WOBAU report Sozialer Wohnungsbau in Deutschland und Österreich - Es geht auch anders: Caparol

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WOBAU report Sozialer Wohnungsbau in Deutschland und Österreich - Es geht auch anders: Caparol
WOBAU report
Ausgabe 26 | 2018

            Es geht
          auch anders:
            Sozialer
        Wohnungsbau in
        Deutschland und
           Österreich

Europastraße Linz         Lange Allee Linz       Leindotter
Akzente im sozialen       Erschwingliches        Prämierte ökologische
Wohnungsbau               gemeinnütziges Idyll   Wertschöpfung
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WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

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WOBAU report Sozialer Wohnungsbau in Deutschland und Österreich - Es geht auch anders: Caparol
Editorial

Hallo
Nachbar!
Österreich ist ein ebenso sympathisches wie interessantes Land. Vieles ist mit Deutsch-
land vergleichbar, doch es gibt auch Unterschiede. Wie beim sozialen Wohnungsbau:
Dieser ist in Österreich deutlich sozialer strukturiert. Dass sich generell der Blick über
den Teller- bzw. diesmal Alpenrand lohnt, möchten wir mit dieser Ausgabe unter Be-
weis stellen – und widmen den WOBAU report zum ersten Mal einem anderen Land.

Passend dazu gibt es auch gleich zwei Objektberichte aus Österreich: beide in der
schönen Stadt Linz und beide absolut sehenswert. Doch auch bei uns gibt es wieder
­genug Berichtenswertes. Etwa, wie in Ludwigshafen ein monolithischer Neubau ein
 altehrwürdiges Ensemble ergänzt. Klingt widersprüchlich? Funktioniert aber hervor-
 ragend.

In die „Goldenen Zwanziger“ verschlägt es uns in Darmstadt, wiederum mit einem
kompletten Ensemble: Hier wurde begonnen, einen ganzen Straßenzug in sein ur-
sprüngliches, farbenfrohes Aussehen zurückzuversetzen.

Zwei weitere, sehr interessante Themen: Wir schauen uns an, wie sich auf ein- und
demselben Feld landwirtschaftliche Erträge steigern lassen und gleichzeitig Rohstoffe
für die Farbindustrie gewonnen werden können. Und wir verraten, welche Trends
aus ebenjener Industrie aktuell besonders angesagt sind.

Bei diesen und allen anderen Themen wünschen wir wie immer eine unterhaltsame
und informative Lektüre – hier und in Österreich!

Falk Böhm
DAW Objektmanagement

Ikone des sozialen Wohnungsbaus in Österreich seit 1930: der Karl-Marx-Hof im Wiener Bezirk Döbling

                                                                                                           03
WOBAU report Sozialer Wohnungsbau in Deutschland und Österreich - Es geht auch anders: Caparol
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

         Inhaltsverzeichnis
         Fokus-Thema: Sozialer Wohnungsbau                          06
         Einst gefördert, heute gefordert

         Ansichtssache: von Axel Gedaschko, GdW                     24
         Alle Kräfte für mehr bezahlbaren Wohnraum bündeln

         Rund ums Fenster                                           26
         Die perfekte Ergänzung zur Fassadendämmung

         Europastraße in Linz                                       28
         Gefördertes Wohnen auf dem neuesten Stand

         Zurück in die Goldenen Zwanziger                           30
         Ein Ensemble in Darmstadt erstrahlt in neuem altem Glanz

         Lange Allee in Linz                                        32
         Von Postbus-Garagen zu attraktivem gefördertem Wohnraum

         Hohenzollern-Höfe Ludwigshafen                             34
         Monolithischer Neubau ersetzt altes Gebäude

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Inhalt

Fünf Wohnanlagen mit insgesamt 105 geförderten Mietwohnungen: Die Gebäude in der Europastraße in Linz fallen schon von
Weitem mit ihren markanten Fassaden mit farbig beschichtetem Streckmetall und metallischen Putzoberflächen auf.

Die Caparol Trendfarben 2018                                                                                         36
Viele bunte Neuigkeiten und ein Dackel

Trendthema Putz                                                                                                      40
Wieder angesagt: verputzte Oberflächen

Gesundes Wohnen                                                                                                      42
Wohlfühlklima mit CapaGeo

Leindotter und Erbsen                                                                                                44
Ein Feldversuch mit überraschendem Ergebnis

Original Meldorfer                                                                                                   46
Handarbeit aus dem hohen Norden

WOBAU aktuell                                                                                                        48
Synthesa-Arena, GreenTec Awards 2018, Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2018

WOBAU Referenzen                                                                                                         51
Alle Referenzen auf einen Blick

                                                                                                                                05
WOBAU report Sozialer Wohnungsbau in Deutschland und Österreich - Es geht auch anders: Caparol
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

           Sozialer Wohnungsbau –
           einst gefördert, heute
           gefordert.
           Begonnen als staatliches Programm, um möglichst vielen Bürgern annehmbares Wohnen
           zu ermöglichen, veränderte sich der soziale Wohnungsbau teilweise erheblich. Wie konnte
           es dazu kommen? Und wie sieht es damit bei uns heute aus? Diesen Fragen möchten wir
           uns in dem vorliegenden Artikel widmen. Dazu werfen wir einen Blick nach Österreich. Und
           schauen uns an, wie und warum in unserem Nachbarland vieles anders – und besser – lief.

                                                                                        Von Peter Zimmer

                                            Wichtig ist hierbei: Alle mit staatlichen   diesem Zusammenhang ist die Kosten-
Was bedeutet sozialer
                                            Mitteln geförderten Wohnungen un-           miete: „Mit Kostenmiete bezeichnet man
Wohnungsbau?                                terliegen einer Belegungsbindung und        in Deutschland einen Mietzins, der zur
                                            einer Preisbindung. Dies gilt für den       vollständigen Deckung der laufenden
Ganz grundsätzlich bezeichnet der Be-       geförderten Wohnungsbestand eben-           Aufwendungen unter Berücksichtigung
griff „Sozialer Wohnungsbau“ den staat-     so wie für Wohnraum, der nach den           der tatsächlichen Finanzierungskosten
lich geförderten Bau von Wohnungen.         geltenden Vorschriften des Wohnraum-        einschließlich der öffentlichen Baudar-
In erster Linie soll damit den Menschen     förderungsgesetzes (WoFG) gefördert         lehen erforderlich ist (...). Die Mietsätze
bzw. sozialen Gruppen der Zugang zu         wurde bzw. wird. Das bedeutet, dass         im preisgebundenen Wohnungsbau (,so-
den eigenen vier Wänden ermöglicht          staatlich geförderter Wohnraum stets mit    zialen Wohnungsbau‘) richten sich nach
werden, die ihren Bedarf an Wohnraum        der Auflage verbunden ist, dass dort nur    der Kostenmiete; Ertragssubventionen
nicht aus eigener wirtschaftlicher Kraft    „berechtigte Personen“ wohnen dürfen        mindern die Miete. Damit soll erreicht
am freien Wohnungsmarkt decken kön-         und eine Miet-Höchstgrenze festgelegt       werden, dass Finanzierungsvorteile, die
nen. Sprich: die sich ohne Unterstützung    wird. Wer zum Bezug einer öffentlich        ein Eigentümer im sozialen Wohnungs-
sonst keine Wohnung leisten können.         geförderten Wohnung berechtigt ist,         bau genießt, ungeschmälert an die Mieter
Als (sozial-)politisches Instrument         muss dies durch einen Wohnberechti-         weitergegeben werden.“[1]
spielte der soziale Wohnungsbau in der      gungsschein nachweisen. Im Gegenzug
Vergangenheit eine recht wechselhafte       erhalten Wohnungsunternehmen, Bau-
                                                                                        Grundsätzliches zum
Rolle, die mit den unterschiedlichen        genossenschaften oder Einzelbauherren
Intentionen der verschiedenen Regierun-     zum Beispiel Zuschüsse oder Darlehen        sozialen Wohnungsbau
gen in der Bundesrepublik Deutschland       zu Vorzugspreisen. Diese Vergünstigun-
                                                                                        in Deutschland
einherging und -geht, aber darauf wird      gen laufen in der Regel nach einigen
später noch genauer eingegangen wer-        Jahrzehnten aus, beispielsweise nach
den. Parallel dazu verlief die Entwick-     Rückzahlung des Darlehens. Parallel         War das Vorläufermodell des sozialen
lung des sozialen Wohnbaus in Öster-        dazu endet die Belegungsbindung, und        Wohnungsbaus dazu gedacht, der Ver-
reich, die ebenfalls gesondert betrachtet   die Wohnräume wandern in den freien         elendung breiter Gesellschaftsschichten
werden soll.                                Markt. Ein weiterer, wichtiger Punkt in     entgegenzuwirken, die in vielen Städten

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Sozialer Wohnungsbau

Vom annehmbaren Zuhause für möglichst viele Bürger zur stigmatisierten, vielerorts prekären Wohnsituation: typisches Erscheinungsbild des sozialen
Wohnungsbaus der 1970er Jahre

                                                                                                                                                 07
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         Der soziale Wohnungsbau
         in Zahlen.

