Hochwasser 2005 in der Schweiz - Synthesebericht zur Ereignisanalyse
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Reissende Flüsse, steigende Fluten, rutschende Hänge Keystone/Tischler Grosse Hochwasser kamen in der Vergangenheit vor, und sie werden auch in Zukunft auftreten. Um künftig besser gerüstet zu sein, sind Lehren aus solchen Ereignissen zu ziehen. Deshalb wurde das Hochwasser vom August 2005 umfassend untersucht. Die Ergebnisse der «Ereignis- analyse Hochwasser 2005» sind in einem zweibändigen Fachbericht dokumentiert (vgl. Seite 23). Der vorliegen- Keystone/Della Bella de Synthesebericht fasst die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen zusammen. Keystone/Della Valle Reissende Engelberger Aa unterhalb von Engel- berg OW (23. August 2005, Foto oben), steigende Fluten am Vierwaldstättersee (24. August 2005, mittleres Bild), rutschende Hänge in der Nähe von Entlebuch LU (23. August 2005, Foto unten).
Liebe Leserin, lieber Leser 3 Keystone/Risch Im August 2005 ergoss sich während Tagen sintflutartiger Regen auf weite Gebiete der Alpennordseite, stellenweise so viel wie noch nie, seit bei uns Niederschläge gemessen werden. Binnen Stunden stieg der Spiegel einiger Seen auf einen Höchststand an, Bäche und Flüsse wurden zu reis- senden Strömen, Hänge kamen ins Rutschen. Sechs Men- schen starben. Die materiellen Schäden beliefen sich auf rund drei Milliarden Franken. Vergleichbare und noch stärkere Ereignisse wird es auch in Zukunft geben. Um zu verhindern, dass sie ähnliche oder schlimmere Folgen haben, wollen und müssen wir den Hoch- wasserschutz konsequent weiter betreiben. Der Anfang dazu wurde schon vor geraumer Zeit gemacht, nämlich nach den schweren Unwettern des Jahres 1987. Schutzbauten al- lein genügen jedoch nicht. Jedes Bauwerk, das hat sich auch 2005 bestätigt, kann irgendwann überlastet werden. Deshalb ist ein integrales Risikomanagement erforderlich. Ausnahmezustand auf allen Die Basis dafür ist umfassendes Wissen über die möglichen Stufen: Wehrdienste im Einsatz in Gefahren, also beispielsweise Gefahrenkarten, aber auch Weesen SG (oben); Bundesräte Prognosen über Niederschlag und Abfluss. Samuel Schmid in Sarnen OW (rechts) und Moritz Leuenberger in Der Schutz vor Naturgefahren ist eine politische Aufgabe Ennetbürgen NW (rechts unten). und eine Herausforderung für alle, die auf behördlicher oder technischer Ebene damit befasst sind. Daneben sind aber auch alle Bürgerinnen und Bürger gefordert. Mit Ei- genverantwortung kann sich jede und jeder zu einem gu- ten Teil vor Naturschäden schützen, wie diese Broschüre auch zeigt. Moritz Leuenberger Vorsteher des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK Keystone/Della Valle, Flüeler Reuters/Meier In Ennetbürgen NW wurden Strassen zu Kanälen, und im Vier- waldstättersee dümpelte viel Schwemmholz (Titelbild und rechts, Aufnahme vom 23. August 2005).
Ursachen 2005 4 Grau die Wolken, nass das Land Schwierige Prognose Schon zu Beginn der dritten Augustwoche regnete es vor Die Witterungslage, die sich im August 2005 einstellte, allem in der Nordschweiz gebietsweise heftig. Der Som- wird von Meteorologen als Genuatief bezeichnet (Grafik mer 2005 kehrte aber wieder zurück, zumindest vorüberge- rechts). Sie ist an sich keine Seltenheit. Aber die davon be- hend: Am Dienstag (16. August) und Mittwoch (17. August) troffenen Gebiete und die zu erwartenden Regenmengen sorgte ein Zwischenhoch für zwei warme, sonnige Tage werden von Einzelheiten der Zugbahn und der Geschwin- (vgl. Grafik unten). digkeit bestimmt, die schwierig zu prognostizieren sind. Danach bewegte sich ein Tiefdruckgebiet von Gross- Jedenfalls sind im August 2005 selbst erfahrene Fachleute britannien gegen Frankreich. Auf seiner Ostflanke ström- vom Verlauf und der Wucht der Ereignisse überrascht wor- ten zunehmend feuchte Luftmassen gegen die Schweiz und den – auch jene von MeteoSchweiz, dem nationalen Wet- lösten zum Teil kräftige Gewitter aus; zuerst in der Zentral- terdienst. Viele der damals gebräuchlichen Wettermodelle schweiz (am Donnerstag, 18. August), später auch in der erkannten die tatsächliche Entwicklung erst kurz vor den Ost- und Südschweiz (am Freitag und am Samstag). verheerenden Niederschlägen. Das allein wäre zu dieser Jahreszeit nichts Aussergewöhn- Erste Hinweise auf grössere Regenmengen gab Meteo- liches gewesen. Ähnliche Entwicklungen gibt es jeden Schweiz am Freitag (19. August) bekannt: 50 bis 100 Mil- Sommer mehrmals. Doch dann baute sich die für das Hoch- limeter für Samstag bis Montag. Am Samstag (20. August) wasserereignis entscheidende Dynamik auf: Am Samstag wurde die erwartete Menge auf «wahrscheinlich mehr als (20. August) bildete sich über dem Golf von Genua ein so 100 Millimeter» korrigiert. genanntes Bodentief, welches in den folgenden zwei Tagen Am späten Sonntagvormittag (21. August), also mit dem nur ganz langsam über Norditalien, die Adria und den Bal- Einsetzen der Starkniederschlagsphase, wurde die erste kan ostwärts wanderte. Unwetterwarnung erstellt: «Bis am Dienstagmorgen wer- In dieser Phase wurde fortwährend feuchtwarme Meeres- den am Alpennordhang verbreitet 80 bis 100 Millimeter luft vom Mittelmeer her im Gegenuhrzeigersinn um die Al- Niederschlag erwartet. Da die Schneefallgrenze im Be- pen herum verfrachtet. Das bewirkte auf der Alpennordseite reich von 2500 bis 3000 m ü. M. liegt, gelangt der grösste anhaltende, intensive Landregen – anfangs grossflächig in Teil des Niederschlags zum Abfluss.» Aber die Realität war den Voralpen und im Mittelland (21. August), später vor eine andere. In manchen Gebieten fielen bis am Dienstag allem entlang dem Alpennordrand (22. August). gegen 200 Millimeter Niederschlag. Wetterabläufe wie jener vom August 2005 ereignen sich in der Regel einige Male pro Jahr. Aber nur selten fällt dabei so viel Regen während so langer Zeit über ein so grosses Gebiet (Grafiken unten mit der Niederschlagsentwicklung vom 14. bis 23. August 2005). Die meteorologischen Abläufe vom August 2005 sind vergleichbar mit den Starkniederschlägen vom Juni 1910, Juli 1977, August 1987 oder Mai 1999. Auch künftig ist hierzulande mit intensiven und lang anhaltenden Niederschlägen zu rechnen – unter Einbezug des globalen Klimawandels möglicherweise noch häufiger als bisher. Luzern im August 2005 (Keystone/Tischler) 5 10 20 30 40 60 80 100 130 mm Karten: MeteoSchweiz Regenmengen innerhalb von 48 Stunden Regenmengen innerhalb von 24 Stunden (jeweils 08:00 – 08:00 Uhr) (2-Tage-Summen in Millimetern) (Tagessummen in Millimetern) 14. August 15. August 16. August 17. August Donnerstag, 18. August Freitag, 19. August
