und den Die Digitalisierung treibt auch die Automatisie- von Dingen (z.B. Kühlschrank), senden die Daten an Niederlanden. Der Anteil des Schweizer Onlinehan- rung voran und betrifft im Handel etwa Self-Scan- einen Cloud-Server und organisieren nötige Mass- dels ist in den verschiedenen Sparten sehr unter- ning und Self-Checkout-Systeme, die Zusammen- nahmen (z.B. Arzttermin oder Food-Lieferung). Die- schiedlich: Im Food-Bereich ist er marginal; hier ist stellung von Bestellungen in Logistikzentren etc. se Form des «Eigenlebens» könnte enorme Aus- momentan nur ein geringes Wachstum zu beob- Konsumentinnen und Konsumenten profitieren wirkungen auf den Detailhandel haben – ob positiv achten. Innerhalb des Non-Food-Bereichs ist der von kürzeren Wartezeiten, und Händlerinnen und oder negativ, ist noch offen. Onlineanteil verschieden gross, jedoch stark wach- Händler kommen mit weniger Personal aus. Durch send. Trotz dieser unterschiedlichen Verhältnis- neue technische Möglichkeiten hat die Automati- se ist unbestritten, dass das Wachstum im Online- sierung in Zukunft das Potenzial, nicht nur einzelne handel zulasten des stationären Handels geht. Wie Arbeitsschritte zu ersetzen, sondern ganze Prozes- rasch der Veränderungsprozess vonstatten geht, se und Ladenkonzepte neu zu definieren. Automa- hängt auch davon ab, wie viel die digitale Trans- tische Erkennung von Produkten und individuel- formation den Detailhandel kostet, wie sich die len Kundinnen und Kunden kann dazu führen, dass Anforderungen an die Ausbildung des Personals sich der Einkauf komplett ohne Personal abwickeln verändern und wie rasch Innovationen eingeführt lässt. Bezahlt wird automatisch beim Verlassen des werden. Ladens. Die Funktionen des Personals beschränken sich auf beratende Aktivitäten. Kritikerinnen und Virtual Reality Kritiker befürchten deshalb einen starken Perso- nalabbau im Detailhandel. Optimistische Stimmen Mittels Virtual Reality könnten Produkte und Dienst- betonen dagegen, dass neue Arbeitsplätze im IT- leistungen des Detailhandels so präsentiert wer- Bereich des Detailhandels geschaffen werden. den, dass die Kundschaft das Angebot und seine physikalischen Eigenschaften wirklichkeitsgetreu Nicht mehr ferne Zukunft: Warenbestellung im Internet direkt per Display am Kühlschrank. 17
KUNDEN- ORIENTIERUNG Im stationären Handel verändert sich die Kunden- der stationäre Handel der Konkurrenz des Online- bindung. Der Handel wird mobil, ist dort, wo die Kun- handels neue Strategien entgegensetzen muss, dinnen und Kunden sind: im Szenequartier, beim um die Konsumentinnen und Konsumenten in den Pendeln im öffentlichen Nahverkehr, in der Nähe Laden zu locken. Das Einkaufserlebnis kann das anderer Dienstleistungen. Schnittstellen zwischen Aktivieren aller Sinne ermöglichen – Musik, Gerü- Detailhandel, Gastronomie, Gesundheit und Well- che, das Sehen und Berühren des Produkts selbst ness werden intensiviert und zu hybriden Angebo- oder das Schmecken einer Kostprobe sind Bei- ten ausgebaut. Der Detailhandel schafft ein sozia- spiele, wie aus einem simplen Einkauf ein Erlebnis les Umfeld und stellt Emotionalität her. Neben dem gemacht werden kann. Weitere Möglichkeiten, das Veloverkauf und -reparatur mit Café: Hybride Detailhandelskonzepte. Einkaufen als Erlebnis wird es das effiziente Besor- Einkaufen zum Erlebnis zu machen und die Marken- gen alltäglicher notwendiger Güter und Dienstleis- bindung zu steigern, sind Detailhandelskonzepte, tungen jedoch weiterhin geben. die Freizeit- und Gastronomieangebote in die Läden integrieren, etwa Buchläden mit Café oder Sport- Erlebnisorientierung und Outdoorgeschäfte