Hofnachfolge AGRARSOZIALE GESELLSCHAFT E.V.
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AG RAR S O Z IALE G E S E LLS C HAF T E. V. Schwerpunkt Hofnachfolge Interviews Volker Bruns BLG-Vorsitzender Rolf Hoffner Landsiedlung Baden-Württemberg ASG-Frühjahrstagung in Brandenburg an der Havel H 20781 | 69. Jahrgang | 02/2018 | www.asg-goe.de
Inhaltsverzeichnis ASG 1 Editorial 2 ASG-Frühjahrstagung 2018 in Brandenburg an der Havel: Für eine echte Energiewende muss noch viel passieren 8 Richtigstellung zum Artikel „Kernige Dörfer 2017 ausgezeichnet“ 9 Nutzen für die Gesellschaft deutlich sichtbar machen Agrarpolitik 11 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Geschichte wiederholt sich – oder auch mal nicht Landwirtschaft 13 Geschlechtergerechte Teilhabe in der landwirtschaftlichen Interessenvertretung Schwerpunkt Hofnachfolge 16 Interview mit Volker Bruns: Wir brauchen mehr Nüchternheit 19 Innovative Konzepte des landwirtschaftlichen Neueinstiegs in ausgewählten EU-Ländern 22 Hofnachfolge in konventionell wirtschaftenden Betrieben und im Ökolandbau 24 Chancen einer außerfamiliären Hofübergabe 27 Außerfamiliäre Hofübergabe: Neue Bäuerinnen und Bauern braucht das Land! 31 Interview mit Rolf Hoffner: Auf der Suche nach dem passenden Betrieb 33 Interview zur innerfamiliären Hofübernahme: Niemand soll sich ausgegrenzt fühlen 34 Es gibt genug Nachwuchs 38 Hofabgabeerfordernis in der Alterssicherung der Landwirte: agrarstrukturell wirksam und zeitgemäß? 40 Das Kreuz mit der Pflegeklausel 42 Lesetipp: Hofübergabe gestalten, Abfindung regeln 42 SVLFG-Seminar: Betriebsübergabe – ein Gesundheitsthema 44 Hofübergabe bewusst gestalten – über was man alles reden sollte Lesetipps 45 Die Preise lügen. Warum uns billige Lebensmittel teuer zu stehen kommen 46 Rentenbank Geschäftsbericht 2017 mit Agrar Spezial: Was essen wir morgen? Termine 46 Landentwicklung 4.0 – Digitalisierung in Landentwicklung und Landwirtschaft, moderne Beteiligungsverfahren 46 Ernst-Engelbrecht-Greve-Preis 2019 Personalien 47 Christel Hoffmann verstorben 47 Franz Sauter 90 Jahre 47 Dietmar Ilg im Vorstand der Rentenbank Aus der Forschung 48 Nationale Naturlandschaften (NNL) und erneuerbare Energien 48 Bioenergie im Spannungsfeld – Wege zu einer nachhaltigen Bioenergieversorgung 48 Überregional aktive Kapitaleigentümer in ostdeutschen Agrarunternehmen: Entwicklungen bis 2017 Fotos Titelseite: © Martina Berg – Fotolia.com. Sofern keine Nachweise an den Fotos und Abbildungen stehen, wurden diese der Redaktion von den Autor*innen, Fotograf*innen und Verlagen überlassen oder stammen aus dem Bildarchiv der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
Editorial 1 „Im Prinzip wollen es alle, nur wenn es dann konkret wird, dann sieht es anders aus …“, so die Erfahrung einer Referentin der ASG-Frühjahrstagung zum Thema „Erneuerbare Energien im ländlichen Raum“ in Brandenburg an der Havel. Bei dem „was alle wollen“ handelt es sich um das Erreichen von Klimazielen und damit letztlich um den Wunsch nach guten Lebensbedingungen für alle Menschen. Denn dazu bedarf es nun mal eines guten Klimas. Dass „gutes Klima“ dabei durch aus mehrdeutig zu verstehen ist, wurde bei der Tagung immer wieder deutlich. Foto: privat Das Gastgeberland Brandenburg steht bei der Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland ganz weit vorne, insbesondere durch zahlreiche große Windparks, aber auch Photovoltaik- und Biogasanlagen. Sehr beindruckend, welche Entwick- lungen hier stattgefunden haben! Viel frischer Wind und eitel Sonnenschein!? Ja und Nein. Es gibt – und das gilt für alle Bundesländer – weiterhin zahlreiche Herausforderungen wie z. B. die Implementierung intelligenter Formen von Sektorenkopplung, Energiespeicherung und Netzausbau. Und es gibt viele beteiligte Akteure. Damit kommt der andere „Klimaaspekt“ ins Spiel: die Frage nach dem sozialen Klima, der Akzeptanz und den Stimmungen in der Bevölkerung, nach Gerechtigkeit, Gewinnern und Verlierern. Wer profitiert von den nicht unerheblichen Gewinnen der neuen Technologien? Noch viel zu selten die Kommunen und damit die Bevölkerung vor Ort. Dieses Klima wird durch poli tische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen und Sichtweisen ebenso beeinflusst wie durch eigene Erfahrungen mit einer Sache, einem Thema oder Menschen. Wenn es konkret wird, dann kommen zu den komplexen, scheinbar rein sachlich-fachlichen Themen noch viele andere Aspekte hinzu. Und wenn diese nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhalten, dann können die Folgen über schlechtes Klima untereinander weit hinausgehen, bis hin zu Unwettern mit Zerstörungspotenzial. Und da gibt es eine deutliche Schnittmenge der Energiewende (vor Ort) mit dem Schwerpunktthema dieses Heftes: Hofnachfolge. Auch hier handelt es sich um Prozesse, die Zeit und ein Bewusstsein für die verschiedenen beteiligten Ebenen benötigen. Bei der Hofübergabe wird eine Besonderheit des landwirtschaftlichen Familienbetriebes besonders deutlich: Alles ist irgendwie mit allem vermischt – Sachfragen (wie z. B. Steuer, Erbrecht), persönliche Wünsche, Vorstellungen, Ängste und Traditionen ebenso wie betriebliche Erfordernisse und Bedingungen. Ob Hofübergabe, inner- oder außerfamiliär, oder auch der Übergang in der Unter- nehmensführung großer Agrarbetriebe, immer handelt es sich um herausfordernde Veränderungsprozesse, die Menschen ganz persönlich betreffen. Diese Prozesse gilt es bewusst zu gestalten. Dazu bedarf es vor allem gelingender Kommunikation. Und dafür wiederum braucht es Zeit(en), Orte, Beziehungsaufbau und Vertrauen, die Bereitschaft und Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Eine Prozessbegleitung ist hier oft sehr sinnvoll. Hilfreich sind auch – für eine gelingende Hofübergabe wie auch für die Energiewende – gemeinsame Ziele, vielleicht sogar Visionen. „Eigentlich wollen es ja alle…“ – eine gute Grundlage für gelingende Veränderungsprozesse. Ihre Ute Göpel BAG Familie und Betrieb e.V. Bundesarbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftlichen Familienberatungen und Sorgentelefone, Schwalmstadt | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