                                                    Anzahl der Sozialwohnungen in
                                                    Deutschland in Prozent | 1,5 %

                                                    Anzahl der Sozialwohnungen in
                                                    Österreich in Prozent | 10,8 %

         D | 82,3                  AT | 8,3                                            D | 1,27                  AT | 0,9
         Einwohnerzahl                                                                 Anzahl der Sozialwohnungen
         in Millionen                                                                  in Millionen

         Durchschnittliche Wohnfläche im selbst genutzten Eigentum
         - in Deutschland pro Kopf in Quadratmetern | 57
         - in Österreich pro Kopf in Quadratmetern | 47

         Durchschnittliche Wohnfläche in Mietwohnungen
         - in Deutschland pro Kopf in Quadratmetern | 48
         - in Österreich pro Kopf in Quadratmetern | 38

         Quelle: FGW – Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen, Wien | Statistisches Bundesamt, Wiesbaden / Mikrozensus 2014

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Sozialer Wohnungsbau

mit der beginnenden Industrialisierung      einer Erneuerung der Wohnkultur ver-        ,breiten Bevölkerungsschichten‘ Zugang
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-      knüpft.“[2]                                 zu Wohnraum zu verschaffen habe, ging
derts entstand – Städte versprachen                                                     zugunsten der marktwirtschaftlichen
damals Arbeitsplätze, waren jedoch mit      Im Lauf des Zweiten Weltkrieges und         Idee zurück. Dies manifestierte sich un-
der Schaffung von „menschenwürdi-           insbesondere danach wurden die Ideen        ter anderem im stufenweisen Abbau der
gem“ und zumutbarem Wohnraum oft            und Ansätze des sozialen Wohnungs-          Wohnungszwangswirtschaft. Mit Blick
heillos überfordert –, so wandelten sich    baus aufgegriffen und weiterentwi-          auf den großen Erfolg im Wohnungs-
Rolle und Funktion des sozialen Woh-        ckelt – wenn auch natürlich unter           bau reduzierte der Bund zu Beginn der
nungsbaus in den folgenden Jahrzehnten      völlig anderen Voraussetzungen. Stand       1960er Jahre die Ausgaben für dieses
mehrfach. Als Ursprungsgedanke kann         während des Krieges die Planung für         Instrument drastisch. Mit der spürbaren
jedoch im Zuge der Sozialstaatlichkeit      die Zeit nach dem sogenannten „End-         Entlastung am Wohnungsmarkt und
in Deutschland die Aufgabe angesehen        sieg“ im Vordergrund, so zwang in den       dem gleichzeitigen allgemeinen ökono-
werden, jedem Bürger einen Platz zum        1950er Jahren die massive Wohnungs-         mischen Aufschwung ging allerdings ein
Leben und Wohnen zu ermöglichen.            not durch Millionen Heimatvertriebene       stetiges Bevölkerungswachstum einher.
                                            in Verbindung mit dem beginnenden           Zwischen 1960 und 1969 wuchs die
In der Weimarer Republik begann dann        Wirtschaftswunder die Volksvertreter        Bevölkerung der Bundesrepublik um 9,4
die Idee des eigentlichen „modernen“        zu einer Wohnungspolitik, die dieses        Prozent, während der Wohnungsmarkt
sozialen Wohnungsbaus. In der deut-         Problem aktiv anging. Das Resultat: das     weitgehend dereguliert war. Durch die
schen Ausgabe der Internet-Enzyklopä-       erste Wohnungsbaugesetz, verabschiedet      demografische Entwicklung vereng-
die Wikipedia findet sich dazu folgender    im Jahr 1950. Dadurch wurde bundes-         te sich der Wohnungsmarkt erneut;
Text: „Der soziale Wohnungsbau in der       weit einheitlich der Wiederaufbau von       auch das 1965 eingeführte Wohngeld
Bundesrepublik hat seine Vorgeschichte      Wohnungen geregelt, vor allem aber die      zur Unterstützung der Mietkaufkraft
bereits in der Weimarer Republik. In        Entwicklung von sozialem Wohnungs-          konnte daran zunächst nichts ändern,
den 1920er-Jahren entstanden in vielen      bau. Dieser zu der damaligen Zeit noch      da durch die öffentliche Unterstützung
deutschen Städten neue Siedlungen,          neuartige Begriff wurde definiert als       der Mieterinnen und Mieter auf der
die insbesondere Bevölkerungsgruppen        „Bau von Wohnungen, die nach Größe,         Nachfrageseite mehr Geld vorhanden
mit kleinem Einkommen ein gesundes          Ausstattung und Miete für die breiten       war, das zum Großteil durch Mietsteige-
Wohnumfeld bieten sollten. Hintergrund      Schichten des Volkes bestimmt und           rungen aufgesaugt wurde und kaum eine
war das anhaltende Wohnungselend            geeignet sind“. Ab Mitte der 1950er         Stärkung der Angebotsseite nach sich
in der Kaiserzeit insbesondere in den       Jahre begann die zunehmende Förde-          zog. Um die Steigerung der Mietpreise
Arbeitervierteln. Mit Protesten bis hin     rung des Einzeleigentums, speziell der      abzubremsen, wurde auf Bundesebene
zum Mietstreik oder Krawallen gegen         einkommensschwächeren Schichten. Im         1971 das Wohnraumkündigungsschutz-
Zwangsräumungen war im Umfeld der           Jahr 1956 trat das Zweite Wohnungs-         gesetz eingeführt (...). Gleichzeitig sank
Arbeiterbewegung immer wieder die           baugesetz in Kraft, mit dem der soziale     bis 1979 die Anzahl der fertiggestellten,
Forderung nach gesundem und bezahl-         Wohnungsbau wieder etwas in den             öffentlich geförderten Wohnungen pro
barem Wohnraum artikuliert worden.          Hintergrund gedrängt wurde. Auslöser        Jahr auf nur 109.000 Einheiten.“[3]
Doch erst nach der Novemberrevolution       war die soziale Marktwirtschaft, die sich
gab es mit dem sozialen Wohnungs-           allmählich durchzusetzen begann und         In den darauffolgenden Jahren, vor allem
bau einen Versuch, die Probleme in          die die Bundesländer veranlasste, ihre      aber nach dem Regierungswechsel im
der Breite anzugehen. Einige berühmte       eigenen Gesetze und Richtlinien für den     Jahr 1982, wurde eine weitergehende
Beispiele finden sich in Berlin, etwa die   sozialen Wohnungsbau zu formulieren.        wohnungsmarktpolitische Liberalisierung
Hufeisensiedlung im Stadtteil Britz oder    Für die anschließende Entwicklung fin-      angestrebt. Die Politik überließ diesen
die Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer     det sich auf der Internetseite der „Bun-    Bereich mehr und mehr dem „freien
Berg. Sie sind heute Teil des UNESCO-       deszentrale für politische Bildung (bpb)“   Markt“ bzw. privaten Investoren, bis sich
Weltkulturerbes Siedlungen der Berliner     der folgende Auszug: „Gegen Ende der        1986 der Bund schließlich aus der För-
Moderne. Beim Projekt Neues Frank-          1960er Jahre begann die Phase der Sozi-     derung des sozialen Mietwohnungsbaus
furt unter der Leitung von Ernst May        alen Marktwirtschaft auch in der Woh­       zurückzog. Im Jahr 1998 wurden von
wurde der soziale Wohnungsbau mit           nungspolitik. Die Idee, dass der Staat      der dann regierenden Bundesregierung

