HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE

Die Seite wird erstellt Hanno Lauer
 
WEITER LESEN
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
Echo
         Nr. 108 | Sommer 2020

Hoch
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
Hoch
hinaus

Liebe Freunde der Schweizer Berghilfe,
liebe Leserinnen und Leser

Mit dieser Ausgabe des «Echos» wollen wir hoch hinaus.
Zum Beispiel zur Mittellegihütte. Auf 3355 Metern über
Meer gelegen, ist sie wohl das höchstgelegene je von der
Schweizer Berghilfe unterstützte Projekt.

Wir haben das Thema «Hoch» jedoch nicht bei allen
Geschichten in dieser Ausgabe so gradlinig angepackt. Als
Besucher des Baumwipfelpfads im Toggenburg befindet
man sich zum Beispiel lediglich auf gut 800 Metern, dafür
hoch über dem Waldboden. Auf dem Mundartweg im Isental
spielt das «Hoch» in Hochdeutsch keine Rolle und auf
dem Hof von Familie Wieland wird Hochzeit gefeiert. Hoch
zu Ross ist man im Jura unterwegs und am Heinzenberg
wächst ein bestimmtes Roggenfeld deutlich höher gen
Himmel als anderswo.

Kommen Sie mit auf eine hohe Entdeckungsreise durch
das Schweizer Berggebiet.

Viel Spass beim Lesen.

                  Willy Gehriger
                  Stiftungsratspräsident

2
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
Echo             Sommer 2020

       4
       Mitten in                                                    Projektstandorte

       der Steilwand
                                                                    ` 4` Mittellegihütte, Grindelwald BE
                                                                    ` 6` Reitwege, Le Noirmont JU
                                                                    ` 8` Agrotourismus, Röthenbach BE
       15 Meter von Felswand zu                                     10` Mundartweg, Isenthal UR
       Abgrund. Das ist der Bewegungs-                              12` Baumwipfelpfad, Mogelsberg SG
       radius von Kai Tschan. Die Hütten-                           13` Bio-Getreideanbau, Urmein GR
       wartin der Mittellegihütte lebt                              16` Verarbeitungsraum und Hofladen,
       im Sommer 3355 Meter hoch                                    ` Obergesteln VS
       am Eigergrat.

                                                 12

6

                                            10
                    8
                                                      13
                           4

                                    16

    10
    Mit dem «Gifi»
    in die «Wildi»
                                                  12
    Hochdeutsch interessiert
                                                      Hoch oben in den
    niemanden auf dem Mundart-                        Baumwipfeln
    weg im Isenthal. Hier dreht
    sich alles ums «Ürnerditsch».                     Ein Pfad in den Baumkronen bringt der
                                                      Toggenburger Gemeinde Mogelsberg
                                                      neuen Schwung.

                                                                                                           3
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
AUSBAU DER MITTELLEGIHÜTTE AM EIGERGRAT

Leben am Eiger
Aufgezeichnet von Max Hugelshofer

3355 Meter über Meer. Damit ist die Mittellegihütte
das höchstgelegene Berghilfe-Projekt. Bergsteiger
freuen sich, dass sie nun nicht mehr in drei Schichten
essen müssen. Und Hüttenwartin Kai Tschan
hat mehr Platz zum Kochen und ein bisschen mehr
Privatsphäre.

        GRINDELWALD | BE «Mindestens               Hier Hüttenwartin zu sein, ist ein un-
        einmal pro Tag denke ich: Wow, es ist      gewöhnlicher Job. Manchmal ist es
        schon unglaublich schön hier oben.         so streng, dass ich an meine körperli-
        Der Ausblick aufs Eismeer verleidet        chen Grenzen komme, dann wieder
        mir nie, und die Sonnenuntergänge          sehr ruhig und einsam. Alles hängt
        sind eine Klasse für sich. Inzwischen      vom Wetter ab. Wenn schön angesagt
        arbeite ich hier den dritten Sommer        ist und alle 40 Plätze belegt sind,
        über als Hüttenwartin. Eigentlich bin      stehe ich morgens vor vier Uhr auf,
        ich ja Juristin, aber ich wollte eine      mache Frühstück und kümmere mich
        Pause von meinem Beruf. Ich hatte mir      um die Gäste, die ja auch alle früh los
        vorgestellt, ein paar Monate in einer      wollen, um zeitig auf dem Eiger zu
                                                                                             Ausgesetzt auf dem
        Alpbeiz auszuhelfen. Da erzählte mir       sein. Am Vormittag muss ich die Mas-      imposanten Eigergrat
        ein Kletterkollege von der freien Stelle   senlager in Ordnung bringen, putzen       wirkt die Mittellegi-
                                                                                             hütte noch kleiner als
        hier oben – der Rest ist Geschichte.       und schon den Znacht vorbereiten.
                                                                                             sie ist.
                                                   Kuchen backen wäre auch nicht
                                                   schlecht. Gegen Mittag tauchen dann
                                                   meist schon wieder die ersten Berg-
                                                   steiger auf. Vor 23 Uhr komme ich
                                                   selten ins Bett. Nach langen Schön-
                                                   wetterperioden kommt einem da ein
                                                   Tiefdruckgebiet wie gerufen. Bei
                                                   schlechtem Wetter kommt kein
                                                   Mensch, und ich kann wieder etwas
                                                   Schlaf nachholen. Sonst gibt es ja
                                                   nicht viel zu tun. Spazierengehen kann
                                                   ich nicht. Links und rechts geht es
                                                   steil mehrere hundert Meter die Fels-
                                                   wand runter, hinter der Hütte steil
                                                   zum Eiger hoch. Nur vor der Hütte
                                                   kann ich fünfzehn Meter bis auf den
                                                   Helilandeplatz gehen, ohne klettern
                                                   zu müssen.

                                                   Viel Bewegungsfreiheit hat
                                                   Kai Tschan nicht. 15 Meter
                                                   zwischen Hütte, Biwakröhre
                                                   und Helilandeplatz.

