Hessischer Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau - Kreativer Umgang mit dem Bestand
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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen 3. Hessischer Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau Kreativer Umgang mit dem Bestand
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU INHALT Seite: 2 ——› 3. HESSISCHER PREIS FÜR INNOVATION UND GEMEINSINN IM WOHNUNGSBAU Kreativer Umgang mit dem Bestand 8 ——› NEUES WOHNEN IM BESTAND Christian Holl, BDA Hessen 10 ——› AUSGEZEICHNETE UND NOMINIERTE PROJEKTE 12 ——› Standorte der 41 PROJEKTE 14 Der Oberhof in Ober-Erlenbach 18 AP2 — Das Quartiershaus in Praunheim 22 AdAptiv in Frankfurt am Main 26 Der Robinienhof in Sichertshausen 30 Die Mensch*Meierei in Unterrieden 34 Das Studico in Darmstadt 38 Die Alte Kelterei in Arnshain 42 Die Wohnhof Treysa GmbH 46 Das Alte Gericht in Wiesbaden 50 Die Kirche St. Martin in Martinsthal 54 Das Martin-Luther-Haus in Hanau 58 Das Haus Diener in Hofheim am Taunus 62 ——› ANHANG Jury, Bildnachweise, Impressum In Kooperation mit:
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Der Hessische Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau Wohnungsbau und Quartiersentwicklung müssen bereits heute einer vielfältigeren, aber auch alternden Bevölkerung, neuen Lebensentwürfen und dem Bedürfnis nach Gemein schaft und sozialem Miteinander gerecht werden. Adäquate Wohnformen, gute nachhaltige Archi »Noch viel zu selten ist Wohnungsbau tektur und eine hohe Lebensqualität drinnen wie Baustein einer neuen Umbaukultur. draußen sind dafür unerlässlich. Durch Umnutzung des Bestands und Dies kann nicht allein durch Neubau erreicht gerade durch kreatives Weiterbauen werden, sondern geschieht vielfach innerhalb gewachsener Strukturen. Hier schaffen innovative können aber nicht nurWohnbedürfnisse 1 Projekte unkonventionell zusätzlichen Wohnraum Gestalt annehmen, auch der Flächen und sie werden häufig von engagierten Wohn verbrauch und CO2-Ausstoß werden gruppen selbst oder in Zusammenarbeit mit reduziert.« weiteren kreativen Akteuren entwickelt. Derartige Ideen und Ansätze verdienen es, einem Tarek Al-Wazir breiteren Fachpublikum zugänglich gemacht und Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen unterstützt zu werden. Dies hat sich der Hessische Preis für Innovation und Gemein sinn seit 2018 zur Aufgabe gemacht und dabei 2022 zum dritten Mal aus einer Vielzahl von Einsendungen beispiel gebende Projekte prämiert.
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU 3. HESSISCHER PREIS FÜR INNOVATION UND GEMEINSINN IM WOHNUNGSBAU Kreativer Umgang mit dem Bestand Das Land Hessen lobte 2022 zum dritten Mal den »Hessischen Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau« aus. Das Hessische Minis- terium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen kooperierte bei der Auslobung mit der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen. Gesucht wurden dieses Mal Projekte, die im Gebäudebestand für zusätzlichen Wohnraum sorgen. Mit dem Preis möchte das Land Immobilien, in denen bisher nicht gewohnt wurde, als Ressource für Wohnraum in den Fokus rücken und die Chancen, die in deren Umwandlung und Ergänzung liegen, sichtbar machen. Hintergrund vielerorts noch immer der Mut und die Risiko 2 bereitschaft, die Umwandlung z. B. bisheriger Bereits in der »Leipzig-Charta« von 2007 wurde Nichtwohngebäude in attraktiven und bedarfs Innenentwicklung vor Außenentwicklung gerechten Wohnraum anzugehen. gefordert, um so einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Flächenverbrauchs zu leisten. Mit der Entwicklung von großen umfangreich Die »Neue Leipzig-Charta« aus dem Jahr 2020 versiegelten Arealen wie den aufgegebenen betont angesichts der aktuellen Herausforde Militärflächen der 90er und 2000er Jahre und rungen die transformative Kraft der Städte und mit der teilweisen Wiedernutzung ihres histo wirbt für das Management und die Umnutzung rischen wie neuzeitlichen Gebäudebestands des Bestands. wurden viele Erfahrungen gemacht. Vor allem Künstler und Unternehmen der Kreativwirtschaft Auch beim bundesweiten Tag der Architektur eigneten sich in vergangenen Jahrzehnten alte 2022, der dieses Jahr unter dem Motto »Archi Fabrikgebäude und Produktionsstätten am tektur baut Zukunft« stattfand, lag ein beson Stadtrand an, um dort – zum Teil ohne vorheri derer Fokus auf den Aspekten Nachhaltigkeit, gen umfangreichen Ausbau – zu arbeiten und Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. zu wohnen. Zahlreiche Projekte befassten sich mit der Weiter- und Umnutzung von Gebäudebestand, Zunehmend bieten sich – bedingt durch wirt mit der Aufstockung und Umnutzung von Nicht schaftlichen und demografischen Struktur wohngebäuden u. a. zu Wohnraum. wandel, aber auch durch Geschäftsaufgaben, Insolvenzen oder alternative Arbeitsmodelle im Gestiegene Preise für Boden, Material und Zuge der Corona-Pandemie – weitere Gebäu Personal verdeutlichen aktuell noch einmal detypen an, die ihren ursprünglichen Bestim Ressourcenknappheit und eingeschränkte Ver mungszweck verloren haben, z. B. Bürobauten, fügbarkeit. Stichworte wie Urban Mining, graue Einzelhandelsgebäude, Hotels oder landwirt Energie oder Umbaukultur fallen immer öfter. schaftliche Nebengebäude. Wie die Bundesarchitektenkammer in die sem Zusammenhang anmerkte, fehlen aber
