Hoffnungsträger Züchtung - WEIZEN - In Kooperation mit - DLG-Mitteilungen
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Sonderausgabe WEIZEN Hoffnungsträger Züchtung In Kooperation mit Zuchterfolge | Hybridzüchtung | Sortenwahl
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AUFTAKT Fit für die Zukunft?! Das Bild der Landwirtschaft von mor- gen aus Sicht der Gesellschaft ist klar vor- gezeichnet: möglichst bunte Kulturland- schaften und deutlich weniger chemische Pflanzenschutzmittel und Dünger. Schon allein das ist eine Herkulesaufgabe. Und dabei soll natürlich eine gute und sichere Versorgung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln nicht auf der Strecke Foto: Rutt bleiben. Hinzu kommen die Auswirkun- Katrin Rutt gen des Klimawandels. Wie sollen die Landwirte all das stemmen, wenn sie dabei weiterhin Geld verdienen wollen? INHALT Egal ob die europäische Farm to Fork- 4 Zuchterfolge Strategie oder die deutsche Ackerbaustra- Gut gewappnet für die Zukunft tegie – vonseiten der Politik ist eine der ersten Antworten auf die vielfältigen 8 Resistenzen Herausforderungen immer die Züchtung. Multitalente gesucht! In sie werden fast schon euphorische 11 Hybridweizen Hoffnungen gesetzt. Auf der einen Seite Wie weit ist die Züchtung? freut das die Züchter natürlich. Auf der 14 Interview anderen Seite setzt sie diese hohe Erwar- »Wir müssen in viele Richtungen denken« tungshaltung aber auch enorm unter 16 Genomeditierung I Druck. Denn bekanntlich braucht es für Neuer Turbo für die Züchtung die Entwicklung einer neuen Sorte schon 18 Genomeditierung II mal 10 bis 15 Jahre. Bremsklotz Gentechnikdebatte Doch wie steht es eigentlich um den Zuchtfortschritt bei unserer wichtigsten 22 Sortenwahl Kultur? Zuletzt hörte man recht häufig Müssen Sie neu denken? von stagnierenden Praxiserträgen und 24 Pflanzenschutz zunehmenden Problemen mit Krankhei- In der Kombination liegt der Schlüssel ten und Schädlingen. Welches Potential 28 Ernährung schlummert hier noch in der Genetik? Macht Weizen krank und dick? Tatsache ist, dass die Weizenzüchtung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten beeindruckende Erfolge erzielt hat. Wo wir aktuell stehen, und wie die Züchter weiteren Fortschritt realisieren wollen soll Ihnen dieses Heft vermitteln. Impressum »Weizen: Hoffnungsträger Züchtung« erscheint im Juni 2021 als Sonderheft der DLG-Mitteilungen. Redaktion: Katrin Rutt © 2021 Max-Eyth-Verlag, Frankfurt Foto der Titelseite: landpixel DLG-Mitteilungen | Sonderheft 3
ZUCHTERFOLGE Gut gewappnet Jahren (2014/ 15 bis 2016/ 17) mit einer zusätzlichen Behandlungsstufe detailliert untersucht. Dazu erfolgte in den Parzellen ohne Pflanzenschutzbehandlungen eine für die Zukunft künstliche Infektion mit Gelbrost, Braun- rost und Fusarium und eine natürliche In- fektion mit Echtem Mehltau. Die Entwick- lung jeder Krankheit bis zur maximalen Ausprägung wurde in etwa 14-tägigen Ab- ständen als prozentualer Befall bestimmt. Hohe Anforderungen an den Umweltschutz sowie zunehmende Mit diesen Feldversuchen hat das For- scherteam eine umfangreiche Daten- Wetterextreme: Ist die Weizenzüchtung unter diesen neuen grundlage zur Einschätzung der Effekte Vorzeichen noch auf dem richtigen Weg? Das haben Wissenschaftler der Züchtung hinsichtlich Resilienz und Nachhaltigkeit der Weizenproduktion ge- verschiedener Institutionen in einer umfangreichen Studie schaffen. untersucht. Züchtungsbedingter Ertragsanstieg un- ter allen pflanzenbaulichen Intensitäten. Das Gesamtergebnis zeigt, dass die Erträ- K ge der Weizensorten unterschiedlicher önnen wir bei unserer wichtigsten Winterweizensorten aus den Zulassungs- Qualitätsgruppen bis heute züchtungsbe- Kultur auch weiterhin mit steigen- jahren zwischen 1966 und 2013 unter dingt kontinuierlich ansteigen. Im Mittel den Erträgen rechnen, oder ist die Weizen- drei bzw. vier (Standort Quedlinburg) verbessern sie sich um mehr als 30 kg pro züchtung am Ende? Offizielle Statistiken pflanzenbaulichen Intensitäten in zwei ha und Jahr. Diese Entwicklung setzt sich zeigen seit einigen Jahren eine Stagnation Jahren (2014/ 15 und 2015/ 16) an jeweils bis heute ungebrochen fort. Für die letzten der Praxiserträge. In Anbetracht der aktu- sechs unterschiedlichen Standorten ge- fünf Dekaden bedeutet das: Rund 1,5 t/ha ellen Herausforderungen im Bereich des prüft (Übersicht). Der Einfluss der wich- Mehrertrag wurden allein durch bessere Pflanzenschutzes, der Düngung und der tigsten pilzlichen Pathogene wurde am Ju- Genetik erzielt. Die Ergebnisse belegen, klimatischen Veränderungen drängt sich lius Kühn-Institut in Quedlinburg in drei dass sich auch unter diesen extensiven Be- die Frage auf: Welchen Einfluss hat die Sortenwahl auf die Leistungsfähigkeit bei unterschiedlichen pflanzenbaulichen In- Foto: Zetzsche tensitäten? Um allein das genetische Potential von Sorten bewerten zu können, sind Verglei- che unter gleichen Anbaubedingungen entscheidend. Anders als Beobachtungen aus der Praxis, in der grundsätzlich unter- schiedliche Umwelt- und Management- faktoren zugrunde liegen, ermöglichen die Beschreibende Sortenliste und die Er- gebnisse der Landessortenversuche eine bestmögliche Vergleichbarkeit der aktuel- len Sorten. Für die Beantwortung der Frage, wie die Züchtung langfristig mit unterschiedlichen pflanzenbaulichen Intensitäten in Wech- selwirkung steht, kommt aber selbst das übliche Sortenprüfwesen an seine Gren- zen. Denn dort werden nur die neuesten Sorten mit den Verrechnungssorten vergli- chen – und dies in der Regel nur unter ei- ner N-Düngestufe mit zwei extremen Fun- Gesundheitlich gizidstrategien. zeigten sich extreme Daher haben wir in einem nationalen Sortenunterschiede Verbundprojekt (»BRIWECS« – Pflanzen- in der züchterische Innovationen bei Weizen für unbehandelten resiliente Anbausysteme) 191 bedeutende Variante. 4 DLG-Mitteilungen | Sonderheft