2 ASG ASG-Frühjahrstagung 2018 in Brandenburg an der Havel: Für eine echte Energiewende muss noch viel passieren 1990) verfehlen; eine Reduzierung um 55 % bis Fotos: M. Busch 2030 sei jetzt das Ziel der neuen Bundesregierung, berichtete Jan Hinrich Glahr. Um dies zu erreichen, seien im Koalitionsvertrag Sonderausschreibungen für Wind und Photovoltaik vereinbart worden, die über die im aktuellen EEG festgelegten Höchstmen- gen hinausgehen. Das ambitionierte Ziel für 2030 könne jedoch nur erreicht werden, wenn die Länder mitzögen und zeitnah ein verbindlicher Fahrplan zum Kohleausstieg festgelegt werde. Besonders in Brandenburg sei es schwierig, hierfür einen trag- fähigen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Ein Teil der Wertschöpfung, die bei Schließung der Jörg Vogelsänger, Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Tagebaue verlorenginge, könne durch die „Erneuer- Landwirtschaft und Dr. Juliane Rumpf, Vorsitzende des Vorstands der Agrarsozialen Gesellschaft baren“ jedoch ersetzt werden. Mit der Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren übernehme die Branche eine große Verantwortung für die Energieversor- Im Rahmen des Empfangs der Brandenburgischen gung Deutschlands. Der Bund und auch das Land Landesregierung wies Jörg Vogelsänger, Minister Brandenburg müssten die beteiligten Akteure daher für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirt- in die Lage versetzen, dieser Rolle gerecht zu schaft, auf die aktuelle Diskussion zur neuen werden. Es werde ein verlässlicher gesetzlicher GAP-Förderperiode und den EU-Haushalt hin. Rahmen benötigt, der Planungssicherheit schaffe Er begrüße den Vorschlag von Finanzkommissar und strategische Spekulationen am Markt verhindere. Günther Oettinger, künftig 1,11 % des Bruttonational Aufkommensneutrale und faire Wettbewerbsbedin- einkommens in das EU-Budget einzuzahlen. Aus gungen könnten durch eine CO2-Steuer im Strom- Deutschland gäbe es hierzu positive Signale. Die und Wärmesektor geschaffen werden. Der BBE Europaskepsis in einigen Ländern bereite ihm aller- plädiere dafür, künftig die Industrieprivilegien beim dings Sorgen. Damit Europa, die Landwirtschaft und Strom direkt über den Bundeshaushalt zu finanzie- der ländliche Raum eine Zukunft hätten, rief Vogel- ren, so könne die EEG-Umlage für die Bürger*innen sänger dazu auf, die Menschen für Europa zu ge- um 1,5 ct/kWh (netto) sinken. Um die neuen Klima- winnen und dafür zu sorgen, dass europafeindliche ziele zu erreichen, sei eine klügere Nutzung der Parteien nicht gewählt würden. Ebenfalls zur Zu- neuen und der vorhandenen Infrastruktur – sowohl kunft gehörten die erneuerbaren Energien, zu denen im Übertragungs- als auch im Verteilungsnetz – die allgemeine Zustimmung groß sei; schwieriger notwendig. Der Mobilitätssektor müsse ebenfalls werde es, wenn es konkret darum gehe, im länd- konsequent auf die Nutzung erneuerbarer Energien lichen Raum Windkraftanlagen zu bauen. Tagungen ausgerichtet werden. wie die der ASG, bei denen ein Erfahrungsaustausch u. a. darüber stattfinde, wie eine größere Akzeptanz erreicht werden könne, seinen sehr wichtig. „Ein übergreifendes Konzept, wie eine nachhaltige Marktdynamik für erneuerbare Energien und die nötigen CO2-Einsparungen zur Erreichung der Klimaziele er- „Deutschland kann nicht gleichzeitig Energiewendeland sein wirkt werden können, fehlt im Koalitionsvertrag völlig.“ und Kohleland bleiben.“ Nils Boenigk, Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) Jan Hinrich Glahr, Sprecher Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. Berlin-Brandenburg (BBE) In den vergangenen Jahren habe der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor bei der Deutschland werde das für 2020 verpflichtende Vermeidung von CO2-Emissionen die größte Rolle EU-Ausbauziel für erneuerbare Energien und auch gespielt, so Nils Boenigk. Im Wärme- und Verkehrs die selbstgesetzten Klimaschutzziele für 2020 bereich sei die Entwicklung jedoch weit weniger (Reduzierung der Emissionen um 40 % gegenüber positiv verlaufen. Auch fehlten im aktuellen Koalitions- | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
ASG 3 vertrag die Ambitionen, dies zu verändern. Positiv Als Energieland sei Brandenburg an der Sektoren seien die klaren Bekenntnisse zu Klimaschutz, Kohle- koppelung besonders interessiert und fördere ver- ausstieg, Sektorenkoppelung und Speichertechnolo- schiedene Pilotprojekte im Bereich „Power to Gas“; gien. Er kritisierte jedoch, dass kein direkter Bezug 10 % des Erdgases im Netz könnten durch Wasser- auf eine CO2-Bepreisung vorhanden sei und der stoff ersetzt werden. Die Speicher-Richtlinie zur ver- Ausbau des regenerativen Stroms vom Netzausbau besserten Integration von Erneuerbaren Energien abhängig gemacht werde. Allerdings gäbe es viele (SPREE) mit einem Umfang von 50 Mio. € (davon Maßnahmen, die einen Ausbau der Erneuerbaren 40 Mio. € aus dem EFRE) liege zzt. in Brüssel zur ohne erhöhten Netzausbau ermöglichten. Leider Genehmigung vor, während das 1 000-Speicher- fehlten im Koalitionsvertrag auch Aussagen zur Ak- Programm für den privaten Bereich ausschließlich teursvielfalt. Die Rede von der dezentralen Energie- mit Landesmitteln umgesetzt werde (7 Mio. €). wende sei nicht nur ein Schlagwort. Bisher hätten Das Ziel sei, die Eigenverbrauchsquote und den viele unterschiedliche Akteure die Möglichkeit ge- Autarkiegrad zu steigern sowie die punktuelle habt, sich wirtschaftlich zu beteiligen, weshalb der Entlastung des Verteilnetzes. Anteil der vier großen Stromkonzerne am regene rativ erzeugten Strom in Deutschland 2016 weniger als 6 % betragen habe. Die Akzeptanz in der Bevöl- „Für das Gelingen der Energiewende ist die Stärkung der kerung für erneuerbare Energien sei weiterhin hoch, allgemeinen, sozio-politischen Akzeptanz ebenso wichtig auch wenn Widerstand zu einzelnen Projekten wie die konkrete Akzeptanz einzelner Maßnahmen vor Ort.“ wachse. Ein weiterer Ausbau sei nur über eine Be- Michael Krug, Forschungszentrum für Umweltpolitik teiligung der Menschen vor Ort möglich, wozu auch der Freien Universität Berlin intelligente Vermarktungskonzepte gehörten, die den Verbrauch der Energie vor Ort förderten und damit die regionale und kommunale Wertschöpfung Ziel des im Rahmen des EU-Programms Horizont erhöhten und die Stromnetze entlasteten. 2020 geförderten internationalen Forschungsprojek- tes WinWind sei, so Michael Krug, die gesellschaft- liche Akzeptanz in windenergiearmen Regionen ver- „Wir haben einen Prüfauftrag zur Einführung einer schiedener Länder zu untersuchen und zu stärken. bundeseinheitlichen Regelung für die Beteiligung von Zielregionen in Deutschland seien die windenergie- Kommunen an Windkraftanlagen durch eine Sonder armen Bundesländer Thüringen und Sachsen; zum abgabe erteilt.