Höhendruckfelder bei 500 hPa (ca. 5700 m ü.M.) am Montag, 22. August 2005, 14:00 Uhr (rechts). Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten Nachdem am Sonntag (21. August) die weitere Entwicklung noch unterschätzt worden war, beschrieb die zweite Unwet- terwarnung vom Montagmorgen (22. August) das volle Aus- mass der Niederschläge. Zu diesem Zeitpunkt waren aber an einigen Orten bereits massive Schäden aufgetreten. Karte: MeteoSchweiz MeteoSchweiz hat daraus bereits die nötigen Konse- Golf von Genua quenzen gezogen. Eine ganze Reihe von Verbesserungen bei der Wetterprognostik tragen inzwischen dazu bei, auch Auslöser der intensiven Niederschläge war das Tiefdruckgebiet extreme Situationen genauer erfassen und rascher beur- «Norbert», das über das aufgeheizte Mittelmeer zog und zeitweise teilen zu können. So verfügt das regionale Prognose- über dem Golf von Genua und über der Adria verharrte (Genua- modell von MeteoSchweiz seit Januar 2008 über eine spe- tief). Dabei wurden grosse Mengen feuchtwarmer Mittelmeerluft ziell hohe Auflösung, um den topografischen Besonder- über einen längeren Zeitraum hinweg um die Ostalpen herum an heiten des Alpenraums besser gerecht zu werden. In diesem den Alpennordrand geführt und dort gestaut. Am 21. und 22. Au- numerischen Modell (COSMO-2) hat das Rechnungsgitter gust 2005, also innerhalb von 48 Stunden, fielen dadurch am eine Maschenweite von lediglich 2,2 Kilometern. gesamten Alpennordhang der Schweiz mehr als 100 Millimeter Seit einiger Zeit wird zudem die Unsicherheit, die jeder Niederschlag. Im Emmental, im Entlebuch, in Teilen des Berner Wetter- und Niederschlagsprognose anhaftet, mit so ge- Oberlands und in einem Streifen, der von der Innerschweiz über nannten Ensemble-Vorhersagen (COSMO-LEPS) quanti- das Rheintal bis nach Vorarlberg reichte, waren die Regenmengen fiziert: Mehrere Vorhersagen werden mit unterschiedlichen sogar noch grösser. Dort gab es 22 Messstationen, die noch nie in Anfangsbedingungen gerechnet. Dadurch lassen sich nicht ihrer langen Geschichte so hohe Niederschlagswerte registriert nur bestimmte Entwicklungen prognostizieren, sondern hatten wie an diesen beiden Tagen (vgl. Beispiele unten). Lokale auch die Wahrscheinlichkeiten ihres Eintreffens. Dieses Rekordwerte dürfen aber nicht überbewertet werden. In der neue Element verändert aber nicht nur die Arbeitsmetho- Gesamtschau gelten die Niederschläge vom August 2005 als dik der Prognostiker. Auch die Nutzer solcher Prognosen seltene, aber nicht als einmalige Ereignisse. Mit solchen Stark- müssen den anspruchsvollen Umgang mit Wahrscheinlich- niederschlägen muss auch in Zukunft gerechnet werden. keiten erst noch lernen. Gerade in Krisensituationen sind aber letztlich eindeutige und rasche Entscheidungen zu fällen. Angaben zur Zuver- lässigkeit einer Niederschlagsprognose können dabei ein Gewinn sein, sind aber gewiss auch eine grosse Herausfor- Auswahl lokaler Maximalwerte (innerhalb von 48 Stunden *) derung für die jeweiligen Entscheidungsträger bei Fachstel- Messstation Niederschlags- Bisheriger Höchstwert Messreihe menge (mit Messjahr) seit len, bei Führungsgremien und bei Interventionskräften. Einsiedeln SZ 152 mm 142 mm (1978) 1900 Engelberg OW 190 mm 153 mm (1991) 1901 Marbach LU 181 mm 165 mm (2004) 1961 Meiringen BE 205 mm 159 mm (1896) 1889 Napf BE 178 mm 158 mm (1990) 1978 * Sonntag, 21. August (07:40 Uhr), bis Dienstag, 23. August (07:40 Uhr) 11:12 Uhr 07:52 Uhr 19:01 Uhr 07:37 Uhr 1. Unwetterwarnung 2. Unwetterwarnung 3. Unwetterwarnung Entwarnung für West- von MeteoSchweiz: von MeteoSchweiz: von MeteoSchweiz: und Zentralschweiz Starkniederschläge, Starkniederschläge, Starkniederschläge, mässige Intensität hohe Intensität noch höhere Intensität Samstag, 20. August Sonntag, 21. August Montag, 22. August Dienstag, 23. August
Gerinne- und Hangprozesse 2005 Gefahr: Zustand, Umstand oder Vorgang, aus dem ein Schaden ent- stehen kann. Wenn natürliche Prozesse die Ursache sind, spricht man von Naturgefahren. 6 Überraschungen auf lokaler Ebene Erst kommt das Wasser, dann der Berg An sich entsprach die Prozessvielfalt im August 2005 dem Hochwasser sind in mehrfacher Hinsicht gefährlich und Gesamtbild, das auch schon frühere Grossereignisse prägte. wirken sich je nach Gewässertyp auf ganz unterschiedliche Aber auf lokaler Ebene gab es manche Überraschung. So Weise aus. Das zeigte sich auch im August 2005: verursachte oberflächlich abfliessendes Niederschlagswas- • Durch den Austritt von Wasser aus Bächen und Flüs- ser auch abseits von Gewässern erhebliche Schäden. Vor sen sowie durch die Ausuferung von stehenden Gewäs- allem überraschte die hohe Intensität der aufgetretenen sern gab es an vielen Orten dynamische bzw. statische Prozesse. An vielen Orten übertrafen das Volumen der Ab- Überschwemmungen. flüsse, die Höhe der Seestände, die Dauer der Einwirkungen • An vielen Stellen hatte das strömende Wasser eine grosse und die Menge der umgelagerten Feststoffe alle zuvor ge- Erosionskraft. Uferböschungen stürzten ein oder rutschten machten Erfahrungen. Hauptsächliche Ursachen waren: ab. Dadurch wurden auch Bauwerke und Infrastruk- • Schwellenprozesse, wenn sich zum Beispiel das Ab- turen erfasst, die ausserhalb des eigentlichen Gerinne- flussverhalten eines Einzugsgebiets rasch ändert und so bereichs lagen. An vielen Bach- und Flussabschnitten zu unerwartet hohen Abflüssen führt. war die Seiten- und Tiefenerosion so stark, dass sich • Prozesswechsel, etwa der Übergang von Rutschungen Gerinne verlagerten. Das erodierte Material wurde zu Murgängen. weiträumig verfrachtet. Dabei kam es auch zu flächigen • Prozessverkettungen, etwa die Ablagerung von Rut- Ablagerungen von grobem Geschiebe ausserhalb der schungsmaterial in einem Gerinne und dessen Mobilisie- Gerinne, zu so genannter Übersarung. rung durch das Hochwasser. • In 25 Einzugsgebieten von Wildbächen lösten sich Mur- gänge, ein schnell fliessendes Gemisch aus Wasser und Feststoffen. In Bächen, Flüssen und Seen • An Engstellen wie Wehren, Brücken oder in Schlucht- sammelte sich viel Schwemm- strecken wurde oft der Abfluss durch Schwemmholz und holz an, das sich an Engstellen andere Feststoffe behindert. Hinter solchen Verklau- verkeilte (unten, im Seitenka- Emme bei Horben BE am 24. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) sungen staute sich das Wasser auf, trat aus den Gerin- nal der Aare in Bern Matte), nen aus und suchte sich neue Abflusswege. den Abfluss behinderte und an • Als zunehmend gefährdet erwiesen sich schliesslich ein- manchen Stellen zu Gerinne- gedämmte Talflüsse. Dammbrüche ereigneten sich un- ausbrüchen führte. Landesweit terhalb von Meiringen an der Aare, andernorts kam es sind im August 2005 mindes- zum Überströmen von Dämmen. Dagegen weiteten sich tens 110 000 Kubikmeter Holz die Sickerströmungen, die an älteren Dämmen wie mobilisiert und teils über weite etwa beim Hagneckkanal auftraten, glücklicherweise Strecken transportiert worden. nicht zu grösseren Schäden aus. Davon waren rund zwei Drittel frisches Holz aus Rutschungen Die grossen Niederschläge führten aber nicht nur zu h und Uferanbrüchen (rechts). b ruc Hochwasser und den damit verbundenen Gerinneprozes- an U fer Der Rest war zu gleichen Teilen sen. Durch die intensiven Niederschläge wurden auch die liegengebliebenes Sturmholz Böden und der Untergrund so stark mit Wasser gesättigt, sowie Bau- und Brennholz. dass zahlreiche Hänge ihre Stabilität verloren: Es gab Rut- schungen (Erd- und Felsschollen bewegten sich auf ei- ner mehr oder weniger deutlich ausgeprägten Gleitfläche Keystone/Lehmann zu Tal) und Hangmuren (ein Gemisch aus Bodenmaterial und Wasser floss oberflächlich hangabwärts). Insgesamt wurden im August 2005 mehr als 5000 Rutschungen und Hangmuren dokumentiert.