                                                                                                                                  09
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Nachhaltige Bleibe für Menschen ohne Heim: Haus der Wiener Wohnungslosen-Hilfe im Passivhausstandard

erneut deutliche Veränderungen in der            in jüngerer Zeit weitere Erscheinungs-            Regeln hinsichtlich günstiger Mietpreise
Wohnungspolitik beschlossen, der sozi-           formen: In Wien zum Beispiel befinden             – auch bei Auslaufen der Bindungen der
ale Wohnungsbau wurde im Jahr 2001               sich mittlerweile Gemeindewohnungen               Wohnbauförderungen – und kontinuier-
„faktisch beendet und durch das Kon-             in Hochhäusern. Die sogenannte „Solar             lichem Neubau unterliegen.“[5]
zept der Sozialen Wohnraumförderung              City“ in Linz ist ebenfalls ein gemein-
ersetzt.“[4] Mit der Föderalismusreform          nütziges Wohnbauprojekt – und gleich-
                                                                                                    Vergleich des sozialen
I im Jahr 2006 wurde die Zuständig-              zeitig ein Vorreiterprojekt des ökologi-
keit für die Gesetzgebung zur sozialen           schen Städtebaus.                                  Wohnungsbaus in
Wohnraumförderung vom Bund auf die
                                                                                                    Deutschland und
Länder übertragen.                               Lag in der Vergangenheit in Österreich
                                                 die soziale Wohnversorgung überwie-               ­Ö sterreich
                                                 gend in den Händen der Kommunen,
Grundsätzliches zum
                                                 so obliegt die für breite Bevölkerungs-           Im direkten Vergleich zwischen Deutsch-
sozialen Wohnungsbau                             schichten erschwingliche Wohnversor-              land und Österreich offenbaren sich
                                                 gung und Wohnhausverwaltung seit                  interessante Unterschiede im sozialen
in Österreich
                                                 den 1980er Jahren mehr und mehr den               Wohnungsbau. Der augenfälligste dürfte
                                                 gemeinnützigen Bauvereinigungen. Zum              mit Sicherheit der Umstand sein, dass
In Österreich verliefen Entstehung und           generellen Charakter des sozialen Woh-            beispielsweise in Wien für sieben Euro
Entwicklung des sozialen Wohnungs-               nungsbaus in Österreich findet sich im            Warmmiete pro Quadratmeter eine
baus etwas anders als in Deutschland.            Internet der folgende Text: „Das öster-           Wohnung in einem öffentlich geförderten
Hier entstanden gegen Anfang des 20.             reichische System der sozialen Wohnver-           Sozialbau bewohnt werden kann – mit
Jahrhunderts, von den 1920er- bis zu             sorgung ist durch einen engen Zusam-              einer Ausstattung, die so in Deutschland
den frühen 1930er-Jahren und verstärkt           menhang zwischen Wohnbauförderung                 schwerlich zu finden sein wird.
zwischen den 1950er- und 1970er-                 und dem Agieren gemeinnütziger Bau-
Jahren eine Vielzahl an Wohnprojekten            vereinigungen qua Wohnungsgemeinnüt-              Wie das? Die Antwort liegt in der Ver-
von sozialem Charakter. Diese meist              zigkeitsgesetz gekennzeichnet, welche             gangenheit begründet. In Deutschland
„Gemeindebau“ genannten Projekte                 durch die Wohnungsgemeinnützigkeit                wurden vielerorts öffentliche Flächen
hatten häufig vier bis sechs Etagen und          steuerliche Begünstigungen erhalten               oder kommunale Wohnungsbestände an
waren oftmals angelegt in Hofform. Zu            und privilegierter Fördernehmer in der            Investoren verkauft. So ließen sich zwar
dieser Erscheinungsform gesellten sich           Wohnbauförderung sind, hierfür jedoch             für Städte und Kommunen kurzfristig

10
Sozialer Wohnungsbau

Siedlung Bruchfeldstraße in Frankfurt/Main, auch genannt „Zickzackhausen“: entstanden unter Ernst May und als erste Wohnsiedlung überhaupt
­ausgestattet mit der als „Frankfurter Küche“ bekannt gewordenen Standardküche der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky aus dem Jahr 1926.

attraktive Gewinne erzielen, doch die                ständlichen Ausstattung gehören sowie                 viel billiger. Sein Sohn habe gerade die
Folgen tragen heute die sozial Schwä-                ein Theatersaal, eine Dachterrasse mit                Gemeindewohnung der Großmutter
cheren: Sie können die stetig steigenden             Blick über die ganze Stadt, ein großer                übernommen. Dort zahlt er für 72 Quad-
Mieten auf dem freien Markt oftmals                  Partyraum mit Zugang zum Grillplatz                   ratmeter 320 Euro Miete, also 4,44 Euro
nicht mehr bezahlen und sind auf die                 im Hofgarten, eine Kletterwand, tausend               pro Quadratmeter. Inklusive Betriebs-
Unterstützung der Sozialämter angewie-               Fernsehprogramme und drei Terrassen                   kosten. Weit mehr als die Hälfte der
sen. In Österreich hingegen, und hier                für Gemüse- und Kräuteranbau. Nur                     Wiener leben in der einen oder anderen
insbesondere in der Hauptstadt Wien,                 sind das keine Luxusapartments. Der                   Form so günstig auf Kosten der Stadt.
ist genau das nicht passiert, die Gebäude            Komplex im Entwicklungsgebiet Sonn-                   220.000 Gemeindewohnungen, von der
und Flächen blieben in staatlicher Hand.             wendviertel neben dem neu errichteten                 Kommune errichtet und verwaltet, sowie
Dazu kommt das annähernd bereits seit                Wiener Hauptbahnhof ist eine Anlage                   200.000 mit unterschiedlichen Förder-
100 Jahren existierende, umfangreiche                des geförderten Wohnungsbaus, errichtet               modellen subventionierte Neubauten, die
Bauprogramm in Österreich mit dem                    von einer gemeinnützigen Bauträger-                   von gemeinnützigen Bauträgern errichtet
Ziel, bezahlbaren Wohnraum für alle                  gesellschaft. Dank eines langfristigen                und später auch verwaltet werden, sor-
zu stiften. So wohnt mittlerweile in                 städtischen Darlehens, das lediglich mit              gen dafür, dass das ‚Wiener Modell‘ des
Wien die Hälfte der Bewohner in einer                einem Prozent verzinst wird, wohnen                   garantiert preiswerten Wohnens weltweit
günstigen Wohnung vom Staat oder                     hier rund 1.000 Menschen zu einer Miete               Beachtung findet – manchmal sogar bei
bei einem sogenannten „gemeinnützi-                  von sieben Euro pro Quadratmeter,                     den Chefs deutscher Wohnungsbaugesell-
gen“ Bauträger. Im Gegensatz dazu zog                inklusive Betriebskosten in 427 Wohnun-               schaften, zum Beispiel aus Berlin (Preis-
sich in Deutschland z.B. Berlin im Jahr              gen mit höchstem ökologischem Passiv­                 anstieg bei Neuvermietungen in den
2002 aus dem sozialen Wohnungsbau                    hausstandard.                                         vergangenen fünf Jahren: 32 Prozent).
komplett zurück. Ein Artikel auf der                                                                       Von dort kam kürzlich Kristina Jahn zu
Homepage des Wirtschaftsmagazins                     Dass man als Hamburger, wo die                        Besuch, Vorstandsmitglied der führenden
„Brand eins“ beschreibt die Situation in             Durchschnittsmiete bei 12,17 Euro kalt                Berliner Wohnungsbaugesellschaft De-
beiden Ländern noch etwas ausführli-                 pro Quadratmeter liegt – und in einer                 gewo – und sie war hin und weg. Als sie
cher: „(...)Wir befinden uns hier in einer           vergleichbar zentrumsnahen Lage weit                  das Sonnwendviertel besuchte, das neben
Luxusapartment-Anlage der österreichi-               darüber –, aus dem Staunen nicht mehr                 den luxuriösen Gemeinschaftsanlagen
schen Hauptstadt, wo für die Bewohner                herauskommt, kommentiert der Haus-                    auch noch durch eine gewisse Baukultur
ein Schwimmbad, eine Sauna, ein Kino                 meister Weisskircher mit der Souveräni-               namhafter Architekturbüros wie Klaus
und ein Mädchenraum zur selbstver-                   tät des Wieners. Denn hier geht’s noch                Kada, Delugan Meissl, Albert Wimmer