dingungen ein Zuchtfortschritt zeigt, der Intensitätsstufen, unter denen alle 191 Sorten an meist sogar stärker ausgeprägt ist als unter voller pflanzenbaulicher Intensität. 6 Standorten in 2 Jahren geprüft wurden Betrachtet man sämtliche Sorteneigen- Pflanzenbauliche N-Düngung Fungizid- und Insektizid- schaften in der niedrigsten pflanzenbauli- Intensität (inkl. Nmin) einsatz chen Intensität relativ zu der mittleren hoch 220 kg N/ha ortsüblich intensiv Leistung von Sorten vor 1970, wird er- kennbar, dass der um fast 25 % gesteigerte mittel ohne Fungizid/ Insektizid 220 kg N/ha / Ertrag durch eine Kombination aus gestie- mittel mit Fungizid/ Insektizid* 110 kg N/ha ortsüblich intensiv gener Gesamtbiomasse und erhöhtem gering 110 kg N/ha / Ernteindex (Korn/ Pflanzenmasse-Verhält- nis) resultiert (Grafik 1, Seite 6). Letzteres *nur am Standort Quedlinburg ist maßgeblich auf eine höhere Kornzahl pro Ähre zurückzuführen und nicht durch eine stärkere Bestockungsneigung oder steigerte Blütchenfertilität haben. Die benachbarten unbewässerten Variante gibt ein gesteigertes TKG zu erklären. Gründe dafür sind vielfältig. Als Erklärung darüber Aufschluss (Grafik 2, Seite 6). Im Ferner haben wir die Verteilung der Kör- können eine erhöhte Source-Kapazität Mittel führte der Trockenstress in dem Ver- ner entlang der Ähre insbesondere pro (Biomasse) sowie eine verbesserte Sink- such zu einer signifikanten Ertragsredukti- Spindelstufe untersucht, um tiefere Einbli- Kapazität (erhöhte Einkörnungseffizienz) on von ca. 2 t/ha. Eine Korrelation der Er- cke darüber zu bekommen, welche Teile dienen. Diesbezüglich sind aber weitere träge unter Trockenstress mit denen unter der Ähre zur Bildung der finalen Kornzahl Untersuchungen erforderlich. Bewässerung deutet sehr stark darauf hin, pro Ähre beitragen. Für 52 repräsentative dass Sorten, die ohne Wassermangel zu Weizensorten ergab sich folgendes Bild: Wie reagieren Sorten unterschiedlicher den ertragsstärksten gehören, auch unter Moderne Sorten weisen zum einen durch- Dekaden der Zulassung auf Trocken- Trockenstress in dieser Gruppe zu finden schnittlich erhöhte Kornzahlen pro Ähr- stress? Diese Frage ist mit Blick auf die sind (Grafik 2). Dennoch besteht bezüg- chen auf. Zum anderen verfügen vor allem Witterung in den vergangenen drei Jahren lich der weiteren Verbesserung der Tro- die Ährchen im zentralen und apikalen aktueller denn je. Der Anbau der 191 ge- ckenstresstoleranz – insbesondere in Kom- Bereich der Ähre über höhere Kornzahlen. prüften Sorten unter voller pflanzenbauli- bination mit Hitzestress – weiterer Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass cher Intensität in jeweils einer bewässer- Forschungsbedarf. moderne Sorten eine vergleichsweise ge- ten im Vergleich zu einer direkt Substantielle Verbesserungen der Resis- tenzen. Eine höhere N-Düngung hatte er- wartungsgemäß einen stärkeren Befall mit allen vier Pilzkrankheiten zur Folge. Im Mittel ist bei einer sichtbaren 1 % igen Schädigung des Gewebes mit einem Ver- lust des Kornertrages von 78 kg/ha (bei 110 kg N/ha) bzw. 93 kg/ha (bei 220 kg N/ ha) zu rechnen. Über die Dekaden konnten wir eine deutliche Verbesserung der Resistenz ge- gen Pilzkrankheiten für beide Düngungs- niveaus feststellen. Die Anfälligkeit gegen Echten Mehltau verringerte sich durch die Züchtung durchschnittlich um 1,4 %, ge- gen Braunrost um 1,1 % und gegen Gelb- rost um 0,9 % pro Jahr. Die Anfälligkeit ge- gen Ährenfusarium konnte jedoch nur um eine mittlere jährliche Rate von 0,3 % ge- senkt werden. Trotz des durch künstliche Inokulation provozierten starken Infektionsdrucks sind die modernen Sorten deutlich wider- standsfähiger als ältere Sorten. Der Resis- tenzfortschritt ist zudem ungebrochen (Grafik 3, Seite 7). In der Summe aller Krankheiten zeigen sich keine Tendenzen einer Verlangsamung. Die Ergebnisse be- legen damit nicht nur den Erfolg der Resis- tenzzüchtung, sondern auch die stabilisie- DLG-Mitteilungen | Sonderheft 5
ZUCHTERFOLGE rende Wirkung auf den Ertrag. Ferner Grafik 1: Zuchtfortschritt für 16 Sortenmerkmale* bestätigen sie die vorherrschende Zulas- sungspraxis durch das Bundessortenamt. Kornertrag StayGreen Biomasse 25 20 Besonders interessant: Der jährlich rea- Stickstoffeffizienz Ernteindex 15 lisierte Zuchtfortschritt fällt in der Varian- 10 te ohne Fungizid bei gleichzeitig hoher 5 N-Düngung noch höher aus als in der in- Proteinertrag Pflanzenhöhe 0 tensiv geführten Variante. Die Erklärung –5 dafür liefert die Bonitur der Krankheitsan- – 10 Protein- – 15 fälligkeit der Sorten (hier maßgeblich Ähren/m2 konzentration Gelbrost). Durch die ausbleibende Fungi- zidbehandlung kommt dem Resistenzpro- fil der Sorten eine größere Bedeutung zu. Fallzahl Körner/Ähre Die Datenauswertung lässt erkennen, dass Sorten, die eine höhere Ertragsleistung re- alisieren, ein deutlich gestiegenes Resis- Sedimentationswert TKG tenzniveau aufweisen. Termin Mehltauresistenz Die weitverbreite Annahme, dass die Ährenschieben Züchtung die Resistenz gegenüber Krank- Gelbrostresistenz heiten eher vernachlässigt habe und Wei- zensorten an den intensiven Pflanzen- < 1970
von sollten Sie jedoch Abstand nehmen. Die Befürchtung, dass Züchtung zu einer starken Einschränkung der genetischen Fazit Variation in der Gruppe neuerer im Ver- Die Ergebnisse der Studie belegen einen anhaltenden Zuchtfort- gleich zu älteren Sorten führen würde, hat schritt. Da dieser aber in den stagnierenden Praxiserträgen nicht sicht- sich in genetischen Analysen der unter- bar wird, kann gefolgert werden, dass ohne diesen Zuchtfortschritt die suchten Sorten nicht bestätigt. Praktiker mit hoher Wahrscheinlichkeit stärkere Ertragsrückgänge ver- Um Missverständnisse zu vermeiden: zeichnen müssten. Neben den klimatischen Bedingungen verhindern Altes und diverses Zuchtmaterial kann für vermutlich auch einige betriebliche Gegebenheiten steigende Erträge. Züchter eine wichtige Quelle genetischer So sollten Sie innerbetrieblich fortwährend kritisch prüfen, inwiefern die Vielfalt für bestimmte Merkmale sein und Frequenz und Stellung des Weizens in der Fruchtfolge sowie ein ange- stellt somit ein hohes Gut dar, das erhalten passtes Management neu ausgerichtet werden müssen. werden muss. Zur Erreichung von Nach- haltigkeitszielen im praktischen Anbau sind ältere Sorten jedoch wenig geeignet. jedem einzelnen einen hohen Selektions- jedoch eine Beschleunigung des Fort- Züchtung bedeutet immer, Merkmals- erfolg zu erzielen. Wird einigen Merkma- schritts wünschenswert. Neben dem routi- kombinationen zu verbessern. Die Eig- len ein noch stärkeres Gewicht beigemes- nemäßigen Einsatz genomischer Zucht- nung des Sortenangebotes ist nicht an Er- sen, erschwert dies das gleichzeitige wertschätzungen und einer besseren trag oder Einzelmerkmalen allein zu Erreichen der Ziele in anderen Merkmalen Einschätzung der Interaktion mit der Um- bewerten, denn letztendlich entscheiden oder erfordert einen entsprechend größe- welt sollten dafür