mit Kletterwand etc. Um das Überleben zu gewährleisten, muss ein stationä- Das Erlebnis des Einkaufs und die emotionale Bin- rer Anbieter bzw. eine Anbieterin der Kundin bzw. dung zu einer Marke oder einem Produkt haben seit dem Kunden einen klaren Mehrwehrt gegenüber einigen Jahren an Bedeutung gewonnen. Dieses dem Onlinehandel bieten – einzigartige Erlebnis- Phänomen ist nicht erst zu beobachten, seitdem se sind hier ein wichtiger Faktor. Vermehrt entste- hen auch Konzepte, die den stationären Handel als Showroom und Testfläche sehen, in dem Produkte «Früher war der Kunde froh, erlebnisorientiert ausprobiert werden können. Der wenn er im Laden das fand, was eigentliche Kauf erfolgt danach über das Internet. er suchte. Heute ist der Händler Grossflächige Fachmärkte, die traditionell im Umland an- froh, wenn er das anbieten kann, gesiedelt sind, experimentieren mit temporären innerstäd- was der Kunde sucht.» tischen Erlebnisstandorten. 18
Convenience Hippe Quartiere Angesichts zunehmender Erwerbsquoten beider Ergänzend zu den bestehenden Detailhandelszen- sind. Der Tourismus ist auch in Zürich ein wichti- Geschlechter, oft hohen Ansprüchen am Arbeits- tren in der Innenstadt entstehen in sogenannten ger Wirtschaftsfaktor. Die ca. 120 Hotelleriebetrie- platz, vielfältiger Freizeitbedürfnisse etc. sind die Trendquartieren zusätzliche Identifikations- und be der Stadt verzeichnen jährlich rund drei Milli- Erwartungen an bequemen und schnellen Konsum Treffpunkte. Die Versorgungsfunktion des Detail- onen Logiernächte von Gästen aus dem In- und in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Teilferti- handels ist hier geringer ausgeprägt als in den tra- Ausland. Durch die Aktivitäten einer wachsenden ge oder verzehrfertige Lebensmittel sind ein wichti- ditionellen Zentren, eine wichtigere Rolle spielen Anzahl von Besucherinnen und Besuchern entste- ger Bestandteil dieser Entwicklung, ebenso wie «to der Erlebnischarakter und die Kopplung des Ein- hen neue Ansprüche und Anforderungen an den go»-Produkte. Sinnbildliche Orte der Convenience kaufens mit anderen Nutzungen wie Gastronomie, Stadtraum, etwa in Bezug auf Aufenthaltsqualitäten sind die grossen Verkehrsknoten – Flughäfen und Kultur, Märkten bzw. daraus entstehenden Hyb- öffentlicher Räume, Unterkünfte und Gastronomie, Bahnhöfe – die zunehmend als neue Marktplätze ridnutzungen. Dass diese «hippen Quartiere» an städtische Infrastrukturen und Sehenswürdigkei- genutzt werden. Der HB Zürich ist mit bis zu 500’000 Orten mit hoher städtebaulicher Qualität entstehen, ten. Darüber hinaus bringt der Tourismus zusätzli- Passantinnen und Passanten täglich der meist fre- an Orten, die durch schöne Plätze, durch histori- che Kaufkraft in die Stadt, wodurch v.a. in den tou- quentierte Ort der Schweiz und hat aufgrund libera- sche Markthallen, durch kleinteilige Bebauungs- ristisch interessanten Gebieten der Detailhandel ler Öffnungszeiten 365 Tage im Jahr geöffnet. Kein und Nutzungsstrukturen sowie durch die Abwesen- gestärkt werden kann. Ein sehr stark wachsender anderes Shoppingcenter kann da mithalten. Aber: Die heit grosser Filialisten, Supermärkte, Fachmärkte Städtetourismus kann aber auch negative Folgen Atmosphäre und die dichten Menschenströme laden etc. geprägt sind, zeigt, wie wichtig den Menschen wie Emissionen, Belastung durch Müll und steigen- kaum zum Verweilen ein. Für Shops mit einem Pro- diese Qualitäten sind. Diese zusätzlichen attrakti- de Mieten für den ansässigen Detailhandel haben. duktangebot, das zu Impulskäufen verleitet, kann ven Orte in Trendquartieren entwickeln und verän- die oft knappe Zeit