Vorherrschende Prozesse bei Wildbächen: • Tiefen- und Seitenerosionen • Verklausungen • Dynamische Überschwem- mungen • Murgänge (Foto links) 7 Unterschätzte Gefahren Viele Wildbäche und praktisch alle Gebirgsflüsse im Nie- derschlagsgebiet verzeichneten einen hohen Geschiebe- transport und starke Seitenerosion. Auch bei genügend grosser Abflusskapazität gab es deshalb an vielen Stellen Ablagerungen und Verklausungen, wodurch angrenzende Rotlauibach bei Guttannen BE am 24. August 2005 (Keusen) Gebiete überflutet wurden. Bei Talflüssen wie der Emme, Landquart oberhalb von Klosters GR am 25. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) Vorherrschende Prozesse der Kleinen Emme oder der Linth wurden die Schäden eben- bei Gebirgsflüssen: falls vornehmlich durch Seitenerosion verursacht. Anders an • Seitenerosionen der Aare unterhalb von Thun und an der Reuss unterhalb • Sohleneintiefungen (Tiefenerosionen) von Luzern. Dort wurden – trotz Dämpfung des Abflusses • Sohlenhebungen durch die vorgelagerten Seen – die vorhandenen Abfluss- (Auflandungen) kapazitäten überschritten. • Dynamische Überschwem- Daneben gab es im August 2005 weitere Prozesse, die zu mungen grossen Schäden führten: oberflächlich abfliessendes • Gerinneverlagerungen (Foto links) Niederschlagswasser, aufstossendes Grundwasser und der Rückstau in Kanalisationen. Unklare Zuständig- keiten und mangelndes Bewusstsein bei Behörden, Planern, Eigentümern und Versicherungen gehören zu den Gründen, warum diese Prozesse in der Regel im Hochwasserschutz wenig Beachtung finden. Aare bei Meiringen BE am 24. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) Vorherrschende Prozesse bei Talflüssen: • Seitenerosionen • Sohleneintiefungen (Tiefenerosionen) • Sohlenhebungen (Auflandungen) • Überschwemmungen • Gefahr von Dammbrüchen (Foto links) Häufig wird übersehen, Ursache von Gebäudeschäden dass Wasser nicht nur von in Sarnen OW im August 2005: oben oder von der Seite kom- Grundwasseraufstoss men kann, sondern auch von Überschwemmung unten: Durch den Rückstau in Hangmure Kanalisationen (Foto oben) Überschwemmung und durch den Aufstoss von Hangmure Grundwasser (Grafik unten). Brienzersee am 24. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) Foto und Kartenvorlage: Kanton Obwalden Vorherrschende Prozesse bei Seen: • Schwemmholzteppiche • Statische Überschwemmungen (Foto links)
Folgen 2005 8 Die Schweiz im Ausnahmezustand Grösster Gesamtschaden seit 1972 Unmittelbare Ursache des Hochwassers vom August waren Durch das Hochwasser vom August 2005 entstand mit rund die grossen Niederschläge in ausgedehnten Gebieten auf 3 Milliarden Franken der grösste finanzielle Gesamtscha- der Alpennordseite. Zum verhängnisvollen Verlauf trug aber den, den ein einzelnes Naturereignis in den letzten Jahr- auch die Vorgeschichte bei. So war der August bereits zu- zehnten in der Schweiz verursacht hatte (vgl. Grafik unten vor sehr nass gewesen. Dadurch waren die Böden reichlich mit Daten seit 1972). Es blieb nicht nur bei schlimmen Ver- mit Wasser gesättigt und konnten den zusätzlichen Nieder- wüstungen. In den Fluten und durch Rutschungen sind in schlag nicht mehr aufnehmen. Zudem lag die Schneefall- jenen Tagen auch 6 Menschen ums Leben gekommen. grenze in der kritischen Woche meist über 2500 Meter, Bei den materiellen Schäden gibt es einen bemerkens- weshalb die Niederschläge kaum in Form von Schnee ge- werten Unterschied zu früheren Ereignissen: Durch das bunden wurden. Das Wasser floss überall rasch ab, liess Hochwasser vom August 2005 wurden vorwiegend pri- Bäche, Flüsse und Seen in kurzer Zeit anschwellen und vate Bauten und Sachwerte geschädigt. Entsprechend brachte Hänge und Böschungen ins Rutschen. trugen Privatpersonen und Firmen beziehungsweise de- In der Schweiz wurde vor allem der Alpennordhang stark ren Versicherungen die Hauptlast der Schäden. Mit rund getroffen. Vom Simmental bis ins Glarnerland gab es kaum 2 Milliarden Franken waren die privaten Schäden drei- ein Tal ohne grosse Schäden an Bach- und Flussläufen, Ver- bis viermal so hoch wie bei allen anderen Hochwasser- kehrswegen, Wohnhäusern, Gewerbe- und Industriebetrie- ereignissen seit 1972. Besonders auffällig ist, dass sich etwa Vergleichbare Daten zur ben, Infrastrukturen oder an landwirtschaftlich genutztem ein Viertel der privaten Schäden auf die Industrie- und Ge- Schadensumme durch Hoch- Land. Ganze Talschaften blieben für Tage völlig von der werbegebiete von Emmen-Littau (im Kanton Luzern) und wasser gibt es erst seit 1972. Umwelt abgeschnitten. von Altdorf-Bürglen-Schattdorf (im Kanton Uri) konzent- Seither hatte es noch nie so In den Alpen selbst gab es im Prättigau und im Unterenga- rierte. Allein in diesen beiden Gebieten summierten sich grosse Schäden durch Über- din grosse Schäden, und vom Emmental bis zum Zugersee die Hochwasserschäden auf einen Betrag von über 500 Mil- schwemmungen, Rutschungen sowie am Walensee und in anderen Gebieten der Ostschweiz lionen Franken. und Murgänge gegeben wie im blieb auch das Voralpengebiet nicht verschont. Im Mit- Die übrigen Schäden beliefen sich auf rund 1 Milliarde August 2005 (Grafik unten). telland wirkten sich die Hochwasser vor allem entlang der Franken. Sie betrafen Infrastrukturen der öffentlichen Rund 900 Gemeinden, knapp Aare und der Reuss verheerend aus. Zudem traten meh- Hand (Wasserbauten, Strassen, Leitungen) und Eisenbahn- ein Drittel aller Schweizer Ge- rere Seen über die Ufer: Brienzersee, Thunersee, Bielersee, anlagen. Nur im Jahr 1987 hatte es in diesen Bereichen meinden, waren betroffen. Sarnersee, Vierwaldstättersee, Lauerzersee. schon einmal höhere Schäden gegeben. Bei der Betrachtung längerer Das betroffene Gebiet erstreckte sich aber auch noch über Zeiträume verliert das Aus- den Alpenrhein hinaus nach Osten und Nordosten. In mass der Schäden vom August Österreich wurden in den Bundesländern Vorarlberg, Tirol, 2005 allerdings die Einzigartig- Steiermark und Salzburg schwere Schäden verzeichnet, in keit, welche es für die Zeit seit Deutschland war vor allem Südbayern betroffen. 