die Potentiale neuer Merkmalskombinationen über die Eig- ren Aufwand je Züchtungszyklus. Züchtungsmethoden wie z. B. CRISPR/ Cas nung der Sorte für den Anbau. Es ist sogar Der Züchtung ist es bisher gelungen, deutlicher ausgeleuchtet werden. erforderlich, solche Eigenschaften züchte- wichtige Merkmale gut zu kombinieren. risch zu verbessern, die in vielen Jahren Und man kann auch zukünftig erwarten, Dr. Holger Zetzsche, Dr. Andreas Stahl, gar nicht, in manchen Jahren aber beson- dass die Genetik einen wesentlichen He- Prof. Dr. Frank Ordon, JKI, Quedlinburg; ders gefordert sind (z. B. Winterhärte). bel zur nachhaltigen Sicherung hoher Dr. Benjamin Wittkop, Prof. Dr. Wolfgang Wenn allerdings mehr(ere) Merkmale ad- Weizenerträge darstellt. Für eine schnelle- Friedt, Prof. Dr. Rod Snowdon, ressiert werden sollen, fällt es schwerer, in re Verbesserung der Nachhaltigkeit wäre Universität Gießen Grafik 3: 50 Jahre Züchtungsfortschritt gegen wichtige Schaderreger Gelbrost Braunrost 30 25 110 kg N/ha: – 0,9 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 1 %/Jahr 110 kg N/ha: – 1 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 1,2 %/Jahr 25 % befallene Blattfläche 20 % befallene Blattfläche 20 15 15 10 10 5 5 0 0 1970 1980 1990 2000 2010 1970 1980 1990 2000 2010 Echter Mehltau Ährenfusarium 20 8 110 kg N/ha: – 1,5 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 1,4 %/Jahr 110 kg N/ha: – 0,3 %/Jahr; 220 kg N/ha: – 0,3 %/Jahr % befallene Blattfläche % Gesamtbefall Ähren 15 6 10 4 5 2 0 0 1970 1980 1990 2000 2010 1970 1980 1990 2000 2010 Jahr der Sortenzulassung Jahr der Sortenzulassung DLG-Mitteilungen | Sonderheft 7
RESISTENZEN Multitalente gesucht! Wegen der zunehmenden Einschränkungen im Pflanzenschutz gilt es mehr denn je, möglichst viele Resistenzen in eine Sorte zu packen. Thomas Miedaner und Kerstin Flath zeigen, wie weit die Züchtung bei Weizen ist. D er Klimawandel, der sich gerade vor unseren Augen abspielt, verän- dert den Krankheits- und Schädlingsdruck. le Resistenzen in einer Sorte vereinigt. Sol- che Sorten gibt es zwar schon, sie sind bis- her aber eher zufällig entstanden. gleichzeitig auf derselben Parzelle bewer- tet. Da die Sortimente sehr breit aufgestellt sind, ergeben sich für jede Krankheit gro- Die unerwartet starken Gelbrostepidemi- ße genetische Unterschiede (Grafik 1). en 2014 bis 2016 und die regionale Wie lassen sich multiresistente Sorten 40 % der Sorten erwiesen sich als resis- Schwarzrostepidemie 2013 haben ein- mithilfe von molekularen Markern geziel- tent gegen Gelbrost (Bonitur 1 – 3). Beim drücklich gezeigt, wie bis dato nur unre- ter finden? Das untersuchen wir in dem Schwarzrost waren es nur 9 %, bei Ähren- gelmäßig bzw. gar nicht auftretende BMEL-geförderten Projekt »GetreidePro- fusariosen 12 %. Im Gegenzug gab es bei Schaderreger plötzlich gefährlich werden tekt« in Zusammenarbeit mit dem Julius- Ährenfusariosen aber nur zwei sehr anfäl- können. Neben den Rosten fördert die Er- Kühn-lnstitut und zwei Weizenzüchtern. lige Sorten, während es beim Schwarzrost wärmung auch Ährenfusariosen. So lange Dafür werden zunächst größere Weizen- 110 Sorten waren. Der geringe Anteil an ausreichend Feuchtigkeit zur Infektion und Triticale-Sortimente mit einer Vielzahl Schwarzrostresistenz im Weizensortiment vorhanden ist, werden die genannten Pilz- von DNA-Markern geprüft. Dann infizie- könnte künftig gefährlich werden, wenn krankheiten eher zu als abnehmen. Jetzt ren wir die Bestände an mehreren Orten sich die Krankheit aufgrund des Klima- kommt es darauf an, die Weichen für eine mit Gelb- und Schwarzrost sowie Ähren- wandels auch bei uns weiter ausbreitet. Entwicklung zu stellen, die möglichst vie- fusariosen. Alle Resistenzen werden Wir wissen, dass sich Weizenschwarzrost Foto: landpixel Unter anderem die Resistenz gegen Gelbrost ist spätestens seit den Epidemien von 2014 bis 2016 ein wesentliches Zuchtziel geworden. 8 DLG-Mitteilungen | Sonderheft
Grafik 1: Resistenzen von 280 Weizensorten* Häufigkeit 150 100 50 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Gelbrost-Bonitur Schwarzrost-Bonitur Ährenfusarium-Bonitur * über drei bis vier Orte 2019; 1 – 3 = resistent, 4 – 6 = mäßig resistent, 7 – 9 = anfällig auch in Deutschland auf dem Zwischen- Züchtungsprogrammen zusammen. Gelb- leren Bereich, wenige sind exzellent. Ge- wirt Berberitze vermehrt und dort neue rostresistenz ist spätestens seit den Epide- gen Schwarzrost gibt es dagegen bisher Rassen entwickelt. Bei Sommerweizen mien von 2014 bis 2016 ein wichtiges keine Bestrebungen der Züchter, da diese finden sich in Mitteldeutschland bereits Zuchtziel. Und da die Resistenz recht ein- Krankheit derzeit in Deutschland bei Wei- häufiger Infektionen. Bei Winterweizen fach vererbt wird, gibt es eben sehr viele zen nur sporadisch auftritt. Die wenigen scheint die zeitliche Anpassung von Wirt resistente Sorten. Außerdem haben sich Resistenzen, die wir finden konnten, be- und Erreger noch nicht zu stimmen. Aber die anfälligen Genotypen während dieser ruhten auf zwei einzelnen Genen, die in- wir dürfen nicht die Anpassungsfähigkeit Zeit schon selbst im Zuchtgarten »ausge- ternational verwendet werden und in von Schaderregern unterschätzen. Dies il- schaltet«. Deutschland noch wirksam sind. Deren lustriert der Gelbrost, der früher nur im Auch für Resistenz gegen Ährenfusario- Träger wurden wahrscheinlich aus ande- maritim-kühlen Klima vorkam und heute sen gibt es schon seit Langem intensive ren Gründen eingekreuzt, und die Resis- bis Norditalien und Spanien infiziert. Anstrengungen. Allerdings ist deren Verer- tenzgene hielten sich im Material, obwohl bung sehr komplex, umweltabhängig und sie bisher kaum gebraucht werden. Unterschiedliche Schwerpunkte in der nur schwer in Einklang mit anderen Zucht- Züchtung. Die unterschiedliche Resistenz zielen wie Kurzstrohigkeit, Frühreife oder Spannend ist jetzt die Frage, wie viele ausstattung hängt mit der unterschiedli- Kornertrag zu bringen. Deshalb befindet von den 280 Sorten Resistenzen gegen al- chen Behandlung der Krankheiten in den sich hier die Mehrzahl der Sorten im mitt- le drei Krankheiten enthielten. Dafür müssen die Resistenzeinstufungen stan- dardisiert werden, um sie vergleichbar zu machen (Grafik 2). Wenn eine Sortenresis- Grafik 2: Sorten mit Mehrfachresistenzen tenz für eine Krankheit genau dem Mittel- wert des Sortiments entspricht, erscheint verglichen mit drei