Wissen schafft Exzellenz - Technische Universität Dresden - TU Dresden
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Wissen schafft Exzellenz Technische Universität Dresden Beilage der Technischen Universität Dresden Der Rektor der TU Dresden, Professor Hans Müller-Steinhagen (Mitte) gemeinsam mit Stu- dentin Hiba Omari, Professor Antonio Hurtado (Energietechniker), Susann Struwe (Medienin- formatikerin) und Junior-Professor Jens Krzy- winski (Produktdesigner) – v. l. n. r. – vor der berühmten Silhouette Dresdens. Foto: Amac Garbe
ZAHLEN UND FAKTEN Rund 37 000 Studierende sind an der TU Dresden immatrikuliert. Liebe Leserinnen und Leser, Allein im Wintersemester 2014/15 starteten rund 9 000 junge Menschen ihr Studium, davon ca. 1 500 ausländische Studierende. Zwischen rund 125 Studiengängen an 14 Fakultäten können die Studierenden wählen. Die meisten Studierenden verzeichnet die Fakultät Maschinenwesen (6 200), gefolgt von der Fakultät s Mathematik und Naturwissenschaften (4 400) und der Fakultät Erziehungswissenschaften (3 200). Das am stärksten nachgefragte eit mehr als vier Jahren habe ich das Privileg und die Verant- Wissenschaftsgebiet sind traditionell die Ingenieurwissenschaften wortung, als Rektor eine der führenden deutschen Universi- (48,2%), es folgen die Geistes- und Sozialwissenschaften (32,7%), täten zu leiten – die Technische Universität Dresden. Ich die Naturwissenschaften (12%) und die Medizin (7,1%). kann mich noch sehr gut an meine Entscheidung für die TU Dres- den und meine ersten Wochen in Dresden erinnern. Von Anfang an 42 Prozent der Studierenden kommen aus Sachsen, mehr als haben mich die Vielfalt und die Leistungsstärke der Hochschulange- 22% aus den anderen neuen Bundesländern, 24% aus den alten hörigen dieser Volluniversität begeistert. Und daran hat sich in den Bundesländern und 12 % aus dem Ausland. Über zwei Drittel der vergangenen Jahren nichts geändert. Jeden Tag lasse ich mich aufs Absolventen bleiben in Sachsen. Neue mitreißen von den Ideen der Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Die TU Dresden gehört zu den Besten beim Einwerben und bei der ter, von ihrem Engagement, von den zahlreichen Forschungsprojek- Vergabe von Deutschlandstipendien an die leistungsstärksten ten, von der Bereitschaft zur disziplin- und institutionenübergrei- Studierenden. 2011 wurden an der TUD insgesamt 150 Deutsch- fenden Zusammenarbeit. landstipendien vergeben. Diese Zahl konnte bis 2014 mit 317 Deutschlandstipendien mehr als verdoppelt werden. Einer der Höhepunkte meiner Amtszeit war sicher unser Erfolg in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Am 15. Juni 2012 500 Professoren, rund 4 300 haushaltfinanzierte Beschäftigte und konnten wir gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen, Stu- etwa 3 400 Drittmittelbeschäftigte arbeiten an der TU Dresden. dierenden sowie Freunden und Partnern der Uni darüber jubeln, dass die TU Dresden als eine der elf Exzellenz-Universitäten Die mit Abstand meisten Patente und Ausgründungen aller deut- Deutschlands ausgezeichnet wurde. Und damit nicht genug – alle schen Universitäten kommen von der TU Dresden. Allein im Jahr unsere vier Anträge 2013 wurden 102 nationale und 41 internationale Schutzrechts- waren erfolgreich. anmeldungen (Patente und Gebrauchsmuster) eingereicht. An der TU Dresden gibt es zwei Exzel- Ca. 260 Millionen Euro betrugen die Drittmitteleinnahmen im Jahr lenzcluster: In un- „Unser Ziel ist es, 2013. Sie stammen aus 5 068 Projekten. Größter Geldgeber ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (81,4 Mio. Euro), gefolgt vom serem Exzellenz- die TU Dresden als cluster „Center for Bund (53 Mio. Euro), der EU und internationalen Organisationen Regenerative The- Exzellenz- und (47,6 Mio. Euro) und der Wirtschaft (41,8 Mio. Euro). rapies TU Dresden“ Volluniversität zu Zahlreiche Kooperationsprogramme verbinden die TU Dresden (CRTD) werden neuartige Thera- profilieren und uns mit Universitäten in der ganzen Welt: von A wie Alberta in Kanada bis Z wie Žilina in der Slowakei. pien für bisher un- dabei zu einer heilbare Krankhei- internationalen ten entwickelt. Im 12 Stiftungsprofessuren, zwei international gestiftete Professuren, zehn DFG-Sonderforschungsbereiche, acht DFG-Graduierten- Exzellenzcluster Spitzenuniversität kollegs, sechs geförderte Graduiertenkollegs, sieben DFG- „Center for Advan- zu entwickeln.“ Schwerpunktprogramme und mehr als 50 Kompetenzzentren cing Electronics bzw. Zentrale Wissenschaftliche Einrichtungen unterstreichen Dresden“ (cfaed) die Leistungsfähigkeit der Universität. geht es um die Erforschung völlig neuer Wege in der Mikroelektronik. Darüber hinaus wird auch unsere Graduiertenschule „Dresden Inter- Zu den drei besten Krankenhäusern Deutschlands zählt das national Graduate School for Biomedicine und Bioengineering“ Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden – so ein Ranking (DIGS-BB) gefördert, an der die weltweit besten Nachwuchswissen- des Nachrichtenmagazins „Focus“ vom Oktober 2014. schaftler im Bereich Biomedizin/Biotechnologie promovieren. Der Freistaat Sachsen fördert ein weiteres Exzellenzcluster der TU Dresden Seit 2003 hat die TU Dresden als erste Technische Universität ein für die Entwicklung neuer Materialien und Bauweisen, das European validiertes Umweltmanagementsystem nach EMAS (Environmental Centre for Emerging Materials and Processes Dresden (ECEMP). Management and Audit Scheme – Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung). Der große Erfolg der Universität in der Exzellenzinitiative ist neben den überzeugenden Anträgen vor allem auch der Art des Miteinan- Beim Times Higher Education World University Ranking 2014–2015 ders der vielen Beteiligten zu verdanken. Ich selbst war viele Jahre (THE) belegt die TU Dresden Platz 135, deutschlandweit Platz 8. im Ausland und an unterschiedlichen Universitäten – doch nirgends ------------------------------------------------------------------------------------------------- habe ich ein so ausgeprägtes Wir-Gefühl wie hier in Dresden und an Mehr Informationen: tu-dresden.de der TU Dresden erlebt. Unser Ziel ist es, die TU Dresden als Exzellenz- und Volluniversität zu profilieren und uns dabei zu einer internationalen Spitzenuniver- IMPRESSUM sität zu entwickeln. Das Exzellenz-Siegel und die damit verbunde- nen Fördergelder bieten uns die Chance, dieses Ziel auch umzuset- Verlagsbeilage der Sächsischen Zeitung in Kooperation mit der TU Dresden zen. Nach zwei Jahren der Förderperiode können wir positiv resü- Redaktion: Anzeigen: mieren, dass die einzelnen Maßnahmen unseres Zukunftskonzeptes Dr. Peter Ufer (verantw., Sächsische Zeitung) Dresdner Druck- und Verlagshaus Kim-Astrid Magister, Mathias Bäumel, GmbH & Co. KG erfolgreich angelaufen sind. Claudia Vojta (TU Dresden) Tobias Spitzhorn (verantw.), Detlef Hockun Ostra-Allee 20, 01067 Dresden Druck: Beispielhaft möchte ich hier das Programm der Open Topic Tenure Dresdner Verlagshaus Druck GmbH Layout: Meinholdstraße 2, 01129 Dresden Rita Schönberger-Gay Track Professuren nennen. Im Rahmen dieses völlig neuartigen 2 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
