Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen

Die Seite wird erstellt Norbert Herold
 
WEITER LESEN
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
Sonderausgabe

   WEIZEN

   Hoffnungsträger
   Züchtung

      In Kooperation mit

Zuchterfolge | Hybridzüchtung | Sortenwahl
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
DLG.
ZUKUNFT LANDWIRTSCHAFT

                 MITTEILUNGEN

 Schärfer beobachten
 Weiter denken
 Erfolgreich handeln

 Ihr Agrarmagazin!

                       Bestellung und Information!
                       Service-Telefon: 0 25 01/8 01 14 20
                       E-Mail: dlg-mitteilungen@lv.de
                       www.dlg-mitteilungen.de
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
AUFTAKT

                                                           Fit für die
                                                           Zukunft?!
                                                                           Das Bild der Landwirtschaft von mor-
                                                                         gen aus Sicht der Gesellschaft ist klar vor-
                                                                         gezeichnet: möglichst bunte Kulturland-
                                                                         schaften und deutlich weniger chemische
                                                                         Pflanzenschutzmittel und Dünger. Schon
                                                                         allein das ist eine Herkulesaufgabe. Und
                                                                         dabei soll natürlich eine gute und sichere
                                                                         Versorgung mit qualitativ hochwertigen
                                                                         Nahrungsmitteln nicht auf der Strecke
Foto: Rutt

                                                                         bleiben. Hinzu kommen die Auswirkun-
                                                           Katrin Rutt
                                                                         gen des Klimawandels. Wie sollen die
                                                                         Landwirte all das stemmen, wenn sie
                                                                         dabei weiterhin Geld verdienen wollen?
             INHALT                                                        Egal ob die europäische Farm to Fork-
                4
               Zuchterfolge                                              Strategie oder die deutsche Ackerbaustra-
             	Gut gewappnet       für die Zukunft                       tegie – vonseiten der Politik ist eine der
                                                                         ersten Antworten auf die vielfältigen
              8 Resistenzen
                                                                         Herausforderungen immer die Züchtung.
             	Multitalente gesucht!
                                                                         In sie werden fast schon euphorische
             11 Hybridweizen                                             Hoffnungen gesetzt. Auf der einen Seite
                Wie weit ist die Züchtung?                               freut das die Züchter natürlich. Auf der
             14 Interview                                                anderen Seite setzt sie diese hohe Erwar-
                »Wir müssen in viele Richtungen denken«                  tungshaltung aber auch enorm unter
             16 Genomeditierung I                                        Druck. Denn bekanntlich braucht es für
             	Neuer Turbo für die Züchtung                              die Entwicklung einer neuen Sorte schon
             18 Genomeditierung II                                       mal 10 bis 15 Jahre.
             	Bremsklotz Gentechnikdebatte                                Doch wie steht es eigentlich um den
                                                                         Zuchtfortschritt bei unserer wichtigsten
             22 Sortenwahl
                                                                         Kultur? Zuletzt hörte man recht häufig
             	Müssen Sie neu denken?
                                                                         von stagnierenden Praxiserträgen und
             24 Pflanzenschutz                                            zunehmenden Problemen mit Krankhei-
             	In der Kombination liegt der Schlüssel                    ten und Schädlingen. Welches Potential
             28 Ernährung                                                schlummert hier noch in der Genetik?
             	Macht Weizen krank und dick?                              Tatsache ist, dass die Weizenzüchtung in
                                                                         Deutschland in den letzten Jahrzehnten
                                                                         beeindruckende Erfolge erzielt hat. Wo
                                                                         wir aktuell stehen, und wie die Züchter
                                                                         weiteren Fortschritt realisieren wollen
                                                                         soll Ihnen dieses Heft vermitteln.
               Impressum
               »Weizen: Hoffnungsträger Züchtung«
               erscheint im Juni 2021 als Sonderheft der
               DLG-Mitteilungen.
               Redaktion: Katrin Rutt
               © 2021 Max-Eyth-Verlag, Frankfurt

             Foto der Titelseite: landpixel

                                                                                      DLG-Mitteilungen | Sonderheft    3
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
ZUCHTERFOLGE

Gut gewappnet
                                                                                          Jahren (2014/ 15 bis 2016/ 17) mit einer
                                                                                          zusätzlichen Behandlungsstufe detailliert
                                                                                          untersucht. Dazu erfolgte in den Parzellen
                                                                                          ohne Pflanzenschutzbehandlungen eine

für die Zukunft
                                                                                          künstliche Infektion mit Gelbrost, Braun-
                                                                                          rost und Fusarium und eine natürliche In-
                                                                                          fektion mit Echtem Mehltau. Die Entwick-
                                                                                          lung jeder Krankheit bis zur maximalen
                                                                                          Ausprägung wurde in etwa 14-tägigen Ab-
                                                                                          ständen als prozentualer Befall bestimmt.
Hohe Anforderungen an den Umweltschutz sowie zunehmende                                      Mit diesen Feldversuchen hat das For-
                                                                                          scherteam eine umfangreiche Daten-
Wetterextreme: Ist die Weizenzüchtung unter diesen neuen                                  grundlage zur Einschätzung der Effekte
Vorzeichen noch auf dem richtigen Weg? Das haben Wissenschaftler                          der Züchtung hinsichtlich Resilienz und
                                                                                          Nachhaltigkeit der Weizenproduktion ge-
verschiedener Institutionen in einer umfangreichen Studie                                 schaffen.
untersucht.
                                                                                            Züchtungsbedingter Ertragsanstieg un-
                                                                                          ter allen pflanzenbaulichen Intensitäten.
                                                                                          Das Gesamtergebnis zeigt, dass die Erträ-

K
                                                                                          ge der Weizensorten unterschiedlicher
        önnen wir bei unserer wichtigsten     Winterweizensorten aus den Zulassungs-      Qualitätsgruppen bis heute züchtungsbe-
        Kultur auch weiterhin mit steigen-    jahren zwischen 1966 und 2013 unter         dingt kontinuierlich ansteigen. Im Mittel
den Erträgen rechnen, oder ist die Weizen-    drei bzw. vier (Standort Quedlinburg)       verbessern sie sich um mehr als 30 kg pro
züchtung am Ende? Offizielle Statistiken      pflanzenbaulichen Intensitäten in zwei      ha und Jahr. Diese Entwicklung setzt sich
zeigen seit einigen Jahren eine Stagnation    Jahren (2014/ 15 und 2015/ 16) an jeweils   bis heute ungebrochen fort. Für die letzten
der Praxiserträge. In Anbetracht der aktu-    sechs unterschiedlichen Standorten ge-      fünf Dekaden bedeutet das: Rund 1,5 t/ha
ellen Herausforderungen im Bereich des        prüft (Übersicht). Der Einfluss der wich-   Mehrertrag wurden allein durch bessere
Pflanzenschutzes, der Düngung und der         tigsten pilzlichen Pathogene wurde am Ju-   Genetik erzielt. Die Ergebnisse belegen,
klimatischen Veränderungen drängt sich        lius Kühn-Institut in Quedlinburg in drei   dass sich auch unter diesen extensiven Be-
die Frage auf: Welchen Einfluss hat die
Sortenwahl auf die Leistungsfähigkeit bei
unterschiedlichen pflanzenbaulichen In-
                                                                  Foto: Zetzsche

tensitäten?

  Um allein das genetische Potential von
Sorten bewerten zu können, sind Verglei-
che unter gleichen Anbaubedingungen
entscheidend. Anders als Beobachtungen
aus der Praxis, in der grundsätzlich unter-
schiedliche Umwelt- und Management-
faktoren zugrunde liegen, ermöglichen
die Beschreibende Sortenliste und die Er-
gebnisse der Landessortenversuche eine
bestmögliche Vergleichbarkeit der aktuel-
len Sorten.
  Für die Beantwortung der Frage, wie die
Züchtung langfristig mit unterschiedlichen
pflanzenbaulichen Intensitäten in Wech-
selwirkung steht, kommt aber selbst das
übliche Sortenprüfwesen an seine Gren-
zen. Denn dort werden nur die neuesten
Sorten mit den Verrechnungssorten vergli-
chen – und dies in der Regel nur unter ei-
ner N-Düngestufe mit zwei extremen Fun-
                                                    Gesundheitlich
gizidstrategien.                              zeigten sich extreme
  Daher haben wir in einem nationalen          Sortenunterschiede
Verbundprojekt (»BRIWECS« – Pflanzen-                        in der
züchterische Innovationen bei Weizen für            unbehandelten
resiliente Anbausysteme) 191 bedeutende                   Variante.