                                                                                                                                                      11
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

Hufeisensiedlung Berlin-Britz: errichtet zwischen 1925 und 1933 in mehreren Bauabschnitten nach Plänen des Architekten Bruno Taut, des Architekten und späteren
Berliner Stadtbaurats Martin Wagner und des Gartenarchitekten Leberecht Migge                                                Foto: euroluftbild.de/Robert Grahn

12
Sozialer Wohnungsbau

oder PPAG auffällt, soll sie gesagt haben:   hellen Behausungen, für die der Proleta-    nur durch großflächigen Siedlungsbau zu
‚Das ist wunderbar! Das funktioniert in      rier im Durchschnitt vier Prozent seines    realisieren war.
Berlin garantiert auch!‘ Was kostet es       Monatslohns ausgeben musste. (...)“[6]
eigentlich, die Wiener seit Jahrzehnten                                                  Die Grundlage für die Entwicklung der
so viel billiger, schöner und zufriedener                                                Hufeisensiedlung war das Bestreben, auf
                                             Beispiele für sozialen
leben zu lassen? Nach Auskunft des                                                       dem Gebiet des ehemaligen Rittergutes
Wohnbaustadtrats Michael Ludwig rund         Wohnungsbau in                              Britz im Bezirk Neukölln eine Siedlung
680 Millionen Euro jährlich. Die Neu-                                                    zu errichten, die etwa 2.000 Wohnungen
                                             Deutschland
bauförderung im doppelt so großen Ber-                                                   Platz bieten sollte. Das daraufhin errich-
lin beträgt pro Jahr 64 Millionen Euro.                                                  tete Hauptgebäude weist eine Länge von
Allerdings gibt es in Österreich Förder-                                                 rund 350 Metern auf und umschließt
                                             Die Hufeisensiedlung in
mittel über den Finanzausgleich, durch                                                   eine Grundwassersenke, die noch aus
die Ludwig im Schnitt 450 Millionen          Berlin-Britz                                der Eiszeit stammt. Der Kernbereich der
Euro pro Bausaison vom Bund erhält.                                                      Siedlung erstreckt sich über insgesamt
Die im internationalen Städtevergleich       Ein eindrucksvolles Beispiel für den        sechs Bauabschnitte und umfasst rund 29
bemerkenswert hohe Fördersumme sagt          frühen sozialen Wohnungsbau liegt im        Hektar Fläche. Bebaut wurde dieser mit
allerdings noch nichts über die Qualität     Berliner Stadtteil Britz: die sogenannte    1.285 Wohnungen und 679 mit Gärten
des Wiener Modells aus. Denn es gibt         Hufeisensiedlung, benannt nach ihrem        ausgestatteten Reihenhäusern.
zahlreiche Kommunen in Europa, die           markanten Grundriss in Form eines
ihre politischen Fehler der Vergangenheit    Hufeisens. Sie wurde zwischen 1925 und      Die gesamte Hufeisensiedlung gilt als
damit büßen, dass sie ihre Wohnförder-       1933 in mehreren Bauabschnitten erbaut      richtungsweisend für die Architektur
mittel in großem Umfang an Banken            und ist seit 2008 UNESCO-Welterbe. Die      der 1920er- und 1930er-Jahre. Mit ihren
und Spekulanten zahlen. Weil Städte wie      Pläne dafür stammen von den Archi-          Wohnflächen zwischen 49 und 124 Qua-
Berlin oder Dresden in kommunalen Fi-        tekten Bruno Taut und Martin Wagner         dratmetern ist sie auch noch heute ein
nanzkrisen Teile ihres Wohnungsbestands      sowie des Gartenarchitekten Leberecht       gleichermaßen attraktives wie belieb-
veräußert haben, überweisen sie nun viel     Migge. Seit 1986 stehen die ersten sechs    tes Wohngebiet. In den 1990er Jahren
Geld als Beihilfen für Menschen, die sich    Abschnitte, die zwischen 1925 und 1933      wurde die Siedlung unter Denkmalschutz
die steigenden Mieten nicht mehr leisten     erbaut wurden, unter Denkmalschutz.         gestellt und saniert. Sie war bis zum Jahr
können, oder für Kredite, um angesichts      Die Hufeisensiedlung gilt heute als Ikone   2000 im Besitz des Berliner Wohnungs-
des aktuellen Zuzugs doch wieder selbst      des modernen Städtebaus.                    unternehmens GEHAG, seitdem werden
Sozialwohnungen zu bauen. In Wien ver-                                                   die Reihenhäuser bei Auszug der Mieter
hinderte das die Tradition, und zwar die     Ausgangssituation für den Bau war der       als Einzeleigentum verkauft.
rote. Bezahlt durch eine zweckgebundene      stark angestiegene Zuzug nach Berlin
Wohnbausteuer, zu entrichten von Ver-        als Folge der weitverbreiteten Arbeits­
                                                                                         Darmstadt-
mietern, legte die sozialdemokratische       losigkeit und im Anschluss an den Ersten
Regierung der österreichischen Haupt-        Weltkrieg: Gebietsverluste und die          Kranichstein
stadt in den Jahren 1923 bis 1934 ein        weitgehend aufgelöste Armee führten
gigantisches Wohnbauprogramm auf. Bis        zu zusätzlichem Wohnraumbedarf, der         Gelegen im Osten Darmstadts, gilt der
zum Sieg des Austrofaschismus errichtete     durch die damals praktisch rein private     Stadtteil Kranichstein mit seinem Städte-
das ‚rote Wien‘ unter Bürgermeister          Bautätigkeit nicht mehr gedeckt werden      bauprojekt Neu-Kranichstein als markan-
Karl Seitz etwa 65.000 Wohnungen für         konnte. Infolgedessen wurden von 1921       tes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau.
rund 250.000 Menschen in den soge-           bis 1928 eine Vielzahl an Baugenossen-      Weithin sichtbar präsentieren sich die bis
nannten Gemeindebauten und brachte           schaften gegründet, die auf sozialrefor-    zu 18 Stockwerke hohen Wohngebäude –
damit die Wohnraumspekulation – die          merischer Grundlage versuchten, der         von denen das erste nach seiner Fertigstel-
der Stadt erbärmliche Mietskasernen und      Wohnungsnot Herr zu werden. Im Vor-         lung von den neuen Bewohnern umgehend
Wohnverhältnisse beschert hatte – völlig     dergrund stand hierbei der Wunsch nach      den Namen „Eiger-Nordwand“ erhielt.
zum Erliegen. Darüber hinaus versorgte       günstigem und hochwertigem Wohnraum         Bereits 1963 wurde dieser Bereich von
man so die Arbeiter mit anständigen          mit adäquater Vekehrserschließung – was     Stadtentwicklern als Standort für einen