Rektor Hans Müller-Steinhagen vor der Sil- houette Dresdens. Die Stadt bietet hohe Le- bensqualität und exzellente Bedingungen für die Wissenschaft. Foto: Amac Garbe Berufungsverfahrens, das dazu geführt hat, dass sich weltweit mehr als 1 300 ren und unsere ambitionierten Ziele erreichen. Geprägt wird unser Team von junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Professuren an der vielen einzelnen Personen und Persönlichkeiten. Einige von ihnen wollen wir TU Dresden beworben haben, ist es uns gelungen, bislang neun hervorragen- Ihnen auf den nächsten Seiten stellvertretend für alle Angehörigen der TU de und innovative Professorinnen und Professoren zu berufen. Eine dieser neu Dresden vorstellen. berufenen Professorinnen können Sie in dieser Beilage kennenlernen. Ziel unserer Universität ist es aber auch, den Exzellenzstatus in allen Berei- chen unserer Volluniversität spürbar zu machen. So haben wir spezielle Pro- gramme zur Weiterqualifizierung von hervorragenden Studierenden und Dok- Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen toranden entwickelt und eine Graduiertenakademie aufgebaut. Durch neue und viele Anregungen! IT-Systeme und verbesserte Strukturen sollen alle Lernenden, Lehrenden und Forschenden optimal unterstützt werden. Außerdem wird der Wissenschafts- verbund DRESDEN-concept künftig noch stärker durch die Nutzung von Sy- nergien zwischen der TU Dresden und den außeruniversitären Forschungs- einrichtungen dazu beitragen, dass sich die Dresdner Wissenschaft als ent- scheidender Standortfaktor profiliert. Auch für diese Zusammenarbeit der TU Dresden mit den außeruniversitären Forschungs- und Kultureinrichtungen im Verbund DRESDEN-concept werden Sie in dieser Beilage Beispiele finden. Ihr Immer wieder wird von dem besonderen „Dresden-Spirit“ gesprochen. Im Prof. Dr.-Ing. habil. DEng/Auckland Dr. h.c./Brno Team haben wir es geschafft, Exzellenz-Universität zu werden, und im Team Hans Müller-Steinhagen werden wir auch in den kommenden Jahren unser Zukunftskonzept realisie- Rektor der TU Dresden Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden | 3
D ie Energiewende hat Adriane Schmidt täglich auf dem Schirm. In Experimenten untersucht die 30-jährige Me- dienforscherin, was nötig ist, damit die Menschen neue Vernetzt für Energiesysteme auch dann akzeptieren, wenn sie direkt betroffen sind. Für ihre Doktorarbeit möchte sie herausfinden, warum eine Windkraftanlage vor der Haustür oder eine Wasserstofftankstelle in der Nachbarschaft Ängste erzeugen, selbst dann, wenn Ingenieure die besten Argumente für die Vorzüge umweltfreundlicher Ener- die Zukunft gien liefern. Denn auch wenn Wissenschaftler den Menschen den genauen Auf- bau solcher Anlagen erklären und ihnen schildern, dass die neuen Lösungen sicher sind, bleibt das Unvorhersehbare. Es schürt Skep- sis, auch bei denen, die die neuen Energie-Technologien eigentlich befürworten. Die Doktorandin nennt es den Charme des Irrationa- len. Er sei es, der die Menschen anzieht. „Die Angst vor Gefahren ist oft stärker als alle wissenschaftlichen Argumente“, erklärt sie. Diese Angst kennt auch Mario Ludwig nur zu gut. Der 26-jährige Am Boysen-Graduiertenkolleg an der Maschinenbauer ist für seine Doktorarbeit dem Wasserstoff auf der TU Dresden arbeiten Doktoranden aus Spur. Wenn Deutschland sein Ziel erreichen möchte, den CO2-Aus- stoß nachhaltig zu senken, werde es um diesen Energieträger nicht Wissenschaftsgebieten zusammen, die herumkommen, sagt der Ingenieur. Wasserstoff wird helfen, bereit- gestellte Energie langfristig zu speichern und zu transportieren, um normalerweise wenig gemeinsam haben. sie auch dann nutzen zu können, wenn die Windräder stillstehen oder die Sonne eine Pause einlegt. Es ist der einzige Energieträger, der das leisten kann, so viel sind sich die Wissenschaftler einig. Nur wird es schwer, diese Erkenntnis den Menschen zu vermitteln. Nut- zungsvarianten gibt es viele – doch wenn die Menschen von Bussen hören, die mit Wasserstoff unterwegs sind, denken viele an das Drama um den Absturz der Hindenburg. „Da ist die historische Angst vor der Wasserstoffbombe und die Tatsache, dass die Men- schen Wasserstoff nicht schmecken und nicht riechen können“, er- klärt Mario Ludwig. „Wir Ingenieure können viel analysieren, be- rechnen und erklären, aber bei der sozialen Bewertung neuer Ver- fahren stoßen wir an unsere Grenzen.“ Die Angst vor Gefahren ist oft stärker als alle wissenschaft- lichen Argumente. Adriane Schmidt Dann sind Kommunikationswissenschaftler wie Adriane Schmidt gefragt. Deshalb arbeiten im Boysen-Graduiertenkolleg der Techni- schen Universität Dresden zehn Doktoranden aus den verschie- densten Fächern zusammen. Ähnlich wie Friedrich Boysen, der Namensgeber des Kollegs, den Weg für die moderne Schalldämp- fertechnik geebnet hat, geht auch das Kolleg neue Wege. Seit 2012 werden darin junge Wissenschaftler über die Grenzen ihres Faches hinaus gefördert. Seine Mitglieder sind Doktoranden aus den Inge- nieur-, Wirtschafts-, Kommunikations- und Politikwissenschaften. Aus unterschiedlichen Gebieten stammen auch die beiden Betreu- er, die jeder angehende Doktor an seiner Seite hat – einer aus den Ingenieur-, der andere aus den Sozialwissenschaften. Die jungen Wissenschaftler tauschen sich nicht nur über den aktuellen Stand ihrer einzelnen Arbeiten regelmäßig aus und ergänzen ihre The- men mit Tipps oder kritischen Fragen, sondern integrieren auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der jeweils anderen Diszipli- nen in ihre eigene Forschung. Ihnen allen geht es um die wechselseitige Abhängigkeit zwischen technischer Machbarkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz von nachhaltigen Energiesystemen. „Dieses riesige Feld gemeinsam mit Kollegen aus anderen Wissenschaftsgebieten zu betrachten, das macht für mich das Projekt aus“, fasst Diplomingenieur Mario Lud- wig zusammen. Er war der erste Stipendiat des Kollegs. Momentan steckt er in den letzten Zügen seiner Doktorarbeit. Wenn er im kommenden Jahr seinen Doktortitel in den Händen hält, wird auch die erste Förderphase des Graduiertenkollegs in die Endphase ge- hen. Stifter, Universitätsleitung und die beteiligten Professoren sind sich aber einig, dass dieses Erfolgsmodell der interdisziplinären Mario Ludwig und Adriane Schmidt – Ingenieur und Kommunikationsexpertin arbeiten zusam- Forschung fortgesetzt werden soll. Damit auch künftig junge Wis- men, um wissenschaftlichen Ergebnissen gesellschaftliche Akzeptanz zu geben. Foto: Amac Garbe senschaftler voneinander profitieren. Franziska Lange 4 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