4    DLG-Mitteilungen | Sonderheft
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
dingungen ein Zuchtfortschritt zeigt, der                   Intensitätsstufen, unter denen alle 191 Sorten an
meist sogar stärker ausgeprägt ist als unter
voller pflanzenbaulicher Intensität.
                                                            6 Standorten in 2 Jahren geprüft wurden
   Betrachtet man sämtliche Sorteneigen-                             Pflanzenbauliche              N-Düngung        Fungizid- und Insektizid-
schaften in der niedrigsten pflanzenbauli-                               Intensität                 (inkl. Nmin)            einsatz
chen Intensität relativ zu der mittleren                                    hoch                  220 kg N/ha          ortsüblich intensiv
Leistung von Sorten vor 1970, wird er-
kennbar, dass der um fast 25 % gesteigerte                    mittel ohne Fungizid/ Insektizid    220 kg N/ha                   /
Ertrag durch eine Kombination aus gestie-                      mittel mit Fungizid/ Insektizid*   110 kg N/ha          ortsüblich intensiv
gener Gesamtbiomasse und erhöhtem
                                                                           gering                 110 kg N/ha                   /
Ernteindex (Korn/ Pflanzenmasse-Verhält-
nis) resultiert (Grafik 1, Seite 6). Letzteres              *nur am Standort Quedlinburg
ist maßgeblich auf eine höhere Kornzahl
pro Ähre zurückzuführen und nicht durch
eine stärkere Bestockungsneigung oder            steigerte Blütchenfertilität haben. Die          benachbarten unbewässerten Variante gibt
ein gesteigertes TKG zu erklären.                Gründe dafür sind vielfältig. Als Erklärung      darüber Aufschluss (Grafik 2, Seite 6). Im
   Ferner haben wir die Verteilung der Kör-      können eine erhöhte Source-Kapazität             Mittel führte der Trockenstress in dem Ver-
ner entlang der Ähre insbesondere pro            (Biomasse) sowie eine verbesserte Sink-          such zu einer signifikanten Ertragsredukti-
Spindelstufe untersucht, um tiefere Einbli-      Kapazität (erhöhte Einkörnungseffizienz)         on von ca. 2 t/ha. Eine Korrelation der Er-
cke darüber zu bekommen, welche Teile            dienen. Diesbezüglich sind aber weitere          träge unter Trockenstress mit denen unter
der Ähre zur Bildung der finalen Kornzahl        Untersuchungen erforderlich.                     Bewässerung deutet sehr stark darauf hin,
pro Ähre beitragen. Für 52 repräsentative                                                         dass Sorten, die ohne Wassermangel zu
Weizensorten ergab sich folgendes Bild:             Wie reagieren Sorten unterschiedlicher        den ertragsstärksten gehören, auch unter
Moderne Sorten weisen zum einen durch-           Dekaden der Zulassung auf Trocken-               Trockenstress in dieser Gruppe zu finden
schnittlich erhöhte Kornzahlen pro Ähr-          stress? Diese Frage ist mit Blick auf die        sind (Grafik 2). Dennoch besteht bezüg-
chen auf. Zum anderen verfügen vor allem         Witterung in den vergangenen drei Jahren         lich der weiteren Verbesserung der Tro-
die Ährchen im zentralen und apikalen            aktueller denn je. Der Anbau der 191 ge-         ckenstresstoleranz – insbesondere in Kom-
Bereich der Ähre über höhere Kornzahlen.         prüften Sorten unter voller pflanzenbauli-       bination mit Hitzestress – weiterer
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass         cher Intensität in jeweils einer bewässer-       Forschungsbedarf.
moderne Sorten eine vergleichsweise ge-          ten im Vergleich zu einer direkt
                                                                                                     Substantielle Verbesserungen der Resis-
                                                                                                  tenzen. Eine höhere N-Düngung hatte er-
                                                                                                  wartungsgemäß einen stärkeren Befall mit
                                                                                                  allen vier Pilzkrankheiten zur Folge. Im
                                                                                                  Mittel ist bei einer sichtbaren 1 % igen
                                                                                                  Schädigung des Gewebes mit einem Ver-
                                                                                                  lust des Kornertrages von 78 kg/ha (bei
                                                                                                  110 kg N/ha) bzw. 93 kg/ha (bei 220 kg N/
                                                                                                  ha) zu rechnen.
                                                                                                     Über die Dekaden konnten wir eine
                                                                                                  deutliche Verbesserung der Resistenz ge-
                                                                                                  gen Pilzkrankheiten für beide Düngungs-
                                                                                                  niveaus feststellen. Die Anfälligkeit gegen
                                                                                                  Echten Mehltau verringerte sich durch die
                                                                                                  Züchtung durchschnittlich um 1,4 %, ge-
                                                                                                  gen Braunrost um 1,1 % und gegen Gelb-
                                                                                                  rost um 0,9 % pro Jahr. Die Anfälligkeit ge-
                                                                                                  gen Ährenfusarium konnte jedoch nur um
                                                                                                  eine mittlere jährliche Rate von 0,3 % ge-
                                                                                                  senkt werden.
                                                                                                     Trotz des durch künstliche Inokulation
                                                                                                  provozierten starken Infektionsdrucks sind
                                                                                                  die modernen Sorten deutlich wider-
                                                                                                  standsfähiger als ältere Sorten. Der Resis-
                                                                                                  tenzfortschritt ist zudem ungebrochen
                                                                                                  (Grafik 3, Seite 7). In der Summe aller
                                                                                                  Krankheiten zeigen sich keine Tendenzen
                                                                                                  einer Verlangsamung. Die Ergebnisse be-
                                                                                                  legen damit nicht nur den Erfolg der Resis-
                                                                                                  tenzzüchtung, sondern auch die stabilisie-

                                                                                                         DLG-Mitteilungen | Sonderheft    5
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
ZUCHTERFOLGE

rende Wirkung auf den Ertrag. Ferner                              Grafik 1: Zuchtfortschritt für 16 Sortenmerkmale*
bestätigen sie die vorherrschende Zulas-
sungspraxis durch das Bundessortenamt.                                                                   Kornertrag
                                                                                          StayGreen                      Biomasse
                                                                                                            25
                                                                                                            20
   Besonders interessant: Der jährlich rea-                          Stickstoffeffizienz                                              Ernteindex
                                                                                                             15
lisierte Zuchtfortschritt fällt in der Varian-
                                                                                                             10
te ohne Fungizid bei gleichzeitig hoher                                                                       5
N-Düngung noch höher aus als in der in-                              Proteinertrag                                                        Pflanzenhöhe
                                                                                                             0
tensiv geführten Variante. Die Erklärung                                                                    –5
dafür liefert die Bonitur der Krankheitsan-                                                                – 10
                                                                   Protein-                                – 15
fälligkeit der Sorten (hier maßgeblich                                                                                                       Ähren/m2
                                                                   konzentration
Gelbrost). Durch die ausbleibende Fungi-
zidbehandlung kommt dem Resistenzpro-
fil der Sorten eine größere Bedeutung zu.                                   Fallzahl                                                      Körner/Ähre
Die Datenauswertung lässt erkennen, dass
Sorten, die eine höhere Ertragsleistung re-
alisieren, ein deutlich gestiegenes Resis-                                Sedimentationswert                                       TKG
tenzniveau aufweisen.
                                                                                          Termin                Mehltauresistenz
   Die weitverbreite Annahme, dass die
                                                                                          Ährenschieben
Züchtung die Resistenz gegenüber Krank-                                                            Gelbrostresistenz
heiten eher vernachlässigt habe und Wei-
zensorten an den intensiven Pflanzen-                                     < 1970
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
von sollten Sie jedoch Abstand nehmen.
Die Befürchtung, dass Züchtung zu einer
starken Einschränkung der genetischen
                                                                                         Fazit
Variation in der Gruppe neuerer im Ver-                                                    Die Ergebnisse der Studie belegen einen anhaltenden Zuchtfort-
gleich zu älteren Sorten führen würde, hat                                               schritt. Da dieser aber in den stagnierenden Praxiserträgen nicht sicht­-
sich in genetischen Analysen der unter-                                                  bar wird, kann gefolgert werden, dass ohne diesen Zuchtfortschritt die
suchten Sorten nicht bestätigt.                                                          Praktiker mit hoher Wahrscheinlichkeit stärkere Ertragsrückgänge ver-
   Um Missverständnisse zu vermeiden:                                                    zeichnen müssten. Neben den klimatischen Bedingungen verhindern
Altes und diverses Zuchtmaterial kann für                                                vermutlich auch einige betriebliche Gegebenheiten steigende Erträge.
Züchter eine wichtige Quelle genetischer                                                 So sollten Sie innerbetrieblich fortwährend kritisch prüfen, inwiefern die
Vielfalt für bestimmte Merkmale sein und                                                 Frequenz und Stellung des Weizens in der Fruchtfolge sowie ein ange-
stellt somit ein hohes Gut dar, das erhalten                                             passtes Management neu ausgerichtet werden müssen.
werden muss. Zur Erreichung von Nach-
haltigkeitszielen im praktischen Anbau
sind ältere Sorten jedoch wenig geeignet.
                                                                          jedem einzelnen einen hohen Selektions-                                         jedoch eine Beschleunigung des Fort-
   Züchtung bedeutet immer, Merkmals-                                     erfolg zu erzielen. Wird einigen Merkma-                                        schritts wünschenswert. Neben dem routi-
kombinationen zu verbessern. Die Eig-                                     len ein noch stärkeres Gewicht beigemes-                                        nemäßigen Einsatz genomischer Zucht-
nung des Sortenangebotes ist nicht an Er-                                 sen, erschwert dies das gleichzeitige                                           wertschätzungen und einer besseren
trag oder Einzelmerkmalen allein zu                                       Erreichen der Ziele in anderen Merkmalen                                        Einschätzung der Interaktion mit der Um-
bewerten, denn letztendlich entscheiden                                   oder erfordert einen entsprechend größe-                                        welt sollten dafür die Potentiale neuer
Merkmalskombinationen über die Eig-                                       ren Aufwand je Züchtungszyklus.                                                 Züchtungsmethoden wie z. B. CRISPR/ Cas
nung der Sorte für den Anbau. Es ist sogar                                  Der Züchtung ist es bisher gelungen,                                          deutlicher ausgeleuchtet werden.
erforderlich, solche Eigenschaften züchte-                                wichtige Merkmale gut zu kombinieren.
risch zu verbessern, die in vielen Jahren                                 Und man kann auch zukünftig erwarten,                                             Dr. Holger Zetzsche, Dr. Andreas Stahl,
gar nicht, in manchen Jahren aber beson-                                  dass die Genetik einen wesentlichen He-                                          Prof. Dr. Frank Ordon, JKI, Quedlinburg;
ders gefordert sind (z. B. Winterhärte).                                  bel zur nachhaltigen Sicherung hoher                                             Dr. Benjamin Wittkop, Prof. Dr. Wolfgang
Wenn allerdings mehr(ere) Merkmale ad-                                    Weizenerträge darstellt. Für eine schnelle-                                                 Friedt, Prof. Dr. Rod Snowdon,
ressiert werden sollen, fällt es schwerer, in                             re Verbesserung der Nachhaltigkeit wäre                                                                  Universität Gießen