“ Vergleich dienen Schleswig-Holstein und Branden- Dr. Klaus Freytag, Abteilungsleiter „Energie und Rohstoffe“, burg als Regionen mit gut ausgebauter Windener- Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg gie. Das „Gemeinschaftswerk Energiewende“ habe bisher eine breite Zustimmung in der Bevölkerung erfahren, die allgemeine Akzeptanz der Onshore Dr. Klaus Freytag erläuterte, dass 2015 60 % des Windenergie liege bei 83 %, sinke bei lokaler Be in Brandenburg erzeugten Stroms exportiert worden troffenheit jedoch auf 60 – 70 %. In Regionen, die sei; der Anteil der regenerativen Energieträger an bereits Erfahrung mit Windenergie hätten, sei die der Stromerzeugung habe knapp 30 %, der der Zustimmung allerdings größer als in Regionen, Kohle etwa 60 % betragen. Trotz des hohen Anteils wo dies nicht der Fall sei. Fördernde Faktoren der Kohle habe Brandenburg seinen gesamten seien Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit so- CO2-Ausstoß seit 1990 um 36 % senken können. wie Vertrauen in den Prozess. Akzeptanzbarrieren Dr. Freytag betonte die hohe Bedeutung der Versor- seien bspw. Gefühle der Ohnmacht oder Fremd gungssicherheit für die Industrie, die heute nur mit bestimmung. Wegen der Vielfalt von Einflüssen und Kohlestrom erreicht werden könne, zudem sei die der unterschiedlichen Wahrnehmung der Akteure Wertschöpfung in der Lausitz durch die Kohle sehr gäbe es keine Patentrezepte. Mögliche Maßnahmen hoch. Dennoch gehe er davon aus, dass Anfang der seien Kommunikationsstrategien, die sich an die 2030er Jahre der Tagebau eingestellt werde. Der „schweigende Mehrheit“ wenden, die Kommuni Ausbau der regenerativen Energieerzeugung sei in kation von Leuchtturmprojekten und Gemeinwohl Brandenburg stark vorangetrieben worden, bei der effekten, Dialog- und Beratungsangebote und eine Windenergie stehe das Land an zweiter Stelle hinter professionelle Unterstützung der Kommunen. Bei- Niedersachsen. Die Gesamtleistung der Erneuer spiele für solche Maßnahmen seinen Gütesiegel baren betrage fast 75 % des Bruttostromverbrauchs für „faire“ Windenergie, wie sie in Thüringen und in Brandenburg. Das Land stehe – im Gegensatz Schleswig-Holstein bereits existierten, oder der zu anderen Bundesländern – zu dem Ziel, 2 % der Vorschlag einer bundesweiten Sonderabgabe an Landesfläche für Windenergieanlagen auszuweisen. umliegende Kommunen. | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
4 ASG sich Dr. Klaus Freytag sicher, allerdings werde über „Der Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass es die richtigen Wege gestritten. Das Land Branden- in Dänemark keine Gegnerschaft zwischen Bürgerenergie burg habe durch die Deindustrialisierung maßgeb- gesellschaften und Energieerzeugern gibt, wie sie in lich zu den vergangenen CO2-Einsparungen beige- Deutschland oft zu beobachten ist.“ tragen; wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Dipl. Ing. (FH) Horst Leithoff, Geschäftsführer der Bürgerwindparks ginge, werde vor allem südlich des Mains blockiert. Grenzstrom Vindtved, Brebek und Süderlügum Eine gute Zusammenarbeit attestierte Jan Hinrich Glahr Politik und Verbänden in Brandenburg. Aller- In Dänemark handele es sich bei der Planung dings gäbe es eine kleine, lautstarke Minderheit, eines Windparks nicht wie in Deutschland um einen die Gegenwind erzeuge. Gemeindevertreter*innen hauptsächlich technischen Prozess, so Horst Leithoff, und regional Verantwortliche müssten immer wieder sondern um einen politischen, der in den (sehr flächen dieselben Aussagen wie „Windkraftanlagen machen großen und Städte einschließenden) Kommunen krank“ oder „Windstrom hilft nicht bei der Energie- entschieden werde. Zunächst werde den Bürger*in- wende!“ widerlegen. Es sei aber wichtig, diese Dis- nen ein Plan mit Schutzzonen und Freiflächen kussion zu führen und alle Menschen mitzunehmen. (z. B. für Naturschutz) vorgelegt und nach Ideen Hierzu ergänzte Horst Leithoff, dass wir in einer zum Standort gefragt. Ist die Stimmung vor Ort hin- Zeit der vereinfachten Kommunikation lebten, die sichtlich neuer Anlagen schlecht, wird das Projekt Themen Klimaschutz und Energiewende jedoch zu fallen gelassen, ist sie positiv, erstelle der Stadtrat komplex seien, als dass sie in drei Sätzen erklärt auf Basis der Rückmeldungen der Bürgerschaft und werden könnten. Er schlug deshalb vor, moderne eigener Beratungen einen revidierten kommunalen Kommunikation wie kurze Videos auf Youtube zu Plan. Dieser werde dann einem Windparkentwickler nutzen. vorgelegt, der mit der technischen Planung beginne. Die gesamte Planungsphase werde durch Bürger- Zu Sektorenkoppelung und Speichertechniken versammlungen begleitet. Am Ende stehe ein Be- erläuterte Glahr auf Nachfrage der Moderatorin schluss des Stadtrates, der selbst dann negativ aus- Petra Schwarz, dass diese oft auf Pilotprojektebene fallen könne, wenn der Projektierer schon viel Geld stehenblieben, da sie bis heute nicht wirtschaftlich investiert habe. Mindestens 20 % der gebauten betrieben werden könnten. Zwar sei die Förderung Windleistung müssten an die Bürger*innen im Um- solcher Techniken im Koalitionsvertrag vorgesehen, kreis der Anlagen verkauft werden, was jedoch nicht allerdings sei vom Gesetzgeber versäumt worden, immer gelinge, da keine hohen Renditen zu erwar- hemmende gesetzliche Regelungen abzubauen. ten seien. Zusätzlich erhalte die betroffene Gemein- Lt. Dr. Freytag hätten einige Stadtwerke zwar de einmalig oder jährlich einen bestimmten Betrag, Speichertechnik installiert, diese sei jedoch nicht der von der installierten Leistung abhängig sei und wirtschaftlich und in Brandenburg könnten die der z. B. für die Landschaftspflege, für kulturelle bereits vorhandenen Fernwärmenetze ein großes Aktivitäten oder auch für Informationen zu regene Potenzial für die Sektorenkoppelung darstellen. rativen Energien eingesetzt werde. Diskussion „Wenn wir den Energieverbrauch nicht mindestens um 50 % senken, ist eine sozial und ökologisch tragbare In der Diskussion gab es keinen Konsens darüber, Energiewende nicht möglich.“ ob die Politik die richtigen Lösungen für die Energie- Antje von Broock, stellv. Geschäftsführerin Politik & Kommunikation, wende habe, selbst wenn Einigkeit über die Klima- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) schutzziele bestehe. Lt. Michael Krug werde teilweise die Sinnhaftigkeit der Energiewende in Frage gestellt; daher sei ein gesamtgesellschaftlicher Dialog not- Sowohl die deutschen als auch die europäischen wendig und nicht nur eine Kommission für den Klimaziele müssten an die Verpflichtung des Pariser Kohleausstieg. Eine Möglichkeit hierfür sah Krug Klimaabkommens angepasst werden, so Antje von in der Entwicklung kommunaler Energiekonzepte, Broock. Dabei gehe es um eine weitgehende Dekar- an denen sich Bürger*innen beteiligen könnten. bonisierung der Wirtschaft bis zur Mitte des Jahr- Nils Boenigk wies auf die paradoxe Situation in hunderts. Um dies zu erreichen, seien gesetzlich der Bundesregierung hin, dass ein Ministerium zur verankerte Reduktionsvorgaben für die einzelnen Energiewende stehe und ein anderes sie als zu Sektoren notwendig. Deutschland stehe jedoch teuer bezeichne. Es sei jedoch Zeit zum Handeln. skandalös schlecht da, die CO2-Emissionen seien Die zugesagten EU-Ziele würden eingehalten, war seit 2009 nicht mehr gesunken. Nach wie vor würden | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