1972 aufweist: Im 19. Jahr- hundert haben sich mehrere Hochwasser ereignet, welche Drei Viertel der Gesamtschaden- ein vergleichbares oder viel- summe von rund 3 Milliarden Franken konzentrierten sich auf leicht noch grösseres Schadens- fünf Kantone: Bern, Luzern, Uri, ausmass hatten. Obwalden und Nidwalden. Gesamtschadensumme 2005 2990 (in Millionen Franken) Kanton Bern 805 Kanton Luzern 590 Kanton Uri 365 Kanton Obwalden 345 Kanton Nidwalden 120 Kanton Graubünden 85 Kanton Schwyz 80 1978 Kanton Aargau 50 Kanton Zug 35 Kanton St. Gallen 35 1987 Kanton Glarus 25 Kanton Zürich 15 500 Mio. Franken 400 Mio. Franken 1993 Kanton Solothurn 10 300 Mio. Franken 200 Mio. Franken übrige Kantone 15 Jährliche Schäden durch Überschwemmungen, Rutschungen und Murgänge. 100 Mio. Franken Beträge teuerungsbereinigt (Preisbasis 2006; Erhebung WSL) 1999 nicht kantonal zuweisbar 415 2000 2005 2007
Windisch AG am 22. August 2005 (Keystone/Della Bella) 9 Thun BE am 23. August 2005 (Keystone/Schneider) Klosters GR am 24. August 2005 (Keystone/Balzarini) Gemeindedaten 2005 Grosse Schäden ( > 2 Mio. Fr.) Mittlere Schäden ( 0,4 bis 2 Mio. Fr.) Kleine Schäden (
Integrales Risikomanagement Risiko: Grösse und Wahrscheinlichkeit eines möglichen Schadens, der durch eine vorhandene Gefahr entstehen kann. Das Risiko ist ab- hängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit eines gefährlichen Prozesses und vom Ausmass des damit einhergehenden Schadens: Risiko = Wahrscheinlichkeit × Schaden 10 Einordnung im historischen Rückblick Nach oben offene Skalen Das Gesamtbild des Hochwassers vom August 2005 ent- Im August 2005 gab es keine Gerinne- oder Hangprozesse, spricht letztlich dem Muster, das derartige Grossereignisse die nicht schon früher aufgetreten wären. Dennoch hat- auch schon früher prägte. Im Zeitraum seit 1972, für den ten die Ereignisse vom August 2005 eine eigene Charak- vergleichbare Zahlen vorliegen, sticht das Jahr 2005 aller- teristik. Einerseits wirkten sich diese Hochwasser sehr dings durch die hohe Gesamtschadensumme heraus. Sie grossräumig aus – vom Alpenraum über das Alpenvorland ist ohne Parallele (vgl. Seite 8). bis weit ins Mittelland hinein. Andererseits überraschte Aber eine Beobachtungsdauer von etwas mehr als drei Jahr- an manchen Stellen die hohe Intensität der aufgetretenen zehnten hat nur wenig Aussagekraft. Deshalb drängt sich Gerinne- und Hangprozesse, wodurch besonders grosse ein Vergleich mit historischen Ereignissen auf, auch wenn Schäden entstanden. die entsprechenden Datengrundlagen mit grösseren Unsi- Das führte vielerorts zu Situationen, die ausserhalb der lo- cherheiten behaftet sind. Frühere Ereignisse sind oft nur kal vorhandenen Erfahrungen lagen. Daraus müssen lückenhaft dokumentiert. Zudem haben sich im Laufe der jetzt Konsequenzen gezogen werden, die nicht nur für den Zeit viele Rahmenbedingungen verändert: Einerseits hat Hochwasserschutz gelten, sondern für die Gefahren- und das Schadenpotenzial markant zugenommen, anderer- Risikobeurteilung ganz allgemein: Auf der Skala der Er- seits sind die baulichen, technischen und organisatorischen eignisintensitäten gibt es keine festgeschriebenen Maximal- Massnahmen zum Hochwasserschutz laufend weiterent- werte. Alles ist möglich, auch das «Undenkbare». wickelt und verbessert worden. Seit Beginn des 19. Jahr- Gesamthaft kann dennoch als erwiesen angesehen wer- hunderts haben sich in der den, dass sich im 19. Jahrhundert mehrere Hochwasser er- Schweiz 16 grosse oder sehr eignet haben, die – je nach Umrechnungsgrundlage – das grosse Hochwasser ereignet, Schadensausmass von 2005 erreichen oder sogar übertref- die ein überkantonales Ein- fen. Bei der Betrachtung dieses längeren Zeitraums verliert greifen nötig machten (Balken- das Ausmass der Schäden vom August 2005 somit die diagramm unten). Sie verur- Einzigartigkeit, die sich aus der kurzfristigen Perspektive Die in der Vergangenheit gemach- sachten Schäden, die nach ergibt. Bei aller Unschärfe in der Beurteilung ist deshalb ten Erfahrungen gipfeln heute in der heutigem Geldwert zwischen davon auszugehen, dass das Hochwasser vom August 2005 Erkenntnis, dass der Umgang mit 500 Millionen* und einigen kein singuläres Ereignis war und dass mit dem wieder- Hochwassern ganzheitlich erfolgen Milliarden Franken betragen. holten Auftreten ähnlicher Ereignisse auch in Zukunft ge- muss: Vorbeugung, Bewältigung und Im 19. Jahrhundert hatten sol- rechnet werden muss. Regeneration ergänzen sich gegen- che Ereignisse oft Dutzende seitig und müssen noch enger auf- von Todesopfern gefordert. einander abgestimmt werden. Dazu Inzwischen gingen die Opfer- sind umfassende Gefahrengrund- zahlen – dank umfassender lagen nötig, die im Zentrum dieses Vorbeugung und verbesserter Risikokreislaufs (unten) stehen. Bewältigung – stark zurück. * Das grösste Einzelereignis im Jahr 2007 (8./9. August) blieb mit Schäden von 380 Millionen Fran- ken unter diesem Schwellenwert. Bewältigung Überregionale Gefahren- Vo r b e u Hochwasserereignisse grundlagen ion seit 1800 ra t in der Schweiz: 1834 1852 1868 1987 2005 gu g ne ge n Re Sehr grosse Schäden Grosse Schäden 1800 1825 1850 1875 1900 1925 1950 1975 2000