4
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
Echo  Sommer 2020
                                                                                    SCHWERPUNKT

Selten lange alleine                      eine Hütte. 1986 kam eine Biwak-
Klar, bei schlechtem Wetter ist es ein-   Röhre hinzu, 2001 ein Neubau mit
sam, und manchmal ist es auch gfür-       mehr Schlafplätzen. Der Aufenthalts-
chig, wenn der Wind um die Hütte          raum blieb jedoch gleich klein. Auf
pfeift oder wenn während eines Ge-        drei Betten kam ein Sitzplatz. Das

                                                                                    «Wenn der
witters bei Blitzeinschlägen der ganze    bedeutete bei voll belegter Hütte,
Berg zittert. Aber allzu lange dauert     dass in drei Schichten gegessen wer-
die Einsamkeit normalerweise nicht.
Denn wenn eine länger andauernde
                                          den musste. Wer nicht ass, konnte
                                          nichts anderes tun, als auf seinem        Blitz einschlägt,
Schlechtwetterphase angesagt ist,
dann schliesse ich die Hütte ab und
                                          Bett zu liegen. Heute, nach dem Aus-
                                          bau, ist die Zahl der Schlafplätze        zittert der
gehe ins Tal. Also gehen ist eigentlich
das falsche Wort. Es gibt kaum Seil-
                                          gleich geblieben, aber wir haben mehr
                                          Platz. Jetzt ist es für die Gäste schon
                                                                                    ganze Berg»
schaften, die von hier aus talwärts un-   fast komfortabel. Auch für mich hat
terwegs sind, und alleine wäre der        sich viel verbessert. Jetzt habe ich im
Weg viel zu gefährlich. Darum fliege      ersten Stock ein eigenes, richtiges
ich. Weil sowieso regelmässig Vorräte     Zimmer. Vorher war meine Kammer
und Brennholz rauf- und Abfall runter-    gerade mal ein paar Zentimeter grös-
geflogen werden müssen, braucht           ser als das Bett und von der Stube nur
es dafür keine extra Helikopterflüge.     durch eine dünne Holzwand getrennt.
                                          Was sich nicht geändert hat: Bei
Die Mittellegihütte gehört dem            akutem Hüttenkoller genügt ein Blick
Bergführerverein Grindelwald. Seit        aus dem Fenster auf das unglaubliche
1924 existiert an dieser Stelle           Panorama, und alles ist wieder gut.

                                                                                                      5
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
BAU EINES NETZES VON REITWEGEN

Hoch zu Ross
von Isabel Plana

Der Jura ist erst richtig Jura, wenn man
ihn vom Pferderücken aus erlebt.

6
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
Echo          Sommer 2020

Der Jura wird nicht umsonst als Wilder Westen
der Schweiz bezeichnet. Unberührte Natur,
Canyons, weite Ebenen – und Pferde, wohin
man schaut. Auf einem zusammenhängenden,
rund 1000 Kilometer langen Reitwegnetz
kann man bald schon den ganzen Jurabogen
hoch zu Ross erkunden.

      LE NOIRMONT | JU Schnaubend und schwitzend              und Reit-Fans sozusagen eine Trend-Destination.
      stampfen sie mit fleissigen Schritten den Berg          Das Potential dazu haben auch die anderen,
      hoch. Man merkt den stämmigen Freiberger-               weniger bekannten Regionen des Jurabogens, in
      Pferden an, dass sie einst für schwere Arbeiten         denen Sahy Wille in den vergangenen Jahren
      gezüchtet wurden. Nach 10 Kilometern und 500            als Reitführerin unterwegs war. «Meine Aufgabe
      Höhenmetern auf dem Col de Montvoie ange-               ist es, Wege auszumachen, die für die Pferde
      kommen, werden die Rösser mit frischem Gras             geeignet und für die Reiter attraktiv sind, und
      belohnt, und wir Reiter mit einer tollen Aussicht.      die sich zu kurzen und längeren Touren mit Ein-
      Im Norden die weitläufigen Landschaften                 kehrmöglichkeiten verbinden lassen.» Eine ziem-
      der Ajoie, die wir hinter uns gelassen haben, im        lich komplexe Angelegenheit. Ihre langjährige
      Süden das wilde Tal des Doubs. In diesen beiden         Erfahrung kommt ihr dabei zugute. Vor allem
      Regionen befinden sich zwei von insgesamt               auch, wenn es um die menschliche Komponente
      9 Reitwegnetzen, die in den vergangenen fünf            geht. «Das Einverständnis von Gemeinden,
      Jahren im Rahmen des Projekts «Marguerite»              Bauern und anderen Landbesitzern einzuholen,
      entstanden sind. Ziel des Projekts, das mehrere         braucht Fingerspitzengefühl, manchmal Über-
      touristische Organisationen der Kantone Jura            zeugungsarbeit und meistens viel Geduld.»
      und Bern gemeinsam lanciert haben, ist es,              Am Ende haben aber alle etwas davon. In der
      den Agrotourismus in der Jura-Region zu stär-           Region Franches-Montagnes bringen die Reit-
      ken. Bis 2021 werden rund 1000 Kilometer                taxe und die Erlöse aus Übernachtungen
      Reitwege geschaffen – 700 Kilometer existieren          von Reittouristen jährlich um die 49 000 Franken.
      bereits –, welche diverse agrotouristische Unter-
      künften verbinden, in denen die Reittouristen           Für uns wird es Zeit, uns zurück in den Sattel zu
      auf ihren Touren einkehren können.                      schwingen. Wir haben nochmal gut 10 Kilometer
                                                              vor uns bis nach Ocourt am Ufer des Doubs.
      «Zielgruppe sind einerseits Reiter, die mit ihren       Ein letzter Blick auf die Reit-Tourenkarte und
      eigenen Pferden anreisen und die Region auf             weiter geht’s. Der Wilde Westen ruft.
      eigene Faust erkunden. Und andererseits Gäste,
      die Bauernhofferien und geführte Ausritte oder
      auch Kutschenfahrten machen wollen», erzählt
      Geneviève Sahy Wille, die im Projekt «Margue-
      rite» mit der Entwicklung des Reitwegnetzes
      beauftragt wurde. Sie ist eine Pionierin in Sachen
      Reittourismus. Als Gründerin und Präsidentin
      des Vereins AREF (Association pour un Résau
      Equestre aux Franches Montagnes et environs)
      hat sie bereits vor über 20 Jahren den Bau
      eines Reitwegnetzes in den Franches-Montag-
      nes angestossen und vorangetrieben. Heute
      sind die Freiberge unter Pferdefreunden

                                    Geneviève Sahy Wille
                                    ist Pionierin in Sachen
                                    Reittourismus.

                                                                                                            7
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
INFRASTRUKTUR FÜR AGROTOURISMUS

Voller Einsatz für
emotionale Höhenflüge
von Max Hugelshofer

Hochzeit. Der schönste Tag des Lebens. Ein perfekt
organisiertes Fest in schöner Umgebung wird für viele
Paare immer wichtiger. Familie Wieland im Emmental
hat sich auf diesen Trend eingestellt und bewirtet
auf ihrem Hof Hochzeitsgesellschaften.