hier ein grosser Vorteil sein. dern sich mit einer grossen Dynamik. Sie reflektie- ren, dass Konsumentinnen und Konsumenten auch Pop-up und temporäre Nutzungen weiterhin äusserst differenzierte Präferenzen im Einkaufsverhalten haben werden und sich nicht nur Unternehmen und Marken mieten vorübergehend über die Produkte, die sie kaufen, definieren, son- leere Lokale, um ihre Marke voranzubringen, neue dern auch über die Orte des Konsums. saisonale Produkte vorzustellen oder ihre Onlinekun- dinnen und -kunden kennenzulernen. Zentral für den Städtetourismus Erfolg dieser Konzepte ist die sogenannte «fear of missing out»2 und die Exklusivität, die aus der zeitli- In vielen Städten Europas hat der Städtetourismus chen Begrenztheit entsteht. Für Besitzerinnen und in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung Besitzer einer Liegenschaft bieten Pop-up-Stores gewonnen – insbesondere seitdem kurze Städte- den Nebeneffekt, dass die Immobilie durch originelle reisen durch preisgünstige Fluglinien für immer Kombination von Gastronomie und hoch spezialisiertem Geschäftsideen positive Aufmerksamkeit erhält. grössere Bevölkerungsgruppen möglich geworden (Lebensmittel-)Handel: Markthalle im Viadukt. 2 Angst von Konsumentinnen und Konsumenten, etwas zu verpassen. 19
Wertewandel «Jeder Trend hat auch einen Gegen- trend – wieder mehr Qualität, Markentreue und Personifizierung.» In Bezug auf den Konsum ist in den vergangenen Jahren ein Wertewandel zu beobachten. Nachhal- tige und regionale Produkte gewinnen an Bedeu- tung für Konsumentinnen und Konsumenten, die sich dies leisten können. Emotionalität hat die Aus- richtung des Handels auf den blossen Erwerb von Notwendigkeiten schon lange ersetzt. Wichtiger als die Grösse der Auswahl ist die Qualität der Aus- wahl. Die Wertigkeit der Produkte, ihre Ausrichtung auf Wohlbefinden und Nachhaltigkeit sind Teil des Lebensstils, des persönlichen Images, das nach aussen getragen wird. Gleichzeitig haben Effizienz und Verfügbarkeit hohe Priorität. Läden und Onlineplattformen mit kleiner, aber personifizierter Auswahl werden immer belieb- ter. Der stationäre wie der digitale Detailhandel stärken ihre Sortimentsfunktion. Alltäglicher Einkauf wird zum Erlebnis: Sihlcity. 20
Regionale Kreisläufe Neue Ökologie Swissness Seit Jahren zeichnet sich ein Wandel ab: Viele Kun- Das wachsende Bedürfnis nach einer ökologischen Swissness steht für Authentizität, Heimat, Traditi- dinnen und Kunden haben ein verstärktes Bedürf- Art des täglichen Konsums führt dazu, dass ver- on, hohe Qualität, Nähe zur Natur, aber auch Inno- nis nach gesunden, naturnah produzierten Lebens- schiedene neue Ladenkonzepte und Bewegungen vation. Diese Werte können sich auf Produkte und mitteln, deren Herstellung auf Mensch und Umwelt entstehen, die dieser Nachfrage Rechnung tragen. Dienstleistungen übertragen, wenn sie mit Swiss- Rücksicht nimmt. Der Lebensmittelhandel der Neben den seit Jahrzehnten bestehenden Bioläden ness vermarktet werden. Sie erhalten dadurch Zukunft reagiert auf einen Bedarf an Wochenmärk- (zunehmend durch Grossverteiler geprägt) wächst einen Mehrwert, mit dem sie sich von anderen Pro- ten mit Nahrungsmitteln von Bauernhöfen aus der die Community, die sich dem sogenannten Zero dukten und Dienstleistungen abgrenzen. Region. Der Trend hin zum Lokalen ist als Gegen- Waste Lifestyle verschrieben hat, der überflüssige bewegung zum Konsum von einheitlichen, globa- Verpackungen vermeidet. Verkauft werden Lebens- Gesundheit len Marken und Produkten sowie aus einer Hin- mittel wie Gemüse, Früchte, trockene Lebensmittel, wendung zu Fragen der Nachhaltigkeit heraus