11 Schutzkonzepte im Wandel der Zeit Schritt für Schritt, und im Einklang mit technischen, wissen- schaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritten, wandeln sich im Laufe der Zeit auch die Schutzkonzepte. Grosse Ereignisse fördern deren Umsetzung. Hochwasser 1868: Murgang in Zignau, Gemeinde Trun GR (Coaz) 19. Jahrhundert: Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wird erstmals über um- Vorbeugung fassende Strategien zum Schutz vor Hochwassern debat- Regeneration tiert. Diese fachliche und politische Auseinandersetzung führt zu den Bundesgesetzen über die Forstpolizei (1876) bzw. die Wasserbaupolizei (1877). Gestützt auf diese ge- setzlichen Grundlagen unternimmt die öffentliche Hand grosse bauliche Anstrengungen, um Wildbäche zu sta- bilisieren und Talböden hochwassersicherer zu machen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert sich auch die Deckung von Elementarschäden im Rahmen der obli- gatorischen Gebäudeversicherung. 1987: Es gibt keinen vollständigen Schutz vor Naturgefahren. Gefahren- Spätestens nach den Ereignissen im Jahr 1987 reift die Er- grundlagen kenntnis, dass bauliche Massnahmen allein nicht genügen, um den Hochwasserschutz sicherzustellen. Bei den vorbeu- genden Massnahmen verschiebt sich die Rangordnung zu- Hochwasser 1987: Seitenerosion in Gurtnellen UR (Comet) gunsten einer Raumnutzung, die sich den natürlichen Gegebenheiten anpasst, und einer Raumplanung, die den Gewässern den nötigen Raum zurückgibt. Dazu müssen vor- gängig Gefahrenkarten ausgearbeitet und Schutzziele formuliert werden: Was kann passieren bzw. was darf wo passieren? Nötig sind auch Strategien, die den Überlastfall berücksichtigen, und dazu gehört eine Notfallplanung, die das Restrisiko begrenzt. Die entsprechenden Grundsätze schlagen sich 1991 in den neuen Bundesgesetzen über den Wasserbau (WBG) bzw. den Wald (WaG) nieder. 2005: Der Überlastfall ist Realität. Deshalb müssen die Grundsätze Bewältigung für den Hochwasserschutz ergänzt werden durch die Forde- rung nach robusten, überlastbaren Schutzkonzepten. Aber nicht nur bei der Vorbeugung besteht Handlungsbe- darf, sondern auch bei der Bewältigung ausserordentlicher Ereignisse. Mit einer wirksamen Vorsorge sowie einer opti- Hochwasser 2005: Überschwemmungen in Schattdorf UR (Schweizer Luftwaffe) mal vorbereiteten Intervention kann das Ausmass der Er- Hochwasser 2005: Überschwemmungen im Berner Mattequartier (Schweizer Luftwaffe) eignisse und die Höhe der Schäden entscheidend begrenzt Nicht erst 2005 zeigte werden. Führungsgremien und Interventionskräfte müs- sich, dass jede Schutz- sen deshalb ihre Ausbildung verstärkt auf den Einsatz bei massnahme überlastet Naturereignissen ausrichten. Dazu ist nicht nur eine stär- werden kann (Fotos kere Vernetzung der vor Ort tätigen Akteure mit den ent- links). Deshalb müssen sprechenden Fachstellen nötig, sondern auch eine bessere alle Möglichkeiten Einbindung der betroffenen Bevölkerung. genutzt werden, um Schäden zu verhindern, und das in allen Phasen des Risikokreislaufs.
Vorbeugung 12 Rangordnung der Massnahmen Raumplanung und Objektschutz Bewältigun g Strittig bleibt häufig die Frage, welche vorbeugenden (prä- Die effizienteste Vorbeugung besteht darin, den vorhan- ventiven) Massnahmen zum Schutz vor Hochwasser im Ein- denen Naturgefahren auszuweichen und Risiken erst gar Gefahren- zelfall zu treffen seien. Die Grundsätze dazu sind an sich nicht einzugehen. Deshalb sind raumplanerische Massnah- Vo r b e u grundlagen ion unmissverständlich festgelegt, und das nicht nur im Bun- men rasch umzusetzen. Wo das nicht ausreicht, sind bau- ra t gu g desgesetz über den Wasserbau (WBG) und in seiner Verord- liche, technische oder organisatorische Massnahmen nötig, ne ge n Re nung (WBV), sondern auch in den beiden Bundesgesetzen um Gefahren abzuwenden und Risiken zu mindern. Dabei über die Raumplanung (RPG) und über den Wald (WaG). erlangt der Objektschutz eine immer grössere Bedeutung: Bei der Vorbeugung gibt es Demnach haben Schutzkonzepte folgenden Ansprüchen Durch einfache Vorkehrungen können grosse Schäden zwei grundsätzlich verschie- zu genügen: verhindert werden. dene Vorgehensweisen: Entwe- • sie mindern das Schadenpotenzial; Bauherrschaften und Planungsstellen sollen deshalb noch der werden die vorhandenen • sie erhalten die Funktionstüchtigkeit bestehender stärker als bisher motiviert werden, Bauten und Anlagen Naturgefahren an der Gefah- wasserbaulicher Strukturen und Einrichtungen; gefahrengerecht zu entwerfen, zu realisieren oder allenfalls renquelle oder im gefährdeten • sie werten natürliche Lebensräume auf. nachzubessern. Fachliche Beratung und Prämienanreize Gebiet abgewehrt (durch der Versicherungen zeigen in dieser Hinsicht bereits eine Massnahmen, die das Gefah- Der Hochwasserschutz ist somit in eine ganzheitliche Mass- steuernde Wirkung. renpotenzial mindern), oder nahmenplanung einzubeziehen, die sich in der Regel aus die Raumnutzung passt sich verschiedenen Elementen zusammensetzt: den vorhandenen Naturge- • Im Vordergrund steht der sachgerechte Gewässer- fahren an (durch Massnahmen, unterhalt, um die vorhandenen Kapazitäten und die das Schadenpotenzial die Wirkung bereits erstellter Schutzbauten langfristig Vorkehrungen zum Objektschutz sind bereits im mindern). Vorrang haben jene zu sichern. Rahmen der Vorbeugung zu konzipieren. Bei tempo- Massnahmen, die das Schaden- • Zu den Unterhaltsmassnahmen gehört auch eine nach- rären Massnahmen ist entscheidend, dass sie rasch potenzial beeinflussen. haltige Schutzwaldpflege. verfügbar und einfach einzusetzen sind (unten). • Hohe Priorität haben raumplanerische Massnahmen. Schuler Eine Orts- und Landschaftsplanung, welche die vorhan- denen Naturgefahren respektiert und Freiräume für ausserordentliche Ereignisse schafft, ist die bessere Vorbeugung als die nachträgliche Sicherung unüberlegt ausgeschiedener Bauzonen durch teure Schutzbauten. • Nur dort, wo Gewässerunterhalt, Schutzwaldpflege und raumplanerische Massnahmen nicht ausreichen, sind naturnahe und landschaftsgerechte Schutzbauten auszuführen. • Zur Minderung des Restrisikos sind schliesslich ein ange- passter Objektschutz sowie eine umfassende Not- fallplanung unerlässlich. Schweizer Luftwaffe Nidwaldner Sachversicherung Wirkungsvoller Objektschutz beim Kraftwerk Dallenwil NW: Dank einfachen Vorkehrungen im Wert von rund 15 000 Fran- ken konnte im August 2005 ein potenzieller Schaden von über 6 Millionen Franken an Gebäuden und Anlagen ver- hindert werden (rechts).