        RÖTHENBACH | BE Weisse Kirchen-         Das heutige Fest ist auch für Wielands
        bänke auf der grünen Wiese, wunder-     eine Premiere. Hochzeiten hatten sie
        bare Aussicht ins Mittelland und auf    zwar schon viele, aber für eine Trau-
        den Jura, üppiger Blumenschmuck,        ung ganz unter freiem Himmel war das
        150 Gäste im Sonntagsstaat. Vorne       Wetter bisher nie stabil genug, und
        steht neben dem Pfarrer etwas nervös    zumindest ein Teil des Festes fand im-
        der Bräutigam. Es ist zu bezweifeln,    mer auf der grossen Heubühne statt.
        dass er im Moment viel mitbekommt       «Es war eine riesige Arbeit, all die
        von der traumhaften Umgebung            Bänke, Kissen, Blumenkübel und das
        und der liebevollen Dekoration.         ganze Dekomaterial auf die Wiese hin-
        Er wartet nur darauf, dass die Braut    auszuschleppen, aber es hat sich ge-
        auftaucht. Da, endlich kommt sie,       lohnt», sagt Salome. «Es sieht wirklich
        ganz in Weiss. Die Musik setzt ein,     super aus.» Sie dekoriert jede Hoch-
        und sie schreitet am Arm ihres Vaters   zeit, jedes Familienfest wieder anders.
        langsam durch die Bänke. Wie in         «Es wäre zwar viel einfacher, wenn wir
        einem Hollywoodfilm.                    immer alles gleich machen würden,
                                                aber mir wäre das bald zu langweilig.»
        Für das Brautpaar beginnt jetzt der     Salome hat über die Jahre eine ein-
        Höhepunkt seiner Hochzeitsfeier.        drückliche Sammlung an Dekorations-
        Für Salome und Thom Wieland sowie       material zusammengetragen, und sie
        die vielen Helfer gibt es nochmals      ist ständig auf der Suche nach neuen      Für die Gäste gibt
        eine kurze Verschnaufpause, bevor       Ideen. «Abends vor dem Einschlafen        es frischen Apfelsaft.
                                                                                          Salome Wieland
        nach der Trauung dann der Endspurt                                                legt auch hier selbst
        beginnt. Schon seit einer Woche                                                   Hand an.
        laufen auf dem Bauernhof oberhalb
        von Röthenbach im Emmental die
        Vorbereitungen für den grossen Tag:
        Bänke und Tische umstellen, Getränke
        in den Kühlwagen räumen, Blumen
        pflücken, Brot backen, Fleischplatten
        legen, Käse schneiden. Und immer
        wieder putzen, aufräumen, dekorieren.

8
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
Echo  Sommer 2020
                                                                                   SCHWERPUNKT

                                                                                      Bevor der grosse Moment
                                                                                      kommt, steht für Familie Wieland
                                                                                      viel Arbeit an.

scrolle ich auf dem Handy immer noch      Bed & Breakfast und einen Hofladen,
kurz durchs Internet und lasse mich       in dem Wielands Selbstgemachtes
inspirieren.»                             von Trockenwürsten über Tees und
                                          Honig bis hin zu Urdinkelpasta verkau-
Das Dekorieren und Einrichten liegt       fen. Als drittes Standbein bieten
Salome im Blut. Das merkt man nicht       sie drei Plätze für betreutes Wohnen

                                                                                   «Privatsphäre
nur, wenn eine Hochzeit ansteht.          an sowie acht Plätze für externe
Der ganze Hof strotzt nur so vor origi-   Tagesstruktur. Drei Männer mit leich-
nellen Schildern und effektiv in Szene
gesetzten alten Fensterläden, Holz-
                                          ter Beeinträchtigung leben seit Jahren
                                          mit Wielands zusammen und helfen         haben wir fast
türen und Landwirtschaftsgeräten.
Alles ist immer tipptopp sauber, und
                                          nach ihren Möglichkeiten mit. «Privat-
                                          sphäre haben wir fast keine», sagt       keine.»
was herumsteht, tut dies aus gutem        Thom. Das sei ihnen aber von Anfang
Grund. Das macht den Alltag auf dem       an klar gewesen und sie hätten sich
Milchwirtschaftsbetrieb etwas auf-        daran gewöhnt. Genauso wie daran, in
wendiger, aber Salome und Thom sind       hektischen Situationen ruhig, ent-
sich einig: «So fühlen sich die Gäste     spannt und vor allem offen und herz-
wohl hier.» Salome, Thom und ihre         lich zu bleiben. Schliesslich ist das
kleine Tochter Lilou sind nie alleine.    für die gute Stimmung an einer Hoch-
Nebst den Veranstaltungen beinhaltet      zeit mindestens so wichtig wie eine
das agrotouristische Angebot ein          liebevolle Dekoration.

                                                                                                                     9
HOCH - ECHONR. 108 | SOMMER 2020 - SCHWEIZER BERGHILFE
ERSTELLUNG EINES MUNDARTWEGS

Hochdeutsch
interessiert hier
niemanden
von Max Hugelshofer

Nicht Hochdeutsch, sondern «Ürnerditsch»
steht im Zentrum dieses Themenwegs im Isental.
Doch genauso spannend wie die Informationen
zum urchigen Dialekt ist das eindrückliche Natur-
erlebnis auf dem Urner Mundartweg.

        ISENTHAL | UR Josef Schuler klettert      auf dem Handy wird einem auch deren
        aus dem «Gifi», schaut sich um und        Bedeutung erklärt. Dazu gibt es pas-
        macht ein Foto vom «Gnessi» im            sende Filmchen und Tonaufnahmen.
        «Schattähalb» auf der anderen Tal-
        seite. Zum «grüäwä» ist jetzt aber kei-   Konzipiert und auf die Beine gestellt
        ne Zeit, Josef schultert seinen Ruck-     hat den Weg eben dieser Josef Schu-
        sack und verschwindet den steilen         ler, der gerade aus dem abenteuer-
        Weg hinauf in die «Wildi». Alles klar?    lichen Seilbähnchen der beiden Fami-
        Nein? Dann wird es Zeit, sich auf dem     lien Bissig geklettert ist. Er war vor
        Urner Mundartweg etwas weiterzubil-       seiner Pensionierung Chef des kanto-
        den. Dort sind nicht nur auf dreizehn     nalen Amtes für Kultur und Sport,
        Steinen urchige Urner Wortpaare           davor aber vor allem zwei Jahrzehnte
                                                                                            Josef Schuler ist den
        eingraviert. In einem dazugehörigen       lang Dorflehrer in Isenthal. Das Tal      Urner Mundartweg
        Büchlein oder per QR-Code gescannt        liegt ihm sehr am Herzen. Deshalb en-     schon dutzende Male
                                                                                            gegangen. Die ein-
                                                  gagiert er sich im Gemeinderat und
                                                                                            drückliche Aussicht
                                                  reisst diverse Projekte an, die Touris-   geniesst er immer
                                                  ten ins abgelegene Tal bringen.           noch.
                                                  «Die 480 Einwohner alleine reichen
                                                  nicht, um die Infrastruktur auszulas-
                                                  ten», sagt er. «Postauto, Dorfladen,
                                                  die beiden Restaurants – alles braucht
                                                  zusätzliche Einnahmen von Besu-
                                                  chern.» Der Urner Mundartweg zeigt
                                                  fünf Jahre nach seiner Eröffnung
                                                  bereits Wirkung. Die Bauernfamilien
                                                  Bissig und Eberli können heute viel
                                                  mehr Gäste mit ihren privaten Seil-
                                                  bahnen befördern als zuvor und so
                                                  einen wichtigen Betrag an die hohen
                                                  Unterhaltskosten der Bahnen er-
                                                  wirtschaften.