Sabine Müller-Mall startet als Professorin an der Philosophi- schen Fakultät, ungewöhnlich für eine Rechts- und Politikwissen- schaftlerin. Foto: Amac Garbe Widerstand erwünscht Neun aus 1 300: Sabine Müller- tät Berlin. Sie arbeitete davor und danach als wis- senschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Störung und die Literatur- und Mediengeschichte der Angst sind. Völlig neue Forschungsfelder, die fri- Mall ist eine von neun neuen TUD- in Göttingen und in Berlin, wo sie sich wohlfühlte, sche Luft in die Wissenschaftsstuben der Exzellenz- Forschern, die nach einem völlig weil die Hauptstadt Charme besitzt, der sich aus Widersprüchen zwischen Ost und West, Arm und Universität bringen sollen. Die Professorin erzählt von der Bewerbung, die im ersten Schritt tatsäch- neuen Verfahren berufen wurden. Reich, blöd und klug speist. Irgendwo dazwischen lich einer Casting-Show ähnelte. „Ich reichte mein liegt wie immer die Wahrheit. Konzept für eine Professur ein und wurde im ver- Vor einem Jahr stand Sabine Müller-Mall vor der gangenen Sommer 2013 zum Auswahlgespräch S abine Müller-Mall mag Widerstände. Die Entscheidung, ins Ausland zu gehen. Doch dann eingeladen.“ Das fand in Seminarräumen des fordern sie heraus. Und es stellt sich sofort las sie die Ausschreibung der Technischen Univer- Frankfurter Flughafens statt, denn die Kandidaten die Frage nach dem Warum. Das ist bei ihr sität Dresden: Open Topic Tenure Track Professu- wurden aus der ganzen Welt eingeflogen. „Erst die privat so wie bei gesellschaftlichen Phänomenen. ren. Im hiesigen Hochschulgesetz kommt dieses Flughafenlounge, dann ein knallhartes fachliches Also stellt die 35-Jährige Fragen. Sie will zum Bei- Verfahren gar nicht Gespräch, danach der spiel wissen, warum das deutsche Verfassungsge- vor. Völlig losgelöst Flughafen, das war ein richt bei Urteilen Entscheidungen der Juristenkol- von den konventionel- merkwürdiges Set- legen aus Kanada oder den Vereinigten Staaten zi- len Strukturen einer Bekommt unser ting“, sagt Müller-Mall. tiert und teilweise in Überlegungen einbezieht. Ist das erlaubt, sinnvoll, notwendig oder schlicht eine deutschen Universität wurde weltweit nach Rechtssystem jetzt Am Ende gehörte sie zu jenen 26 ausgesuch- unzulässige Vermischung von unterschiedlichen den besten Köpfen ge- einen Migrations- ten Kandidaten, die Rechtssystemen? Erhalten deutsche Verfassungs- sucht, unabhängig von hintergrund? nach Dresden fahren rechtskonzepte zunehmend einen Migrationshin- ihrer Fachrichtung. durften und hier mit Sabine Müller-Mall tergrund? Möglich wurde das dem Rektor sprachen. Das ist Jura, Philosophie und höhere Mathematik Dank des Erfolgs der Aber da der sich kei- zugleich. Für die Wissenschaftlerin gehört die Su- TUD in der Exzellenzinitiative. Die Open Topic Te- nem Vorwurf persönlicher Interessen aussetzen che nach solchen Antworten inzwischen zum Ar- nure Track Professuren sind die umfassendste wollte, wurden für jeden Bewerber zusätzlich zu beitsalltag. Allerdings begann ihr Weg dahin mit Maßnahme im Rahmen des Zukunftskonzeptes den Vorstellungsgesprächen sechs Gutachten in- Widerständen. Klar, sonst wäre es nicht ihr Weg. der Exzellenz-Universität. Die Auswahl der welt- ternationaler Forscher eingeholt. Sie studierte zunächst Mathematik und Physik. Bei weit besten Nachwuchswissenschaftler aus den Sabine Müller-Mall hat inzwischen ihr Büro auf allem Interesse an naturwissenschaftlicher Welt- mehr als 1 300 Bewerbern übernahm nicht die der Nürnberger Straße in Dresden bezogen und beschreibung fehlten der Pfälzerin mit der Zeit TUD selbst, sondern eine externe Findungskom- stellt jetzt Mitarbeiter ein. Eine Sekretärin, drei doch die Bezüge zu gesellschaftlichen Themen. Sa- mission international renommierter Forscher. Doktoranden und drei studentische Hilfskräfte bine Müller-Mall suchte Beweisführungen, die so- Sabine Müller-Mall konnte sich in dem mehrstufigen werden sie bei ihren Forschungen unterstützen. ziale Relevanz haben. Also besuchte sie andere Auswahlprozess durchsetzen, genau wie beispiels- Sie alle gehören im Übrigen zur Philosophischen Hörsäle, lernte Rechts- und Politikwissenschaften weise Andrés Fabián Lasagni, der sich mit laserba- Fakultät und nicht, wie man annehmen dürfte, zur in Freiburg im Breisgau, Aix-en-Provence und sierten Methoden der großflächigen Oberflächen- Juristischen. Und wenn die Wissenschaftlerin hört, Leipzig, promovierte 2010 zum Thema „Performa- strukturierung beschäftigt, oder Lars Koch, dessen dass angeblich die Geisteswissenschaften in der tive Rechterzeugung“ an der Humboldt-Universi- Forschungsfeld die Kultur- und Medientheorie der Krise seien, leistet sie Widerstand. Peter Ufer Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden | 5
G erhard Fettweis stellt sich gern etwas vor. Zum Beispiel: In einem Stadion sitzen 30 000 Zuschauer, jeder filmt. Wer heute ein Konzert besucht oder in Paris im Louvre durch eine Ausstellung läuft, wird genau das sehen. Men- schen gehen mit Handys durch die Gegend und las- sen die Kamera den Weg mitschneiden. Der Profes- sor sagt: „In einem Stadion hat jeder Besucher mit seiner Kamera einen anderen Blickwinkel. Wenn al- le Perspektiven gebündelt werden, lässt sich daraus jedwede Perspektive errechnen, auch die eines Fußballspielers, der über das Feld rennt. Diese Per- spektive ist besser als im Stadion selbst.“ Das Problem seiner Vorstellung: Irgendjemand muss all die Daten sammeln, digital errechnen und dann ohne Verzögerung übertragen. Doch Bilder lassen sich bisher nicht zeitgleich senden und emp- fangen. Jedenfalls nicht per Funk. „Jede Millisekun- de später bedeutet einen Millimeter verspätetes Bild“, sagt der Professor, der seit 20 Jahren die Vo- dafone-Stiftungsprofessur für Mobile Nachrichten- systeme an der Technischen Universität Dresden leitet. Aber Probleme sind für den Wissenschaftler dazu da, sie zu lösen. Deshalb hat sich Fettweis ge- rade mit 20 Kollegen zum „5G Lab Germany“ zu- sammengeschlossen. „Wir wollen hier unsere Ex- pertise bündeln, um das ‚Taktile Internet‘ der Zu- kunft zu entwickeln.