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Goldene Energie und eine einen Schritt weiter und forderten 2021 eine neue Umbaukultur »Umbauordnung« bzw. die Änderung der Musterbauordnung, da die bisherigen Bauord Bisherige Nichtwohngebäude oder auch lange nungen auf Neubau und Ersatzbau ausgerichtet leerstehende Gebäude bieten »Potenziale, seien. welche sich in neue gestalterische Qualitäten ummünzen lassen. […] Inzwischen gibt es etliche Auch im aktuell angespannten hessischen Woh gute Beispiele dafür, dass sich vorhandene nungsmarkt kann die Umnutzung des Bestands auch abgeschriebene Substanz ansehnlich voll helfen – mitunter unkonventionell – zusätzlichen enden und mit neuem Leben erfüllen lässt.« wie Wohnraum bereitzustellen und dies möglichst es im Handbuch zur Umbaukultur, das 2021 von inmitten gewachsener Quartiere mit vorhande der Bundesstiftung Baukultur herausgegeben ner Infrastruktur. wurde, heißt. Derartige Umwandlungen sind keine alleinige Folgerichtig bezeichnet die Bundesstiftung den Lösung zur Beseitigung der aktuellen Woh Gebäudebestand nicht als ›graue Energie‹, son nungsknappheit, aber das Kommunizieren dern als ›goldene Energie‹ und fordert – auch erfolgreicher Umwandlungsvorhaben, strategi was die gesetzlichen Rahmenbedingungen scher Ansätze und wertvoller Hinweise für die und Regularien sowie den Planungsprozess an Praxis tragen dazu bei, den Bestand als wert geht – eine »neue Umbaukultur, die auf Pflegen, volle Ressource zu erkennen und zu nutzen. Reparieren, Sanieren und kreatives Weiterbauen Viele dieser Bestandsimmobilien liegen in den setzt«. (Innen)Städten und damit genau dort, wo am 3 meisten Wohnungen fehlen. Bundesarchitektenkammer und Länderkam mern wie auch Architects4Future gingen noch Abriss muss erschwert, Bestand priorisiert werden. Bundesarchitektenkammer
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU Auslobung Von Bedeutung war darüber hinaus, auf welche Art und Weise die vorgeschlagenen Projekte Hier setzte der Hessische Preis für Innovation realisiert wurden oder werden, z. B. durch un und Gemeinsinn im Wohnungsbau thematisch gewöhnliche Konstellation und Art der Zusam an. Mit dieser Auslobung wurden besonders menarbeit von Akteuren, und welche Instru Projekte angesprochen, die einen kreativen mente, Verfahren, Finanzierungsmodelle und Umgang mit bestehender Gebäudesubstanz Trägerschaften dabei eine Rolle spielen. aufweisen. Dies bezog sich neben dem eigent lichen Umbau z. B. auf die Wiedernutzung Sowohl Bauherrinnen und Bauherren, Architek vorhandener bzw. recycelter Materialien und tinnen und Architekten, Träger, Vereine, Verbän Bauteile oder auf nachhaltige Energie- oder de, Kirchen, Projektinitiativen und Bürgerinnen Mobilitätskonzepte, ferner auf besondere und Bürger, Kommunen und andere Organisa soziale oder gestalterische Konzepte. tionen konnten Beiträge einreichen. Eingereicht werden konnten – unabhängig, ob in der Stadt, an der Peripherie oder im länd Preisgeld lichen Raum gelegen – seit 2015 in Hessen reali sierte oder aktuell geplante Projekte, bei denen Der Preis war mit 75.000 Euro Preisgeld ausge z. B. Bürogebäude, gewerbliche Gebäude, stattet. Die Aufteilung des Preisgelds oblag der Kaufhäuser, Hotels, Sonderbauten wie K irchen Jury. Das Verfahren war zweistufig aufgebaut. oder Parkhäuser oder auch ursprünglich land In einer ersten Stufe bewarben sich die Teilneh wirtschaftliche Gebäude für Wohnzwecke um merinnen und Teilnehmer anhand eines kurzen gewandelt werden. In den Projekten mussten Projektsteckbriefs. Die Jury wählte diejenigen mindestens zwei Wohneinheiten geschaffen Projekte aus, die sich für eine zweite Stufe quali 4 worden oder geplant sein. Die Nichtwohn fizierten, in welcher diese Beiträge dann detail gebäude mussten als solche errichtet worden lierter aufbereitet wurden. (Jury siehe Seite 63) sein. Nicht gemeint war die Revitalisierung von vorhandener Bausubstanz, die nun als Zweit wohnsitz oder Feriendomizil genutzt wird. Wichtig war dem Auslober, dass die Ideen und vorgeschlagenen Maßnahmen innovativ sind, modellhaften Charakter haben und umsetzbar sind, z. B. durch private oder gemeinnützige Träger wie auch von öffentlichen Wohnungs bauunternehmen.
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU 5 Die eingereichten Bewerbungen wurden anhand folgender Kriterien bewertet: Innovationsgrad und Nachhaltigkeit Bereitstellung eines attraktiven und marktgerechten Wohnungsangebots Gestaltqualität / baukultureller Anspruch Funktionale und soziale Einbettung in das Quartier (projektabhängige) Berücksichtigung des historischen Erbes / Denkmalpflege Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Kosten der gefundenen Lösung Übertragbarkeit
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU Auszeichnungen und Preisverleihung Homburg / Ober-Erlenbach, der Robinien hof in Fronhausen-Sichertshausen und die Neun der insgesamt eingereichten 40 Projekte Mensch*Meierei in Witzenhausen / Unterrieden. aus ganz Hessen teilen sich für ihre kreative Umnutzung von Nichtwohngebäuden den Staatssekretär Jens Deutschendorf gratulierte »Hessischen Preis für Innovation und Gemein den Siegerprojekten und überreichte ihnen im sinn im Wohnungsbau«. Die Preisverleihung Oberhof, einer ehemals landwirtschaftlichen fand Ende August 2022 im Bad Homburger Domäne und heute ein genossenschaftlich Stadtteil Ober-Erlenbach statt. organisiertes Wohnprojekt, die Urkunden. Einen ersten Preis in Höhe von jeweils 11.000 Anerkennungen, dotiert mit jeweils 5.000 Euro, Euro erhielten insgesamt fünf Projekte: zwei 6 sprach die Jury für das Studierendenwohn- Projekte in Frankfurt am Main, das zukünfti heim Studico in Darmstadt, die Alte Kelterei in ge genossenschaftliche Wohnprojekt in der Kirtorf / Arnshain, die Wohnhof Treysa GmbH ehemaligen Akademie der Arbeit sowie das in Schwalmstadt und das Alte Gericht in Quartiershaus Praunheim, der Oberhof in Bad Wiesbaden aus.