                                                  Auf dreizehn Steine am
                                                  Wegrand sind urchige Urner
                                                  Wortpaare eingraviert.

10
Echo  Sommer 2020
                                                                     SCHWERPUNKT

Nur schon um die Bergbauern zu un-
terstützen, lohnt es sich also, den
Auf- und Abstieg nicht zu Fuss, son-
dern mit der Seilbahn zu machen. Aber
auch, weil die kleinen, offenen Kabi-
nen einen nicht zu unterschätzenden
Unterhaltungswert bieten. Wer schon
mal mit Kindern wandern war, weiss,
was gemeint ist. Zwischen den beiden
Seilbahnen Furggelen und Obere
Bärchi ist das Wandern dann dafür so
schön und abwechslungsreich, dass
garantiert keine Langeweile auf-
kommt. Der Weg schlängelt sich durch
waldige Stücke, durch Felsen und über
einen eindrücklichen Grat mit Aussicht
auf beide Seiten. Der Weg ist nicht
                                         Besonders für Kinder ein
schwierig, aber trittsicher sollte man   Höhepunkt der Wanderung:
sein. Sonst «ghiit» man noch.            Die Fahrt mit dem «Gifi».

                                                                                      11
Auf bis zu 16 Metern über dem
                                                                                   Boden schlängelt sich der Baum-
                                                                                   wipfelpfad durch den Wald.

BAU EINES BAUMWIPFELPFADS

Mitten in den
Baumkronen
                                                                                               An mehreren Posten können
                                                                                               die Besucher spielerisch mehr
                                                                                               über den Wald lernen.

Hoch über dem Waldboden, da schlängelt sich im Neckertal der
erste Baumwipfelpfad der Schweiz zwischen dem Blätterdach
hindurch. Er verursacht nicht nur bei den Besuchern Hochgefühle,
sondern sorgt auch im Dorf Mogelsberg für neues Leben.

MOGELSBERG | SG Ein Parkhaus mit        Massnahmen haben seither geholfen,         len Spielplatz auf dem Waldboden
Teppichboden – das gibt es in Mo-       die Besucherströme besser zu leiten.       unterhalb des Stegs und den schönen
gelsberg im Toggenburg tatsächlich.                                                Grillstellen und Picknickplätzen. Ver-
Es ist das Symbol für den ungeheuren    Der grösste Ansturm ist aber gemäss        schiedene Posten mit Wissenswertem
Erfolg des Baumwipfelpfads Necker-      Geschäftsführerin Melanie Anon in-         zum Wald und seinen tierischen Be-
tal. Dessen Initianten sind nach der    zwischen sowieso vorbei. «Am Anfang        wohnern sorgen zudem dafür, dass es
Eröffnung dermassen von Besuchern       war der Baumwipfelpfad etwas Neues,        auch denen nicht langweilig wird, die
überrannt worden, dass ihr sorgfältig   und alle mussten mal hin. Jetzt pen-       den rund 500 Meter langen Baumwip-
erarbeitetes Verkehrskonzept nach       deln sich die Besucherzahlen langsam       felpfad bereits abmarschiert haben.
dem ersten Wochenende Makulatur         auf einem normalen Niveau ein.» Keine
war. Es mussten dringend mehr Park-     schlechte Sache für die Besucher.          Für das Dorf Mogelsberg ist der Erfolg
plätze her – da bot sich die Tennis-    «Die Idee ist ja, hier im Wald die Natur   des Baumwipfelpfads ein Glücksfall.
halle des leerstehenden Resorthotels    zu spüren und zur Ruhe zu kommen.»         Die beiden Restaurants konnten ihre
geradezu an.                            Deshalb ist Melanie nicht unglücklich      Umsätze massiv steigern, und auch
                                        über den nachlassenden Andrang. Zu-        der Dorfladen sowie die Bäckereien
Auch sonst kam die brandneue Infra-     mal die Besucherzahlen immer noch          und Metzgereien der Region profitie-
struktur bereits in den ersten Tagen    dreimal so hoch sind, wie ursprünglich     ren. «Es ist genau das eingetreten,
an ihre Grenzen. «Einmal konnte man     erhofft. Es sind vor allem Schulklassen    was wir erreichen wollten», sagt Bruno
vom Kassenhäuschen aus das Ende         und Familien, die immer wieder kom-        Vogt: «Das Dorf aus seinem Dorn-
der Schlange nicht mehr sehen», erin-   men. Das liegt nicht nur am Baumwip-       röschenschlaf aufzuwecken.» (max)
nert sich Mitinitiant Bruno Vogt. Di-   felpfad selbst, sondern auch an der
verse bauliche und organisatorische     guten Anbindung an den ÖV, dem tol-

12
Echo             Sommer 2020

AM HEINZENBERG WÄCHST DER ROGGEN AM HÖCHSTEN

Das Korn im Höhenflug
Lange fristete er ein Schattendasein. Doch seit einigen Jahren
erlebt der Getreideanbau im Berggebiet eine Renaissance.
Auch bei Christian und Anna Bühler im Bündnerischen Urmein
schiessen Dinkel, Roggen und Co. in die Höhe.