hochanfälligen Sorten sie nicht in der Grafik. Je negativer der Wert, desto höher die Resistenz. Abgese- Standardisierte Mehrfachresistenz Wuchshöhe (cm) hen von den drei hoch anfälligen Sorten anfällig 8 140 sind die aufgeführten Sorten gegen alle 6 120 drei Krankheiten überdurchschnittlich re- 4 100 sistent. Die Sorte mit der höchsten mehrfachen 2 80 Resistenz, Anapolis, ist für Ährenfusario- 0 60 sen auch die beste Sorte im Sortiment. Sie –2 40 hatte in den vergangenen Jahren als C- –4 Weizen eine große Anbauverbreitung, da 20 sie auch relativ kurz ist und einen guten –6 0 resistent Kornertrag erzielte. Ähnlich ist es mit der Sp olis tan ro As r Ax rad d Se sion He ory Pa O Sk lis Ve ier es l gr Piko a ki Ka rgas ley r xe pr pa älteren Sorte Piko. Pilgrim PZO hatte da- on m ate PZ tu Vi va m on Eli e ap ak Im O io lm na m No im gegen nur eine geringe Vermehrungsflä- O An che, da er trotz zusätzlicher Resistenz ge- Pil Gelbrost Schwarzrost gen bodenbürtige Viren und einer Ährenfusariosen Wuchshöhe exzellenten Backqualität (Stufe E) einen zu geringen Kornertrag hat. DLG-Mitteilungen | Sonderheft 9
RESISTENZEN Grafik 3. Direktkostenfreie Leistungen von B-Sorten ohne bzw. mit Fungiziden und Wachstumsreglern* Direktkostenfreie Leistung €/ha 1900 1800 1700 1600 1500 1400 o er lk e ad us en t al en t ar k sin m Se er r th tik l pe or am Po gu m Ve r Ta ch m nf SU S Ca m I K Ar LG KW Be n ohne F/ WR mit F/ WR * gemittelt über 30 bzw. 32 Orte 2019 + 2020 Quelle: LSV Niedersachsen Ein weiterer wichtiger Punkt ist die konsequente Selektion. Zur Klärung dieser Wuchshöhe. Generell ist es einfacher, lan- Frage soll unser Projekt beitragen. ge, resistente Sorten zu züchten. Deshalb fanden wir in unserem Versuch einen Tatsächlich ist die wirtschaftlichste Sor- deutlichen Zusammenhang zwischen te nicht die mit dem höchsten Kornertrag, Wuchshöhe und Befall mit Ährenfusario- sondern die gesündeste, die am wenigsten sen (siehe Grafik 2). Ein Grund dafür ist, Pflanzenschutzmittel benötigt, und trotz- dass die in der Weizenzüchtung weitver- dem produktiv ist. So gibt es heute schon breiteten Kurzstrohgene Rht1 und Rht2 Sorten, die zumindest in den trockeneren gleichzeitig eine erhöhte Anfälligkeit ge- Jahren 2019 und 2020 ohne Fungizid und genüber Ährenfusariosen bewirken. Lange Wachstumsregler höhere ökonomische Er- Sorten finden aber in der Praxis oft nur we- löse erzielen als Sorten mit vollem Spritz- nig Anklang. Daher ist es wichtig, die Se- programm (Grafik 3). So lohnte sich die lektion von Mehrfachresistenzen in einem intensive Stufe nur bei anfälligeren Sorten. laufenden Zuchtprogramm von Anfang an Aber ökonomisch betrachtet, hätte der im Blick zu haben. Damit kann man von Landwirt mit einer resistenteren Sorte oh- Beginn an auch auf die Kombination mit ne Fungizid und Wachstumsregler die Nicht-Resistenzmerkmalen effektiv selek- höchsten Erlöse erzielt – und dabei noch tieren. die Umwelt geschont. Wissenschaftlich ist noch nicht klar, wo- rauf diese Mehrfachresistenzen beruhen. Ausblick. Um die Erträge auch in Zu- Sie können durch Gene verursacht sein, kunft abzusichern, müssen nicht nur die die gleichzeitig gegen mehrere Krankhei- Pflanzenzüchter umdenken, sondern auch ten wirken, durch das Zusammentreffen die Landwirte. Sie sollten den Stellenwert unterschiedlicher Krankheitsresistenzen (multi-)resistenter Sorten neu bewerten. im selben Chromosomenabschnitt oder Zum Teil tun sie das bereits. In Zukunft Foto: Flath schlicht durch die Anhäufung unterschied- kommt es nicht auf die Erzielung der letz- licher Resistenzen im Zuchtprozess durch ten Dezitonne an, sondern auf eine hohe Produktivität bei möglichst geringem In- put. Daher arbeiten auch die Züchter intensiv weiter an multiresistenten Sorten. Die Schwarzrostresistenz könnte künftig an Bedeutung gewinnen, wenn sich die Prof. Dr. Thomas Miedaner, Universität Krankheit aufgrund des Klimawandels Hohenheim und Dr. Kerstin Flath, weiter ausbreitet. Julius-Kühn-lnstitut, Kleinmachnow 10 DLG-Mitteilungen | Sonderheft
HYBRIDWEIZEN Wie weit ist ternlinien zeigen durch die Heterosis meist eine deutlich bessere Ertragsleistung als die Eltern (»Hybrideffekt«). Vorausset- zung ist, dass sich die Genome der Eltern die Züchtung? an möglichst vielen Stellen unterscheiden, aber auch ideal ergänzen. Der Mais ist ein klassisches Beispiel für die Hybridzüch- tung. Er besitzt getrennt geschlechtliche Blüten. Die weiblichen Blüten sitzen in den Kolben. An der Spitze der Pflanze be- Bei Roggen und Mais hat sich trotz der höheren Saatgutkosten der finden sich die männlichen Blüten (Ris- pen). Durch das Entfahnen des Maises auf Anbau von Hybridsorten in der Praxis durchgesetzt. Der Weizen dem Feld können einfach männlich sterile hinkt dieser Entwicklung hinterher. Woran das liegt und welche Mutterlinien hergestellt werden. Die be- nachbarte Vater-Saatreihe bestäubt die Anstrengungen die Züchter unternehmen, hat Lorenz Hartl nun männlich sterilen Mutterlinien und zusammengefasst. produziert damit das Hybridsaatgut. Beim Fremdbefruchter Roggen kann die männliche Sterilität der Mutterlinien nicht durch Handarbeit erzeugt werden. Über D die Einführung einer genetisch bedingten er Ertragskraft des Weizens einen und einem geringen Heterosis-Effekt im Pollensterilität ist aber auch beim Roggen neuen Schub zu verleihen, ist seit Vergleich zu anderen Kulturen wie Rog- eine Befruchtungssteuerung möglich. Die- langem Ziel der Züchter. Beflügelt durch gen oder Mais. Woran liegt das? Und wie se sogenannte cytoplasmatische Pollen den großen Erfolg in anderen Kulturarten wollen die Züchter hier weiterkommen? sterilität (CMS) wird inzwischen bei Mais, setzen sie dabei große Hoffnungen in die Gerste und vielen weiteren Arten genutzt Hybridzüchtung. Letztere reicht beim und ist in der Züchtungspraxis mit an- Weizen bis in die 1970er Jahre zurück. Von Mais und Roggen nehmbarem Aufwand handhabbar. Im Fall Der durchschlagende Erfolg blieb bisher inspiriert der CMS-Sterilität fehlen dem Cytoplasma jedoch aus. Der Anbauumfang von Hyb- Der Erfolg der Hybridzüchtung ist auf (das ist der Rest der Zelle neben dem Zell- ridweizen ist in der Praxis noch vergleichs- den sogenannten Heterosis-Effekt zurück- kern) wichtige genetische Informationen weise gering. Die Ursachen dafür liegen zuführen. Die direkten Nachkommen von für die Bildung befruchtungsfähiger Pol- vor allem in den höheren Saatgutkosten Kreuzungen aus zwei verschiedenen El- len. Der Vater soll die fehlende genetische Foto: BASF Weltweit fließen hohe Summen an Forschungsgeldern in die Hybridzüchtung von Weizen. Daher ist hier in den nächsten Jahren ein deutlicher Fortschritt zu erwarten. DLG-Mitteilungen | Sonderheft 11