Grafik 3: 50 Jahre Züchtungsfortschritt gegen wichtige Schaderreger
                                                      Gelbrost                                                                                         Braunrost
                             30                                                                                             25
                                  110 kg N/ha: – 0,9 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 1 %/Jahr                                              110 kg N/ha: – 1 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 1,2 %/Jahr
                             25
                                                                                             % befallene Blattfläche

                                                                                                                            20
  % befallene Blattfläche

                             20
                                                                                                                            15
                             15
                                                                                                                            10
                             10

                              5                                                                                              5

                              0                                                                                              0
                                   1970       1980        1990       2000       2010                                                1970        1980        1990       2000       2010

                                                 Echter Mehltau                                                                                        Ährenfusarium
                             20                                                                                              8
                                  110 kg N/ha: – 1,5 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 1,4 %/Jahr                                           110 kg N/ha: – 0,3 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 0,3 %/Jahr
    % befallene Blattfläche

                                                                                                     % Gesamtbefall Ähren

                             15                                                                                              6

                             10                                                                                              4

                              5                                                                                              2

                              0                                                                                              0
                                   1970        1980       1990       2000        2010                                               1970       1980        1990        2000             2010
                                              Jahr der Sortenzulassung                                                                         Jahr der Sortenzulassung

                                                                                                                                                                   DLG-Mitteilungen | Sonderheft    7
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
RESISTENZEN

Multitalente gesucht!
Wegen der zunehmenden Einschränkungen im Pflanzenschutz gilt es mehr
denn je, möglichst viele Resistenzen in eine Sorte zu packen. Thomas Miedaner
und Kerstin Flath zeigen, wie weit die Züchtung bei Weizen ist.

D      er Klimawandel, der sich gerade
       vor unseren Augen abspielt, verän-
dert den Krankheits- und Schädlingsdruck.
                                             le Resistenzen in einer Sorte vereinigt. Sol-
                                             che Sorten gibt es zwar schon, sie sind bis-
                                             her aber eher zufällig entstanden.
                                                                                             gleichzeitig auf derselben Parzelle bewer-
                                                                                             tet. Da die Sortimente sehr breit aufgestellt
                                                                                             sind, ergeben sich für jede Krankheit gro-
Die unerwartet starken Gelbrostepidemi-                                                      ße genetische Unterschiede (Grafik 1).
en 2014 bis 2016 und die regionale             Wie lassen sich multiresistente Sorten           40 % der Sorten erwiesen sich als resis-
Schwarzrostepidemie 2013 haben ein-          mithilfe von molekularen Markern geziel-        tent gegen Gelbrost (Bonitur 1 – 3). Beim
drücklich gezeigt, wie bis dato nur unre-    ter finden? Das untersuchen wir in dem          Schwarzrost waren es nur 9 %, bei Ähren-
gelmäßig bzw. gar nicht auftretende          BMEL-geförderten Projekt »GetreidePro-          fusariosen 12 %. Im Gegenzug gab es bei
Schad­erreger plötzlich gefährlich werden    tekt« in Zusammenarbeit mit dem Julius-         Ährenfusariosen aber nur zwei sehr anfäl-
können. Neben den Rosten fördert die Er-     Kühn-lnstitut und zwei Weizenzüchtern.          lige Sorten, während es beim Schwarzrost
wärmung auch Ährenfusariosen. So lange       Dafür werden zunächst größere Weizen-           110 Sorten waren. Der geringe Anteil an
ausreichend Feuchtigkeit zur Infektion       und Triticale-Sortimente mit einer Vielzahl     Schwarzrostresistenz im Weizensortiment
vorhanden ist, werden die genannten Pilz-    von DNA-Markern geprüft. Dann infizie-          könnte künftig gefährlich werden, wenn
krankheiten eher zu als abnehmen. Jetzt      ren wir die Bestände an mehreren Orten          sich die Krankheit aufgrund des Klima-
kommt es darauf an, die Weichen für eine     mit Gelb- und Schwarzrost sowie Ähren-          wandels auch bei uns weiter ausbreitet.
Entwicklung zu stellen, die möglichst vie-   fusariosen. Alle Resistenzen werden             Wir wissen, dass sich Weizenschwarzrost

                                                                                                                  Foto: landpixel

                                                                                                                            Unter anderem
                                                                                                                            die Resistenz
                                                                                                                            gegen Gelbrost ist
                                                                                                                            spätestens seit
                                                                                                                            den Epidemien von
                                                                                                                            2014 bis 2016 ein
                                                                                                                            wesentliches
                                                                                                                            Zuchtziel geworden.

8    DLG-Mitteilungen | Sonderheft
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
Grafik 1: Resistenzen von 280 Weizensorten*
                            Häufigkeit
                      150

                      100

                       50

                        0
                             1   2    3     4   5    6   7   8   9          1     2 3 4 5 6 7 8                     9           1    2    3    4   5    6    7    8   9
                                     Gelbrost-Bonitur                             Schwarzrost-Bonitur                               Ährenfusarium-Bonitur

                                                                                * über drei bis vier Orte 2019; 1 – 3 = resistent, 4 – 6 = mäßig resistent, 7 – 9 = anfällig

auch in Deutschland auf dem Zwischen-                        Züchtungsprogrammen zusammen. Gelb-                           leren Bereich, wenige sind exzellent. Ge-
wirt Berberitze vermehrt und dort neue                       rostresistenz ist spätestens seit den Epide-                  gen Schwarzrost gibt es dagegen bisher
Rassen entwickelt. Bei Sommerweizen                          mien von 2014 bis 2016 ein wichtiges                          keine Bestrebungen der Züchter, da diese
finden sich in Mitteldeutschland bereits                     Zuchtziel. Und da die Resistenz recht ein-                    Krankheit derzeit in Deutschland bei Wei-
häufiger Infektionen. Bei Winterweizen                       fach vererbt wird, gibt es eben sehr viele                    zen nur sporadisch auftritt. Die wenigen
scheint die zeitliche Anpassung von Wirt                     resistente Sorten. Außerdem haben sich                        Resistenzen, die wir finden konnten, be-
und Erreger noch nicht zu stimmen. Aber                      die anfälligen Genotypen während dieser                       ruhten auf zwei einzelnen Genen, die in-
wir dürfen nicht die Anpassungsfähigkeit                     Zeit schon selbst im Zuchtgarten »ausge-                      ternational verwendet werden und in
von Schaderregern unterschätzen. Dies il-                    schaltet«.                                                    Deutschland noch wirksam sind. Deren
lustriert der Gelbrost, der früher nur im                       Auch für Resistenz gegen Ährenfusario-                     Träger wurden wahrscheinlich aus ande-
maritim-kühlen Klima vorkam und heute                        sen gibt es schon seit Langem intensive                       ren Gründen eingekreuzt, und die Resis-
bis Norditalien und Spanien infiziert.                       Anstrengungen. Allerdings ist deren Verer-                    tenzgene hielten sich im Material, obwohl
                                                             bung sehr komplex, umweltabhängig und                         sie bisher kaum gebraucht werden.
  Unterschiedliche Schwerpunkte in der                       nur schwer in Einklang mit anderen Zucht-
Züchtung. Die unterschiedliche Resistenz­                    zielen wie Kurzstrohigkeit, Frühreife oder                       Spannend ist jetzt die Frage, wie viele
ausstattung hängt mit der unterschiedli-                     Kornertrag zu bringen. Deshalb befindet                       von den 280 Sorten Resistenzen gegen al-
chen Behandlung der Krankheiten in den                       sich hier die Mehrzahl der Sorten im mitt-                    le drei Krankheiten enthielten. Dafür
                                                                                                                           müssen die Resistenzeinstufungen stan-
                                                                                                                           dardisiert werden, um sie vergleichbar zu
                                                                                                                           machen (Grafik 2). Wenn eine Sortenresis-
Grafik 2: Sorten mit Mehrfachresistenzen                                                                                    tenz für eine Krankheit genau dem Mittel-
                                                                                                                           wert des Sortiments entspricht, erscheint
verglichen mit drei hochanfälligen Sorten                                                                                  sie nicht in der Grafik. Je negativer der
                                                                                                                           Wert, desto höher die Resistenz. Abgese-
              Standardisierte Mehrfachresistenz                              Wuchshöhe (cm)
                                                                                                                           hen von den drei hoch anfälligen Sorten
 anfällig