13 Grosser Erneuerungsbedarf Risiken verbleiben Ganz allgemein sind Planungs- und Bauentscheide bewuss- Die Hochwasserereignisse vom August 2005, und inzwi- ter als bisher auf die vorhandenen Naturgefahren auszu- schen auch jene vom Sommer 2007, zeigten in aller Deut- richten. Dabei müssen alle Hochwasserschutzmassnahmen lichkeit, dass der Überlastfall an vielen Orten Realität konsequent auf ihr Verhalten bei ausserordentlichen Er- geworden ist: Abflussmengen oder Geschiebevolumen wa- eignissen geprüft werden: Auch bei extremen Abflüssen, ren oft viel grösser als zuvor angenommen, wodurch die Geschiebefrachten und Belastungen dürfen Schutzbauten Belastungsgrenzen mancher vorbeugender Massnahmen nicht kollapsartig versagen und zu einem unkontrollierten, erreicht oder gar überschritten wurden. sprunghaften Anwachsen der Schäden führen. Bei zeitge- Die grosse Herausforderung besteht darin, die vorbeugen- mässen Schutzkonzepten wird der Überlastfall deshalb den Massnahmen innerhalb jener Unsicherheiten zu opti- immer berücksichtigt. Die vorgesehenen Massnahmen müs- mieren, die im Zusammenhang mit Naturgefahren immer sen entsprechend ausgelegt sein und ein robustes Verhal- verbleiben. Selbst sehr lange Messreihen weisen – statis- ten aufweisen (vgl. Beispiel unten). tisch gesehen – grosse Streubereiche auf. Diesem Umstand Diese Vorgabe erfüllen ältere Schutzbauten aber häufig ist bei der Wahl der Dimensionierungsgrössen Rech- nicht. Viele Bauwerke, die noch aus dem 19. Jahrhun- nung zu tragen, während eine geeignete Systemwahl Die Skalen der Natur sind dert stammen, genügen den heute geltenden technischen sicherstellt, dass die getroffenen Massnahmen das ver- grundsätzlich «nach oben und ökologischen Anforderungen nicht mehr. Dazu ge- bleibende Risiko angemessen berücksichtigen. Zur Projek- offen» . Zeitgemässe Schutz- hören beispielsweise bedeutende Korrektionswerke wie tierung aller vorbeugenden Massnahmen gehört deshalb konzepte tragen solchen Un- etwa die Rhone im Wallis, das Linthwerk oder der Alpen- die Klärung des Überlastfalls: sicherheiten Rechnung, indem rhein. Auch zahlreiche Schutzbauten, die in der Mitte des • Welche Gebiete sind gefährdet? sie sich im Extremfall robust 20. Jahrhunderts errichtet worden sind, müssen erneuert • Welche Prozesse treten auf und wie beeinflussen sie sich verhalten – also bei einer und den heutigen Anforderungen angepasst werden. Ihre gegenseitig? Überlastung nicht schlagartig Dimensionierung basierte auf den Erfahrungen aus der • Wie hoch ist die Intensität dieser Prozesse? versagen und den Schaden Zeit zwischen 1927 und 1977, die vergleichsweise arm an sogar noch vergrössern, son- aussergewöhnlichen Hochwassern war. Sind die Restrisiken erkannt, können sie durch einen an- dern Raum lassen für ausser- Der landesweite Erneuerungs- und Anpassungsbedarf beim gepassten Objektschutz und eine umfassende Notfallpla- gewöhnliche Abflussmengen baulichen Hochwasserschutz ist entsprechend gross. Im nung auf ein akzeptables Mass reduziert werden. Aber beim oder Geschiebevolumen. Zuge dieser laufenden Arbeiten dürfen die Folgen des Umgang mit Restrisiken gibt es keine Standardlösungen, Konkret erfordert dies geeig- Klimawandels nicht übersehen werden. Sowohl Neu- weder bei Hochwassern noch bei anderen Naturgefahren. nete «Sicherheitsventile», die bauten als auch Erneuerungsprojekte sind deshalb so zu Jede Lokalität weist eine eigene Charakteristik auf, die das betroffene Gerinne zu konzipieren, dass sie mit verhältnismässig geringem Auf- durch die jeweilige Topografie, Geologie, Hydrologie, Bo- entlasten vermögen (etwa wand auch an neue Rahmenbedingungen angepasst wer- denbedeckung und Landnutzung bestimmt wird. durch die allmähliche und be- den können (etwa an höhere saisonale Abflüsse oder an wusste Flutung vorbereiteter einen erhöhten Feststofftransport). Bereiche). Solche Schutzkon- zepte sind in den vergangenen Jahren beispielsweise an der Urner Reuss oder an der Engel- berger Aa (Grafik und Foto unten) realisiert worden und haben sich dort bewährt. Entlastungen Buochs NW am 23. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) Vierwaldstättersee Ennetbürgen Buochs max. 150 m3/s Entlastungen Buochs max. 240 m3/s Vorentlastung Büren max. 300 m3/s > 300 m3/s Engelberger Aa Oberdorf EHQ- Dallenwil Kalibrierung
Bewältigung 14 Einsätze in Wasser, Schlamm, Geröll Nötige Vorkehrungen treffen Bewältigun g Ausserordentlich war nicht nur der Verlauf des Hochwassers Zu den Voraussetzungen einer erfolgreichen Intervention vom August 2005. Ausserordentlich waren auch die allge- gehört einerseits, dass die nötigen Vorkehrungen getroffen Gefahren- meine Hilfsbereitschaft und die Solidarität mit den Betrof- worden sind. Andererseits darf der optimale Zeitpunkt für Vo r b e u grundlagen ion fenen. Viele Angehörige von Feuerwehren, Polizeikorps, den Einsatz nicht verpasst werden. Deshalb haben vorsorg- ra t gu g Sanitätsdiensten, technischen Betrieben und Fachstellen liche Massnahmen eine grosse Bedeutung. Sie werden ne ge n Re taten weit mehr als nur ihre Pflicht. Auch Zivilschutz- und längerfristig vorbereitet, aber erst unmittelbar vor einem Armeeeinheiten standen im Einsatz. Dazu packten zahllose Ereignis eingeleitet, und sie tragen viel zur Minderung der Die Bewältigung beginnt Menschen freiwillig mit an. Schäden und zum Schutz der Bevölkerung bei. nicht erst, wenn Bäche, Flüsse Rückblickend kann gesagt werden, dass die zur Bewältigung In erster Linie geht es dabei um eine umfassende Notfall- und Seen bereits angeschwol- der Ereignisse nötig gewordenen Interventionen grund- planung, die auf den vorhandenen Gefahrengrundlagen len oder Hänge abgerutscht sätzlich erfolgreich verlaufen sind. Dies zeigt sich vor allem aufbaut. Die Notfallplanung beschreibt sowohl die mög- sind, sondern setzt schon viel durch einen Vergleich mit früheren Ereignissen ähnlichen lichen Szenarien, die zu Einsätzen im Hochwasserfall führen früher ein: durch rechtzeitig Ausmasses. Noch im 19. Jahrhundert hatten überregionale können, als auch die jeweils zu ergreifenden Massnahmen. vorbereitete Massnahmen, die Hochwasser regelmässig zahlreiche Opfer gefordert, und Die Notfallplanung bedingt unter anderem: das Ausmass der Ereignisse das in einer Schweiz, die viel weniger dicht besiedelt war • die Kenntnis der im Einsatzgebiet möglichen Gerinne- und die Höhe der Schäden als heute. Gegenüber damals sind die Opferzahlen im Au- und Hangprozesse; mindern. Zu diesen vorsorg- gust 2005 deutlich geringer ausgefallen. Das ist einerseits • die Bereitstellung des benötigten Materials; lichen Massnahmen gehört dem grossen persönlichen Einsatz zu verdanken, der