zu aber auch Haushaltswaren, ohne dass dabei Abfall Viele Angebote aus dem Gesundheitssektor können verstehen. Die konsequente Umsetzung des Wun- durch überflüssige Verpackungen anfällt. Ebenfalls (noch) nicht ins Internet abwandern, weil der per- sches nach regionalen Lebensmitteln würde jedoch entstehen Start-ups und kleinere Detailhändler, die sönliche «analoge» Kontakt mit der Kundin bzw. bedingen, dass die Kundin bzw. der Kunde das Kon- mit neuen Konzepten der Lebensmittelverschwen- dem Kunden essenziell ist. Im Gegenteil: Im Zuge sumverhalten konsequent ändern und vor allem dung entgegenwirken. der gesellschaftlichen Alterung nimmt die Bedeu- das Sortiment der gekauften Früchte und Gemüse tung von professioneller und individueller Beratung stark einschränken müsste. Sharing Economy zu (Gesundheitschecks, Ernährungsberatung, Impfungen, Anti-Aging, Körperpflege etc.). Das Der Einfluss der Sharing Economy auf den Detailhan- stationäre Angebot ist nach wie vor breit: Gesund- del ist aktuell nicht ganz so prägend wie in ande- heitszentren, Apotheken, Drogerien, Wellness- und ren Branchen wie zum Beispiel in der Hotellerie. Fitnesscenter, Sport, Kurse, private Anbieterin- Verkaufsplattformen wie Ricardo und Ebay werden nen und Anbieter (Massage, Yoga etc.). Werte wie dennoch genutzt. Sharing Economy ist in vier Teil- «Nachhaltigkeit», «Ursprünglichkeit» und «Ganz- bereiche unterteilt: Rezirkulation von Gütern in den heitlichkeit» wirken sich positiv auf den Verkauf Marktkreislauf, Erhöhen der Nutzung langlebiger von Bio-, Fair- und Wellnessprodukten aus. Hier Gebrauchsgüter, Austausch von Dienstleistungen können hybride Konzepte ihre Vorteile ausspielen: und Teilen von Produktivgütern. Für den Detailhan- Onlineeinkauf kombiniert mit Nutzung eines perso- del ist vor allem der erste Teilbereich von Bedeutung. nifizierten Wohlfühlangebots. Verkaufsplattformen ermächtigen Endnutzerinnen und Endnutzer, als Händlerinnen und Händler aufzu- treten und in Kontakt mit anderen Konsumentinnen Konzepte gegen die Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. und Konsumenten zu treten. 21
04 Raumtypen INNENSTADT Innenstadt, Subzentren, Mobilitäts-Hubs wie Bahn- Menschen, die eingeschränkt mobil sind. Aus die- In der Innenstadt treffen alle wichtigen Verkehrs- höfe und andere wichtige Verkehrsknotenpunkte, ser vielfältigen und komplexen Zentrenstruktur und Versorgungswege sowie bedeutende Handels-, Quartierzentren und Shoppingcenter bilden in ergibt sich, dass sich die Trends im Detailhandel in Dienstleistungs- und Verwaltungsstrukturen auf- Zürich eine polyzentrale Zentrenstruktur. unterschiedlichen Gebieten unterschiedlich auswir- einander. Den Kern der Zürcher Innenstadt bildet der ken. Shoppingcenter mit grossen, internationalen Kreis 1. Die Bahnhof- und Löwenstrasse, der Renn- In diesen verschiedenen Typen von Zentren las- Filialisten können beispielsweise anders auf den weg und die Altstadt links der Limmat sowie das Nie- sen sich in Bezug auf den Detailhandel ganz unter- zunehmenden Onlinehandel reagieren als altein- der- und Oberdorf stellen die Zürcher High Streets dar, schiedliche Bedürfnisse erfüllen – von der eng- gesessene Händlerinnen und Händler in Quartier- d.h. innerstädtische Toplagen des Detailhandels mit maschigen Nahversorgung bis hin zum Einkauf von zentren. Für die Entwicklung der Szenarien bietet internationaler Ausstrahlung. hochwertigen, spezialisierten Produkten – und sie sich also eine räumliche Differenzierung der Einzel- übernehmen im gesamtstädtischen Gefüge jeweils handelsstrukturen nach verschiedenen stadträum- Der Hauptbahnhof hat sich zu