              8                                                                                 140                        sind die aufgeführten Sorten gegen alle
              6                                                                                 120                        drei Krankheiten überdurchschnittlich re-
              4                                                                                 100                        sistent.
                                                                                                                              Die Sorte mit der höchsten mehrfachen
              2                                                                                 80
                                                                                                                           Resistenz, Anapolis, ist für Ährenfusario-
              0                                                                                 60                         sen auch die beste Sorte im Sortiment. Sie
             –2                                                                                 40                         hatte in den vergangenen Jahren als C-
             –4
                                                                                                                           Weizen eine große Anbauverbreitung, da
                                                                                                20
                                                                                                                           sie auch relativ kurz ist und einen guten
             –6                                                                                 0
 resistent

                                                                                                                           Kornertrag erzielte. Ähnlich ist es mit der
                  Sp olis
                          tan

                           ro

                      As r
                   Ax rad

                            d
                 Se sion

                 He ory
                    Pa O

                    Sk lis
                    Ve ier

                     es l
                 gr Piko

                            a

                           ki
                  Ka rgas

                         ley
                            r
                          xe
                  pr pa

                                                                                                                           älteren Sorte Piko. Pilgrim PZO hatte da-
                        on
                         m

                       ate
                       PZ

                        tu
                       Vi

                       va
                       m
                      on

                      Eli
                       e
                      ap

                      ak
              Im O
                      io

                     lm
                     na
                     m

                   No
                   im

                                                                                                                           gegen nur eine geringe Vermehrungsflä-
                   O
                  An

                                                                                                                           che, da er trotz zusätzlicher Resistenz ge-
             Pil

                                          Gelbrost                   Schwarzrost                                           gen bodenbürtige Viren und einer
                                          Ährenfusariosen            Wuchshöhe                                             exzellenten Backqualität (Stufe E) einen zu
                                                                                                                           geringen Kornertrag hat.

                                                                                                                                    DLG-Mitteilungen | Sonderheft    9
Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
RESISTENZEN

                                                               Grafik 3. Direktkostenfreie Leistungen von B-Sorten
                                                               ohne bzw. mit Fungiziden und Wachstumsreglern*

                                                                   Direktkostenfreie Leistung €/ha
                                                                   1900

                                                                   1800

                                                                   1700

                                                                   1600

                                                                   1500

                                                                   1400
                                                                               o          er          lk
                                                                                                        e         ad         us       en
                                                                                                                                         t              al           en
                                                                                                                                                                        t
                                                                                                                                                                                 ar
                                                                                                                                                                                    k
                                                                            sin         m           Se          er       r th                        tik            l
                                                                          pe         or                      am        Po         gu
                                                                                                                                     m
                                                                                                                                              Ve
                                                                                                                                                 r               Ta          ch
                                                                                                                                                                                m
                                                                                   nf          SU                                                            S
                                                                     Ca
                                                                       m          I                         K                   Ar       LG                KW           Be
                                                                                                                                                                            n

                                                                                      ohne F/ WR                       mit F/ WR

                                                                                                                         * gemittelt über 30 bzw. 32 Orte 2019 + 2020
                                                                                                                                          Quelle: LSV Niedersachsen

                                                       Ein weiterer wichtiger Punkt ist die                            konsequente Selektion. Zur Klärung dieser
                                                    Wuchshöhe. Generell ist es einfacher, lan-                         Frage soll unser Projekt beitragen.
                                                    ge, resistente Sorten zu züchten. Deshalb
                                                    fanden wir in unserem Versuch einen                                  Tatsächlich ist die wirtschaftlichste Sor-
                                                    deutlichen Zusammenhang zwischen                                   te nicht die mit dem höchsten Kornertrag,
                                                    Wuchshöhe und Befall mit Ährenfusario-                             sondern die gesündeste, die am wenigsten
                                                    sen (siehe Grafik 2). Ein Grund dafür ist,                         Pflanzenschutzmittel benötigt, und trotz-
                                                    dass die in der Weizenzüchtung weitver-                            dem produktiv ist. So gibt es heute schon
                                                    breiteten Kurzstrohgene Rht1 und Rht2                              Sorten, die zumindest in den trockeneren
                                                    gleichzeitig eine erhöhte Anfälligkeit ge-                         Jahren 2019 und 2020 ohne Fungizid und
                                                    genüber Ährenfusariosen bewirken. Lange                            Wachstumsregler höhere ökonomische Er-
                                                    Sorten finden aber in der Praxis oft nur we-                       löse erzielen als Sorten mit vollem Spritz-
                                                    nig Anklang. Daher ist es wichtig, die Se-                         programm (Grafik 3). So lohnte sich die
                                                    lektion von Mehrfachresistenzen in einem                           intensive Stufe nur bei anfälligeren Sorten.
                                                    laufenden Zuchtprogramm von Anfang an                              Aber ökonomisch betrachtet, hätte der
                                                    im Blick zu haben. Damit kann man von                              Landwirt mit einer resistenteren Sorte oh-
                                                    Beginn an auch auf die Kombination mit                             ne Fungizid und Wachstumsregler die
                                                    Nicht-Resistenzmerkmalen effektiv selek-                           höchsten Erlöse erzielt – und dabei noch
                                                    tieren.                                                            die Umwelt geschont.
                                                       Wissenschaftlich ist noch nicht klar, wo-
                                                    rauf diese Mehrfachresistenzen beruhen.                              Ausblick. Um die Erträge auch in Zu-
                                                    Sie können durch Gene verursacht sein,                             kunft abzusichern, müssen nicht nur die
                                                    die gleichzeitig gegen mehrere Krankhei-                           Pflanzenzüchter umdenken, sondern auch
                                                    ten wirken, durch das Zusammentreffen                              die Landwirte. Sie sollten den Stellenwert
                                                    unterschiedlicher Krankheitsresistenzen                            (multi-)resistenter Sorten neu bewerten.
                                                    im selben Chromosomenabschnitt oder                                Zum Teil tun sie das bereits. In Zukunft
                                      Foto: Flath

                                                    schlicht durch die Anhäufung unterschied-                          kommt es nicht auf die Erzielung der letz-
                                                    licher Resistenzen im Zuchtprozess durch                           ten Dezitonne an, sondern auf eine hohe
                                                                                                                       Produktivität bei möglichst geringem In-
                                                                                                                       put. Daher arbeiten auch die Züchter
                                                                                                                       intensiv weiter an multiresistenten Sorten.
                                             Die Schwarzrostresistenz könnte künftig
                                             an Bedeutung gewinnen, wenn sich die                                          Prof. Dr. Thomas Miedaner, Universität
                                             Krankheit aufgrund des Klimawandels                                                 Hohenheim und Dr. Kerstin Flath,
                                             weiter ausbreitet.                                                                Julius-Kühn-lnstitut, Kleinmachnow

10    DLG-Mitteilungen | Sonderheft
HYBRIDWEIZEN

Wie weit ist
                                                                                          ternlinien zeigen durch die Heterosis
                                                                                          meist eine deutlich bessere Ertragsleistung
                                                                                          als die Eltern (»Hybrideffekt«). Vorausset-
                                                                                          zung ist, dass sich die Genome der Eltern

die Züchtung?
                                                                                          an möglichst vielen Stellen unterscheiden,
                                                                                          aber auch ideal ergänzen. Der Mais ist ein
                                                                                          klassisches Beispiel für die Hybridzüch-
                                                                                          tung. Er besitzt getrennt geschlechtliche
                                                                                          Blüten. Die weiblichen Blüten sitzen in
                                                                                          den Kolben. An der Spitze der Pflanze be-
Bei Roggen und Mais hat sich trotz der höheren Saatgutkosten der                          finden sich die männlichen Blüten (Ris-
                                                                                          pen). Durch das Entfahnen des Maises auf
Anbau von Hybridsorten in der Praxis durchgesetzt. Der Weizen                             dem Feld können einfach männlich sterile
hinkt dieser Entwicklung hinterher. Woran das liegt und welche                            Mutterlinien hergestellt werden. Die be-
                                                                                          nachbarte Vater-Saatreihe bestäubt die
Anstrengungen die Züchter unternehmen, hat Lorenz Hartl                                   nun männlich sterilen Mutterlinien und
zusammengefasst.                                                                          produziert damit das Hybridsaatgut.
                                                                                             Beim Fremdbefruchter Roggen kann die
                                                                                          männliche Sterilität der Mutterlinien nicht
                                                                                          durch Handarbeit erzeugt werden. Über