“ Dabei stellt sich der Wissen- schaftler vor, dass zum Beispiel ein Herzchirurg in Dresden an einem Computer steht und einen Pa- tienten in Peking operiert. Fettweis hat Erfahrung mit der gemeinsamen Realisierung von Visionen. Seit zwei Jahren koordiniert er bereits das neu ge- gründete Exzellenzcluster für Elektronik der TUD. Mit rund 300 Wissenschaftlern aus aller Welt entwi- ckelt er im Center for Advancing Electronics Dres- den (cfaed) neue Technologien für den Mikrochip der Zukunft. „Alle Bereiche meiner Forschung sind miteinander verknüpft“, erläutert der 52-Jährige. So hat er in das cfaed auch seinen bereits seit 2011 be- stehenden Sonderforschungsbereich „Highly Adap- tive Energy-Efficient Computing“ (HAEC) integriert, in dem es vor allem darum geht, den Energiever- brauch von Computern zu senken. Gemeinsam mit seinem TUD-Kollegen Professor Frank Ellinger hat Gerhard Fettweis das Projekt „FAST– Fast Actuators Sensors and Transceivers“ initiiert, das mit 45 Mil- lionen Euro von der „Initiative Zwanzig20“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Ziel ist die Echtzeitfähigkeit von Sensoren-Systemen zur Verbesserung der In- Gerhard Fettweis zeigt in seinem Dresdner teraktion zwischen Mensch und Technik. „Wenn Forschungslabor eine neue Generation von zum Beispiel ein Kind auf die Straße läuft, bremst Halbleiter-Chips. Foto: Amac Garbe das Auto nicht nur automatisch, sondern sendet gleichzeitig auch Signale an das nachfolgende Fahr- zeug, damit dieses ebenfalls stoppt.“ Internet hautnah – Wenn das funktioniert, kann sich demnächst der Autobesitzer von einer Steuerzentrale fahren las- sen. Ein mobiles Netz steuert die Wagen. „Auch Ampeln werden dann überflüssig sein“, prophezeit der Dresdner Professor. Ab 2020 könnte seine Vision in Echtzeit vom Taktilen Internet schrittweise umgesetzt wer- den. Fettweis stellt sich auch vor, dass ein pflegebe- dürftiger Mensch zu Hause einen Roboter hat, der von einer Klinik aus durch eine Krankenschwester gesteuert wird. Waschen, Medikamente verabrei- chen, Umlagern. Alles in ganz realer Zeit. „Mit einem sogenannten ‚Taktilen Handschuh‘ wird man auch künftig bei Internetbestellungen die Kaufobjekte – Gerhard Fettweis leitet seit zwei Jahren das Exzellenzcluster für Kleidung, Möbel, Geschirr – vorher ertasten kön- nen“, erläutert der Elektronik-Experte. Und das Gan- Elektronik der Technischen Universität Dresden. Nun will er sei- ze wird eines Tages funktionieren, denn Gerhard Fettweis stellt sich so etwas nicht nur vor, sondern ist ne Vision des „Taktilen Internets“ verwirklichen. nah dran. Peter Ufer 6 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
Volle Dosis gegen Krebs Mit einer neuen Protonen-Therapie Behandlungsraum für krebskranke Patienten, zu dem neben einem beweglichen Strahlaustritt geht Michael Baumann präzise (Gantry und Nozzle) auch die Steuereinheit, eine gegen den Krebs vor. robotergesteuerte Therapieliege sowie ein Compu- tertomograph zur Präzisionskontrolle gehören, ist seit September funktionsfähig. Bundesforschungs- D ministerin Johanna Wanka sagte zur Einweihung, as geht ganz tief. Punktgenau trifft der dass ein aus der Medizinischen Fakultät der TU Protonenstrahl in den Krebsherd, um Dresden und dem Universitätsklinikum sowie dem ihn zu vernichten. Michael Baumann, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf formier- Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Ra- tes Konsortium eine Millionenförderung erhält, dioonkologie am Universitätsklinikum Carl Gustav um die patientennahe Krebsforschung in enger Carus sagt: „Die Partikelstrahlen der Protonen wir- Zusammenarbeit mit Heidelberg zu intensivieren. ken gezielter als die bisherigen Röntgenstrahlen.“ Damit wird in Dresden der Partnerstandort des in Das neue Bestrahlungssystem geht aber nicht nur Heidelberg bereits ansässigen „Nationalen Cen- gezielter vor, sondern besitzt zugleich einen äu- trums für Tumorerkrankungen“ (NCT) aufgebaut. ßerst geringen Streuverlust und verlässt den Kör- In Dresden wird es zudem etwas Einmaliges ge- per nicht. So bleibt gesundes Nebengewebe unbe- ben, sagt Baumann. „Wir arbeiten mit einer bild- rührt, was vor allem bei Tumoren im Gehirn oder geführten Strahlentherapie, können so live am in kleinen Körpern, wie bei Kindern, einen enor- Computer sehen, was der Strahl wo tut. Das ist ins- men Fortschritt bedeutet. Weltweit gibt es bisher besondere bei bewegten Tumoren perfekt.“ Dazu 30 Krebszentren, die die Protonenstrahl-Therapie sind Ärzte und Wissenschaftler dabei, ein bildge- Krebsforscher Michael Baumann vor dem neuen Protonen- anwenden, in Deutschland sind es vier – Essen, bendes System zu entwickeln, um die Präzision Therapiegerät. Er entwickelt in Dresden neue Methoden der Heidelberg, München und ab Herbst Dresden. Der noch mehr zu erhöhen. UF Therapie gegen die todbringende Krankheit. Foto: Amac Garbe Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden | 7
Mit Kohlenstoff Richtung Dresden chend breit ist das ILK-Team mit mehr als 240 Mit- arbeitern aufgestellt. Diese kommen vor allem aus der Studienrichtung Leichtbau, die pro Jahr mehr als 80 Absolventen hat. Das Institut arbeitet in zahlreichen Netzwerken, wie dem Cluster Hochleistungsleichtbau Dresden und dem Materialforschungsverbund Dresden mit sei- nen mehr als 1 000 Wissenschaftlern. Diese Symbio- se möchte Neu-Professor Hubert Jäger gemeinsam mit seinen ILK-Kollegen Niels Modler und Maik Gu- de weiter vorantreiben. Vor allem eine enge Bezie- hung zur Industrie ist ihm wichtig. In Praxissemina- ren und -semestern sollen die Studierenden außer- dem lernen, dass neben dem inhaltlichen Thema Leichtbau auch die Führung und Motivation von Mitarbeitern wichtige Größen sind. Dafür müsse man den Blick auch in Richtung der anderen Konti- nente schweifen lassen, da die Musik global spiele. Innerhalb von Forschungsprogrammen soll ver- stärkt mit anderen Universitäten und Unternehmen zusammengearbeitet werden. „Ich habe viele inter- nationale Kontakte, durch die neue Netzwerke ent- stehen können“, sagt Jäger. So war er in der Vergan- genheit unter anderem auch in Asien und Nordame- rika aktiv und kann diese regionalen Erfahrungen einfließen lassen. Ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt für den studierten Chemiker ist die Entwicklung von neuartigen Füge-Verbund-Schichtsystemen für Hubert Jäger ist neu an der TU Dresden. Der ehemalige Konzernforschungsleiter hat nach 28 Jahren in der Indus- hybride Werkstoffverbunde und die Nutzung trie die Professur für Systemleichtbau und Mischbauweisen übernommen und ist damit Nachfolger von Profes- der Carbonfaser-Vorteile bei unterschiedlichen sor Werner Hufenbach. Foto: Amac Garbe Matrixmaterialien. Das sind zum Beispiel Beton oder Metalle wie Aluminium, Magnesium und Titan. So können bei Beton anstelle von Stahl auch Carbon ist ein Stoff mit Zukunft. Denn die TU Dresden unterscheide sich von allen anderen Universitäten, die er national und inter- Carbongitter als Bewehrung eingebaut werden – eine Technologie, die an der TU Dresden ent- Das hat Hubert Jäger schon lange national kennt. „Alle Institute sind stark vernetzt. wickelt und jetzt unter der Marke TUDALIT® vom erkannt. Sein Wissen teilt der neu- Das ist sehr fruchtbar“, so Professor Jäger. Er möchte den bereits gut ausgeprägten Bereich der Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) zuge- lassen wurde. Der Einsatz von Carbongittern hat berufene Leichtbauprofessor jetzt Grundlagenforschung und der praktischen An- direkte Auswirkungen auf die Umwelt. Weil mit Dresdner Studierenden. wendung am Institut für Leichtbau