ASG 5 enorme Mengen an Kohle für die Stromgewinnung steuer gezahlt werde – wegen des kommunalen verbrannt, während Windkraftanlagen teilweise Finanzausgleichs wenig Geld bei den betroffenen heruntergeregelt werden würden. Der Ausbau der Gemeinden. Der Städte- und Gemeindebund Bran- erneuerbaren Energien sei von der letzten Regie- denburg schlage deshalb vor, die Berechnung der rung gebremst worden, die festgelegten Ausbau- Konzessionsabgabe, welche die Gemeinden dafür mengen stünden nicht mit den Klimazielen in Ein- erhielten, dass der Netzbetreiber seine Leitungen im klang. Um das deutsche Klimaschutzziel für 2020 öffentlichen Straßenraum verlegen dürfe, zu verän- noch einzuhalten, müsse der Kohleausstieg schnell dern. Heute richte sich die Höhe der Abgabe aus- eingeleitet und die Kapazitäten bis 2020 um die schließlich danach, wieviel Strom in die Gemeinde Hälfte reduziert werden. Wie dies möglich sei, ohne geliefert werde. Dies sei unzeitgemäß und setzte die die Versorgungssicherheit zu gefährden, habe der falschen Anreize: „Belohnt wird, wer besonders viel BUND in seinem Abschaltplan für AKW und Kohle Strom verbraucht.“ Die Konzessionsabgabe für ver- gezeigt. Neben dem Entfernen des Ausbaudeckels brauchten Strom betrage derzeit zwischen 1,32 und aus dem EEG seien faire Konzepte für Bürgerenergie 2,39 Cent je Kilowattstunde, ihre Höhe müsse künftig notwendig. Diese sei der Motor der Energiewende auch vom eingespeisten Strom abhängig gemacht und verkörpere Teilhabe, Demokratie und Trans werden. Das Mittel- und Niederspannungsnetz wer- parenz in einem zentralen Wirtschaftsbereich. Je de aber heute auch zum Abtransport von erzeugtem rascher der Ausbau erfolge, desto wichtiger werde Strom genutzt. Bei einer Deckelung der Konzessions es, Akzeptanz zu erreichen. Die Entwicklung der abgabe für eingespeisten Strom auf einen Höchst- Erneuerbaren müsse im Einklang mit der Natur betrag von 0,33 Cent je Kilowattstunde, würde die vorangebracht werden, die bereits vielfältig unter Stromrechnung nur etwa um 1 % steigen – die Druck stehe. Der vielzitierte Vogelschlag an den Kommunen in Brandenburg könnten jedoch mit Windkraftanlagen sei jedoch eine wesentlich gerin- Mehreinnahmen von 51,1 Mio. € rechnen. Da eine gere Gefahr für Vögel als Glasfassaden, Verkehr Anpassung der Konzessionsabgabe nur auf Bun- und die Nahrungsknappheit durch Monokulturen desebene durchgesetzt werden könne, erfolgten in der Landwirtschaft. derzeit die Abstimmungen mit den Bundesministerien. „Wir können die Akzeptanz für die Energiewende nur „Die Planung und Errichtung von Windparks erfordert eine erhalten, wenn Bürger und Gemeinden vor Ort messbar integrative Herangehensweise und individuelle Lösungen. etwas davon haben.“ Mit pauschalen Abgaben kann die notwendige Akzeptanz Sebastian Kunze, Referatsleiter für Energie- und Kommunalwirtschaft, nicht erreicht werden.“ Städte- und Gemeindebund Brandenburg Torsten Levsen, Vorstandsvorsitzender Denker & Wulf AG Die Auswertung von Umfragen zu kommunaler Nachdem klar sei, dass die Klimaziele 2020 ver- Wertschöpfung aus Windkraft in Brandenburg hätte fehlt würden, stünden nun die Ziele für das Jahr ergeben, dass nur 10 – 15 % der theoretisch zu er- 2030 im Fokus der Bundesregierung, so Torsten zielenden Gewerbesteuereinnahmen bei den Kom- Levsen. Deren Erreichbarkeit sei aber ebenfalls munen als Einnahmen verbucht werden konnten, so fraglich. Der Energiesektor spiele bei den formulier- Sebastian Kunze. Zudem bliebe – wenn Gewerbe- ten Zielen die Hauptrolle, der Anteil der erneuerbaren | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
6 ASG Energien am Stromverbrauch solle bis 2030 auf Eine Reihe von Veränderungen sei jedoch durch 65 % steigen. Hierfür sei allerdings nicht nur eine das in Kooperation mit der FH Nordhausen ent zügige Reduzierung der Kohleverstromung, sondern wickelte Energie- und Klimaschutzkonzept für auch eine deutliche Erhöhung der jährlichen Aus- die Gemeinde, Veranstaltungen zu den Themen schreibungsmengen für Windenergie und Fotovol- „regionale Wertschöpfung“ „Bürgerbeteiligung“ taik notwendig. Bei den Ausschreibungen für Wind- oder „Wärmeerzeugung und Wärmeversorgung“ energie seien 2017 besonders viele Bürgerenergie- sowie die 2013 gegründete Bürger-Energiegenos- gesellschaften zum Zuge gekommen, während zu senschaft Helmetal eG bewirkt worden. So seien heutigen Kosten kalkulierte und bereits genehmigte Fotovoltaikanlagen auf zwei Kindertagesstätten Anlagen den Zuschlag nicht erhalten hätten.1 In und einem Altenpflegeheim, hier mit einem Energie- der Folge würde nun ein Großteil der Windparks speichersystem, montiert worden. Mit Solarstrom nicht oder verzögert gebaut. Der Brutto-Zubau versorgt würden auch die Ladesäulen für das ge- (ohne abgebaute Leistung) sei bereits von mehr als meindeeigene E-Mobil. Das Elektromobilitätsprojekt 5 300 MW (2017) auf 3 500 MW (2018) gesunken. „WERTHER mobil…“ sei ein Fahr- und Leihdienst, Hinzu komme der absehbare Rückbau der über mit dem u. a. die Nahmobilität älterer Menschen er- 20 Jahre alten Anlagen. Bei der zweiten Ausschrei- leichtert werden solle. Ende 2017 sei der Windpark bung 2018 hätte es erstmals eine Unterzeichnung zwar immer noch nicht gebaut worden, habe aber der ausgeschriebenen Mengen gegeben, weil oft schon den Preis „Gemeinsam und fair geht mehr“ nur noch Residualflächen zur Verfügung stünden, der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur auf denen es bedeutend schwieriger sei, angepasste (ThEGA) erhalten. Aufgrund des speziellen Verfah- Anlagen zu bauen. Die entstandene Ausbaulücke rens der Poolpacht würden die Grundstückseigen- sei nur noch schwer zu schließen und habe auch zu tümer künftig einen guten Pachtzins erhalten, die einer Reduzierung der Zahl der Akteure am Markt Einwohner*innen von einem günstigen Stromtarif geführt. Viele mittelständische Projektierer seien, profitieren und die Mitglieder der 2013 gegründeten sofern sie nicht in größerem Maße selbst Betreiber Bürger-Energiegenossenschaft Helmetal eG über geworden seien, von den großen Energieversorgern eine Geldanlage verfügen. Ziel der Helmetal eG sei aufgekauft worden. die regionale dezentrale Erzeugung von erneuer baren Energien mit hoher regionaler Wertschöpfung und die langfristig Etablierung als Stromanbieter. „Wertschöpfung kann am Ort gebunden werden. Die Energie- genossenschaft Helmetal eG erzeugt regional und dezentral erneuerbare Energien und möchte sich vor Ort langfristig als „Die Gemeinden müssen ein Mitspracherecht haben. Stromanbieter etablieren.