D
                                                                                          die Einführung einer genetisch bedingten
        er Ertragskraft des Weizens einen      und einem geringen Heterosis-Effekt im     Pollensterilität ist aber auch beim Roggen
        neuen Schub zu verleihen, ist seit     Vergleich zu anderen Kulturen wie Rog-     eine Befruchtungssteuerung möglich. Die-
langem Ziel der Züchter. Beflügelt durch       gen oder Mais. Woran liegt das? Und wie    se sogenannte cytoplasmatische Pollen­
den großen Erfolg in anderen Kulturarten       wollen die Züchter hier weiterkommen?      sterilität (CMS) wird inzwischen bei Mais,
setzen sie dabei große Hoffnungen in die                                                  Gerste und vielen weiteren Arten genutzt
Hybridzüchtung. Letztere reicht beim                                                      und ist in der Züchtungspraxis mit an-
Weizen bis in die 1970er Jahre zurück.
                                               Von Mais und Roggen                        nehmbarem Aufwand handhabbar. Im Fall
Der durchschlagende Erfolg blieb bisher        inspiriert                                 der CMS-Sterilität fehlen dem Cytoplasma
jedoch aus. Der Anbauumfang von Hyb-             Der Erfolg der Hybridzüchtung ist auf    (das ist der Rest der Zelle neben dem Zell-
ridweizen ist in der Praxis noch vergleichs-   den sogenannten Heterosis-Effekt zurück-   kern) wichtige genetische Informationen
weise gering. Die Ursachen dafür liegen        zuführen. Die direkten Nachkommen von      für die Bildung befruchtungsfähiger Pol-
vor allem in den höheren Saatgutkosten         Kreuzungen aus zwei verschiedenen El-      len. Der Vater soll die fehlende genetische
                                                                                                              Foto: BASF

                                                                                                                    Weltweit fließen
                                                                                                                    hohe Summen an
                                                                                                                    Forschungsgeldern in
                                                                                                                    die Hybridzüchtung
                                                                                                                    von Weizen. Daher
                                                                                                                    ist hier in den
                                                                                                                    nächsten Jahren ein
                                                                                                                    deutlicher Fortschritt
                                                                                                                    zu erwarten.