            URMEIN | GR Das Roggenfeld hat Christian              haben sie sich gefragt.» Dass es wunderbar
            Bühler verschluckt. Nur die wackelnden Halme          geht, haben Bühlers mittlerweile bewiesen.
            verraten, wo in dieser bis zu zwei Meter hohen
            Bastion goldgelber Ähren er gerade steckt. «Eine      Für ihr Bio-Getreide erhalten Bühlers einen
            alte Roggensorte», sagt er, schnappt sich eine        guten Preis. Und aus dem Mehl und den Getrei-
            Ähre, die ihm vor der Nase herumtanzt und in-         deflocken macht Anna in der hofeigenen Back-
            spiziert sie. «Früher war diese Sorte beliebt, weil   stube Müesli-Mischungen und Backwaren.
            sie dank der langen Halme viel Stroh lieferte.        «Wir vermarkten sehr vieles direkt ab Hof. Das
            Doch heute, wo der hohe Kornertrag im Fokus           Fleisch unseres Braunviehs ebenso wie die
            steht, sind die langen Halme ein Nachteil, denn       Backwaren», sagt sie, und zieht ein Blech himm-
            sie knicken schneller, wenn es stürmt, und kön-       lisch duftender Linzertorten aus dem Ofen.
            nen dann mit der Maschine nicht mehr recht ge-        Abnehmer sind Dorfläden und Privatpersonen.
            drescht werden.» Weil die Qualität des Korns          Der Hofladen und das Selbstbedienungs-Hüttli
            und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krank-         an der Strasse laufen so gut, das Anna zwei
            heiten und Schädlingen aber besser ist als bei        Tage pro Woche in der Backstube steht. «Das
            modernem Roggen, eignet sich die alte Sorte be-       ist genau mein Ding. Ich habe immer schon
            sonders gut für den Bio-Anbau. Darum wird sie         davon geträumt, Selbstversorger zu sein.» Des-
            bei Christian Bühler zu neuem Leben erweckt.          halb hat sie auch angefangen, selber Müesli-
                                                                  Mischungen zu machen. «Mich hat es gefuchst,
            Christian ist ein Idealist und Visionär. Für man-     dass wir vor dem Haus Getreide anbauen,
            che auch ein Spinner. «Als meine Frau Anna und        aber in den Laden gehen müssen, um Müesli
            ich den Hof Anfang der 90er von meinen Eltern         zu kaufen.» So steht heute auf Bühlers Früh-
            übernahmen und auf Bio umstellten, waren viele        stückstisch neben dem selbstgebackenen Brot
            skeptisch», erinnert er sich. «Bio-Getreide an-       auch die selbstgemachte Flockenmischung.
            bauen? Wie soll das gehen, wenn man das Un-           Vielleicht gibt es ja schon bald eine mit den
            kraut nicht mit Herbiziden bekämpfen darf,            Körnern vom höchsten Roggen. (ipl)

Dieser Roggen wächst
Christian Bühler schon bald
über den Kopf.

                                                                                             Annas Linzertorten finden
                                                                                             reissenden Absatz.

                                                                                                                         13
Die
       Gleichung
       von Ross,
       Reiter und
        Rindvieh
Bauen Sie ein Tor, das a) ein Reiter
vom Pferderücken aus einfach öffnen
kann, b) von alleine wieder zugeht
und c) die Pferde nicht erschreckt. So
oder ähnlich lautete die öffentliche
Ausschreibung, die der Verein AREF,
welcher das Reitwegnetz in den
Franches-Montagnes betreibt, vor
rund 20 Jahren lancierte. «Es gab im-
mer wieder Probleme mit Tieren, die
von den Weiden ausbüxten, weil Reiter
die Tore hinter sich nicht richtig zu-                             Immer schön
gemacht hatten», erzählt Geneviève
Sahy Wille, Präsidentin des AREF.                                 gerade bleiben
Sehr zum Unmut der Bauern. Ingeni-
eure und Tüftler der Region nahmen
sich des Problems an, für das es auf     Die Roggenfelder von Familie Bühler             ten Siebe nicht richtig funktionieren.
dem Markt bisher keine befriedigende     in Urmein sind alles andere als flach.          Bei einem speziellen Hangmähdre-
Lösung gab. Am Ende war es der           Wenn er einen normalen Mähdrescher              scher, wie ihn die Maschinengenos-
Schlosser Pascal Maître aus Glovelier,   nutzen würde, müsste Christian einen            senschaft Heinzenberg besitzt, blei-
der mit seiner Erfindung das Rennen      Ernteverlust von bis zu 40 Prozent hin-         ben Ladefläche und Führerkabine
machte – und die Gleichung von           nehmen. Dies, weil bei einem schräg             immer waagrecht und neigen sich
Ross, Reiter und Rindvieh gelöst hat.    stehenden Mähdrescher die integrier-            nicht mit.

                                                Dörrbohnen in lauem Wasser ein
                                                bis zwei Stunden einweichen.
          Dörrbohnen-Tapenade                   Einweichwasser abgiessen und
                                                die Dörrbohnen gründlich abspülen.
                                                In frischem, gesalzenem Wasser
                                                ca. 60 Minuten kochen, bis sie richtig
                                                weich sind.
ZUTATEN                                         Kochwasser abgiessen und Dörrbohnen
                                                in eine Schüssel geben. Den geschälten
100 g Dörrbohnen                                Knoblauch fein hacken und zusammen
2 Knoblauchzehen                                mit dem Olivenöl und dem Zitronensaft
2–3 EL Olivenöl                                 zu den Dörrbohnen geben. Alles mit
                                                dem Stabmixer fein pürieren.
1 Zitrone, Saft
Frische Kräuter,                                Nach Belieben mit Salz und frischen
z.B. Thymian                                    Kräutern – gut dazu passt zum Beispiel
                                                Thymian – abschmecken und mit
Salz zum Abschmecken                            knusprigem Baguette auftischen.
                                                Tipp: Die Dörrbohnen-Tapenade lässt
                                                sich auch wunderbar anstelle von Pesto
                                                unter die Pasta mischen.
                                                Rezept und Bild: Isabel Plana

14
Echo              Sommer 2020

                                                                                        Die
                                                                                        Projekte
                                                                                        Auf berghilfe.ch gibt es
                                                                                        von allen in dieser Ausgabe

                                                  4000
                                                                                        vorgestellten Projekten
                                                                                        weitere Bilder.

     Hochgefühle
    auf der Brücke
                                           Kilo kann der russische Transportheli-       Mittellegihütte
                                           kopter Mil Mi-12 tragen. Das ist Rekord.     Der Ausbau der Mittellegihütte
                                           Ein durchschnittlicher in der Schweiz        war in jeglicher Hinsicht ein Kraft-
                                           eingesetzter Heli kommt auf rund eine        akt. Zumindest bei den Finanzen
                                                                                        konnte die Berghilfe mit ihrer
Kennen Sie die berühmte Steinbrücke        Tonne. Je höher man fliegen will, desto      Unterstützung zur Entspannung
über die Verzasca in Lavertezzo?           tiefer wird die Nutzlast. Die Mittellegi-    der Lage beitragen.
Genau, die mit den beiden schön ge-        hütte am Eigergrat liegt auf 3355 Meter
                                                                                        mittellegi.ch
schwungenen Bögen. Die hat mir als         über Meer. Da braucht es beim Bauen
Kind nicht nur zu Ruhm und Ehre            viele Flüge. Auch sonst ist Bauen hier ein
verholfen, sondern auch zu unglaub-        organisatorischer Albtraum. Bei einem        Reitwege
lichen Hochgefühlen.                       Schlechtwettereinbruch kann es auch im       Die Berghilfe hat einen finanziel-
                                           Sommer schneien, und die Arbeiter            len Beitrag zur Befestigung und
                                                                                        Beschilderung der Reitwege sowie
Unsere Familienferien verbrachten          müssen auf der Baustelle untergebracht       zur Errichtung von Toren geleistet.
wir meistens in Mergoscia im Verzas-       werden. Möglich war der Umbau nur mit
catal. Ein Fixpunkt waren jeweils          viel Freiwilligenarbeit und Unterstützung    aref.ch
die Badeausflüge nach Lavertezzo.          lokaler Handwerker, die zum Selbstkos-
Die grosse Attraktion war da das           tenpreis arbeiteten.                         Erlebnisbauernhof
Springen von den Felsen ins eiskalte                                                    Bei der baulichen Anpassung
Wasser. Die ultimative Mutprobe, das                                                    ihres Hofs konnte Familie Wieland
war aber die Brücke. 14 Meter hoch                                                      auf die Berghilfe zählen. Die gros-
                                                                                        se Terrasse, auf der viele Veran-
und nur von den Allerbesten zu                                                          staltungen stattfinden, würde an-
bezwingen.                                                                              sonsten nicht existieren.