GRUNDÜBERLEGUNGEN Information durch sogenannte Restorer Zwei Hybridweizensorten im Leistungsvergleich gene bei der Saatgutproduktion wieder (bayerischer Landessortenversuch 2016 – 2020)* einbringen. Rohproteingehalt in % Weizen hinkt hinterher 15 14,5 Beim Roggen wurden nach intensiver 14 Suche männlich sterile Pflanzen gefun- 13,5 Hyvega (A) den. Aus diesen bauten die Züchter das 13 CMS-Hybridsystem auf. Beim Weizen war 12,5 das nicht möglich, sodass durch Kreuzung 12 mit weiter verwandten Arten auf der Mut- 11,5 Hymalaya (A) 11 terseite fremdes Cytoplasma eingebracht 10,5 wurde, das die männliche Sterilität be- 10 wirkt. Das Cytoplasma von Triticum timo- 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 pheephii erzeugte die gewünschte Ertrag in dt/ha Pollensterilität und zeigte nur geringen E-Sorten A-Sorten B-Sorten C-Sorten Einfluss auf die agronomische Leistungsfä- higkeit. Zahlreiche Forschergruppen wa- * Hymalaya 2017 – 2019, Hyvega 2019 – 2020, adjustiert. Die Hybride Hyvega kombiniert einen sehr guten Kornertrag mit mittlerem Proteingehalt. ren in den vergangenen Jahren weltweit intensiv mit der Züchtung von Elternlini- en, der Prüfung von Hybriden und den Versuchen zur Saatgutproduktion be- schäftigt. Auch an der Bayerischen Lan- immer wieder ihre Leistungsfähigkeit un- sicherstellen können. Bei den oft ange- desanstalt für Landwirtschaft gab es eine ter Beweis gestellt und rangierten unter strebten frühen Saatterminen ist auch die eigene Arbeitsgruppe. Anfang der 80er den besten Sorten. Im bayerischen Lan- Gefahr der Infektion mit Verzwergungsvi- Jahre wurden die sehr aufwendigen CMS- dessortenversuch konnten die Liniensor- ren gegeben. Zudem ist in den dünnen Be- Zuchtverfahren eingestellt, da chemisch- ten aber trotzdem mit der Hybride »Hy- ständen die Toleranz gegenüber diesen Vi- synthetische Gametozide entwickelt malaya«, die 2018 zugelassen wurde, ren geringer. wurden, die durch einfache Sprit- mithalten (Grafik). Im Vergleich zu ande- zung deutlich vor der Weizenblüte ren Sorten mit vergleichbarem Proteinge- zur Pollensterilität der Mutterlinien halt lieferte die Hybridsorte Hyvega (Zu- Hybridzüchtung bei Weizen führen. Sehr gut wirksame und ein- lassung 2020) deutlich höhere Erträge. bleibt aufwendig fach einzusetzende Mittel wurden Die Resistenzzüchtung gestaltet sich Idealerweise stehen sich für die Hybrid- dann aber aufgrund hoher Anwen- bei den Hybriden häufig einfacher, weil züchtung zwei genetische Pools gegen- dertoxizität verboten. Der Wirkstoff Resistenzen meist dominant vererbt über, die sich als mütter- und väterlicher Sintofen blieb übrig, der nun schon werden und so die Hybriden die positi- Pool ergänzen und dann zu einer hohen seit Langem in Frankreich zur Saat- ven Resistenzeigenschaften beider El- Leistung führen. Beim Mais waren bereits gutproduktion eingesetzt wird. Seit tern kombinieren. Gegen Ährenfusari- durch die Dent- und die Flint-Typen und 2017 ist ›Croisior 100‹ mit diesem um sind die Hybriden meist besser, da beim Roggen durch den Petkuser- und den Wirkstoff auch in Deutschland zur eine hohe Pollenschüttung und ein er- Carsten-Formenkreis zu Beginn der Hyb- Saatgutproduktion zugelassen. giebiger Pollenausstoß Grundvoraus- ridzüchtung jeweils zwei unterschiedliche setzung für Väter bei der Saatgutpro- Pools vorhanden. Ausgehend von diesen duktion sind. Wenn die Pollen Pools wurde dann an der Verbesserung der Leistungsfähigkeit ausgestoßen werden und nicht in der allgemeinen Kombinationseignung der der Hybriden Blüte verbleiben, wirkt sich das posi- beiden genetischen Pools gearbeitet. Eine In der Wertprüfung des Bundes- tiv auf die Resistenz gegen Ährenfu- gute allgemeine Kombinationsleistung er- sortenamtes und in den Landessor- sarium aus. möglicht eine einfache Ertragsselektion tenversuchen haben die Hybriden durch ausgewählte Testkreuzungen. Höhere Erträge benötigen die Hy- Beim Winterweizen sind keine klaren bridsorten, um die Mehrkosten für genetischen Cluster innerhalb der Sorten die Saatgutproduktion zu decken. vorhanden, da für die Linienzüchtung im- Eine hohe Anzahl an Antheren, Ökonomisch sinnvoll ist der Einsatz mer wieder norddeutsche, nord-französi- die möglichst weit aus der Blüte von Hybridsaatgut nur, wenn ge- sche und englische Typen mit dichten, herausstehen: Das ist ein ringe Aussaatstärken von etwa kompakten Ähren und hoher Kornzahl mit wichtiges Merkmal für eine 100 – 190 Körner/m2 möglich sind. süd- und ostdeutschen, eher lockerähri- Weizenlinie, um als Vater für die Wichtig ist, dass dies zum Betrieb gen Weizen gekreuzt werden. Genetische Hybridproduktion geeignet passt. Die Böden und die Saattechnik Pools der Elternkomponenten mit hoher, zu sein. müssen eine gute Saatbettvorberei- allgemeiner Kombinationseignung konn- tung und einen guten Feldaufgang ten noch nicht identifiziert werden. Des-
halb müssen die Züchter viele spezifische Testkreuzungen durchführen und Ertrags- parzellen anlegen, um die spezifische Zwischen Theorie und Praxis Kombinationsleistung für jede Testkreu- Theoretisch sind die Hybridsysteme klar. Aber in der praktischen zung zu prüfen. Entsprechend der Züch- Züchtungsarbeit sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig, damit tungstheorie sollen Pools im Hinblick auf der Saatgutertrag ausreichend und mit geringen Umweltschwankungen die allgemeine Kombinationsleistung se- verbunden ist. Eine Hybridität von mindestens 90 % ist die Vorausset- lektiert und regelmäßig verbessert wer- zung für Z-Saatgut, was sowohl beim Gametozideinsatz als auch im den, was nicht kurzfristig möglich ist. The- CMS-System bei Mischanbau eine Herausforderung darstellt. Hinzu oretisch ist für jeden Pool nur eine geringe kommt, dass alle »normalen« Zuchtziele des Weizens in den Elternlinien Populationsgröße von weniger als zehn bearbeitet, selektiert und in den Testhybriden geprüft werden müssen. Linien optimal. Beim Winterweizen sind Um den Heterosiseffekt zu steigern, erhoffen sich die Züchter, dass sich die Ansprüche an Qualität und Resistenz die genetischen Pools auf der Mutter- und der Vaterseite so optimieren aber sehr breit gefächert. Zum Beispiel lassen, dass