“ Leider ist es aber rechtlich nicht möglich, dass die Hans-Jürgen Weidt, Bürgermeister der Gemeinde Werther Gemeinde im Aufsichtsrat der Genossenschaft sitzt.“ Bernd Bechly, Vorstandsvorsitzender, Rehfelde-EigenEnergie eG Hans-Jürgen Weidt beschrieb den Weg der in Nordthüringen gelegenen Gemeinde Werther mit Die Rehfelde-EigenEnergie eG sei 2011 als ca. 3 350 Einwohner*innen und acht Ortsteilen zur Arbeitskreis der Gemeinde Rehfelde entstanden „grünen Kommune“. 2010 seien die Erneuerbaren und 2012 als Genossenschaft mit 120 Mitgliedern Energien erstmals thematisiert worden. Nach breiter gegründet worden, erläuterte Bernd Bechly. Zu Streuung von Informationen und positiver Resonanz diesem Zeitpunkt habe auch die Planung von zwei auf eine Meinungsumfrage zur „Energiewende im Windkraftanlagen begonnen. Ziel des Rehfelder ländlichen Raum“ habe es eine Reihe von Informa Modells sei es gewesen, eine stabile Eigenversor- tionsveranstaltungen zum Thema Windenergie und gung aller Rehfelder*innen mit Energie und Wärme Planung eines Windparks gegeben. Aufgrund der sicherzustellen, eine sozialverträgliche, preisgünstige Gesetzeslage sei es bislang nicht möglich gewesen, und unabhängige Alternative zu den Energieriesen ein kommunales Windrad zu bauen. zu schaffen, Strom und Wärme im Energiemix aus 1 Nach EEG 2017 müssen Bürgerenergiegesellschaften ihre Windkraftanlagen nicht wie andere Betreiber 24 Monate nach öffentlicher Bekanntgabe des Zuschlags in Betrieb nehmen, sondern haben hierzu 48 Monate Zeit. Des Weiteren müssen sie, abweichend zu anderen Akteuren, nicht angeben, wo der Windpark im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt gebaut werden soll. Aus diesem Grund ist die Projektierung dieser Windparks oft noch wenig fort- geschritten, wenn sie den Zuschlag erhalten und die Kalkulation der Kosten der Anlagen erfolgt unter der (realistischen) Annahme, dass diese in Zukunft sinken werden. Ist der Zuschlag erteilt und gehen die Anlagen ans Netz, erfolgt die Vergütung für den eingespeisten Strom entsprechend dem Wert des höchsten Zuschlags in der jeweiligen Bieterrunde und nicht entsprechend des vorher abgegebenen (niedrigeren) Gebots. Durch diese Konstruktion werden gewerbliche Windparkprojektierer benachteiligt. Neben den Verzögerungen beim Ausbau der Windenergie wird kritisiert, dass es sich bei den 10 Personen, die zur Bildung der Bürgerenergiegesellschaft (im Sinn des EEG 2017) notwendig sind, auch um ortsfremde Investoren handeln kann und daher die Wertschöpfung aus der Region abfließe. | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
ASG 7 nachhaltigen und umweltverträglichen Rohstoffen munalpolitische Akteure und Verwaltung mit dem zu erzeugen, die lokalen Energie-Ressourcen zu Thema auseinandersetzten. Damit diese angesto- erschließen und die Wertschöpfung in der Region ßenen Prozesse nicht im Sande verliefen, würden zu entwickeln. Schließlich sei die Denker & Wulf AG sie kontinuierlich begleitet. Eine gegenseitige Rück- mit der Projektierung beauftragt worden, als Partner kopplung in der Kommunikation aller Beteiligten und und spätere Betreiberin der beiden Windenergie Betroffenen untereinander sorge für Transparenz. anlagen fungiere die Rehfelde-EigenEnergie eG, die heute 240 Mitglieder aus ganz Deutschland Diskussion habe und zusätzlich zwei Fotovoltaikanlagen be treibe. Da jede Person, die mit einem Genossen- „Es darf keine Diskussion mehr über die Klimaziele schaftsanteil von 2 500 € beteiligt sei, eine Stimme geben,“ betonte Torsten Levsen. Diese müssten auf habe, handele es sich in Rehfelde um einen echten allen Ebenen der Gesellschaft durchgesetzt werden Bürgerwindpark und nicht um wenige Investoren, und alle sollten etwas dazu beitragen. Zur Erhöhung die sich eine Anlage teilten. Etwa 80 % der Ziele ihrer Wertschöpfung könnten die Gemeinden Ein- des Rehfelder Modells hätten verwirklicht werden fluss darauf nehmen, welcher Projektierer den können, Unzufriedenheit bestehe allerdings darüber, Windpark baue und betreibe und so zu einer Rege- dass eine direkte regionale Vermarktung nicht mög- lung kommen, von der sie profitierten. Auch Andrea lich und der Strompreis durch hohe Abgaben viel Spangenberg betonte, dass die Politik die Energie- zu hoch sei. Eine günstigere Gestaltung des Strom- wende nicht allein schaffen werde. Allerdings beste- preises für Genossenschaftsmitglieder oder Ein he in der Bevölkerung oft eine starke Abwehrhaltung wohner*innen sei gesetzlich nicht erlaubt. hinsichtlich des Themas, Bevölkerung sowie ehren- amtliche Ortsbeiräte seien oft schlecht informiert und Kommunalpolitiker*innen würden nur unter vier „Es gilt, mit den Menschen vor Ort eine gemeinsame, Augen ihre positive Einstellung zu diesem Thema miteinander verflochtene, nachhaltige Entwicklung und bekunden. Es erfordere viel Zeit und Engagement, somit die Gestaltung ihrer Zukunft zu erarbeiten.“ bis sich genügend Vertrauen in den Gemeinden Andrea-Liane Spangenberg, Vorstandsvorsitzende Bioenergiedorf- entwickelt habe, um ein konkretes Projekt voran Coaching Brandenburg e.V. zubringen. Von unterschiedlichen Seiten wurden die Verän In der Kommunalpolitik von Kommunen unter derungen des EEG in den letzten Jahren als hinder- 10 000 Einwohner*innen seien die Themen Energie lich für die Energiewende und den Aufbau echter und Klimaschutz oft nachrangig und entsprechende Bürgerenergie kritisiert, zudem würden die ehren- Gremien fehlten. Um dies zu verändern, engagiere amtlich tätigen Menschen teilweise überstrapaziert. sich Andrea-Liane Spangenberg im Bioenergie- Hans-Jürgen Weidt wies darauf hin, dass im Bereich dorf-Coaching Brandenburg e.V. dafür, dass kleine erneuerbare Energien sowohl Fachwissen als auch Kommunen die Themen Energie und Klimaschutz Organisationswissen erforderlich seien, weshalb auf die politische Agenda nehmen. Die unabhängige sich hier hauptsächlich Selbständige engagierten, und überparteiliche Institution, die über ein Netz- deren Belastungsgrenze häufig erreicht sei. werk von Personen aus Wissenschaft, Forschung und Praxis im Bereich erneuerbare Energien verfüge, Sebastian Kunze bezeichnete es als höchstes Maß stehe den Gemeinden durch Wissensvermittlung der Bürgerbeteiligung, wenn Geld in den kommunalen und Moderation kompetent zur Seite. Dies geschehe Haushalt fließe; nicht jeder habe das Kapital, sich durch die Initiierung von regelmäßigen Energie an einer Windkraftanlage zu beteiligen. Die Konzes- Stammtischen. Die dort stattfindenden Diskussionen sionsabgabe unterliege als vertragliche Regelung lösten Impulse aus, in deren Folge sich auch kom- zwischen Netzbetreiber und Gemeinde zudem nicht | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