                                                                                              DLG-Mitteilungen | Sonderheft    11
GRUNDÜBERLEGUNGEN

Information durch sogenannte Restorer­                  Zwei Hybridweizensorten im Leistungsvergleich
gene bei der Saatgutproduktion wieder                   (bayerischer Landessortenversuch 2016 – 2020)*
einbringen.
                                                            Rohproteingehalt in %
Weizen hinkt hinterher                                         15
                                                             14,5
   Beim Roggen wurden nach intensiver                          14
Suche männlich sterile Pflanzen gefun-                       13,5
                                                                                                                                    Hyvega (A)
den. Aus diesen bauten die Züchter das                         13
CMS-Hybridsystem auf. Beim Weizen war                        12,5
das nicht möglich, sodass durch Kreuzung                       12
mit weiter verwandten Arten auf der Mut-                     11,5
                                                                                                               Hymalaya (A)
                                                               11
terseite fremdes Cytoplasma eingebracht
                                                             10,5
wurde, das die männliche Sterilität be-
                                                               10
wirkt. Das Cytoplasma von Triticum timo-                            88      90      92   94    96     98    100    102    104   106    108   110
pheephii erzeugte die gewünschte                                                                    Ertrag in dt/ha
Pollensterilität und zeigte nur geringen                                 E-Sorten        A-Sorten       B-Sorten         C-Sorten
Einfluss auf die agronomische Leistungsfä-
higkeit. Zahlreiche Forschergruppen wa-                                   * Hymalaya 2017 – 2019, Hyvega 2019 – 2020, adjustiert. Die Hybride Hyvega
                                                                               kombiniert einen sehr guten Kornertrag mit mittlerem Proteingehalt.
ren in den vergangenen Jahren weltweit
intensiv mit der Züchtung von Elternlini-
en, der Prüfung von Hybriden und den
Versuchen zur Saatgutproduktion be-
schäftigt. Auch an der Bayerischen Lan-      immer wieder ihre Leistungsfähigkeit un-                sicherstellen können. Bei den oft ange-
desanstalt für Landwirtschaft gab es eine    ter Beweis gestellt und rangierten unter                strebten frühen Saatterminen ist auch die
eigene Arbeitsgruppe. Anfang der 80er        den besten Sorten. Im bayerischen Lan-                  Gefahr der Infektion mit Verzwergungsvi-
Jahre wurden die sehr aufwendigen CMS-       dessortenversuch konnten die Liniensor-                 ren gegeben. Zudem ist in den dünnen Be-
Zuchtverfahren eingestellt, da chemisch-     ten aber trotzdem mit der Hybride »Hy-                  ständen die Toleranz gegenüber diesen Vi-
synthetische Gametozide entwickelt           malaya«, die 2018 zugelassen wurde,                     ren geringer.
wurden, die durch einfache Sprit-            mithalten (Grafik). Im Vergleich zu ande-
zung deutlich vor der Weizenblüte            ren Sorten mit vergleichbarem Proteinge-
zur Pollensterilität der Mutterlinien        halt lieferte die Hybridsorte Hyvega (Zu-
                                                                                                     Hybridzüchtung bei Weizen
führen. Sehr gut wirksame und ein-            lassung 2020) deutlich höhere Erträge.                 bleibt aufwendig
fach einzusetzende Mittel wurden                  Die Resistenzzüchtung gestaltet sich                  Idealerweise stehen sich für die Hybrid-
dann aber aufgrund hoher Anwen-                 bei den Hybriden häufig einfacher, weil              züchtung zwei genetische Pools gegen-
dertoxizität verboten. Der Wirkstoff            Resistenzen meist dominant vererbt                   über, die sich als mütter- und väterlicher
Sintofen blieb übrig, der nun schon             werden und so die Hybriden die positi-               Pool ergänzen und dann zu einer hohen
seit Langem in Frankreich zur Saat-             ven Resistenzeigenschaften beider El-                Leistung führen. Beim Mais waren bereits
gutproduktion eingesetzt wird. Seit              tern kombinieren. Gegen Ährenfusari-                durch die Dent- und die Flint-Typen und
2017 ist ›Croisior 100‹ mit diesem               um sind die Hybriden meist besser, da               beim Roggen durch den Petkuser- und den
Wirkstoff auch in Deutschland zur               eine hohe Pollenschüttung und ein er-                Carsten-Formenkreis zu Beginn der Hyb-
Saatgutproduktion zugelassen.                    giebiger Pollenausstoß Grundvoraus-                 ridzüchtung jeweils zwei unterschiedliche
                                                  setzung für Väter bei der Saatgutpro-              Pools vorhanden. Ausgehend von diesen
                                                  duktion sind. Wenn die Pollen                      Pools wurde dann an der Verbesserung der
Leistungsfähigkeit                                 ausgestoßen werden und nicht in der               allgemeinen Kombinationseignung der
der Hybriden                                       Blüte verbleiben, wirkt sich das posi-            beiden genetischen Pools gearbeitet. Eine
  In der Wertprüfung des Bundes-                     tiv auf die Resistenz gegen Ährenfu-            gute allgemeine Kombinationsleistung er-
sortenamtes und in den Landessor-                    sarium aus.                                     möglicht eine einfache Ertragsselektion
tenversuchen haben die Hybriden                                                                      durch ausgewählte Testkreuzungen.
                                                     Höhere Erträge benötigen die Hy-                   Beim Winterweizen sind keine klaren
                                                  bridsorten, um die Mehrkosten für                  genetischen Cluster innerhalb der Sorten
                                                  die Saatgutproduktion zu decken.                   vorhanden, da für die Linienzüchtung im-
Eine hohe Anzahl an Antheren,                      Ökonomisch sinnvoll ist der Einsatz               mer wieder norddeutsche, nord-französi-
die möglichst weit aus der Blüte                    von Hybridsaatgut nur, wenn ge-                  sche und englische Typen mit dichten,
herausstehen: Das ist ein                           ringe Aussaatstärken von etwa                    kompakten Ähren und hoher Kornzahl mit
wichtiges Merkmal für eine                        100 – 190 Körner/m2 möglich sind.                  süd- und ostdeutschen, eher lockerähri-
Weizenlinie, um als Vater für die                 Wichtig ist, dass dies zum Betrieb                 gen Weizen gekreuzt werden. Genetische
Hybridproduktion geeignet
                                                 passt. Die Böden und die Saattechnik                Pools der Elternkomponenten mit hoher,
zu sein.
                                                 müssen eine gute Saatbettvorberei-                  allgemeiner Kombinationseignung konn-
                                                  tung und einen guten Feldaufgang                   ten noch nicht identifiziert werden. Des-
halb müssen die Züchter viele spezifische
Testkreuzungen durchführen und Ertrags-
parzellen anlegen, um die spezifische
                                                            Zwischen Theorie und Praxis
Kombinationsleistung für jede Testkreu-                        Theoretisch sind die Hybridsysteme klar. Aber in der praktischen
zung zu prüfen. Entsprechend der Züch-                      Züchtungsarbeit sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig, damit
tungstheorie sollen Pools im Hinblick auf                   der Saatgutertrag ausreichend und mit geringen Umweltschwankungen
die allgemeine Kombinationsleistung se-                     verbunden ist. Eine Hybridität von mindestens 90 % ist die Vorausset-
lektiert und regelmäßig verbessert wer-                     zung für Z-Saatgut, was sowohl beim Gametozideinsatz als auch im
den, was nicht kurzfristig möglich ist. The-                CMS-System bei Mischanbau eine Herausforderung darstellt. Hinzu
oretisch ist für jeden Pool nur eine geringe                kommt, dass alle »normalen« Zuchtziele des Weizens in den Elternlinien
Populationsgröße von weniger als zehn                       bearbeitet, selektiert und in den Testhybriden geprüft werden müssen.
Linien optimal. Beim Winterweizen sind                      Um den Heterosiseffekt zu steigern, erhoffen sich die Züchter, dass sich
die Ansprüche an Qualität und Resistenz                     die genetischen Pools auf der Mutter- und der Vaterseite so optimieren
aber sehr breit gefächert. Zum Beispiel                     lassen, dass die allgemeine Kombinationseignung verbessert wird. Dies
sind durch das Aufkommen neuer Gelb-                        würde unmittelbar zu einem kosteneffizienteren Zuchtprozess führen, da
rost- oder Braunrostrassen viele Zuchtlini-                 sich so die Anzahl der Prüf-Elternkombinationen verringern lässt und
en kurzfristig nicht mehr für die weitere                   deutlich weniger Prüfparzellen für die spezifische Kombinationseignung
Züchtung brauchbar. Linienzüchter setzen                    notwendig sind.
auf eine sehr breite genetische Vielfalt. In                   Inwieweit sich beim Selbstbefruchter Weizen, der bereits von Natur
der Hybridzüchtung konterkariert die häu-                   aus drei Genome vereint, die Hoffnungen erfüllen, ist noch immer nicht
fige Einkreuzung von Resistenzträgern die                   geklärt und bleibt abzuwarten. In den letzten Jahrzehnten hat auch die
Bildung von elterlichen Pools.                              Linienzüchtung deutliche Fortschritte erzielt. Neue Liniensorten haben
                                                            immer wieder zu den Hybriden aufgeschlossen.
Die Väter sind das Problem
   Nur ein guter Saatgutertrag ermöglicht
tragbare Saatgutkosten für die Konsum-
produktion. Der Weizen ist ein Selbstbe-       Blüte nur minimal geschädigt werden, um         ter den geforderten Hybriditätsgrad für das
fruchter und besitzt eine mäßige Pollen-       einen guten Saatgutertrag zu realisieren.       Z-Saatgut gern von 90 % auf 85 % senken,
schüttung und eine geringe Flugfähigkeit       Umfangreiche Vorversuche mit variieren-         wie es bei der Hybridgerste bereits ge-
des Pollens. Kurze Weizen mit kompakten        den Gametozidmengen werden durchge-             schehen ist.
Ähren blühen häufig auch sehr geschlos-        führt, da die Mutterlinien sehr unter-             Für die Fertilität und Einkörnung im
sen ab und eignen sich deshalb nicht als       schiedlich reagieren. Auch wenn die             Konsumanbau benötigen die Väter in der
Väter. Die Saatgutproduktion über Game-        Testhybride hervorragende Eigenschaften         Saatgutproduktion zwingend Restorerge-
tozide ist an den Streifenanbau für die Be-    und Erträge zeigt, scheiden dennoch viele       ne, die die männliche Sterilität der Mütter
handlung mit dem Gametozid gebunden.           Kombinationen aus, wenn die Sicherheit          in der Hybride (also dem Z-Saatgut) weit-
Deshalb sollten die Väter die Mütter etwas     der wirtschaftlichen Saatgutproduktion          gehend aufheben. Bislang wurde noch
überragen, um den Pollenflug zur Mutter        nicht gegeben ist.                              kein starkes Restorergen gefunden, das al-
zu erleichtern. Außerdem müssen die El-                                                        lein in der Lage ist, die Fertilität vollstän-
tern im Blühzeitpunkt zusammenpassen.             Für die Saatgutproduktion mittels des        dig wiederherzustellen. Sind mehrere Ge-
Den Anforderungen für einen ausreichen-        CMS-Systems ist der Mischanbau vorge-           ne notwendig, wird die Züchtung
den Saatgutertrag genügen nur wenige           sehen. Dabei werden in die männlich ste-        komplizierter und der Zuchterfolg verrin-
Weizenlinien mit gutem Pollenausstoß.          rilen Mütter in geringen Anteilen Vaterlini-    gert sich. Ein schlechter Kornansatz der
   Die Gametozidanwendung benötigt al-         en gemischt, die den gesamten Bestand           Hybride durch mangelnde Fertilität
lerdings viel Erfahrung. Für die Anerken-      bestäuben sollen. Voraussetzung ist, dass       schwächt das Ertragsvermögen.
nung des Saatguts sind beim Weizen 90 %        die Mütter eine vollständige männliche             Beim Weizen liegen bisher noch keine
Hybridität vorgeschrieben. Dafür muss die      Sterilität durch das Triticum timopheephii-     Erfahrungen mit dem CMS-System auf
Gametozidanwendung sicherstellen, dass         Plasma aufweisen. Im Zuchtprozess muss          dem in der Praxis üblichen hohen Ertrags-
die Mutterlinie fast vollständig männlich      dazu ständig die Sterilität kontrolliert wer-   niveau vor. Ob das Cytoplasma von Triti-
steril ist. Andererseits darf die weibliche    den, da bei jeder Einkreuzung zufällig          cum timopheevii letztendlich ertragsneut-
                                                                 Restorergene mitvererbt       ral ist, bleibt noch zu beweisen. Zudem ist
                                                                 werden könnten, die die       zu befürchten, dass eine unvollständige
                                                                 Fertilität wieder herstel-    Einkörnung durch mangelhafte Restaura­
Die Vermehrung von                                               len. Die Väter müssen wie     tion auch der Infektion mit Mutterkorn
                                                                 beim Gametozidsystem          Vorschub leistet. Aufgrund der geplanten
Hybridweizensaatgut ist                                          eine hohe Bestäubungs-        Verschärfung der Mykotoxingrenzwerte
                                                                 leistung aufweisen.           sehen die Müller dies sehr kritisch.
nach wie vor eine der                                               Aufgrund der schlech-
                                                                 ten Bestäuberleistung des     Dr. Lorenz Hartl, Bayerische Landesanstalt
größten Herausforderungen.                                       Weizens wollen die Züch-                     für Landwirtschaft, Freising

                                                                                                   DLG-Mitteilungen | Sonderheft    13
INTERVIEW

»Wir müssen in viele
Richtungen denken«
Hohe und stabile Erträge, Trockenstresstoleranz, Nährstoffeffizienz, eine breite Resistenz­ausstattung –
die »Wunschliste« an die Züchter ist lang. Ein Schlüssel, um diese Ziele zu erreichen, ist die
Hybridweizenzüchtung, meinen Dörthe Dräger und Vilson Mirdita.

Frau Dr. Dräger, Herr Dr. Mirdita, vor         sprechende Aussichten und haben dazu            Verschieben sich aktuell die Züchtungs-
welchen großen Herausforderungen ste-          beigetragen, den Weg für die Hybridzüch-        präferenzen?
hen die Weizenzüchter aktuell?                 tung zu beschleunigen.                             Für uns sind alle bereits genannten Ei-
   Weizen ist eines der wichtigsten Grund-        Darüber hinaus werden vielfältige An-        genschaften sehr wichtig. Im Hinblick auf
nahrungsmittel der Welt. Er liefert 20 %       forderungen an das Saatgut gestellt. In Zu-     eine wachsende Weltbevölkerung sind
der weltweiten Kalorienproduktion und ist      kunft wird es nicht mehr ausschließlich         stabile Erträge unabdingbar.
für die Bevölkerung rund um die Welt von       darum gehen, Maximalerträge zu realisie-           Gleichzeitig müssen wir auch mit Blick
zentraler Bedeutung. Das spiegelt sich         ren. Vielmehr müssen die Landwirte bes-         auf ›Farm-to-Fork‹ und die Anforderungen
auch in der Anbaufläche wider. Weltweit        sere Erträge erzielen, die sich einerseits      der Gesellschaft unsere landwirtschaftli-
ist der Weizen die wichtigste Getreideart.     auch bei Wetterkapriolen und Trockenpe-
Um den Bedarf der wachsenden Weltbe-           rioden auf einem stabilen Niveau bewe-
völkerung zu decken, muss die Versor-          gen, gleichzeitig aber auch Umwelt und