                                                                                        wielandleben.ch
Ich war erst acht oder neun Jahre alt,
als ich mir in den Kopf setzte, diese
Mutprobe zu bestehen. Wie lange ich                                                     Mundartweg
oben stand, wie oft ich unverrichteter                                                  Die Initianten des Urner Mundart-
Dinge wieder nach unten kletterte,                                                      wegs waren auf externe Geldge-
                                                                                        ber wie die Berghilfe angewiesen,
das weiss ich heute nicht mehr. Aber                                                    um den Weg auszubauen, Be-
ich weiss noch haargenau, wie un-                                                       schriftungen anzubringen und
glaublich das Gefühl nach dem Sprung                                                    Informationsmaterial zu erstellen.

war, als sich keiner der gleichaltrigen        Bündner Nüsse
Buben getraute, es mir nachzuma-           für Bündner Nusstorte                        Baumwipfelpfad
chen. An diesem Tag war ich die un-                                                     Die Berghilfe hat den Bau des
bestrittene Königin von Lavertezzo.                                                     Baumwipfelpfads finanziell unter-
                                           Woher kommen eigentlich die Walnüsse         stützt, um im strukturschwachen
                                                                                        Mogelsberg neue Gäste anzu-
Kürzlich bin ich wieder mal über diese     in der Bündner Nusstorte? Fast zu 100        ziehen.
Brücke gegangen. Als ich mich über         Prozent aus dem Ausland. Eine Gruppe
das tiefe Steingeländer beugte und         von Bauern und Bäckern will das ändern.      baumwipfelpfad.ch

auf die weit unten dahinfliessende         Dazu haben sie in verschiedenen Regio-
Verzasca sah, war mir klar: Heute          nen im grossen Stil Nussbäume gepflanzt      Höchster Roggen
würde ich für kein Geld auf der Welt       und in Malans ein Verarbeitungszentrum       Familie Bühler ist Mitglied bei
nochmals da runterspringen.                errichtet. Wir sind mit der Videokamera      der Maschinengenossenschaft
                                           vor Ort gewesen. Das Ergebnis findet sich    Heinzenberg. Diese wurde bei
                                                                                        der Anschaffung eines Hangmäh-
Regula Straub                              auf dem Youtube-Kanal der Schweizer          dreschers von der Berghilfe
Co-Geschäftsführerin Schweizer Berghilfe   Berghilfe.                                   unterstützt.

                                                                                                                       15
Vor 10 Jahren

EINRICHTUNG EINES VERARBEITUNGSRAUMS UND HOFLADENS

Vorwärts trotz
Rückschlägen
von Max Hugelshofer

Vor zehn Jahren half die Schweizer Berghilfe
Familie Hallenbarter beim Ausbau ihres Hofs und
der Ausrichtung auf die Direktvermarktung.
Diesen Weg gehen Florian und Tania konsequent
weiter – allerdings inzwischen jeder für sich.

OBERGESTELN | VS «Positiv denken –        behielt den Hof mit dem Fleischver-      litäten: Trockenfleisch, diverse Würste
bei allem, was man tut». So lautete der   arbeitungsraum, Tania nahm den Hof-      und Grillspezialitäten. Er produziert
Titel des Artikels über Familie Hallen-   laden mit. Heute ist dieser in einem     auch im Auftrag von weiteren Land-
barter in der «Berghilf-Ziitig» vom       Café integriert, und Tania bietet Pro-   wirten aus der Umgebung. Seine Pro-
Sommer 2010. Hinter dieser Aussage        dukte von vielen lokalen Produzenten     dukte verkauft er vorwiegend per
stehen Tania und Florian noch heute.      an. Florian ist aber immer noch einer    Direktvermarktung. Unter anderem
Auch wenn einiges ganz anders ge-         ihrer Lieferanten.                       auch per Selbstbedienungskühl-
kommen ist als geplant. Heute sind                                                 schrank direkt beim Hof. Dieser ist
Tania und Florian kein Paar mehr. Die     Auf seinem Hof mit den Galloway-         am anderen Ende der Welt zu einer
Scheidung ist schon ein paar Jahre        Kühen hat Florian die Fleischverarbei-   gewissen Berühmtheit gelangt.
her, und beide sind stolz darauf, wie     tung in den vergangenen Jahren           «Ein Bekannter hatte mal Freunde
pragmatisch sie über die Bühne ge-        konsequent ausgebaut. Zum damals         aus Südafrika zu Besuch», erzählt
gangen ist. «Wir hätten uns bekriegen     durch die Berghilfe mitfinanzierten      Florian. «Sie wollten grillieren, also
und dabei alles, was wir zusammen         Verarbeitungsraum sind weitere Kühl-,    sind sie gemeinsam kurz bei meinem
aufgebaut hatten, kaputt machen           Trocknungs- und Verarbeitungsräume       Kühlschrank vorbei. Die Südafrikaner
können», sagt Florian rückblickend.       hinzugekommen. Zusammen mit              konnten es kaum glauben, dass
«Vor allem der Kinder zuliebe rissen      einem Angestellten produziert Florian    so etwas hier funktioniert. Offenbar
wir uns aber zusammen.» Florian           dort verschiedenste Fleischspezia-       haben sie zurück zu Hause allen

16
Echo          Sommer 2020

                                         Danke!
In seinen neuen Produktions-
räumen direkt auf dem Hof macht
Florian Hallenbarter unterschied-
lichste Fleischspezialitäten.
Heute sind es Salametti.

                                         Täglich treffen bei der Schweizer Berghilfe
                                         Briefe ein, in denen Familien den Spenderinnen
                                         und Spendern für die wertvolle Unterstützung
                                         danken. Diesen Dank leiten wir gerne an
                                         Sie weiter.