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU NEUES WOHNEN IM BESTAND Christian Holl, BDA Hessen Die Maxime für die kommenden Jahre im nehmen, heißt nicht in erster Linie neue Häuser Bauen ist der Erhalt des Bestehenden und der so zu bauen, dass deren Bauteile irgendwann sensible Umgang mit den Materialien, Bau einmal wieder verwendet werden können. Es teilen und Strukturen, die bereits vorhanden heißt auch nicht zu suggerieren, es gelte d en sind: »Bauen muss vermehrt ohne Neubau Bestand und das Baumaterial daraufhin zu auskommen. Priorität kommt dem Erhalt und untersuchen, wie man daraus am besten etwas dem materiellen wie konstruktiven Weiterbauen Neues entwickeln könnte. des Bestehenden zu und nicht dessen leichtfer tigem Abriss. Die »graue Energie«, die vom Ma Wirklich im Sinne der Kreislaufwirtschaft wäre terial über den Transport bis zur Konstruktion es, schlicht und ergreifend einfach erst einmal in Bestandsgebäuden steckt, wird ein wichtiger so viel wie möglich stehen zu lassen. Denn Maßstab zur energetischen Bewertung sowohl viele der im Bau verwendeten Materialien und im Planungsprozess als auch in den gesetzli Produkte, allen voran Beton, lassen sich eigent chen Regularien. Wir brauchen eine neue Kultur lich nur dann auf der gleichen Qualitätsstufe 8 des Pflegens und Reparierens.« erhalten, also ohne erneute Zufuhr von Wasser, Energie und weiteres Material wie Bindemittel, So hatte es der BDA in seinem 2020 veröffent wenn das Gebäude, für das er verwendet wur lichten Manifest »Das Haus der Erde« postuliert. de, erhalten bleibt. Das neue Ideal der Kreis Es ist angesichts der enormen Herausforde laufwirtschaft entbindet uns im Bauen gerade rungen, dem Klimawandel zu begegnen und nicht davon, dem Bestand eine sehr viel höhere den CO²-Ausstoß zu reduzieren, kaum mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als das derzeit hinnehmbar, dass Abriss in den meisten Fällen der Fall ist. immer noch genehmigungsfrei ist. So wird laufend wertvolle – sanierungsfähige – Bausubs Wir sind hierbei aufgefordert, tatsächlich Neues tanz abgerissen. In den Jahren 2015 bis 2019 zu leisten: Nämlich das Neue als eine stetige wurden, so ermittelten es die Architects4Future, Aneignung und Anverwandlung der bestehen »im Jahr durchschnittlich rund 1,9 Mio. qm den Bausubstanz zu verstehen. Darin liegt ein Wohnfläche und 7,5 Mio. qm Nutzfläche abge noch nicht ausreichend erkanntes gestalte rissen – ohne Prüfung, risches Potenzial, denn das Bauen mit dem ob das Vorhandene Vorhandenen erlaubt es, die Fülle des Beste als Gebäude insge henden als Ausdrucksmittel zu nutzen, daraus samt oder zumindest Ornamente zu entwickeln, neue Kombinationen einzelne seiner Bau zu wagen. Mit dem Schwerpunkt auf demBe teile weiter genutzt stand könnte die Architektur gegenüber einer werden können.« am Neubau gemessenen Ästhetik lebendiger werden, an Ausdrucksmöglichkeiten gewinnen. Demgegenüber steht auch im Bauen Architektinnen und Architekten müssten die das neue Ideal der Veränderungen durch Nutzerinnen und Nutzer Kreislaufwirtschaft. nicht als Beschädigung verstehen, sondern als Dieses Ideal ernst zu das Fortführen des Potenzials, das ihnen die
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Architektur eröffnet. Die Aufgabe, die sich stellt, neue Qualitäten öffnen. Nutzungsoffene Räume ist also auch eine nicht zu unterschätzende für die Gemeinschaft, aneignungsfreundliche kulturelle Herausforderung. Und es ist eine, der Konzepte haben hier eine große Chance – und gerade nicht mit schematischen Musterlösun damit kann genau das umgesetzt werden, was gen begegnet werden kann, die mit standardi im standardisierten Neubau so schmerzlich sierten Modellen über das hinweggehen, was vermisst wird. den Bestand und dessen sozialen Wert aus macht. Nur so kann es dann auch praktikabel Umbau im Bestand ist gerade keine Praxis, die werden, Sanierung nicht als Bedrohung einer sich reduzieren ließe auf technische oder wirt sozial verantwortlichen Vermietungspraxis zu schaftliche Aspekte bzw. auf ihre vom Sozialen positionieren und dabei energetische Ertüch entkoppelte, technokratische Umsetzung. Es ist tigung gegen bezahlbaren Wohnraum auszu im Gegenteil, eine Chance, Modelle des Ge spielen. meinsamen zu entwickeln. Und so ist es viel leicht kein Zufall, dass sich im Bestand Hinweise Das Bauen im Bestand bietet enorme Poten dafür finden lassen, wie das Wohnen in Zukunft ziale auch für einen anderen, zukunftsfähigen gedacht werden kann: als gemeinschaftlich Wohnungsbau. Wenn sich die Rahmenbedin orientiertes Wohnen, als Alternative zum Ein gungen, die Prämissen ändern, unter denen die familienhaus, mit großzügigen Raumangebo Häuser gebaut worden sind, wenn sich über ten für die gemeinsame Nutzung und damit die ursprüngliche Nutzung und Bauabsicht letztlich auch als Reaktion auf demografische ein neues Programm oder eine neue Funktion Entwicklungen. legt, entstehen produktive Leerräume, die
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU Ausgezeichnete und nominierte Projekte 10
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Robinienhof in Fronhausen / Sichertshausen DIE AUSZEICHNUNGEN 1. PREIS Auszeichnungen mit einem Preisgeld von jeweils 11.000 Euro erhielten folgende Projekte: Oberhof in Bad Homburg / Ober-Erlenbach Robinienhof in Fronhausen / Sichertshausen Ehemalige Akademie der Arbeit in Frankfurt am Main / Bockenheim Quartiershaus AP2 in Frankfurt am Main / Praunheim Mensch*Meierei in Witzenhausen / Unterrieden 11 ANERKENNUNG Anerkennungen mit einem Betrag von jeweils 5.000 Euro wurden ausgesprochen für die Projekte: Studico Studierendenwohnheim ín Darmstadt Alte Kelterei in Kirtorf / Arnshain Wohnhof Treysa in Schwalmstadt / Treysa Altes Gericht in Wiesbaden
INNOVATIO N UND GE ME INS INN IM WOHNU NGS BAU STANDORTE DER 41 PROJEKTE HOFGEISMAR GREBENSTEIN BREUNA KORBACH WITZENHAUSEN KASSEL (2) ESCHWEGE SCHWALMSTADT MARBURG FRONHAUSEN KIRTORF BIEBERTAL GIESSEN DIPPERZ 12 LICH HUNGEN FRIEDBERG BAD HOMBURG WÄCHTERSBACH OBERURSEL FRANKFURT A.M. (5) HANAU WIESBADEN (2) HOFHEIM OFFENBACH (3) ELTVILLE DARMSTADT (2) GROß-UMSTADT OBER-RAMSTADT HÖCHST I.O. FISCHBACHTAL LÜTZELBACH