auf al- • die Schulung und Einübung von Einsätzen bei gefähr- eine gut vorbereitete Notfall- len Stufen geleistet worden ist, andererseits aber auch den lichen Gerinne- und Hangprozessen; organisation, deren Einsatz vielfältigen technischen Möglichkeiten, die inzwischen für • die Regelung der Einsatzführung; durch Niederschlags- und Ab- die Intervention zur Verfügung stehen. • den Betrieb und die Sicherstellung der Kommunikations- flussvorhersagen sowie durch Das Ausmass und die Intensität der Ereignisse vom Au- verbindungen während eines Einsatzes. Beobachtungen vor Ort aus- gust 2005 offenbarten aber auch organisatorische oder gelöst wird. Die vorsorglichen technische Schwachstellen und personelle Engpässe. Vorsorgliche Massnahmen können aber nur rechtzeitig er- Massnahmen tragen somit An einigen Orten wurden die Führungsgremien und In- griffen werden, wenn die Vorhersagen (Niederschlags- entscheidend dazu bei, dass terventionskräfte von den sich überstürzenden Ereignis- und Abflussvorhersagen) sowie die Beobachtungen vor die nachfolgenden Interven- sen überrascht. Ort verlässlich sind, wenn die entsprechenden Warnungen tionen (temporäre Schutzmass- rechtzeitig die Führungsgremien aller Stufen erreichen und nahmen, Bergung, Rettung, wenn die anschliessende Alarmierung auch von der Be- Schadenwehr) erfolgreich völkerung richtig verstanden wird. durchgeführt werden können. Das war im August 2005 häufig nicht der Fall. Längst nicht alle Betroffenen wussten genug, um im Rahmen ihrer Mög- lichkeiten, und seien sie noch so bescheiden, rechtzeitig und eigenverantwortlich zu handeln: Fahrzeuge aus Tiefgaragen holen, Keller räumen, Geräte und Anlagen aus gefährdeten Für die Intervention stehen heute technische und Räumen entfernen oder Türöffnungen abdichten. Auch sol- personelle Mittel zur Verfügung, dank denen Rettun- che Massnahmen müssen vorgängig geplant sein. gen selbst aus misslichen Situationen möglich sind: Die geringe Sensibilität der Bevölkerung in Bezug auf Spektakuläre Bergung eines Baggerführers aus der Hochwasser und andere Gefahren der Natur ist eine ge- Reuss bei Amsteg UR am 22. August 2005 (unten). nerelle Schwachstelle. Einerseits fehlen breit verankerte RDB/Walker Kenntnisse zu diesen Gefahren. Andererseits mangelt es auch am Bewusstsein, dass eigenverantwortliches und ge- fahrengerechtes Handeln einen entscheidenden Beitrag zur Minderung der Schäden leisten kann.
15 Fachwissen vor Ort Keystone/Risch Zum Teil konnten die im August 2005 erkannten Schwach- Die Hochwasserereignisse vom August 2005 waren stellen, ob sie nun organisatorische, technische oder perso- eine harte Bewährungsprobe für das erst im Jahr nelle Ursachen hatten, bereits behoben werden. Vor allem zuvor reformierte Verbundsystem Bevölkerungs- auf lokaler Ebene bestehen aber noch immer Lücken, um be- schutz. Grundsätzlich hat es diese Probe bestanden drohlich anschwellende Hochwasser und andere Gefahren (oben, Feuerwehr im Einsatz in Weesen). Dennoch der Natur besser als bisher bewältigen zu können. gab es Probleme, weil die räumliche Ausdehnung, So muss etwa die Ausbildung von Führungsgremien und die lange Dauer und der sprunghafte Verlauf der Interventionskräften vermehrt auf den Einsatz bei Hoch- Ereignisse die Führungsgremien und Interventions- wassern ausgerichtet werden. Dabei sind Standard- kräfte in einigen Fällen überfordert haben. situationen und Verhaltensregeln in die entsprechen- den Ausbildungsprogramme zu integrieren und konsequent einzuüben (analog zum Vorgehen beim Brandschutz oder bei der Chemiewehr). Im Ernstfall müssen sich die Führungsgremien und Inter- ventionskräfte aber auch auf Fachwissen vor Ort abstützen, um die Lage umfassend beurteilen und die richtigen Ent- scheidungen treffen zu können. Deshalb gilt es, das lokal vorhandene Wissen zu erhalten, gezielt zu ergänzen und Verbundsystem Bevölkerungsschutz besser verfügbar zu machen. Damit dieses Potenzial effizienter als bisher ausgeschöpft Seit seiner Reform im Jahr 2004 ist der Bevölkerungsschutz werden kann, ist auch eine bessere Einbindung der betrof- als ziviles Verbundsystem organisiert, in dem 5 Partner- fenen Bevölkerung notwendig. Deshalb braucht es zwischen organisationen zusammenarbeiten: die Polizeikorps, die der Fachwelt und der Bevölkerung intermediäre Personen Feuerwehren, das Gesundheitswesen, die technischen Be- (so genannte Multiplikatoren), die dank ihrer Netzwerke Vorsorgliche Massnahmen triebe der Gemeinden und der Kantone sowie der Zivil- sowohl Einblick in die fachlichen Grundlagen als auch in zahlen sich rasch aus und sind schutz. Sie stellen Führung, Schutz, Rettung und Hilfe bei die lokalen Bedürfnisse und Befindlichkeiten haben (ana- daher zu forcieren. Bereits ein der Bewältigung ausserordentlicher Lagen sicher. log den bei Lawinendiensten bewährten Strukturen, samt Vergleich der Ereignisse vom Die Partnerorganisationen bewältigen solche Einsätze mit entsprechend ausgebildeten und mit den örtlichen Verhält- August 2005 mit jenen vom modular aufbaubaren Mitteln. Die eingesetzten Interven- nissen vertrauten Gefahrenfachleuten). August 2007 zeigt den Nutzen tionskräfte werden der Art und dem Schweregrad der einer guten Vorsorge. Ein Ereignisse angepasst und entsprechend verstärkt (unter Um- Beispiel dafür sind die in der ständen auch mit privaten und militärischen Mitteln). Zwischenzeit im Berner Matte- Zuständig sind die Kantone, aber die Hauptverantwor- quartier realisierten mobilen tung für die Notfallplanung und die Notfallorganisation Schutzsysteme (unten, im Ein- liegt bei den Gemeinden. Zusätzlich kann der Bund im satz am 8. August 2007). Sie Einvernehmen mit den Kantonen die Koordination bzw. haben geholfen, dass die Schä- Führung bei der Bewältigung grosser Ereignisse überneh- den in diesem Quartier trotz men (Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und ähnlich hoher Wasserstände Zivilschutz, BZG). Reichen die zivilen Mittel nicht aus, dann deutlich geringer waren als können den zivilen Führungsgremien auch militärische Mit- noch zwei Jahre zuvor. tel zur Verfügung gestellt werden (subsidiärer Einsatz der Keystone/Della Valle Armee). Die Gesamtverantwortung für die Sicherheit der Bevölke- rung liegt somit bei den jeweiligen Exekutiven (Gemein- deräten, Kantonsregierungen, Bundesrat). Stehen mehrere Partnerorganisationen gleichzeitig und während längerer Zeit im Einsatz, wie dies beim Hochwasser vom August 2005 der Fall war, werden die Leitung und Koordination der an- fallenden Aufgaben an fachlich versierte und politisch legi- timierte Gremien übertragen: an die Führungsorgane der Gemeinden und an die Führungsstäbe der Kantone.