8 ASG dem kommunalen Finanzausgleich und sei, entge- Schlusswort gen ihrer unglücklichen Bezeichnung, als Abgabe nicht zweckgebunden und habe den Vorteil, dass In ihrem Schlusswort rief Dr. Juliane Rumpf alle sie nicht ständigen Schwankungen unterliege, Anwesenden dazu auf, das Thema Klimaschutz in wie die Gewerbesteuer. Als Bestandteil des Strom- ihre Netzwerke zu tragen und damit die Energie- preises werde sie letztlich von allen bezahlt, die wende voranzubringen. Durch Information und Strom verbrauchten. Kommunikation könne es gelingen, Vertrauen zu schaffen und alle Menschen dabei mitzunehmen. Zum Thema Speichertechniken und Sektoren „Dort wo Menschen im ländlichen Raum aktiv koppelung ergänzte Antje von Broock, dass es werden, da wo sie die Initiative ergreifen und nicht darum gehen könne, den Strom zu speichern, andere Menschen überzeugen und mitreißen, der heute durch die Abschaltung der Windkraftanla- da bekommen wir auch die Lösung für das gen „verlorengehe“. Zunächst müssten die Kohle- Problem.“ Dagmar Babel kraftwerke abgeregelt werden, Speichertechniken würden dann nur für die sog. „Dunkelflaute“ benö- tigt. Die Umwandlung von elektrischer Energie in Wasserstoff und dann weiter in flüssige Brennstoffe, wie sie auch im Rahmen der vom Bundesforschungs ASG-Herbsttagung ministerium geförderten Kopernikus-Projekte ent am 14. und 15. November 2018 wickelt werde, sei jedoch sehr ineffektiv und nur im Interesse der beteiligten Autoindustrie, die den in Göttingen Verbrennungsmotor retten wolle. Richtigstellung zum Artikel „Kernige Dörfer 2017 ausgezeichnet“ In der Printausgabe von Ländlicher Raum 01/2018 sind im Artikel „Kernige Dörfer 2017 ausgezeichnet“ auf dem Foto zur Preisverleihung auf S. 16 nicht – wie angegeben – die Finalisten, Sieger und Sonderpreisträger, sondern ausschließlich die Sonderpreisträger zu sehen. Das folgende Foto zeigt nun, wie auch die Onlineversion der Zeit- schrift, alle angegebenen Personen. Foto: BMEL, Ingo Heine Die Finalisten, Sieger und Sonderpreisträger im Wettbewerb 2017 bei der Preisverleihung | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
ASG 9 Nutzen für die Gesellschaft deutlich sichtbar machen Die baden-württembergische Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, MdL, wird ab Herbst 2018 im Kuratorium der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) mitwirken und hat anlässlich ihrer Teilnahme an der gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Kuratorium im April 2018 über die Zukunft der Gemein- samen Agrarpolitik (GAP) gesprochen. Am 1. Juni 2018 hat die Europäische Kommission Vorschläge zur Neuausrichtung der GAP nach 2020 veröffentlicht. Staatsekretärin Gurr-Hirsch gibt nachfolgend eine erste Einschätzung hinsichtlich der Eckpunkte und der Ausgestaltung. Für die Förderperiode der Gemeinsamen europä Foto: MLR / Jan Potente ischen Agrarpolitik (GAP) ab 2020 hat die EU-Kom- mission ein breites Aufgabenportfolio vorgelegt. Die EU stellt sich mit ihrem Vorschlag den gesellschaft- lichen Anforderungen an eine moderne, leistungs fähige und verantwortungsbewusste Landwirtschaft mit den Prioritäten Klimaschutz und Biodiversität. Gleichzeitig hat der Entwurf aber auch die Produktion hochwertiger Lebensmittel und die Wettbewerbs fähigkeit der kleineren und mittleren bäuerlichen Familienbetriebe im Blick, wie sie in Baden-Württem berg vorherrschend sind. Damit enthält der Legislativvorschlag eine Reihe von guten Ansätzen, die auch auf den Agrarsektor und den ländlichen Raum Baden-Württembergs passen. Diese haben wir auch im grün-schwarzen Koalitionsvertrag von 2016 für die kommende Förderperiode klar abgesteckt. Die Beibehaltung der bisherigen Zwei-Säulen- über Kappung und Degression sollte allerdings bei Struktur begrüßen wir ausdrücklich. Ich weise in den weiteren Verhandlungen im direkten Zusam- diesem Zusammenhang darauf hin, dass die direkt menhang mit der stärkeren Förderung der bäuer einkommenswirksamen Direktzahlungen aus der lichen Familienbetriebe bei der Ausgestaltung der 1. Säule keine Geschenke an unsere Bäuerinnen Strategiepläne geführt werden. und Bauern sind, sondern ein Ausgleich für die höheren Standards, welche sie im weltweiten Ver- Meines Erachtens sollte die EU-Kommission auch gleich einhalten müssen, um vor allem hochqualita noch deutlicher aufzeigen, wie den Mitgliedstaaten tive Nahrungsmittel zu produzieren. mehr Flexibilität u. a. bei der Förderung zur Entwick- lung der ländlichen Räume (LEADER, Naturparke, Auch der Vorschlag der Kommission, die ersten Innovative Maßnahmen für Frauen im Ländlichen Hektare in der Zeit nach 2020 noch besser zu för- Raum (IMF) etc.) gewährt werden kann. Denn: Eine dern, findet die Unterstützung Baden-Württembergs. bedarfsgerechte Programmplanung für die 2. Säule Damit kann der strukturelle und wirtschaftliche kann nur durch die Regionen bzw. die Länder selbst Nachteil unserer Betriebe mit weniger Flächenaus- erfolgen, damit die Menschen vor Ort – mit finanziel- stattung mindestens teilweise ausgeglichen werden. ler Unterstützung durch die EU – lebenswerte länd- Ich finde es im Übrigen wichtig, Regionen, die sich liche Räume und attraktive, lebendige Dörfer mitge- im Bereich der Fläche eher durch Kleinstrukturen stalten können. Die föderalen Strukturen in Deutsch- auszeichnen, besser zu fördern. Die mit einem in land müssen deshalb bei der weiteren Ausgestal- dividuellen Lohnkostenfaktor gewichtete Kappung tung der Reform unbedingt berücksichtigt werden. der Direktzahlungen ab 100 000 € pro Betrieb halten wir für eine angemessene Reaktion auf die im Mehr- Aus Sicht Baden-Württembergs ist ein sehr wichtiger jährigen Finanzrahmenplan vorgesehene Kürzung Aspekt im Legislativvorschlag leider nur sehr vage der GAP-Mittel im EU-Haushalt. Die Diskussion formuliert: die bessere finanzielle Unterstützung der | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