                                                                                 Joghurt für unsere Kunden
                                                                                 Mit Verspätung, aber aus ganzem
                                                                                 Herzen, danken wir Ihnen für
                                                                                 die grosszügige Spende. Nur so
Die Fleischlieferanten wohnen                                                    konnten wir uns die Verpackungs-
direkt nebenan. Die kleinen
Galloway-Rinder werden nach                                                      maschine für unsere Joghurts
Bio-Richtlinien gehalten.                                                        anschaffen. Noch gibt es einige
                                                                                 Anpassungen zu machen und letzte
                                                                                 Probleme zu lösen. Aber schon
                                         «Gfröiti Sach» im Stall                 bald können wir die Kapazität der
                                         Von Herzen bedanken wir uns für         neuen Maschine richtig ausnützen
                                         die grosse Unterstützung beim Bau       und die Joghurts für unsere
                                         unseres Laufstalls für Mutterkühe.      stetig wachsende Kundschaft
                                         Ihr seid ein grosser Segen für uns.     effizienter abpacken.
                                         Dank eurem Betrag konnten wir das
                                         Projekt umsetzen und haben nun          Familie G., Kanton JU
                                         eine «gfröiti Sach» im Stall. Bereits
                                         haben wir sechs Kälber, die den
                                         Freilauf geniessen. Die Zeichnung
                                         von der Baustelle hat unsere fünf-
                                         jährige Jasmin gemacht.

                                         Familie M., Kanton BE

                                                                                 Ohne Berghilfe hätte es
von ihrer Schweiz-Reise erzählt.                                                 nicht gereicht
Aber nicht etwa von der schönen                                                  Noch liegt unsere Alp tief im
Bergwelt, sondern nur von meinem                                                 Schnee. In den Wintertagen konn-
Selbstbedienungskühlschrank.»                                                    ten wir nach dem arbeitsintensiven
                                                                                 Sommer und Herbst etwas zur Ruhe
Florian ist zufrieden, wie es läuft.                                             kommen. Doch mit den warmen
Grössere Investitionen stehen im         Neue Heizung ist in Betrieb             Temperaturen kommt auch die Vor-
Moment keine an. Erst muss sich der      Wir möchten uns für den Beitrag         freude und grosse Energie, um
Ausbau der Fleischverarbeitung amor-     der Berghilfe an unser Projekt ganz     bald wieder in die Höhe zu können.
tisieren. Trotzdem bleibt nicht alles    herzlich bedanken. Die neue Hei-        Noch wartet viel Arbeit, bis alles
beim Alten. Noah ist bereits im zwei-    zung ist bereits im Betrieb und hat     fertiggestellt ist und die Käserei
ten Lehrjahr als Landwirt und über-      uns gut über den Winter gebracht.       funktioniert. Für Ihre Unterstützung
legt sich, beim Vater einzusteigen.      Nochmals herzlichen Dank.               sind wir sehr dankbar. Ohne den
Florian: «Mit solchen Aussichten fällt                                           Beitrag der Berghilfe hätten wir die
es mir natürlich besonders leicht,       Familie K., Kanton GL                   Sanierung schlicht nicht realisieren
positiv zu denken.»                                                              können.

hofmetzger.ch                                                                    Familie R., Kanton BE

                                                                                                                 17
einer Aufbauphase und deshalb
                                                                                 wirtschaftlich besonders verletzlich.
ANPASSUNGEN DER UNTERSTÜTZUNGSPOLITIK                                            Es mag im ersten Moment unfair

Soforthilfe gegen
                                                                                 tönen, dass schon wieder die Glei-
                                                                                 chen unterstützt werden, aber sie
                                                                                 haben es aktuell nötig. Zudem wären

die Krise                                                                        auch die bereits ausbezahlten Unter-
                                                                                 stützungsgelder unserer Spenderin-
                                                                                 nen und Spender verloren, wenn ei-
                                                                                 nige dieser Betriebe nun infolge der
mit Kurt Zgraggen sprach Max Hugelshofer
                                                                                 Coronakrise Konkurs gehen würden.

                                                                                 Da reichen aber 4 Millionen
                                                                                 nicht weit…
                                                                                 Wir gehen nicht davon aus, dass
Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise                                      jeder dieser Betriebe in einer Notlage
werden noch lange andauern. Vor allem im                                         steckt und unsere Unterstützung
                                                                                 benötigt. Das wird auch in jedem ein-
Berggebiet. Um Konkurse zu verhindern und                                        zelnen Fall von unseren ehrenamt-
Arbeitsplätze zu erhalten, greift die Schweizer                                  lichen Expertinnen und Experten ge-
                                                                                 prüft, damit die Soforthilfe bedarfs-
Berghilfe auf ihre Reserven zurück. Kurt                                         gerecht ausfällt. Aber klar, ewig
Zgraggen, für die Projektunterstützung verant`                                   reichen die freigegebenen 4 Millio-
                                                                                 nen nicht aus. Vor allem, weil ange-
wortlicher Co-Geschäftsführer, über die                                          dacht ist, bei Bedarf den Kreis der
Arbeit mit Risikogruppen und den Vorteil                                         unterstützungsberechtigten Betriebe
gesunder Reserven.

Die Schweizer Berghilfe hat bei
Redaktionsschluss in einem ersten
Schritt 4 Millionen Franken
Soforthilfe für Kleinbetriebe in
Notlagen freigegeben. Warum?
Kurt Zgraggen: Den Klein- und
Kleinstbetrieben im Schweizer Berg-
gebiet geht es akut schlecht, und
trotz zinsloser Darlehen und Unter-
stützung des Bundes und der Kan-
tone sind viele von ihnen durch diese
Krise in ihrer Existenz bedroht. Ge-
rade kleine Tourismus- und Gewerbe-
betriebe befinden sich in einer sehr
schwierigen Situation. Da müssen
wir helfen.                                                                                           Kurt Zgraggen
                                                                                                      arbeitet wie alle
                                                                                                      Mitarbeitenden der
Wer kann auf Unterstützung                                                                            Berghilfe vom
hoffen?                                                                                               Homeoffice aus.
Grundsätzlich wollen wir natürlich
allen helfen. Im Gewerbe und Touris-
mus sind das über 50 000 Klein-         Warum profitieren zuerst die-            auszuweiten, sollten die vom Bund
und Kleinstbetriebe. Wir wollen aber    jenigen, die schon einmal Geld           und Kantonen beschlossenen um-
schrittweise vorgehen und werden        erhalten haben?                          fangreichen Unterstützungsmass-
uns vorerst um diejenigen Touris-       Diese Betriebe haben erst kürzlich       nahmen nicht reichen. Deshalb
mus- und Gewerbebetriebe küm-           ihre verfügbaren Mittel in eine Inves-   hat der Stiftungsrat bereits seine
mern, die vor der Coronakrise bereits   tition gesteckt und verfügen deshalb     Bereitschaft signalisiert, in weiteren
von der Schweizer Berghilfe unter-      im Moment kaum über Reserven.            Schritten zusätzliche Mittel frei-
stützt worden sind.                     Sie alle sind mit ihrem Geschäft in      zugeben.