                                                                                                                                   13
Baufeld K6: Lageplan in Darmstadt-Kranichstein

neuen Wohnsatelliten vorgeschlagen. 1965         festgelegt, wie etwa nur noch maximal        baulichen und baulichen Maßnahmen zielt
bot sich dann für die Stadt Darmstadt die        viergeschossige Wohnbehausung oder die       ein großer Teil des Handlungsspektrums
Möglichkeit, die Flächen zu erwerben, so         zügige Realisierung weiterer Infrastruktur   auf Netzwerkbildungen, Kommunikation,
dass dort mit der Planung und Umsetzung          und eines Einkaufszentrums. Bis Mitte der    Bildung und Beratung. (...) In Planungs-
eines neuen Stadtteils begonnen werden           1980er Jahre entstehen nach und nach         werkstätten werden weit in die Zukunft
konnte.                                          weitere Mietwohnungsanlagen mit attrak-      reichende Wünsche formuliert wie der
                                                 tiveren Hofbildungen und Gartenanlagen.      Rückbau der Kranichsteiner Straße oder
Beauftragt wurde hiermit der Architekt           1986 wird schließlich Geschichte geschrie-   die Umorientierung des Einkaufszentrums
und Stadtplaner Professor Ernst May, zu          ben: In diesem Jahr wird im Rahmen des       von den Seen zur neu gebauten Straßen-
dessen bekanntesten Arbeiten – neben             experimentellen Wohnungsbaus ein Pro-        bahnhaltestelle. Es gibt regelmäßige und
einer Vielzahl anderer – das Projekt             jekt des 1971 gegründeten Darmstädter        vielfältige Beteiligungsforen, Mieter- und
„Neues Frankfurt“ zählte. In einem ersten        Instituts für Wohnen und Umwelt als ers-     Eltern-AGs, Stadtteilfeste, Angebote für
Abschnitt entstanden ab 1968 die ge­             ter Beitrag zum ökologischen Siedlungsbau    Bildung, Kultur, Sport und Begegnung.
planten Hochhäuser und Einzelgebäude,            mit „hohem partizipatorischem Anspruch       Viel Wert wird auf geförderte Arbeitsplätze
integriert werden sollten Eigenheimsied-         realisiert“. [7] Nebenbei wird im Zuge der   im Stadtteil gelegt, mit denen die Pflege
lungen und eine erforderliche Infrastruk-        zahlreichen Impulse für neue Wohnformen      der öffentlichen Räume und Infrastruk-
tur. Durch die so entstehenden abstrakten        ebenfalls in Kranichstein im Jahr 1991 das   tur gewährleistet wird. (...) Mehr als 70
Raumbildungen reagierte Ernst May auf            deutschlandweit erste Passivhaus gebaut.     Nationalitäten prägen heute unterschied-
die damals aufkommende Kritik an den                                                          liche Milieus in Kranichstein. Das Ziel der
monotonen Nachkriegs-Zeilenbaustruktu-           Gefördert wird das Städtebauprojekt          Integration der Migranten und der sozial
ren der „gegliederten und aufgelockerten         Neu-Kranichstein seit 2001 im Rahmen         schwächeren deutschen Bevölkerung hat
Stadt“. Dass diese Art Städtebau die             des Städtebauförderprogramms „Soziale        einen hohen Stellenwert in der Sozialen
Kritiker auf den Plan ruft, stellt sich auch     Stadt“. Eine ausführlichere Erläuterung      Stadt.
hier alsbald unter Beweis.                       dazu findet sich auf der Homepage der
                                                 Vereinigung für Stadt-, Regional- und Lan-   Dabei wird der gesamte Stadtteil mit sei-
Schon kurz nach der Fertigstellung waren         desplanung (SRL): „Die rund 63 ha große      nen knapp 12.000 Einwohnern betrachtet.
von vielen Seiten Stimmen zu verneh-             Förderkulisse mit 6.200 Einwohnern weist     Es wird dafür Sorge getragen, dass wohl-
men, die ihren Missmut äußerten – und            alle programmtypischen Merkmale auf:         habendere Bevölkerungsschichten Kranich-
die in den folgenden Jahren zur Bildung          ein weit überdurchschnittlicher Migran-      stein nicht wieder verlassen, indem in die
von Bürgerinitiativen und Interessenge-          tenanteil, hohe Sozialhilfe- bzw. ALG        erwähnten Angebote viel investiert wird.
meinschaften führten. Bereits Anfang der         II-Dichte, weit überdurchschnittliche Ar-    Kranichstein soll kein Durchgangsquartier
1970er Jahre wurden so neue Kriterien für        beitslosenquoten und eine hohe Zahl von      werden – im Gegenteil: Die vorhandene
die weitere Entwicklung von Kranichstein         Kindern und Jugendlichen. Neben städte-      Vielfalt wird gestützt, materielle Zwänge

14
Sozialer Wohnungsbau

Zukunftsorientiert: Dieses Passivhaus soll in mehreren Ländern gebaut werden, adaptiert an die regionalen Bedingungen. Der Prototyp dazu wurde entwickelt von
dem französischen Stararchitekten Nicolas Michelin und dem Beratungsunternehmen LUWOGE consult (Abbildung im Baufeld K6 in Darmstadt-Kranichstein).

                                                                                                                                                          15
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

werden respektiert, die Dynamik, Jugend-            ben wohnen. Und sie zahlen nur 12 Cent        Gemeinden in direkter Nähe zur Ham-
lichkeit und Internationalität des Stadtteils       mehr Miete pro Quadratmeter als bisher        burger Landesgrenze, in Kiel und Lübeck
als Chance angesehen.“                              – was durch die erwarteten erheblichen        sowie auf der Insel Sylt zu sorgen. Seit
                                                    Einsparungen bei den Energiekosten (40        dem Start der Offensive vor zwei Jahren
                                                    Euro im Monat bei 80 Quadratmetern)           wurden (...) bisher 3.417 Wohnungen mit
Quartier Waldstraße
                                                    amortisiert wird. Im Hamburger Abend-         öffentlichem Geld gefördert, rund 1.555
in Norderstedt                                      blatt findet sich dazu der folgende Text      davon im Hamburger Umland, darunter
                                                    (Auszug): „(...) Nun ist die Sanierung der    allein 529 in Norderstedt.(...)“.
Ganz oben im Norden Deutschlands liegt              Adlershorst-Wohnblocks an der Waldstra-
ein Quartier, das 1974 als Projekt des              ße ein Leuchtturmprojekt für das ganze
                                                                                                  Beispiele für sozialen
sozialen Wohnungsbaus errichtet wurde –             Land Schleswig-Holstein. (...) Dadurch,
und das vor einigen Jahren eine bemer-              dass Adlershorst aus diesem Programm          Wohnungsbau in
kenswerte Veränderung erfahren hat.                 allein 17 Millionen zinsgünstige Euro von
                                                                                                  Österreich
Beziehungsweise eben gerade nicht. Aber             der Investitionsbank Schleswig-Holstein
der Reihe nach. Das Quartier Waldstraße             bekommen hat, wurde die Sanierung trotz
im Schleswig-Holsteinischen Norderstedt             Mietverlust für die Genossenschaft renta-
                                                                                                  Pestalozzi-Hof
war jahrzehntelang ein typischer Sozial-            bel. Das Land hat sich im Gegenzug die
bau der 1970er Jahre: groß, zweckmäßig              soziale Bindung von 263 der 368 Woh-          in Wien
und von dem eher tristen Charakter, der             nungen für zehn bis 15 Jahre gesichert.
für solche Gebäude oft typisch ist. Doch            (...) Das sei die Philosophie der Offensive   Einen echten Gegenakzent zur weitver-
im Jahr 2013 begann der Inhaber, die                für bezahlbares Wohnen. Alle Beteilig-        breiteten Wohnsituation im Wien der
Wohnungsbaugenossenschaft Adlershorst,              ten des Bündnisses, Innenministerium,         1920er Jahre setzt der Pestalozzi-Hof.
mit einer umfassenden Sanierung.                    Wohnungswirtschaft, Haus und Grund            Er liegt im Wiener Gemeindebezirk
                                                    und Mieterbund, arbeiteten geräuschlos,       Döbling und umfasst 122 Wohnungen.
Das Ungewöhnliche daran: Die alten                  zielgerichtet und zügig zusammen, um          Gebaut zwischen 1925 und 1926 als
Mieter wurden nicht verdrängt. Die Men-             für mehr preiswerte und qualitativ gute       ­Gemeindebau, sollte er dazu ­beitragen,
schen, die bisher dort gelebt haben, blei-          Wohnungen besonders in den Städten und        den Menschen zur damaligen Zeit als

Quartier Waldstraße in Norderstedt in Schleswig-Holstein: Farbenfroh saniertes ...

16
Sozialer Wohnungsbau

... und gepflegtes Beispiel für modernen sozialen Wohnungsbau

                                                                                 17
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

       Exkurs:
       Die Fuggerei in Augsburg

       Die Wohnsiedlung „Fuggerei“ in Augsburg gilt offizi-
       ell als die älteste noch existierende Sozialsiedlung der
       Welt. Sie wurde im Jahr 1521 von Jakob Fugger „dem
       Reichen“ gestiftet. Die Siedlung ist bis heute bewohnt:
       In den insgesamt 140 Wohnungen der 67 Häuser woh-
       nen 150 bedürftige (katholische) Augsburger Bürger.
       Die Jahres-(Kalt-)Miete beträgt 0,88 Euro. Dafür soll
       täglich einmal ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis
       und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfa-
       milie Fugger gesprochen werden. Unterhalten wird
       die Fuggerei bis heute zum Großteil aus Erträgen des
       Stiftungsvermögens, dem Wald, sowie aus den Ein-
       trittsgeldern in die Fuggerei.

       Die ganze Anlage wurde erbaut von 1516 bis 1523,
       dabei entstanden 52 Wohnungen um die ersten sechs
       Gassen. Die Häuser waren durchgehend zweigeschos-
       sig und wurden nach weitestgehend standardisierten
       Grundrissen erstellt – in für die damalige Zeit bemer-
       kenswert großzügigen Dimensionen. Gedacht war
       die Sozialsiedlung für Handwerker, die von Armut
       bedroht waren, und Tagelöhner, die aus eigener wirt-
       schaftlicher Kraft (z.B. durch Krankheit) keinen eige-
       nen Haushalt führen konnten. Bettler wurden nach dem
       Willen des Stifters ausdrücklich nicht aufgenommen.