einem Hybrid aus unterschiedliche, spezifische Aufgaben. lichen Typen und Marktsegmenten an. Mobiltäts- und Detailhandelszentrum entwickelt. Daneben bilden Warenhäuser wie Manor, Jelmoli Diese Struktur entspricht heute der Stadt der kur- Die Raumtypen müssen für die Szenarienentwick- und Globus weitere konzentrierte Detailhandels- zen Wege und ermöglicht die Teilhabe auch von lung in ihrer heutigen und zukünftigen Funktions- standorte. Westlich angrenzend an den Hauptbahn- weise und Wechselwirkung betrachtet werden. hof bilden urbane Quartiere wie die neue Europa- allee, das Langstrassenquartier oder der vordere Kreis 5 weitere kleinteilige Detailhandelsstruk- turen mit spezifischen Schwerpunkten, darunter ethnisches Gewerbe und Design. Hier haben sich Geschäftsverbünde wie «Kreislauf 4+5» und «Tribe- ka» gegründet, die gemeinsames Marketing für die 22
QUARTIERZENTREN inhabergeführten Läden und Gastronomiebetriebe Shoppingerlebnis verbinden, was durch das Park- organisieren. Vorteilhaft ist der Nutzungsmix mit platzangebot zusätzlich erleichtert wird. Grosse kulturellen Institutionen, Fach- und Hochschulen Einkaufszentren stellen eine Konkurrenz für den sowie öffentlichen Verwaltungen. Detailhandel in der Stadt dar, wodurch die Innen- stadt, die Sub- und Quartierzentren geschwächt Zürich besteht aus vielfältigen Quartieren, die sich werden können. Auf der anderen Seite reicht die hinsichtlich ihrer Lage sowie ihrer Gebäude- und Erneuerung von Shoppingcenter heute oftmals SUBZENTREN Bevölkerungsstruktur stark unterscheiden: In der inneren Stadt finden sich urbane Quartiere mit nicht aus – sie müssen sich neu erfinden. Insbe- sondere die älteren Shoppingcenter stehen vor einer dichten Wohnbebauung (z.B. Wipkingen) und grossen Herausforderungen. Innerhalb des städtischen Zentrensystems decken teilweise historischen Ortskernen. Am Stadtrand Sub- oder Stadtteilzentren mit Anschluss an einen sind in den vergangenen 20 Jahren neue Quartie- ÖV-Knotenpunkt den kurzfristigen bis periodischen Bedarf ab. Subzentren in Zürich sind Oerlikon und re entstanden, z.B. Neu-Oerlikon. Quartierzentren bilden den sozialen und wirtschaftlichen Schwer- UMLAND Altstetten. Subzentren leisten einen wichtigen Bei- punkt eines Quartiers, der sich durch Eigenschaf- trag zur Entwicklung einer polyzentralen Stadt- ten wie hohe Nutzungs- und Versorgungsdichte, struktur, die Entwicklungsdruck von der Innenstadt publikumsorientierte Nutzungen, hohes Passan- Das Umland ist geprägt durch regionale Zentren nimmt, etwa in Bezug auf das Verkehrsaufkommen tenaufkommen längs und quer zu zentralen Quar- rund um Bahnhöfe, Shoppingcenter und Logistik- und Pendlerströme. Zudem wird dadurch die Nah- tierstrassen auszeichnet. Gebiete ausserhalb der standorte. Ortszentren erfüllen die Funktion von versorgung in weiten Teilen der Stadt verbessert. Nahversorgungszentren müssen im Vergleich dazu Quartierzenten und stehen vor gleichen Herausfor- mit wenig Laufkundschaft auskommen. derungen wie diese. Im Umland gibt es viel Poten- zial für Verdichtung. Teilweise wandern Arbeits- MOBILITÄTS-HUBS plätze im Dienstleistungssektor an den Stadtrand, d.h., es entstehen neue Chancen für den Detail- SHOPPINGCENTER handel auch in umliegenden Gemeinden der Mobilitäts-Hubs sind wichtige Verkehrsknotenpunk- Agglomeration. te wie der Hauptbahnhof, die Bahnhöfe Altstetten, Oerlikon und Stadelhofen, die Stationen Hardbrücke und Stettbach, die den öffentlichen Nah-, Regional- Shoppingcenter wie Letzipark, Sihlcity und das an und Fernverkehr mit anderen Verkehrsarten, v.a. der Stadtgrenze liegende Glattzentrum bieten auf Fuss- und Veloverkehr verknüpfen. Auch der Flug- kompaktem, überschaubarem Raum eine gros- hafen gehört zu diesem Raumtyp. Je nach Innovati- se Angebotsvielfalt. Besonders wichtige Kunden- onskraft im Verkehrs- und Logistikbereich könnten magnete sind grosse Lebensmittelhändler. Der auch neue Formen von Mobilitäts-Hubs entstehen. Lebensmitteleinkauf lässt sich ideal mit einem 23