die allgemeine Kombinationseignung verbessert wird. Dies sind durch das Aufkommen neuer Gelb- würde unmittelbar zu einem kosteneffizienteren Zuchtprozess führen, da rost- oder Braunrostrassen viele Zuchtlini- sich so die Anzahl der Prüf-Elternkombinationen verringern lässt und en kurzfristig nicht mehr für die weitere deutlich weniger Prüfparzellen für die spezifische Kombinationseignung Züchtung brauchbar. Linienzüchter setzen notwendig sind. auf eine sehr breite genetische Vielfalt. In Inwieweit sich beim Selbstbefruchter Weizen, der bereits von Natur der Hybridzüchtung konterkariert die häu- aus drei Genome vereint, die Hoffnungen erfüllen, ist noch immer nicht fige Einkreuzung von Resistenzträgern die geklärt und bleibt abzuwarten. In den letzten Jahrzehnten hat auch die Bildung von elterlichen Pools. Linienzüchtung deutliche Fortschritte erzielt. Neue Liniensorten haben immer wieder zu den Hybriden aufgeschlossen. Die Väter sind das Problem Nur ein guter Saatgutertrag ermöglicht tragbare Saatgutkosten für die Konsum- produktion. Der Weizen ist ein Selbstbe- Blüte nur minimal geschädigt werden, um ter den geforderten Hybriditätsgrad für das fruchter und besitzt eine mäßige Pollen- einen guten Saatgutertrag zu realisieren. Z-Saatgut gern von 90 % auf 85 % senken, schüttung und eine geringe Flugfähigkeit Umfangreiche Vorversuche mit variieren- wie es bei der Hybridgerste bereits ge- des Pollens. Kurze Weizen mit kompakten den Gametozidmengen werden durchge- schehen ist. Ähren blühen häufig auch sehr geschlos- führt, da die Mutterlinien sehr unter- Für die Fertilität und Einkörnung im sen ab und eignen sich deshalb nicht als schiedlich reagieren. Auch wenn die Konsumanbau benötigen die Väter in der Väter. Die Saatgutproduktion über Game- Testhybride hervorragende Eigenschaften Saatgutproduktion zwingend Restorerge- tozide ist an den Streifenanbau für die Be- und Erträge zeigt, scheiden dennoch viele ne, die die männliche Sterilität der Mütter handlung mit dem Gametozid gebunden. Kombinationen aus, wenn die Sicherheit in der Hybride (also dem Z-Saatgut) weit- Deshalb sollten die Väter die Mütter etwas der wirtschaftlichen Saatgutproduktion gehend aufheben. Bislang wurde noch überragen, um den Pollenflug zur Mutter nicht gegeben ist. kein starkes Restorergen gefunden, das al- zu erleichtern. Außerdem müssen die El- lein in der Lage ist, die Fertilität vollstän- tern im Blühzeitpunkt zusammenpassen. Für die Saatgutproduktion mittels des dig wiederherzustellen. Sind mehrere Ge- Den Anforderungen für einen ausreichen- CMS-Systems ist der Mischanbau vorge- ne notwendig, wird die Züchtung den Saatgutertrag genügen nur wenige sehen. Dabei werden in die männlich ste- komplizierter und der Zuchterfolg verrin- Weizenlinien mit gutem Pollenausstoß. rilen Mütter in geringen Anteilen Vaterlini- gert sich. Ein schlechter Kornansatz der Die Gametozidanwendung benötigt al- en gemischt, die den gesamten Bestand Hybride durch mangelnde Fertilität lerdings viel Erfahrung. Für die Anerken- bestäuben sollen. Voraussetzung ist, dass schwächt das Ertragsvermögen. nung des Saatguts sind beim Weizen 90 % die Mütter eine vollständige männliche Beim Weizen liegen bisher noch keine Hybridität vorgeschrieben. Dafür muss die Sterilität durch das Triticum timopheephii- Erfahrungen mit dem CMS-System auf Gametozidanwendung sicherstellen, dass Plasma aufweisen. Im Zuchtprozess muss dem in der Praxis üblichen hohen Ertrags- die Mutterlinie fast vollständig männlich dazu ständig die Sterilität kontrolliert wer- niveau vor. Ob das Cytoplasma von Triti- steril ist. Andererseits darf die weibliche den, da bei jeder Einkreuzung zufällig cum timopheevii letztendlich ertragsneut- Restorergene mitvererbt ral ist, bleibt noch zu beweisen. Zudem ist werden könnten, die die zu befürchten, dass eine unvollständige Fertilität wieder herstel- Einkörnung durch mangelhafte Restaura Die Vermehrung von len. Die Väter müssen wie tion auch der Infektion mit Mutterkorn beim Gametozidsystem Vorschub leistet. Aufgrund der geplanten Hybridweizensaatgut ist eine hohe Bestäubungs- Verschärfung der Mykotoxingrenzwerte leistung aufweisen. sehen die Müller dies sehr kritisch. nach wie vor eine der Aufgrund der schlech- ten Bestäuberleistung des Dr. Lorenz Hartl, Bayerische Landesanstalt größten Herausforderungen. Weizens wollen die Züch- für Landwirtschaft, Freising DLG-Mitteilungen | Sonderheft 13
INTERVIEW »Wir müssen in viele Richtungen denken« Hohe und stabile Erträge, Trockenstresstoleranz, Nährstoffeffizienz, eine breite Resistenzausstattung – die »Wunschliste« an die Züchter ist lang. Ein Schlüssel, um diese Ziele zu erreichen, ist die Hybridweizenzüchtung, meinen Dörthe Dräger und Vilson Mirdita. Frau Dr. Dräger, Herr Dr. Mirdita, vor sprechende Aussichten und haben dazu Verschieben sich aktuell die Züchtungs- welchen großen Herausforderungen ste- beigetragen, den Weg für die Hybridzüch- präferenzen? hen die Weizenzüchter aktuell? tung zu beschleunigen. Für uns sind alle bereits genannten Ei- Weizen ist eines der wichtigsten Grund- Darüber hinaus werden vielfältige An- genschaften sehr wichtig. Im Hinblick auf nahrungsmittel der Welt. Er liefert 20 % forderungen an das Saatgut gestellt. In Zu- eine wachsende Weltbevölkerung sind der weltweiten Kalorienproduktion und ist kunft wird es nicht mehr ausschließlich stabile Erträge unabdingbar. für die Bevölkerung rund um die Welt von darum gehen, Maximalerträge zu realisie- Gleichzeitig müssen wir auch mit Blick zentraler Bedeutung. Das spiegelt sich ren. Vielmehr müssen die Landwirte bes- auf ›Farm-to-Fork‹ und die Anforderungen auch in der Anbaufläche wider. Weltweit sere Erträge erzielen, die sich einerseits der Gesellschaft unsere landwirtschaftli- ist der Weizen die wichtigste Getreideart. auch bei Wetterkapriolen und Trockenpe- Um den Bedarf der wachsenden Weltbe- rioden auf einem stabilen Niveau bewe- völkerung zu decken, muss die Versor- gen, gleichzeitig aber auch Umwelt und Foto: BASF gung mit Weizen bis zum Jahr 2050 um 50 Ressourcen schonen. Das ist eine große bis 60 % gesteigert werden. Das entspricht Herausforderung. Der Getreidemarkt be- einer globalen jährlichen Ertragssteige- nötigt deshalb innovative Lösungen, die rung von 1,2 %. dabei helfen, die globale Weizennachfra- Allerdings haben sich die Erträge in Eu- ge im Rahmen einer nachhaltigen Produk- ropa seit 2000 kaum verändert. Ein Grund tionsweise zu