       Nachdem die Fuggerei im Zweiten Weltkrieg zu etwa
       zwei Dritteln zerstört wurde, wurde bereits 1944 der
       Wiederaufbau beschlossen, der in den 1950er Jahren
       abgeschlossen war. Bis 1973 wurde die Siedlung auf
       angrenzenden Trümmergrundstücken, die mit Mitteln
       des Stiftungsvermögens erworben wurden, um ca. ein
       Drittel auf heute 67 Häuser mit 140 Wohnungen
       erweitert. Heute beherbergt die Fuggerei ein Museum
       – und gilt neben dem Augsburger Rathaus als belieb-
       testes touristisches Ziel in der Stadt Augsburg.

18
Sozialer Wohnungsbau

Die älteste Sozialsiedlung der Welt: In der Fuggerei in Augsburg leben 150 bedürftige Augsburger Bürger       Foto: Eckart Matthäus
für eine jährliche Kaltmiete von 0,88 Euro.

                                                                                                                               19
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

Pestalozzi-Hof in Wien (erbaut 1925 –1926): Wohnanlage mit gefördertem Wohnraum, Ateliers und einem bis heute existierenden Kindergarten
Foto: allOver images/Alamy Stock Photo/Ella Briggs

20
Modulares Bauen

Gegenprogramm zu vielerorts vorherr-       tektin ein Ledigenheim errichtete,
schenden „Mietskasernen“ ein men-          welches über eine Dachterrasse mit dem
schenwürdiges und erschwingliches          Pestalozzi-Hof verbunden war. (...) Cha-
Zuhause zu ermöglichen. Dazu sollte        rakteristisch für die zukunftsweisende
er weitere soziale Funktionen erfüllen:    Architektur jener Zeit ist die Staffelung
Es wurden Ateliers eingerichtet und ein    der kubischen Baumassen, aus denen
Kindergarten eingeplant, der heute noch    diese vier- bis fünfgeschossige Anlage
in Betrieb ist.                            zusammengestellt scheint. Zusätzlich
                                           belebt wird die verhältnismäßig schlich-
Ein erläuternder Text dazu findet sich     te Fassade durch farbigen Putz, Loggien
auf der Homepage wienerwohnen.at:          und Erker, bei denen die für den Wiener
„(...)Nach dem Ende des Ersten Welt-       Gemeindebau so typische Dreiecksform
krieges wurde die Sozialdemokratie         dominiert. (...) Im Pestalozzi-Hof wurde
bestimmende Kraft im Wiener Rathaus.       in den Jahren 2003 und 2004 eine
1922 wurde Wien ein selbstständi-          Sockelsanierung durchgeführt. Neben
ges Bundesland. Damit war auch der         der Neudeckung des Daches umfassten
Grundstein für das ,Rote Wien‘ gelegt.     die Arbeiten auch die Erneuerung der
Neben Reformen im Gesundheits- und         Fenster und Türen. Dadurch konnten
Bildungswesen wurde 1923 ein um-           die Heizkosten für die Mieterinnen und
fangreiches Bauprogramm gestartet, um      Mieter, aber auch die Kohlendioxid-Be-
für die Bevölkerung menschenwürdige        lastung für die Umwelt gesenkt werden.
Wohnungen zu schaffen – hell, trocken,     (...)“ [8]
mit Wasserleitung und WC ausgestattet,
waren sie ein krasser Gegensatz zu den
                                           Stadtwerk Lehen
Bassena-Wohnungen (ein Wohnungstyp,
der in Wien vor dem 1923 einsetzenden      in Salzburg
sozialen Wohnbau für Arbeiter und
andere ärmere Bevölkerungsschich-          Unweit des Salzburger Hauptbahnhofs
ten gebaut wurde und der nicht über        entstand in den letzten Jahren unter
fließendes Wasser verfügte, Anm.d.R.)      Mitwirkung der gemeinnützigen Wohn-
in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil    bauträger GWSB und Heimat Österreich
der Anlagen waren Gemeinschaftsein-        das Stadtwerk Lehen – ein Quartier, das
richtungen wie Bäder, Kindergärten,        eine ganze Menge vereint: ein Stu-
Waschküchen, Mütterberatungsstellen,       dentenwohnheim, einen Fotohof, eine
Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turn-    Stadtgalerie, einen Second-Hand-Laden
hallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien   der Caritas, und eben auch geförderte
errichtete in der Zwischenkriegszeit       Mietwohnungen. Typisch für Österreich
63.000 Wohnungen.                          und seine gemeinnützigen Wohnbau-
                                           träger: Mit nur rund 600 Euro für die
Diese Anlage sollte eine weit über die     Warmmiete wird hier energieeffizientes
Schaffung von Wohnraum hinausge-           Wohnen in einem architektonisch durch-
hende soziale Funktion erfüllen: (...)     aus anspruchsvollen Umfeld ermöglicht.
So wurde z.B. kurz nach der Eröffnung      Das Ganze befindet sich auf dem Gelän-
der Wohnhausanlage ein benachbartes        de des ehemaligen Stadtwerkeareals im
Grundstück erworben, wo die Archi­         Stadtteil Lehen, Baubeginn war im Jahr

                                                                                                   21
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

2009. Das Stadtwerk Lehen unterteilt
sich in einen nördlich und einen südlich
gelegenen Bereich, die sich gegenseitig
ergänzen. Der Nordteil wurde Ende
2011 bezogen und beinhaltet 287 geför-
derte Miet- und Mietkaufwohnungen
und einen öffentlichen Kindergarten.
Dazu kamen 2014 noch einmal 50 frei-
finanzierte Mietwohnungen, so dass die
Chance einer sozialen Durchmischung
und somit heterogenen, „lebendigeren“
Bewohnerstruktur gegeben ist. Im Erd-
geschoss der Wohnhäuser befinden sich
Räume für Kunst, Kultur und soziale
Einrichtungen, die Kommunikations-

Stadtwerk Lehen in Salzburg: Mix aus Wohnen, Forschung, Arbeit und urbanem Freiraum seit 2011. Bauherr: Heimat Österreich und GSWB.
Foto: copyright © Rainer Iglar/Kurt Kaindl/Andrew Phelps/Herman Seidl