05 RETAILTREIBER Von den drei Themengruppen der Retailtrends (Kundenorientierung, Wertewandel und digitale Stationär Digital Transformation) wurden drei Treiber abgeleitet, VERTRIEBSWEGE welche die Entwicklung des Detailhandels beein- flussen. Diese Treiber können sich zwischen gegen- sätzlichen Polen bewegen. Sie betreffen die The- Wertig Preisbewusst menbereiche Vertriebswege (von stationär bis KOSTEN & QUALITÄT digital), Kosten und Qualität (von wertig bis preis- bewusst) sowie die Retailmotivation (von Erleb- nis- bis effizienter Alltagseinkauf). Die Ausprägung Erlebnis Alltag der Treiber in Richtung des einen oder anderen Pols bestimmt die Rahmenbedingungen für die Szena- rien. Die folgenden Abbildungen der Regler erläu- !? RETAILMOTIVATION tern die unterschiedlichen Ausprägungen der Trei- ber. Mit gelben Balken werden die Ausprägungen angezeigt. ihre Bestellung wird geliefert! 24
Vertriebswege ZWISCHEN STATIONÄR UND DIGITAL Stationär Digital Stationär Digital Traditionell ist der Handel in Stadtzentren und Quar- Vertriebswege für den Detailhandel werden zuneh- Menschen richtet, wird also immer grösser. Durch tieren stationär. Inhabergeführte Läden und Filialis- mend ins Internet verlagert. Der Onlinehandel technologische Fortschritte werden gleichzeitig die ten dominieren hier das Bild. Wichtige Pluspunkte kommt vielen Kundenbedürfnissen entgegen, er Vorteile des stationären Handels infrage gestellt: des stationären Handels sind Face-to-face-Kunden- funktioniert heute schnell, einfach und bequem, Body-Scanner, personifizierte Lifestyle-Angebote, kontakte und Beratung, auch das Aus- und Anpro- zunehmend wird auch die Lieferung frischer Pro- Virtual- und Augmented-Reality schaffen neue Mög- bieren, Fühlen, Testen und Riechen von Produkten dukte möglich. Dadurch steht jedoch der Lieferver- lichkeiten der Kundenbindung und des Austestens und Gütern sind trotz technologischer Innovatio- kehr vor grossen Herausforderungen: Viel Lieferver- von Produkten. nen im stationären Handel noch immer besonders kehr entsteht; v.a. für die «letzte Meile» hin zum gut und direkt möglich. Der stationäre Handel war in Kunden bzw. zur Kundin gilt es, innovative und kos- den vergangenen Jahrzehnten stark von Flächen- tensparende Konzepte zu entwickeln. Dafür kön- expansion, Konzentrationsprozessen und Filiali- nen neue kleine Verteilzentren und Abholstatio- sierung gekennzeichnet. Für die Zukunft werden nen notwendig werden; noch in der Planungs- oder eher Flächenabnahme und eine Renaissance loka- Experimentierphase befinden sich neue Trans- ler, unterschiedlicher Anbieter prognostiziert, die portinfrastrukturen wie unterirdischer Gütertrans- auf mehr Direktvertrieb, weniger Zwischenhandel port, Drohnen oder selbstfahrende Lieferfahrzeuge. und sehr frische Produkte setzen. In den Quartie- ren kann es neue stationäre Micro-Hubs geben, die Zunehmen wird der Onlinehandel auch aus demo- vielfältige Angebote aus den Bereichen innovative grafischen Gründen: Die Babyboomer werden Silver Belieferungsformen, Abholen von Paketen, Gastro- Shopper, die Digital Natives kommen ins kaufkräf- nomie und Coworking bieten («Tante Emma 2.0»). tige Alter. Der Markt, der sich an digital-erfahrene 25
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