und Kunst- stofftechnik (ILK) noch erweitern. Carbon im Gegensatz zu Stahl nicht korrodiert, müssen die Gitter auch nicht durch zentimeter- W Das ILK führt umfang- dicke Betondeckungen enn man Kohlenstoff einmal verstan- reiche Forschungs- geschützt werden. So- den hat, kann man auch in Kohlenstoff und Entwicklungsar- mit werden bis zu denken. Er habe sein Herz schon lange an das chemische Element verloren, sagt Hubert beiten auf dem Gebiet der beanspruchungs- Der Blick muss 20 Prozent Beton ein- gespart und damit Jäger. Denn es sei ein Stoff mit Zukunft. Leichte, gerechten Leichtbau- schweifen, denn die auch die globale CO2- aber hochfeste Carbonfaser-Verbundwerkstoffe strukturen und -syste- Musik spielt global. Verschmutzung durch werden beispielsweise eingesetzt, um das Gewicht me durch und ist dabei die Zementgewinnung bewegter Massen zu senken – ob in der Luft- deutschlandweit füh- Hubert Jäger erheblich reduziert. und Raumfahrt oder im Automobil- und Maschi- rend. Die Kernkompe- Allein die Herstellung nenbau. tenz liegt im Entwi- von Zement verursacht Weitere Vorteile des Stoffs bringt Hubert Jäger den ckeln, Auslegen und Optimieren von Komponen- fünf Prozent der gesamten Kohlenstoffdioxid- Studierenden der TU Dresden seit Beginn des Win- ten und Systemen des Hochleistungsleichtbaus so- Belastung, erklärt Jäger. „Ein weiterer schöner tersemesters nahe. Der ehemalige Konzernfor- wie der prototypischen Fertigung. Je nach Anfor- Nebeneffekt des Nicht-Korrodierens von Carbon schungsleiter eines weltweit führenden Herstellers derung werden hier alle Werkstoffklassen von Stahl ist die daraus resultierende Lebensdauer der Bau- von Produkten und Materialien aus Carbon über- über Aluminium, Magnesium und Titan sowie werke. Brücken halten zum Beispiel länger und nahm die Professur für Systemleichtbau und Kunststoff bis hin zur Keramik entsprechend ih- müssen seltener repariert werden. Das trägt erheb- Mischbauweisen. Nach 28 Jahren Industrieerfah- rem konstruktiv-technologischen Eigenschaftspro- lich zu einer staufreieren Mobilität bei.“ Eine rung sei das eine große Veränderung, aber ein sehr fil ebenso einbezogen wie Composites mit Kurzfa- Anwendung über den Leichtbau hinaus. Für einen interessanter Schritt, sagt Jäger. ser-, Endlosfaser- oder Textilverstärkung. Entspre- Werkstoff mit Zukunft. Linda Barthel 8 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
grundsätzlichen Fragen“, sagt Kai Zuber. „Was pas- Kai Zuber beschleunigt Teilchen. Er siert im Inneren von Sternen? Wie produzieren sie erforscht das Innere von Sternen, um ihre Energie? Wo kommen die chemischen Elemen- zu erkennen, wie sie Energie produ- te her? Wie sind sie im frühen Universum entstan- zieren und im Universum entstanden. den? Das wollen wir letztlich herausfinden.“ In den Foto: Amac Garbe heißen Zentren der Sterne setzen Kernreaktionen ein, die aus dem leichten Element Wasserstoff zu- nächst Helium und dann – je nach Größe des Sterns – nach und nach schwerere Elemente erzeugen. Diese Prozesse und deren Dynamik wollen Astro- physiker exakt beschreiben und damit die Häufig- keitsverteilung der chemischen Elemente erklären. Kein leichtes Unterfangen! „Grundsätzlich sind diese Reaktionen bekannt“, sagt Kai Zuber, „etwa dass zwei Heliumkerne zu Beryllium fusionieren. Doch die Reaktionsraten gerade bei den Temperaturen, wie sie im Sternen- inneren herrschen, sind nur sehr ungenau be- stimmt.“ Man kennt also die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Reaktion abläuft, nur vage. Weil nun eine ungeheure Vielzahl an möglichen Reaktionswegen und -ketten existiert, gibt es in der nuklearen Astrophysik noch viele Fragezeichen. Das neue Labor im Felsenkeller soll den Forschern mehr Gewissheit verschaffen, so Daniel Bemmerer vom HZDR: „Wir können mit unserer Maschine für die ersten fundamentalen Stadien, die alle Sterne durchlaufen, die Wirkungsquerschnitte ganz präzi- se messen.“ Denn diese Reaktionen lassen sich in einem Beschleuniger nachstellen. Man lässt zum Beispiel einen Protonenstrahl auf ein Stickstoff- Target prallen und misst mit einem Detektor die entstehenden Produkte. Warum man dafür in den Untergrund gehen muss? Die Reaktionsraten sind sehr klein, und es ergeben sich nur wenige Signale. Die kosmische Höhen- strahlung, die ständig auf die Erdoberfläche pras- selt, würde sehr stark stören. Deshalb sind Zuber und seine Kollegen Daniel Bemmerer und Tom Cowan vom HZDR froh, dass sie mit dem Felsen- keller einen passenden Ort für ihren Beschleuniger gleich vor der Haustür haben. 50 Meter tief im Felsgestein des Plauenschen Grunds befindet sich ein ausgedehntes System von Tunneln, das früher, vor der Erfindung des Kühlschranks, als Eislager Die Sterne von der gleichnamigen Felsenkeller-Brauerei ge- nutzt wurde. Heute stehen die Stollen unter ande- rem im Dienste der Wissenschaft, denn der Fels schirmt vor äußeren Einflüssen wie der kosmi- schen Höhenstrahlung ab. Wenn der Zeitplan ein- in den Keller holen gehalten wird, soll die neue Anlage, bestehend aus einem Linearbeschleuniger und einem Detektor- system, Ende 2015 den ersten Strahl liefern. Dem- nächst beginnen die Vorbereitungen dafür: Boden- platte herstellen, Kabelzuführungen vorbereiten, Sicherheitstechnik installieren. Derweil ist der acht Meter lange Beschleuniger bereits am HZDR ein- W getroffen und wird dort mit moderner Steuerelek- Im Dresdner Felsenkeller er Kai Zuber während der vorlesungs- freien Zeit an der TU Dresden besu- tronik und einer neuen Ionenquelle ausgestattet. Auf das fertige Beschleunigerlabor warten Wissen- entsteht ein Beschleuniger- chen möchte, meldet sich besser lang- schaftler aus der ganzen Welt. Sie können sich mit labor, in dem sich Prozesse fristig an. Denn der 50-jährige Professor für Kern- physik reist regelmäßig durch die Welt zu den Ex- eigenen Experimenten für die Nutzung des neuen Beschleunigers bewerben, so dass die Dresdner in Sternen studieren lassen. perimenten, an denen er mit seiner Gruppe arbei- Forscher ihn nur für einen Teil des Jahres selber tet. Und die befinden sich in Italien, Kanada und nutzen werden. Derzeit gibt es eine vergleichbare der Schweiz. So kommt es, dass der Physiker oft Versuchsanlage nur im italienischen Untertagelabor unterwegs ist. Doch das könnte sich demnächst von Gran Sasso, die allerdings lediglich einen Teil ändern. Denn Kai Zuber ist gerade dabei, gemein- des in Sternen vorherrschenden Energiebereichs sam mit Kollegen vom Helmholtz-Zentrum Dres- abdeckt. Der Dresdner Beschleuniger bietet deut- den-Rossendorf (HZDR) in Dresden eine neue For- lich mehr Möglichkeiten. Das Interesse bei den ent- schungseinrichtung aufzubauen: das Beschleuni- sprechenden Arbeitsgruppen ist daher groß. Und gerlabor im Dresdner Felsenkeller. auch für die Studierenden der TU Dresden bietet In diesem Labor wollen die Wissenschaftler nuklea- das neue Beschleunigerlabor einzigartige Ausbil- re Astrophysik betreiben. „Wir widmen uns ganz dungs- und Forschungsmöglichkeiten. Uta Bilow 10 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