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU KOMMUNE PROJEKTNAME PREIS BAD HOMBURG Oberhof Ober-Erlenbach 1. PREIS ——› S. 14 BIEBERTAL Scheunenumbau Frankenbach PHASE 1 BREUNA Modernes Wohnen in alten Mauern PHASE 1 DARMSTADT Studico Studierendenwohnheim ANERKENNUNG ——› S. 34 Soziales Ausbildungs- und Integrationszentrum Eberstadt PHASE 1 DIPPERZ Schwab'scher Hof PHASE 1 ELTVILLE Kirche St. Martin Martinsthal NOMINIERT ——› S. 50 ESCHWEGE Revitalisierung ehemalige Stockfabrik PHASE 1 FISCHBACHTAL Alte Post Billings PHASE 1 FRANKFURT AM MAIN AP2 – Quartiershaus Praunheim 1. PREIS ——› S. 18 AdAptiv – Ehemalige Akademie der Arbeit Bockenheim 1. PREIS ——› S. 22 Wohn- und Apartmenthaus Lyoner Straße PHASE 1 Transformation Frankfurter Philosophicum PHASE 1 Wohnhäuser Sonnemannstraße PHASE 1 FRIEDBERG Studierendenwohnheim »In der Burg« PHASE 1 FRONHAUSEN Robinienhof Sichertshausen 1. PREIS ——› S. 26 GIESSEN Scheunenausbau Rödgen PHASE 1 GREBENSTEIN Wohnkonzept Blauer Wandstein PHASE 1 GROSS-UMSTADT Kreativ@Halle Richen PHASE 1 HANAU Martin Luther Haus NOMINIERT ——› S. 54 13 HÖCHST / ODW. Dreiseithof Pfirschbach PHASE 1 HOFGEISMAR MehrGenerationenHof Friedrichsdorf PHASE 1 HOFHEIM Haus Diener NOMINIERT ——› S. 58 HUNGEN Umbau Scheune PHASE 1 KASSEL Salzmann-Höfe Bettenhausen PHASE 1 Landwirtschaftlicher Resthof Immenhausen PHASE 1 KIRTORF Alte Kelterei Arnshain ANERKENNUNG ——› S. 38 KORBACH Mehrgenerationenwohnen im Baudenkmal PHASE 1 LICH Alte Schulhöfe PHASE 1 LÜTZELBACH Umbau Scheune Rimhorn PHASE 1 MARBURG Sonnenhof Gisselberg PHASE 1 OBER-RAMSTADT Weberhaus PHASE 1 OBERURSEL Aumühle PHASE 1 OFFENBACHAM MAIN Hau-Fabrik PHASE 1 Umbau Parkhaus PHASE 1 Ricker-Fabrik PHASE 1 SCHWALMSTADT Wohnhof Treysa GmbH ANERKENNUNG ——› S. 42 WÄCHTERSBACH Alte Schule Hesseldorf PHASE 1 WIESBADEN Altes Gericht ANERKENNUNG ——› S. 46 Pressehaus PHASE 1 WITZENHAUSEN Mensch*Meierei Unterrieden 1. PREIS ——› S. 30
1. PREIS DER OBERHOF IN OBER-ERLENBACH Ein Treffpunkt im und für den Stadtteil Planung: acr+ architekten | Antje Riedl, Bad Homburg | www.lebensraum-oberhof.de Die Hofanlage des Oberhofs im Bad Homburger Stadtteil Ober-Erlenbach be- herbergt nach der Fertigstellung der Umbauarbeiten überwiegend Wohnnutzung, ergänzt durch soziale und kulturelle Angebote wie ein Stadtteil- und Familien- zentrum, ein Jugendzentrum, eine Stadtteilbibliothek, eine Beratungsstelle der Diakonie sowie Ateliers, einen Hofladen mit Café und einen Frisör. Es sind 29 Wohnungen entstanden, die alle genossenschaftlich vermietet werden. 16 dieser Wohnungen befinden sich im Bestand. Mit den unterschiedlichen Wohnungs- formen und -größen werden Menschen aller Altersgruppen und Lebensformen angesprochen. Die Altersstruktur der Bewohner reicht von 0 bis 91 Jahre. Ursprüngliche Nutzung umstellte und Teile der Räumlichkeiten Architekten, Künstlern und Gewerbetreibenden überließ, die 14 Der Oberhof war eine hessische Staatsdomäne mit einen kleinen Teil der ungenutzten Stallungen für ihre Pächterhaus, Landarbeiterhaus, Stallungen, Scheu Zwecke ausbauten. Auf dem Oberhof wurde vom nen, Fruchtspeicher und Offenstall. Er wurde in der NABU lange Zeit die historische Obstpresse bedient, ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abschnittsweise als um die umliegenden Streuobstwiesenernte zu Saft Dreiseithof erbaut. Im Nord-, im West- und im Südflü und Apfelwein zu verarbeiten. Ober-Erlenbach ist gel befanden sich in den Erdgeschossen Stallungen, dank des (Verfahrens)Erfinders Josef Baumann die Traktor- und Kutschengaragen und in den Dachstüh Geburtsstätte des Süßmostverfahrens. Veranstaltun len Fruchtspeicher. In den 1960er Jahren kam an der gen im Rahmen der Apfel- und Streuobstwiesen-Rou östlichen Grenze des rund 7.000 qm großen Grund te, die Bad Homburger Kunstwerkstatt, das Ernte stücks eine Halle hinzu, die anfangs als Offenstall, dankfest u. a. zogen und ziehen viele Besucherinnen später als Maschinenhalle diente. Ende der 1990er und Besucher in den Oberhof. Mit der Zeit entstand Jahre wurde der Oberhof als Einzelkulturdenkmal im hier ein Ort der Gemeinschaft, der mit der Veräuße geschichtlichen Sinn in die Denkmalliste des Landes rung der Domäne im zunächst geplanten Bieterver Hessen aufgenommen. fahren 2008 zu zerbrechen drohte. Der Oberhof liegt zentral im Bad Homburger Stadt teil Ober-Erlenbach, welcher von der Kernstadt durch die A5 getrennt ist. Ober-Erlenbach ist dörflich Circa zwölf Jahre bis zur Realisierung des geprägt, war es doch bis in die 1970er Jahre unab Mehrgenerationen-Wohnprojekts hängig und dem Wetteraukreis zugehörig. Erst im 2008 wurde das seit 1997 im ehemaligen Kälbchen- Rahmen der Gebietsreform wurde Ober-Erlenbach stall der Anlage ansässige Architektenbüro acr+ ein Stadtteil von Bad Homburg. architekten auf den beabsichtigten Verkauf des Bis Mitte der 1990er Jahre wurde der Oberhof land Oberhofs durch die Hessische Landgesellschaft wirtschaftlich genutzt und war der Öffentlichkeit nicht (HLG) aufmerksam und wurde vom Ortsbeirat auf zugänglich. Mit dem Pächterwechsel 1996 kam eine grund seines engen Bezugs zur Liegenschaft um die junge Landwirts-Familie auf den Hof, die den kon Entwicklung eines Nutzungskonzepts gebeten. Schon ventionellen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft in dieser Phase interessierten sich sehr viele Personen
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU für das künftige gemeinschaftliche Wohnprojekt, dar eine Verkaufsausschreibung hätte die Domäne in die unter viele Bewerberinnen und Bewerber für bezahl Hände des meistbietenden Investors gegeben und 15 baren Wohnraum. Von Beginn an äußerte auch die der Verein, der sich den Erhalt und die Umnutzung Diakonie Raumbedarf, ebenso der Verein für psycho der Liegenschaft zum Ziel gesetzt hatte, wäre im soziale Hilfe, die Stadtteilbibliothek, die Krabbelstube Bieterverfahren nicht zum Zug gekommen. und die Volkshochschule. 2012 erwarb schließlich die Stadt Bad Homburg Zu dieser Zeit wurde der Verein »Lebensraum Ober – nach längerer kontroverser Diskussion im Stadt hof« gegründet, u. a. mit dem Ziel, auf kommunaler parlament – im Rahmen ihres Vorkaufsrechts die Im Ebene besser wahrgenommen zu werden. Zahlrei mobilie vom Land Hessen und entschied sich für das che Projektvorstellungen in den Fraktionen und bei Konzept des Vereins. Die Stadt trat und tritt in drei öffentlichen Veranstaltungen rückten das geplante unterschiedlichen Rollen auf: als Eigentümerin und Mehrgenerationenprojekt zunehmend in die öffent Erbpachtgeberin, Genehmigungsbehörde und als liche Wahrnehmung. So erhielt der Verein z. B. über Genossenschaftsmitglied. 4.000 Unterschriften aus der Bevölkerung, mit denen Parallel dazu wurde die Genossenschaft »Unser Ober die geplante Nutzung der Hofanlage als Mehrge hof e.G.« gegründet, bestehend aus fünf engagierten nerationenprojekt unterstützt werden konnte. Denn Der Umgang mit dem Bestand ist nicht historisierend, sondern integriert moderne Elemente, zum Beispiel bei den neuen teilweise verglasten Zugängen in den ehemaligen großen Stallungsportalen. Das Projekt ist auf andere große landwirtschaftliche Höfe übertragbar. Das Trägermodell ist eine nicht an Rendite orientierte Genossenschaft, die langfristig bezahlbaren Wohnraum sichert. Holger Zimmer (Jurymitglied)