10 ASG Tierhaltung. Die komplexen Anforderungen an die Mit Blick auf die neue Förderperiode ist es ein zen- Landwirtschaft durch den medial forcierten, gesell- trales Anliegen, den Nutzen der Landwirtschaft und schaftlichen Druck, vor allem im Bereich Tierwohl, der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Gesellschaft aber auch die erhöhten Anforderungen an eine deutlich sichtbar zu machen. nachhaltige Nahrungsmittelproduktion sowie der Ressourcen- und Klimaschutz bedingen einen Mit Nachdruck setzt sich Baden-Württemberg da- hohen Entwicklungs- und Investitionsbedarf. her für eine Vereinfachung der Förderverfahren ein. Anstatt der bisherigen Prozessorientierung, die vor Die Kürzungen der Mittel für die 2. Säule, wie sie allem auf die Einhaltung von formalen Prüfkriterien derzeit von der EU-Kommission vorgesehen sind, fokussiert ist, will die EU künftig das Prinzip der Er- halte ich daher für überzogen. Die EU tut gut daran, gebnis- und Zielorientierung anwenden. Mit dieser diese Strategie nochmals zu überdenken, vor allem Neuausrichtung verbinden wir die Erwartung, dass auch im Blick auf die öffentliche Akzeptanz der die GAP für die Landwirte einfacher, für die länd- GAP-Reform. Immerhin sind es vor allem die Mittel lichen Räume attraktiver und für die Umwelt wirk der 2. Säule, die in der Bevölkerung ganz allgemein samer wird. Die Formulierung der Zielkriterien be- gutgeheißen werden. darf aus meiner Sicht gerade unter diesen Aspekten einer großen Sorgfalt. Unsere Bestreben z. B. in der Qualitäts- und Regionalvermarktung, im Bereich der Kennzeichnung Die Baseline für die Bewirtschaftungs- und Produk- (z. B. Tierwohl) sowie im Rahmen der vielfältigen tionsbedingungen muss weiterhin EU-weit einheitlich Förderanreize und Bildungsangebote müssen wei- geregelt sein (EU-Fachrecht), um Wettbewerbs tergeführt und ausgebaut werden. verzerrungen zu verhindern. Hier dürfen die Mit- gliedstaaten und die Regionen nicht zu viel Gestal- Auch in Zukunft müssen deshalb im Rahmen der tungsspielraum erhalten. Ich gehe davon aus, dass GAP spezifische und zielgerichtete Maßnahmen, z. B. für Deutschland diesbezüglich die Festlegung auf die Investition in digitale Technik, in Tierwohl oder in nationaler Ebene erfolgt. neue Wertschöpfungsbausteine wie die Direktver- marktung oder die Verarbeitung, angeboten werden. Baden-Württemberg wird den Legislativvorschlag der EU-Kommission unter enger Einbeziehung der Alle genannten Maßnahmen sind auf gesellschaftliche Partner des ländlichen Raums und der Landwirt- Akzeptanz angewiesen, sei es bei der Standortfindung schaft intensiv prüfen. Wir werden uns auch für die für einen neuen Stall oder hinsichtlich der Wertschät- neue Förderperiode dafür einsetzen, die Lebens zung der Lebensmittel beim Einkaufsverhalten. verhältnisse in den bäuerlichen Familien zu ver bessern und den ländlichen Raum zukunftsfähig Damit all dies zielgerichtet und effektiv gefördert und attraktiv zu gestalten. werden kann, wobei die bäuerlichen Familienbetriebe – ob im Haupt- oder Nebenerwerb – im Mittelpunkt stehen, und praxisgerechte Lösungen für den länd- lichen Raum entwickelt werden können, müssen unsere Anstrengungen für die kommende Förder Friedlinde Gurr-Hirsch MdL periode daher vor allem auf eine finanziell gut aus- Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum gestattete GAP gerichtet sein. und Verbraucherschutz Baden-Württemberg Foto: M. Wende | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
Agrarpolitik 11 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Geschichte wiederholt sich – oder auch mal nicht Über eine altbekannte Brüsseler Reformstrategie, wenig überraschende Reaktionen und neue Unwägbarkeiten Die Reaktionen auf die ver- Tatsächlich bereitet ein vertiefter Direktzahlungen bei einer be- meintlich überraschenden, Einblick in die Historie der Gemein stimmten Betriebsgröße, der von weil für alle Mitgliedstaaten samen Agrarpolitik und wieder- der hiesigen Regierung aus über- verpflichtenden Degressions- kehrende Bemühungen um deren geordneten Erwägungen auf kei- und Kappungsvorschläge der Weiterentwicklung manches nen Fall akzeptiert werden kann EU-Kommission folgten einem Aha-Erlebnis. Konnten sich die und regelmäßig unter Aufwen- bekannten Muster mit regionaler ostdeutschen Großbetriebe An- dung einiger politischer Mühe Komponente. Während Baden- fang der 90er Jahre im damaligen und erheblicher Kosten mindes- Württembergs Landwirtschafts Beitrittsgebiet noch auf ihren tens entschärft werden muss. minister Peter Hauk die Brüsseler Exotenstatus berufen und Auf diese Weise ist 2003 aus Kappungspläne als „angemesse- Welpenschutz bei der Gewährung einer vorgeschlagenen größen ne Reaktion auf die vorgesehene von Preisausgleichszahlungen abhängigen Degression mit fester Kürzung der GAP-Mittel im EU- anstelle staatlich garantierter Abschneidegrenze eine schritt- Haushalt“ lobte und sich seine Stützpreise beanspruchen, nahm weise, aber moderat steigende neue bayerische Amtskollegin fortan das Verständnis für ost- Umschichtung, 2008 aus einer Michaela Kaniber „ausgespro- deutsche Besonderheiten und degressiven Kappung eine pro- chen positiv“ zu einer Obergrenze Entgegenkommen bei der Ver gressive Modulation und 2013 für die Direktzahlungen äußerte, teilung der Brüsseler Agrarmil aus einer Verpflichtung zu Kap- kamen aus dem Osten der Repu- liarden im In- und Ausland konti- pung und Degression eine Option blik farbenübergreifend ganz nuierlich ab. Gleichzeitig fühlte mit der Möglichkeit geworden, andere Töne. Sie reichten von sich bislang noch jede Bundes- diese durch eine stärkere För dunkelroten Warnungen vor regierung und jeder Landwirt- derung der ersten Hektare zu einem massiven Mittelabfluss schaftsminister unabhängig von ersetzen. (Thüringens Birgit Keller) über Partei (meistens CSU, auch hellrote Kritik an einseitiger Be- schon mal Grüne), Herkunft Und diesmal? Sie könne sich nachteiligung einer gewachsenen (Bayern!) und Geschlecht (zuneh- kaum vorstellen, ließ Bundes Agrarstruktur (Brandenburgs mend weiblich) der ostdeutschen ministerin Julia Klöckner mit Blick Jörg Vogelsänger) bis zu schwar- Landwirtschaft so weit verpflichtet, auf die jüngsten Brüsseler Kap- zen Befürchtungen eines Verlusts dass man sie nicht ungebremst pungspläne bereits verlauten, von Arbeitsplätzen und Wirtschafts jeglichen Kürzungsgemeinheiten „dass wir hier ohne Änderungen kraft (Sachsens Thomas Schmidt). aus den Brüsseler Amtsstuben mitgehen können“. Allerdings be- Drastischere Worte fanden kraft aussetzen darf, erst recht nicht zog sie ihre Absage ausdrücklich Amtes