                                                                                                                   Foto: BASF
gung mit Weizen bis zum Jahr 2050 um 50        Ressourcen schonen. Das ist eine große
bis 60 % gesteigert werden. Das entspricht     Herausforderung. Der Getreidemarkt be-
einer globalen jährlichen Ertragssteige-       nötigt deshalb innovative Lösungen, die
rung von 1,2 %.                                dabei helfen, die globale Weizennachfra-
   Allerdings haben sich die Erträge in Eu-    ge im Rahmen einer nachhaltigen Produk-
ropa seit 2000 kaum verändert. Ein Grund       tionsweise zu decken.
dafür ist die Tatsache, dass Weizen die
letzte der »großen« Kulturen ist, deren Ge-    Wie weit ist die Hybridzüchtung bei Wei-
nom vollständig entschlüsselt wurde. Aus       zen? Wann können wir hier mit einem
diesem Grund stagnierten die Erträge in        »Durchbruch« rechnen?
der Vergangenheit.                                Wir konzentrieren uns zunächst auf die
                                               Einführung von Hybridweizen in den wich-
Können wir bei unserer wichtigsten Kul-        tigsten Anbaugebieten, um den Landwirten
tur auch weiterhin mit steigenden Erträ-       die Möglichkeit zu geben, die Weizenpro-
gen rechnen, oder ist die Weizenzüch-          duktion weiterzuentwickeln.
tung »am Ende«?                                   Um hochwertige Elternkomponenten für
   Durch innovative Züchtungstechnologi-       das Hybridweizenprogramm zu entwickeln,
en und die bereits angesprochene Sequen-       nutzen wir verschiedene pflanzengeneti-
zierung des Weizengenoms sind wir davon        sche Ressourcen aus wichtigen Weizenan-
überzeugt, mit Hybridweizen die Erträge in     baugebieten der Welt. Für den Erfolg von
Zukunft einerseits steigern und andererseits   Hybridweizen ist außerdem eine enge Zu-
stabilisieren zu können. Die Züchtung von      sammenarbeit entscheidend. Wir arbeiten
Hybriden ermöglicht die Auswahl der bes-       seit Gründung der Forschungspipeline für
ten Pflanzeneigenschaften zweier unter-        Hybridweizen mit Landwirten, Händlern,
schiedlicher Elternlinien und erzeugt eine     Beratern und Partnern in der Wertschöp-            Um den Weizen
                                                                                                 züchterisch »nach
neue Generation (F1), welche die positiven     fungskette auf staatlicher und privater Ebene
                                                                                                 vorn zu bringen«,
Merkmale der Elterngeneration enthält.         zusammen.                                            sind innovative
Neben stabilen Erträgen sind das auch ho-         Wir planen, erste Hybridweizensorten          Verfahren in Labor,
he Qualitäten und Krankheitsresistenz.         Mitte der 2020er Jahre in Deutschland und        Gewächshaus und
   Jüngste Fortschritte bei der Sequenzie-     Europa, aber auch in den USA und Kanada                auf dem Feld
rung des Weizengenoms geben vielver-           einzuführen.                                            erforderlich.

14    DLG-Mitteilungen | Sonderheft
jeweiligen Linien in einer Hybride zu
                                                                                           kombinieren. So müssen sich Züchter
                                                                                           nicht für eine spezifische Präferenz ent-
                                                                                           scheiden. Neben stabilen Erträgen auch
                                                                                           bei Wetterextremen und Trockenperioden
                                                                                           legen wir deshalb großen Wert auf Resis-
                                                                                           tenzeigenschaften der Sorten, welche
                                                                                           langfristig dazu führen werden, dass der
                                                                                           Einsatz von Pflanzenschutzmitteln redu-
                                                                                           ziert werden kann.

                                                                                           Welche Antworten liefern Sie beim Wei-
Dr. Dörthe Dräger, Lead Breeder        Dr. Vilson Mirdita, Senior Breeder                  zen mit Blick auf die Anforderungen der
für Hybrid-Winterweizen, BASF,         für Hybrid-Winterweizen, BASF,                      neuen Düngeverordnung?
Gatersleben                            Gatersleben                                            Erste Versuche in Europa haben gezeigt,
                                                                                           dass Hybridweizen ökologische Vorteile
                                                                                           bietet, wie z. B. eine verbesserte Stickstoff-
che Produktion möglichst klima- und res-      unsere Züchtungen mit ein, um das Poten-     effizienz und eine Reduzierung der CO2-
sourcenschonend gestalten und dabei           tial von Weizen voll entfalten zu können.    Produktion pro Tonne Getreide. Durch die
auch auf Veränderungen unserer Umwelt            Hybridweizen bietet unserer Meinung       verbesserte Sticktoffeffizienz kann die
reagieren. In diesem Zusammenhang sind        nach vielfältige Chancen, um verschiede-     Düngung verringert werden, ohne Ertrags-
Klimastabilität und Resistenzeigenschaf-      ne Zuchtziele gleichzeitig zu erreichen.     verluste zu riskieren. Das ist nicht nur um-
ten wichtige Faktoren, die es Landwirten      Durch die Kreuzung zweier Elternlinien,      weltschonend, sondern auch profitabel für
auch in Zukunft ermöglichen werden,           die sich in ihren jeweiligen Eigenschaften   den Landwirt.
produktiv arbeiten zu können. Aus diesem      deutlich unterscheiden, haben wir die
Grund beziehen wir vielfältige Faktoren in    Möglichkeit, die besten Eigenschaften der    Welche Zuchtziele sind besonders schwer
                                                                                           zu realisieren?
                                                                                              Besonders die Kombination von verschie-
                                                                                           denen Zuchtzielen wie Ertragsstabilität, Re-
                                                                                           sistenzeigenschaften und Klimastabilität
                                                                                           auf hohem Niveau ist sehr komplex. Dafür
                                                                                           bedarf es vor allem Zeit und Kreativität. Wir
                                                                                           nutzen innovative Verfahren der statisti-
                                                                                           schen Genomik, also statistische Metho-
                                                                                           den, mit denen sich der Zusammenhang
                                                                                           zwischen genetischer Variation und Merk-
                                                                                           malsausprägung abschätzen lässt. So kön-
                                                                                           nen wir Vorhersagemodelle für eine erfolg-
                                                                                           reiche Züchtungs-Pipeline entwickeln. Mit
                                                                                           einem umfangreichen globalen Versuchs-
                                                                                           netzwerk und lokal zugeschnittenen Zucht-
                                                                                           programmen arbeiten wir daran, die spezifi-
                                                                                           schen Bedürfnisse von Landwirten, Partnern
                                                                                           und der gesamten Wertschöpfungskette zu
                                                                                           erfüllen.

                                                                                           Welchen Stellenwert messen Sie den neu-
                                                                                           en Züchtungsverfahren wie CRISPR/ Cas
                                                                                           für den Weizen bei?
                                                                                             Innovationen in der Pflanzenzucht wie
                                                                                           die Genomeditierung bieten in Zukunft
                                                                                           neue Möglichkeiten zur Verbesserung von
                                                                                           Sorteneigenschaften für alle landwirt-
                                                                                           schaftlichen Kulturen in kürzerer Zeit. Das
                                                                                           Potential ist also enorm. Allerdings muss
                                                                                           die Zulassungssituation der Verfahren
                                                                                           vollständig geklärt sein, um es ausschöp-
                                                                                           fen zu können.

                                                                                                         Die Fragen stellte Katrin Rutt

                                                                                               DLG-Mitteilungen | Sonderheft    15
GENOMEDITIERUNG I

Neuer Turbo für
                                                                                           Weizen sechs (»hexaploid«) und bei der
                                                                                           Erdbeere sogar acht Gen-Kopien (»okto­
                                                                                           ploid«). Um Merkmale wie Ertrag, Ge-
                                                                                           schmack, Vitamingehalt oder Resistenzen

die Züchtung
                                                                                           zu verändern, muss man also gleich meh-
                                                                                           rere Gen-Kopien verändern, da eine Muta-
                                                                                           tion in nur einer Kopie in der Regel keine
                                                                                           Auswirkung hat. Die anderen Kopien be-
                                                                                           halten nämlich die ursprüngliche Funkti-
                                                                                           on bei. Selbst mit künstlicher Mutagenese
Wie bei einem chirurgischen Eingriff können Pflanzenzüchter                                kommt man oft nicht weiter. Und je kom-
                                                                                           plexer ein Genom ist, desto schwieriger ist
mithilfe der neuen Technologie CRISPR/ Cas gezielt die DNS                                 es, ein Merkmal zu verändern. Eine An-
verändern. Dirk Schenke erklärt, wie das funktioniert und wie                              passung der Pflanzen an sich ändernde
                                                                                           Umweltbedingungen findet demnach nur
Forscher die neuen Möglichkeiten nutzen.                                                   sehr langsam statt. Doch der Klimawandel
                                                                                           erfordert eine schnellere Adaption z. B. an
                                                                                           Zeiten längerer Trockenheit, Starkregener-
                                                                                           eignisse oder einem erhöhten Schädlings-