22
Sozialer Wohnungsbau

räume schaffen, den Standort insgesamt       ten immer stärker niederschlagen. In die-     nicht so gut ging. Als Beispiel sei hier
aufwerten und auch auf Besucher von          sem Zusammenhang interessant ist auch         der Universitätsprofessor genannt, der
außerhalb anziehend wirken.                  ein Aspekt, der mit dem Umweltschutz zu       noch in seiner „Studentenbude“ wohnt
                                             tun hat: Da immer mehr Menschen durch         (kommt tatsächlich häufiger vor). So
Im Gegensatz dazu wurde der südliche         die hohen Wohnkosten nichts anderes           werden unter anderem junge Familien
Teil mit dem Schwerpunkt auf Life Scien-     übrigbleibt, als sich im Umland der Städte    als Berufsanfänger benachteiligt. Als ein
ces, Wissenschaft und Bildung entwickelt.    ein Zuhause zu suchen, müssen auch im-        nachgewiesenermaßen guter Weg hat sich
Hier haben sich wissenschaftliche Unter-     mer mehr Menschen immer weitere Wege          in der Vergangenheit immer wieder der
nehmen, verschiedene Bildungsinitiativen     zu ihrer Arbeitsstelle in Kauf nehmen, sei    sogenannte „Drittelmix“ erwiesen, wie er
und die Volkshochschule Salzburg (im         es mit dem eigenen PKW oder anderen           beispielsweise in Hamburg seit längerem
Hochhaus der ehemaligen Stadtwerke)          Verkehrsmitteln – unter Umweltschutzge-       praktiziert wird: Demnach sind Investo-
angesiedelt. Dazu kommt ein Restaurant       sichtspunkten eine mindestens fragwürdi-      ren gefordert, bei großen Bauvorhaben
einer Privatbrauerei, das diese heterogene   ge Entwicklung.                               mindestens ein Drittel Sozialwohnungen
und sehr urbane Mischung „geschmack-                                                       zu bauen. Ein weiteres Drittel sollen frei
voll“ abrundet.                              In Österreich dagegen dürfte sich die         finanzierte Mietwohnungen sein, und
                                             Situation weiterhin deutlich besser für die   ein Drittel dürfen Eigentumswohnungen
                                             unteren bis mittleren Bevölkerungsgrup-       sein. Dennoch gibt es auch hier wieder
Ausblick
                                             pen darstellen. Durch die flächendeckend      Gegenstimmen, die das so nicht gelten
                                             verbreitete Wohnungsgemeinnützigkeit          lassen wollen. Weil dadurch noch zu
Wie wird es weitergehen mit dem sozialen     und den hohen Anteil an sozial geförder-      ­wenige Wohnungen für sozial Schwächere
Wohnungsbau? So, wie sich die Situation      tem Wohnraum werden auch in Zukunft           entstehen. Unbestritten ist: Deutschland
derzeit präsentiert, leider nicht beson-     viele Menschen, die alles andere als reich    ist ein Sozialstaat. Jedoch offenbaren
ders positiv – es sei denn, es ändert sich   sind, in Wohnungen leben, von denen vie-      sich beim Thema Sozialer Wohnungsbau
spürbar etwas und die Länder kommen          le Menschen in Deutschland nur träumen        bei genauerem Hinsehen viele Dinge, die
beispielsweise nach 2019 der von ihnen       können.                                       besser laufen könnten. •
übernommenen Verantwortung für die
soziale Wohnraumförderung nach. Und                                                        [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kosten-
                                             Fazit
bringen die Mittel auch wirklich auf                                                       miete vom 7.3.2018
den Markt, wie es der GdW regelmäßig                                                       [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Sozia-
fordert. In Deutschland werden vielerorts    „Wohnen ist ein Grundrecht“. Soweit,          ler_Wohnungsbau vom 1.3.2018
Belegungsbindungen weiter auslaufen          so anerkannt. Doch spätestens nach der        [3] http://www.bpb.de/apuz/183442/
und die Wohnungen in den freien Markt        Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde         wohnungspolitik-seit-1945?p=all vom
übergehen. Wie die Vergangenheit immer       dieser Punkt mit der im Hinblick auf den      4.3.2018
wieder gezeigt hat, ist davon auszugehen,    sozialen Wohnbau zu zurückhaltenden           [4] vgl. auch http://www.bpb.de/
dass nach dem Auslaufen der Bindungen        Politik faktisch ad absurdum geführt.         apuz/183442/wohnungspolitik-seit-
die Mieten deutlich steigen werden. Die      In Deutschland kommt dazu noch die            1945?p=all
Folge: Für eine steigende Anzahl von         individuelle Freiheit – niemand möchte        [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Sozia-
Menschen werden immer mehr Wohnun-           gerne über seine Einkünfte Rechenschaft       ler_Wohnungsbau
gen schlicht unerschwinglich. Durch den      ablegen müssen. So begrüßenswert              [6] https://www.brandeins.de/magazine/
unentwegt rasanten Zuzug in die Groß-        dieser Umstand einerseits ist, sorgt er       brand-eins-wirtschaftsmagazin/2015/
städte dürfte sich dieses Problem gerade     andererseits dafür, dass beispielsweise       immobilien/wien-du-hast-es-besser vom
dort besonders bemerkbar machen, die         Einkommensnachweise in Bezug auf              7.3.2018
Wohnraumsituation wird sich insbesonde-      sozial geförderten Wohnraum entfallen.        [7] W.Anders/H.Stumme, Kranichstein, Ge-
re dort weiter verschärfen. Doch nicht nur   Dadurch wohnen viele, die sich eigentlich     schichte eines Stadtteils, Darmstadt 1993
die Mieten werden weiter steigen, auch       schon lange eine teurere Wohnung leisten      [8] https://www.wienerwohnen.at/hof/218/
das Bauland wird sich weiter verteuern.      könnten, jahrzehntelang günstig in den        Pestalozzi-Hof.html vom 19.3.2018
Dadurch wird sich das Problem der im-        Wohnungen, in denen sie schon gelebt
mer höheren Kosten auch in den Neubau-       haben, als es ihnen wirtschaftlich noch

                                                                                                                                      23
WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

         Ansichtssache:
         Alle Kräfte für mehr bezahlbaren
         Wohnraum bündeln
         Kommentar von Axel Gedaschko

         Bezahlbarer Wohnraum wird in den Ballungsre-         Soziale Wohnraumförderung –
         gionen immer knapper, Sozialwohnungen gibt es        ein deutsches Erfolgsrezept
         in Deutschland immer weniger. Gleichzeitig ist       Die Wohnungsbauförderung hat in Deutschland das
         die Nachfrage nach Wohnungen im mittleren und        Wohnungsangebot maßgeblich geprägt. Sie hat bis
         unteren Preissegment in den Großstädten, Ballungs-   heute dazu geführt, dass der Mietwohnungsbestand in
         zentren und Universitätsstädten – den sogenannten    Deutschland qualitativ hochwertig und attraktiv ist.
         Schwarmstädten – so hoch wie selten zuvor. Der       Der Bund leistet bis 2019 einen finanziellen Beitrag an
         andauernde Engpass bei der Versorgung mit Wohn-      die Länder, der in den vergangenen Jahren angesichts
         raum hat dabei einen einfachen Grund: In den         der immer angespannteren Lage auf vielen großstäd-
         vergangenen Jahren wurde viel zu wenig gebaut.       tischen Wohnungsmärkten erhöht wurde – ein klares
                                                              politisches Bekenntnis zum langfristigen Erfolg dieses
         Wir brauchen in Deutschland dringend bezahlba-       Instruments. Da die Zuwanderung in die wirtschaft-
         re Wohnungen für alle Menschen. Deshalb ist ein      lich attraktiven Regionen auch deutlich über 2019
         Zweiklang aus einer starken sozialen Wohnraum-       hinaus anhalten wird, wie aktuelle Prognosen zeigen,
         förderung und einer Subjektförderung, wie einem      ist eine langfristige Fortführung der sozialen Wohn-
         dynamisch weiterentwickelten Wohngeld, langfris-     raumförderung auf hohem Niveau absolut notwendig.
         tig unverzichtbar.
                                                              Wohngeld muss dynamisch angepasst werden
         Derzeit beläuft sich das Wohnungsdefizit in          Damit auch Menschen mit mittleren und niedrigen
         Deutschland insgesamt auf mindestens eine Million    Einkommen weiterhin bezahlbare Wohnungen finden,
         Wohnungen. Die Gründe dafür: kaum bezahlbares        brauchen wir in Deutschland zudem ein starkes
         Bauland, zu hohe Baukosten und zu wenig Förde-       Wohngeld. Der soziale Zusammenhalt der Quartiere
         rung. Die momentanen Baugenehmigungszahlen           steht auf dem Spiel und die finanzielle Belastung der
         reichen nicht aus, um den hohen Bedarf an güns-      Kommunen steigt weiter enorm an, wenn das Wohn-
         tigem Wohnraum auch nur annähernd decken zu          geld weiterhin nicht dynamisch an die Preis- und Lohn­
         können.                                              entwicklung angepasst wird. Wir brauchen hier eine
                                                              rechtsverbindliche Regelung, die eine jährliche Über-
         Insbesondere in den Wachstumsregionen müssten        prüfung wie bei der Mindestsicherung festschreibt.
         bis 2020 jährlich insgesamt rund 400.000 Woh-        Darüber hinaus spricht sich die Wohnungswirtschaft
         nungen gebaut werden – davon 80.000 Sozial-          dafür aus, eine Heiz- und Energiekostenkomponente
         wohnungen und 60.000 Einheiten im bezahlbaren        einzuführen, um den in den letzten Jahren gestiegenen
         Wohnungssegment. Diese Wohnungen fehlen              Kosten in diesem Bereich Rechnung zu tragen.
         insbesondere in Großstädten, Ballungszentren und
         Universitätsstädten. Diese Herausforderungen kön-    Abnahme beim gebundenen Mietwohnungsbestand
         nen nur mit einer klar formulierten, passgenauen     Es gibt bundesweit immer weniger Sozialwohnun-
         Bau- und Wohnstrategie bewältigt werden.             gen. Waren es im Jahr 2002 noch rd. 2,6 Millionen.