die Bauernverbandspräsi- unter einer zwar vielfältig bean- nur auf eine „rigide Kappung“, denten. Während der Thüringer spruchten, aber in Kappungs während man eine degressive Klaus Wagner einmal mehr „einen fragen seit jeher sensibilisierten Ausgestaltung der Direktzahlun- Schlag ins Gesicht der ostdeut- Bundeskanzlerin mit dem Wahl- gen prüfen werde, so die CDU- schen Landwirtschaft“ verspürte, kreis Vorpommern-Rügen. Politikerin aus dem bekannter sieht Sachsens kampferprobter maßen eher südlich gelegenen Wolfgang Vogel sichere Anzeichen In der europäischen Hauptstadt Rheinland-Pfalz. Umverteilen ja, für eine „heuchlerische Inszenie- weiß man diese Situation bei abschneiden nein, so in etwa rung unter dem Deckmantel einer der Suche nach agrarpolitischer dürfte ein Verhandlungsziel der gerechteren Verteilung“ und ver- Konsensfindung auf dem zuneh- gegenwärtigen Bundesregierung mutet einen neuerlichen Brüsse- mend schwieriger gewordenen lauten. Das könnte klappen, ler Versuch, die wettbewerbs Verhandlungsparkett seither wenn auch wie gehabt nicht zum starken ostdeutschen Landwirt- trefflich zu nutzen. Das Vorgehen Nulltarif. Denn eins dürfte sich er- schaftsbetriebe zu zerschlagen. ähnelt sich dabei alle Jahre aufs neut zeigen: Der in den Brüsseler Das kam dem einen oder ande- Neue: Die EU-Kommission macht Konferenzräumen zu zahlende ren bekannt vor. einen Vorschlag zur Kappung der politische Preis für die Direkt | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
12 Agrarpolitik zahlungen im Allgemeinen und men reicher machen“. Zugege- wohl bewusst. Grethe verweist den Verzicht auf Kappung im ben, klappern gegen die EU- auf die langen historischen Besonderen wird tendenziell Agrarpolitik gehört speziell für Zyklen, in denen Vorschläge weiter ansteigen! Umweltverbände zum Handwerk. von Agrarökonomen gemeinhin Aber gesellschaftliche Akzeptanz Eingang in die praktische Politik Dies gilt umso mehr, als sich die der GAP als Voraussetzung für finden. Den kritischen Hinweis, Kommissionsbeamten mit den deren langfristigen Bestand und lediglich aus dem berühmten geforderten nationalen Strategie- damit die allenthalben geforderte Elfenbeinturm auf die Mühen plänen für die Ausgestaltung der Planungssicherheit für Bauern, der agrarpolitischen Ebenen zu 1. Säule eine weitere Regelung Betriebe, Behörden und Regio- schauen, lässt der Beiratsvorsit- ausgedacht haben, die speziell nen braucht auch Unterstützung zende ähnlich wie seine Vorgän- hierzulande schon jetzt für erheb- abseits der vielzitierten Agrar ger gelten, denn zu einer funda- liches Kopfzerbrechen sorgt. Im kreise. Die scheint ferner denn je. mental falschen Politik gehöre föderalen Deutschland mit ge- nun mal eine fundamentale Kritik. schätzt einem Dutzend penibel Nicht wirklich überraschen konn- auf Eigenständigkeit und die te der übliche Verriss der GAP Ungeachtet der vielen allzu Be- Wahrung regionaler Besonder aus den Reihen der deutschen kannten in den aktuellen Reform- heiten bedachter Länderagrar Agrarökonomie. Der Wissen- gleichungen bleiben gleichwohl minister könnte dieser Vorschlag schaftliche Beirat für Agrarpolitik auch einige große Unbekannte, den Boden zur einen oder ande- beim Bundeslandwirtschaftsmi- die einen Ausgang der Reform ren politischen Wirtshausschläge- nisterium bescheinigt auch in bemühungen wenig vorhersehbar rei bereiten. Zumindest hätte er seinem jüngsten Gutachten der machen. Dies reicht von der das Zeug dazu, die Agrargemüter EU-Agrarpolitik einmal mehr nationalen Ebene mit der nach landauf, landab über Jahre zu Versagen auf ganzer Linie und wie vor fehlenden Abstimmung beschäftigen. fordert deren grundlegende Neu- zwischen dem traditionell agra konzeption mit einer konsequen- rischen Anliegen verpflichteten Abzuwarten bleibt, inwieweit die ten Orientierung an Gemeinwohl- Bundeslandwirtschaftsministerium Ministerin mit der künftigen GAP zielen in den Bereichen Umwelt-, und einem per se den Umwelt ihrem Ziel näherkommen wird, Klima- und Tierschutz. Als Grund- belangen zuneigenden Umwelt- die Landwirtschaft „in die Mitte übel der gegenwärtigen GAP ressort bis zu offenen Fragen der Gesellschaft“ zu rücken. Die wird deren vergebliche und nicht des künftigen EU-Agrarbudgets. ersten Reaktionen aus den Rei- zu rechtfertigende Ausrichtung Der Finanzvorschlag von Haus- hen der Umweltverbände machen auf die Einkommensstützung haltskommissar Günther Oettinger da wenig Hoffnung. Während landwirtschaftlicher Betriebe sieht eine moderate Kürzung des die Ministerin insbesondere das ausgemacht, die mit den Direkt- künftigen EU-Agrarhaushalts um Festhalten an der bestehenden zahlungen nicht mal ansatzweise 5 % vor, wobei allerdings die Mit- Zwei-Säulen-Struktur als unver- erreicht werde. Die aktuellen tel für die 2. Säule deutlich stärker zichtbar lobt, stellt genau die Versuche, die Zahlungen einmal gekürzt werden sollen als die für nach Auffassung der Umweltseite mehr „gerechter“ und „grüner“ die 1. Säule. Diese Ungleichbe- das eigentliche Problem dar. zu machen, kritisiert der Beirats- handlung dürfte ebenso noch Der NABU nennt das Brüsseler vorsitzende Harald Grethe als für Kontroversen sorgen wie der GAP-Papier „ein Drama für „Herumdoktern“ ohne Aussicht Gesamtplafonds. Nicht auszu- die Artenvielfalt“, der Deutsche auf tatsächliche Verbesserungen. schließen, dass andere EU- Naturschutzring meint Ähnliches, Allerdings schwant auch dem Aufgaben etwa im Bereich der wenn er der Kommission vorwirft, Vorsitzenden und seinen Gelehr- Flüchtlingspolitik weitere Mittel in sie konterkariere mit dem Fest- tenkollegen, dass der politische erheblichem Umfang beanspru- halten an den überholten Direkt- Reformwille in Europa derzeit chen. Eins scheint damit zumin- zahlungen ihre eigenen Umwelt- nicht sehr ausgeprägt ist und die dest klar: Die in der Vergangen- ziele. Wenig Interpretationsspiel- Aussichten für eine grundlegende heit bewährte Methode, Agrar- raum lässt wie gewohnt die Sicht Agrarreform gegen Null gehen. kompromisse mit zusätzlichen von Greenpeace. Es stehe außer Die Wissenschaft ist sich denn Brüsseler Milliarden zu befördern, Frage, so die Umweltorganisation, auch ihrer neuerlichen Zuschauer- wird diesmal nicht funktionieren. auch die künftige EU-Agrarpolitik rolle mit beschränktem Einfluss Es wird noch viel Schweiß der werde weiter „Familienbetriebe auf das aktuelle Spielgeschehen Edlen kosten, die GAP-Kuh vom zerstören und Industrieunterneh- oder gar den Spielausgang sehr Eis zu bringen. Rainer Münch | ASG | Ländlicher Raum | 02/2018 |
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