Das Geheimnis des Axolotl Die Biologin Elly Tanaka erforscht exotisch anmutende Urviecher. Von ihnen soll der Mensch lernen, zerstörte Organe zu regenerieren. G egen sechs Uhr morgens spielt sie mit ih- ren Kindern Geige. Musikalischer Früh- sport mit der ganzen Familie muss sein. Das ist der erste Ausgleich nach zwei Stunden Ar- beit. Elly Tanaka steht in der Woche immer um vier Uhr auf. Nach zehn Minuten Gymnastik geht es an den Schreibtisch. „In der Stille des Morgens kann ich am besten arbeiten“, sagt die Biologin. Die amerikanische Professorin mit japanischen Wurzeln schließt für kurze Momente die Augen, wenn sie spricht, geradeso als würde sie in sich hi- neinschauen, um die richtigen Worte zu finden. Wissenschaftssprache ist Englisch, doch für Laien navigiert sie sich gelegentlich durch deutsche Vo- kabeln, um nachvollziehbar zu erklären, was sich hinter den Türen im Keller des DFG-Forschungs- zentrums und Exzellenzclusters der TU Dresden „Center for Regenerative Therapies TU Dresden“ (CRTD) verbirgt. Bläuliches Licht strahlt aus was- sergefüllten Plexiglasbecken, Aggregate pumpen munter Sauerstoff durch Schläuche, ab und an paddeln exotisch anmutende Urviecher mit Elly Tanaka mit einem mexikanischen Molch, der Gliedmaßen und innere Organe nach Verletzungen regenerie- schwarzen Knopfaugen an die Wände der Wasser- ren kann. Foto: Amac Garbe quader. Elly Tanaka züchtet die Tierchen, mexika- nische Molche mit dem aztekischen Namen Axo- lotl. „Wahrscheinlich gibt es weltweit nirgends richtung der Zellteilungen während der Rücken- nären Netzwerk des Instituts. Wer das Gebäude mehr Axolotls als in unserem Keller“, sagt die Wis- marksregeneration, kontrolliert, und damit den mit der riesigen Glasfläche in der Nähe des Elb- senschaftlerin. Auswuchs des Rückenmarkschlauchs am Anfang ufers betritt, geht aus der Stadt in eine andere, eine In der Wildnis sind die Schwanzlurche vom Aus- der Regeneration erleichtert“, sagt die zierliche For- internationale Welt. Elly Tanaka kam 1999 nach sterben bedroht, obwohl sie etwas können, was der scherin, die seit Anfang 2014 das Forschungszen- Dresden, studierte und forschte vorher an der Uni- Mensch verlernt hat. Denn bei Verletzungen oder trum CRTD als Direktorin leitet. Vier verschiedene versity of California in San Francisco, ging danach Erkrankungen menschlicher Gliedmaßen, aber Signale hat Elly Tanaka entdeckt. „Wenn wir erst an das Ludwig Institute for Cancer Research am auch innerer Organe wie einer Herzkammer, dem mal eine gute Zelle mit der Regenerationsfähigkeit University College London, um dann am Max- Rückenmark oder dem Gehirn, werden Zellen zer- haben, können wir die Planck-Institut für mo- stört. Unwiederbringlich. Eine Chance zur Selbst- anderen Zellen be- lekulare Zellbiologie heilung gibt es nicht. Nicht mehr. schleunigen“, sagt sie. und Genetik in Dres- Wirbeltiere wie der Axolotl, eine Art Salamander, und der Zebrafisch wissen noch, wie Selbstheilung „Sollte der Mensch die- se Fähigkeit wieder er- Kann der Mensch den zu beginnen. Dort arbeitet auch ihr geht. Der schwimmende Mexikaner kann zerstörte lernen, bleibt eine vom Axolotl lernen, Mann. 2008 wurde sie Gliedmaßen regenerieren, aber auch Nervenzellen zweite große Frage: wie Selbstheilung zur Professorin für oder Gehirnteile. Ein Phänomen, das seit 60 Jahren Welche Nachteile hat Tiermodelle der Rege- bekannt ist, aber nie erklärt werden konnte. Immer das? Denn vielleicht funktioniert? neration an der TU stand die Frage nach den Ursachen dieser großarti- blockieren ja menschli- Elly Tanaka Dresden berufen. gen Fähigkeit und ob der Mensch das von den Tie- che Zellen ganz be- „Dresden entwickelt ren lernen kann. Elly Tanaka sucht mit ihren Kolle- wusst diesen Prozess.“ sich immer mehr zu ei- gen nach dem Selbstheilungspotenzial des mensch- Das CRTD ist eines von zwei Exzellenzclustern der nem hervorragenden Wissenschaftsstandort, vor lichen Körpers, forscht nach eben jenen Signalen, TU Dresden. Es wurde 2006 als Forschungszen- allem in der modernen Medizin“, sagt Tanaka, de- die Stammzellen stimulieren, sich neu zu bilden. trum der DFG gegründet und konnte sich in bei- ren Tag im Institut gegen 18 Uhr endet. Ihre Kinder Das Team fand heraus, welche Gene nach einer den Runden der Exzellenzinitiative von Bund und verbringen die Zeit in der Schule oder gehen ihren Amputation beim Axolotl automatisch angeschaltet Ländern als Exzellenzcluster durchsetzen. 260 Mit- Hobbys nach. Als sie kleiner waren, besuchten sie werden, um die Regeneration zu steuern. „Wir wis- arbeiter aus 35 Nationen forschen in dem Haus, den nahe gelegenen Kindergarten. Auch das gehört sen jetzt, dass der Planar-Cell-Polarity-Signalweg über 70 Arbeitsgruppen in sieben verschiedenen zu den guten Bedingungen des Wissenschafts- Vorgänge, wie beispielsweise die räumliche Aus- Institutionen Dresdens gehören zum interdiszipli- standorts Dresden. Peter Ufer Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden | 11
Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münk- ler am Fuße des Königdenkmals in Dresden. Wie risikoaffin Gesellschaften sind, erzäh- den Umgang mit Risiken verhandelte, greift Marina len auch ihre Geschichten. Foto: Amac Garbe Münkler, Professorin für Ältere und Frühneuzeitli- che deutsche Literatur und Kultur, zu diesen alten Helden. Und für ihr aktuelles Projekt bringt sie da- für Wissenschaften zusammen, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Forscher aus Na- tur-, Technik-, Kultur- und Sozialwissenschaften spüren dabei nicht weniger als dem Risiko nach – und sind auf dem Weg zu etwas völlig Neuem. „Ei- ne wissenschaftliche Einrichtung für Risikofor- schung ist unser Ziel“, sagt Marina Münkler. Ein Zentrum soll entstehen, das die Grenzen der jewei- ligen Fächergruppen überwinden und greifbare wissenschaftliche Synergien schaffen soll, denn Ri- siko ist allen Wissenschaften ein stetiger Begleiter. „Da ist zum Beispiel – um es an einer ganz aktuel- len Debatte zu zeigen – der Lebensmittelchemiker, der dem Verfahren, Geflügel vor der Weiterverar- beitung in Chlordioxid zu tauchen, aus toxikologi- scher Sicht durchaus Vorzüge bescheinigt“, sagt Marina Münkler. Im Prinzip ein sicheres Verfah- ren, und dennoch schürt das Thema nicht nur Skepsis in Europa, sondern speist auch zahlreiche angstbesetzte Narrative. „Die Angst dominiert, weil sich Narrative bilden, die ein eher harmloses Verfahren zu einer unabsehbaren Gefahr stilisie- ren.