1. PREIS Ehrenamtlichen, dem Vorsitzenden des Vereins Drei Haus-im-Haus-Atelierhäuser über Lebensraum Oberhof und Vertretern der Stadt. jeweils drei Ebenen mit 120 qm und mit Nach weiteren zwei Jahren lag ein rechtskräf Garten tiger Bebauungsplan vor und die Planungen Ein Loft im historischen Sprengwerk über wurden konkretisiert. Die Ankermieter, die von dem ehemaligen Kuhstall Anfang an dabei sein wollten, bestätigten ihr Interesse und Engagement und auch die Stadt Drei Wohnungen im historischen Fachwerk verpflichtete sich zur Anmietung von rund des ehemaligen Pächterhauses mit Garten 800 qm im Nordflügel für die Stadtteilbiblio Im Neubau des Ostflügels sind 13 Wohnungen thek, das Jugendzentrum sowie das Stadtteil- mit 48 qm bis 99 qm untergebracht. Sämtliche und Familienzentrum. Nach Grundsteinlegung Wohnungen verfügen über Westbalkone oder und Baubeginn im Mai 2019 – und nach einem -terrassen und elf dieser Neubau-Wohnungen verheerenden Dachstuhlbrand im Südflügel sind barrierefrei. Neben den rund 40 % barriere im August 2020 – wurde im September 2021 freien Wohnungen sind auch das Stadtteil- und endlich die Fertigstellung des Mehrgeneratio Familienzentrum, die Arztpraxis, die Diakonie, nenprojekts gefeiert. Rund 4.500 qm Wohn- die Stadtteilbibliothek sowie das Jugendzen Nutzfläche konnten an die nicht an Rendite trum, der Hofladen und der Frisör barrierefrei orientierte Genossenschaft übergeben werden. erreichbar. Alle Wohnungen im Oberhof werden genos Neuer Wohnraum im »Vierseithof« senschaftlich vermietet. Die Mieterinnen und Mieter werden Mitglieder der Genossenschaft Von den insgesamt 29 neuen Wohneinheiten und erwerben über die Genossenschaftsanteile im Oberhof befinden sich 16 im denkmal Mietrecht. Die Mietflächen sind spekulationsfrei. geschützten Westflügel und Südflügel. Sie 16 Die Mieten liegen mit 11,50 bis 12,50 Euro pro passen sich den historischen Strukturen an qm deutlich unter dem üblichen Quadratmeter und sind schonend in den Bestand eingefügt. preis in der Region. Bemerkenswert ist die effiziente Erschließung des Obergeschosses eines Gebäudeteils über Der öffentlich zugängliche Innenhof des Ober einen Laubengang, der auch Begegnungen hofs mit Spielplatz und vielen Sitzgelegenhei fördert. Die Wohnungen im Bestand umfassen: ten ist autofrei und lädt nicht nur die Bewohne rinnen und Bewohner, sondern auch Menschen Eine Ein-Zimmer-Wohnung mit 40 qm im aus dem Stadtteil oder umliegenden Gemein ehemaligen Kälbchenstall mit Kreuzgrat den zum Verweilen ein. Der alte Baumbestand, gewölben und Sandsteinsäulen ein Ahorn und ein Nussbaum, wurde erhalten Acht Maisonettewohnungen von 80 qm bis und mit historischen Apfelsorten ergänzt. 160 qm (drei bis sechs Zimmer) in den histori Der Stellplatznachweis wurde auf Basis der Bad schen Dachstühlen mit Balkonen und Gärten Homburger Satzung geführt. Aufgrund der
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Der Oberhof war bereits vor dem Umbau und ist nach wie vor ein öffentlicher Ort, der Charakter der Vierseit- Hofanlage wurde in gelungener architektonischer Form gewahrt. Es ist eine lebendige Nutzungsmischung entstanden. vielfältigen Nutzungen wurde ein Gleichzeitig Da aus Gründen des Denkmalschutzes keine keits-Schlüssel entwickelt, um Parkplätze nach Solardächer möglich waren, versorgt ein eige Nutzungszeiten tagsüber, abends bzw. nachts nes Blockheizkraftwerk die Gebäude über ein und am Wochenende mehrfach zu belegen. Nahwärmenetz. Der Neubau erfüllt den KfW 55 17 Standard, die Wohnungen in den historischen Gebäuden genügen den Anforderungen an ein Nachhaltiges Bauen im Denkmal KfW-Denkmal. Ein Innenwanddämmsystem auf Kalziumsilikatbasis sorgt für behagliche Ober Die Nutzungen sind sensibel in die vorhan flächentemperaturen. Eine Außendämmung denen Strukturen eingefügt, die Eingriffe in kam aus Gründen des Denkmalschutzes nicht den historischen Bestand konnten minimiert in Frage. Die historischen Dachstühle wurden werden. Alte Toröffnungen, die im Laufe der ertüchtigt, sodass sie mit 27,5 cm Zellulosedäm landwirtschaftlichen Nutzung zugemauert wur mung und zusätzlichen Holzweichfaserplatten den, sind wieder geöffnet worden und bilden die Anforderungen an den Wärmeschutz über nun großzügig verglaste Eingangsbereiche. durchschnittlich erfüllen. Die Stallungen weisen teilweise aufwändige Kreuzgewölbe und weit gespannte Tonnenge 35 cbm Staukästen puffern bei Starkregenereig wölbe auf, die von Sandsteinsäulen getragen nissen die Wassermengen, um das Entwässe werden. Die Dachstühle wiederum bestehen rungssystem zu entlasten. Die Gärten werden aus schönen Sprengwerken und gut erhalte naturnah und mit Gemeinschaftsflächen mit nen Tragwerken. All dies konnte beim Ausbau heimischen Gehölzen, Stauden und Hochbee größtenteils sichtbar erhalten werden. Ziegel, ten gestaltet. Sie kommen ohne Zäune und Holz und Bruchsteine, die beim Umbau anfie Trennungen aus. Das kürzlich neu gebaute len, sind wieder verwendet worden. Historische Palettenhaus beherbergt Fahrräder und in Fenster wurden saniert und zu Kastenfenstern einem separaten Raum die Müllcontainer. Es ertüchtigt. Sowohl der Innenbereich als auch wird zudem begrünt und dient als vertikaler die Fassaden wurden mit natürlichen, nach Kräutergarten. haltigen Materialien saniert. Das Landesamt für Denkmalpflege bezuschusste die Sanierung alter Metall-Sprossenfenster und bauzeitlicher Holzfenster.