18
Echo              Sommer 2020

                                                     So können
Woher nehmen Sie dieses Geld?
Ich bin unglaublich froh, dass unsere
Stiftung finanziell so gut dasteht.

                                                     Sie spenden
So sind wir im Stande, schnell zu helfen.
Über kurz oder lang werden unsere Re-
serven jedoch aufgebraucht sein. Darum
müssen wir auch zusätzliche Spenden
für diese Krise sammeln. Die Solidarität
der Schweizer Bevölkerung ist in diesen                           Allgemeine Spenden
Zeiten jedoch sehr gross. Ich bin des-                            Sie unterstützen die Schweizer Berghilfe mit einem Geld-
halb zuversichtlich, dass wir die be-                             betrag. Hier entscheidet die Schweizer Berghilfe, welches
nötigten Mittel zusammenbekommen.                                 Projekt mit Ihrer Spende unterstützt wird.

                                                                  Projektspenden
Sie geben Ihre Beträge in der Regel
                                                                  Sie spenden für ein konkretes Projekt. Eine Auswahl finden
à fonds perdu. Haben Sie auch daran                               Sie auf berghilfe.ch oder auf Wunsch steht eine Liste mit
gedacht, in der Coronakrise lediglich                             weiteren Projekten zur Verfügung. Projektspenden sind ab
zinslose Kredite zu sprechen?                                     einem Betrag von 1000 Franken möglich.
Nein. Kredite bekommen die Betriebe
dank den Bürgschaften des Bundes im                               Trauerspenden
Moment ja schnell und recht einfach.                              Bei einem Trauerfall kann auf Wunsch des Verstorbenen
Kurzfristig sind diese zinslosen Darlehen                         oder seiner Hinterbliebenen auf Kränze und Blumen ver-
auch sehr wertvoll, um die Wirtschaft                             zichtet und dafür der Schweizer Berghilfe gedacht werden.
am Laufen zu halten. Sie lösen aber                               Alles zum Vorgehen auf berghilfe.ch unter der Rubrik
                                                                  «Was Sie tun können», Trauerspenden.
nicht alle Probleme. Was oft fehlt, ist
zusätzliches Eigenkapital. Und das kön-
                                                                  Ereignisspende
nen wir schnell zur Verfügung stellen.                            Ob Geburtstagsfeier, Hochzeit oder Firmenanlass – wenn
                                                                  Sie keine Geschenke möchten, können Sie Ihre Gäste
Wie wird eigentlich die tägliche                                  stattdessen für eine Spende an die Schweizer Berghilfe
Arbeit der Schweizer Berghilfe von                                motivieren. Alles zum Vorgehen auf berghilfe.ch unter der
Corona tangiert?                                                  Rubrik «Was Sie tun können», Ereignisspenden.
Unsere Mitarbeitenden sind seit Mitte
März hauptsächlich im Homeoffice tätig.                           Erbschaften und Legate
Das funktioniert gut. Grössere Heraus-                            Sie möchten der Schweizer Berghilfe eine Erbschaft
forderungen gibt es bei der Prüfung der                           oder ein Legat vermachen? Markus Rohner berät Sie gerne,
                                                                  Telefon 044 712 60 58. Wertvolle Tipps erhalten Sie auch
Unterstützungsgesuche. Die meisten
                                                                  im Testament-Ratgeber «Dem Leben in den Bergen Zukunft
ehrenamtlichen Expertinnen und Exper-
                                                                  geben».
ten sind bereits pensioniert und gehören
somit zu einer Risikogruppe. Die für                              Zeitspenden
eine seriöse Beurteilung wichtigen Be-                            Es muss nicht immer Geld sein. Auch mit einem Arbeits-
suche vor Ort durch die Ehrenamtli-                               einsatz im Berggebiet können Sie die Bergbevölkerung
chen waren massiv eingeschränkt. Wir                              unterstützen. Alle Informationen finden Sie auf berghilfe.ch
mussten deshalb die Gesuchsprüfungs-                              unter der Rubrik «Was Sie tun können», freiwillige Arbeits-
prozesse vorübergehend anpassen,                                  einsätze.
damit in dringenden Fällen trotzdem
eine rasche Unterstützung gewährt                                 Zahlungsmöglichkeiten
                                                                  Postkonto 80-32443-2
werden konnte.
                                                                  IBAN CH44 0900 0000 8003 2443 2
                                                                  WIR-Konto 264641-38-0000
                                                                  Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Spende!

                                                                  Haben Sie Fragen zum Thema Spenden?
   Helfen Sie der Bergbevölkerung                                 Telefon 044 712 60 60, info@berghilfe.ch, berghilfe.ch
         in der Coronakrise
     Unterstützen Sie uns dabei, die negativen       Impressum
     Folgen der Coronakrise in den Schweizer
                                                     Herausgeber Schweizer Berghilfe, Soodstr. 55, 8134 Adliswil, Tel. 044 712 60 60,
    Bergen zu dämpfen. So können wir Arbeits-
                                                     berghilfe.ch Leitung Max Hugelshofer (max) Redaktion Isabel Plana (ipl) Layout
   plätze erhalten und dadurch für ein belebtes
                                                     Christoph Hänsli, Zürich Produktion, Korrektorat und Druck Druckerei Kyburz,
     Berggebiet sorgen. Wenn Sie Ihre Spende
                                                     Dielsdorf Fotografie Yannick Andrea Bildrechte Max Hugelshofer (S12, S16, S17,
    mit dem Stichwort «Corona» kennzeichnen,
                                                     S18) Isabel Plana (S6, S7, S13, S15), Baumwipfelpfad (S3, S12) Erscheinungs-
 fliesst der gesamte Betrag in die Soforthilfe für
                                                     weise Das «Echo» erscheint 4 x jährlich in deutscher und französischer Sprache
  Kleinst- und Kleinunternehmen in den Bergen.
                                                     Abonnement Bei Spenden ab 5 Franken inbegriffen Gesamtauflage
                                                     130 000 Exemplare

                                                                                                                               19
Nächste Ausgabe

         Alp

Stiftung Schweizer Berghilfe
Soodstrasse 55 | 8134 Adliswil
T 044 712 60 60
info@berghilfe.ch | berghilfe.ch
Spenden-Postkonto 80-32443-2
Sie können auch lesen