24
Ansichtssache

Wohnungen mit Preisbindung, verringerte sich die             auch die Länder nach 2019 der ihnen übertragenen
Zahl bis zum Jahr 2016 auf nur noch rd. 1,3 Millio­          Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung
nen. Wohnungen. Aktuelle Zahlen des GdW unter-               nachkommen und weiterhin für diesen Zweck Finanz-
streichen diesen Trend. Die Unternehmen im GdW               mittel in ausreichender Höhe bereitstellen. Die geplante
bewirtschaften knapp 61 Prozent der Sozialwoh-               Zweckbindung der Mittel ist deshalb unabdingbar
nungen in Deutschland. Im Jahr 2016 gab es bei den           und ebenfalls sehr zu begrüßen. Die Grundgesetzände-
GdW-Unternehmen insgesamt nur noch rund 812.000              rung könnte darüber hinaus eine drohende wohnungs-
Wohnungen mit Mietpreis- oder Belegungsbindung.              politische Spaltung zwischen armen und reichen Län-
Das sind über 28.000 Wohnungen weniger als noch in           dern verhindern. Denn aufgrund der Schuldenbremse
2015. Diesem Minus stehen nur rund 5.000 Wohnun-             wäre es den Ländern allein kaum möglich, genügend
gen gegenüber, die im Jahr 2016 mit Mietpreis- oder          Mittel für den sozialen Wohnungsbau aufzubringen.
Belegungsbindung, also als „Sozialwohnungen“, neu
errichtet wurden. Hier besteht dringender Handlungs-         Haushaltsentwurf ist gute Grundlage für
bedarf. Auch die kommunalen Wohnungsunternehmen              Investitionen in das bezahlbare Wohnen
als starke Partner der Städte und Gemeinden, wenn es         Kürzlich hat der Deutsche Bundestag den Etatentwurf
um den Wohnraumversorgungsauftrag und Daseins-               für das Bundesministerium des Innern, für Bau und
vorsorge geht, können den Rückgang des gebundenen            Heimat in erster Lesung beraten. Der Einzelplan für
Mietwohnungsbestandes nur teilweise über freiwillige         Wohnungswesen und Städtebau zeigt, dass das Thema
Belegungsbindungen auffangen.                                Wohnen in den Fokus des politischen Handelns gerückt
                                                             ist. Insbesondere die Fortsetzung der sozialen Wohn-
Wohnungswirtschaft begrüßt geplante                          raumförderung mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2018
Grundgesetzänderung                                          ist hier deutlich hervorzuheben. Aber auch die Städte-
Die neue Bundesregierung plant nun, den sozialen             bauförderung wird auf hohem Niveau fortgeführt.
Wohnungsbau mithilfe einer Grundgesetzänderung
auch nach 2019 zu unterstützen. Dieses Vorhaben              Der Bund ist ein wichtiger Partner für den sozialen
begrüßt die Wohnungswirtschaft ausdrücklich. Dafür           Wohnungsbau. Das sollte nach dem Auslaufen der
soll nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums            Kompensationsmittel für die soziale Wohnraumförde-
ein neuer Artikel 104d geschaffen werden. Für die            rung ab 2020 so bleiben. Die geplante Zweckbindung
jährlich notwendige Neubauleistung von 80.000 Sozi-          der Mittel ist absolut wichtig und richtig, um sicherzu-
alwohnungen müssen mindestens 3 Milliarden Euro              stellen, dass das Geld ausschließlich in mehr bezahl-
aufgewendet werden, je zur Hälfte von Bund und               baren Wohnraum fließt. Jeglichen Versuchen, diese
­Ländern. Insbesondere ist hier neben Darlehen drin-         Mittel in anderen Haushaltsbereichen einzusetzen,
gend auch eine Zuschussvariante notwendig. Wenn              muss künftig der Stecker gezogen werden. Eine Bünde-
der Bund nun die Möglichkeit erhält, sich weiter für         lung aller Kräfte für mehr bezahlbaren Wohnraum in
den sozialen Wohnungsbau zu engagieren, müssen               Deutschland ist absolut notwendig. •

  Axel Gedaschko
                                  Axel Gedaschko ist seit 2011 Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs-
                                  und Immobilienunternehmen. Nach Abitur und Bundeswehrdienst studierte Axel Gedaschko
                                  Rechtswissenschaften in Hamburg und Göttingen. Von 1993 bis 2005 bekleidete er
                                  politische Ämter im Land Niedersachsen. 2006 wurde Axel Gedaschko durch den Ersten
                                  Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg als Staatsrat berufen. Im Januar 2007
                                  wurde er dann zum Senator der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg
                                  ernannt. Im Mai 2008 erfolgte die Ernennung zum Wirtschaftssenator und Präses der
                                  Behörde für Wirtschaft und Arbeit in der Freien und Hansestadt Hamburg.

                                  Foto: GdW, Urban Ruths

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WOBAU report Ausgabe 26 | 2018

           Rund ums Fenster

           Energie zu verschenken? Das haben wohl die wenigsten. In den neuen Caparol Online-
           Tools „Rund ums Fenster“ und dem „Raffstorekasten-Konfigurator“ finden Kunden
           darum ab sofort den gesamten Sortimentsüberblick mit allen relevanten Informationen
           zu den neuen Produkten – und können sich so ganz leicht die perfekte Ergänzung zu
           zeitgemäßen Wärmedämm-Verbundsystemen zusammenstellen.

                                          derartige Fassadendämmung steht und
Sicherheit bis ins Detail                                                             Systemlösungen für
                                          fällt mit Lösungen, die in vielen Details
durch Lösungen für Wärme-                 zu finden sind. Im Anschlussbereich         Fenster und Türen
                                          von Fenstern, Türen, Dach und Sockel
dämm-Verbundsysteme
                                          entscheidet sich, ob ein hochwertiges       Caparol bietet allen, die an einer zeitgemä-
                                          Wärmedämm-Verbundsystem entsteht            ßen Systemlösung interessiert sind, harmo-
In der zeitgemäßen Architektur werden     oder nicht. [Fehler in der Detailplanung    nisch aufeinander abgestimmte Lösungen
immer mehr Anforderungen und Funk-        und Ausführung können schnell zu            rund um die Gebäudeöffnungen in den
tionalitäten mit der Ebene des Fensters   Beeinträchtigungen von Haltbarkeit und      Capatect Fassadensystemen an. Ausführ-
verbunden – z. B. Raffstorekästen, Ver-   Funktionalität führen.] Optimal aufein-     liche Leistungsverzeichnisse, CAD-Details
schattungsanlagen, Fremdmontagen oder     ander abgestimmte Komponenten haben         und eine informative Broschüre runden das
Ähnliches. Dauerhaft funktionierende      das Ziel wirtschaftlicher Verarbeitung,     Angebot ab. Komplexe Anschlusslösungen
Systemlösungen machen es erforderlich,    optimaler Sicherheit sowie Langlebig-       werden in Planungs- und Ausführungsphase
dass aufeinander abgestimmte Bauteile     und Nachhaltigkeit.                         durch intelligente Produkte wie integrierba-
und Lösungen zur Verfügung stehen und                                                 re Raffstorekästen, maßgenaue Laibungs-
zum Einsatz kommen. Werden die jewei-                                                 platten und schlagregendichte Fensterbank-
                                          Raffstorekasten-
ligen Bauteile bereits in die Planungs-                                               ausführungen sicher und einfach. Alles
phase einbezogen, können die Vorteile     Konfigurator                                begleitet von Planern und Objektberatern.
der Capatect Systemlösungen „Rund ums
Fenster“ perfekt zum Tragen kommen.       Ebenfalls neu im Angebot: der Raffstore­    Das Ergebnis:
                                          kasten-Konfigurator. Damit können           • durchdachte Detaillösungen mit System-
Die Gebäudedämmung ist und bleibt         Kunden jetzt Schritt für Schritt ihren        sicherheit und hoher Qualität durch die
der wichtigste Bestandteil der Gebäu-     persönlichen, maßgenauen Raffstore-           Verwendung von geprüften Produkten
dehülle: Damit lassen sich die Ener-      kasten individuell nach ihren Wünschen      • einfache Ausführung komplexer An-
gieeffizienz von Gebäuden erhöhen,        erstellen. Und erhalten anschließend eine     schlüsse mit maximaler Zeitersparnis
Heizenergie sparen und klimaschädli-      Stückliste für ihr persönliches Angebot     • durch gewerksübergreifende Lösungen
che CO2-Emissionen reduzieren. Eine       oder ihre Bestellung.                         werden Fehlerquellen minimiert

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