1. PREIS AP2 — DAS QUARTIERSHAUS IN PRAUNHEIM Von der Werkstatt zum Wohnraum für Künstler und Geflüchtete Planung: BSMF mbH, Frankfurt am Main | www.bsmf.de Nachdem die Praunheimer Werkstätten ihren Betrieb 2015 einstellten, wurde im Stadtteil die Einrichtung eines inklusiven Quartiershauses diskutiert. 2016 übernahm die KEG die Liegenschaft und begann mit den Sanierungs- und Umbauarbeiten. Das Gebäude stellt nun Wohnraum für Geflüchtete bereit, ermöglicht aber auch kulturelle Aktivitäten und bietet Raum für Künstler und einen Jugendclub. Der Umbau zeichnet sich durch behutsamen Umgang mit den prägenden Fassaden und historischen Einbauten aus. 18 Das Bestandsgebäude des neuen Quartiershauses in Vor dem Hintergrund des steigenden Interesses an Praunheim ist ein Kulturdenkmal, welches in den 60er gemeinschaftlichen Wohnformen zum einen und den Jahren als »Beschützende Werkstatt« errichtet wurde. Erfordernissen des Bundesteilhabegesetztes zum Neben den Werkhallen und den Umkleide- und anderen, wurden gemeinschaftliche und inklusive Sanitärräumen umfassten die »Praunheimer Werkstät Wohnprojekte in der ehemaligen Werkstatt diskutiert ten« einen Speisesaal nebst Küche sowie Sozial- und und ein Konzept zur Entwicklung des Gebäudes im Verwaltungsräume. Als Ende 2015 der Träger der Sinne eines inklusiven Quartiershauses entworfen. Es Werkstatt den Standort aufgab und das Gebäude aus beinhaltete die Schaffung von gemeinschaftlichen der Nutzung fiel, war das Interesse an einer sozial und inklusiven Wohnangeboten (vorgesehen waren ausgerichteten Folgenutzung des Gebäudes im mindestens zehn Wohneinheiten), Atelier- und Aus Stadtteil groß. stellungsräumen für Kunstschaffende, Räume für eine
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Geflüchtete in einem architektonisch und baukulturell interessanten, denkmalgeschützten Gebäudekomplex mit Wohnraum zu versorgen, wird im positiven Sinne als »radikal« und innovativ gewertet. Das Projekt AP2 ist ein vielversprechendes Beispiel für einen durch Umnutzung ehemaliger Werkstattbauten entstandenen aktiven Quartiers baustein, der Praunheim vielfältige Impulse gibt, eine hohe Akzeptanz hat und prinzipiell auf viele andere städtische Quartiere übertragbar ist. Prof. Nanni Grau (Jurymitglied) bürgerschaftliche Nutzung sowie die Unterbrin Das Gebäude gliedert sich in mehrere Berei gung eines Jugendclubs aus dem Stadtteil mit che: Der ehemalige Verwaltungstrakt mit dem offenen Angeboten für die Bewohnerinnen und Haupteingang liegt im Nordosten des Gesamt Bewohner sowie weitere Interessierte. komplexes. Das Eingangsfoyer erschließt die Verwaltungsräume und ein angegliedertes Anfang 2016 übernahm die Konversions-Grund Saalfoyer den ehemaligen Speisesaal und stücksentwicklungsgesellschaft mbH (KEG) als die Küche. Der große Saal selbst grenzt einen neue Eigentümerin die Liegenschaft. Wegen Innenhof mit Terrasse im Osten ab. Verwal des hohen und vor allem dringlichen Bedarfs tungstrakt und Werkstattgebäude sind durch an Unterkunftsmöglichkeiten für Geflüchtete, 19 einen eingeschossigen Gebäuderiegel ver entschied sie, das bereits leerstehende Gebäu bunden, der sich zur Terrasse und zum grünen de vorrangig für eben diesen Personenkreis zu Hof hin öffnet. Den westlichen Abschluss des nutzen, wobei die ursprüngliche Konzeptidee Gesamtkomplexes bilden die ehemaligen eines Quartiershauses den Referenzrahmen Werkhallen, die sich auf zwei nord-südlich bildete. orientierten Geschossen erstrecken. Eine Sonderstellung nehmen die beiden Kopf Behutsamer Umgang mit der Substanz bauten des Werkstattgebäudes ein. Im nördli chen und südlichen »Kopf« des Gebäuderiegels Gestalt und Volumen des Baudenkmals blie liegen die Treppenhäuser. Die Kopfbauten sind ben bei den Umbau- und Sanierungsarbeiten durch Fugen und Brandabschnitte vom Haupt ebenso erhalten wie besondere historische riegel getrennt. Sie wurden als Wasch- und Ausstattungen, z. B. die einzigartigen histori Umkleideräume für die Werkstatt geplant und schen Waschbrunnen, die bauzeitlichen Fliesen weisen eine geringere Geschosshöhe auf. wie auch der Terrazzoboden, ferner die die Fassade prägenden Fenster in Betonrahmen sowie die Innenwände mit markanten Vergla Die neue Nutzungsstruktur sungen. Sukzessive werden einzelne Elemente des Gebäudes je nach Zustand und Funktion Die Verortung der neuen Nutzungsarten folgt instandgesetzt und überarbeitet. Es werden der Gliederung des Gesamtkomplexes. Im dabei Lösungen umgesetzt, die dem Gebäude zweiten Obergeschoss des ehemaligen Ver und seinem Denkmalstatus gerecht werden, wie waltungstraktes sind die beiden Vier-Zimmer beispielsweise die bauzeitliche Farbgebung Künstlerwohnungen untergebracht, im ersten der neu eingesetzten Brandschutztüren. Für die Obergeschoss befindet sich der Jugendclub. Fassade mit ihrem heute nicht mehr lieferbaren Im Erdgeschoss liegen der Eingangsbereich, Klinkerformaten wird derzeit ein Sanierungs die Küche und der Saal. Letzterer wird als sol konzept erarbeitet. cher erhalten und für größere Veranstaltungen
1. PREIS Das durch Kunst und Kultur belebte Mit- einander ist entscheidend für die positive, identitätsstiftende Ent- wicklung des Ortes und die hohe Akzeptanz der Unterkunft im Stadtteil. genutzt sowie u. a. zur Hausaufgabenbetreuung der Die beiden Wohnungen werden über die Vermitt in der Unterkunft lebenden Kinder oder für Angebote lungsplattform basis e. V. über ein Konzeptverfahren an die Bewohnerschaft und weitere Interessierte. vergeben. Die Unterkünfte für Geflüchtete befinden sich in Auch der Jugendclub ist durch die Kinder- und der rund 600 qm großen, drei-geschossigen Werk Jugendarbeit in das umliegende Quartier integriert. statthalle. Ihre Baustruktur bestimmt das Konzept Dabei wird besonderer Wert auf die Gleichberechti 20 der Unterbringung. Je Geschoss wurden unter gung aller Kinder und Jugendlichen jedweder Her schiedliche Raumkonstellationen geschaffen, so kunft gelegt. dass alleinstehende Männer und Familien getrennt Das Gelände des Quartiershauses verfügt über einen auf verschiedenen Ebenen untergebracht sind. Auf eigenen Innenhof und einen kleinen Garten. Die Ge jeder Fensterachse wurden Trockenbauwände er staltung des Freiraumes befindet sich in der Umset richtet. Es entstanden Räume für zwei Personen im zung. So werden u. a. ein Spielbereich für die Kinder, Obergeschoss und für vier bis sechs Personen im ein Abstellplatz für Kinderwagen und andere Fahrge Erdgeschoss, die durch einen Mittelflur erschlossen räte sowie eine Sitzecke als Treffpunkt eingerichtet. und an die beiden Treppenhäuser in den Kopfbau ten angeschlossen werden. An diese Treppenhäu Das Quartiershaus verfügt nur über fünf PKW-Stell ser angegliedert liegen die Bäder, die Küchen zur plätze. Vor dem Hintergrund der Art der Nutzung und Selbstversorgung, Wasch- und Trockenräume sowie der direkten Anbindung an den ÖPNV (Bushaltestel Aufenthaltsbereiche. le) wurde diese geringe Zahl der Stellplätze gemäß dem tatsächlichen Bedarf nach der Stellplatzsatzung Im Untergeschoss entstanden in gleicher Weise der Stadt Frankfurt genehmigt. Neu eingerichtet wur apartmentartige Räume mit Schlaf- und Wohnraum den zusätzliche Fahrradabstellplätze. sowie eigener Kitchenette für eine flexible Belegung und größere Familien. Durch die Umnutzung der Liegenschaft wurden Einbettung in das Quartier insgesamt 57 Räume für bis zu 180 Geflüchtete ge Das Gebäude liegt am Rande des historischen Stadt schaffen. Die beiden Vier-Zimmer-Wohnungen sind teilkerns, am Ufer der Nidda, deren Grünflächen als geförderte Atelierwohnungen explizit an vier zum sogenannten Frankfurter GrünGürtel gehören. junge Kunstschaffende vermietet, die in ihrer Arbeit Der GrünGürtel umspannt den gesamten inner Geflüchtete einbeziehen. So geben sie z. B. Kunst- städtischen Bereich Frankfurts. Die Umgebung ist und Musikworkshops für die Bewohnerinnen und hauptsächlich geprägt durch reine Wohnnutzung. Bewohner der Unterkunft, musizieren gemeinsam In der Nachbarschaft befinden sich ein Hotel sowie mit Geflüchteten und begleiten Feste und Feiern.