“ Ähnliches gilt für die grüne Gentechnik. Solche Fehleinschätzungen von Risiken sind gera- de in modernen Gesellschaften häufig. Manche Ri- siken werden extrem überschätzt, andere ignoriert oder verniedlicht. „Ob Kulturen und Gesellschaf- ten risikoaffin oder risikoavers sind, hängt nicht zuletzt von Risikonarrativen ab. Solche Narrative sind typische Nuklei von Erzählungen, die als Ver- satzstücke eingesetzt werden können“, erklärt die Literaturwissenschaftlerin. Miteinander reden, sich ohne Vorbehalte austau- schen – als eigentliches Ziel? Marina Münkler nickt. Zwar haben sowohl Natur- und Technikwis- senschaften als auch Sozial-, Kultur- und Geistes- wissenschaften bisher schon wichtige Aspekte von Risiko thematisiert und auch interdisziplinär un- tersucht. Doch diese Interdisziplinarität habe sich zumeist auf die Zusammenarbeit innerhalb der Fächergruppen beschränkt. Nicht selten ignorie- Dem Risiko ren sich die Fächer untereinander oder misstrauen sich. „Das hat dazu geführt, dass die Natur- und Technikwissenschaften lange Zeit als Risikoprodu- zenten betrachtet wurden, während die Kultur- und Sozialwissenschaften als Vertreter einer Veto- auf der Spur ethik angesehen wurden, die dazu neigten, Inno- vationen als zu riskant abzutun.“ Man müsse die beiden Fächergruppen als Aktions- und Reflexi- onswissenschaften begreifen. Dann werde deut- lich, wo die Differenzen liegen und welche Kom- munikationsprobleme sich daraus ergeben. Die ersten Schritte zu einer neuen Vernetzung der Wissenschaften sind bereits getan. Um den unter- Technischer Fortschritt produziert C hristoph Columbus erntete Skepsis. Gen schiedlichen Perspektiven der Wissenschaften auf Westen zu segeln, um im Osten anzukom- Risikobewusstsein, Risikobereitschaft, Risikokom- Unsicherheit, Kulturforscher legen men? Der mathematische Rat schüttelte munikation und auf die Varianten des Risikobe- stets ihr Veto ein. Stimmt das? Die den Kopf, als Columbus ihm 1488 am Hof des spa- nischen Königs seinen Plan vortrug, Indien auf griffs nachzuspüren, hat Marina Münkler in den vergangenen Semestern eine Ringvorlesung, die Literaturwissenschaftlerin Marina dem Seeweg zu finden. Umso triumphaler war Co- von Vertretern beider Bereiche getragen wurde, or- lumbus’ Rückkehr, nachdem er 1492 auf den ver- ganisiert. Münkler stellt Vorurteile infrage. meintlichen westindischen Inseln angekommen Dass daraus eine intensive Kommunikation zwi- war. Die Erzählung vom wagemutigen Entdecker schen den Bereichen und schließlich eine wirklich war geboren. interdisziplinäre Forschergruppe erwächst, ist ein Die Entdecker und Eroberer, Magier und Alche- nächster Schritt hin zur Risikoforschung als zen- misten sind es, die für Furore sorgten. Sie stellten trale Verknüpfung zwischen den „sciences“ und die Welt auf den Kopf und ernteten Begeisterung – den „humanities“ an der TU Dresden. Ein Gewinn nicht selten aber auch Skepsis und scharfe Ableh- wäre das für Universität – und eine späte Ehre für nung. Immer dann, wenn es darum geht, zu ver- die Entdecker und Magier der Frühen Neu- stehen wie die Gesellschaft der Frühen Neuzeit zeit. Franziska Lange 12 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
Blutzellen im Schnelltest Jochen Guck entwickelt ein Diag- programms werden die Bilder schon während der Aufnahme ausgewertet. Die Diagnose kann man verformen. An der Elastizität erkennt der Wissen- schaftler zum Beispiel Infektionskrankheiten. Der nosegerät, das in kürzester Zeit dann unmittelbar danach stellen. 41-Jährige erkannte aber zudem schon vor Jahren, Krankheiten feststellen soll. Das Der Wissenschaftler lächelt aber auch deshalb, weil er sich ursprünglich weder für Medizin noch dass beispielsweise Krebszellen weicher sind als gesunde Zellen. Krebs macht Zellen weicher. Ein kann Leben retten. für Biologie interessierte, jetzt aber mit vielen Bio- Vorteil für den Tumor bei der Verbreitung durch logen zusammenarbeitet. In der Schule wählte er den Körper. Mittlerweile hat Guck entdeckt, dass das Fach ab. Aber physikalische Phänomene reiz- die Zellen umso weicher sind, je aggressiver die ten den gebürtigen Krebsform ist. Sein J ochen Guck lächelt entspannt. Vor ihm steht ein Gerät, das er erfunden hat. Ein Zellver- formbarkeitsmesser. Mit ihm analysiert der Forscher am Biotechnologischen Zentrum der Unterfranken schon immer. Heute betrach- tet er Zellen als physi- kalische Objekte und Pro Minute messen Verfahren eignet sich ebenfalls zur Identifi- zierung von Stammzel- len, was er mit den Technischen Universität Dresden (Biotec) erstmals nennt das Biophysik. wir 10 000 Zellen, um Mitteln aus einem Blutzellen mit hohem Durchsatz in Echtzeit. Er Der Biologieverweige- sofort eine Diagnose Starting Grant des Eu- kann so die Zeit für die Diagnose von Krankheiten rer gilt inzwischen als ropean Research entscheidend verkürzen. einer der international stellen zu können. Council erforscht. Die „Pro Minute messen wir jetzt 10 000 Zellen, um da- besten und innovativs- Jochen Guck hat er zusätzlich zur nach sofort eine Diagnose stellen zu können“, sagt ten Forscher auf die- Humboldt-Professur der Professor. Allein bei einer Sepsis kann die neue sem Gebiet. Die Idee bekommen, die er vor Methode viele Leben retten. Denn bisher müssen dazu entwickelte er als Physikstudent an der Uni- zwei Jahren als erster Wissenschaftler an der TU Blutproben in Kultur genommen werden, um zu versität von Texas in Austin, wo er den deutschen Dresden antrat. Fünf Millionen Euro brachte der sehen, ob Keime wachsen und welche das sind. Wissenschaftler Josef Käs traf. Mit ihm versuchte Biophysiker mit, denn der Preis von der Alexander Dabei vergehen mindestens zwei Tage, ehe dem er, eine scheinbar schlichte Frage zu beantworten: von Humboldt-Stiftung ist die höchstdotierte behandelnden Arzt das Ergebnis vorliegt. Das neue Drücken sich Zellen zusammen, wenn sie von bei- deutsche Forschungsauszeichnung. Auch das ist Diagnose-Gerät verspricht Ergebnisse innerhalb den Seiten mit Laser bestrahlt werden? Sie taten es ein entspanntes Lächeln wert. weniger Stunden. Bei dem Verfahren nutzt der nicht, sie zogen sich auseinander. Sein für ein Jahr Aber vor allem freut sich Jochen Guck über die Physiker aus, dass Zellen in einem durchsichtigen geplanter Studienaufenthalt verlängerte sich um großartigen Bedingungen am Dresdner Biotechno- Block schnell durch eine Engstelle gepumpt wer- vier Jahre. Denn Guck wollte herausfinden, was die logischen Zentrum. Das wurde im Jahr 2000 als den und deren Verformung durch ein Mikroskop Ursache für dieses Zellverhalten war. Und er fand Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der TU fotografiert wird. 4 000 Fotos pro Sekunde entste- es heraus. Der „Optical Stretcher“ war erfunden. Dresden gegründet und gehört inzwischen zu den hen von den Zellen, die mit zehn Zentimetern pro Die jetzt neu entwickelte Messmethode basiert auf weltweit renommierten Forschungszentren der Sekunde vorbeifließen. Mittels eines Bild-Analyse- seiner Erkenntnis, dass sich Zellen unterschiedlich Molekular- und Zellbiologie. Peter Ufer Jochen Guck mit seinem neuen Diagnosegerät im Dresdner Biotec-Zentrum. Foto: Amac Garbe Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden | 13