Regeneration 16 Entscheidungen unter Zeitdruck Handlungsgrundsätze Bewältigun g Nach der unmittelbaren Bewältigung der Hochwasser Für die Regeneration nach einem Schadenereignis gelten folgte auch im August 2005 die bedeutend weniger spek- die gleichen Grundsätze wie in der Phase der Vorbeugung Gefahren- takuläre, aber genauso anspruchsvolle Phase der Regene- (vgl. Seite 12). Schwierigkeiten ergeben sich allerdings durch Vo r b e u grundlagen ion ration. So rasch wie möglich mussten verstopfte Gerinne die besonderen Umstände. Zahlreiche Entscheidungen zu ra t gu g geräumt, beschädigte Dämme gesichert, Schlamm und vielen Vorhaben müssen praktisch gleichzeitig gefällt wer- ne ge n Re Schutt entfernt, blockierte Verkehrswege geöffnet und un- den. Oft herrscht in dieser Phase ein Mangel an Fachleuten. terbrochene Leitungen ersetzt werden, um einen angemes- Zudem gibt es kaum standardisierte Verfahren und Ab- Regeneration ist nicht gleich- senen Schutz vor weiteren Bedrohungen zu gewährleisten läufe für diese heikle Phase im Risikokreislauf. zusetzen mit einer möglichst und den Betrieb lebenswichtiger Infrastrukturen sicherzu- Deshalb haben die zuständigen Fachstellen des Bundes raschen Wiederherstellung stellen. Zu diesen Sofortmassnahmen gehörten auch vor- kurz nach den Ereignissen vom August 2005 eine vorläu- des genau gleichen Zustands, gezogene präventive Massnahmen, um bestehende fige Liste mit Handlungsgrundsätzen verbreitet. Schlagwort- der in einem bestimmten Sicherheitsdefizite möglichst rasch zu beheben. artig lässt sich ihr Inhalt unter dem Motto «Die raschen Lö- Gebiet vor einem schaden- Unter grossem Zeitdruck und ohne umfassende Abklä- sungen von heute dürfen nicht zum Problem von morgen reichen Hochwasser bestanden rungen mussten weitreichende Entscheidungen gefällt werden» zusammenfassen: hatte. Vielmehr geht es in werden, denn die Betroffenen erwarteten schnelle und ver- • Der beanspruchte Gewässerraum ist freizuhalten, der dieser Phase um den vorläu- bindliche Antworten über die Zukunft ihrer Häuser und Be- Raumbedarf der Fliessgewässer zu respektieren (ge- figen Schutz der betroffenen triebe. Dabei ging es vor allem um das weitere Vorgehen, mäss den Grundsätzen, die in den Wasserbaugesetzen Gebiete, um die angemessene die entsprechenden Baubewilligungsverfahren, die Dauer des Bundes und der Kantone festgeschrieben sind). Dem- Sicherung der Lebensräume der Instandstellungen und deren Finanzierung. nach soll an Gewässerstrecken mit seitlicher Erosion das und um die Sicherstellung Für die Behörden aller Stufen bestand die grösste Heraus- neu entstandene, breitere Abflussprofil dauerhaft erhal- von Infrastrukturen. forderung während dieser Phase in der Koordination un- ten bleiben. terschiedlichster und zum Teil widersprüchlicher Interessen. • Das nächste Hochwasser kommt bestimmt, deshalb sind Dabei offenbarte sich in einigen Fällen eine mangelnde Überschwemmungsflächen und Abflusskorridore Vernetzung der verschiedenen Entscheidungsstufen, und ebenfalls dauerhaft raumplanerisch zu sichern. entsprechend gab es Konflikte bei der Gefahren- und Risiko- • Zerstörte oder stark beschädigte Bauten und Anlagen, beurteilung und bei der Massnahmenplanung. die dem Aufenthalt von Mensch oder Tier dienen, dürfen ohne vorgängige und umfassende Gefahren- und Risikobeurteilung nicht leichtfertig wiederaufgebaut werden. • Dort, wo Bauten oder Anlagen beschädigt wurden, sind ganz generell permanente Objektschutzmassnah- men anzuordnen. • Gefahrenkarten sind strikt zu berücksichtigen und dort, wo sie noch nicht vorhanden sind, mit höchster Glyssibach im August 2005 Priorität auszuarbeiten. Raumbedarf gemäss Hochwasserschutzprojekt 2007 Schweizer Luftwaffe; Vorlage Profil: Kanton Bern In der Phase der Regeneration dürfen keine Präjudizien geschaffen werden. Der langfristige Schutz vor Hochwas- ser und anderen Gefahren der Natur erfolgt erst in der Phase der Vorbeugung (auf der Grundlage einer vertieften Gefahren- und Risikobeurteilung). Dabei hat die Sicherung des Raumbedarfs, der nach den Ereignissen vom August 2005 an vielen Orten augenfällig geworden ist, eine hohe Priorität (links, Beispiel Glyssibach in Brienz BE).
17 Zusammenarbeit verbessern Notfallkonzepte zur Überbrückung Die Phase der Regeneration beginnt unmittelbar nach Ab- Durch beschädigte oder zerstörte Schutzbauten entstehen schluss der Interventionen, die zur Bewältigung eines Hoch- Schutzdefizite, die möglichst rasch zu beheben sind. Zu- wassers nötig geworden sind. Für diesen Übergang von vor stellt sich aber jeweils die Frage, ob eine reine Wie- einer Phase zur nächsten fehlen aber mancherorts klare derherstellung wirklich sinnvoll sei. Auch im August organisatorische Regeln. Hier gilt es, Strukturen und Ab- 2005 waren viele Bauwerke betroffen, die schon vor lan- läufe zu institutionalisieren und die Zusammenarbeit aller ger Zeit erstellt worden sind. Seither hat sich das Wissen Beteiligten zu verbessern. über die vorhandenen Gefahren, die dadurch ausgelösten Hochwasserschutz ist eine Verbundaufgabe, an der viele Prozesse und die zu berücksichtigenden Risiken massgeb- Akteure mitwirken: einerseits die Behörden und Fachstellen lich weiterentwickelt. auf allen Stufen (bei den Gemeinden, bei den Kantonen und An jedem Schadenplatz sind deshalb die Ursachen zu klä- beim Bund), andererseits private Büros, Versicherungen, Um- ren, die zur Beschädigung oder sogar Zerstörung des be- weltorganisationen sowie die unmittelbar Betroffenen. treffenden Bauwerks geführt haben. Diese Abklärungen Tragfähige Lösungen, die eine breite Akzeptanz finden, sowie die Projektierung und die Realisierung von Folge- können nur durch ein gemeinsames Vorgehen erreicht projekten brauchen allerdings eine gewisse Zeit. Diese Zeit werden. Das ist eine anspruchsvolle und längst nicht im- lässt sich durch Notfallkonzepte überbrücken, die das be- mer konfliktfreie Aufgabe. stehende Schutzdefizit rasch und wirkungsvoll reduzieren. Das schafft den nötigen Freiraum zur Ausarbeitung von tragfähigen Lösungen, die einen langfristigen Schutz sicherstellen. Handlungsgrundsätze bei einem Wildbach Handlungsgrundsätze bei einem Talfluss Buoholzbach bei Dallenwil NW am 23. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) Engelberger Aa oberhalb von Wolfenschiessen NW am 23. August 2005 (Schweizer Luftwaffe) Keine Instandstellung ohne umfassende Gefahrenbeurteilung Objektschutz Geschiebesammler Gewässerraum definieren Die grösste Herausforde- rung ist die Ausarbeitung robuster und überlastbarer Schutzkonzepte. Der für den Überlastfall vorgesehene Raum ist von Bauten und Abflusskorridor freihalten Anlagen freizuhalten. Dort, Gewässerraum definieren wo das nicht möglich ist, sind die betroffenen Bauten und Anlagen objektweise zu schüt- zen (Prinzipskizzen links).
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