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU kirchliche und caritative Einrichtungen. Der bürger schaftlich getragene Verein Kunstwerk Praunheim e. V. hat seinen Sitz ebenfalls im Quartier und ist Partner einiger Kunstaktionen. Durch seine langjährige Nutzung ist das Gebäu de ein wichtiger Ort der Identifikation im Stadtteil, was das hohe bürgerschaftliche Interesse an einer sozialen und kulturellen Weiternutzung des Ge bäudes erklärt. Das ehrenamtliche Engagement der Nachbarschaft im Rahmen der Flüchtlingshilfe ist in dieser Einrichtung besonders groß. Es bestehen zu dem gute und lebendige Kontakte zu den Vereinen und Gemeinden im Stadtteil, die zu einer Reihe von offenen und k ooperativen Veranstaltungen führen, wie beispielsweise gemeinsames Fastenbrechen, ein Adventsbasar oder ein Hofflohmarkt. Das Projekt erreicht durch vielfältige Angebote und durch Öffnung der Liegenschaft im Erdgeschoss und Hof eine Verzahnung und eine hohe Durchdringung mit dem umgebenden Quartier und gibt als aktiver Quartiersbaustein vielfältige Impulse. Die Nutzergruppen – FLUK, Kunstschaffende, Jugend club – entwickelten zusammen mit kulturinteressier ten Bewohnerinnen und Bewohnern im Stadtteil ein Selbstverständnis als »Kulturort Praunheim«. Feste werden in unterschiedlichen Kooperationen In diesem Selbstverständnis bildet das ehemalige gemeinsam geplant und organisiert. Sie öffnen sich Werkstattgebäude den Ankerpunkt, das die verschie – je nach Schwerpunkt – für alle Bewohnerinnen und denen Initiativen, Vereine und Kirchengemeinden Bewohner des Stadtteils und der Nachbarschaft. Der im Stadtteil einbezieht. Angebote, Workshops oder Eigentümer des Gebäudes, die KEG, ist Teil dieses Netzwerks und unterstützt die gemeinsam geplanten und organisierten Angebote. Die zügige Umnutzung und die explizite Unterstüt zung dieser Entwicklung durch die KEG verhinderten das Brachfallen des Gebäudes und die Gefahr spe kulativer Interessen an dem Areal. Hinzu kommt die Schaffung von günstigem Wohnraum mit einer Miete von rund 3 Euro pro qm für die Atelierwohnungen.
1. PREIS ADAPTIV IN FRANKFURT AM MAIN Leben in der Ehemaligen Akademie der Arbeit – Große Pläne auf kleiner Fläche Architektonische Idee: MMA Manuel Mauder Architekten mit Prof. Marion Goerdt, Frankfurt | www.adaptiv-frankfurt.de Durch Umbau eines zunächst vom Abriss bedrohten Institutsgebäudes mitten in Frankfurt entsteht nun ein gemeinschaftliches und generationenübergreifendes Wohnprojekt für rund 90 Personen. Die ehemalige Akademie der Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist ein wichtiges Zeugnis deutscher Arbeiterinnen- und Arbeiter-Emanzipation. In den 50er Jahren im Zuge des Wiederaufbaus der Frankfurter Universität auf dem Campus Bockenheim errichtet, ermöglichte sie Menschen ohne Abitur ein Hochschulstudium und diente dem DGB als Forschungsinstitut – in unmittelbarer Nähe des Instituts für Sozialfor- schung um Horkheimer und Adorno. Diese Vergangenheit will AdAptiv aufgreifen und selbst – neben der Schaffung von Wohnraum – mit eigenen Veranstaltungen zu einem öffentlichen Bildungsort im Quartier werden. 22 Die Akademie der Arbeit in Frankfurt-Bockenheim Strategien zur Umnutzung des Bestands Der in den 50er Jahren entstandene Campus Bocken Eine direkte Umnutzung des Bestands hätte aufgrund heim, in dem u. a. das Senckenberg Museum liegt, der hohen Fixkosten für den Immobilienerwerb eine soll nach dem vollständigen Wegzug der Universität viel zu hohe Nettokaltmiete von rund 20 Euro pro zum »KulturCampus« weiterentwickelt und mit Instituti qm zur Folge gehabt – bei schlechter Wohnquali onen wie der Hochschule für Musik und Darstellende tät. Grund und Boden der Liegenschaft wird nun in Kunst angereichert und – auch für Wohnzwecke – Erbpacht von der Stadt Frankfurt übernommen und deutlich nachverdichtet werden. Als Gelenk soll der die Immobilie von der AdAptiv BauGeno eG (i.G.) KulturCampus den angrenzenden Stadtteil Bocken erworben. Die Architekten der Gruppe AdAptiv heim mit dem Stadtzentrum verbinden. Ein öffent haben zudem eine Entwurfsstrategie entwickelt, die licher Park soll sich als grünes Band durch das Quartier mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln möglichst legen und zum Rückgrat des Campus werden. viel Wohnfläche schafft. Dazu werden die zulässige GRZ durch Anbauten und die zulässige Höhe durch Das Grundstück der ehemaligen Akademie liegt als Aufstockung ausgeschöpft. Der Rückbau einer potenzielles Bindeglied zwischen Campus und Bo schadstoffbelasteten Leichtbauaufstockung von zwei ckenheim und mit seiner Ostseite am grünen Band, Nutzgeschossen und einem Installationsgeschoss während die Westseite direkt an ein Wohnquartier ermöglicht die Neuerrichtung von vier Wohnge anschließt. Das Bestandsgebäude ist eine zweiflügeli schossen für circa 45 Personen. Im Bestand werden ge Anlage mit dazwischen liegendem Erschließungs künftig ebenfalls etwa 45 Personen wohnen. kern. Nach Westen orientiert es sich trotz der offenen Bauweise eher an der gegenüberliegenden Block Die geplante Nutzung (Clusterwohnungen) setzt randstruktur, nach Süden und Osten an der typischen eine größere Gebäudetiefe voraus als sie im Bestand Campus-Struktur aus Einzelbauwerken. gegeben ist. Ausgreifende Aufstockungen schaffen daher die notwendige Tiefe und stellen gleichzeitig die Struktur für eine externe Laubengang
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU DasProjekt beabsichtigt einen kreativen Umgang mit einem sehr individuellen Gebäudebestand und ist ein mutiges Beispiel für ein gemeinschaftliches und alle Generationen ansprechendes Wohnprojekt, das in einem sehr hochpreisigen Umfeld bezahlbaren Wohnraum schaffen möchte. Die Rechtsform ist eine Genossenschaft, was eine langfristig stabile Kostenmiete gewährleistet, darüber hinaus soll – bei insgesamt geringem privaten Wohnflächenkonsum – auch ein hoher Anteil geförderten Wohnraums entstehen. Philipp Rabsahl (Jurymitglied) erschließung und räumliche Aufwertung der unteren rung im Inneren und die Aktivierung untergenutzter Geschosse bereit. Diese Ergänzungen erfolgen in Flächen (Abgrabungen ermöglichen eine höherwer Holzbauweise. Die Erschließung wird umstrukturiert tige Nutzung des Souterrains, der Mittelflur wird zur und in einer offenen Struktur zentralisiert. Service-Zone von durchgesteckten Wohnungen u. a.) werden dazu beitragen, die niedrige Flächeneffizienz Durch diese baulichen Kniffe konnte die errechne des Bestandes von 52 % auf 72 % zu erhöhen. te Miete auf 14,80 Euro pro qm (Stand: November 2020) gesenkt werden. Die geschickte Umstrukturie