WISSENSCHAFTSSTA 11 10 9 8 7 14 13 6 5 2 1 3 1 Technische U 2 Max-Planck-In 4 3 Max-Planck-In 4 Leibniz-Institu Dresden 5 Hochschule fü STR AUSS & PARTNER DRESDEN 6 Leibniz-Institu 7 Staatliche Kun 8 Militärhistorisc 9 Fraunhofer CO
ANDORT DRESDEN 12 17 15 16 4 3 18 19 20 21 22 23 Universität Dresden (TUD) 10 Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme 18 Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme nstitut für Physik komplexer Systeme 11 Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden nstitut für Chemische Physik fester Stoffe 19 Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- 12 Landesamt für Archäologie Sachsen und Plasmatechnik ut für Festkörper- und Werkstoffforschung 13 Deutsches Hygiene-Museum Dresden 20 Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und 14 Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Strahltechnik Dresden ür Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) Erkrankungen 21 Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung ut für Polymerforschung Dresden 15 Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden 22 Sächsische Landesbibliothek – Staats- und nstsammlungen Dresden 16 Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) ches Museum der Bundeswehr und Genetik 23 Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und OMEDD 17 Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf Infrastruktursysteme www.dresden-concept.de tu-dresden.de
Die Angst nach dem Krieg Jeder vierte Soldat, der auf einem Zusammenhänge schon seit Jahrzehnten die Zäh- ne aus“, sagt Professor Hans-Ulrich Wittchen, Lei- tischen Ereignissen identifiziert und über viele Monate und Jahre wiederholt vor und nach trau- Auslandseinsatz war, leidet unter ter des Instituts für Klinische Psychologie & Psy- matischen Ereignissen untersucht wurden. Die psychischen Störungen. Das be- chotherapie der TU Dresden. Als eines der welt- weit führenden Forschungsinstitute im Bereich der Soldaten in Afghanistan gehören der gleichen Be- rufsgruppe an, teilen gemeinsam belastende und legt eine Studie, die ein Forscher- Klinischen Psychologie widmet sich das Institut traumatische Ereignisse in einem ähnlichen Kon- besonders der komplexen grundsätzlichen Frage text zu einem gleichen Zeitpunkt. Dies allein redu- team um Sebastian Trautmann „Warum werden wir psychisch krank?“. ziert die Anzahl von Einflussfaktoren und ermög- und Hans-Ulrich Wittchen an der Ein eindrucksvolles Beispiel dieses Forschungsan- satzes ist die sogenannte „Dunkelzifferstudie“ bei licht es, Hypothesen über die Folgen und Prozesse nach traumatischen Ereignissen gezielt zu prüfen. TU Dresden realisierten. in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten. Das Ergebnis: Auslandseinsätze machen Soldaten Auf Beschluss des Deutschen Bundestages wurde nicht per se krank. Obwohl die Mehrzahl der Sol- das Forscherteam um daten ein hohes Aus- E Hans-Ulrich Wittchen maß an belastenden s ist oft eine innere Verwundung. Sie beauftragt herauszu- und traumatischen Er- kommt hinterher, wenn man glaubt, dass alles vorbei sei. Ist es nicht. Das spüren finden, wie viele Solda- ten bei Einsätzen in Af- Wer vor einem eignissen erlebt, keh- ren über 75 Prozent Soldaten nach Einsätzen, haben Probleme, die Er- ghanistan traumati- Militär-Einsatz unter ohne klinische auffälli- lebnisse zu verarbeiten, oder kommen – oft ohne siert werden und wie psychischen Störung ge psychische Proble- zu wissen warum – nicht mehr mit ihrem Alltag zu- viele mit posttraumati- me zurück. Nur knapp recht. Doch es betrifft nicht alle. Bisher blieb es al- schen Belastungsstö- litt, der hat danach drei Prozent leiden lerdings nur eine Vermutung, wie viele Angehörige rungen und anderen ein erhöhtes Risiko. nach dem Einsatz un- der Bundeswehr insbesondere nach Auslandsein- psychischen Störun- ter einer PTBS. Viel sätzen mit einer posttraumatischen Belastungsstö- gen zurückkehren. Zu- Sebastian Trautmann häufiger sind aller- rung (PTBS) zu kämpfen haben. dem sollten die ent- dings andere einsatz- Seit Jahrzehnten versucht die Forschung zu klären, scheidenden Risiko- und Schutzfaktoren identifi- bedingte psychische Störungen, wie Angst- und warum einige Menschen nach traumatischen, also ziert werden, damit zukünftig eine verbesserte Prä- depressive Störungen, aber auch Suchtprobleme. extrem belastenden, Ereignissen psychisch krank vention möglich wird. Entgehen der Erwartung ist nicht etwa die Art und werden, während andere gesund bleiben. „An die- Das Besondere des Dresdner Forschungsansatzes die Schwere des traumatischen Ereignisses be- ser Frage beißen wir uns aufgrund der komplexen ist, dass große Gruppen von Personen mit trauma- deutsam, sondern die Häufung von Ereignissen, die in gewissem Umfang noch durch kognitionsbe- zogene und stressbiologische Faktoren abge- schwächt oder verstärkt werden können. „Wer bereits vor dem Einsatz unter einer zumeist unerkannten psychischen Störung litt, der hatte Hans-Ulrich Wittchen und Sebastian auch während und nach dem Einsatz ein deutlich Trautmann in der Bibliothek des Insti- erhöhtes Risiko, eine PTBS oder ein anderes kompli- tuts für Klinische Psychologie und Psy- kationsreiches psychisches Störungsmuster zu ent- chotherapie der TUD. Foto: Amac Garbe wickeln.“ Das sagt Sebastian Trautmann, der in den vergangenen Jahren mit dem Forscherteam die Un- tersuchung koordinierte. Dieser zentrale Befund er- öffnet zugleich Wege für eine bessere Prävention. Der 31-Jährige, der seine Doktorarbeit im Projekt schreibt, ist fasziniert von der Forschungsarbeit und den Möglichkeiten der Klinischen Psychologie. Der gebürtige Brandenburger studierte an der TUD Psychologie, da er sich schon immer gerne mit dem Erleben und Verhalten der Menschen be- schäftigte. „Ich hatte vor dem Studium der Klini- schen Psychologie nicht damit gerechnet, in wel- chem Ausmaß man sich zugleich mit experimen- tellen Ansätzen, Statistik, Psychobiologie und Epi- demiologie beschäftigen muss“, sagt er. Klinische Psychologie sei eben zugleich ein naturwissen- schaftliches Grundlagen- und Anwendungsfach. Sebastian Trautmann versucht unter anderem über komplexe statistische Modellierungen von Daten, die entscheidenden Zusammenhänge zwi- schen traumatischen Ereignissen und psychischen Störungen herauszuarbeiten. Zusätzlich zur wis- senschaftlichen Arbeit lässt er sich zum Psychothe- rapeuten ausbilden. Der direkte Kontakt zu Patien- ten erscheint ihm für eine fortwährende Überprü- fung und Vertiefung der wissenschaftlichen Er- kenntnisse wichtig. Nur so kann er die Erkenntnis- se auch für die Behandlung der Betroffenen nutz- bar machen. Peter Ufer 16 | Wissen schafft Exzellenz – Technische Universität Dresden
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