decken. dafür ist die Tatsache, dass Weizen die letzte der »großen« Kulturen ist, deren Ge- Wie weit ist die Hybridzüchtung bei Wei- nom vollständig entschlüsselt wurde. Aus zen? Wann können wir hier mit einem diesem Grund stagnierten die Erträge in »Durchbruch« rechnen? der Vergangenheit. Wir konzentrieren uns zunächst auf die Einführung von Hybridweizen in den wich- Können wir bei unserer wichtigsten Kul- tigsten Anbaugebieten, um den Landwirten tur auch weiterhin mit steigenden Erträ- die Möglichkeit zu geben, die Weizenpro- gen rechnen, oder ist die Weizenzüch- duktion weiterzuentwickeln. tung »am Ende«? Um hochwertige Elternkomponenten für Durch innovative Züchtungstechnologi- das Hybridweizenprogramm zu entwickeln, en und die bereits angesprochene Sequen- nutzen wir verschiedene pflanzengeneti- zierung des Weizengenoms sind wir davon sche Ressourcen aus wichtigen Weizenan- überzeugt, mit Hybridweizen die Erträge in baugebieten der Welt. Für den Erfolg von Zukunft einerseits steigern und andererseits Hybridweizen ist außerdem eine enge Zu- stabilisieren zu können. Die Züchtung von sammenarbeit entscheidend. Wir arbeiten Hybriden ermöglicht die Auswahl der bes- seit Gründung der Forschungspipeline für ten Pflanzeneigenschaften zweier unter- Hybridweizen mit Landwirten, Händlern, schiedlicher Elternlinien und erzeugt eine Beratern und Partnern in der Wertschöp- Um den Weizen züchterisch »nach neue Generation (F1), welche die positiven fungskette auf staatlicher und privater Ebene vorn zu bringen«, Merkmale der Elterngeneration enthält. zusammen. sind innovative Neben stabilen Erträgen sind das auch ho- Wir planen, erste Hybridweizensorten Verfahren in Labor, he Qualitäten und Krankheitsresistenz. Mitte der 2020er Jahre in Deutschland und Gewächshaus und Jüngste Fortschritte bei der Sequenzie- Europa, aber auch in den USA und Kanada auf dem Feld rung des Weizengenoms geben vielver- einzuführen. erforderlich. 14 DLG-Mitteilungen | Sonderheft
jeweiligen Linien in einer Hybride zu kombinieren. So müssen sich Züchter nicht für eine spezifische Präferenz ent- scheiden. Neben stabilen Erträgen auch bei Wetterextremen und Trockenperioden legen wir deshalb großen Wert auf Resis- tenzeigenschaften der Sorten, welche langfristig dazu führen werden, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln redu- ziert werden kann. Welche Antworten liefern Sie beim Wei- Dr. Dörthe Dräger, Lead Breeder Dr. Vilson Mirdita, Senior Breeder zen mit Blick auf die Anforderungen der für Hybrid-Winterweizen, BASF, für Hybrid-Winterweizen, BASF, neuen Düngeverordnung? Gatersleben Gatersleben Erste Versuche in Europa haben gezeigt, dass Hybridweizen ökologische Vorteile bietet, wie z. B. eine verbesserte Stickstoff- che Produktion möglichst klima- und res- unsere Züchtungen mit ein, um das Poten- effizienz und eine Reduzierung der CO2- sourcenschonend gestalten und dabei tial von Weizen voll entfalten zu können. Produktion pro Tonne Getreide. Durch die auch auf Veränderungen unserer Umwelt Hybridweizen bietet unserer Meinung verbesserte Sticktoffeffizienz kann die reagieren. In diesem Zusammenhang sind nach vielfältige Chancen, um verschiede- Düngung verringert werden, ohne Ertrags- Klimastabilität und Resistenzeigenschaf- ne Zuchtziele gleichzeitig zu erreichen. verluste zu riskieren. Das ist nicht nur um- ten wichtige Faktoren, die es Landwirten Durch die Kreuzung zweier Elternlinien, weltschonend, sondern auch profitabel für auch in Zukunft ermöglichen werden, die sich in ihren jeweiligen Eigenschaften den Landwirt. produktiv arbeiten zu können. Aus diesem deutlich unterscheiden, haben wir die Grund beziehen wir vielfältige Faktoren in Möglichkeit, die besten Eigenschaften der Welche Zuchtziele sind besonders schwer zu realisieren? Besonders die Kombination von verschie- denen Zuchtzielen wie Ertragsstabilität, Re- sistenzeigenschaften und Klimastabilität auf hohem Niveau ist sehr komplex. Dafür bedarf es vor allem Zeit und Kreativität. Wir nutzen innovative Verfahren der statisti- schen Genomik, also statistische Metho- den, mit denen sich der Zusammenhang zwischen genetischer Variation und Merk- malsausprägung abschätzen lässt. So kön- nen wir Vorhersagemodelle für eine erfolg- reiche Züchtungs-Pipeline entwickeln. Mit einem umfangreichen globalen Versuchs- netzwerk und lokal zugeschnittenen Zucht- programmen arbeiten wir daran, die spezifi- schen Bedürfnisse von Landwirten, Partnern und der gesamten Wertschöpfungskette zu erfüllen. Welchen Stellenwert messen Sie den neu- en Züchtungsverfahren wie CRISPR/ Cas für den Weizen bei? Innovationen in der Pflanzenzucht wie die Genomeditierung bieten in Zukunft neue Möglichkeiten zur Verbesserung von Sorteneigenschaften für alle landwirt- schaftlichen Kulturen in kürzerer Zeit. Das Potential ist also enorm. Allerdings muss die Zulassungssituation der Verfahren vollständig geklärt sein, um es ausschöp- fen zu können. Die Fragen stellte Katrin Rutt DLG-Mitteilungen | Sonderheft 15
GENOMEDITIERUNG I Neuer Turbo für Weizen sechs (»hexaploid«) und bei der Erdbeere sogar acht Gen-Kopien (»okto ploid«). Um Merkmale wie Ertrag, Ge- schmack, Vitamingehalt oder Resistenzen die Züchtung zu verändern, muss man also gleich meh- rere Gen-Kopien verändern, da eine Muta- tion in nur einer Kopie in der Regel keine Auswirkung hat. Die anderen Kopien be- halten nämlich die ursprüngliche Funkti- on bei. Selbst mit künstlicher Mutagenese Wie bei einem chirurgischen Eingriff können Pflanzenzüchter kommt man oft nicht weiter. Und je kom- plexer ein Genom ist, desto schwieriger ist mithilfe der neuen Technologie CRISPR/ Cas gezielt die DNS es, ein Merkmal zu verändern. Eine An- verändern. Dirk Schenke erklärt, wie das funktioniert und wie passung der Pflanzen an sich ändernde Umweltbedingungen findet demnach nur Forscher die neuen Möglichkeiten nutzen. sehr langsam statt. Doch der Klimawandel erfordert eine schnellere Adaption z. B. an Zeiten längerer Trockenheit, Starkregener- eignisse oder einem erhöhten Schädlings- D befall. iese Technologie ist so bahnbre- sind ungerichtet, und es kommt neben zu- chend, dass die beiden Entwickle- fälligen Mutationen im gewünschten Ziel- Die Genomeditierung umfasst eine Rei- rinnen dafür im vergangenen Jahr mit dem gen auch zu vielen unerwünschten Verän- he von Techniken, die es erlauben, eine Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wur- derungen im übrigen