1. PREIS Baukulturell wertvolle, aber über- wiegend als »nicht umnutzbar« NutzungsMix: Maxi geltende und vom Abriss bedrohte Wgs und andere Wohnformen Universitätsgebäude können sehr Clusterwohnen gemeinschaftliche Bereiche wohl kreativ für Wohnzwecke Doppelnutzung Gewerbe / gem. Bereiche »adaptiert« werden. Gewerbe Baurechtliche Fragestellungen Nachhaltiges Bauen und Urban Mining Da durch die Umnutzung der Bestandsschutz Klimaschutz, Ökologie und damit nachhaltiges erlischt, wird es, bedingt durch das Alter des Bauen sind für AdAptiv ein zentrales Anliegen. Gebäudes, an vielen Stellen zu Komplikationen Nachhaltigkeit wird nicht nur als reine Energie- kommen, z. B. hinsichtlich Brandschutz, Schall Einsparung, sondern in einem umfassenderen schutz, Statik, Barrierefreiheit. Sinn verstanden: Erhöhung der lokalen Arten vielfalt, Senkung der Gebäude- und Umge Der rechtskräftige B-Plan ignoriert den Bestand, bungstemperatur und Verbesserung des lokalen da man bei der Planerstellung von einem Ab 24 Klimas, Überflutungsschutz und schonender riss ausgegangen war. Auch aus diesem Grund Umgang mit Trinkwasser, Energieerzeugung erlischt mit der Umnutzung der Bestandsschutz und sparsamer Energieverbrauch, Kreislaufwirt und somit müssen Befreiungen erwirkt werden, schaft und Ressourcenbewusstsein. selbst wenn baulich nichts verändert würde. Dafür werden seitens der Stadt Kompensations Bauteile, Einbauten, Möbel des Bestands u. a. maßnahmen verlangt, die ein ohnehin kom sollen auf ihre Wiederverwendbarkeit hin plexes Projekt zusätzlich verteuern. Im Sinne untersucht und nach Möglichkeit direkt vor Ort nachhaltiger Bestandsentwicklung wäre ein erneut eingesetzt oder anderen Projekten zur nutzungsunabhängiger Bestandsschutz wün Verwendung angeboten werden, so etwa die schenswert. zurückgebaute Stahlkonstruktion der 70er-Jah re-Aufstockung für notwendige Abfangungen Eine verlässliche Kostenberechnung ist für ein und größere Durchbrüche. Dies spart nicht gemeinschaftliches Wohnprojekt ein zentrales nur Entsorgung und Herstellung, sondern Kriterium und hier angesichts der vielen Unklar auch den zweifachen Transport. Bei Ergänzung heiten im Bestand (tatsächliche Materialstärken und Renovierung von Bauteilen wird auf die und -güten, Schadstoffbelastung, fehlende spätere Wiederausbaubarkeit von Konstruktio Bestandsstatiken u. a.) nur mit erheblichem nen geachtet, Verbundkonstruktionen sollen Voruntersuchungsaufwand möglich, den die vermieden werden, »sortenreine« Bauweisen Projektgruppe rein aus Eigenmitteln, ohne den Vorzug erhalten. Anfängliche Ideen einer Zugang zu Fremdkapital bestreiten muss – mit weiterreichenden Wiederverwendung von zunächst ungewissem Ausgang. Abbruch und Bauteilen mussten aufgegeben werden, da dies Neubau wären dagegen wesentlich einfacher ein ständiges flexibles Reagieren des Entwurfs und sicherer zu kalkulieren. auf andernorts gefundene oder verfügbare Materialien und deren Dimensionen erfordert hätte – im Planungsrecht nicht vorgesehen und in den aktuellen Verwaltungsstrukturen nicht umsetzbar.
I N N OVATI ON U N D G EM EI N SI N N I M WOH N U N G SB AU Einbindung in das bestehende Quartier nach derartigen Wohnformen, die zudem auf gelebte Nachbarschaft und Quartiers-Engage Die Akademie will künftig auch Anlaufstelle für ment setzen, steigt jedoch. das Quartier sein und gestalterisch selbstbe wusst auftreten. Das Gebäude soll sich an den klar gegliederten Nachbarbauten des Architek Organisation und Finanzierung ten Ferdinand Kramer orientieren, gleichzeitig aber einen zeitgemäßen baulichen Ausdruck Alle Wohnungen können zur (Kosten-)Miete finden. Jenseits immer dickerer Dämmpakete (bei Genossenschaften: Nutzungsentgelt) an soll es zeigen, dass Ressourcenschonung, gemietet werden und alle Bewohnerinnen und Recyclingfähigkeit, ökologische Baustoffe Bewohner treten in die Genossenschaft ein. und Gebäudebegrünung auch repräsentative Hinzu kommt, dass die Wohnungen förder Qualitäten annehmen können und nachhaltige fähig geplant werden, so dass im Falle einer Architektur großen Spaß machen kann. Das Finanzierbarkeit auch geförderter Wohnraum Projekt soll nicht nur sozial erfolgreich, sondern realisiert werden kann. auch baulich so attraktiv werden, dass selbst Die Konversions-Grundstücksentwicklungs konventionelle Investoren eine Nachahmung in gesellschaft mbH (KEG) hatte die ehemalige Erwägung ziehen können. Akademie der Arbeit 2019 erworben, um sie Der Entwurf greift bei größtmöglichem für eine gemeinwohlorientierte Nutzung zu Substanzerhalt den offenen Charakter des sichern. 2020 stellte sie das Areal zur Vergabe Ursprungsbaus auf und schafft statt des aktuell nach Konzept durch die Stadt zur Verfügung. recht hermetisch wirkenden Baus ein einladen Das Verfahren konnte AdAptiv e. V. für sich ent des Haus, u. a. mit einer öffentlich zugänglichen scheiden. Das innerstädtische Gebäude wird Sockelzone. Hier soll ein lebendiger »Quartiers somit dauerhaft der Spekulation entzogen, eine anker« und Treffpunkt entstehen, der neben Renditeorientierung wird dadurch ausgeschlos 25 einem sozialen Gastronomie-Angebot auch sen und bezahlbarer Wohnraum im Innenstadt Veranstaltungen organisiert. bereich langfristig gesichert. Zum vollständig zirkulären Bauen ist es noch Modernes innerstädtisches Wohnen ein weiter Weg und Pilotprojekte sind ohne umfangreiche Förderung nicht umsetzbar. Das Projekt ist autofrei konzipiert, da die zentrale AdAptiv versucht punktuell dazu beizutragen. Lage mit einer hervorragenden Anbindung an den ÖPNV und einem kurzen Weg zum Hauptbahnhof dies problemlos ermöglichen. Gemeinschaftliche Lastenräder, Fahrrad-Rik schas und geschützte Fahrrad-Stellplätze sollen den Verzicht auf das Auto erleichtern. Das gemeinschaftliche und generationsüber greifende Wohnprojekt (Altersmischung von je einem Drittel 0-30 Jahre, 30-50 Jahre sowie Ü50) bietet vor allem Cluster-Wohnungen an, die für Wohngemeinschaften wie auch Fami lienwohnungen genutzt werden können. Alle Bewohnerinnen und Bewohner teilen sich flexi bel umnutzbare gemeinschaftliche Flächen wie Speisesaal / Lounge, Werkstatt, Gästezimmer. Eine ausgewogene Balance zwischen Begeg nungs- und Rückzugsmöglichkeiten bleibt das Ziel. Die Typologie des Clusterwohnens wird in Frankfurt noch kaum angeboten. Die Nachfrage
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