D
                                                                                           befall.
        iese Technologie ist so bahnbre-     sind ungerichtet, und es kommt neben zu-
        chend, dass die beiden Entwickle-    fälligen Mutationen im gewünschten Ziel-         Die Genomeditierung umfasst eine Rei-
rinnen dafür im vergangenen Jahr mit dem     gen auch zu vielen unerwünschten Verän-       he von Techniken, die es erlauben, eine
Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wur-         derungen im übrigen Erbgut. Das macht         Stelle im Genom gezielt zu verändern.
den. Die Rede ist von der »Genschere«        zeitaufwendige Rückkreuzungen erforder-       Dabei ist die Genschere CRISPR/ Cas die
CRISPR/ Cas, einem Werkzeug zur soge-        lich, um die ungewollten Mutationen wie-      weitaus verbreitetste Methode. Sie ist ein-
nannten Genomeditierung. Diese mole-         der zu entfernen. Aber auch das gelingt oft   fach, relativ kostengünstig und kann prak-
kularbiologische Methode wird seit 2013      nicht komplett und kann mit Ertrags- und      tisch jede Genkopie finden und verän-
in vielen Laboren angewandt und spielt       Qualitätseinbußen verbunden sein.             dern. Dafür nutzt man ein Protein (z. B.
auch in der Pflanzenzüchtung eine immer                                                    Cas9), das die DNA schneiden kann.
stärkere Rolle. Denn sie erlaubt, die DNA       Wie bringt uns die Genomeditierung         Durch den Schnitt wird eine Reparatur er-
ganz gezielt an einer gewünschten Stelle     weiter? Die Genome unserer Kulturpflan-       forderlich, sodass es an dieser definierten
zu schneiden und anschließend durch Re-      zen sind in der Regel viel komplexer als      Stelle bei fehlerhafter Reparatur zu einer
paratur zu verändern. Das ist mit konven-    das menschliche Genom. Während der            zufälligen Veränderung (Mutation) kom-
tionellen Methoden in der Züchtung, z. B.    Mensch vereinfacht von jedem Gen zwei         men kann. Wird die Zielstelle korrekt re-
mittels Strahlung oder chemischer Muta-      Kopien hat (»diploid«), sind es bei Kartof-   pariert, so kann sie weiterhin von der auf
genese völlig unmöglich. Solche Ansätze      feln und Raps vier (»tetraploid«), beim       diese Sequenz programmierten Gensche-
                                                                                           re erkannt und erneut geschnitten werden,
                                                                                           bis es zu einer Mutation kommt (Grafik).
                                                                                           Dass man so keinen Einfluss auf die Art
So funktioniert die Genomeditierung                                                        der Mutation nehmen konnte und daher
                                                                                           viele Individuen auf die gewünschte Än-
                                                                                           derung hin untersuchen musste, limitierte
    1.                                 2.                       Genschere                  die »frühe« Editierung mittels CRISPR/ Cas.
                                                                CRISPR/ Cas
               Ziel-                                                                          Allerdings gab es seit den ersten solcher
             sequenz                                                                       Anwendungen bereits eine Reihe von Ver-
  DNA      ˙∙∙ATTGCTTG∙∙                                                                   besserungen. Viele zielten darauf ab, dass
                                                                                           die Genschere wirklich nur noch da
                                                                                           schneidet, wo sie soll und nicht auch an
                                                                                           sehr ähnlichen Stellen im Genom. Ände-
                                                      Schnitt

                                                                                           rungen in der Struktur der Genschere oder
   4.                                   3.                                                 der Einsatz von ähnlichen Genscheren aus
                                                                                           anderen Bakterien erlaubten eine höhere
   DNA      ∙∙ATTTTG∙∙                                                                     Flexibilität bei der Auswahl der Schnitt-
             Mutation            Reparatur                                                 stelle innerhalb des Zielgens.
            (–2 Basen)

                                                                                             Verbesserte Varianten: Prime-Editing
                                                                                           und Base-Editing. Neuerdings bietet die
                                                                                           CRISPR/ Cas-Variante »Prime-Editing« die
                                                                                           Möglichkeit, die Reparatur so zu beein-

16    DLG-Mitteilungen | Sonderheft
Die neuen Methoden Prime-Editing und
                                                                               Base-Editing machen die CRISPR/ Cas-
                                                                               Technologie noch effizienter.

                                                                                                                                              Foto: New Africa – stock.adobe.com
flussen, dass die Mutation nicht mehr zu-      rung die DNA so um, dass die Zielstellen       verändern, das Korngewicht zu erhöhen,
fällig ist, sondern es zu einer ganz be-       solcher Effektoren verändert werden, so        den freien Asparagingehalt zu senken
stimmten Veränderung kommt. Das Prime-         kann die Wirtspflanze nicht mehr manipu-       (Vorstufe von schädlichem Acrylamid) so-
Editing bügelt damit zwei Schwächen des        liert werden. Der Eindringling hat schlech-    wie die Resistenz gegen echten Mehltau
herkömmlichen CRISPR/ Cas-Verfahrens           tere Karten, und die Pflanze wird im bes-      und Fusarium graminearum zu steigern.
aus: Fehlschnitte werden reduziert, und        ten Fall resistent gegen den Schädling.        Sowohl Prime-Editing als auch Base-
die Reparatur (also das Einfügen der ge-       Möchte dieser z. B. pflanzliche Anfällig-      Editing wurden bereits erfolgreich im Wei-
wünschten DNA-Veränderung) wird effi-          keits-Gene anschalten, welche ihm »Ext-        zen getestet.
zienter.                                       ra-Nahrung« verschaffen, so kann man die
   Mit einer weiteren Variante, dem soge-      regulatorische Stelle vor dem betreffenden        Trotzdem ist die Genomeeditierung
nannten »Base-Editing«, wird die DNA gar       Gen mittels Genomeditierung verändern,         nicht trivial. Und es wird sicherlich noch
nicht mehr geschnitten, sondern nur eine       sodass der TAL-Effektor nicht mehr an die-     einige Zeit vergehen, bis es zur »Routine«
einzelne Base ausgetauscht. Damit stehen       ser DNA-Stelle binden kann. Das wurde          wird, Zielgene so zu verändern, dass un-
nun theoretisch alle Möglichkeiten offen,      bereits erfolgreich im Reis gezeigt. Andere    sere Kulturpflanzen besser an die neuen
ein Genom an genau definierten Stellen         Schädlinge bilden kleine siRNAs, die ge-       Umweltbedingungen angepasst sind. Dies
ganz gezielt zu verändern.                     nau zu einer komplementären Sequenz ei-        liegt nicht unbedingt an der Technologie,
                                               nes Abwehr-Gens im Wirt passen und so          sondern auch an den Schwierigkeiten in
   Wie kann man Pflanzen ohne uner-            die Zerstörung der Genprodukte auf RNA-        einigen Kulturpflanzen, die Genschere
wünschte Nebenwirkungen resistenter            Ebene veranlassen. Das ist z. B. bei der In-   einzubringen, aus diesen wieder ganze
gegenüber Schädlingen machen? Dazu             teraktion zwischen Grauschimmel und            Pflanzen zu regenerieren und danach die
muss man wissen, dass viele Schädlinge         Tomate der Fall. Auch das kann theore-         Genschere durch Kreuzungen wieder zu
ihre Wirtspflanzen so manipulieren, dass       tisch verhindert werden, indem man einen       entfernen. Allerdings benötigen Pflanzen,
es ihr Wachstum und ihre Vermehrung be-        anderen »Dialekt« des genetischen Codes        die sich selbst besser gegen Schädlinge
günstigt. Sie verwenden dazu sogenannte        an der Zielstelle der siRNA-Effektoren ver-    verteidigen können, prinzipiell weniger
»Effektoren« wie z. B. Transkriptions-akti-    wendet, welche diese nun nicht mehr er-        Pflanzenschutzmittel – eine nachdrückli-
vierende Proteine (TAL-Effektoren) oder        kennen können. Der Pflanze entstehen           che Forderung der Verbraucher. Daher
kleine interferierende RNAs (siRNAs), die      dadurch keine Nachteile.                       lohnt es sich für die Züchter, in diese Rich-
sie in die Pflanze einschleusen. Dort bin-                                                    tung (weiter) zu investieren.
den sie an ihre Zielstellen. Auf diese Weise     Auch im Weizen wurde Genom-Editing
schalten sie »Anfälligkeits-Gene« an oder      inzwischen erfolgreich angewendet, um            Dr. Dirk Schenke, Abteilung molekulare
stören die Wirkung von »Abwehr-Genen«.         ihn z. B. glutenfrei und hybridfähig zu ma-        Phytopathologie und Biotechnologie,
Schreibt man nun mittels Genomeditie-          chen, seine Stärke-Zusammensetzung zu                                    Universität Kiel

                                                                                                  DLG-Mitteilungen | Sonderheft    17
Sie können auch lesen