Erbgut. Das macht Stelle im Genom gezielt zu verändern. den. Die Rede ist von der »Genschere« zeitaufwendige Rückkreuzungen erforder- Dabei ist die Genschere CRISPR/ Cas die CRISPR/ Cas, einem Werkzeug zur soge- lich, um die ungewollten Mutationen wie- weitaus verbreitetste Methode. Sie ist ein- nannten Genomeditierung. Diese mole- der zu entfernen. Aber auch das gelingt oft fach, relativ kostengünstig und kann prak- kularbiologische Methode wird seit 2013 nicht komplett und kann mit Ertrags- und tisch jede Genkopie finden und verän- in vielen Laboren angewandt und spielt Qualitätseinbußen verbunden sein. dern. Dafür nutzt man ein Protein (z. B. auch in der Pflanzenzüchtung eine immer Cas9), das die DNA schneiden kann. stärkere Rolle. Denn sie erlaubt, die DNA Wie bringt uns die Genomeditierung Durch den Schnitt wird eine Reparatur er- ganz gezielt an einer gewünschten Stelle weiter? Die Genome unserer Kulturpflan- forderlich, sodass es an dieser definierten zu schneiden und anschließend durch Re- zen sind in der Regel viel komplexer als Stelle bei fehlerhafter Reparatur zu einer paratur zu verändern. Das ist mit konven- das menschliche Genom. Während der zufälligen Veränderung (Mutation) kom- tionellen Methoden in der Züchtung, z. B. Mensch vereinfacht von jedem Gen zwei men kann. Wird die Zielstelle korrekt re- mittels Strahlung oder chemischer Muta- Kopien hat (»diploid«), sind es bei Kartof- pariert, so kann sie weiterhin von der auf genese völlig unmöglich. Solche Ansätze feln und Raps vier (»tetraploid«), beim diese Sequenz programmierten Gensche- re erkannt und erneut geschnitten werden, bis es zu einer Mutation kommt (Grafik). Dass man so keinen Einfluss auf die Art So funktioniert die Genomeditierung der Mutation nehmen konnte und daher viele Individuen auf die gewünschte Än- derung hin untersuchen musste, limitierte 1. 2. Genschere die »frühe« Editierung mittels CRISPR/ Cas. CRISPR/ Cas Ziel- Allerdings gab es seit den ersten solcher sequenz Anwendungen bereits eine Reihe von Ver- DNA ˙∙∙ATTGCTTG∙∙ besserungen. Viele zielten darauf ab, dass die Genschere wirklich nur noch da schneidet, wo sie soll und nicht auch an sehr ähnlichen Stellen im Genom. Ände- Schnitt rungen in der Struktur der Genschere oder 4. 3. der Einsatz von ähnlichen Genscheren aus anderen Bakterien erlaubten eine höhere DNA ∙∙ATTTTG∙∙ Flexibilität bei der Auswahl der Schnitt- Mutation Reparatur stelle innerhalb des Zielgens. (–2 Basen) Verbesserte Varianten: Prime-Editing und Base-Editing. Neuerdings bietet die CRISPR/ Cas-Variante »Prime-Editing« die Möglichkeit, die Reparatur so zu beein- 16 DLG-Mitteilungen | Sonderheft
Die neuen Methoden Prime-Editing und Base-Editing machen die CRISPR/ Cas- Technologie noch effizienter. Foto: New Africa – stock.adobe.com flussen, dass die Mutation nicht mehr zu- rung die DNA so um, dass die Zielstellen verändern, das Korngewicht zu erhöhen, fällig ist, sondern es zu einer ganz be- solcher Effektoren verändert werden, so den freien Asparagingehalt zu senken stimmten Veränderung kommt. Das Prime- kann die Wirtspflanze nicht mehr manipu- (Vorstufe von schädlichem Acrylamid) so- Editing bügelt damit zwei Schwächen des liert werden. Der Eindringling hat schlech- wie die Resistenz gegen echten Mehltau herkömmlichen CRISPR/ Cas-Verfahrens tere Karten, und die Pflanze wird im bes- und Fusarium graminearum zu steigern. aus: Fehlschnitte werden reduziert, und ten Fall resistent gegen den Schädling. Sowohl Prime-Editing als auch Base- die Reparatur (also das Einfügen der ge- Möchte dieser z. B. pflanzliche Anfällig- Editing wurden bereits erfolgreich im Wei- wünschten DNA-Veränderung) wird effi- keits-Gene anschalten, welche ihm »Ext- zen getestet. zienter. ra-Nahrung« verschaffen, so kann man die Mit einer weiteren Variante, dem soge- regulatorische Stelle vor dem betreffenden Trotzdem ist die Genomeeditierung nannten »Base-Editing«, wird die DNA gar Gen mittels Genomeditierung verändern, nicht trivial. Und es wird sicherlich noch nicht mehr geschnitten, sondern nur eine sodass der TAL-Effektor nicht mehr an die- einige Zeit vergehen, bis es zur »Routine« einzelne Base ausgetauscht. Damit stehen ser DNA-Stelle binden kann. Das wurde wird, Zielgene so zu verändern, dass un- nun theoretisch alle Möglichkeiten offen, bereits erfolgreich im Reis gezeigt. Andere sere Kulturpflanzen besser an die neuen ein Genom an genau definierten Stellen Schädlinge bilden kleine siRNAs, die ge- Umweltbedingungen angepasst sind. Dies ganz gezielt zu verändern. nau zu einer komplementären Sequenz ei- liegt nicht unbedingt an der Technologie, nes Abwehr-Gens im Wirt passen und so sondern auch an den Schwierigkeiten in Wie kann man Pflanzen ohne uner- die Zerstörung der Genprodukte auf RNA- einigen Kulturpflanzen, die Genschere wünschte Nebenwirkungen resistenter Ebene veranlassen. Das ist z. B. bei der In- einzubringen, aus diesen wieder ganze gegenüber Schädlingen machen? Dazu teraktion zwischen Grauschimmel und Pflanzen zu regenerieren und danach die muss man wissen, dass viele Schädlinge Tomate der Fall. Auch das kann theore- Genschere durch Kreuzungen wieder zu ihre Wirtspflanzen so manipulieren, dass tisch verhindert werden, indem man einen entfernen. Allerdings benötigen Pflanzen, es ihr Wachstum und ihre Vermehrung be- anderen »Dialekt« des genetischen Codes die sich selbst besser gegen Schädlinge günstigt. Sie verwenden dazu sogenannte an der Zielstelle der siRNA-Effektoren ver- verteidigen können, prinzipiell weniger »Effektoren« wie z. B. Transkriptions-akti- wendet, welche diese nun nicht mehr er- Pflanzenschutzmittel – eine nachdrückli- vierende Proteine (TAL-Effektoren) oder kennen können. Der Pflanze entstehen che Forderung der Verbraucher. Daher kleine interferierende RNAs (siRNAs), die dadurch keine Nachteile. lohnt es sich für die Züchter, in diese Rich- sie in die Pflanze einschleusen. Dort bin- tung (weiter) zu investieren. den sie an ihre Zielstellen. Auf diese Weise Auch im Weizen wurde Genom-Editing schalten sie »Anfälligkeits-Gene« an oder inzwischen erfolgreich angewendet, um Dr. Dirk Schenke, Abteilung molekulare stören die Wirkung von »Abwehr-Genen«. ihn z. B. glutenfrei und hybridfähig zu ma- Phytopathologie und Biotechnologie, Schreibt man nun mittels Genomeditie- chen, seine Stärke-Zusammensetzung zu Universität Kiel DLG-Mitteilungen | Sonderheft 17
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